Aus der Geschichte Uplengens Auf einer alten Landkarte, die sehr deutlich Höhen und Niederungen einer Landschaft aufzeigt, stellt sich das Gebiet von Uplengen als eine Insel im Moor dar. Tatsächlich ist Uplengen ein erhöhter Geestrücken, der von Süden nach Norden ins Moor hinaufragt. Dieser Geestrücken wird von zwei Wasserarmen, der Witten Bietze und der Swarten Bietze, umschlossen. Noch heute haben wir die Hollener Ehe und die Poghausener Ehe auf unserer Uplengener Karte. Diese beiden Wasserläufe waren in grauer Vorzeit große Flüsse, die das Wasser über die Jümme- Leda- Ems in die Nordsee brachten. Schauen wir uns heute um, so finden wir im Osten von Remels das Stapeler Moor, im Norden liegt das große Wiesmoor. In Ockenhausen und Neudorf war früher die Welt zu Ende. Keiner traute sich durch das gewaltige Moor. Westlich von Großoldendorf und Kleinoldendorf war eine große Niederung, die in der Vorzeit unter Wasser stand. Also Uplengen war ein Fleckchen Erde für sich. Und wenn wir das Wort „Uplengen“ betrachten, heißt es nicht „Up-lengen“= hinauf-langen. Vielleicht kann man es so deuten: ein Geestrücken, der von Südwesten in das Moor hinauflangt. Aus dieser Vorzeit gibt es nichts Geschriebenes. Man kann nur auf „Funde“ zurückgreifen. Und da haben wir tatsächlich echte Funde, die in die Zeit um 4000 bis 5000 v.Chr. zurückgreifen: In Hollesand hat man Asche aus steinzeitlichen Feuerstellen entdeckt. Ein Bauer aus Spols fand beim Pflügen eine gut erhaltene Speerspitze, die man in der Steinzeit zu Jagdzwecken benutzte. Bei Ockenhausen wurden Reste eines Bohlenweges im Moor gefunden.

Um 1900 wurde im Stapeler Moor beim Torfgraben ein dicker Baumstamm gefunden. Man hackte darauf herum und stellte fest, dass der Stamm von innen hohl war. Beim näheren Betrachten sah man, dass der Stamm von innen Brandreste und behauene Stellen hatte: ein Einbaumboot, das kieloben im Moor gelegen hatte. Schade, es war nicht mehr zu rettten. Ein Lehrer fand mit seinen Schülern in Stapel mehrere Feuersteingeräte. Um 1930 wurden am alten Postweg in Remels ein Hügelgrab mit Urnen ausgegraben. Also schon um 5000 v.Chr. gab es Menschen in Uplengen, die uns ihre Spuren hinterlassen haben. Man muss sich vorstellen, dass es eine Großfamilie mit 25-30 Menschen war, die unter schwierigsten Bedingungen hier gelebt hat. Wir haben von ihnen ein Boot, eine Speerspitze, einen Bohlenweg und Urnen, in denen ihre Asche aufbewahrt wurde. Dann hüllt sich die Geschichte Uplengens mehrere tausend Jahre in Dunkelheit. Die älteste Urkunde, in der Uplengen erwähnt wird, datiert aus dem Jahre 1427. In ihr ist von einem „ toren van Lengen “ die Rede. Also muss um diese Zeit schon ein fester Turm, der Turm einer Wehrkirche vorhanden gewesen sein. Unsere Kirche in Remels trägt den Namen „ Martinskirche “.

