ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN HISTORISCHES INSTITUT BEIM ÖSTERREICHISCHEN KULTURFORUM IN ROM

RÖMISCHE HISTORISCHE MITTEILUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON RICHARD BÖSEL UND BRIGITTE MAZOHL

55. BAND 2013 Sonderdruck

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Siglenverzeichnis

Vorbemerkung: In den archäologischen Beiträgen werden die Abkürzungen und Siglen der Archäologischen Bibliographie und des Archäologischen Anzeigers (in der jeweils letzten Fas- sung) verwendet.

AASS Acta Sanctorum ACO Acta Conciliorum Oecumenicorum ADB Allgemeine Deutsche Biographie AdR Archiv der Republik AfD Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde AfK Archiv fü r Kulturgeschichte AfÖG Archiv für Österreichische Geschichte (bis Bd. 33: für Kunde österreichi­ scher Geschichts-Quellen) AHC Annuarium Historiae Conciliorum AHP Archivum Historiae Pontificiae AnBoll Analecta Bollandiana ArtBull The Art Bulletin ArteLomb Arte Lombarda ArteVen Arte Veneta ASRSP Archivio della Società Romana di Storia Patria ASV Archivio Segreto Vaticano AUF Archiv für Urkundenforschung AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv BAV Biblioteca Apostolica Vaticana BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon BDHIR Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom BHG Bibliotheca Hagiographica Graeca BHL Bibliotheca Hagiographica Latina Bibi. Sand. Bibliotheca Sanctorum BISI(M) Bullettino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo (e Archivio Mura- toriano) BollArte Bollettino dArte BollPalladio Bollettino del centro di studi di storia dell’architettura Andrea Palladio BollStorArchit Bollettino del Centro di studi di storia dell’architettura BurlMag The Burlington Magazine BZ Byzantinische Zeitschrift CC Corpus Christianorum. Series Latina CCCM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis CIG Corpus Lnscriptionum Graecarum CIL Corpus Inscriptionum Latinarum CPG Clavis Patrum Graecorum CPL Clavis Patrum Latinorum CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum DA Deutsches Archiv für Erforschung (bis 1944: Geschichte) des Mittelalters DACL Dictionnaire d’Archéologie Chrétienne et de Liturgie DBF Dictionnaire de Biographie Française DBI Dizionario Biografico degli Italiani DDC Dictionnaire de Droit Canonique DHEE D iccionario de Historia Eclesiastica de España DHGE Dictionnaire d ’Histoire et de Géographie Ecclésiastiques RÖMISCHE HISTORISCHE MITTEILUNGEN, 55. Band/2013, 271-322 © by Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

PÉTER TUSOR

Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert*

Theoretisch gesehen konnten die Nachfolger des heiligen Peters im Laufe der Geschichte immer ungebunden bei der Kreierung der Kardinäle Vorgehen. Das durch das Kirchenrecht gesicherte freie Vorgehen allerdings war jahrhun­ dertlang nur bei der Auswahl der italienischen, genauer der vom Territorium des Kirchenstaates stammenden Kardinäle vollkommen gewährleistet. Denn bereits seit dem 14. Jahrhundert waren einzelne christliche Herrscher - gelei­ tet von den verschiedensten Überlegungen — bemüht, die Entscheidungen der Kirchenhäupter auf irgendeine Art und Weise zu beeinflussen. So waren es einerseits die an der Spitze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Frankreichs, Ungarns, Spaniens, Englands, Portugals Ne­ apels, Polens, Venedigs und Savoyens stehenden Häupter, die zu verhindern versuchten, dass der Papst diese Auszeichnung ohne ihre Zustimmung Unter­ tanen ihrer Krone zu kommen ließ. Andererseits wollten sie für ihre eigenen Nominierten immer gieriger den Purpur erlangen, und das teils aus innenpoli­ tischen Überlegungen heraus, zum Beispiel um die Stellung ihrer Minister zu stärken1, teils mit außenpolitischer Absicht, hauptsächlich um die päpstlichen Entscheidungen unmittelbar beeinflussen zu können. Ihre Bestrebungen tru­ gen in bedeutendem Maße zur Italianisierung des Kollegiums bei.

" Mit der Unterstützung des ÖAD (AÖU), des OTKA (NN 82 307) und der Ungari­ schen Akademie der Wissenschaften (,,Lendület“-Projekt). Verwendete Abkürzungen: AP, AS Archívum Primatiale, Esztergom (Gran), Archivum Saeculare ARSI Archivum Romanum Societatis Iesu ASV, A.A. ASV, Archivum Arcis BSSS Biblioteca Statale Santa Scolastica MOL, MKA Magyar Országos Levéltár, Magyar Kamara Archívuma MZA Moravsky Zemsky Archiv SOBA Státny Oblastny Archiv 1 W. R e i n h a r d , Le carriere papali e cardinalizie. Contributo alla storia sociale del Papato, in: Roma, la città del papa. Vita civile e religiosa dal giubileo di Bonifacio VIII al giubileo di papa Wojtyla, a cura di L. F i o r a n i —A. P r o s p e r i (Storia d ’Italia. Anna­ li 16). Torino 2000, 263—291, bes. 271f. 2 7 2 Péter Tusor

So maßgebende - vermeintliche oder reale - Befugnisse, wie die Ernennung der Bischöfe ihres Landes konnten sie selbstverständlich nie erlangen. Gleichzeitig aber berücksichtigte der Apostolische Stuhl ganz bis zu Beginn des 20. Jahrhun­ derts gewöhnlich ihre Proteste und Empfehlungen, die, was letztere angelangt, von weltlicher Seite immer häufiger als offizielle (Ernennung (nominatio) be­ trachtet wurden. Die von den Herrschern vorgeschlagenen und in der Mehrheit aus den Reihen ihrer Untertanen hervorgegangenen Kardinäle wurden auf sehr anschauliche Weise als Kronkardinäle (cardinali delle corone) bezeichnet2. Während sich der Kronkardinalatsrechtsbrauch im Laufe der Jahrhun­ derte im Laufe ständiger politisch/rechtlicher Diskussionen konsolidierte, brachten die sogenannten Kardinalprotektoren — als Kompromißlösung - die rechtlich geregelte und ständige Form der nationalen Interessenvertretung zustande. Nach einigen früheren Vorläufern des Protektorates bot seine sich ebenfalls im 15. Jahrhundert durchsetzende Institution die Möglichkeit, dass die einzelnen Staaten von den bereits existierenden Mitgliedern des Kardinals­ kollegiums offiziell jemanden damit beauftragten, ihre kirchlichen (und oft auch politischen) Angelegenheiten in der Kurie zu patronieren. Die Person des Kardinalprotektors stimmte also nicht nur in einem Fall unbedingt mit dem auf Wunsch der Herrscher ernannten und sich oft nicht in Rom aufhaltenden Kardinal überein, obgleich sich dies die weltliche Seite oftmals zum Ziel setzte und dies auch manchmal verwirklichte. Nach anfänglichen Protesten erkannte der Heilige Stuhl deren staatliche Beauftragung bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts offiziell an. Denn im Gegensatz zu den Kronkardinälen waren die Kardinalsprotektoren — die zwecks Steigerung ihres Einflusses auf die Kurie ausdrücklich die Erlangung dieser Würde anstrebten - ihren welt­ lichen Auftraggebern gegenüber zu einer weitaus begrenzteren Loyalität ver­ pflichtet. Ihre Tätigkeit wurde zu einem organischen Bestandteil des kurialen Geschäftsganges, wie zum Beispiel bei der Erlangung der päpstlichen Bestä­ tigung (genauer der Provision) der von den Herrschern ernannten Bischöfe3.

2 BAV, Vat. lat. 9713 (Diverse memorie sulle promozioni dei cardinali ad istanza de prin- cipi); Vat. lat. 9712, besonders fol. 9 r-2 2 v; Vat. lat. 12106, fol. 172' -2 2 4 v; Borg, lat. 376, fol. 131' —I4 lv (De cardinalibus electis ad precesprincipum) und fol. 141' -152v (Petrus Franciscus Rubeis, Discorso sopra l ’obligo, che hanno gli sommi pontefici di creare cardinali nazionali a richiesta delle corone). Zu der Kreation von Kronkardinälen, zu ihren Aufgaben in Rom und zu ihren Immunität neuerdings: H. v o n T h i e s s e n , Au­ ßenpolitik im Zeichen personaler Herrschaft. Die römisch-spanischen Beziehungen in mikropolitischer Perspektive. Römische Mikropolitik unter Papst Paul V. Borghese (1605-1621) zwischen Spanien, Neapel, Mailand und Genua (BDHIR 107). Tübingen 2004, 21-178, 63-86. 3 J. W o d k a , Zur Geschichte der nationalen Protektorate der Kardinäle an der römi­ schen Kurie (Publ. ehem. Österr. Hist. Inst. Rom IV/1). Innsbruck-Leipzig 1938; Kat'dinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 273

Hinsichtlich der Herausgestaltung und Natur des Rechtsbrauches bei der Kronkardinalsernennung besteht ein enger Zusammenhang mit dem soge­ nannten Ausschließungsrecht (ius exclusivae). Das heißt, dass die europäischen Staaten, genauer ausschließlich die Großmächte, auf den Konklaven nur sehr selten erreichen konnten, dass ihre Anwärter auf den Papstthron gelangten, aber bis 1903 konnten sie regelmäßig erfolgreich verhindern, dass eine für sie un­ annehmbare Person gewählt wurde4. Ebenfalls eng mit dem Kronkardinalats- rechtsbrauch zusammen hängt die allgemein bekannte und bis heute aktuelle in petto erfolgende Praxis der Kardinalskreierung5. Einige Staaten nämlich be­ stürmten die Päpste pausenlos mit ihren Anwärtern. Es galt, ihren grenzenlo­ sen Forderungen teils Grenzen zu setzen, teils Rücksicht auf die Forderungen aller Partner (einschließlich des Kurienapparats) zu nehmen. Das war natür­ lich in zahlreichen Fällen undurchführbar, und darum musste gelegentlich — in erster Linie um diplomatischen Verwicklungen aus dem Wege zu gehen — die Ernennung der Kardinäle im Geheimen erfolgen6.

