„Mathematik Ist Eine Droge!“
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. 6 Samstag/Sonntag, 8./9. Januar 2011 FORSCHUNG UMWELT JOURNAL . GENERAL-ANZEIGER t r e n n a L r e k l o V . o t o F Mit e ine m Buch vor de r Tafe l: Andrew Ranicki im Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Sein Vater Marcel Reich-Ranicki und er haben sich verschiedenen Welten verschrie- ben. Die Berühmt- heit seines Vaters sei für ihn nie ein Problem gewesen. Ranicki: „Es gibt nichts Karriere- hemmendes und auch nichts Karriere- förderndes“ „Mathematik ist eine Droge!“ Von Joh a n n e s Se ile r Er ist der Sohn des Hamburg. International ging es auch im Hau- Ranickis Visitenkarte sorgt regelmäßig für vor allem Krimis und Kritiken.“ Von den Kri- se Reich-Ranicki zu: Dort sprach man Pol- Aufsehen: Er ist der einzige Professor für „al- tiken erhofft er sich Anregungen für weiteren Literaturkritikers Marcel nisch, berichtet Ranicki – da der Vater aus gebraische Chirurgie“, was aber nichts mit Lesestoff. An den Krimis mag er, dass sie ach längerer Suche hat der ältere Polen stammt –, an der Schule Englisch und Medizin zu tun hat. „Es geht vielmehr dar- meist sehr spannend und unterhaltsam seien. Herr mit den üppigen weißen Reich-Ranicki. Aber ansonsten Deutsch. Andrew Ranicki ging um, verschiedene geometrische Körper aufzu- „Mein Vater schätzt sie überhaupt nicht!“ Locken einen geeigneten Ge- dann noch ein paar Jahre in England zur schneiden und anders wieder zusammenzu- Hat er jemals damit geliebäugelt, auch in Nsprächsplatz ausfindig gemacht Andrew Ranickis Herz Schule und verbrachte elf Jahre in Cam- fügen“, sagt er. „Mich interessiert die Gesamt- den Literaturbetrieb hineinzuschmecken? und deutet freundlich lächelnd auf den Holz- bridge. Dort studierte er Mathematik und heit einer Mannigfaltigkeit, die Vielfalt der „Keine Spur“, winkt Ranicki ab. „Mein Vater tisch mit den vier Stühlen. „Was halten Sie schlägt seit 50 Jahren forschte anschließend. Danach war er fünf Möglichkeiten.“ Seine Arbeit gleiche dem Ka- hat das auch nicht von mir verlangt. Er wollte davon?“ Wir befinden uns im Max-Planck- Jahre lang Assistant Professor in Princeton ter, der vor dem Loch auf die Maus wartet. nur, dass ich berühmt werde – in was für ei- Institut für Mathematik, Vivatsgasse 7, in für die Welt der Zahlen. und bekam anschließend den Ruf nach Edin- „Ich muss jeden Tag versuchen, mit meiner nem Fach auch immer!“ Seine Eltern besucht Bonn. Die Halle ist nicht eben der ruhigste burgh. „Die Stadt ist schön und ziemlich leb- Fragestellung einen kleinen Schritt weiterzu- er häufig in Frankfurt – von Bonn aus ist es Ort, aber so etwas wie der Puls des Instituts. Ein Gespräch über Sohn haft“, sagt Ranicki. „Auch gibt es sehr viele kommen – sonst bin ich unglücklich.“ Wäh- ein Katzensprung. „Meine Frau und meine Mehrere junge Leute kommen vorbei und und Vater und – gute Mathematiker in Edinburgh.“ Seine Frau rend er über einer Lösung brütet, sitzt auf Tochter haben eine größere Nähe zur Litera- verschwinden in einem Seminarraum. Ein stammt aus den USA. „Auch sie fühlt sich in seiner Schulter eine unsichtbare Figur: Ein tur – sie haben beide Anglistik studiert.“ Wissenschaftler nickt Andrew Ranicki freund- natürlich – Mathematik Edinburgh sehr wohl.