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K C E B M A L P

N A I T S I R H C

S N A H Weibliche Abgeordnete im Deutschen Bundestag: „Mit dem Wettkampf tun sich Männer leichter“ Hinter jedem Mann Gleichberechtigung Bei der Kür der Direktkandidaten für die Bundestagswahl blieben Unions - politikerinnen auffallend chancenlos. Frauenverbände beklagen Diskriminierung. Zu Recht?

it der Parole „Frauen von heute lor auf der Nominierungsversammlung Merkels Appell an die Landes verbände, warten nicht auf Wunder. Wir ma - gegen einen Mann. , 66, möchte bei der Kandidatenaufstellung für die Bun - Mchen sie“ zog die CSU-Bundes - nach zwölf Jahren als Hinterbänkler im destagswahl auf einen an gemessenen Frau - tagsabgeordnete Barbara Lanzinger vor Parlament noch eine vierte Legislatur- enanteil zu achten, zeigte bislang wenig einem halben Jahr in den Kampf um das periode dranhängen. Nur einer ihrer drei Wirkung. „Wir haben da wieder große Pro - Bundestagsdirektmandat im oberpfälzi - Bundestagskolleginnen gelang der ange - bleme“, monierte Merkel beim Netzwerk - schen Wahlkreis Amberg. strebte Aufstieg vom Listling zur Direkt - treffen der Unionsfrauen im Februar. Eine Direktkandidatur zu ergattern ist at - kandidatin: der Hofer Juristin Silke Lau - Die Kasseler Professorin für Öffentliches traktiv für CSU-Politiker, weil sie den siche - nert, Mitglied im Parteivorstand. Insge - Recht Silke Ruth Laskowski sagt: „Frauen ren Einzug in den Bundestag garantiert: 2013 samt sind gerade mal 17 Prozent der haben bei der Kandidatenkür nicht die glei - holten die Christsozialen alle Wahlkreise in Direktkandidaten in den 46 bayerischen chen Chancen wie Männer.“ Die „subtile Bayern. Direkt vom Volk gewählt bedeutet Bundestagswahlkreisen Frauen. Diskriminierung“ von Frauen, die im Orts - auch einen höheren politischen Wert. Wo bleiben hier die 40 Prozent Frauen, verein häufig in der Minderheit sind, funk - Lanzinger, 62, die 2013 über die Liste in die Parteichef Horst Seehofer 2010 als Ziel tioniere so: „Mann wählt Mann. Und Posten den Bundestag eingezogen war, sagt, sie für die Parteispitze ausrief und dafür eine werden vorher ausgekungelt.“ Frauen seien habe nicht länger als „Abgeordnete zwei - Quote setzte? „Keiner kann den Delegier - zu sehr um Transparenz bemüht und oft ter Klasse“ Politik machen wollen. Sie ten vorschreiben, dass sie eine Frau wählen Einzelkämpferinnen, die in den männlich wollte außerdem jungen Frauen in der Par - müssen, weil im Wahlkreis dominierten Parteistruktu - tei ein Beispiel geben. „Entweder ich ge - nebenan ein Mann gewon - 25% ren ausgebremst würden. winne das Direktmandat, oder es ist nen hat“, sagt CSU-Gene - CSU-Mann Scheuer be - Schluss mit Politik“, kündigte sie an. ralsekretär Andreas Scheu - 2002 teuert, die Nominierung Viele andere CSUlerinnen traten an. Im er dazu. Und an der Basis 21% der Direktkandidaten sei Wahlkreis Starnberg stellte sich Thuy Tran, ist der Geschlechterpro - „natürlich überall demo - 2013 eine Studentin und CSU-Stadträtin mit porz offenbar nicht beson - kratisch abgelaufen“. Doch vietnamesischen Wurzeln, zur Wahl. Im ders populär. 62 Frauen, er räumt ein, der Frauen - Münchner Norden kandidierten unter ande - Bayern eben, könnte Anteil: 237 Männer anteil sei, anders als in der ren eine Zahnärztin und eine Entwicklungs - man meinen. Jenseits der 12% Parteispitze, „geringer“, helferin, die lange im Kongo eingesetzt war. Landesgrenze sieht es mit - was über die Liste „gut Die CSU erlebte in den vergangenen Mona - unter allerdings auch nicht 1990 ausgeglichen“ werde. Der ten einen regelrechten Sturm und Drang der weiblicher aus. Baden- erste Platz soll an die Ab - Frauen auf Bundestagsdirektmandate. Württembergs CDU-Direkt - Von Frauen gewonnene geordnete Astrid Freuden - Bloß: Das von Barbara Lanzinger aus - kandidaten sind zu 92 Pro - Direktmandate im stein gehen, die im Wahl - gerufene Wunder blieb aus. Sie selbst ver - zent männlich. Angela Deutschen Bundestag kreis Regensburg auf frag -