* * *

Das Gewohnheitsrecht, Kardinäle zu nominieren, um durch diese die Po­ litik der Kurie beeinflussen zu können, nahmen auch die Habsburger im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts in der Regel wahr. Ihre Vorschläge waren einer nach dem anderen früher oder später von Erfolg gekrönt, wie dies das Beispiel

M. Fa b e r , Frühneuzeitliche Kardinalprotektorate. Ein Projekt. RömQua 94 (1999), 267-274; O. P o n c e t , The Cardinal-Protectors of the Crowns in the Roman Curia during the First Half of the Seventeenth Century: the Case of France, Court and Po­ litics in Papal Rome, 1492-1700, ed. G. S i g n o r o t t o - M . A. V i s c e g l i a (Cambridge Studies in Italian History and Culture). Cambridge 2002, 158—176; G. P l a t a n ia , La Polonia nelle carte del cardinale Carlo Barberini, Protettore del regno. Accademie e Biblioteche d ’Italia N. S. 39 (1988), Nr. 2, 38-60; neuerdings auch M. Fa b e r : Entwe­ der Nepot oder Protektor. Scipione Borghese als Kardinalprotektor von Deutschland (1611-1633), in: Kaiserhof — Papsthof (16.-18. Jahrhundert), hrsg. von R. B ö s e l —G. K lingenstein - A . K o l l e r (Pubi. Osten. Hist. Inst. Rom 12). Roma 2006, 67-76; DERS., Scipione Borghese als Kardinalprotektor. Studien zur Römischen Mikropolitik in der frühen Neuzeit. Göttingen 2009. 4 L. W a h r m u n d , Das Ausschließungsrecht der katholischen Staaten Österreich, Frank­ reich und Spanien bei den Papstwahlen, en 1888; M. A. V i s c e g l i a , La Giusta Statera de’ porporati. Sulla composizione e rappresentazione del Sacro Collegio nella prima metà del Seicento. Roma moderna e contemporanea 4 (1996), 167—212, hier 175. 5 P. A. K i r s c h , Die reservatio in petto bei der Kardinalscreation. Archiv fü r Katholisches Kirchenrecht 81 (1901), 421-432. 6 Vgl. P. T u s o r , Prolegomena zur Frage des Kronkardinalats. AHP41 (2003), 51-71. 2 7 4 Péter Tusor von Bemard Clesl7, Andreas von Österreich8, Ludovico Madruzzo9 und ande­ ren beweist. Abhängig von der momentanen politischen Lage aber ergaben sich auf diesem Gebiet kleinere oder größere Konflikte. Vor gewissen Kardinalskrea­ tionen verschloss sich der Heilige Stuhl trotz längerem Drängen, wie er es zum Beispiel im Falle des Graner Erzbischofs Paul Várdai bei König Ferdinand I. (1526—1564) tat10. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass sich im Kampf gegen den Protestantismus zwischen dem Papst und der Dynastie auf dem Ge­ biet der Kardinalsernennung ein gewisses Aufeinanderangewiesensein zeigte". Das Zusammenwirken von Rom und Wien (Prag) begann sich parallel mit dem Erstarken Frankreichs und der Säkularisierung der Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu verringern. Dieser Prozess führte in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts — ausgenommen das Pontifikat Innozenz’ XI. — zu einer tiefen Krise und dann zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einer kriege­ rischen Auseinandersetzung12. Diese ungünstigen Tendenzen waren auch auf dem Gebiet der Kardinalskreationen zu spüren. Ja, noch mehr, die sich hierbei ergebenden Probleme spiegeln sehr anschaulich die grundlegende Wandlung in den Beziehungen zwischen dem Heiligem Stuhl und dem Heiligen Römi­ schen Reich Deutscher Nation in der frühen Neuzeit wider. Denn in der Frage der Kardinalsernennung war das Verhältnis des Papsttums zu den einzelnen Staaten nicht nur einfach von Wichtigkeit, sondern es war in dieser Periode auch ein zentrales Element der diplomatischen Kontakte auf höchster Ebene.

7 G. R i l l —Ch. T h o m a s , Bernhard Cles als Politiker. Kriterien für das Verhaltensbild eines frühneuzeitlichen Staatsmannes (Kleine Arbeitsreihe zur Europäischen und Ver­ gleichenden Rechtsgeschichte 18). 1987, 9, 16-18. 8 Vgl. K. MaiER, Andreas von Österreich. Kardinal (1558—1600), in: Lebensbilder aus Baden-Würtemberg XX, hrsg. von G. T a d d e y —J. F i s c h e r . Stuttgart 2001, 49-75. 9 B. S t e i n h a u f , Giovanni Ludovico Madruzzo (1532-1600) (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 132). Münster 1993. 10 V. F r a k n ó i , Három magyar bíbornok-jelölt a XVI. században. Új M agyar Sion 5 (1874), 81-100, hier 92-96; ASV, A.A., Arm. I-XVIII, Nr. 5113, 5125. 11 L. N a n n i , Epistolae ad principes 1: Leo X.-Pius IV. (1513-1565), II: Pius V.-Grego- rius XIII. (1566-1585), III: Sixtus V.-Clemens VIII. (1585-1605) (Collectanea Archi­ vi Vaticani 28, 29, 41). Città del Vaticano 1992-1997, passim; Hierarchia Catholica medii et recentioris aevi III, ed. G. v a n G ulik-C . E u b e l . Monasterii 1923, 1-55, passim; BAV, Vat. lat. 9713, fol. 11'. 12 G. L u t z , Rom und Europa während des Pontifikats Urbans VIII. Politik und Di­ plomatie. Wirtschaft und Finanzen. Kultur und Religion, in: Rom in der Neuzeit. Politische, kirchliche und kulturelle Aspekte, hrsg. von R. E l z e - H . S c h m i d i n g e r — H. S c h u l t e -N o r d h o l t . Wien-Rom 1976, 72-167, bes. 74-78, 85-90; N. H u b e r , Österreich und der Hl. Stuhl vom Ende des spanischen Erbfolgekrieges bis zum Tode Papst Klemens’ XI (1714-1721) (Archiv fü r Österreichische Geschichte 126). Wien 1967, 27-35; und mit weiterer Fachliteratur P. T u s o r , A barokk pápaság (1600-1700). Bu­ dapest 2004, 29-76, 270-282. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 2 7 5

Das Ziel meiner Studie ist ein Zweifaches. Einerseits möchte ich ein spezi­ fisches, aber wesentliches Moment in den Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich darlegen. Auf die Wichtigkeit dieser Aufgabe hat Georg Lutz bereits die Aufmerksamkeit gelenkt13. Andererseits wiederum möchte ich durch die Aufdeckung neuer Fakten die Marginalisation des Papsttums in den Reihen der europäischen Staaten im 17. Jahrhundert umreißen. Ich erachte es als wichtig zu erwähnen, dass der Fragenkreis der Kardinalsprotektoren­ tätigkeit und der Ausübung des ius exclusivae eng an die Institution des Kron- kardinalats anknüpft. In meiner Arbeit werde ich auch darüber ausführlich berichten. Die Geschichte der Konklaven allerdings ist samt dem den Ausgang der Papstwahlen beeinflussenden Auftreten der Dynastie verhältnismäßig gut bekannt14. Von den Habsburg-Protektoren wird zwar die Rede sein, dessen ungeachtet aber ist über ihr Wirken bzw. über die Probleme mit ihnen so um­ fangreiches Quellenmaterial aus dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben, dass trotz der bisher erfolgten Publikationen die Aufarbeitung eine gesonderte Stu­ die beansprucht15. Vorweg aber muss ich noch die Frage beantworten, warum diese Aufgabe gerade von einem ungarischen Historiker vorgenommen wird. Die Antwort darauf ist einfach. 1556 spielte Ungarn dank der Personalunion der kaiserli­ chen und der ungarischen königlichen Krone auf dem Gebiet der römischen Beziehungen der Habsburger und so auch bei der Kardinalsnominierung eine durchaus nicht zu vernachlässigende Rolle. Die unter Matthias Corvinus-Hu- nyadi (1458—1490) erstarkte Kardinalsnominierungstradition der Krone des heiligen Stephans16 verlor in der der Personalunion folgenden Zeit an Bedeu­ tung. Das Gewohnheitsrecht war immer an die Person des jeweiligen Herr­ schers und nicht an seine Titel oder die Zahl seiner Länder geknüpft. Demzu­ folge konnten die Führer der ungarischen Kirche nur als kaiserlicher Kandidat