Martin von Tours war der Schutzpatron der Franken.(Martin Luther lebte erst hundert Jahre später) Die Franken müssen also das Uplengener Gebiet christianisiert haben. Die übrige Geschichte lehrt uns, dass der Frankenkaiser Karl der Große im Jahr 785 n.Chr. den Friesenkönig Radbod bezwungen hat. Zu seinem friesischen Großreich gehörte damals Westfriesland ( Holland ) und Ostfriesland. Dreißig Jahre lang hatten die Friesen unter Herzog Widukind den Franken getrotzt. Im Jahre 772 erschlugen die Friesen den Apostel Bonifatius bei , als er ihre Donar-Eiche fällte. König Redbad oder Radbod (= roter Bart) fragte bei seiner Taufe, wo seine verstorbenen, ungetauften Vorfahren seien, im Himmel oder in der Hölle. Als man ihm sagte, sie seien in der Hölle, zog er seinen Fuß aus dem Taufkessel und sagte:“ Dann bin ich lieber bei meinen Vorfahren in der Hölle, als bei euch Christen im Himmel.“ So berichtet eine Sage. Als man sich anschickte, die ersten Kirchen zu bauen, wurden sie meistens auf den heidnischen Opferstätten erbaut. Diese waren auf Anhöhen, um den Göttern näher zu sein. Tatsächlich liegt die Remelser Kirche auf einem erhöhten Platz. Der christliche Altar sollte die heidnische Opferstätte verdecken. Die Opferstätte war auch oft ein Thingplatz, an dem Gericht gehalten wurde. Diese Verbindung finden wir auch in Remels. An der Kirchenmauer in Remels befindet sich noch heute das Halseisen, das auf ein solches Gericht schließen lässt. Das stark befestigte „ Oosterpoortje “ hat sicher damals als Gefängnis gedient. Oft waren die Wehrkirche und der Gerichtsplatz noch mit einem festen Wall ( Schutzwall ) umgeben.

Zu dieser Kirche gehörten damals schon zehn Bauernschaften, die wie ein Kranz um die Kirche herumlagen.

1. Poghausen 2. Spols 3. Bühren 4. Großsander 5. Kleinsander 6. Jübberde 7. Selverde 8. Kleinoldendorf 9. Großoldendorf 10. Remels

Fangen wir im Norden im Uhrzeigersinn an: Poghausen-Spols-Bühren-Großsander- Kleinsander -Jübberde-Selverde-Kleinoldendorf-Großoldendorf und das Kirchdorf Remels. Alle Wege laufen sternförmig auf das Kirchdorf und sogar auf den Kirchturm zu. Der Reme lser Kirchturm ist von allen Seiten gut zu sehen. Neben der Kirche, der kirchlichen Macht, regierten damals die Häuptlinge.

Wenn wir nun auf die Häuptlinge zu sprechen kommen, fällt uns gleich „ Hüntjenborg “ ein. Leider hat uns die Geschichte nichts von „ Hüntjenborg “ überliefert, auch nicht, dass dort eine Häuptlingsburg gewesen sei. Auch die Geschichte von Graf Hüntjen ist eine Sage. In Spols gibt es auch Flurnamen mit der Bezeichnung „ Borg “ und „ Oldeborg “. Wahrscheinlich sind das Fluchtburgen oder bessere Unterstände gewesen, die als Unterschlupf gedient haben, wenn nachts die Oldenburger über das Moor kamen, um die Uplengener zu berauben. In der Bagbander Kirche wurde noch lange eine Holztafel aufbewahrt, auf der ein Mönch festgehalten hatte, was Graf Gerd von Oldenburg den Uplengenern an Vieh gestohlen hatte. Ja, es waren rauhe Zeiten, damals im Mittelalter. Es war gut, wenn ein Häuptling da war, der mit seinen Männern die Bauern beschützte. So wird in einer Urkunde berichtet, dass die Häuptlingstochter Amke van Lengen das Lengenerland als Heiratsgut mit in die Ehe brachte. Sie heiratete (etwa um 1350) den Häuptling Uke Ukena von Neermoor. Dem Sohn der Amke van Lengen, Focko Ukena, wurde in der Urkunde von 1427 der „ Toren van Lengen “ als Unterschlupf angeboten, als er von seinen Feinden verfolgt wurde. Und zwar wurde ihm der Turm von den „ richteren der meene meente “, so die Urkunde angeboten.