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würdige Weise als Direktkandidatin durch - gefallen war. Bei der Nominierungsversammlung kam es zum Eklat, als der Bundestagsabgeord - nete Philipp Graf Lerchenfeld öffentlich bezweifelte, dass „der beste Kandidat“ das Rennen mache. Er kritisierte indirekt den CSU-Kreischef Peter Aumer, der selbst kandidierte und angeblich dafür gesorgt hatte, dass nur solche Mitglieder als Dele - gierte nominiert wurden, die ihm gewogen sind. Am Ende setzte sich Aumer mit drei Stimmen Vorsprung gegen Freudenstein durch. Die muss jetzt hoffen, dass das Wahlergebnis der Union so gut ausfällt, dass sie über die Liste in den Bundestag einziehen kann. Dass auch auf den Listen Frauen häufig im Nachteil sind, vor allem bei den attrak - tiven vorderen Plätzen, zeigt das Beispiel Hamburg. Obwohl sich die CDU ein frei - williges Quorum auferlegt hat, jeden drit - ten Listenplatz mit einer Frau zu besetzen, findet sich in der Hansestadt die erste Bun - destagskandidatin auf Platz fünf. Als Her - lind Gundelach zur Rede ihrer vergeb - lichen Kampfkandidatur um Platz drei ansetzte, ploppten in der hintersten Reihe demonstrativ die Bügelbierflaschen auf. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass drei Frauen, die für eine vordere Position im Gespräch waren, die Kandidatur ausschlu - gen, weil sie nicht nach Berlin ziehen wollten. Nur 21 Prozent aller Direktmandate im Bundestag gingen bei der vorigen Bundes - tagswahl an Frauen. Unter den insgesamt 254 CDU-Kandidaten in den Wahlkreisen waren nur 59 Frauen, bei der CSU waren es 8 von 45. Bei der SPD traten 189 Männer und 110 Frauen an, das ergibt einen Frau - enanteil von immerhin 36,8 Prozent, bei den Grünen waren es sogar 40,5 Prozent. Am schlechtesten stand die FDP da mit nur 17,1 Prozent. Derzeit liegt der Frauen - anteil insgesamt bei 37 Prozent. Helga Lu - koschat, Vorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirt - schaft, befürchtet eine spürbare Vermänn - lichung des Parlaments: „Wenn die AfD und die FDP den Grünen und der Linken das Wasser abgraben, wird der Frauen - anteil sinken.“ Im Landtag von Sachsen- Anhalt verringerte er sich mit dem Einzug der AfD 2016 von 32,4 auf 26,4 Prozent. Sollten im Herbst wieder mehr Männer als Frauen ins Parlament einziehen, will das Aktionsbündnis Parité die Bundes- tagswahl anfechten. Der Zusammenschluss verschiedener Frauengruppen fordert pari - tätisch besetzte Wahllisten und Wahlkrei - se für Europaparlaments-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen, um so ein gerechtes Geschlechterverhältnis in den Parlamenten zu erreichen. 2013 er - hielten Frauen weniger als ein Drittel der Sitze im Bayerischen Landtag. Das Bünd -

