PDF: Viertausender Der Alpen Leseprobe
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MONTE ROSA • 4634 m »Kein anderer Berg liegt in einer solchen Höhe«, stellte schon der geniale Leonardo da Vinci fest, als er im ausklingenden 15. Jahrhun- dert am Hofe Ludovico Sforzas zu Mailand weil- te und den Monte Rosa bei der Besteigung des Monte Boso, oberhalb von Valsesia, kennenge- lernt hatte (den Mont Blanc hatte er offensicht- lich nie gesehen). Wer einmal das Glück hat, die Po ebene wolkenlos zu erleben, dem bietet sich im Norden ein unvergleichlicher Anblick: Wie eine weiße Wolke schweben die Gipfel des Monte Rosa über der flirrenden Hitze, einer Fata Morgana gleich – man kann kaum glauben, dass dies ein Berg ist. Gewaltigstes Massiv der Schweizer Alpen – neben dem Mont Blanc mächtigster Bergstock der Alpen. Diese Superlative charakterisieren den Monte Rosa im schweizerisch-italienischen Auf dem Weg zur Signalkuppe: frühmorgens auf der Grenzkamm, zwischen Lisjoch und Jägerjoch: s Cresta Signal. festlich drapiert in anschwellenden Eiswogen, ohne geometrische Strenge, unordentlich ge- gliedert, als habe die Schöpfung dem Zufall das te, im Osten eine Fassade unheimlicher Abstür- Formenelement überlassen. Aus den bis zum ze. Sie scheinen Menschenmaß zu sprengen! First reichenden Gletschern treten vereinzelte Etwa drei Viertel des Monte-Rosa-Gebietes Felsfluhen hervor, Andeutungen gezackter Gra- gehören zu Italien. Im Gegensatz zu den Ost- p Gewaltig: das Massiv des Monte Rosa, fotografiert auf dem Stockhorn. 112 WALLISER ALPEN WALLISER ALPEN 113 p Nur der Berg am Horizont ist höher. An der Signal- kuppe, rechts am Bildrand der Liskamm, und ganz hinten, 80 Kilometer entfernt, der Mont Blanc. und Südostflanken geben sich die Schweizer Hänge ausnehmend gefügig, sodass auf ihnen die meisten Besteigungen des höchsten Punktes, der Dufourspitze, erfolgen. Prachtvoll die Aussicht vom Gipfel. Alles, was Rang und Namen besitzt in der Viertausender- szene, tritt ins Blickfeld, vom Finsteraarhorn bis zum Gran Paradiso und Mont Blanc, Weisshorn, Zinalrothorn, Obergabelhorn, das Matterhorn im steilen Profil des Hörnligrates, die Liskamm- wand und so fort – als bestünde die Welt nur aus Bergen. Julius Kugy (1858 – 1944) schreibt, er habe von hier den »Dom von Mailand aus dem Häusermeer ... aufleuchten sehen«. Zehn Viertausenderspitzen Die Durchschnittshöhe der zehn Viertausender- spitzen des Monte Rosa beträgt 4389 Meter. Aber was heißt schon Durchschnitt – besteigen muss man sie alle einzeln. Man kann dies im Rahmen einer zweitägigen Überschreitung tun. Oder die Gipfel werden als Einzelziele ins Auge gefasst. Alle Gipfel auf einen Schlag Die in der Regel zwei Tage dauernde Überschrei- tung des Monte Rosa hat es zu internationa- lem Ruf gebracht. Dabei spielt die dreistöckige 63 Kilometer liegen zwischen dem Gipfel des Gridone oberhalb des Lago Maggiore und dem Monte Rosa: die mächtigste Wand der Alpen. »Capanna osservatorio Regina Margherita alla s Punta Gnifetti«, so die offizielle Bezeichnung, eine wichtige Rolle. nicht alle zutrauen können, zumindest die an- Gliederung der Überschreitung: deren Gipfel in umgekehrter Reihenfolge. Auf- 1. Tag: Monte-Rosa-Hütte – Nordend – Du- bruch