Frauenautbruch: Visionen, Anspriiche, Widerstande
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Frauenautbruch: Visionen, Anspriiche, Widerstande Berichte vom 6. Louise-Otto-Peters-Tag 1998 LOUISEum 10 Sammlungen und V eroffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Leipzig . 1 Herausgegeben von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. Leipzig Redaktion: Johanna Ludwig und Nina PreiBler c/o Johanna Ludwig Fritz-Siemon-Str. 26/011 04347 Leipzig Inhalt Ein Wort zuvor 4 Johanna Ludwig Katharina von Bora (1499-1552) 6 Louise Otto Katharina von Bora. 10 Nonne - Protestantin - Idea!Hausfrau Dr. Jutta Jahn England und Louise Otto-Peters' ,Schlo/3 und Fabrik": 19 Ahnlichkeiten und Kontraste Dr. Carol Diethe Lied eines deutschen Madchens 30 Louise Otto , Weckt auf das Volk, das nicht mehr schlafen mag!" 32 Zur zeitgenossischen Bedeutung der Gedichte Louise Otto-Peters' zur Revolution 1848 Dr. Christel Hartinger Erinnerung an Helene Lange anlaf3lich ihres 150. Geburtstages 40 Dr. Else Sauer Zum 75 . Geburtstag von Frau Dr. Else Sauer 46 Prof Dr. Hans-Jurgen Arendt Mannerreaktionen aufFrauenfortschritt. 50 Zum Beispiel: Dr. Paul Mobius und Elsa Asenijeff RitaJorek Weibliche Jugendliche in Ostdeutschland- 63 Perspektiven fur die Geschlechterverhaltnisse in der BRD? Dr. Uta Schlegel Frauentraditionen im Leipzig von heute 72 GenkaLap6n Was gibt uns die Beschaftigung rnit Louise Otto-Peters heute? 75 Podiumsgespriich Anhang: Bisherige Veroffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft 4 Johanna Ludwig (Leipzig) Ein Wort zuvor Das Thema des 6. Louise-Otto-Peters-Tages ,Frauenaufbruch. - Visionen, Anspriiche, Wider stande" vermochte Vortrage und Diskussionen in einem historisch groBen Zeitrahmen zu biindeln- vom widerstandlerischen Verhalten der 1499 geborenen Nonne Katharina von Bora iiber den Frauenaufbruch in der Revolution 1848/49 bis zu den Problemen der Frauen unserer Tag e. Erstaunlich, wie tragfahig sich dabei das Gedankengut von Louise Otto-Peters wiederum erwies. Im Konkreten betraf das den Vortrag von Dr. Jutta Jahn iiber die Bora, mit dem ubrigens das Katharina-von-Bora-Jahr seine erste vorfristige Veranstaltung erlebte. Louise Otto-Peters hatte in ihrem Buch "EinfluBreiche Frauen aus dem Volke" schon 1869 iiber die Nonne und spatere Frau Martin Luthers ein Portrat geschrieben, moglicherweise das erste aus der Feder einer Frau. Wir stellen es an den Anfang dieses Heftes. Das Ende bildet der Aufiuf, der anlaBlich des 150. Jahrestages der Veroffentlichung der ,Adresse eines Madchens" am 20. Mai 1848 in der ,Leipziger Arbeiter-Zeitung" im Mai 1998 emeut von Leipzig ausging und auf aktuelle Anliegen der Frauen in der Gegenwart aufmerksam machte. Zahlreiche Frauen und auch Manner unterstiitzten ihn mit ihrer Unterschrift. Hervorzuheben ist, daB auch nach der Tagung ,Frauen in der Revolution von 1848/49", die im April vorigen Jahres gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten der Leipziger UniversiUit stattgefunden hatte, noch einmal bedeutende Frauenforscherinnen nach Leipzig kamen, so Prof. Dr. Carola Lipp, Gottingen, die iiber ,Emotionale Erhebung und neue Geschlechter beziehung 1848/49" sprach1 und Dr. Carol Diethe, London, die neue Aspekte zum Roman ,SchloB und Fabrik" einbrachte. Mit den bisher kaum untersuchten Gedichten von Louise Otto-Peters aus den Tagen der Revolution von 1848/49 beschaftigte sich Dr. Christel Hartinger, Leipzig. An Helene Lange, die im Revolutionsjahr geboren wurde, erinnerte Dr. Else Sauer, Leipzig, Nestorin der Frauenforschung in Leipzig. Ihre Verdienste wiirdigte Prof. Dr. Hans-Jiirgen Arendt, Leipzig, anlaBlich ihres 75 . Geburtstages. Der Frauenfortschritt, der sich im vorigen Jahrhundert von Leipzig ausgehend Bahn brach, rief Befurworter und Gegner auf den Plan. Rita Jorek, Markkleeberg, behandelte dieses Thema am 1 Der Beitrag von Carola Lipp ,1848/49- Emotionale Erhebung und neue Geschlechterbeziehung?" wurde in den Band Frauen in der burgerlichen Revolution von 1848/49 aufgenommen, da er urspriinglich auf der Tagung zu diesem Thema im April vergangenen Jahres vorgetragen werden sollte - jetzt erschienen in der Schriftenreihe des Bundesministeriums fur Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 5 Beispiel von Eisa Asenijeff und Paul Mobius.2 Erschiitterung loste der Vortrag von Esther Martin-Jonas iiber das Schicksal Leipziger Jiidinnen in der NS-Zeit aus. 3 Den Bezug zur Gegenwart brachte die Sozialwissenschaftlerin Dr. Uta Schlegel ein, die sich mit den Perspektiven der Geschlechterverhaltnisse in der BRD beschaftigte. Auf Frauentraditionen in Leipzig von heute ging Genka Lapon, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig, ein. Wie aktuell die Gedanken von Louise Otto-Peters sind, bestatigte nicht zuletzt das Podiumsgesprach, bei dem Erfahrungen der Beschaftigung mit ihr in Hockenheim, MeiBen, 4 Annaberg-Buchholz, WeiBenfels und natiirlich Leipzig dargelegt und diskutiert wurden . Im Rahmenprogramm des 6. Louise-Otto-Peters-Tages berichteten u. a. Aussiedlerinnen aus RuBland und der Ukraine von ihrem Leben in der alten und neuen Heimat. Beate Klemm steuerte Erfahrungen ihres Wirkens als Sozialarbeiterin in den USA bei. 2 Interessanterweise wird bereits in der 2. Nurnrner des 1. Jahrganges der Vereinszeitschrift , Neue Bahnen" irn Zusammenhang rnit dem Bericht iiber den 120. Geburtstag von Pestalozzi aufDr. Paul Mobius eingegangen. Er hatte irn Auftrag des Leipziger Lehrervereins iiber , die Forderungen der Gegenwart an die Bildung der Frauen" gesprochen. , Auch er betonte, dafi unter den Fragen der Gegenwart die der Frauenbildung einen der ersten Pliitze einnehme. Auch er erinnerte 'an die doppelte Stellung, die das Weib entweder als Gattin und Mutter innerhalb der Familie oder aufierhalb derselben als Nichtverheirathete dem Staate und der Gesellschaft gegentiber einnirnrnt' - aber er vergillt nachher gewissennafien die letzteren, indem er die Frauen nur auf den Beruf der Ersteren vorbereitet wissen will, wenn auch in wtirdigerer Weise, als es bisher geschehen. Aus der Oeffentlichkeit will er die Frauen niimlich so sehr verbannen, da6 er es selbst, obwohl er Ausnahmen zuUillt, als 'Gesetz' festzuhalten wtinscht, 'daB die Schriftstellerei nicht der Frau, sondem nur dem Manne gebiihre. ' Wer das nicht selbst gehOrt oder gelesen wie wir, wird wohl gar nicht fur moglich halten, dafi dergleichen wirklich noch gedacht und gesagt werden kann - inde6, es ist geschehen in Leipzig, in der Stadt des Fortschrittes und im Jahre des Heils 1866." Zitiert nach , Neue Bahnen", 1. Jg. , Nr. 2/1866. 3 Der Vortrag steht uns leider nicht zur Ver:fugung. 4 Die Wiedergabe erfolgt in leicht gektirzter Fassung. 6 Louise Otto-Peters Katharina von Bora (1499-1552)1 Katharina von Bora ward am 29. Januar 1499 geboren. Ihre Mutter war eine geborene von Haugwitz und obwohl sie einem alten Adelsgeschlecht angehorte, doch in keinen glanzenden Umstanden, wahrscheinlich auch fiilh verwittwet. Sie glaubte daher fur ihre Tochter am besten zu sorgen, wenn sie dieselbe einem Kloster iibergeben, denn Kloster waren damals die hauptsachlichsten Versorgungsanstalten fur arme Fraulein, und man hielt es immer fur besser, die Tochter Braute des Himmels freiwillig werden zu lassen, als sie der Gefahr auszusetzen, gar keinen Brautigam oder vielleicht nur einen einfachen Biirgersmann als Freier zu finden. Man glaubte der Wiirde eines alten Adelsgeschlechtes nichts zu vergeben, wenn man die Tochter dem Kloster weihte, im Gegentheil, man machte sie dadurch noch zu einer Heiligen; im Kloster konnte sie auch studiren oder mit der Nadel arbeiten, je nachdem sie es grade vorzog, aber aui3en im Leben der Welt ward es immerhin ungebiihrlich gefunden, wenn eine Frau sich den Wissenschaften widmen wollte, und fur Geld zu arbeiten, gait erniedrigend; standesmaBige Partieen fanden sich fur arme Frauleins selten und die Stande waren so streng geschieden, da/3 es einen Biirgerlichen zu heirathen fur entwiirdigend gait und auch schon fast gar nicht vorkam, da/3 die Stande sich ehelich und gesellig vermischten. Die Nonnenkloster waren also, wie gesagt, die bequemste Versorgungsanstalt und so brachte man Katharina in fiilher Jugend in das Kloster Nimptschen bei Grimma in Sachsen. Aber als die Reformation anbrach, drang ihr Licht auch in die Kloster, Luthers Schriften wurden eingeschmuggelt, von Frauen wie von Mannern verschlungen. Katharina vertiefte sich in diese Schriften und es ging ihr wie Tausenden: sie kam erst dadurch zu dem Begriff der unwiirdigen Lage, in welcher sie sich befand. Ja, waren die Kloster noch gewesen, was sie urspriinglich sein sollten: geweihte Statten, darinnen in stiller Betrachtung, in Andacht und Gebet dem Himmel zu dienen- aber in den meisten herrschte ja nur ein Formeldienst, der das Heilige nur profanirte, statt es zu preisen, herrschte statt schwesterliche Eintracht Zank und Streit, statt christlicher Liebe Tyrannei und Sclaverei, statt Tugend und Zucht Verbrechen und Unzucht- und gerade Luthers Worte deckten ja alle die eingeschlichenen Mii3brauche aufund nun mui3ten edle Seelen wie Katharina je eher je lieber wiinschen, Statten zu verlassen, die so wenig in Wahrheit das waren, was sie der Idee nach sein sollten. 1 Wiederveroffentlichung anHilllich des 500. Geburtstages Katharina von Boras. Aus: Privatgeschichten der Weltgeschichte, Band IV: Einjluf3reiche Frauen a us de m Vo/ke, geschildert von Louise Otto. Leipzig 1869, S. 66-72. 7 Als sie nun in Luthers Schriften las: es sei Niemand verbunden, wider Willen im Monchs- oder Nonnenstande zu bleiben und als sie sich femer daraus iiberzeugte, daB dies nicht der rechte Weg sei, zu einem gottwohlgefalligen Leben und als sie selbst sich imrnermehr begeisterte