Wer sind nun die Richter der Meene Meente? Hier muss ein Blick auf das übrige Ostfriesland geworfen werden. Um 1000 n.Chr. wurden in Ostfriesland die ersten Deiche gebaut. Das war nicht das Werk einiger, sonder das erforderte die Kraft aller Friesen. Die Menschen waren in der Zwischenzeit immer mehr geworden. Man brauchte neues Siedlungsland. Stellen wir uns Ostfriesland ohne Deiche vor. Zweimal am Tage versanken alle Niederungen in den Fluten der Nordsee bis an die Grenzen der Geest, fast 2/3 unseres heutigen Ostfrieslands. Der erhöhte Geestrücken reichte von Oldenburg über Westerstede-Jever-Wittmund-Aurich-Esens bis Norden. Im Süden ragten noch Remels-Detern und Hesel aus dem Wasser. Der Feind der Friesen war das Meer, der „Blanke Hans“. Gemeinsam nahmen sie den Kampf auf, um ihm fruchtbares Marschland abzutrotzen.

In dieser Zeit wurde eine demokratische Regierungsform, die „Meene Meente“= allgemeine Gemeinde, gegründet. In jedem Kirchspiel war ein Schüddemeister, dem aus jeder Bauernschaft zwei Burrichter beigeordnet waren. Das Recht und die Pflicht auf diesen Ämtern hatten die Bauern. Jedes Jahr wurde am 22. Februar das Burrecht umgesetzt. Jeder Hof hatte der Reihe nach im Uhrzeigersinn diesen Burrichter zu stellen. Aus ganz Ostfriesland kamen sie alle am Dienstag nach Pfingsten beim Upstallsboom bei Aurich zusammen. Hier wurden die Upstallsboomsgestze 1323 festgelegt, an die sich alle Friesen zu halten hatten. Um den Deichbau zu sichern, erlangten die Friesen vom Kaiser sogar die Kriegsdienstbefreiung. Sie konnten nicht dem Kaiser Kriegsdienst leisten und die Deiche den Sturmfluten überlassen. Das oberste Gebot der Friesen war: „De nich will dieken, mutt wieken!“ Das erfordert sehr harte Gesetze. Auch die Uplengener im Binnenland waren gefordert. Der andere Friesenruf: „Eala freya Fresena“= Heil dir, du freier Friese, besagte, dass der Friese frei von König und Kaiser war. Nur, das Meer war sein Feind. Das bedeutete aber nicht, dass die Friesen sich nicht untereinander bekriegten. Die Häuptlinge Focko Ukena und Ocko tom Brook kämpften um die Macht in Ostfriesland. Anfangs war Focko Ukena, der Sohn der Amke van Lengen, der Stärkere. Ocko tom Brook holte sich die Hilfe des Häuptlings Circsena von Greetsiel. Er verbündete sich auch mit dem Erzbischof von Bremen. So kam es 1426 zur Schlacht bei Detern, in der Ocko tom Brook unterlag. In der nachfolgenden Schlacht auf den wilden Äckern bei Norden wurden die Normannen besiegt, die immer wieder die Küsten von Ostfriesland heimgesucht hatten. Focko Ukena nutzte seine Siege zu sehr aus und fiel bei seinen Freunden in Ungnade. Er wurde auf seiner Fockenburg bei belagert. Eine kleine Geschichte berichtet, dass Focko Ukena nachts in einer Biertonne versteckt über den Burggraben geschleust wurde und unerkannt nach entkommen konnte. An diese Zeit erinnert uns das Sprichwort: „Eenmal sitt Focko boven, datt annermal Ocko!“ Aus dieser Zeit datiert auch die Urkunde von 1427, in der Richter der Meene Meente von Lengen dem Focko Ukena den Turm von Lengen als Unterschlupf anbieten ließ. Es können hier nicht alle Streitigkeiten aufgeführt werden. Auch das Seeräuber- Unwesen des Störtebekers spielt in diese Zeit hinein. Am Ende verträgt man sich. Die Enkelin des Focko Ukenas heiratet in 2.Ehe den Häuptling Ulrich Circsensa. Dieser Ulrich erringt 1464 die Grafenwürde von Ostfriesland und Theda, die Enkelin des Focko Ukenas wird die erste Gräfin von Ostfriesland. Graf Ulrich stirbt schon nach zwei Jahren. So regiert Gräfin Theda 20 Jahre Ostfriesland (1466-1486). Ihr Sohn ist der Graf Edzard der Große, der 37 Jahre zum Wohle aller Friesen regiert und auch „Vater der Friesen“ genannt wurde. Doch zurück nach Uplengen, die Geschichte Uplengens ist in die Geschichte von Ostfriesland hineinverflochten. Die Meene Meente sorgte auch während der Grafenzeit für Ruhe und Ordnung in jedem Kirchspiel. In jedem Jahr zum 22. Februar hieß es: „Wi willn dat Burrecht umsetten!“ Es war immer ein fröhlicher Anlass, wenn der nächste Burrichter in der Bauernschaft oder im Kirchdorf der nächste Schüddemeister ernannt wurde. Schüdde = darin steckt das Wort schützen. Diesen Männern war der Schutz und die Ordnung für ein Jahr anvertraut. Diese demokratische Urform der Verwaltung haben die Friesen schon sehr früh praktiziert. Es war für die Bewohner Uplengens selbstverständlich, sich ihren Anordnungen zu fügen. In Remels haben wir noch ein praktisches Zeugnis aus dieser Zeit. Es wurde sogar in den Turm der Kirche eingemauert. Gemeint ist das „Boommaat“. Da es damals noch keine Metermaße gab, hatten die Uplengener einen behauenen Findling als Maß. Es ist ein quadratischer Granitstein, dessen Seitenlänge 1,50 m, die Diagonale aber 2,15 m beträgt. Diese Diagonale war das Maß für die Verteilung der Heumahd in der Amende. „Boommaat“ bedeutet Baummaß und erinnert uns an den Sensenbaum. Die Diagonale wurde auf einen Stab übertragen und damit wurden die Anteile der Bauern auf der Gemeindewiese abgemessen. Viele Bauern schnitten sich dieses Maß auch in die Pfosten ihrer Häuser, um es immer zur Hand zu haben.