13 G. L u t z , Roma e il mondo germanico nel periodo della guerra dei Trent’Anni, in: Un teatro della politica europea. La corte di Roma tra Cinque e Seicento. Atti del convegno internazionale di Studi, Roma, 22—23 marzo 1996, a cura di G. S ig n o r o t t o —M. A. V i s c e g l i a (Biblioteca del Cinquecento 84). Roma 1998, 425-460, hier 449-456. 14 W a h r m u n d , Ausschließungsrecht (wie in Anm. 4), 50-167; A. M. P i a z z o n i , Storia delle Elezioni Pontificie. Casale Monferrato 2003; L. v o n Pa s t o r , Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Restauration und des Dreißigjährigen Krieges XII: Leo XI. und Paul V. (1605-1625), XIII: Gregor XV. und Urban VIII. (1621- 1644), XIV: Von der Wahl Innozenz’ X. bis zum Tode Innozenz’ XII. Freiburg im Breisgau 1927-1930, passim. 15 Die spätere Geschichte des Protektorats: R. B l a a s , Das Kardinalprotektorat der deut­ schen und der österreichischen Nation im 18. und 19. Jahrhundert. MÖStA 10 (1957), 148-185- 16 Mátyás király levelei. Külügyi osztály I—II, hrsg. von V. F r a k n ó i . Budapest 1893— 1895, 91 f., Nr. 67; 55f., Nr. 41; 99fi, Nr. 73, 75; 13lf , Nr. 96, und passim. 2 7 6 Péter Tusor in das Papstwahlgremium gelangen. Nach 1556 mussten die Kaiser neben den deutschen, böhmisch-mährischen und italienischen Untertanen des Reiches auch sie berücksichtigen, wie das seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch die Kardinalsernennung des Graner Erzbischofs Anton Veranchich17 und des Kalocsaer Erzbischofs Georg Draskovich18 bewiesen wird.

I. Der den Thron des heiligen Petrus einnehmende neue Papst wählte dem Kardinalsnominierungsgewohnheitsrecht der Herrscher entsprechend aus An­ lass des zweiten größeren Kardinalskreierungskonsistoriums seines Pontifikats nicht (nur) unter seinen Untergebenen, sondern berücksichtigte auch die Kan­ didaten der Staaten. Der Nepot Pauls V. (1605—1621), Scipione Caffarelli-Bor- ghese, zog nach seiner Ernennung am 18. Juli 1605 und dann der seiner unmit­ telbaren Mitarbeiter, z. B. Giovanni Garzia Millini, Marcello Lante und andere, am 11. September 1606'9 in erster Linie auf Drängen Frankreichs und Spani­ ens die Kreierung von Kronkardinälen in Erwägung. So gelangte die Frage der Kardinalsernennung kurze Zeit später, nachdem 1604 der Bischof von Trient, Carlo Madruzzo, infolge der Nominierung Rudolfs II. (1576—1612) den Kar­ dinalshut erlangt hatte20, am kaiserlichen Hof abermals auf die Tagesordnung.

17 Verancsics Antal m. kir. helytartó, esztergomi érsek összes munkái XI: Vegyes levelek 1572-1573, hrsg. von G. W e n z e l {Monumenta Hungariae Historica II: Diplomatana 26). Budapest 1873, 162-164, Nr. 101, 102; F r a k n ó i , Három magyar bíbornok-jelölt (wie in Anm. 10), 96-100; ÖStA, HHStA, Ungarische Akten, Allgemeine Akten, Fz. 100, fol. 2, 3, 34, 44, 45, 46, 80, 81. 18 L . L u k á c s , Monumenta Antiquae Hungariae I-IV: 1550—1600 (Monumenta Historica Societatis Iesu 101, 112, 121, 131). Romae 1969-1987, II, Nr. 274, 278, 892, Anm. 6; Die Nuntiatur am Kaiserhofe I: Germanico Malaspina und Filippo Sega (Giovanni Andrea Caligari in Graz), hrsg. von J . S c h w e i z e r (Nuntiaturberichte aus Deutschland IIIa/2/1 = Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 10). Paderborn 1905, Nr. 40. 110; ÖStA, HHStA, Ung. Akt., Allg. Akt., Fz. 114, fol. 94f.; Fz. 116 [Konv. A], fol. 28-29; Fz. 117 [Konv. A], fol. 49; Fz. 117, fol. 63—65; Fz. 110-112 [Konv. B], fol. 105-107; V. F r a k n ó i , Magyarország egyházi és politikai összeköttetései a római szentszékkel I—III. Budapest 1901-1903, III, 205; F. G a l l a , Magyar tárgyú pápai felha­ talmazások, felmentések és kiváltságok a katolikus megújulás korából I (Regnum-Köny- vek I: Egyháztörténeti források 1 — Klny. LK24-25 [1946-1947]). Budapest 1947, 107. 19 Die Kardinalskreationen des 17. Jahrhunderts: Hierarchia Catholica medii et recentioris aevi IV, ed. P. G a u c h a t . Monasterii 1935, 5-57; V, ed. R . R i t z l e r - P . S e f r i n . Patavii 1952, 5—57; Pa s t o r , Geschichte der Päpste XII-XIV (wie in Anm. 14), passim. 20 Bericht des kaiserlichen römischen Botschafters, Francesco Gonzaga, Rom, 8. Juli 1604, ÖStA, HHStA, Staatenabteilungen, Rom, Diplomatische Korrespondenz, Fz. 49, Konv. Gonzaga an Rudolf II. 1604, fol. I4f. Siehe noch ebd., Hofkorrespon­ denz, Fz. 7, Konv. Kardinale an Rudolf II., 1604. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 277

Der im Juni 1607 seinen Sitz in Prag einnehmende Nuntius, Antonio Caetano, Erzbischof von Capua, bekam vom päpstlichen Staatssekretariat die Aufgabe, unter allen Umständen zu erreichen, dass der Kaiser mehrere Kan­ didaten benenne, damit man in Rom unter diesen die am besten geeignete Person auswählen könne. Mit dieser Anweisung wollte die Kurie nicht nur ihren Spielraum ausdehnen, sondern sie hatte auch das versteckte Ziel, einer erneuten Nominierung des früheren Prager Nuntius, Cesare Speciano21, zu­ vorzukommen. Zu Gunsten des Bischofs von Cremona hatte die kaiserliche Diplomatie bereits früher Schritte unternommen22. Rom hatte auch einen Ge­ genkandidaten ernannt, und zwar den Nepoten des heiligen Karl von Borro­ meo, den Propst von Konstanz, Marcus Sitticus Altemps (= Hohenems), der im Besitz des Titels eines inneren Kämmerers der Kurie war. Der Nuntius begann, in dieser Angelegenheit mit den kaiserlichen Ge­ heimräten23 Karl von Liechtenstein und Leopold von Stralendorff zu verhan­ deln. Im Laufe der Besprechungen konnte er sich davon überzeugen, dass die Mehrheit der Reichsregierung auch weiterhin für Speciano war. Altemps wiederum fand im Grunde genommen keine Unterstützung, am Hof war er kaum bekannt. Im Laufe der Nachforschungen verlauteten auch andere Na­ men. Liechtensteins Protegé, der Vorgänger Caetanos, war der noch immer in Prag weilende Giovanni Ferreri. Er warf auch den Namen Sigismund Bátho­ ry auf, der seit seiner Abdankung im Fürstentum Siebenbürgen bischöfliche Ambitionen hegte, dem er aber der hin und wieder auflebenden Eifersucht Rudolfs wegen keine glänzende Zukunft voraussagte, obwohl dieser vor kaum einem Jahrzehnt bereits vorgeschlagen worden war24. Als er sah, dass die Per­ son Altemps’ keinen Zuspruch fand, brachte er den neuen Erzbischof von Prag, Karl Lamberg, ins Spiel. In ihm ist der an zweiter Stelle stehende Kandidat der Kurie zu sehen. Dieser aber wurde vom kaiserlichen Minister sofort zurückge­ wiesen. Wobei er sich auf ein protokollarisches Problem berief, dass dadurch nämlich die ständige Anwesenheit eines Bischofs - der eigentlich gleichrangig mit dem Erzherzog war - am Prager Hof notwendig geworden wäre.