dann oft am Kleinen Matterhorn, mit fourspitze – Zumsteinspitze – Signalkuppe der akklimatisationsfördernden Besteigung von (Übernachtung); 11 bis 13 Stunden; stellenwei- Breithorn, Castor und Pollux vorneweg – mit se III und II, überwiegend Eis und Firn. Übernachtungen auf der Ayas- und Quintino- 2. Tag: Signalkuppe – Parrotspitze – Ludwigs- Sella-Hütte. höhe – Schwarzhorn – Balmenhorn – Vincent- Erst nach diesen zwei Tagen geht es dann über pyramide – Punta Giordani – Gnifettihütte; 4 bis den Liskamm oder an ihm vorbei zur Gnifetti- 5 Stunden. hütte, um dann letztlich mit vielen Möglichkei- Rückkehr zur Monte-Rosa-Hütte über das Lis- ten wieder an der Monte-Rosa-Hütte bzw. in joch in etwa 5 Stunden. Zermatt zu enden. Bei Bergführern heißt diese Oder aber, weil sich den anspruchsvollen Teil Tour übrigens aufgrund des immer gleichen über Nordend, Dufour- und Zumsteinspitze Abendessens »Spaghettirunde«. 114 WALLISER ALPEN WALLISER ALPEN 115 s Viertausender an Viertausender reiht sich am Horizont, wenn man über den Grenzgletscher absteigt. Die Gipfel als Einzelziele Teils sind dies, zeitlich betrachtet, Mittelgebirgs- Signalkuppe 6–7 Stunden, Nordend 6–7 Stun- Eine Woche Urlaub auf der Mantua- oder der verhältnisse, auch für Skitouren in einem weitge- den, um nur die üblicherweise auf Schweizer Gnifettihütte und jeden Tag gutes Wetter ge- hend lawinenungefährlichen Terrain. Das einzige Seite angepeilten Ziele zu nennen. nügen, um sich den Großteil der Monte-Rosa- Problem ist die dünne Luft. Nur eine Nacht auf Bei aller Sammelwut am Monte Rosa werden Viertausender einzuverleiben. Von der Gnifetti- der Hütte reicht für eine wirksame Akklimatisie- die lohnenden Anstiege abseits der Normalwege hütte ergeben sich folgende Gehzeiten: Punta rung nicht aus! In der Regel werden immer eini- gerne übersehen, weil sie oft einen wesentlich Giordani 2 Stunden, Vincentpyramide 2 Stun- ge Gipfel zusammengefasst, denn sonst müsste höheren Aufwand bedeuten. Sei es die Cresta den, Schwarzhorn 2½ Stunden, Ludwigshöhe man, außer bei der Punta Giordani, für jede ein- Signal auf die Signalkuppe, die Via Brioschi zum 2½–3 Stunden, Parrotspitze 3 Stunden, Signal- zelne Tour erneut auf 4000 Meter ansteigen. Nordend oder die Cresta Rey zur Dufourspitze, kuppe 4–5 Stunden, Zumsteinspitze 4–5 Stun- Erheblich länger sind die Gipfelwege ab der hier erst erlebt man die Dimensionen dieses ge- den, Dufourspitze 7 Stunden. Monte-Rosa-Hütte: Dufourspitze 6–7 Stunden, waltigen Berges. 116 WALLISER ALPEN WALLISER ALPEN 117 bracht. Der Silbersattel (4515 m) wurde schon DUFOURSPITZE • 4634 m 1847 von den Franzosen M. Victor Puiseux und Dr. Edouard Ordinaire mit den Führern Johann Brantschen, Johannes und Matthäus Zumtaug- Die Dufourspitze, exakt 4633,9 m, ist der und markiert lediglich punktuelle Graterhebun- bestehenden topografischen Atlas der Schweiz wald und Joseph Moser erreicht. Ein Jahr später höchste Gipfel der Monte-Rosa-Gruppe – und gen zwischen Silbersattel und Grenzsattel. (»Dufourkarte«) heraus. Bergtaufe war am beobachtete Professor Melchior Ulrich aus Zü- der Schweiz. Sie befindet sich 180 Meter west- Guillaume Henri Dufour (1787–1875), Gene- 28. Januar 1863. rich vom Silbersattel aus, wie seine Führer