Ein andermal taucht ein Gesetz der Meene Meente auf, dass das Abplacken in Hollesand regelte. Der Uplengener Geestrücken ist an manchen Stellen sehr sandig und unfruchtbar. Deshalb haben die Bauern Placken (Grassoden) gestochen, die zu einem Plackfolt aufgeschichtet wurden. Dieser wurde mit Dung vermischt und diente danach als Dünger für die Felder. Kunstdünger gab es ja noch nicht! Im Gebiet von Hollesand wurde manchmal Raubbau betrieben. Man befürchtete in trockenen Jahren, dass der Wind den losen Sand zu sehr wegwehen könnte. So beschloss die Meene Meente, dass in Großoldendorf nur eine bestimmte Menge Placken gestochen werden durfte. Ein Schatzungsregister aus dem Jahre 1598 liegt noch in Aurich vor. Darin sind die Anzahl der Höfe in den zehn Orten des Kirchspiels festgehalten, ebenso die Zahl der Pferde, Ochsen, Kühe, Enters und Twenters. In dieser Liste fällt auf, dass die Bauern in Uplengen sehr viele Ochsen hatten, nicht wegen der Feldarbeit, nein, wegen dem Dung! So waren in Remels 21 Bauernhöfe verzeichnet.Sie hatten zusammen 31 Pferde, 44Ochsen, 74 Kühe, 20 Enters und 20 Twenters. In Selverde 12 Höfe: 21 Pferde, 20 Ochsen, 61 Kühe, 22 Enters und 26 Twenters. In Klein- und Großoldendorf 35 Höfe: 69 Pferde, 74 Ochsen, 142 Kühe, 33 Enters und 10 Twenters. In Poghausen 10 Höfe: 16 Pferde, 26 Ochsen, 47 Kühe, 10 Enters und 2 Twenters. In Spols 12 Höfe: 17 Pferde, 26 Ochsen, 45 Kühe, 11 Enters und 10 Twenters. In Bühren 19 Höfe: 31 Pferde, 47 Ochsen, 84 Kühe, 12 Enters und 10 Twenters. In Großsander 18 Höfe: 24 Pferde, 24 Ochsen, 41 Kühe, 10 Enters und 3 Twenters. In Kleinsander 10 Höfe: 13 Pferde, 20 Ochsen, 29 Kühe, 10 Enters und 11 Twenters. In Jübberde 12 Höfe: 25 Pferde, 52 Ochsen, 86 Kühe, 25 Enters und 12 Twenters.