21 D. S quicciarini , Die Apostolischen Nuntien in Wien. Vatikanstadt 1999. 22 Bericht von Gonzaga, Rom, 8. Juli 1604 (wie in Anm. 20). 23 Die Mitglieder des Kaiserlichen Geheimen Rates: H. F . S c h w a r z , The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century. Cambridge 1943. 24 Am 22. April 1598. Sándor Szilágyi, Carillo Alfonz diplomacziai működése (1594— 1598). Budapest 1877, 2, 40, 42, 56—58; Carillo Alfons [jezsuita atya] levelezése és iratai I—II, hrsg. von E. V e r e s s (M onumenta Hungariae Historica 1/32, 41). Budapest 1906-1943, I, 207f., 254£, 338f; II, 250, 252-254; F r a k n ó i , Magyarország egy­ házi III (wie in Anm. 18), 247, 528 mit Anm. 848. 2 7 8 Péter Tusor

In der ersten Runde der Verhandlungen kam es zu keinem Ergebnis. Das Staatssekretariat, das sich nach einem neuen geeigneten Kandidaten umsah, trug dem Nuntius auf, bis zum Erhalt weiterer Anweisungen keine Schritte zu unternehmen. In der Zwischenzeit unterstützte der Prager Hof weiterhin Ces- are Speciano. Dessenungeachtet bedeutete aber dieser Schritt nicht die endgül­ tige Erledigung der Angelegenheit, denn der Bischof von Cremona war — wie allgemein bekannt — schwer krank. Sein am 21. August 1607 eintretender Tod ließ die Kardinalsnominierungsfrage endgültig offen. Diese Situation versuchte der abdankende Nuntius Giovanni Ferreri für sich zu nutzen, er gewann mehr und mehr kaiserliche Minister für sich. Da eine geeignete Person für die Nominierung fehlte, zwang man Nuntius Cae- tano in der Kurie auch weiterhin zur Tatenlosigkeit. Der päpstliche Gesandte allerdings hielt sich nicht an die Noten des Staatssekretariats. Bereits am 9. Juli brachte er den zu dieser Zeit zum Graner Erzbischof beförderten Bischof von Neutra (Nyitra, heute slowakisch: Nitra), Franz Forgäch, den Rudolf zum Stat­ thalter in Ungarn ernannt hatte, ins Gespräch25. Der Nuntius war mit meh­ reren, auf Stellungnahme drängenden Meldungen bemüht, seine Vorgesetzten in Rom für Forgäch zu gewinnen, ferner unterbreitete er trotz ausdrücklichen Verbots dessen Namen auch Stralendorff26. Endlich teilte die römische Kurie nach einigem Zögern am 25. August 1607 in einer geheimen Note ihrem Gesandten in Prag die Entscheidung mit. Vor allem gab sie Anweisung, gegen Ferreri vom Vetorecht Gebrauch zu ma­ chen und führte drei Prälaten an: den umbrischen Vizelegaten Ludovico Sare- go, Statthalter von Spoleto, den Graner Erzbischof Forgách, und an dritter Stel­ le Giovanni della Torre, Bischof von Veglia, einstiger Nuntius in der Schweiz. Caetano allerdings veränderte diese Reihenfolge aus taktischen Überlegungen heraus und setzte den Bischof von Veglia an die zweite Stelle. Mit diesem Schritt wollte er aus dem Geheimen Rat die Unterstützung von Raimondo del­ la Torre gewinnen, und zwar nicht nur Ferreris wegen, sondern auch gegenüber einem in der Zwischenzeit aufgetauchten anderen Ansprucherhebenden, dem von Erzherzog Ferdinand unterstützten Grazer Nuntius Geronimo Porcia.

25 Forgách und die anderen Graner Erzbischöfe: Esztergomi érsekek 1001-2003, hrsg. von M. B e k e . Budapest 2003. 26 Siehe die Hauptinstruktion und die Korrespondenz zwischen dem Kardinalnepoten Scipione Caffarelli-Borghese und Antonio Caetano Juli-August 1607: Antonii Caeta- ni nuntii apostoliéi apud imperatorem epistulae et acta I: 1607, II: 1608 Ian.-M ai, III/l: 1608 M ai-Aug., ed. E. L i n h a r t o v a (Epistulae et acta nuntiorum apostolicorum apud imperatorem 1592-1628, Bd. IV). Pragae 1932/1937/1940, 43, Nr. 24d; 22-28, Nr. 8; 46f„ Nr. 27; 47f„ Nr. 28; 61, Nr. 41; 74f„ Nr. 51; 76f„ Nr. 53; 93, Nr. 59°; 94, Nr. 59c; 107, Nr. 76d; 113, Nr. 82; 136, Nr. 101; 123-125, Nr. 91; 111, Nr. 79; 145, Nr. 107d; 131, Nr. 97e. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 279

Unter dem Vorsitz von Kaiser Rudolf entschied der Geheime Rat am Abend des 5. September 1607 in der Frage der Kardinalsnominierung. Von Ferreri wollte man nicht lassen, an die Spitze der Nominierten gelangte er, ge­ folgt von Franz Forgách, dem Bischof von Veglai, Sarego und Porcia. Durch die Intervention Caetanos aber rutschte Ferreri an das Ende der Liste. Im Tausch dafür verlangte die kaiserliche Regierung die gemeinsame Ernennung von For- gach und della Torre. Der Nuntius hielt dies für unmöglich und berief sich da­ bei darauf, dass die Spanier und Franzosen zwei Kardinalshüte beanspruchten. Der aus den verwickelten Hofintrigen als Sieger hervorgehende Primas Ungarns trat erst Ende Oktober auf den Plan. In einem Brief bat er Kaiser Rudolf, er möge die römische Vertretung anweisen, sich unter allen Umstän­ den an den Beschluss von Anfang September zu halten. Denn nach dem Tode Specianos stand Francesco Gonzaga neben dem kaiserlichen Porcia, und er bewirkte, dass man am kaiserlichen Hof erfuhr, dass den Grazer Nuntius nicht nur er, sondern auch der toskanische Herrscher unterstützt hatte. Er brachte auch ein Mitglied des über Mantua herrschenden Zweiges seiner Familie ins Gespräch, seinen Namensvetter Francesco Gonzaga, Bischof von Mantua. Ja, den inneren Interessen der Kurie entgegenkommend, mobilisierte er auch Her­ mann Hortemberger, den deutschen Auditor der Rota27. Ottavio Paravicino, Protektor Deutschlands, zählte zu den Anhängern Altemps’. Diese letzten Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt. Am 10. Dezember 1607 kam es zur Ernennung der Kronkardinäle. Auf dem zweiten kardinals­ kreierenden Konsistorium während des Pontifikats Pauls V. wurden in der Rei­ he der von den Herrschern Nominierten außer Jerónimo Xavierre, Dominika­ ner-Beichtvater des spanischen Königs, François de la Rochefoucald, Bischof von Clermont und Hofprediger des französischen Herrschers, sowie Ferdi- nando Gonzaga und Maurizio di Savoya, Söhne der Herzoge von Mantua bzw. Savoyen, aufgrund der kaiserlichen Nominierung auch dem Erzbischof von Gran die Kardinalswürde verliehen28.

* * *

27 Die deutschen Auditoren des päpstlichen Tribunals: R. B l a a s , Das kaiserliche Audi- toriat bei der Sacra Rota Romana. M ÖStA 11 (1958), 37-152. 28 Siehe die Korrespondenz zwischen dem Kardinalnepoten Scipione Caffarelli-Borghese und Antonio Caetano September-Dezember 1607: Antonii Caetani nuntii apostolici apud imperatorem epistulae et acta (wie in Anm. 26), I, 158f., Nr. 120; 160, Anm. 3; I60f„ Nr. 121; 164, Nr. 123; 159, Anm. 2; 162f„ Nr. 122a, 122e; 174, Nr. 132d; 186, Nr. 145; 189, Nr. 148; 217, Nr. 175c; 198f„ Nr. 157; 183, Nr. 141; 166, Nr. 125; 227f., Nr. 184; 232, Nr. 187; 313, Nr. 248g; 309£, Nr. 247; 354, Nr. 272; 351f., Nr. 269; 352, Nr. 270; 378f„ Nr. 291; 388f„ Nr. 299; 373f., Nr. 287. 2 8 0 Péter Tusor

Das Hauptmerkmal der an den Höfen von Prag und Rom parallel statt­ findenden Ereignisse war, dass — teils Dank der noch kurze Zeit weiterlebenden Erinnerungen an die enge Zusammenarbeit29 in dem in jüngster Vergangen­ heit beendeten Langen Türkenkrieg - der Entscheidungsfindung langwierige Verhandlungen zwischen den kaiserlichen Ministern und den Vertretern der Kurie vorausgegangen waren. Beide Parteien waren zu Kompromissen bereit. Der Papst erkannte de facto das Recht des Kaisers zur Kardinalsnominierung an, der Kaiser wiederum nahm Rücksicht auf die Vorschläge des Papstes. Er nominierte nicht nur mehrere Personen, sondern die Diplomatie des Heiligen Stuhls konnte aktiven Einfluss auf die Auswahl der Nominierten, ja, noch mehr, auf die Rangreihenfolge ausüben. Die Auswahl der für die Kardinalswürde vorgeschlagenen Prälaten war von den verschiedensten Gesichtspunkten beeinflusst. Seitens Rom wurden in erster Linie solche kaiserlichen Untertanen bevorzugt, deren Einfügung in die Kurie entsprechend war, d. h. sie entsprachen den speziellen Gesichtspunk­ ten, die für die Kardinalswürde unerlässlich waren30. Auf Altemps (Hohenems) und den Nachkomme der Grafen von Canossa, Sarego, traf dies zu. Altemps’ Großonkel, der die Kardinalswürde innehatte, war zwölf Jahren zuvor ge­ storben31. Durch seine Ernennung wäre der Kardinalshut für die sich in die römische Aristokratie integrierende Familie erblich geworden (restituzione del capello) und hätte wahrscheinlich in nicht geringem Maße zur Erstarkung der gesellschaftlichen Kontakte der neuen Papstdynastie, der Familie Borghese, beigetragen. Sarego war verwandt mit Gregor XIV. (1590—1591)32, seiner Fa­ milie, den Sfondratis, hatte Paul V. sowohl zu Beginn seiner Laufbahn als auch bei seiner Wahl viel zu verdanken33. Zur selben Zeit aber schenkte man den

29 P. B a r t l , „Marciare verso Costantinopoli“. Zur Türkenpolitik Klemens’ VIII. Sae­ culum 20 (1969) 44-56; D e r s ., Der Türkenkrieg: Ein zentrales Thema der Haupt­ instruktionen und der Politik Clemens’ VIII., in: Das Papsttum, die Christenheit und die Staaten Europas 1592-1605. Forschungen zu den Hauptinstruktionen Cle­ mens’ VIII. (BDHIR66). Tübingen 1994, 67-76. 30 Vgl. Ch. W e b e r , Senatus Divinus. Verborgene Strukturen im Kardinalskollegium der frühen Neuzeit 1500-1800 (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 2). Frankfurt am Main-Berlin etc. 1996, 37-91, 102-108, 116-126, 134, l40f„ 236, 248-250, 280-302, 363-366, 367-528. 31 S. S c h e r l i n g , Markus Sittikus III. (1533—1595). Vom deutschen Landsknecht zum römischen Kardinal. Konstanz 1998. - Altemps erbte letztendlich im Jahre 1612 statt des Kardinalshutes den Salzburger Erzbischofsstuhl seines dritten Großonkels, Wolf Dietrich von Raitenau. 32 Sarego starb 1625 als Bischof der Adria und als Signaturae Iustitiae Propräfekt. Ch. W e b e r , Legati e governatori dello Stato Pontificio (1550—1809) (Pubblicazioni degli Archivi di Stato. Sussidi 7). Roma 1994, 896. 33 V. R einhardt, Art. Paolo V. Enciclopedia dei Papi III (2000), 277—292, hier 279f. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17- Jahrhundert 2 8 1

Leitern der Kirchenprovinzen hervorgehobene Aufmerksamkeit. Ihnen kam vom Gesichtspunkt Roms aus bei der Verbreitung der Trienter Reformen eine Schlüsselposition zu. Ja, Ungarns Primas gelang es, an die Spitze vorzustoßen, was hauptsächlich dem unter den örtlichen Verhältnissen auffallend schnell und gut unterrichteten päpstlichen Nuntius und vielleicht auch dem Auftreten der Jesuiten in Rom54 zu verdanken war. Seitens des Kaisers stand eine Steigerung des Einflusses durch das Reich auf Rom und Italien an erster Stelle. Obwohl es zu den frühneuzeitlichen Grundregeln der Diplomatie gehörte, dass es den Gesandten nicht gestattet war, von den sie empfangenen Staaten irgendeine persönliche Sondervergüns­ tigung entgegenzunehmen, funktionierte dies, was die päpstlichen Nuntien anbelangte, etwas anders. Papst Pius IV. (1559—1565) verbot den päpstlichen Gesandten umsonst, an ihren Posten Kommenden (Pfründen) oder Titel und ganz besonders Empfehlungen für den Purpur entgegenzunehmen, in der Pra­ xis zeigte sich eine gegenteilige Entwicklung. Die nach Italien zurückgekehrten Nuntien pflegten sorgfältig ihre aufgebauten Kontakte, und aus verschiedenen Gründen traten sie häufig an ihren früheren Posten als Fürsprecher auf55. Die einzelnen Herrscher wollten ihre diesbezügliche Rolle bei der Kardinalsernen­ nung stärken. Die Großmächte Frankreich, Spanien und das Reich begannen, langsam das Recht zu beanspruchen, dass der bei ihnen akkreditierte päpst­ liche Gesandte seinen Dienst mit der Verleihung des Kardinalshuts beende. Eigentlich erklärt außer den in unseren Augen bereits etwas irrational erscheinenden Prestigegesichtspunkten die Vertiefung dieses Rechtsanspru­ ches das Festhalten an der Person Specianos. Denn seines hohen Alters wegen konnte man aus dem Bischof im Dienst der kaiserlichen Politik nicht mehr viel Nutzen ziehen, selbst dann nicht, wenn ihn dank der Kardinalswürde die Re­ sidenzverpflichtung weitaus weniger an den Cremonaer Bischofsstuhl binden würde. Die Ernennung der Nuntien Ferreri und Porcia36 wiederum wäre mit tatsächlichen Vorteilen verbunden gewesen. Bei diesen beiden Geistlichen aber fiel ihre ausgezeichnete individuelle Strategie bei der Durchsetzung von Inter­ essen stark ins Gewicht. Während Ferreri mehr und mehr Räte des Geheimen Rates für sich gewann, versuchte Porcia außer Erzherzog Ferdinand auch die

34 P. S ö r ö s , Forgách Ferencz a bíboros. Századok 34 (1901), 577-608, 691-723, 774- 818, 707. 35 G. L u t z , Glaubwürdigkeit und Gehalt von Nuntiaturberichten. QFIAB 53 (1973) 228-275. hier 265f. 36 Eine kurze Biographie: J. R a i n e r , Quellen zur Geschichte der Grazer Nuntiatur 1580-1622. RHM 2 (1957/1958), 72-81, hier 76f.; K. J a i t n e r , Die Hauptinstruk­ tionen Clemens’ VIII. für die Nuntien und Legaten an den europäischen Fürsten­ höfen 1592-1605, Bd. I—II (Instructiones pontificum Romanorum). Tübingen 1984, I, ccxxxv-ccxxxvi. 2 8 2 Péter Tusor

Unterstützung des kaiserlichen Gesandten in Rom, des Bischofs von Florenz und Farnes, zu erlangen, damit die Nomination durch Rudolf für sie nicht ein schriftliches Trostpflaster bliebe. Den Borghese-Papst allerdings berührte die unmittelbare kaiserliche Einmischung in die kirchlichen Verhältnisse Italiens sehr empfindlich, und für ihn waren diese Kandidaten unannehmbar. Spe- ciano zum Beispiel galt noch als Mann der Boncompagni, Ferreri wiederum nahm man die verworrenen finanziellen Angelegenheiten seiner Nuntiatur übel. Dessenungeachtet wollte die Kurie den kaiserlichen Ansprüchen dadurch zuvorkommen, dass sie in der Person Deila Torres37 einen auch für Prag akzep­ tablen einstigen Nuntius sah. Der Bischof aus Veglia war mehr oder weniger auf dem Gebiet des Reiches tätig, war aber seines Postens in der Schweiz wegen den Flabsburgern weniger verbunden. Parallel gewann im kaiserlichen Geheimen Rat der innenpolitische Ge­ sichtspunkt an Gewicht. Anfangs war die vom Nuntius angestrengte Unter­ stützung des Graner Erzbischofs unter den Ministern nur gering. Selbst Kaiser Rudolf fürchtete, dass die Kardinalswürde Forgäch in seinem Amt als Statt­ halter übermäßig selbstständig werden ließe. Dieser Standpunkt änderte sich Anfang September. Auf der Sitzung des Geheimen Rates am 5. September 1607 stand außer der Kardinalsnominierung wegen der nicht erfolgten Durch­ setzung des Wiener Friedens die immer gespannter werdende Situation in Un­ garn38 auf der Tagesordnung. Das erklärt die vorrangige Stellung Forgáchs. Rudolf und seine Umgebung vertrauten darauf, dass der in seiner Position ge­ stärkte angesehene39 Statthalter mit dem Kardinalshut eher Herr der Situation werden würde. Sie hofften, dass er so besser verhindern werde können, dass Erzherzog Matthias — der Forgäch ausgesprochen feindlich gesinnt war — die Unzufriedenheit der ungarischen Stände für sich nutzen könne. Mit dieser Gefahr kann erklärt werden, dass, obwohl zwecks Durchsetzung der innen- und außenpolitischen Gesichtspunkte die gemeinsame Ernennung des Primas und des Bischofs von Veglia angestrebt worden war, im Grunde genommen ohne Widerspruch angenommen wurde, einen Erfolg könne allein Forgách gewährleisten.

37 Vgl. J a i t n e r , Hauptinstruktionen (wie in Anm. 36), I, cclix-cclxi. 38 Á . K á r o l y i , A “Bécsi béke“ és a három kassai országgyűlés. 1606 június—december {Magyar Országgyűlési Emlékek XU). Budapest 1917, 103-417. 39 Vgl. R e i n h a r d , Le carriere papali e cardinalizie (wie in Anm. 1), 271f. Siehe noch BAV, Vat. lat. 9712, fol. 116r—125v (Privilegi e prerogative de signor cardenali), und Vat. lat. 12345 (ASV, Mise., Arm. XII, vol. 95.); BAV, Borg. lat. 376, fol. 167'-172, fol. 119'—120v, 165'—166v (Degl’abiti de cardinali); H. C. H y n e s , The Privileges of Cardinais (Catholic University Studies in Canon Law 217). Washington 1945, bes. 7-11; S. G o y e n e c h e , De iure praecedendi patrum cardinalium proprio. Apollinaris 32 (1959), 129-141. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 283