“ Sie ist keine Mathe- schwarzer Rabe, der ihn pickt. „Ich versuche Ist es schwieriger, einen berühmten Vater lich zu, der strahlt zurück. Schließlich dreht matikerin. Für den Professor ist das ein deshalb, mich abzulenken – etwa indem ich zu haben – oder sogar leichter? „Das hängt Professor Friedrich Hirzebruch, der Gründer Glück: „Deshalb kenne ich auch viele andere im Internet surfe oder Tagungen organisiere“, davon ab, ob man im gleichen Fach und im des Instituts, noch eine Runde – erblickt Ra- Menschen.“ sagt er. „Das überbrückt das Vakuum des gleichen Land zuhause ist“, sagt Ranicki. nicki, schreitet auf ihn zu und schüttelt ihm Bonn schätzt er, hier widmet er sich aus- Wartens.“ Das Internet findet der Professor „Für mich ist das kein Problem.“ Sein Vater die Hand. Ranicki ist hier ein alter Freund schließlich der Forschung. „Ich interessiere im Übrigen sehr nützlich. „Ich stelle alles lebt in Deutschland, er in Schottland. Sein und ein gern gesehener Gast. Vor 25 Jahren mich für Topologie. Nirgendwo sonst gibt es Mögliche auf meine Web-Seite – alles, was Vater ist Literaturkritiker, er Mathematiker. war er das erste Mal am MPI in Bonn, das meinsamkeiten – zumindest das Äußere be- hierzu so viele Veranstaltungen wie in Bonn.“ mich interessiert“ (www.maths.ed.ac.uk/ „Es gibt also nichts Karrierehemmendes und damals noch in Beuel sein Domizil hatte. „Ich treffend. Außer, dass beide Brillenträger und Hier könne er außerdem sehr konzentriert ~aar). Per E-Mail hält er Kontakt zu seinen auch nichts Karriereförderndes“, sagt er. fand es amüsant, mit der Fähre über den auffallend gut rasiert sind. arbeiten. Topologen untersuchen den Raum Kollegen und Doktoranden. „Damit bin ich „Aber vielleicht habe ich wegen meines Va- Rhein zu fahren“, sagt der Mathematik-Pro- Ranicki wuchs in einer literarischen Familie in verschiedenen Dimensionen. „Eine Spezi- sehr schnell“, schmunzelt Ranicki. „Manche ters weniger Scheu vor berühmten Mathema- fessor der Universität Edinburgh. Und lächelt. auf, umgeben von Bücherstapeln und Rega- alform davon ist die Geometrie – die übliche Kollegen behaupten, ich würde E-Mails be- tikern.“ Im Übrigen kümmerten sich Mathe- Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das len. Wie er zur Mathematik kam, kann er ist maximal dreidimensional“, sagt Ranicki. antworten, bevor die Fragen überhaupt ver- matiker nicht darum, wie man gekleidet sei Sprichwort weist darauf hin, dass Kinder Ei- sich selbst nicht erklären. „Mein Interesse an „Topologie arbeitet hingegen in beliebig vie- schickt wurden.“ oder ob man berühmte Eltern habe. Sie inter- genschaften und Verhaltensweisen ihrer El- Naturwissenschaften war groß“, sagt er. „Mit len Dimensionen.“ Es handele sich dabei um Aber er liest auch sehr viele Zeitungen – essierten sich nur für Mathematik. tern übernehmen. Aber viele Töchter und zwölf Jahren wusste ich aber noch nicht, ob reine Mathematik, trotzdem könne man in vor allem die englischen. „Der Sport- und der Andrew Ranicki (62) ist schon 50 Jahre in Söhne haben ihren eigenen Lebensweg einge- ich Physiker oder Chemiker werden würde.“ der Topologie die Dinge sehr anschaulich Wirtschaftsteil interessieren mich überhaupt der Mathematik zuhause und lehrt seit An- schlagen. So ist es auch mit Andrew Ranicki, Es gab kein Schlüsselereignis. Plötzlich mit 13 machen. Ein berühmtes Beispiel für eine An- nicht“, sagt er. „Den Rest lese ich querbeet.“ fang Januar wieder in Edinburgh. Er habe geboren am 30. Dezember 1948 in London. Jahren war das Interesse für Mathematik da, wendung sei die Raumzeitkrümmung der Re- Seine Zeit verbringt er – natürlich – mit Ma- sich nie gewünscht, etwas anderes zu ma- Der Gast sucht vergeblich nach Ähnlichkeiten zunächst in Form gewöhnlicher Geometrie. lativitätstheorie von Albert Einstein. „Ich in- thematik, mit der Familie und mit Freunden. chen. „Die Mathematik ist eine Droge!