Zählt man zusammen, so ist das Verhältnis 333 Ochsen zu 609 Kühen ungewöhnlich. Pferde dagegen werden nur 247 genannt. Andere Schatzungsregister aus anderen Teilen Ostfrieslands aus dem gleichen Jahr haben nicht die große Ochsenzahl verzeichnet. So hat Potshausen nur 47 Ochsen, aber 1518 Kühe angegeben, Folmhusen nur 6 Ochsen und 1696 Kühe und Neermoor 42 Ochsen und 1742 Kühe. Ein Blick auf die geografische Karte verrät, dass die zuletzt genannten Orte am Rande der Marsch liegen und bessere Bodenverhältnisse haben. Das Uplengener Geestland war dagegen sandig und verhältnismäßig unfruchtbar.

Das spiegelt sich auch in der Beschreibung des Amtes Stickhausen aus dem Jahre 1735 wieder. Hier wird das Uplengener Land als sandig und karg bezeichnet. Die Niederungen konnten nicht bebaut werden. Sie dienten im Sommer zur Heumahd und als Weideland. Die Flussläufe der Ehe und der Bietze überschwemmten im Winter alle tiefer gelegenen Ländereien. Das geschah bis in die neueste Zeit hinein. Erst das Leda- Sperrwerk, erbaut im Jahr 1954, konnte die Überflutungen eindämmen. Damit fiel denn auch für die Uplengener das Schlittschuheis weg! In dieser Amtsbeschreibung beklagt sich der Amtmann Johann Gerard Ortgiese aus Stickhausen über die Lengener Bauern. Sie widersetzten sich oft seinen Anordnungen und pochten immer wieder auf ihre Sonderrechte. Die Lengener hatten nämlich in einem anderen Gesetz aus dem Jahr 1611 erreicht, dass ihre Abgaben und Steuern günstiger festgesetzt worden waren, als die in anderen Teilen des Amtes. (Vielleicht wegen des schlechten Bodens, geringere Erträge, deshalb weniger Steuern) In diesem Gesetz war den Lengenern auch zugesichert worden, dass der Schüddemeister, wie auch die Sielrichter, direkt dem Landesherrn unterstanden und nicht den Amtleuten. Daher das Auftrumpfen der Lengener Bauern. Der Amtmann bezeichnet auch die Lengener als „ sehr in Waffen geübt “. Die Uplengener mussten sich immer wieder selber ihrer Haut wehren. So ist die heutige Schützengilde aus Formationen der alten Landesverteidigung hervorgegangen. Die Amtsbeschreibung verweist auf eine inzwischen verlorengegangene Urkunde aus dem Jahr 1551. In dieser Urkunde wird den Lengenern vom Drosten Claes Frese von Leerorth das alljährliche Vogelschießen erlaubt. Sein Großvater Victor Frese war ein Drost der Burg zu Uplengen gewesen, wahrscheinlich die Burg in Großsander, so besagt eine Urkunde aus dem Jahre 1496. Da die Uplengener das Vogelschießen am Pfingstfest veranstalteten, bekamen sie Ärger mit der kirchlichen Verwaltung, dem Consistorium. 1732 wurde ihnen das Vogelschießen am Pfingstfest untersagt. Sie wurden bestraft, kümmerten sich aber nicht darum. 1733 wurde es ihnen erneut untersagt. Wieder hielten sich die Uplengener nicht daran. Als im Jahr 1734 das Vogelschießen wiederum am Pfingstfest durchgeführt wurde, bat das Consistorium den Landesherrn um Vermittlung. Es klagte die Lengener an, dass sie einfach die Strafen der Kirche ignorierten. Der Landesherr schlichtete den Streit, indem den Uplengenern gebot, einen anderen Zeitpunkt für das Vogelschießen zu wählen. In der napoleonischen Zeit unterblieb das Vogelschießen. 1835 wurde es wieder aufgenommen und zwar wählte man nun den 18. Juni als Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo 1815, in der viele Ostfriesen mitgekämpft hatten. So ist es bis heute noch Brauch!