Neben der Kurie, den Faktionen des Geheimen Rates, den persönlichen Gefühlen des Herrschers und den durch diese in Erscheinung tretenden au­ ßen- und innenpolitischen Interessen von Dynastie und Kirchenregierung fiel die Rolle der diplomatischen Vertretungen ebenso ins Gewicht. Wie gesehen, war eine der Schlüsselfiguren bei der Auswahl der Kardinalsnominierten der Prager Nuntius Antonio Caetano. Die Prager Nuntiatur hatte in den vorher­ gehenden Jahren mehrere detaillierte Pläne zur Verbreitung und Festigung des Trienter Katholizismus in Ungarn ausgearbeitet. Der zentrale Gedanke dieser Entwürfe war die Entsendung eines apostolischen Visitators zur Verwirkli­ chung der Reformen40. In der Kurie stellte man zur selben Zeit die örtliche Hierarchie in den Vordergrund41. Die Einsetzung des neuen Leiters der unga­ rischen Kirchenorganisation in die zentrale Kirchenregierung stellte eine aus­ gezeichnete Verschmelzung dieser beiden Vorstellungen dar. Eine ähnlich wichtige Rolle hatte die kaiserliche Interessenvertretung in Rom inne, hauptsächlich der Gesandte Francesco Gonzaga. Der routinierte Diplomat setzte alles in Bewegung, damit die neue päpstlich-kaiserliche Krea­ tur gleichzeitig auch seiner Familie verpflichtet sei. Er war es, der im Sommer 1607 in Prag mit seinem Agenten, Camillo Cattaneo, wiederholt Nominatio­ nen für Speciano erwarb und sich dann neuer und aberneuer Prätendenten — hauptsächlich Porzia und der Rota-Auditor Hortemberg42 — annahm, in einer solchen Weise, dass der Graner Erzbischof gezwungen war, beim Kaiser gegen ihn aufzutreten. Während die Rechnung der Kurie aufging und der bis zuletzt von hervorgehobener römischer Aufmerksamkeit begleitete Forgäch mit wirk­

40 Discorso dello Stato della religione cattolica nel regno d’Ungaria: Rom, Biblioteca Corsiniana, vol. 677 (35 B 6), fol. 338r-3 4 0 v; II modo de Restaurare la religione in Ungheria: ASV, Fondo Borghese, serie II, vol. 2-3, fol. 312r—327v. Vgl. L. T ó t h , Verancsics Faustus Csanádi püspök és emlékiratai V. Pál pápához a magyar katho- likus egyház állapotáról, A gróf Klebelsberg Kuno Magyar Történetkutató Intézet Évkönyve, hrsg. von D. A n g y a l . Budapest 1933, 155-211, bes. 200-203, 203-211. P. T u s o r , „Ellenreformációs haditerv“ 1606-ból, in: Portré és imázs. Politikai propa­ ganda és reprezentáció a kora újkorban, hrsg. von N. G. E t é n y i - I . H o r n . Budapest 2008,73-91. 41 J a i t n e r , Hauptinstruktionen (wie in Anm. 36), I, 55-58, Nr. 10; II, 568, Nr. 71; 709f., Nr. 95; Johannis Stephani Ferrerii nuntii apostolici apud imperatorem epistulae et acta 1/1: 1604 lan.-Iul., ed. Z. K r i s t e n (Epistulae et acta nuntiorum apostolicorum apud imperatorem 1592—1628, Bd. III). Pragae 1944, 9f., Nr. 2. 42 Vgl. J a i t n e r , Hauptinstruktionen (wie in Anm. 36), I, ccxxxiii-ccxxxiv. Seine Rota- Nachfolger werden - wie zu sehen sein wird - stärkere Schritte unternehmen als er, um in das vornehme Kollegium der Kurie zu gelangen. 2 8 4 Péter Tusor samer päpstlicher Hilfe die Grundlagen für den Trienter Katholizismus schuP3, erlitt der kaiserliche Hof eine Niederlage. Der Kardinal-Statthalter konnte den Aktivitäten der Stände nicht Vorbeugen, die 1608 zur Abdankung Rudolfs und zur Krönung Matthias’ zum ungarischen König führten. Eine verhältnismäßig detaillierte Übersicht und eine Analyse der Habs­ burg-Kardinalsnominierungen von 1607 zeigt, dass man in zahlreichen Fragen zu einer Einigung gekommen war, die — wie noch zu sehen sein wird — später zu immer stärkeren Spannungen führten. Es ist zwar keine zu vernachlässigen­ de Tatsache, dass zur Kompromisslösung im Großen der in der Zwischenzeit eingetretene Tod des an erster Stelle stehenden kaiserlichen Favoriten, Cesare Speciano, beitrug. Weitaus stärker fällt aber ins Gewicht, dass einerseits zu Be­ ginn des Borghese-Pontifikats die Konzentration auf Italien gerade erst begon­ nen hatte44, andererseits, dass sich die aktuellen politischen und die religiösen Interessen am kaiserlichen Hof noch deckten. Die Stärkung der Herrschaft Rudolfs in Ungarn bzw. die Verbesserung der Position des Katholizismus ver­ langten ähnliche Mittel und Lösungen.

II. Als Matthias (+ 1619) im Jahre 1608 den Thron bestieg, waren Kaiser und ungarischer König bis 1612 wieder zwei Personen. Dadurch wurde das Kardinalsnominierungsrecht der ungarischen Krone wiederhergestellt. Kai­ ser Rudolf betonte das kaiserliche Vorrecht den anderen Fürsten gegenüber15 und berief sich darauf, dass der sich in Ungarn aufhaltende Forgach weder bei Hofe noch in Rom von Nutzen sei46, und empfahl bei mehreren Anlässen die einstigen Rivalen della Torre47, Hortemberg48 und Porcia49 wiederholt der

43 C. P e t e r f f y , Sacra concilia ecclesiae Romano-catholicae in regno Hungariae celebrata I—II. Viennae-Posonii 1741/1742, II, 213-218; Á . K á r o l y i , A z ellenreformáció kez­ detei és Thurzó György nádorrá választása. Századok 53 (1919), 1-28, 124—163; P. Tu­ s o r , Az 1608. Évi magyar törvények a római inkvizíció előtt: II. Mátyás kiközösítése. Aetas 2000, 4, 89-105; Archivio della Congregazione per la Dottrina della Fede, Stan­ za Storica, vol. L 7-c, fok 566r—646v (In materia de pregiudizi fatti dal rè Matthias alla sancta religione et alli cattolici del regno d’Vngheria). 44 R e i n h a r d t , Paolo V (wie in Anm. 33), 277-292. 45 Kaiser und König Rudolf II. an den Kardinalnepoten Scipione Borghese, Prag, 24. November 1608. BAV, Barb. lat. 6830, Nr. IV[/1]. 46 Kaiser und König Rudolf II. an den Papst Paul V., Prag, 24. November 1608. BAV, Barb. lat. 6830, Nr. III[/1], 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Kaiser Rudolf II. an den Kardinalnepoten Scipione Borghese, Prag, 18. April 1611. BAV, Barb. lat. 6830, Nr. IV[/3]. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 285

Aufmerksamkeit des Papstes, jedoch ohne Erfolg. Matthias allerdings, als un­ garischer König und später als Kaiser, bevorzugte Ottavio Ridolfi, Mitglied der die römische Interessenvertretung ausübenden florentinischen Aristokratenfa­ milie50. Ridolfi und Placido de Mara51, der seinen Dienst als neuer Nuntius inzwischen aufgenommen hatte, blieben bis 1619 die offiziell Nominierten52. In den 1610er Jahren war das spürbare Ziel, den habsburgischen Einfluss bei der Kardinalsnominierung zu steigern. Trotzdem ist der einzige zu einem Ergebnis führende Versuch Matthias’ an den Namen Melchior Klesl, des Lei­ ters der kaiserlichen Regierung mit dem Titel Direktor des geheimen Rates und Bischofs von Wien, geknüpft. Klesl gelangte ohne besondere Wartezeit, im Laufe einer gelegentlichen Aktion, im letzten Moment vor der Bekannt­ machung der kurialen Kardinalsernennung — eine Zeit lang in petto — in das Kardinalskollegium. Dieser schnelle Erfolg geschah für die Dynastie restitu- zione del capello. Dazu war es kaum ein paar Wochen nach dem plötzlichen Tod des ungarischen Primas gekommen53, was wahrscheinlich in engem Zu­ sammenhang damit stand, dass es in der immer aktueller werdenden Frage der kaiserlichen Thronnachfolge zu einer für das Papsttum und den Katholizismus akzeptablen Entscheidung kommen musste. Der neue Herrscher, Ferdinand II. (1619—1637), versuchte, sich dabei auf das Beispiel des von ihm eingekerkerten Klesl berufend, seit Mai 1620 eine ähnliche extra ordinem promotio zu Gunsten von Friedrich von Hohenzollern zu erreichen. Sein Ansuchen wies Paul V. sofort zurück. Er teilte mit, dass eine derartige Beförderung von Klesl nur durch den plötzlichen Tod des Graner

50 König Matthias II. an den Papst Paul V. und an den Kardinalnepoten Scipione Bor­ ghese, Prag, 20. Februar 1612. BAV, Barb. lat. 6831, fol. 9 , Nr. 4, und fol. 2 0 , Nr. 15. - Zu Ottavio Ridolfi s. E. S p r i n g e r , Die Brüder Ridolfi in Rom, in; Archiv und Forschung. Das Haus, Hof- und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Ge­ schichte Österreichs und Europas, hrsg. von E. S p r in g e r - L . K a m m e r h o f e r (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 20). Wien-München 1993, 78—95, 86—87. 51 Kaiser und König Matthias II. an Papst Paul V. und an den Kardinalnepoten Scipione Borghese, Prag, 8. November 1616. BAV, Barb. lat. 6922, fol. 90", 88" (Kopien); ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 8, Konv. Matthias an Paul V., 1616 [ord. cron.] (Konzept). S. noch BAV, Barb. lat. 6922, fol. 87" (Bericht von Vitaliano Visconti); und ebd., fol. 89" (Brief von Kardinal Klesl). — Eine neue Nomination von De Mara, 14. Dezember 1616: ÖStA, HHStA, Staatenabt., Rom, Hofkorresp., Fz. 8, Konv. Matthias an Paul V., 1616 [ord. cron.] (auch an den Kardinalnepoten Borghese). 52 Eine neue Nomination für ihn, 8. Mai 1617: ÖStA, HHStA, Staatenabt., Rom, Hof­ korresp., Fz. 8, Konv. Matthias an Paul V., 1617 [ord. cron.]. - Neuere Nominationen für De Mara und Ridolfi zusammen, 20. Februar und 1. November 1618: ebd., Konv. Matthias an Paul V., 1618 [ord. cron.]. 53 Paolo Savelli an den Kaiser und König Ferdinand II., Rom, 28. November 1620. S. auch die folgende Anm.! 2 8 6 Péter Tusor

Erzbischofs erfolgen konnte. Er verschloss sich aber nicht davor, bei der bevor­ stehenden Kronkardinalsernennung seinem Ansuchen Genüge zu leisten, da er den Nominierten persönlich kannte. Die Ernennung Hohenzollerns erfolgte ziemlich schnell, am 12. Januar 1621. Als Gegenleistung verlangte der Papst die Einstellung des evangelischen Gottesdienstes in Wien54. Ebenfalls als eine Sonderaktion kann das Auftreten eingestuft werden, dass Wien auf Ersuchen des polnischen Königs — als Dank für die Kosaken gegen Bethlen — im Interesse des einstigen Nuntius in Warschau in der Zeit zwischen 1619 und 1621 an den Tag legte. Obwohl bei der Ablehnung Rangonis das Hauptargument seine ita­ lienische Herkunft war, waren die fast schon an der Grenze der Vernunftwid­ rigkeit streifenden Bestrebungen Sigismunds III. (1587—1632) eher durch die kurialen Gegner des einstigen Nuntius in Polen zum Misserfolg verdammt55. Auf die Nachricht der Wahl von Papst Gregor XV. hin, bombardierte der Wiener Hof die Kurie mit neuen Nominationen. Der römische Gesandte Ferdinands II., Paolo Savelli, lenkte in seinem Schreiben vom 1. März 1621 die Aufmerksamkeit darauf, dass zwar die erste Kreation dem Gewohnheitsrecht nach aus der Umgebung des Papstes käme, so sollte man sich doch auf die nächstfolgende Gelegenheit vorbereiten, da der französische Gesandte in dieser Angelegenheit bereits die ersten Schritte unternähme. Außerdem betonte er die Notwendig einer Abstimmung mit den Spaniern56. Savelli konnte die Namensliste der Ausgewählten postwendend bekom­ men. An der Spitze stand diesmal Giovanni Baptista Salvago, der in der Zeit

54 Die Quellen der Promotion von Hohenzollern: Paul V. und Kardinal Borghese an Ferdinand H., 27. und 29. Mai 1620: (ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 8, Konv. Paul V., bzw. Kardinale an Ferdinand II., 1620 [ord. cron.]; eine Kopie des päpstlic­ hen Breves: Roma, Archivio di Stato, Archivio della Eccellentissima Casa Giustiniani, busta 96, vol. 11 [ord. cron.]); Berichte des Botschafters Paolo Savelli aus Rom: 1. Juni und 18. Juli (in diesen spricht er über die Nominationen vom 20. und 27.), 28. Novem­ ber (neuere Nomination: 2 November) 1620; 11. und 16. Jänner 1621. (ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 49, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1620-21, fol. 161-163, 173—174, 233-234, 559-562, 579). Siehe noch die Anweisung des Kaisers an Savelli, 19. Dezember 1620 (ebd., Fz. 50, Konv. Ferdinand an Savelli 1621, fol. 157), und das Breve des Papstes Gregor XV., Rom, 21. Dezember 1621 (ASV, Epistulae ad Principes, Registra, vol. 35, fol. 403'). 55 W. L e i t s c h , Die Bemühungen Zygmunts III. von Polen um die Kardinalswürde für Claudio Rangoni. MÖSTA 31 (1978), 41—51, hier 46-51. Dazu siehe noch BAV, Bon- compagni e Ludovisi, vol. E 7, fol. 20rv, 22", 144"; vol. E 8, fol. 15", und die Anwei­ sungen des Kaisers Ferdinand II. an Savelli, 17. November und 7. Mai 1622. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 96, vol. 11 [ord. cron.], und bust. 97, vol. 19 [ord. cron.]. 56 ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 49, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1621, fol. 320f. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 2 8 7 zwischen 1606 und 1611 am Hofe Ferdinands in Graz Nuntius war57, und dann als Nachfolger Antonio Caetanos zwei Jahre lang den diplomatischen Dienst in Prag ausübte. Ihm folgten Ottavio Ridolfi, der schon fünf Jahre lang wartete und zweimal übergangen worden war (Klesl und Hohenzollern)58, bzw. Philippo Maria Pinelli59. Sich auf den antiqissimus ritus berufend, antwor­ tete Gregor XV. fast sofort und stellte auf bisher ungewohnte Weise die bal­ dige Erfüllung des Ansuchens in Aussicht. Wie zu sehen sein wird, dachte er dabei nur an Ridolfi60. Es gelang aber nicht, die Wachsamkeit der Habsburger Diplomatie einzuschläfern. Ferdinand erbat am 21. Dezember 1621 vom Kir­ chenoberhaupt, vor allem Salvago auszuzeichnen und wies am 25. des Monats seinen Gesandten an, zwecks Vorbeugung eventueller Unstimmigkeiten einzig und allein im Interesse des einstigen Nuntius Schritte zu unternehmen61. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Nominierten auf der Liste allmählich an. Bereits im Oktober 1621 gelangte Oberst Francesco Antonio Biglia, ein Armeeoffizier, der den Traum einer kirchlichen Laufbahn hegte62, später dann noch Teodoro Trivulzi, Mitglied einer einflussreichen italieni­ schen Herzogfamilie aus Mailand, also spanische Untertanen, auf die Liste63.

57 R a i n e r , Quellen (wie in Anm. 36), 77f. 58 Ferdinand II. an Savelli, Wien, 27. März 1621. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 50, Konv. Ferdinand II. an Savelli 1621, fol. 190f. (Konzept); Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 90, vol. 14 [ord. cron.] (Original). Die Kopien der kai­ serlichen Briefe an Papst Gregor XV. und den Kardinalnepoten Ludovico Ludovisi von 9. April 1621 befinden sich ebd. 59 Die Person des Philippo Maria Pinelli ist für uns unbekannt. Seine Familie s. J a i t n e r , Hauptinstruktionen (wie in Anm. 36), I, xciv, cxcvii, xciii, xlv, cvii; II, 1001. 60 Die Kopie des Breves vom 19. April 1621: Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 90, vol. 14 [ord. cron.]. 61 Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 90, vol. 14 [ord. cron.]. 62 Wien, 1. Oktober 1621. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 50, Konv. Ferdi­ nand II. an Savelli, 1621, fol. 244. — Die Person Biglias ist für uns unbekannt. Artikel zu einer Mailänder Familie: DBI 10 (1968), 413-421. Ein Kolonell Biglia scheint in dem Brief von Hans Ulrich von Eggenberg (21. September 1626) schon als monsignor auf. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 95, vol. 23 [ord. cron.]. 63 Die Anweisung Ferdinands II. an Savelli, Wien, 24. April 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 50, Konv. Ferdinand II. an Savelli, 1622, fol. 18 (das Original: Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 19 [die Anweisung des Prä­ sidenten des Geheimen Rates, Hans Ulrich von Eggenberg vom 5. Mai an Savelli, ebd.]); der Brief des Kaisers an den Papst vom 23 April: ÖStA, HHStA, Rom, Hofkor- resp., Fz. 9, Konv. Ferdinand II. an Gregor XV., 1622, fol. llf. (die Kopie mit dem an Kardinal Ludovisi geschriebenen Brief befindet sich: Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 19). — Trivulzi und seine Familie siehe: Hierarchia Catholica IV (wie in Anm. 19), 23; G. Z a p p a , LArchivio Storico Civico e la Biblioteca Trivulzia- na di Milano. Bologna 1963. 2 8 8 Péter Tusor

Im Jahre 1624 erweiterte sich die Reihe der Nominierten durch Ernst Adalbert von Harrach, Erzbischof von Prag, und Johann Jakob von Lamberg, Bischof von Gurk64. Ihre Namen wurden vom Wiener Hof bereits Urban VIII. vorge­ legt. Am 5. Dezember 1625 wurde ihre Nominierung durch den ungarischen Landtag in Odenburg erneuert65. Trotz der ständig steigenden Zahl der Nominierten - die am ehesten einer individuellen Interessensdurchsetzungsstrategie zuzuschreiben ist66 — forcierte Wien mit einer bereits an Unvernunftheit grenzenden Vehemenz am meis­ ten die Nominierung Salvagos und begann, hartnäckig die freie Auswahl des Papstes unter den empfohlenen Personen in Abrede zu stellen67. Im Interesse des Bischofs schrieb der Herrscher — der im Frühling 1625 persönlich, aller­ dings umsonst, bei der Kurie vorsprach — an Urban VIII. ein in persönlichem Ton gehaltenes Handschreiben68. Seitens des Hauses Habsburg betonte man unter Erwähnung ähnlicher Bestrebungen durch andere Länder, dass sich das Recht der Nominierung nicht nur auf die Deutschen, sondern auch auf die Italiener erstrecken würde69.