“, sagt mit dem Vater: Eine üppige Lockenpracht „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt der teressiere mich aber mehr für Sachen, die Hobbys habe er nicht – außer Filme anzuse- er. „Sie wirkt auf mich sehr stimulierend und beim Sohn, spärlicher Haarwuchs beim Papa. Professor. Und aus seinem Mund klingt das ohne Krümmung auskommen“, schmunzelt hen und zu lesen. „Wäre ich in einer anderen ist mein Ankerplatz.“ Ähnlich geht es seinem Andrew im braunen Wollpulli, Marcel in der überhaupt nicht kitschig. „Ich war mathema- der Mathematiker. „Wählt man etwa bei der Familie aufgewachsen, hätte ich wahrschein- Vater mit der Literatur. Vielleicht gehört diese Öffentlichkeit immer im Anzug und mit tisch begabt, aber kein Wunderkind.“ Erdoberfläche genügend kleine Umgebungen, lich nicht so viel von der Literatur mitbekom- Leidenschaft für eine Sache zur Erbmasse – Schlips. Auf den ersten Blick nicht viele Ge- Damals ging er zur International School in sind sie nicht mehr rund, sondern flach.“ men“, sagt er. „Ich lese sehr viele Bücher – der Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt. Fortsetzung von Seite 1 Foto: PA/dpa schen arktischen und nahe der Arktis leben- mysticetus) könnten die Nordkaper ausster- den Arten von Meeressäugern ausgemacht. ben lassen, schreibt Kelly, nach dessen Anga- Weitere Studien laufen. ben die Zahl der Nordkaper womöglich nur ides dalli) und dem Gewöhnlichen Schweins- Von den 22 betroffenen Arten sind 14 ent- noch 200 Tiere beträgt. wal (Phocoena phocoena) ist bekannt, dass weder bereits als gefährdet eingestuft oder Weitere beunruhigende Details: Dem auf sie vor der Küste der USA Hybride bilden. sind Kandidaten dafür. Die Chance für Hybri- Narwal und Beluga zurückgehenden Hybrid- Das gilt auch für einige Robbenarten, heißt es disierungen sei bei arktischen Tieren recht wal fehlt der lange Stoßzahn der Narwale – in „Nature“. hoch, weil sich die Zahl ihrer Chromosomen dessen Länge und Stärke ist für die Männ- Der genaue Umfang des Problems indes ist im Lauf der Zeit wenig verändert hat, ergänzt chen bei der Brautwerbung kaum ersetzbar, nicht bekannt: „Forscher haben wenig Ah- Kelly. Zwar hätten Hybridisierungen bereits ähnlich einem Geweih. Männchen ohne die- nung davon, wie viele Hybridisierungen es vor dem Eingriff des Menschen in die Umwelt ses Qualitätsmerkmal sollten aller Erfahrung tatsächlich gibt, einmal ganz davon abgese- durchaus neue Arten hervorgebracht, schrei- nach kaum Chancen bei den begehrten Weib- hen, wie sie die Populationen beeinflussen.“ ben die Autoren in „Nature“. Im Colorado chen haben. Das Verschwinden des Eises beseitige eine River entstand so etwa eine neue, zu den Die Weltnaturschutzunion IUCN (Interna- Barriere kontinentaler Größe, schreibt Kelly. Döbeln zählende Weißfischart. „Aber als die tional Union for Conservation of Nature) soll- Tatsächlich wird der arktische Ozean nach Stockente in den 1860er Jahren nach Neusee- te, so empfehlen es die drei US-Forscher, mehreren Vorhersagen bis zum Ende des land eingeführt wurde, paarten sie sich mit schnell Regeln für den Umgang mit Hybriden Jahrhunderts zumindest während der Som- Narw ale in de r Arktis: Kreuzen sich einige mit dem Beluga, fehlt den hybriden Nachfah- einheimischen grauen Enten.