In der Amtsbeschreibung von 1735 finden wir noch Besonderheiten von den Lengenern: Bei Hochzeiten stand dem Bräutigam ein Schwertschläger zur Seite, während die Braut eine Brautfrau zur Seite hatte. Sollte der Schwertschläger vielleicht verschmähte Liebhaber abwehren? Wer weiß? Auch das Lengener Erbrecht stellt etwas besonderes dar: Bauernsöhne und Bauerntöchter erbten beide mit beiden Händen. Während im übrigen Ostfriesland der Sohn mit zwei Händen erbte, die Tochter dagegen nur mit einer Hand, also nur die Hälfte bekam! So hatten wir schon damals die Gleichberechtigung in Uplengen!!!

Auch bei Festlichkeiten gab es besondere Bräuche. Wir kennen den Hochzeitsbitter, der mit dem Satz zur Hochzeit lud: „Ji sünd inladen bi de brut in de brutkist to kieken!“ Wir kennen den Leichenbitter: „Ji sünd inladen to dat inleggen!“ Aber auch die Geburt eines Kindes wurde angesagt: „Bi ... is en lüttje Wicht/ Jung upstahn!“

Zeitungen gab es damals ja noch nicht! Auf diese Weise nahm damals die ganze Bauernschaft Anteil an Freud und Leid und hielt wie eine große Familie zusammen. Man sagt, dass die Ostfriesen sehr auf ihre Eigenart bedacht sind. Bei den Uplengenern ist diese Art noch besonders ausgeprägt. Gilt der Ostfriese als schwer zugänglich und stur, so findet man es bei den Lengenern in verstärktem Maße. Kommt ein Fremder ins Land, so ist er ein „Butenlander“. Im Volksmund werden die Uplengener sogar die „Lengener Stackohren“ genannt. Sie sind misstrauisch Fremden gegenüber, aber äußerst treu und zuverlässig Freunden gegenüber. Vielleicht hat die abgeschlossene Lage Uplengens diesen Menschenschlag im Laufe der Zeit so geprägt, dass sie an ihren Rechten und Gebräuchen über Jahrhunderte hin festhielten. Die demokratische Selbstverwaltung der Meene Meente ging mit der Zeit über in die Landesverwaltung, die die Häuptlinge und später die Grafen in Ostfriesland übernahmen.

