Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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19.01.2018 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 19.01.2018 Geschäftszahl W114 2174402-1 Spruch W114 2174402-1/5E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2017, Zl. 15-1077531402-150835474, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.12.2017 zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: 1. XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführer), ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islams zugehörig, illegal in das österreichische Staatsgebiet eingereist, stellte am 10.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. 2. Im Rahmen der am 11.07.2015 vor der Landespolizeidirektion Burgenland erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am 01.01.1998 geboren und ledig zu sein. Er stamme aus der Provinz XXXX . Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, zwei jüngere Brüder und eine Schwester würden gemeinsam in Afghanistan leben. Er habe auch einen älteren Bruder. Er habe Afghanistan aufgrund von Arbeitslosigkeit und Unsicherheit verlassen und fürchte sich im Fall einer Rückkehr vor den Taliban. 3. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer in der am 24.05.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durchgeführten Einvernahme an, dass er im Alter von sieben Jahren von den Dorfbewohnern und im Alter von zehn Jahren von Kutchis vergewaltigt worden sei. Darüber hinaus sei er zweimal von Taliban bzw. Kutchis aufgehalten, befragt und geschlagen worden. Aus Angst getötet zu werden, habe er den Namen seines Vaters, der gegen die Taliban gekämpft habe, und der von diesen ermordet worden sei, verheimlicht. Nach diesen Vorfällen sei er in den Iran gereist. Aus Angst davor, abgeschoben oder nach Syrien in den Krieg geschickt zu werden, sei er nach Österreich geflüchtet. Zudem gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX leben würden. Neben Unterlagen zu seiner Integration legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Distriktvorstehers und des Gesellschaftsrates des Distriktes Jaghato vor, in welchem ausgeführt wird, dass er www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 46 Bundesverwaltungsgericht 19.01.2018 wegen Bedrohungen durch bewaffnete Kutchis und Taliban sein Land verlassen habe und dass sein Vater gegen die Taliban gekämpft habe. Taliban hätten in Afghanistan nach ihm gesucht und wenn sie ihn gefunden hätten, getötet. 4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt unwahre Angaben gemacht habe und aus diesem Grund seinem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Er habe im gesamten Verlauf des Verfahrens weder eine konkrete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention noch eine Verfolgungsgefahr glaubhaft machen können. In Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass dem Beschwerdeführer derzeit eine Rückkehr in seine Heimatprovinz nicht zugemutet werden könne. Gleichzeitig wurde jedoch darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Das Bundesamt vertrat die Auffassung, dass für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Afghanistan vorliege, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung einer Gefahr für Leib und Leben in einem Maße ausgesetzt wäre, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und 3 EMRK unzulässig erschiene, nicht gegeben sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.10.2017 zugestellt. 5. Mit Verfahrensanordnung vom 09.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater zur Seite gestellt. 6. Am 17.10.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid des Bundesamtes vom 07.10.2017. Darin wiederholte er die bis dahin zu seinen Fluchtgründen gemachten Angaben und erhob den Vorwurf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Beschwerdeführer beantragte, ihm Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen, aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befassen möge, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei. 7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt. 8. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 21.12.2017 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zur Situation in Afghanistan übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, bis spätestens am Tag der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme abzugeben. 9. Am 21.12.2017 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter teilnahmen. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u. a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: 1.1. Zum Beschwerdeführer: www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 46 Bundesverwaltungsgericht 19.01.2018 Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , wo er geboren und aufgewachsen ist. Bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan hat der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in seinem Heimatdorf in deren Haus gelebt. Sein Vater ist bereits verstorben. Er hat einen älteren und zwei jüngere Brüder sowie eine jüngere Schwester. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in ihrem Heimatdorf lebt. Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, ob die Mutter und die Geschwister überhaupt noch leben und wo sie sich aufhalten. Die Familie des Beschwerdeführers hat eine Landwirtschaft und bestritt daraus ihren Lebensunterhalt. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer keiner Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war oder der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine solche zu befürchten hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Dorfbewohnern oder Angehörigen der Kutchis vergewaltigt worden ist und deswegen Gefahr läuft, verfolgt zu werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auf Grund einer ihm unterstellten politischen oder religiösen Gesinnung einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hatte zu keinem Zeitpunkt Probleme mit den staatlichen Behörden seines Herkunftsstaates oder war jemals in Afghanistan einer individuellen Bedrohung oder Verfolgung auf Grund seines schiitischen Glaubens oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer (ihm unterstellten) westlichen Orientierung in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals einer individuell gegen ihn gerichteten aktuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat