Der andere Blick auf die regionale Wirtschaft Schwerpunkt: 12 25 Jahre Deutsche Einheit

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LebensArt Messe für Körper, Geist und Seele

Samstag, 07.11.2015 10.00 bis 17.00 Uhr im Kulturhaus Wolfen Puschkinstraße 3

Eintritt frei!

Modenschau | Klangschalen-Meditation | Live-Musik Show-Kochen | Selbstverteidigung | Vorträge www.uns-unternehmerinnen.de werkstadt 12

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

nach der Wiedervereinigung waren die Erwartungen der Menschen enorm. Vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl wurden »blühende Landschaften« versprochen und die Euphorie war groß. Die Menschen im Osten Deutschlands erhofften sich eine bessere wirtschaftliche Perspektive, mehr Chancen, ihre Möglichkeiten zu verwirklichen und letztlich mehr Wohlstand für sich und künftige Generationen zu schaffen. Die Westdeutschen erhofften sich einen wirtschaftlichen Aufschwung. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse in beiden Teilen Deutschlands ist ein langwieriger Prozess, weil die Bedingungen viel zu verschieden sind. Eine Gleichheit von Lebensbedingungen in verschiedenen Regionen ist unrealistisch, wie Dr. Reiner Klingholz vom Institut in seiner Studie feststellt, da immer regionale Unterschiede auch in Westdeutschland zwischen dem Norden und dem Süden existieren. Die Angleichung der beiden Teile Deutschlands ist ein Prozess, der sich in den nächsten Jahrzehnten weiter ent- wickeln wird. Doch eins ist sicher, eine solche gesellschaftliche Entwicklung ist einzigartig und unsere Generation durfte sie miterleben und mitgestalten.

Einige dieser wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten unserer Region Anhalt- Bitterfeld-Dessau-Wittenberg, die mit dazu beitragen, den Annäherungspro- zess zu beschleunigen, stellen wir in dieser Ausgabe der werk·stadt vor. Besonders deutlich wird der wirtschaftliche Wandel am Beispiel der Stadt Bitterfeld-Wolfen. Vor 25 Jahren noch als dreckigste Stadt Europas beschrieben, besitzt die Stadt heute Anziehungspotenzial für Wassersportler und Naturfreunde. Auch die wirtschaftliche Wandlung ist einzigartig: Impressum: Herausgeber: Von den Großkombinaten hat keines die politische Wende überlebt. Aber Unicepta Abels & Partner der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen hat sich zu einem modernen und wett­ Gesellschaft für Marktkommunikation mbH bewerbsfähigen Produktionsstandort entwickelt. Aufbauend auf der hohen Greppiner Straße 25 · OT Wolfen Kompetenz der Naturwissenschaftler, waren und sind in Bitterfeld-Wolfen 06766 Bitterfeld-Wolfen Telefon: 0 34 93 · 7 22 56 stets Innovationen entwickelt worden. Dies war schon zu Zeiten von E-Mail: [email protected] August von Parseval so und setzt sich heute u. a. mit dem Wasserstoff-Projekt www.werkstadt-magazin.de HYPOS fort.

Redaktionsschluss: 15. September 2015 Redaktion: Andreas Behling, Ute Hirsch, Wir wünschen Ihnen beim Lesen der interessanten Beiträge viel Freude. Stefanie Hommers, Grit Lichtblau, Uwe Rempe, Steffen Wilbrandt Herzliche Grüße Autoren dieser Ausgabe: Cornelia Fuhrmann, Uwe Holz, Dr. Jürgen Seifert, Ute Semkat Ihr werk·stadt-Team Mediaberatung: Birgit Brockmann, Tel.: 03493 72561 Entwurf: Steffen Wilbrandt, Berlin Titelfoto: Lichtfest am 9.10.2009 auf dem Augustusplatz in Foto: Alexander Schmidt/Punctum Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG

Die im werk·stadt-Magazin erschienenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung, Quellenangabe und bei Zusendung von zwei Belegexemplaren gestattet. Für den Inhalt der Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich.

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06 Editorial 03 Flexibel wie Gummi, stabil wie Stahl »So geht Einheit« Die MaTech Maschinen und Technik GmbH Wie weit das einst geteilte Deutschland behauptet sich seit 25 Jahren in einer zusammengewachsen ist. Interview mit Marktnische. 26 Dr. Reiner Klingholz, Direktor des Berlin- Instituts für Bevölkerung und Entwicklung 06 Erfolg bleibt in der Familie Familienfreundlichkeit zahlt sich aus Eine Erfolgsgeschichte! für Miltitz Aromatics. 28 Wegbereiter der heutigen Wirtschafts-

Foto: Dietmar Bührer, CC License · Quelle: www.wir-waren-so-frei.de Foto: Dietmar Bührer, struktur 11 Lebensqualität in Keramik Abbau der Berliner Mauer am JUNG Fliesen & Bäder ist seit 25 Jahren 12. November 1998 am Potsdamer Platz Schnittstelle zwischen Wirtschaft erfolgreich am Markt. 30 und Verwaltung Die EWG Anhalt-Bitterfeld mbH unterstützt »Ich wollte Verantwortung seit 25 Jahren die wirtschaftliche übernehmen« Entwicklung der Region. 14 ORGANICA feiert 20 Jahre erfolgreiche Unternehmensentwicklung. 31 Hier stimmt die Chemie Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen 16 Anlagen für Biotechnologie und Backwaren Premium-Produkte maßgerecht MMW Technologie GmbH setzt im und wunschgemäß Mühlenbau auf neue Schwerpunkte. 32 Die Debolon Dessauer Bodenbeläge GmbH & Co. KG verfolgt in drei Segmenten »Immer pünktlich, immer eine klare Qualitätsstrategie. 22 im geforderten Umfang« Seit 2004 produziert die Hi-Bis GmbH Traditionell innovativ in Bitterfeld-Wolfen ein weltweit einzig- Das WTZ Roßlau kann auf 65 Jahre artiges Produkt, das zu Spezialkunststoff Forschung und Praxis zurückblicken. 24 weiterverarbeitet wird. 34

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Unter einem neuen Dach und in größeren Dimensionen Die Wirtschaftsförderung im Landkreis Wittenberg gehört jetzt zu den Aufgaben der Anhalt – Wirtschaftsförderungsgesellschaft Anhalt- kompakt und mobil Bitterfeld I Dessau I Wittenberg mbH. 36 Evangelische Landeskirche und Anhaltische Landschaft präsentieren Kulturgeschichte Aromatisch, würzig – im Container. 50 einfach unwiderstehlich Bei ESRA zählen Traditionsbewusstsein Idyllisch und informativ und eine gute Nase. 38 Der Naturpark Fläming/Sachsen-Anhalt begeht zehnten Geburtstag mit einem Neugier auf Pflanzen und Menschen neuen Lehrpfad. 52 Birgit Kleinwort-Voigt hat sich im grünen Bereich Anhalt-Bitterfelds etabliert. 40 Nicht eine große Lösung, sondern viele kleine Bitterfeld im Wandel der Zeit Beim Thema Fachkräftesicherung in der Region Von der mittelalterlichen Siedlung zur arbeiten mehrere Partner Hand in Hand. 54 Industriestadt mit attraktivem Umfeld 42 »Betriebe massiv unter Druck« Vom Offizier zum Gelehrten Interview mit Dr. Simone Danek, Geschäfts­ Das Wirken August von Parsevals führerin Aus- und Weiterbildung der IHK - in Bitterfeld 44 Dessau, zum Thema »Fachkräftemangel« 56

Ristorante »San Lorenzo« Humane Diagnostik Italienische und orientalische Genüsse Zwei Designer aus Dessau vereinen unterm Regenschirm-Himmel 46 medizinische Geräte im »MediGlove« 57

»Campus-Eiswelt« Termine und Ein einfach geniales Angebot 48 Wirtschaftssplitter 58

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Die Einheit kann man nicht politisch erzwingen. Sie ist ein Prozess.

Fast die Hälfte der Deutschen ist ein Vierteljahrhundert nach der Wieder­ Wie hat sich die Lage dann vereinigung der Ansicht, dass es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten ohne Plan entwickelt? zwischen Ost und West gibt. Zu diesem Befund kommt eine Befragung, Zunächst gab es überall nur Freude und die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung eigens für die Studie Überschwang. Im Westen fanden es alle »So geht Einheit« vom GfK Verein hat durchführen lassen. lustig, wenn plötzlich Trabbis durch die Wir fragten Dr. Reiner Klingholz, Direktor des Instituts und Mitautor der Studie, Straßen tuckerten. Nach der Maueröffnung wie weit das einst geteilte Deutschland in den vergangenen 25 Jahren stand die Wiedervereinigung gar nicht so- zusammengewachsen ist. fort zur Debatte. Aber bald wurde klar, dass etwas passieren musste. Die Menschen in der DDR hatten jahrelang auf die Freiheit Herr Dr. Klingholz, Sie waren 1989, als bruch. Einen Tag später war ich in Berlin verzichten müssen, dorthin zu reisen, wo sich die DDR aufzulösen begann, Wissen- und habe mir einen Brocken aus der Mau- sie wollten. Jetzt wollten sie dies nachho- schaftsredakteur beim »Zeitmagazin«. er geklopft. Sonst hätte man das gar nicht len. Hunderttausende sind in den ersten Wie haben Sie die Wende in Ostdeutschland glauben können. »Die Zeit« hatte kurz zuvor Monaten in den Westen abgewandert, weil und die rasche Vereinigung der noch eine lange, ziemlich euphorische Serie sie dort bessere Entfaltungsmöglichkeiten beiden deutschen Staaten erlebt? über die DDR produziert, in der alles nach sahen. Eine Zweistaatlichkeit war zu diesem Zum Zeitpunkt der Maueröffnung war ich Aufschwung klang. Dass das Land kurz Zeitpunkt nicht mehr denkbar. in Zürich, habe zu einem Thema recher- davor war, sich selbst aufzulösen, dass die chiert, das überhaupt nichts mit der DDR zu Menschen die Macht hatten, ihr verhasstes Was hätte eine Zwei-Staaten-Lösung tun hatte. Ich habe die Bilder der feiernden Regime zu stürzen – davon hatte in der Re- bedeutet? Menschen in Berlin am Abend im Fern- daktion offenbar keiner etwas geahnt. Üb- Es wären immer mehr fortgezogen, denn sehen verfolgt. Ich war völlig platt, auch rigens hatte auch die große Politik keinen die schwierigen wirtschaftlichen Bedingun- wenn es seit Wochen die Proteste überall in Plan in der Schublade, wie ein Prozess der gen im Osten, die maßgeblich zum Sturz der DDR gegeben hatte und die Grenzen in Wiedervereinigung ohne allzu große Ver- des DDR-Regimes beigetragen hatten, lie- Ungarn schon durchlässig geworden waren. werfungen hätte organisiert werden kön- ßen sich nicht über Nacht verbessern. »Ent- Der ganze ehemalige Ostblock war im Um- nen. Alle waren völlig überrascht. weder der Wohlstand kommt zu uns, oder

6 Anhalt-Bitterfeld · Dessau-Roßlau · Wittenberg · werkstadt 12 Foto: Fumiko Matsuyama, CC License · Quelle: Momentaufnahmen 1989/1990 auf www.wir-waren-so-frei.de Schaulustige am 10. November 1989 auf und vor der Mauer am Brandenburger Tor in Berlin

wir kommen zum Wohlstand«, waren. Mit anderen Worten: männlichen Alleinverdienerhaushalts ge- haben die Leute damals gesagt. Man hätte die Menschen fast fangen. Aber bei wieder anderen Themen Deshalb musste irgendetwas getan ohne eigene Unternehmen versor- sieht man auf Landkarten immer noch ex- werden, um die Menschen in ihrer alten gen können. Diese Aussicht auf eine mögli- akt die alte deutsch-deutsche Grenze. Heimat zu halten. Sie brauchten eine Per- che komplette Deindustrialisierung hat mir spektive. Das waren die Wiedervereinigung gezeigt, dass wir es mit einem sehr langen Welche Bereiche wären das? und die schnelle Währungsangleichung. Aufholprozess zu tun bekamen. Die größten Unterschiede bestehen bei der Bevölkerungsentwicklung, dem privaten Haben Sie den politischen Versprechungen Seit 2003 beschäftigen Sie sich als Leiter Vermögen, der Wirtschaftskraft, der Ar- von »blühenden Landschaften« geglaubt? des Berlin-Instituts für Bevölkerung und beitslosigkeit, der Zahl der Zugewanderten Dass bei diesem hektischen Prozess nicht Entwicklung mit demografischen Verände- oder bei der Frage, wie viele Menschen sich alles glatt laufen konnte, dass viele Fehler rungen, unter anderem denen in Ost- und freiwillig für die Gemeinschaft engagieren. und Fehlinvestitionen passieren würden, Westdeutschland. In einer aktuellen Studie Nehmen wir die demografische Entwick- war eigentlich klar. Aber anfangs dachten zur deutschen Einheit stellen Sie fest, dass lung: Seit dem Mauerfall sind rund zwei viele, auch ich, das ginge recht schnell mit die großen Unterschiede, die 1990 zwischen Millionen Menschen aus dem Osten abge- den blühenden Landschaften. Das waren BRD und DDR bestanden, noch lange nicht wandert, mehrheitlich junge Frauen, die gut ja die gleichen fähigen Menschen mit der überwunden sind. qualifiziert waren. Damit fehlen zunächst gleichen Sprache und einem sehr ähnlichen Nicht überall. Es gibt Bereiche, da sind die einmal wichtige Personen für eine Famili- Ausbildungssystem. Was sollte da schief einstigen Unterschiede verschwunden: Bei engründung. Außerdem brachen im Osten gehen? Dann wurde aber sehr bald deut- der Bildung, der Lebenserwartung, den Kin- für etwa zehn Jahre nach dem Mauerfall lich, in welchem Zustand die meisten Ost- derzahlen oder den Umweltbedingungen die Kinderzahlen ein – auf etwa die Hälfte Unternehmen und die gesamte Infrastruktur herrscht Einheit. In anderen Feldern hat des Vorwendewertes. Die Menschen wollten waren, wie die Umwelt in den Industriege- der Westen Richtung Osten aufgeholt, etwa mit dem Kinderkriegen erst mal abwarten, bieten zugerichtet war und vor allem: dass bei der Kinderbetreuung oder der Frauen- was die Veränderungen mit sich brachten. Westdeutschland und die EU fast alle Güter erwerbstätigkeit. Da war der Westen 1990 Deshalb mussten unter anderem über 2.000 liefern konnten, die im Osten notwendig noch sehr in den traditionellen Mustern des Schulen schließen und es herrscht heute ein

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Alle Grafiken sind der Studie Bevölkerung Beschäftigung »So geht Einheit« des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung entnommen.

< -15 < 2,5 -15 bis < -10 2,5 bis < 5 -10 bis < -5 5 bis < 7,5 -5 bis < 0 7,5 bis < 10 0 bis < 5 10 bis < 12,5 5 bis < 10 12,5 und mehr 10 und mehr

Entwicklung der Einwohnerzahl Anteil der Arbeitslosen an allen abhängigen zwischen 1990 und 2012 in Prozent Erwerbspersonen in Prozent, 2014

Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: BBSR Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder

> Dr. Reiner Klingholz Mangel an Auszubildenden. Das alles hat Sie hatten starke Unterschiede beim dazu geführt, dass die Ostbevölkerung, die ehrenamtlichen Engagement zwischen 1953 in Ludwigshafen geboren Chemiker und zu DDR-Zeiten jünger als die in der BRD beiden Landesteilen angesprochen. Molekularbiologe bis 1983 wissenschaftlicher Haben Sie eine Erklärung dafür? Assistent an der Universität Hamburg; Promotion war, heute stark gealtert ist, dass ein akuter 1984 bis 1989 Wissenschaftsredakteur des Wo- Nachwuchsmangel, auch auf dem Arbeits- Die Deutschen engagieren sich eigentlich chenblattes DIE ZEIT 1990 bis 2000 Redakteur markt, entstanden ist und dass die Einwoh- gerne. Vor allem in den ländlichen Ge- beim Monatsmagazin GEO; Geschäftsführer für nerzahlen in den meisten Gebieten der neu- bieten, weil dort der Staat gar nicht alles den Bereich Wissenschaft und Redaktionsleiter von GEO WISSEN mehrere Buchveröffentlichungen en Bundesländer massiv zurückgehen. Auch organisieren kann. Dort gibt es freiwillige seit Juli 2003 Direktor, seit 2009 Vorstand des die hohe Zuwanderung der jüngeren Ver- Feuerwehren, Sportvereine, kirchliche Krei- Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung gangenheit landet vorwiegend im Westen. se, die etwas zum Gemeinwesen beitragen. Aber im Osten ist Engagement gerade auf > Das Berlin-Institut Warum sind die privaten Vermögensverhält- dem Land wenig verbreitet. Das hat mit der nisse zwischen Ost und West immer noch so Vergangenheit zu tun, denn im SED-Staat Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwick- unterschiedlich? war das Engagement »von oben« straff or- lung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich Die Menschen in der DDR konnten kei- ganisiert. Wer sich darüber hinaus zivilge- mit Fragen regionaler und globaler demografi- scher Veränderungen beschäftigt. Das Institut ne hohen Besitztümer anhäufen, weil das sellschaftlich hervortat, galt eher als sub- wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet Lohnniveau niedrig war, weil sie keine versiv und potenziell gefährlich. Es waren und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den größeren Unternehmen gründen und keine ja letztlich solche Gruppen, die das Regime demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Aktien oder Immobilien kaufen, also kei- Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik zum Sturz gebracht haben. einzubringen und Konzepte zur Lösung demogra- ne Vermögensgewinne erzielen konnten. fischer und entwicklungspolitischer Probleme zu Entsprechend wenig gab es zu vererben. In der Wirtschaftsregion Anhalt-Bitterfeld, erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Zudem wurden die Sparguthaben bei der Dessau-Roßlau und Wittenberg in Sachsen- Diskussions- und Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen Umstellung auf die D-Mark nur im Verhält- Anhalt sind Überalterung und Fachkräfte- Entscheidungsprozess auf und betreibt ein Online- nis von zwei zu eins umgetauscht. Deshalb mangel immer deutlicher zu spüren. Andere Handbuch zum Thema Bevölkerung. leben von den 500 reichsten Deutschen Regionen in Vorpommern sind noch schlech- ter dran. Ist die Abwanderung junger Leute Weitere Informationen, wie auch die Möglichkeit, gerade mal 20 im Osten und davon 14 in den kostenlosen regelmäßigen Newsletter Berlin, überwiegend im Westteil der Stadt. ein ostdeutsches Phänomen? »Demos« zu abonnieren, finden Sie unter Auch die gute wirtschaftliche Entwicklung Die Abwanderung junger Menschen aus www.berlin-institut.org. in manchen Orten der neuen Bundesländer den östlichen Bundesländern ist seit ein braucht ihre Zeit, bis sie sich in den Vermö- paar Jahren gestoppt. Es gehen mittlerweile gen niederschlägt. gleich viele Leute von Ost nach West wie umgekehrt. Stattdessen sehen wir heute im Osten, aber auch in den strukturschwachen Gebieten des Westens eine Abwanderung aus entlegenen, ländlichen Regionen in die mittleren und größeren Städte. Dort entste-

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Zuwanderung Ehrenamt Gesundheit

bis 5 > 30 10 bis < 12 5,1 bis 10 30 bis > 35 12 bis < 14 10,1 bis 15 35 bis > 40 14 bis < 16 15,1 bis 20 40 und mehr 16 bis <18 20,1 bis 25 18 und mehr über 25

Anteil der Menschen mit Migrations­ Anteil der freiwillig engagierten Personen Bevölkerungsanteil mit Adipositas hintergrund an der Gesamtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre in Prozent nach Bundesländern, 2013 in Prozent nach Bundesländern, 2013 nach Bundesländern, in Prozent, 2009 Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: Statistisches Bundesamt

Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: Statistisches Bundesamt Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: Freiwilligensurvey

hen neue Jobs, dort gibt es Ausbildungs- Wenn man die Studie durchblättert, Teil Deutschlands sammeln konnten, ver- möglichkeiten und die Städte haben sich bekommt man den Eindruck, dass die schwinden diese Vorurteile. Es ist also nur in den letzten Jahren deutlich attraktiver Ostdeutschen die bestehenden Unterschiede eine Frage der Zeit, bis hier eine Einheit gemacht. Deshalb wachsen derzeit im Os- stärker wahrnehmen als die Westdeutschen. hergestellt ist. ten nicht nur Berlin, Dresden und Leipzig, Bestätigen sich hier die 1990 gewachsenen sondern auch Jena, Erfurt oder Rostock. Das Vorurteile vom »Jammer-Ossi« und »Besser- Überrascht hat mich, dass der Bevölke- tun sie aber zu Lasten ihres eigenen Um- Wessi« oder gibt es elegantere Erklärungen? rungsanteil von Migranten in den alten lands. Für die Ostdeutschen hat sich in den letzten Bundesländern bis zu fünf Mal höher ist 25 Jahren so ziemlich alles verändert. Das als in den neuen. In den Medien scheinen Lässt sich das Ausbluten der Flächenländer war für viele Menschen, trotz aller objekti- jedoch eher Menschen aus Freital, Dres- stoppen? Was kann man tun, um gegen­ ven Verbesserungen, nicht immer einfach. den und Leipzig – also aus ostdeutschen zusteuern? Saturierte Wessis konnten in Mannheim Städten – gegen die angebliche »Überfrem- 25 Jahre Aufbau Ost haben gezeigt, dass oder Bielefeld sitzen bleiben und haben, dung« zu demonstrieren. Wehren sich hier man diesen Trend auch mit viel Geld wenn sie nicht Zeitung gelesen oder fern- »besorgte Bürger« gegen eine Angleichung nicht stoppen kann. Wir haben überall in gesehen haben, nichts von dem Einigungs- von Ost und West oder verteidigen sie das Deutschland steigende Bildungswerte, im- prozess bemerkt. Viele Menschen aus dem wenige, was sie haben? Anders gefragt: mer mehr junge Menschen machen Abitur. Westen waren zudem bis heute nicht im Lässt sich die Fremdenfeindlichkeit mit den Und dann ist klar, dass die meisten danach Osten. Vielleicht, weil sie sich gar nicht da- Unterschieden in Ost und West erklären? erst einmal zur Ausbildung in eine größere für interessieren. Daher registrieren wir im- Vorbehalte gegen oder Ablehnung von Stadt ziehen. Von dort kommen sie selten mer noch gewisse Meinungen und Stereo- Fremdem hat mit Erfahrung zu tun. Was zurück. Die Attraktivität der Städte ist ein type von Wessis über Ossis und umgekehrt. wir nicht kennen, beurteilen wir erst ein- weltweites Phänomen. Da ist mehr los, die Sie halten sich, aber sie verschwinden lang- mal kritisch. Zuwanderer oder Asylsuchen- Kulturangebote sind besser. In Deutschland sam. Ein Drittel aller Menschen aus Ost- de werden deshalb eher dort als Bedrohung haben sich die Betreuungsbedingungen für deutschland, die sagen, es gibt Unterschiede angesehen, wo es wenige Zugewanderte Kinder gerade in den Städten verbessert. zwischen Ossis und Wessis, meinen, West- gibt. Viele Menschen müssen positive Er- Der entlegene ländliche Raum müsste sich deutsche seien arrogant und eingebildet. fahrungen mit Menschen aus anderen neu erfinden. Die Landwirtschaft reicht Das ist mit Abstand die wichtigste Eigen- Ländern machen, bevor sie ihre Meinung nicht aus, um eine Bevölkerung stabil zu schaft, die den Wessis zugeschrieben wird. ändern. Da es aber an Gelegenheiten man- halten, manche Gebiete profitieren von Umgekehrt hält nur ein kleiner Teil jener gelt, ist die Stimmung im Osten manchmal Tourismus, andere haben aus historischen Wessis, die überhaupt noch Unterschiede etwas aufgeheizt. Fremdenfeindliche Ak- Gründen noch etwas Industrie. Aber für den feststellen, ihre Mitbürger im Osten für an- tionisten aus seltsamen Parteien oder Zu- Rest sieht es trübe aus. spruchsvoll und alles-haben-wollend, was sammenschlüssen tragen sicher dazu bei, aus Westsicht die dominierende Ost-Eigen- dass dieses Thema gerade dort auch noch schaft ist. Aber sowohl bei den Jüngeren als dramatisiert wird. Sich einfach mal mit den auch bei jenen Menschen, die persönliche zugewanderten Menschen an einen Tisch Erfahrungen mit den Menschen im anderen zu setzen, wäre besser.

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Was kann man tun, um telstand ist etwas ganz anderes als das Zustimmung zu den fünf meist- die Unterschiede zu überwinden? Ruhrgebiet, das immer noch unter dem genannten Eigenschaften in Prozent Abwarten – und Ausländer anwerben. Wegbrechen alter Industrie leidet. Eine Ostdeutsche sind Der Osten braucht diese Menschen an- wachsende Metropole wie Hamburg ist aus der Sicht der Westdeutschen gesichts seiner demografischen Ent- etwas anderes als das schrumpfende anspruchsvoll 8 wicklung viel dringender als der Wes- Oberfranken, die Südwestpfalz oder der unzufrieden 5 ten. Das müssen die Bürgermeister, die Hunsrück. besserwisserisch 4 eigensinnig 3 Fremdbild Unternehmen, die Medien den Men- familiär/kollegial 3 schen klar machen. Die Frage ist doch: Wann wird das Verhältnis von Wollen sie in einem Altersheim völki- Ost zu West »Normalität« sein? aus der Sicht der Ostdeutschen scher Identität vergreisen oder wollen Heute leben in Deutschland 19 Milli- bescheiden 20 fleißig 19 sie gemeinsam mit Personen aus ande- onen Menschen, die nach der Wende familiär/kollegial 13 ren Ländern eine neue Zukunft schaf- geboren wurden. In 25 Jahren machen hilfsbereit 11 Selbstbild fen? sie und die bis dahin Zugewanderten ehrlich 10 die Mehrheit der Einwohnerschaft aus. Westdeutsche sind Ist eine völlige Angleichung von Ost Dann reden wir nicht mehr über »Os- aus der Sicht der Ostdeutschen und West in allen Bereichen überhaupt sis« und »Wessis«, das können wir viel- arrogant 34 realistisch bzw. wünschenswert? leicht noch in Geschichtsbüchern oder besserwisserisch 10 egoistisch 8

Wünschenswert immer – aber unrealis- auf Wikipedia lesen. Die Einheit kann geldgierig 6 Fremdbild tisch. In manchen Bereichen, etwa der man nicht politisch erzwingen. Sie ist selbstsicher 5 Bevölkerungsentwicklung oder Indus- ein Prozess. aus der Sicht der Westdeutschen triedichte lassen sich die Unterschiede fleißig 17 nur schwer aufheben. Das ist aber kein Ein optimistisches Schlusswort! arrogant 7 Drama, denn wir haben die Unter- Herr Dr. Klingholz – ich danke Ihnen gewissenhaft 4 schiede ja im gesamten Land: Baden- sehr für Ihre Antworten. (welt-)offen 4 Selbstbild pünktlich 4 Württemberg mit seinem starken Mit- Steffen Wilbrandt Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: GfK Verein 2015

Angaben zu Sorgen um die Entwicklung der eigenen wirtschaftlichen Lage, in Prozent, 2012

keine Sorgen 22,9 34,4 einige Sorgen 52,5 47,2 große Sorgen 24,6 18,5

Quelle: Berlin-Institut · Datengrundlage: DIW

Alle Grafiken sind der Studie »So geht Einheit« des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung entnommen.

10 Anhalt-Bitterfeld · Dessau-Roßlau · Wittenberg · werkstadt 12 Foto: Kranbau Köthen

Eine Erfolgsgeschichte!

Die Wirtschaftsregion Anhalt-Bitterfeld – Dessau – Wittenberg ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Region

ie Wirtschaftsregion Anhalt-Bitter- IHK-Geschäftsstellenleiter aufmerksam. Demografie-Problemen zu diesem aktu- feld – Dessau – Wittenberg ist, so Diese Unternehmen sind hochgradig spe- ellen Thema erarbeitet und umgesetzt. DManfred Piotrowsky, Geschäftsführer zialisiert und haben ihre Produktion nach Das Bauhaus setzt mit dem Projekt der Geschäftsstelle Dessau der IHK Halle- den Kundenanforderungen ausgerichtet. Sie »Energieavantgarde« die große Tradition Dessau, sehr eng mit dem weltweit ein- besitzen ein einzigartiges Know-how im einer Vorreiterrolle und Vorzeigeregion maligen Transformationsprozess nach der Spezialfahrzeugbau und langjährige Erfah- fort. friedlichen Revolution im Chemiedreieck rungen. Neben der Kultur-, Herrschafts- und verbunden. »Insgesamt ist es eine positive In einigen Wirtschaftszweigen wird die Landesgeschichte kann diese Region Bilanz, die wir heute nach 25 Jahren ziehen Familientradition trotz des Strukturwandels ebenso auf eine außergewöhnliche In- können. Die Lebensverhältnisse in Ost und bereits in dritter Generation fortgeführt. dustriegeschichte verweisen. West haben sich weitgehend angenähert, die Dies sind zum Teil Einzelhandelsunterneh- Die Historie der Region enthält ein zum Wirtschaft ist neu strukturiert und moderni- men wie auch Industrieunternehmen. Teil geniales Unternehmertum und stellt siert, die verheerenden Umweltverschmut- Die Region Anhalt-Bitterfeld – Dessau eine hervorragende Brücke zwischen der zungen sind beseitigt und die Infrastruktur – Wittenberg ist aber in vielerlei Hinsicht weit reichenden Tradition, der gegen- ausgebaut«, betont Manfred Piotrowsky. bemerkenswert, meint Manfred Piotrowsky wärtigen Situation und der Zukunft dar. Die Region zeichnet sich vor allem durch und verweist auf folgende Besonderheiten: Mit der Wirtschaftsentwicklung der letz- das breite Spektrum an Branchen aus, die Es existieren in der Region vier Welter- ten fast 200 Jahre wurden die Struktur- auf eine lange Tradition und Branchenwis- bestätten. In dieser Dichte kommt dies bildungs- und Wandlungsprozesse in der sen verweisen können. So hat beispielswei- weltweit kein zweites Mal vor. Sie waren Region insbesondere durch das Unter- se die Ernährungsindustrie in der Region und sind Impulsgeber für Fortschritte in nehmertum maßgeblich beeinflusst und eine lange Historie. Hierzu zählen die Zu- allen gesellschaftlichen Bereichen. vorangetrieben. ckerfabrikation, die Fleisch- und Wurstwa- Die Region war der einzige offizielle Die früheren Schwerpunktbranchen ge- ren, Brot- und Backwaren sowie Spirituosen Korrespondenzstandort der EXPO 2000 hören auch heute zu den Leitbranchen und Brauereien. In den meisten Unterneh- in Hannover. der regionalen Wirtschaftsstruktur: Che- men dieser Branche wird zurzeit kräftig in Erstmals wurden hier in der Region un- mie- und Pharmaindustrie, Ernährungs- Erweiterungen investiert, weiß Manfred Pi- ter Führung des Bauhauses Dessau und industrie sowie der Maschinenbau. otrowsky zu berichten. der IBA-Stadtumbau »Schrumpfende Damalige Leuchttürme bzw. deren Nach- Auch auf die Kompetenz des Spezi- Städte« neue Konzepte und Lösungsan- folger sind auch heute noch in der Regi- alfahrzeugbaus der Region macht der sätze für die Begleiterscheinungen von on strukturbestimmend.

11 werkstadt 12 · Anhalt-Bitterfeld · Dessau-Roßlau · Wittenberg Foto: Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg

Kurpromenade mit Jugendstilkurhaus in Bad Schmiedeberg

> Wegbereiter der heutigen Wirtschaftsstruktur (Auswahl):

Gründungsjahr 1831: Destillerie Wilhelm Behr in Köthen (heute Inhaberin Cornelia Kubitz e.K.) 1833: Anhalt-Dessauische Landessparkasse in Dessau (heute Sparkasse Dessau) 1844: Gebrüder Sachsenberg Maschinen- und Schiffbau in Roßlau (heute Roßlauer Schiffswerft GmbH) 1849: Wilhelm Streuber Brennstoff-und Fuhrbetrieb in Köthen (heute Inhaber Manfred Reinhold e.K.) 1855: Zuckerbäckerei Flemming in Dessau (heu- te DESSBO Sweet & Biskuit GmbH) 1856: Wilhelm Siedersleben Landmaschinen (Saxo- nia) in Bernburg (heute Pöttinger Sätechnik GmbH) 1861: Metallwebwaren- und Ma- schinenfabrik Gootlob Heerbrandt (Lochbleche) in Raguhn (heute RMIG GMBH) 1861: Johann Friedrich Dambacher Brauerei in Köthen (heute Köthener Brauerei GmbH) 1865: Franz Kurth gründet die Kesselfabrik in Köthen (heute VKK Standardkessel Köthen GmbH) 1867: Werkzeugmaschinenfabrik und Eisengießerei Franz Braun AG (heute WEMA GmbH Zerbst) 1868: Köckert Stahlhoch- und Brückenbauten in Dessau (heute Stahlbau Dessau GmbH & Co. KG) 1869: Druckerei Paul Dünnhaupt in Köthen (heute Druckhaus Köthen GmbH & Co. KG) 1871: C.M .Schladitz und Co.KG Seifenfabrik in Prettin (heu- te SCHLADITZ milwa GmbH 1872: Berlin-Anhaltische Maschinen AG (BAMAG) (heute Getriebetechnik Dessau GmbH und AEM Anhaltische Elektromotorenwerk Dessau GmbH) 1874: Friedrich Eckstein Schausteller in Bernburg (heute Klaus-Friedrich Eckstein Foto: SCHLADITZ milwa GmbH Schausteller) 1874: Annaburger Steingut-Manufaktur in Annaburg (heute Annaburger Porzellan GmbH (aktuell Insolvenzverfahren seit 05/2015) Hessler & Herrmann Waschpulverproduktion bei der Fa. Schladitz um 1930 1876: Raguhn (später VEB Ogis, dann Libehna, jetzt tbottlers GmbH) 1878: Städtisches Ei- senmoorbad in Bad Schmiedeberg (heute Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg Kur GmbH 1878: Mühlenbauanstalt Anton Wetzig in Wittenberg (heute MMW Technologies GmbH) 1881: Buchhandlung Wilhelm Krommer in Freudenthal (ab 1945 in Bitterfeld, heute Buchhandlung W. Krommer GmbH) 1883: Soda-Fabrik Ernest Solvay in Bernburg (heute Solvay Chemicals GmbH) 1883: Eisenwarenhandel von Fritz Maenicke in Dessau (heute Eisen-Maenicke e. Kfm., Inhaberin Kathrin Lehnert) 1883: Zörbiger Konfitüren in Zörbig (heute ZUEGG Deutschland GmbH) 1888: »Scheuderscher Gasthof« in Würflau (heute Inhaberin Frau Stephanie Pätzold (4. Generation) 1889: Carl Harkenthal gründet Bau- stoffhandel in Alsleben (heute Baustoffhandel Gerda Priczkat e.K.) 1890: Tonplatten- werk Utzschneider & Eduard Jaunez in Zahna (heute Zahna Fliesen GmbH) 1891: Franz Günther Spielwaren in Nienburg (heute Inhaberin Elisabeth Jannsen) 1891: »Akademie für Handel, Landwirtschaft und Industrie« in Köthen (heute Hochschule Anhalt) 1893: Pohle & Erben Raguhn (heute ESRA GmbH) 1894: Hafen Aken (heute Hafenbetrieb Aken GmbH) 1895: Beck und Lührs Lackfabrik in Köthen (heute Lacufa GmbH Köthen) 1895: Waggonbau Dessau (heute FTD Fahrzeugtechnik Bahnen Dessau GmbH) 1895: Gaststätte »Zur Sonne« von Paul Schulze in Deetz (heute Inhaber Volkhard Mewitz in 4. Generation) 1896: Brauerei Gottlieb Danneberg in Zahna (heute Brauerei Zahna GmbH) 1898: Gummiwerke Elbe in Wittenberg (heute TIP TOP Oberflächenschutz Elbe GmbH und Polymer-Technik Elbe GmbH) 1900: »Zum Rüdesheimer« Restaurant und Pension in Köthen (heute Inhaberin Frau Hannelore Scheibner in 5. Generation) 1903: Milka-Nähr- mittelfabrik GmbH von Emil Krüger in Pratau (heute Unilever Deutschland GmbH) 1903: Städtischer Schlachthof in Zerbst (heute Anhalter Fleischwaren GmbH) 1905: Gasthaus Jägerheim in Wittenberg (heute Gasthaus Jägerheim Inhaber Monika Claus und Olaf Dähne) 1906: »Kant Chokoladenfabrik AG« in Wittenberg (heute Wikana Keks und Nahrungs- mittel GmbH) 1906: Herrenkonfektionsgeschäft Hans Druschke in Gerbstedt (ab 1933 Sohn Herbert Druschke in Dessau; heute Druschke Moden KG in Dessau) 1906: Fahrrad- geschäft von Karl Max Schneider in Berlin (ab 1913 in Bitterfeld; heute Irene Fahrradhaus

12 Anhalt-Bitterfeld · Dessau-Roßlau · Wittenberg · werkstadt 12 Foto: VKK Standardkessel Köthen

Inhaber Max Dieter Schneider in Bitterfeld in 3. Generation) 1909: Zigarren Schildhauer in Dessau (heute Inhaberin Birgit Knobloch) 1910: Spinndüsenwerk Gröbzig (heute Enka tecnica GmbH) 1911: Flanschenwerk Bebitz von Adolf Gorges (heute Flanschenwerk Be- bitz GmbH) 1912: Otto Busse KG Stahlbau in Aken (heute Stahlbau GmbH Heenemann & Sohn in 4. Generation) 1912: Kaliwerk Bernburg in Bernburg (heute esco - european salt company GmbH & Co. KG, Werk Bernburg) 1911: Tabakwareneinzelhandel von Willi Vahl in Bernburg (heute Gebr. Vahl OHG) 1914: Gastwirtschaft»Zum Stein« von Ewald Pirl in Wörlitz (heute Ringhotel »Zum Stein«, Inhaber Hotel »Zum Stein« Pirl KG) 1914: Putzgeschäft Gertrud Pannier in Jessen (heute Mode und Kurzwaren Gisela Weidner) 1915: Stickstoffwerk Piesteritz (heute SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH) 1916: Tetralin-Werke GmbH in Rodleben (heute DHW Deutsche Hydrierwerke GmbH Rodleben) 1918: Elektroschmelze Zschornewitz (heute Imerys Fused Minerals Zschornewitz GmbH 1920: Tischlerei Vetter in Dessau (heute Frank Vetter Möbel & Inneneinrichtung GmbH) 1920: Piano- und Sprechmaschinenhaus Fritz Erber in Dessau (heute Musik-Erber, In- haber Hanjo Kopp) 1921: Anhaltisches Serum-Institut in Dessau (heute IDT Biologika GmbH) 1921: Zementherstellung in Bernburg ( heute Schwenk Zement GmbH & Co. KG) 1921: »Carl Traub« Geschäft für Sämereien, Seilerwaren und Tabak in Wittenberg (heute Inhaberin Christine Hoffmann) 1921: Elektrogeschäft Friedrich Peters in Dessau (heute

Inhaber Horst Peters) 1924: Willy Glaubig Seifengeschäft in Wittenberg (heute Willy Foto: SKW Glaubig Handels GmbH Wittenberger Reformhaus) 1925: Gesellschaft für Rohrreini- gung Langbein KG in Bernburg (heute Rohrreinigung Molch e. K., Inhaber Thomas Langbein) Mit dem Bau der ersten Betriebsanlagen der neu gegründeten 1925: Ernst August Kanzog Transportunternehmen in Nienburg (heute Dieter Kanzog Reichsstickstoffwerke Piesteritz im Jahr 1915 wurde der Grundstein Güternah-/Güterfernverkehr) 1926: Betonwerk Erich Winkler in Pretzsch (heute Beton- für den Chemiestandort Piesteritz gelegt. werk Erich Winkler GmbH) 1926: Gartenbau Hermann Möbius in Wittenberg (heute Blumen Möbius GmbH) 1926: Gustav Hoffmann Brennstoffhandel- und Fuhrgeschäft in Dessau (heute Inhaberin Doris Günther) 1927: Reichsbahnausbesserungswerk für elektrische Lokomotiven in Dessau (heute DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH, Werk Des- sau) 1928: Tankstelle Dönicke in Gräfenhainichen (heute Inhaber Matthias Dönicke) 1929: Gummi-Eichler in Dessau (heute debolon dessauer bodenbeläge GmbH & Co. KG) 1929: Taxenunternehmen Hermann Dalichow in Wittenberg (heute Omnibusbetrieb Uwe Dalichow) 1930: Eis- und Caféhaus Mieth in Annaburg (heute Eis- und Caféhaus Mieth – Inhaberin Britta Tobey) 1932: Sägemühle Karl Schröter in Möllensdorf (heu- te Holzschroeter Inhaberin Anke Schröter) 1932: Land- und Brennstoffhandel Willi Kaufmann in Zabitz (heute Brennstoffe und Mineralölhandel Inhaber Klaus-Jürgen Kauf- mann) 1933: Schmiede von Emil Haase in Dessau (heute Haase Werkzeugbau und Schmiede GmbH) 1933: Tischlerei Körting (heute Tischlerei Körting GmbH & Co. KG in 3. Generation) 1934: Kranbau Köthen von Prof. Carl Gensel (heute Kranbau Köthen GmbH) 1936: Ehlert GmbH Behälter- und Apparatebau in Güsten (heute Ehlert GmbH) 1936: Omnibusbetrieb Könnecke in Elster (heute Könnecke-Reisen GmbH & Co KG)

Weiterhin: Weitere Unternehmen, insbesondere Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten, Transportunternehmen, u. a. Unternehmen, auch weitere Sparkassen mit teils über 100-jäh- riger Geschichte, welche der IHK derzeit noch nicht exakt bekannt sind. (Hinweis: Handwerk nicht erfasst)

Quelle: Unternehmensangaben, aus Artikeln der »MZ« und »Volksstimme«, sowie eigene Recherche

13 werkstadt 12 · Anhalt-Bitterfeld

Die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Verwaltung

Seit 25 Jahren unterstützt die EWG die wirtschaftliche Entwicklung der Region

Bereits seit 25 Jahren ist die EWG Anhalt- Einhaltung der Zweckbindung wird zehn Bitterfeld als Dienstleister für die Wirtschaft Jahre nach dem Investitionsende kontrol- und die Gebietskörperschaften des Land- liert und muss erbracht werden«, erläutert kreises tätig. Die fünf EWG-Mitarbeiter Armin Schenk. informieren und beraten Investoren, Unter- Fragt man den agilen EWG-Geschäfts- nehmen und auch kommunale Institutionen. führer nach der größten Herausforderung in Sie begleiten Investoren von der Standort- den vergangenen 25 Jahren, dann überlegt vermittlung über die Fördermittelberatung er nicht lange und berichtet: »Die Umset- bis hin zu den Behördenkontakten. zung des Projektes Bitterfelder Bogen war Gegründet wurde die kommunale Ge- für mich eine sehr anspruchsvolle Aufga- sellschaft 1990 mit dem Ziel, als kommu- be, denn ich hatte dem damaligen Gemein- Armin Schenk kann die Entwicklung im Areal A naler Partner nach der politischen Wende derat Holzweißig mein persönliches Wort aus seinem Fenster direkt verfolgen. die am Boden befindliche Wirtschaft in der gegeben, dass die zeitlichen und finanzi- Region Bitterfeld zu entwickeln. Die Infra- ellen Vorgaben des Projektes eingehalten struktur musste modernisiert und ausgebaut werden.« Das war eine hohe Verpflichtung lickt Armin Schenk aus seinem Büro­ werden, damit Unternehmen wie Bayer, für den damaligen Projektleiter, der heute fenster im Gebäude des Technolo- Heraeus, AkzoNobel und andere hier in- stolz darauf ist, am Entstehen des neuen Bgie- und Gründerzentrums breitet vestieren konnten. In den Anfangsjahren Wahrzeichens der Stadt Bitterfeld-Wolfen sich vor ihm das Areal A des Chemieparks war die EWG hauptsächlich Projektträger beteiligt gewesen zu sein. »Und die größte Bitterfeld-Wolfen aus. »Als wir vor einigen zur Erschließung von Baufeldern für die Enttäuschung für mich war der Weggang Jahren hier einzogen, waren hier noch vie- Gewerbeparks im Landkreis und für Neu- des Spinndüsenherstellers Enka Tecnica le Freiflächen. Doch in der letzten Zeit hat ansiedlungen in den Arealen des heutigen vom traditionellen Standort in Gröbzig in sich einiges verändert: Texplast sowie das Chemieparks Bitterfeld-Wolfen. Mit der ISG, den Starpark nach Halle«, fügt Schenk noch Zentrum für Messen und Kalibrieren haben Infrastrukturgesellschaft Bitterfeld-Wolfen, hinzu. ihre Anlagen und Gebäude erweitert und einer Tochtergesellschaft der EWG, koordi- Essentra Packaging hat ein völlig neues nierte die Gesellschaft maßgeblich die Um- Wirtschaftsförderung entsprechend den Produktionsgebäude errichtet«, zählt Armin strukturierung des Chemieparks Bitterfeld- Herausforderungen der Zeit Schenk, Geschäftsführer der Entwicklungs- Wolfen in den Jahren 2001 bis 2007. Allein Standen vor 25 Jahren die Erschließung und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH für die Umgestaltung der Infrastruktur im von Industriearealen und die Ansiedlung (EWG) auf und blickt zufrieden über das Chemiepark wurden 230 Mio. Euro, davon von Unternehmen sowie die Begleitung Areal. Dabei ist Armin Schenk auch stolz der überwiegende Anteil öffentliche Mittel, der Investoren im Vordergrund der Wirt- auf das Erreichte, denn die EWG fungiert als investiert und ordnungsgemäß abgerechnet. schaftsförderung, geht es heute, da nun Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und »Heute ist diese Mammutaufgabe nahezu deutlich weniger Ansiedlungsanfragen ge- Verwaltung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. abgeschlossen. Doch der Nachweis über die stellt werden, vor allem darum, die bereits

14 Anhalt-Bitterfeld · werkstadt 12 Fotos: EWG Das Team der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH

bestehenden Unternehmen bei deren Er- Arbeitsagentur ins Leben gerufen wurde ten Imagefilm, nehmen an Messen teil und weiterungen zu unterstützen und Existenz- und maßgeblich von der Prokuristin Elena führen zahlreiche Informationsveranstal- gründer zu fördern und zu qualifizieren. Herzel organisiert wird, dient der Berufs­ tungen für die Wirtschaft durch«, berichtet Jungunternehmer/innen werden von der orientierung für Jugendliche und soll dazu der Wirtschaftsförderer Schenk. Um den ego.-Pilotin, Claudia Leier, seit 2008 un- beitragen, dass sich die jungen Leute für Bekanntheitsgrad der Region zu erhöhen, ter dem Dach der EWG umfassend beraten. eine Perspektive in der Region entscheiden. engagieren sich die Landkreise Anhalt- Die erfahrene ego.-Pilotin hat im Jahr 2014 Auf der Website zum Projekt wird deshalb Bitterfeld und Wittenberg sowie die Stadt rund 55 Jungunternehmer/innen im Land- eine Vielzahl an regionalen Unternehmen Dessau-Roßlau in der Metropolregion Mit- kreis Anhalt-Bitterfeld auf dem Weg in die und Berufen vorgestellt. Hier können sich teldeutschland. Selbstständigkeit begleitet. »Das ist aktive die jungen Leute orientieren und in den Fe- »Wichtig ist aber auch die Netzwerk- Wirtschaftsförderung«, so Armin Schenk, rien zu einer Besichtigung oder einem Tag arbeit innerhalb des Landkreises«, betont der weiß, dass sich die jungen Firmen durch Mitarbeit in den Unternehmen anmelden. Schenk und verweist auf die jährlich im eine gute Vorbereitung und Qualifizierung Mit der Gebietsreform im Jahr 2007 Wechsel durchgeführten Veranstaltungen auf dem Markt besser behaupten können. wurde auch das Aufgabengebiet der EWG zur Verleihung des Innovations- und Grün- Neue Aufgaben sind in den letzten Jah- erweitert. Zu den Wirtschaftsförderern und derpreises, welche vom Projektleiter Marco ren hinzugekommen: Investoren werden bei den Unternehmen in Köthen und Zerbst Stibe ausgestaltet werden. Mit dem Reiner- Fragen der Förderung in Sachsen-Anhalt bestehen mittlerweile sehr gute Kontakte. Lemoine-Innovationspreis werden exzel- zielgerichtet durch die landeseigene Inves- Die Erfahrungen aus der Projektarbeit im lente Ideen der Unternehmen und deren titionsbank beraten. Seit 2012 werden den Altlandkreis waren dienlich für neue Auf- erfolgreiche Umsetzung ausgezeichnet und Unternehmen regelmäßig Beratungstage in gaben. So fungierte die EWG als Bauherr publik gemacht. Auch der Existenzgründer- Bitterfeld-Wolfen und neu auch in Köthen bei der Sanierung und dem Umbau des preis ist bereits zu einer guten Tradition im angeboten. Allianzen zur Fachkräftesiche- Marstallgebäudes im Schloss Köthen für die Landkreis Anhalt-Bitterfeld geworden. Für rung in den Branchen Pharma/Chemie, Nutzung der Musikschule J. S. Bach Köthen. die Gründer ist dies eine ausgezeichnete Metall/Elektro und Logistik wurden organi- Das Projekt wurde erfolgreich im vorgege- Plattform, um ihre Leistungen und Pro- siert. »Während die Fachkräftesicherung vor benen zeitlichen und finanziellen Rahmen dukte innerhalb und außerhalb der Region zehn Jahren noch überhaupt kein Thema umgesetzt. bekannt zu machen und neue Kontakte zu war, müssen wir heute der demografischen knüpfen. Entwicklung entgegensteuern und Projek- Imagewerbung für die Region Auch in den kommenden Jahren wird die te zur Nachwuchsgewinnung organisieren. Eine wichtige Aufgabe der EWG ist natür- EWG der Ansprechpartner für die Unterneh- Der Fachkräftemangel wird sich in den lich die Imagewerbung für den Landkreis. men und Kommunen auf den Gebieten der kommenden Jahren verstärken«, ist Armin »Wir präsentieren unseren Landkreis nach Förderung und Fachkräftesicherung sein, ist Schenk überzeugt. Das Projekt »Ferientage außen und nach innen. Wir erarbeiten Bro- sich Armin Schenk sicher und schaut opti- in Unternehmen«, das gemeinsam mit der schüren, präsentieren unseren aktualisier- mistisch in die Zukunft. Ute Hirsch

15 werkstadt 12 · Bitterfeld-Wolfen

Hier stimmt die Chemie

Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen zählt zu den ältesten Chemiestandorten in Deutschland und ist vom steten Wandel geprägt. Bereits vor mehr als 120 Jahren begann die industrielle Entwicklung des Standortes, begünstigt durch die geografische Lage an der Kreuzung al- ter Handelswege, die reichhaltigen Braun- kohlevorkommen sowie die Verfügbarkeit von Wasser. Die Entwicklung der Chemie in der Bitterfelder Region war bestimmt vom Erfindergeist der Menschen und ihrer Fähigkeit, sich neuen Heraus­ forderungen zu stellen. Bereits 1894 wurde in Bitterfeld die weltweit erste großtechnische Chlor-Alkali-Elektrolyse in Betrieb genommen. Am Standort ent­wickelten sich innerhalb weniger Jahr- zehnte, ausgehend von den Produkten der Chlor-Alkali-Elektrolyse, verschiedene Produktlinien für anorganische, organische und metallurgische Erzeugnisse. Vom ersten Farbfilm über die erste Kunstfaser oder aber die Erfindung des Hart-PVC wurde hier Industriegeschichte geschrie- ben, um nur einige Beispiele zu nennen. Foto: PUNCTUM / Bertram Kober

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Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH Ansprechpartner: Dr. Michael Polk und Patrice Heine, Geschäftsführer Zörbiger Straße 22, 06749 Bitterfeld-Wolfen Telefon: 03493 72779 E-Mail: [email protected] Internet: www.chemiepark.de

17 werkstadt 12 · Bitterfeld-Wolfen

Foto: Andre Kehrer

Metamorphose der traditionsreichen Aus der Notwendigkeit heraus, den traditi- Chemiestandorte onsreichen aber maroden Chemiestandort mit Nach der politischen Wende im November seinen hohen Umweltbelastungen zu einem 1989 standen die Chemiestandorte in Bit- modernen und wettbewerbsfähigen Produk- terfeld und Wolfen vor den Herausforde- tionsstandort zu entwickeln, ist das Chemie- rungen eines kompletten Neuanfangs. Im park-Konzept entstanden. Dieses Konzept – ehemaligen Chemiekombinat und der Film- hier in Bitterfeld-Wolfen entwickelt – wird fabrik Wolfen waren zu diesem Zeitpunkt heute deutschlandweit an verschiedenen Che- noch rund 33.000 Menschen beschäftigt. Es miestandorten praktiziert. Die Idee, damals gab ein breites Sortiment von 4.500 Pro- noch aus der Not heraus geboren, wonach dukten, was dem Standort Bitterfeld auch sich produzierende Unternehmen ausschließ- die Bezeichnung »Apotheke der Ostchemie« lich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren einbrachte. und eine schlanke, kostengünstige Produk- Innerhalb relativ kurzer Zeit wurden tionsstruktur aufbauen können, erweist sich weite Bereiche der ehemaligen Kombina- heute als zukunftsorientierte Strategie, die te wegen veralteter Technologien und der neue Ansiedlungen ermöglicht. Dabei werden teilweise desolaten technischen Zustände in alle notwendigen Dienst- und Serviceleistun- den Produktionsbetrieben stillgelegt, die In- gen am Standort angeboten und können – frastruktur war unzureichend und die Um- müssen aber nicht – von den Unternehmen je weltverhältnisse waren untragbar. Schon nach Bedarf hinzu bestellt werden. nach wenigen Monaten war klar, dass die Bevor dies Realität werden konnte, muss- Kombinate als Ganzes nicht privatisiert ten folgenden Schwerpunktaufgaben umge- werden konnten. setzt werden:

18 Bitterfeld-Wolfen · werkstadt 12

1. Rückbau stillgelegter Anlagen und Chemieproduktion im Verbund Rückgang der Schadstoffbelastung am Standort Bitterfeld-Wolfen Gebäude sowie Beseitigung ökologischer Mit der Ansiedlung der Firma Heraeus An- ausgewählte Emissionen in µg/m3 Gefährdungen fang der 90er Jahre entstand hier ein exzel- 200 2. Verkauf/Privatisierung einzelner lenter Stoffverbund, der beispielhaft für eine Geschäftsfelder/Produktionen moderne Chemieproduktion ist. Den Aus- (z. B. Waschmittelbetrieb, Aluminium- gangspunkt des Verbundes bildet – wie auch 180 Gießerei, Rohrpresserei, etc.) schon vor mehr als 100 Jahren – die Chlor- 3. Ausgliederung/Privatisierung standort- Alkali-Elektrolyse heute von AkzoNobel notwendiger Dienstleistungen betrieben, die mit ihren Produkten weitere 160 (Energieerzeugung und -verteilung, sieben Unternehmen im Chemiepark per Wasserver- und Abwasserentsorgung, Pipeline beliefert. Für die produzierenden 140 Feuerwehr, Eisenbahnbetrieb, Instand- Unternehmen bietet der Standort mit seinem haltung, Telekommunikation, Aus- ausgebauten Rohrleitungsnetz auf moder- und Weiterbildung usw.) nen Rohrbrücken optimale Voraussetzun- 120 4. Aufbau wettbewerbsfähiger gen für die Chemieproduktion im Verbund.

Entsorgungsstrukturen Der standortinterne Stoffverbund führt zu 100 (Gemeinschaftsklärwerk, Deponien) Synergien für die beteiligten Partner. 5. Gewerbeansiedlungen unter Nutzung des bestehenden Immobilienbestandes Eine saubere Umwelt 80 6. Neue Ansiedlungen von Chemie- sowie Die Umweltbelastungen am Standort sind Industrieunternehmen (Sidra Wasser­ nach der politischen Wende in sehr kurzer 1989 60 chemie, Bayer Bitterfeld, Heraeus Zeit drastisch zurückgegangen. Das Ab- 1999 Quarzglas, Hüls heute Evonik u.a.) schalten und der Rückbau veralteter Pro- 2009 duktionsanlagen aber auch Investitionen 40 Am Ende ging das Konzept auf. Nachdem in moderne Technologien führten zu einer bereits 1990 die ersten Dienstleistungsbe- deutlichen Verbesserung der Situation. Mi- 20 reiche privatisiert werden konnten, siedel- nisterpräsident Dr. Reiner Haseloff spricht ten sich mit der Sidra Wasserchemie und heute gerne von Luftkurort ähnlichen Ver- Heraeus Quarzglas, die ersten neuen Inves- hältnissen, wenn er über die Bedingungen

0 toren am Standort an. Im Zusammenhang am Standort referiert. Chlor mit dem damals vielbeachteten politischen Eines der wichtigsten und größten Um- Chlorid Bekenntnis von Bundeskanzler Helmut weltprojekte war dabei der Bau des hoch- Schwebstaub Schwefeldioxid

Kohl, im Osten blühende Landschaften ent- modernen Gemeinschaftsklärwerkes, auch Stickstoffdioxid stehen zu lassen, ist die Entscheidung der kurz GKW genannt. Das Klärwerk garantiert Bayer AG im Juli 1991 zu verstehen, in der seit 1994 die Reinigung der im Chemiepark Region Bitterfeld zu investieren. Spätestens Bitterfeld-Wolfen anfallenden Abwässer zu dem Zeitpunkt begann der Strukturwan- auf höchstem technischen Niveau. Neben del in der Region. den Industrieabwässern behandelt das GKW

19 werkstadt 12 · Bitterfeld-Wolfen

Foto: GKW

auch die kommunalen und gewerblichen Gesamtvolumen von rd. 230 Millionen Euro Abwässer aus dem Einzugsgebiet des Ab- in der Zeit zwischen 2001 und 2008 bei lau- wasserzweckverbandes Westliche Mulde fendem Geschäftsbetrieb am Chemiestand- sowie belastetes Grundwasser. Mit einer ort Bitterfeld-Wolfen umgesetzt worden. Reinigungskapazität, die für eine Großstadt Parallel dazu wurden 83 Millionen Euro für mit 586.000 Einwohnern ausreichend wäre, die Gebäudesanierung investiert. Im Ergeb- ist das GKW eine der größten Kläranlagen nis entstand eine moderne Infrastruktur mit in Sachsen-Anhalt. Pro Tag können bis zu großen Synergieeffekten für die angesiedel- 77.000 m³ Abwasser behandelt werden. ten Unternehmen. Im Oktober 2013 übernahm die GELSEN­ Moderner Chemiestandort zum Produzieren WASSER AG mehrheitlich die Chemiepark Die Gründung der ChemiePark Bitterfeld Bitterfeld-Wolfen GmbH mit dem Ziel, die Wolfen GmbH erfolgte im Jahr 1997. Zu Entwicklung des Standortes unter Nutzung den Aufgaben der Standortgesellschaft ge- der Erfahrungen eines modernen Service- hörten vor allem die Ansiedlung von Un- unternehmens kontinuierlich fortzusetzen. ternehmen, die Versorgung der Ansiedler Heute ist Bitterfeld-Wolfen ein moderner mit Dienstleistungen, die Bewirtschaftung Chemiestandort, der auf industriegeschicht- der Infrastruktur und die Vermietung von lich historischem Grund den angesiedelten Immobilien. Unternehmen beste Produktionsbedingun- Nach der gescheiterten Erstprivatisie- gen bietet. Auf Grundlage des einzigartigen rung der Chemiepark GmbH übernahm die Chemiepark-Konzeptes wird so die Erfolgs- Firmengruppe Preiss-Daimler im Jahr 2001 geschichte der letzten Jahre fortsetzt. Auf die Aufgaben des Standortbetreibers und einer Gesamtfläche von 1.200 Hektar, von erneuerte – mit Unterstützung des Bun- denen noch rd. 120 Hektar verfügbar sind, des – große Teile der Infrastruktur in allen haben sich bisher weit über 300 Unterneh- fünf Arealen des Chemieparks. Insgesamt men mit ca. 11.000 Arbeitsplätzen angesie- sind dabei über 400 Maßnahmen mit einem delt, Tendenz steigend. Ute Hirsch

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Areal B

Areal A

Areal C

> 122 Jahre Chemiestandort

1893 Gründung der Elektrochemische Werke GmbH in Bitterfeld, der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron und der Greppiner Fabrik der AGFA 1894 Inbetriebnahme der ersten technischen Großanlage einer Chlor-Alkali-Elektrolyse mit 90 Griesheim-Zellen in Bitterfeld Süd 1895 Errichtung der Farbenfabrik in Greppin Areal D 1898 Griesheim und Elektron fusionieren zur »Chemischen Fabrik Griesheim Elektron« 1900 Erste elektrothermische Phosphor­erzeugung Deutschlands in Bitterfeld 1909 Errichtung einer Ballonhalle der Luft-Fahrzeug-Gesellschaft (LFG) zur Montage der Parseval-Luftschiffe 1909 Errichtung der Filmfabrik Wolfen durch die AGFA Areal E 1909 Entwicklung der Magnesiumlegierung »Elektron« 1910 Produktionsaufnahme von Schwarz-Weiß-Filmen in Wolfen 1913 Synthese von Vinylchlorid und Herstellung des Kunststoffes Polyvenylchlorid (PVC) 1916 Inbetriebnahme der Aluminiumschmelzflusselektrolyse 1925 Gründung der I.G. Farbenfabrik AG, die Werke in Bitterfeld und Greppin gehören zur Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland mit Sitz in Bitterfeld Akzo Nobel Industrial Chemicals GmbH 1936 Herstellung des ersten Farbfilms der Welt in Wolfen Bayer-Standort 1936 Start der ersten Produktionsanlage zur Herstellung von PVC in Bitterfeld Bayer Bitterfeld GmbH 1938 Die Produktion des ersten Kunstharz-Ionenaustauschers (WOFATIT) in Wolfen Dow Wolff Cellulosics GmbH 1939 Produktion auf Kriegsverhältnisse umgestellt LANXESS Deutschland GmbH 1946 Überführung der Fabriken in die sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) Nuplex Resins GmbH »Kaustik« (Fabriken in Bitterfeld, »Kraska« (Farbenfabrik Wolfen) BNT Chemicals GmbH und »Photoplenka« (Filmfabrik Wolfen) CBW · Chemie GmbH Bitterfeld-Wolfen 1952 Übergabe der SAG an die DDR und Gründung des VEB Elektrochemisches Chemische Fabrik Berg GmbH Kombinat Bitterfeld, des VEB Farbenfabrik Wolfen und des Film- und Clariant Produkte (Deutschland) GmbH Chemie­faserwerk AGFA Wolfen CM CHEMIEMETALL GmbH 1969 Gründung des VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB) aus dem Elektrochemi- Evonik Resource Efficiency GmbH schen Kombinat Bitterfeld und der Farbenfabrik Wolfen (Stammbetrieb) FEW Chemicals GmbH 1970 Gründung des VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen mit Folienwerk Wolfen GmbH dem VEB ORWO Filmfabrik als Stammwerk in Wolfen GKW Gemeinschaftsklärwerk Bitterfeld-Wolfen GmbH 1990 Umwandlung der Stammbetriebe in die Aktiengesellschaften Chemie AG Guardian Flachglas GmbH Bitterfeld Wolfen und Filmfabrik Wolfen und wirtschaftlich-rechtliche Heraeus Quarzglas GmbH & Co. KG Entflechtung der Werke Hi-Bis GmbH 1993 Aus der Chemie AG wird die Chemie GmbH Bitterfeld-Wolfen und ICL-IP Bitterfeld GmbH die ChemiePark Bitterfeld GmbH und die Bitterfelder Vermögensverwaltung IKA Innovative Kunstoffaufbereitung GmbH & Co. KG Chemie GmbH Indulor Chemie GmbH & Co. KG 1994 Am Standort der ehemaligen Filmfabrik Wolfen wird die Industriepark Island Polymer Industries GmbH Wolfen-Thalheim gegründet. Kesla Pharma Wolfen GmbH 1997 Gründung der ChemiePark Bitterfeld Wolfen GmbH Linde Gas Produktionsgesellschaft mbH zur gemeinsamen Vermarktung und Entwicklung der beiden Standorte MILTITZ AROMATICS GmbH 2001 Zweitprivatisierung der ChemiePark Bitterfeld Wolfen GmbH ORGANICA Feinchemie GmbH Wolfen an die Firmengruppe Preiss-Daimler Poly-Chem AG 2013 Die GELSENWASSER AG erwarb 94 Prozent der Geschäftsanteile Silicon Products Bitterfeld GmbH & Co. KG an der P-D ChemiePark Bitterfeld Wolfen GmbH SIDRA Wasserchemie Bitterfeld GmbH SOEX Textil-Vermarktungs GmbH ST Extruded Products Germany GmbH TEXCO Farben Produktionsgesellschaft mbH Tricat GmbH Catalyst Service Bitterfeld VERBIO Diesel Bitterfeld GmbH & Co. KG

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Premium-Produkte maßgerecht und wunschgemäß

Die Debolon Dessauer Bodenbeläge GmbH & Co. KG verfolgt in drei Segmenten eine klare Qualitätsstrategie Fotos: Debolon

getreten. Ihm zufolge war es ein richti- Kopf unterstreicht: »Individualisierung ger Schritt, sich nicht mehr auf den Woh- ist eine Kernkompetenz.« Die wird im In- nungsbau zu konzentrieren, sondern den und Ausland geschätzt. Die Export-Quote Fokus auf die gewerblichen Bodenbeläge kratzt an der 50-Prozent-Marke. Aktuell zu richten. »Wir haben mit Erfolg den Ob- produziert Debolon zwischen 1,6 und 1,8 jektbereich erobert«, sagt Kopf. Schulen, Millionen Quadratmeter Bodenbelag im Kindergärten, das Hotel- und Gastgewer- Jahr. »An die zwei Millionen zu kommen, be, Altenpflegeheime, Kliniken. In solchen halten wir aber für realistisch«, meint der Sphären – wo hohe Ansprüche an die Qua- Geschäftsführer. Ihm zufolge fühlt sich das lität gelten, die stark strapaziert und extrem Unternehmen im Westen Dessaus gut auf- frequentiert werden – fühlt sich Debolon gehoben. Eine räumliche Erweiterung stehe gut aufgehoben. momentan nicht zur Debatte. Gleichwohl Obwohl die Dessauer mit gegenwärtig sei das entsprechende Potenzial vorhanden. 116 Beschäftigten nicht zu den Branchen- Andreas Behling ines wird bei debolon in Dessau ganz riesen zählen, sind attraktive Projekte keine gewiss nicht hergestellt: eine 08-15- Seltenheit. Aktuell werden Bodenbeläge aus EWare, die in jedem Baumarkt liegt. der Bauhausstadt ins polnische Hauptquar- Vinylböden, die das Werk an der Ebertal- tier der ING-DiBa und in mehreren Schulen lee verlassen, sind Premium-Produkte. Den eingebaut, die im Emirat Katar am Persi- > Ausbildung Kunden wird exakt der Boden geliefert, den schen Golf entstehen. In Deutschland sind sie sich für ihr architektonisches Konzept Debolon-Produkte zum Beispiel in sämt- Drei Berufszweige permanent wünschen. Aufbau, Aussehen, Farbe und lichen Läden des Bekleidungsherstellers Die Debolon Dessauer Bodenbeläge GmbH & Co. Struktur – alles lässt sich nach Maß aus- s.Oliver zu finden. Da dieser sein Geschäfts- KG bildet in drei Berufszweigen permanent junge Leute aus. Gesucht werden Industriekaufleute, wählen. »Von der Stange war gestern«, heißt feld stetig erweitern möchte, wird es um die VerfahrensmechanikerInnen für Kunststoff- und es bei Debolon selbstbewusst. Auftragslage bei Debolon also auch in Zu- Kautschuktechnik sowie ChemielaborantInnen. Zudem besitzen die Böden ein unver- kunft nicht schlecht bestellt sein. wechselbares Design, wovon Auszeichnun- »In drei Segmenten verfolgen wir eine > Nachfolge gen wie der German Design Award und der klare Strategie: in der ökologischen Quali- Interior Innovation Award zeugen. Und der tät, der funktionalen Qualität und der äs- Bachelor-Arbeit firmenspezifisch Belag ist frei von Phthalaten. Das heißt, er thetischen Qualität«, erklärt Andreas Kopf. Ob die Familien-Tradition bei Debolon fortgesetzt wird, ist momentan offen. Zumindest hat Andreas enthält keine bedenklichen Weichmacher. Wenn eben 90 Prozent der hochwertigen Kopfs Tochter Johanna ihre Bachelor-Arbeit zum Debolon verzichtete 2012 als weltweit ers- Rohstoffe aus Deutschland kommen und Thema »Marketing und Vertrieb in einem Boden­ ter Hersteller der Branche auf die umstrit- 60 Prozent davon aus einem Umkreis von belagsunternehmen« geschrieben. Wahrlich kein ganz schlechtes Zeichen. Da die 21-Jährige tenen Zusätze. »Wir verwenden stattdessen 100 Kilometern, dann wissen dies die Kun- demnächst aber nach Kanada zu einem Work-and- natürlichen Zitronensäureester. Ein Abfall- den zu honorieren. »Und über Individuelles Travel-Aufenthalt aufbricht, hält sich der Vater produkt, das bei der Herstellung von Zucker nachdenken, das kann halt nur eine klei- lieber bedeckt. »Wenn sie dort den Mann fürs entsteht«, erzählt Debolon-Geschäftsführer nere Firma, die nicht auf Standardprodukte Leben findet …« Auch was seinen Sohn Alexander (18) betrifft, will der Vater keinen Druck aufbauen. Andreas Kopf. festgelegt ist. Da kann der Lippenstift der »Das wäre das falsche Rezept. Zeigen und vorleben, Der 45-Jährige ist nach dem Großva- Frau eines Kunden schon mal zur Quelle der dass Unternehmertum Spaß macht, kann viel ter und seiner Mutter, die nach der Wende Inspiration werden, indem man ihn farblich bewegen«, findet der Dessauer, der selbst nach der Schule Medizin studieren wollte und erst nach der 1991 die Reprivatisierung stemmte, an die vermisst, um genau den Ton des Bodens Wende zur Betriebswirtschaft kam. Spitze des 1929 gegründeten Unternehmens hinzubekommen.«

22 Premium-Produkte maßgerecht und wunschgemäß

Die Debolon Dessauer Bodenbeläge GmbH & Co. KG verfolgt in drei Segmenten eine klare Qualitätsstrategie

Andreas Kopf, Geschäftsführer der Debolon Dessauer Bodenbeläge GmbH & Co. KG

23 werkstadt 12 · Dessau-Roßlau

Traditionell innovativ

Arno Möller startet den Flugzeug-Diesel-Gegenkolbenmotor Jumo 205C

Das WTZ Roßlau enn das WTZ einlädt, dann rei- veränderter Rahmenbedingungen im Ener- kann auf 65 Jahre sen sie alle an. Für viele Experten giebereich komme den Gasmotoren als An- Forschung und Praxis Waus Wissenschaft und Wirtschaft triebsquelle eine immer größere Bedeutung zurückblicken gehört die alle zwei Jahre stattfindende zu, unterstreicht Gern. Klimawandel, Atom- Dessauer Gasmotoren-Konferenz inzwi- ausstieg, eine verschärfte Abgasgesetzge- schen zum Pflichtprogramm. Und es ist eine bung und auch der Anstieg regenerativer Pflicht, der das Fachpublikum gern nach- Energieerzeugung haben diese Entwicklung kommt, kann man doch an der Mulde einen befördert. In der Schifffahrt, so Gern, steige regen Austausch mit inzwischen mehr als der Anteil gasbetriebener Frachter deutlich. 250 Kollegen aus Europa und Übersee pfle- »2010 gab es noch kein einziges Schiff mit gen, sich über neueste Trends sowie künfti- Gasmotorantrieb, heute sind 50 in Betrieb ge Entwicklungen in Sachen Gasmotoren- und weitere 150 bestellt.« Pluspunkte des technik informieren, und im Anschluss an Gasmotors seien »ein hoher Wirkungsgrad, das Tagesprogramm in entspannter Atmo- eine saubere Verbrennung und nicht zuletzt

sphäre weiterdiskutieren. eine gute CO2-Bilanz.« Dass die Gastech- »Als wir 1999 die erste Konferenz or- nologie insgesamt immer stärker zu einem ganisiert haben, war das noch ein Ni- »wichtigen Bindeglied im Energiesystem der schenthema«, sagt WTZ-Geschäftsführer Zukunft« wird, sieht auch Hartmut Möllring Günther Gern. Doch das von dem privaten so. Der Minister für Wissenschaft und Wirt- Forschungsunternehmen mit Sitz in Roß- schaft des Landes Sachsen-Anhalt war in lau organisierte Fachtreffen hat sich eta- diesem Jahr selbst zur Konferenz angereist bliert. Nicht zuletzt angesichts dramatisch und hielt die Eröffnungsrede.

24 Dessau-Roßlau · werkstadt 12

Wirtschaftsminister Möllring Traditionell innovativ eröffnet die 9. Dessauer Gasmotoren-Konferenz

Die Erfolgsgeschichte der Gasmotorenkon- indem sie komplexe und zeitaufwendige wichtigsten Voraussetzungen, den demogra- ferenz ist nicht zuletzt auch die Erfolgsge- Testverfahren auslagern, um ihr Tagesge- fischen Wandel zu bewältigen«, bekräftigt schichte des WTZ – und doch nur ein Teil schäft weiterverfolgen zu können. Beson- Geschäftsführer Gern. Das habe indes nicht der bemerkenswerten Unternehmenshisto- ders öffentlich geförderte F+E-Projekte allein mit den genannten Anstrengungen zu rie. Unter wechselnden Firmennamen ist sind dazu geeignet, völlig neue Ideen auf tun, sondern auch mit der abwechslungsrei- sich das heutige Wissenschaftlich-Techni- ihre wirtschaftliche Umsetzbarkeit zu un- chen Tätigkeit selbst. »Forschung ist attrak- sche Zentrum für Motoren- und Maschi- tersuchen. »Neben Industrieprojekten haben tiv«, unterstreicht der WTZ-Chef, gerade für nenforschung inhaltlich doch immer treu wir derzeit rund zehn öffentlich geförderte den Nachwuchs im akademischen Bereich. geblieben und hat dabei stets innovativ Forschungsprojekte in Bearbeitung oder in »Der Versuchsalltag ist ausgesprochen viel- gewirkt. Ein 1950 von ehemaligen Junkers- Vorbereitung«, unterstreicht Gern. gestaltig«, jeder Tag verlaufe anders und am Ingenieuren gegründetes Gruppenkons- Möglich ist die Bewältigung dieser an- Ende eines Projektes überwiege »die Zufrie- truktionsbüro war der Nucleus. Was mit spruchsvollen Tätigkeiten dank einer Beleg- denheit darüber, wieder einmal einen Schritt der Konstruktion und Entwicklung von schaft mit mehr als 70 Facharbeitern und weiter gekommen zu sein«. Dieselmotoren und der Herausgabe von Akademikern, die sich aus einer gesunden Modernität und Innovation sind Moto- Fachbüchern und -zeitschriften begann, Mischung von erfahrenen und jungen Fach- ren des WTZ-Erfolgs, seiner Tradition ist führte bis zur Wende über den Bau eines kräften zusammensetzt. Man habe schon sich das Unternehmen gleichwohl bewusst. Großmotorenprüfstandes und einer Abgas- seit einigen Jahren einen Schwerpunkt da- Bei der diesjährigen 9. Dessauer Gasmoto- messanlage zur verstärkten Beschäftigung rauf gelegt, junge Leute beim WTZ zu inte- renkonferenz, die erstmals im Golf-Park in mit Abgasanalysen, Schadstoffminimierung grieren und in Verantwortung zu bringen, Dessau abgehalten wurde, gab es auch einen sowie Filtertechnik. Im wiedervereinigten sagt der Geschäftsführer. Um qualifizierten Ausflug zurück zu den Wurzeln. Im Rahmen Deutschland hat sich das WTZ als privates Nachwuchs zu gewinnen, fängt das WTZ der Abendveranstaltung wurde der weltweit und unabhängiges Forschungs- und Dienst- mit der Förderung früh an. Kindergarten- einzige serienerprobte und noch lauffähige leistungsunternehmen entwickelt, das sich kinder besuchen gelegentlich zu Exkursio- Flugzeug-Diesel-Gegenkolbenmotor vor be- als Brückenbauer zwischen Wissenschaft nen den Betrieb, von dem Dessauer Philan- geistertem Publikum beim Technikmuseum und Industrie seinen Platz auf dem Markt thropinum und der Sekundarschule an der Hugo Junkers in Dessau gestartet. Der 1938 erarbeitet hat. Es entwickelt und testet Biethe kommen regelmäßig Schülerprakti- in der Mitteldeutschen Motorenwerke GmbH Produkte und Verfahren auf den Gebieten kanten. Durch seine Vorlesung als Hono- gebaute und von Hugo Junkers entwickelte Motoren- und Energietechnik, sowie Ma- rarprofessor an der Hochschule Anhalt hält Flugmotor Jumo 205C war zuvor im WTZ schinen- und Gerätetechnik. Zu den Indus- Günther Gern Kontakt zum potenziellen über fast zwei Jahre grundlegend restauriert triekunden gehören hauptsächlich die gro- Ingenieurnachwuchs. Zahlreiche Studenten worden. Im September feierte das WTZ sein ßen Motorenhersteller und deren Zulieferer. erarbeiten beim WTZ ihre Bachelor- bzw. 65-jähriges Firmenjubiläum. Sie alle nutzen das Know-how aus Roßlau Masterarbeiten. »Wir erfüllen damit die Stefanie Hommers Alle Fotos: WTZ Großmotor auf dem Prüfstand Matthias Pawlik und Maik Genetzkie Axel Frerichs an der Prüfstandsleitwarte beim Ausrichten am Prüfstand

25 werkstadt 12 · Lutherstadt Wittenberg

Flexibel wie Gummi, stabil wie Stahl

MaTech behauptet sich seit 25 Jahren in einer Marktnische

ochspezialisiert, weltweit aktiv, kun- vier Gesellschafter, die sich mit Elan und – wichtig war auch die Konzentration auf den- und serviceorientiert: MaTech Unternehmergeist an Produktion und Mar- zwei Standbeine. Neben der Konstrukti- Hliefert keine Massenware. Die meis- keting im Rahmen marktwirtschaftlicher on von neuen (Sonder-)Maschinen setzt ten Maschinen, die das Haus des Unterneh- Bedingungen machten, alle aus den tradi- MaTech auf Wartung, Reparatur und Op- mens verlassen, sind Sonderanfertigungen, tionsreichen, seit 1900 in Piesteritz ansässi- timierung vorhandener Maschinen durch konstruiert in Wittenberg, passgenau mon- gen Gummiwerken Elbe, die 1946 in einen eigens gefertigte Zusatzkomponenten – ein tiert nach den Wünschen der jeweiligen Volkseigenen Betrieb überführt wurden. Service, der auch für Fremdfabrikate an- Kunden, ob sie nun aus der Region kommen In der dortigen Rationalisierungsabteilung geboten wird. Auf diese Weise könne man oder von einem anderen Kontinent und bei hatten die heutigen MaTech-Gründer schon konjunkturelle Schwankungen ausgleichen, Bedarf auch von den firmeneigenen Mitar- vor der Wende Sondermaschinen konstru- wenn die Investition in Neumaschinen beitern gewartet und repariert. Abnehmer iert und gebaut. nicht gegeben sei, unterstreicht Schlegel. ist die gummiverarbeitende Industrie, die »Die Treuhand wollte aber solch einen Im Gegensatz zur Neuanfertigung, bei der Nachfrage nach Maschinen und Anlagen Spezialbetrieb damals nicht halten«, erin- von der Skizze bis zum fertigen Objekt bis zum Kühlen, Schneiden und Fördern von nert sich Uwe Pietsch. Der Maschinenbau- zu sechs Monate vergehen, müsse man bei Gummi und Kautschuk, sowie den Misch- ingenieur war 1990 einer der vier Männer, Reparaturen allerdings sehr kurzfristig und prozess »made in Wittenberg« ist auf einem die als Gesellschafter mit der Ausgründung flexibel reagieren können. »Da muss es konstant hohen Niveau – und das schon als MaTech ihren eigenen Weg gingen, und manchmal über Nacht gehen«, bekennt der seit Jahren. »Wir arbeiten in einer Nische, er ist heute noch mit von der Partie. Das Geschäftsführer. aber dort haben wir uns recht gut platziert«, gleiche lässt sich auch für den fast voll- Der erfahrene Mitarbeiterstamm sei da- unterstreicht Geschäftsführer Jörg Schlegel. ständig mitgewechselten Mitarbeiterstamm bei eine wichtige Basis. Gleichwohl habe Die Konkurrenz sei überschaubar, Aufträge sagen. Das Unternehmen beschäftigt rund die große personelle Stabilität auch Nach- würden auch ohne einen großen Werbeetat 30 Menschen, viele sind schon seit einem teile. Die Zeit des Generationenwechsels akquiriert. »Wir leben von Empfehlungen.« Vierteljahrhundert dabei. Auch deren Be- stehe inzwischen an, sagt Jörg Schlegel. Als das Unternehmen 1990 an den Start reitschaft, die neuen Wege mitzugehen, Und der wolle vorbereitet werden. »In der ging, war die Orientierung eine andere. Im habe letztlich zum Erfolg von MaTech ge- Gummiindustrie spielt Erfahrung eine ent- Heizungs- und Schornsteinbau versuchte führt, unterstreicht Pietsch. scheidende Rolle«, über die verfügten die die frisch gegründete Firma Kunden zu ge- Dass sich die entstandenen Arbeitsplät- Mitarbeiter zweifellos, »aber die vorhande- winnen – nicht ohne Erfolg, auch angesichts ze als ausgesprochen stabil erweisen soll- ne Erfahrung muss langsam weitergegeben der Tatsache, dass nach der Wiedervereini- ten, war damals eine Hoffnung, heute ist werden.« Stefanie Hommers gung in den nun neuen Bundesländern vie- es Gewissheit. »Innerhalb der letzten zehn le Privathaushalte in neue Heizsysteme in- Jahre mussten wir nur einmal für drei Tage Kontakt: vestierten. Aber nach einigen Jahren habe Kurzarbeit anmelden«, betont Jörg Schle- MaTech Maschinen und Technik GmbH sich MaTech darauf besonnen, »dass wir gel. Dazu beigetragen hat nicht allein der Gummiwerkstraße 1 · 06886 Lutherstadt Wittenberg Telefon: 0 34 91 / 6 42 78 10 · Fax: 0 34 91 / 6 42 78 20 eigentlich andere Sachen viel besser kön- gute Ruf der Firma – zu den Kunden gehört E-Mail: [email protected] nen«, so Schlegel. Schließlich stammten die unter anderem Continental Deutschland www.gummi-matech.com Alle Fotos: MaTech GmbH Alle Fotos: MaTech

26 Lutherstadt Wittenberg · werkstadt 12

> Historie

Das Unternehmen wurde am 15. Februar 1898 in Leipzig als Oxylin-Werke gegründet und 1900 nach Piesteritz, 1912 nach Hamburg verlegt. 1913 kehrte der Unternehmenssitz nach Piesteritz zurück. Zweck des Unternehmens war die Herstellung von techni- schen Gummiwaren aller Art, von Schläuchen für alle Zwecke, gummierten Stoffen, Gummierungen, Gummiwalzenbezügen, Gummifäden, Gummiüber- schuhen und -stiefeln, Gummiberufsschuhwerk, Einkochringen, Gummiartikeln für Fahrrad- und Automobilbedarf und für elektrotechnische Zwecke. Großaktionär war bei Ende des Zweiten Weltkriegs die Felten & Guilleaume Carlswerk AG. Der Firmen- mantel wurde 1949 nach Köln verlagert. Das Werk in Piesteritz wurde nach 1946 enteignet und in den VEB Gummiwerke Elbe überführt. 1992 wurde der Betrieb privatisiert. Die Ausgründung der MaTech erfolgte bereits im Oktober 1990.

27 werkstadt 12 · Bitterfeld-Wolfen Fotos: Unicepta

Erfolg bleibt in der Familie

Familienfreundlichkeit zahlt sich aus für Miltitz Aromatics

in und wieder passiert das: Ein ver- Für wie viele Glücksaugenblicke ist dann von Plus- oder Minusstunden, die Unter- trauter Duft steigt einem plötzlich eigentlich ein Duftstoffhersteller ver- stützung von Mutter-Kind-Kuren, kosten- Hin die Nase, man grübelt. Dann fällt antwortlich, der etwa 100 Riech- und Aro- lose Getränke und Obst am Arbeitsplatz, der Groschen. Sofort ist sie wieder da, die mastoffe in die ganze Welt liefert? »Keine ab 2016 wird es für alle Mitarbeiter eine anheimelnde Atmosphäre der sonntägli- Ahnung«, gibt Dr. Stefan Müller verblüfft Krankenkassenzusatzversicherung zur ver- chen Familienrunde an Omas Esstisch, der zu. Von dieser Warte aus hat der Geschäfts- besserten Expertenbehandlung geben, nach Geruch von Rotkraut und Rouladen, von führer der Miltitz Aromatics GmbH aus Ablauf der Probezeit wird für alle unbefris- Großvaters unvermeidlichen Pfeifenrauch- Bitterfeld-Wolfen sein Tun noch nicht be- tet Beschäftigten zusätzlich eine arbeitge- schwaden, die unbeschwerte Kinderzeit … trachtet. Obwohl bei ihm die Themen Fa- berfinanzierte Direktversicherung abge- Ein Glücksmoment, hervorgerufen durch milie und Zufriedenheit, eng miteinander schlossen. ein paar Duftmoleküle, die ziellos durch die verbunden, ganz oben stehen. Die leidige, zeitfressende Präsenzkultur Gegend streichen. wird nicht gepflegt, denn »effektives und Präsenzkultur wird nicht gepflegt motiviertes Arbeiten im achtstündigen Ar- Zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf beitstag vermeidet Überstunden«. Und wer und Familie. »Wir wollen als Mittelständler will, bekommt von ihm und Produktions-

Delphine Dumas-Mittelberger, Dr. Andreas Petri ein attraktiver, fortschrittlicher Arbeitgeber leiterin und Betriebsratschefin Claudia und Claudia Fortuna (von links) sein, um Fachkräfte zu gewinnen, zu hal- Fortuna auch Unterstützung bei privaten ten und dauerhaft zu motivieren. Familiär Problemen. Davon profitieren nicht nur die gebundene Beschäftigte sind zumeist sehr Mitarbeiter, das macht auch das Unterneh- effektiv und stärker mit der Region und men stark, für das schon einige Übernah- der Arbeit verwurzelt«, argumentiert Ste- meangebote erfolglos abgegeben worden fan Müller. Der Erfolg gibt ihm Recht: »Die sind. Fluktuation im Betrieb ist nahe Null, die Ar- beitsatmosphäre prima, der Erfolg bei den Wer übernimmt das Ruder? Kunden und deren Zufriedenheit mit uns Der 1992 vom Vater Dr. Peter Müller und wachsend.« anderen gegründete erfolgreiche Betrieb Er zählt auf, wie die Firma ihre Beschäf- entwickelt und produziert neben den Riech- tigten unterstützt: Mit Gleitzeit etwa, wo und Aromastoffen auch Feinchemikalien das im Unternehmen mit kontinuierlichem für die Kosmetikbranche, Hersteller von Schichtbetrieb möglich ist. Die Mitnahme Wasch- und Spülmitteln sowie die Lebens-

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mittelindustrie. Darüber hinaus werden am Grünes Synthesegas Standort mitten im Chemiepark Bitterfeld- Wolfen für die insgesamt mehr als 100 für die Chemie Kunden in 27 Ländern auch chemische Lohnsynthesen und andere Dienstleistun- Im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen entwickelt das Wasserstoff-Projekt HYPOS gen durchgeführt. eine Pilotanlage zur Erzeugung von günstigen und umweltfreundlichen Synthesegas Eine wichtige Frage für den zukünftigen Erfolg drängte nach vorn, als vor einigen Jahren die fünf Gesellschafter der Miltitz Elektrolyse: Speicherung: Elektromobilität: Aromatics von der Bank auf die offene (2 H2O ´ 2 H2+O2)

Nachfolge in der Unternehmensführung Windstrom H2-Kavernen- Brennstoff- angesprochen wurden. »Da wir die Struktur speicherung zelle eines Familienunternehmens erhalten woll- Solarstrom ten, sprach jeder Gesellschafter mit seinen H2 Methanisierung:* Speicherung: Kindern und Enkeln, ob sie sich vorstellen (4H2+CO2 ´ CH4+2H2O) könnten, in der Firma zu arbeiten«, erin-

*sogenannter Methan (CH4) nert sich Gründer Dr. Peter Müller, früher Gasspeicher »Sabatier-Prozess« geschäftsführender Gesellschafter, heute bestehend aus zwei Teilreaktionen: O2 noch halbtägig beratend tätig. Für keinen, H2O H2+CO2 ´ CO+H2O mit Ausnahme des Sohnes Stefan, war dies 3 H2+CO ´ CH4+H2O damals eine Option.

H2O CO2 Erdgasnetz Fünf Jahre Einarbeitungszeit »Auch für mich war das Thema damals in weiter Ferne«, erinnert sich Stefan Müller.

Er hatte Jura an der Friedrich-Schiller- mmer mehr Energie wird in Deutsch- Kohlendioxid (CO2) entwickelt werden. Universität in Jena studiert und arbeitete land aus regenerativen Quellen ins- Während der regenerativ erzeugte Was- anschließend fünf Jahre in einer Erfurter Ibesondere Wind und Sonne erzeugt. serstoff aus der zweitgrößten Wasserstoff- Kanzlei. »Nach diesen ersten Berufsjahren Diese unterliegen bekanntlich starken pipeline Deutschlands stammt, kommt wollte ich mich beruflich verändern und Schwankungen, die nur durch eine Spei- das CO2 aus einer Kläranlage des Chemie- bewarb mich bei anderen Anwaltskanzlei- cherung der erzeugten Energie auszu- parks. Die dort entstehenden Methangase en«, erzählt er. gleichen sind. Die wirtschaftliche Spei- werden bislang verbrannt, wobei große Es gab genügend Angebote, aber par- cherung regenerativer Energie ist aktuell Mengen des klimaschädlichen Kohlendi- allel dazu lockte der Vater. Stefan Müller: das größte Problem der Energiewende. oxids in die Luft freigesetzt werden. »Mit »Ich war gern Rechtsanwalt, habe mich Eine Lösung für dieses Problem bietet die der Erzeugung von Synthesegas­ aus re- aber bewusst für die Firma entschieden.« Technologie des »Grünen« Wasserstoffs. generativen Quellen wollen wir ein kos- Die als Einarbeitungsphase vereinbarten Dabei wird der überschüssige Ökostrom tengünstiges und dezentrales Verfahren fünf Jahre »waren eine gute Zeitspanne, dazu genutzt, um mittels Elektrolyse zur Eigenversorgung entwickeln, was uns um Mitarbeiter, Kunden und Geschäfts- Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu neue Entwicklungsmöglichkeiten für die partner kennenzulernen und deren Akzep- spalten. Der so erzeugte Wasserstoff steht Synthese von Riech- und Aromastoffen tanz zu gewinnen und Wissensdefizite aus- jederzeit für saubere Mobilität, Energie- bietet. Gleichzeitig leisten wir einen sig- zugleichen. Eine solche Phase werden auch versorgung und als Ausgangsstoff für die nifikanten Beitrag für mehr Nachhaltig- zukünftige Nachfolger benötigen, weshalb chemische Industrie zur Verfügung. Dem keit«, erklärt Dr. Stefan Müller, Geschäfts- wir bereits jetzt anfangen, die Enkel der »Grünen« Wasserstoff zum wirtschaftli- führer der Miltitz Aromatics GmbH und Gesellschafter durch Praktika ans Unter- chen Durchbruch verhelfen will das Netz- Vorstandsmitglied des HYPOS e.V. Begin- nehmen zu binden.« werk »Hydrogen Power Storage & Solu- nend im 4. Quartal wird dazu eine Mach- Und erfolgreich war die Zeit ebenfalls: tions « (HYPOS). Derzeit barkeitsstudie starten. In einer zweiten Auszeichnungen für Familienfreundlich- beteiligen sich 116 Unternehmen sowie Stufe sollen ab Ende 2016 die Konzeption keit, besondere Ausbildungsleistung sowie Hochschulen und Forschungsinstitute an und der Bau einer Pilotanlage zur Erzeu- Innovationsfreudigkeit illustrieren das ge- dem durch das Programm »Zwanzig20« gung von Synthesegas beginnen. nauso wie das vom zwölf-köpfigen For- geförderten Projekt. Aktuell laufen be- Am 10. November informiert eine schungsteam neu entwickelte Herstellungs- reits die ersten zehn Vorhaben an, darun- Vortragsreihe im Städtischen Kulturhaus verfahren für den synthetischen Riechstoff ter auch zwei im Chemiepark Bitterfeld- Wolfen über das HYPOS-Projekt. Das Fo- Hydroxyambran. Der fast naturidentische Wolfen. rum steht allen Interessierten offen. tabakartig-holzige Duft überzeugt Kunden In einem davon soll unter Leitung in aller Welt. Uwe Rempe der Miltitz Aromatics GmbH ein Verfah- Kontakt: Axel Klug Vorstand HYPOS e.V. & Ressort Kommunikation ren zur Erzeugung von Synthesegas aus E-Mail: [email protected] »Grünem Wasserstoff« und biogenem Web: www.hypos-eastgermany.de

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