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nis hat deshalb Popularklage vor dem Ver - abredungen in die Quere und seien eine fassungsgerichtshof eingereicht. Gefahr für männliche Parteigewächse, die „Die Bevölkerung will Parteien, in de - jahrelang gewartet hätten und fänden, nen Männer und Frauen ausgewogen prä - „jetzt bin ich dran“. sent sind“, sagt die Wissenschaftlerin Lu - Maag ist eine der drei Direktkandi- koschat. Und ausgewogen bedeute, „dass datinnen de r CDU in Baden-Württem - es nicht nur eine Spitzenkandidatin gibt“. berg. In den 38 Wahlkreisen kandidieren Trotz als Frontfrau der 35 Männer. 2009 trat Maag erstmals in ei - Union und Wahlsiegen wie des von Mi - nem Wahlkreis an, den elf Jahre lang eine nisterpräsidentin Annegret Kramp-Karren - SPD-Frau geholt hatte. „Kompliziert und bauer, CDU, im Saarland vergangene Wo - aussichtslos. Da muss eine Frau ran“, hieß che müssten sich Frauen immer noch fra - es. Maag nutzte ihre Chance. gen lassen: „Kann die das auch wirklich?“ Um den Frauenanteil der Union im Bun - , 66, Vorsitzende der destag zu steigern, greift Maag mittlerweile CSU-Landesgruppe im Bundestag, zwei - zu radikalen Mitteln: Wer Frauen nicht för - malige Ministerin, gibt ihr Mandat zum dert, soll selbst nichts werden. Als Vorsit - Herbst ab. Als sie vor 30 Jahren in den zende der Gruppe der Frauen ist sie Mit - Bundestag einzog, war sie eine von drei glied in der „Teppichhändlerrunde“ der Frauen in der CSU-Landesgruppe. Derzeit Union im Bundestag, die so genannt wird, sind 15 der 56 Abgeordneten weiblich. weil sie aushandelt, wer aus der Fraktion „Demokratie bedeutet Wettbewerb und in Gremien und Kuratorien geschickt wird Wettkampf“, sagt Hasselfeldt, „und ja, da - oder wer einen Sprecherposten bekommt. mit tun sich Männer nach meiner Erfahrung „Ich kann keine Mehrheiten bieten, aber häufig leichter.“ Männer würden auch noch immerhin 80 Stimmen – die der Frauen in stärker auf Netzwerke setzen – das fange der Union“, sagt Maag. Doch mit der Frauensolidarität ist das so Das Prinzip „Mann wählt eine Sache. Barbara Lanzinger hat in der Oberpfalz vergebens auf sie gebaut. „Hinter Mann“ funktionierte jedem erfolgreichen Mann steht eine starke hier in der Variante „Frau Frau“, hat die Frauenunion Neumarkt am Tag vor der Nominierungsversammlung auf fördert Frau“. Facebook gepostet und damit für Lanzingers Gegner geworben. Im Bundestag hat die Ab - schon beim Fußballverein oder bei der frei - geordnete die Erfahrung gemacht: „Männer willigen Feuerwehr an. Sie selbst wurde in können solche Zicken sein. Aber wenn’s einem Gasthaus groß. Politik, so Hasselfeldt, drauf ankommt, halten sie zusammen.“ werde nicht immer in offiziellen Runden, Männer haben häufig auch schlicht den sondern auch nach Sitzungen gemacht, „da größeren Karrierewillen. Anders ist es je - setzen Frauen oft andere Prioritäten und denfalls kaum zu erklären, warum der bun - haben dadurch einen Nachteil“. despolitisch völlig unerfahrene Stephan Pil - Hasselfeldts Nachfolge im Wahlkreis Fürs - singer im Münchner Westen für die CSU tenfeldbruck tritt die Lokalpolitikerin Katrin antritt – und nicht Julia Obermeier, die 2013 Staffler, 35, an. Hasselfeldt sprach sich zwar über die Liste in den Bundestag eingezogen nie öffentlich für sie aus und beteuert, sich war. Obermeier hat sich im Parlament einen auch im Hintergrund nicht ins Nominierungs - Ruf als Bundeswehrexpertin erarbeitet, verfahren eingemischt zu haben. Doch das doch erst im Laufe der Legislaturperiode Prinzip „Mann wählt Mann“ funktionierte zog sie nach München. So konnte sie sich hier in der Variante „Frau fördert Frau“. im Kampf um das Mandat gegen den Platz - Hasselfeldt entdeckte Staffler auf einer hirsch Pilsinger, 30, nicht durchsetzen. Podiumsdiskussion, als die junge Frau ge - 2015 hatte der den Ortsvereinsvorsitzen - rade Mitglied der Frauenunion in ihrem den in Obermenzing von der Macht ver - Wahlkreis geworden war. Staffler durchlief drängt. Kurz vor der Wahl waren auffällig Mentoring- und Frauenförderprogramme viele Mitglieder der Jungen Union in den der CSU, wurde vor acht Jahren zum ers - Ortsverein gewechselt. Den Vorwurf der ten Mal gefragt, ob sie für die Bundestags - Wahlbeeinflussung wischte Pilsinger bei - liste kandidieren wolle, als die damals 26- seite. Er wolle Internist werden und strebe Jährige selbst noch gar nicht daran dachte. für die nächsten sechs Jahre kein „höheres Dass Frauen in ihrer Partei ausgebremst CSU-Amt“ an. Ein Jahr später sagte er in würden, sagt Staffler, habe sie nicht erlebt. seiner Bewerbungsrede um das Direkt - Die Frauenförderung in der CSU gehe teil - mandat, in der CSU in Berlin gebe es kei - weise sogar so weit, „dass sich gleichaltrige nen Arzt. Daher wolle er sich als künftiges Männer benachteiligt fühlen“. Bundestagsmitglied um Gesundheitsthe - , die Vorsitzende der Gruppe men kümmern. Auf seinen Wahlplakaten, der Frauen in der CDU/CSU-Bundestags - die Pilsinger schon fleißig klebt, posiert er fraktion, ist dagegen ziemlich frustriert: mit Arztkittel und Stethoskop. „Frau en fehlt häufig die langjährige So - Barbara Lanzinger tritt nicht mehr an. zialisierung in der Partei.“ Sie kämen Ver - Anna Clauß

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