Von den Häuptlingen Ukena, tom Brook und Circsena war bereits die Rede, auch das Theda, die Enkelin Focko Ukenas, den ersten Grafen von Ostfriesland heiratete. Sie selbst war nach dessen Tode 20 Jahre regierende Gräfin in Ostfriesland. Sie war es auch, die die Burg in Großsander ausbauen und befestigen ließ als Bollwerk gegen die Oldenburger. Von ihrem Sohn Edzard dem Großen wurde bereits berichtet, der 37 Jahre lang den Friesen ein guter Landesherr gewesen war (1491-1528). Er war es auch, der die lutherische Lehre in Ostfriesland einführte. Er war sogar mit seiner Tochter Margarethe auf dem Reichstag zu Worms (1521). Sie lernte dort den Fürsten von Waldeck kennen, den sie später heiratete. Diese Tochter führte ihrerseits die Lehre Luthers in Wildungen und Waldeck ein.

In Remels aber war durch den Enkel von Edzard, Graf Johann, die reformierte Lehre von Calvin eingeführt worden. Die beiden Brüder Graf Johann und Graf Edzard hingen je einer anderen Lehre an. So vertrat Graf Johann die reformierte Lehre und führte sie in seinen Herrschaftsbereich ein. Graf Edzard der II. vertrat die lutherische Lehre und empfahl sie in seiner Region. Uplengen gehörte zum Herrschaftsbereich des Grafen Johann. Er starb 1591. Nach seinem Tode übernahm Graf Edzard den gesamten Bereich. Als er einige Jahre später zur Jagd in Uplengen weilte, besuchte er auch den Gottesdienst. Er hörte, dass der Prediger Zimmermann noch immer im reformierten Sinne predigte. Der Graf ließ daraufhin die Kirche schließen. Dem Prediger Zimmermann blieb nur noch Zeit, unter einem Baum vor der Kirche eine Abschiedsrede zu halten. Nach dem Prediger wurden nur noch lutherische Pastoren an die Martinskirche in Remels berufen.

Das älteste Kirchenbuch Uplengens beginnt mit dem Jahr 1629. Es enthält neben den Eintragungen von Taufen, Trauungen und Beerdigungen auch andere Berichte und Ereignisse. Da die Bauern aus Uplengen zu der Zeit noch nicht schreiben konnten, unterzeichneten sie die Eintragungen mit ihren Hausmarken.

Der Pastor bescheinigte die Richtigkeit dieser „Unterschrift“ mit dem Satz: „Mit siner rigen Hand getog“. Über diese Hausmarken hat Lehrer Lüken in einer Ostfriesland- Beilage referiert. Im Jahre 1740 bekam Uplengen Anschluss an den Postverkehr. Von dieser Zeit rollte die Postkutsche von Westerstede über Apen-Detern nach Leer. Der Postmeister Sweers aus Leer war es, der einen kürzeren Weg über Remels vorschlug. Jedoch war der Morastweg von Westerstede über Moorburg nach Großsander für Kutschen unpassierbar. Der Postmeister ließ auf eigene Rechnung diesen Weg befestigen und ausbauen. Dafür durfte er später auch das Weggeld einkassieren: 4 Grote für eine Kutsche und für jedes Pferd noch einen Grote extra.

Von 1740 an rollte nun die Postkutsche den kürzeren Weg von Westerstede über Großsander-Remels-Hesel nach Leer. In Hesel und Großsander wurden Umspannstellen für die Pferde eingerichtet.

So zogen die Pferde die Kutsche von Hesel über Remels nach Großsander . Sie kamen am nächsten Tag denselben Weg zurück. Dieser Postweg ist die heutige Bundesstraße 75. Wenn man heute mit dem Auto dort entlang fährt, so kann man nur erahnen welche Mühen unsere Vorfahren vor 200 Jahren noch auf dem Wege zu überwinden hatten! Zum Schluss bleibt nur noch festzuhalten, dass das alte Großkirchspiel Uplengen am 1. Juli 1962 die Gemeinde Uplengen geworden ist. So hat über Jahrhunderte hinweg Uplengen seine alte Verwaltungsform behalten.