Jo- lich der italienischen Grenze, also einwandfrei ral und Oberbefehlshaber des Schweizer Heeres, Die erste Besteigung rechnet man üblicherwei- hann Madutz und Matthäus Zumtaugwald ein auf eidgenössischem Boden. Dach des »Ländli«! hob im Krieg 1847 den Sonderbund der sieben se der Großunternehmung zu, die am 1. August Couloir in der Nordwand durchstiegen, um von Der Rest an Viertausendererhebungen im Gip- ultramontanen Kantone auf, und außerdem 1855 die Dufourspitze erreichte, aber beträcht- dort aus den Gipfelgrat zwischen Hauptgipfel felbereich ist von nebensächlicher Bedeutung gab er den ersten, aus 25 Blättern (1:100.000) liche Vorleistungen hatten frühere Pioniere er- und Ostspitze zu erreichen. Viele betrachten diesen Anstieg – auch wegen der überwunde- q Vom Gipfel der Zumsteinspitze blickt man auf die Dufourspitze links und das Nordend rechts dahinter. nen Schwierigkeiten (III) – als eigentliche Erst- besteigung. Vier weitere Besteigungen der Ostspitze vom Silbersattel aus folgten: 1851 durch die Brüder Adolf und Hermann von Schlagintweit, mit Pe- ter Taugwalder, Johannes Zumtaugwald und Peter Inderbinen; 1854 durch die drei Smyth- Brüder mit ihren Führern Ulrich Lauener und Johannes und Matthäus Zumtaugwald sowie durch Edward Shirley Kennedy mit den vorer- wähnten Zumtaugwalds und Benedict Leir, und von Edward Levi Ames mit Matthäus und Ste- phan Zumtaugwald. Prachtaussicht vom Gornergrat: die Schweizer Seite des Monte Rosa. Keine dieser Seilschaften versuchte auf die s Dufourspitze weiterzuklettern; damals war noch nicht klar, welcher Gipfel der höchste war. Länger über den Grenzsattel 1855 war die Dufourspitze das Ziel einer Die Route Grenzgletscher – Grenzsattel – Süd- ALLGEMEINE INFOS Großexpedition: angeführt von dem 27-jähri- ostgrat stellt einen Umweg von fast 2 Stun- Lage gen Reverend Charles Hudson, von dem es hieß, den dar. Ihre Begehung, zum ersten Mal 1874 Dufourspitze, 4634 m, 45°56'14'' N / 7°52'02'' O er sei die unangefochtene Autorität im Alpine von F. B. Barlow und G. W. Prothero mit Jean Talorte Zermatt, 1616 m Club (ein Jahrzehnt später brachte ihm der Mat- Antoine Carrel und Peter Taugwalder durchge- Macugnaga, 1307 m terhornsieg den Tod), waren die Brüder James führt, lohnt sich nur, wenn die Zumsteinspitze Erstbesteigung Grenville und Christopher Smyth, John Birbeck (¾ Stunden aus dem Grenzsattel) »mitgenom- John Birbeck, Charles Hudson, James G. Smyth, Christopher Smyth, und Edward John Stevenson mit von der Partie, men« wird. Davon abgesehen kommt der Süd- Edward J. W. Stevenson, Ulrich Lauener, Johannes und Matthäus Zum- begleitet vom 34-jährigen Lauterbrunner Führer ostgrat bei Überschreitungen von der Gnifetti- taugwald am 1. August 1855 Ulrich Lauener und von Johannes und Matthäus hütte, besser vom Rifugio Margherita in Frage. Karten Zumtaugwald (obwohl ihr Führerbuch in die- Landeskarte der Schweiz 1:25.000, Blatt 1348 Zermatt, Zusammen- sem Punkt unklar ist). Heute ist der Anstieg über Cresta Rey setzung 2515 Zermatt Gornergrat Landeskarte der Schweiz 1:50.000, Blätter 284 Mischabel und 294 Sattel und Westgrat der normale Sommer- und Das vielseitige Angebot – ganz abgesehen von Gressoney, Zusammensetzung 5006 Matterhorn Mischabel