64 Wien, 21. Dezember 1624. BAV, Barb. lat. 6834, Nr. 17 (Original); ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Ferdinand II. an Urban VIII., 1624, fol. 13F. (Kon­ zept). - Lamberg, der im 1630 als Bischof gestorben ist, s. Hierarchia Catholica IV (wie in Anm. 19), 200. 65 Kaiser und König Ferdinand II. an Papst Urban VIII., Sopron (Odenburg), 5. De­ zember 1625. BAV, Barb. lat. 6835, Nr. 15. Siehe noch ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 50, Konv. Ferdinand II. an Savelli, 1624, fol. 205. 66 S. etwa Harrachs Brief an Kardinal Franz Dietrichstein, Rom, 21. August 1621. MZA, Rodiny Archiv Dietrichstejnü, Korrespondence Kardinala Frantiska Ditrichstejna, kart. 433, fase. 1906, Nr. 150. 67 Zahlreiche Daten zu Salvagos Nominationen: Berichte des römischen kaiserlichen Botschafters Savelli, 21. April, 24. Juli, 20. und 27. November 1621; 12. August, 21. September 1622; 9. März 1624 usw.; Anweisungen des Kaisers, 25. Dezember 1621, 10. März, 9. April und 17. September 1622; 8. November 1623. usw. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 49, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1621-1622, fol. 352-354, 445-446, 525f, 529—560, 120, 131-134; Fz. 51, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1624, fol. 19f, und passim; Fz. 50, Konv. Ferdinand II. an Savelli, 1621—1623, fol. 258, 37, 17, 34, 139, und passim; Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 94, vol. 8. bust. 97, vol. 16. bust. 97, vol. 19, passim; weiterhin ÖStA, AVA, Gräflich Harrach’sches Familienarchiv, Kardinal Ernst Adalbert, Korrespondenz, Kart. 146, Konv. Motmann, 19. Oktober 1624, 4., 11. Mai 1627. 68 Wien, 10. August 1624. BAV, Barb. lat. 6834, Nr. 10. 69 Ita namque decet Romanorum imperatorum Germanorum benigne meminisse, ne Itali cum aliqua specie iniuriae repudiatos se atque iis honoribus, quos nunquam prehensarunt, nullo suo demerito excidisse queri possint. Kaiser Ferdinand II. an den Kardinalnepoten Francesco Barberini. Wien, 18. November 1623. BAV, Barb. lat. 6841, Nr. 1 (fol. 3r). Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 289

Der Heilige Stuhl hatte zu diesem Zeitpunkt die Italiener noch nicht voll­ kommen ausgeschlossen70, ja Ridolfi erhielt endlich im September 1622 den seit langem ungeduldig ersehnten Purpur71. Zur Begründung seiner Ernen­ nung sandte der Papst am 14. Oktober 1622 ein Breve an Ferdinand II. Das sich irrtümlich auf die Intervention Rudolfs II. (trium imperatorum) berufende päpstliche Schreiben war eine Antwort auf das offen Rechenschaft verlangende Auftreten der kaiserlichen Diplomatie die Übergehung Salvagos betreffend72. Ja, nicht viel früher war Gregor XV. gezwungen, dem Gesandten Savelli vier vom Habsburgherrscher im Interesse Ridolfis verfasste Briefe vorzulegen73. Die Kurie blieb im Falle des einstigen Nuntius in Prag dennoch konse­ quent ablehnend und begründete sogar ihren Standpunkt. Gregor XV. führte hauptsächlich theologische Argumente an74. Urban VIII. berief sich auf die vom Trienter Konzil vorgeschriebene Anordnung der nationalen Vielfarbigkeit des Kardinalskollegiums75. Von dieser Überlegung geleitet, ernannte der Bar- berini-Papst nach dem frühen Tode Ridolfis und Hohenzollerns am 21. Januar 1626 nur den — sich lange Zeit in der Ewigen Stadt aufhaltenden und dort weitverzweigte Kontakte ausbauenden — Prager Erzbischof Harrach.

70 Gregor XV. an Ferdinand II., Rom, 24. Juni 1622 (für Trivulzi). ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Gregor XV. an Ferdinand II., 1622, fol. 8. 71 Ludovisi und Ridolfi an den Kaiser, Rom, 5. und 10. September 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Konv. Kardinäle an Ferdinand 11.1622, fol. 52f„ 56f. Ludovisi an Savelli, Rom, 5. September 1622. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 19 [ord. cron.]. 72 Gregor XV. an Ferdinand II., Rom, 14. Oktober 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Hof­ korresp., Fz. 9, Konv. Gregor XV. an Ferdinand II., 1622, fol. 9 (Konzept); Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 19 [ord. cron.] (Kopie). 73 Bericht des römischen Botschafters Savelli, 21. September 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 49, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1622, fol. 131—134; bzw. Har­ rach an Dietrichstein, Rom, 10. September 1622. MZA, Rod. Arch. Ditrich., Korresp. Kard. Ditrich., kart. 433, fase. 1906, Nr. 151. Siehe noch Ferdinand II. an Savelli, 10. September 1622. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 19 [ord. cron.]. 74 Rom, 5. Februar 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Gregor XV. an Ferdinand II., 1622, fol. 4 (Original); ASV, Ep. ad Princ., Registra, vol. 38, fol. 302v—304r (Konzept [!]); eine Kopie; Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 90, vol. 14 [ord. cron.]. Siehe noch Kardinal Ludovisi an Ferdinand II., Rom, 29. Januar 1622. ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Kardinäle an Ferdi­ nand II., 1622, fol. 9f. 75 Rom, 29. März und 31. August 1624. ÖStA, HHStA, Roma, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Urban VIII. an Ferdinand II., 1624, fol. 1, 9 (Original); ASV, Ep. ad Princ., Registra, vol. 38, vol. 302,-3 0 4 r (Registrum). Vgl. Savellis Bericht, 9. März 1624 (zi­ tiert oben), und seinen Brief an den Kardinal Franz Dietrichstein. MZA, Rod. Arch. Ditrich., Korresp. Kard. Ditrich., kart. 442, fase. 1909, Nr. 27 (Schreiben des Bot­ schafts-Sekretärs Pier-Francesco Paoli). 2 9 0 Péter Tusor

Urban VIII. ließ bereits im Oktober 1625 Savelli, der die Nominierungen erneuerte und am meisten im Interesse Salvagos auftrat, wissen, dass er nur einen, und zwar Harrach, zum Kardinal kreieren würde. Er wiederholte sei­ ne Äußerung bereits am 17. Januar 1626 unter Nennung des Zeitpunkts des Konsistoriums76. Der über unvorstellbaren Ehrgeiz verfügende junge Harrach lenkte sein Schicksal mit großer Sachkenntnis, pflegte seine Beziehungen, vor allem zu Paolo Savelli, dem kaiserlichen Gesandten in Rom. Am 12. Oktober 1624 erbat er von ihm Informationen über die Person des vom Kaiser Nomi­ nierten (wer eventuell die Stelle Savagos einnehmen würde); am 28. Dezember wusste er, dass auch er zu den Nominierten gehörte; am 8. und 27. Februar 1625 erkundigte er sich, wie es sich mit seiner Angelegenheit verhalte und ob seine Nominierung bereits dem Papst übergeben worden sei. Der junge Prälat brachte am 12. April 1625 seine Hoffnung zum Ausdruck, dass er mit Hilfe des Gesandten — der ihn am 22. März erneut seines Wohlwollens versicher­ te — zum Ziel gelangen werde; schließlich teilte er ihm am 31. Oktober mit, dass der Kaiser dem Papst in seinem Interesse einen Brief geschickt habe. In fast allen Schreiben hob er die Wichtigkeit der Rolle Savellis hervor (p er le cui mani passano tutte queste cose)77. Der Gesandte hielt nicht nur zu ihm, sondern versah ihn auch mit Ratschlägen. Durch seinen römischen Agenten Cornelius Heinrich Motman regte er Harrach an, im Interesse seiner Ernennung nicht nur dem Kardinalnepoten Francesco Barberini zu schreiben, sondern auch dem Bruder des Papstes, Carlo Barberini, und dem ebenfalls fast allmächtigen Staatssekretär Magalotti78. Der Wiener Hof brachte als Alternative für den Grazer Nuntius nicht Harrach, sondern den Gesandten des damaligen Papstes, Carlo Carafa, auf

76 Berichte von Savelli, Rom, 2. Oktober 1625, 17. und 21. Januar 1626. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 51, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1625—1626, fol. 121 f., 12f. Vgl. noch Rom, Biblioteca Angelica, Ms. 111, fol. 85'. 77 Seine eigenhändigen Briefe aus Prag (davon einer aus Sopron [Odenburg]): Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 91, vol. 25, und bust. 92, vol. 31 [ord. cron.]. 78 Con infinita allegrezza et contento ho inteso che le lettere della nomina siano arrivate, ma non sono ancora presentate volendo il signore prencipe Sauelli aspettare sin a venerdì prossimo, che sarà giorno della sua audienza ordinaria, onde io tratterò anche la lettera di vostra signoria illustrissima per il signor Cardinal Barberini, sin che sia fatto l ’offizio. Le altre vedrò di ricapitarli domani le quali mi sono venute con la sua benignissima delli 4 stante. AL signore prencipe pareva bene che vostra signoria illustrissima anche scrivesse al signore cardinale Magalotti, il quale hoggidì è omnipotente, et al signore Don Carlo. Cornelius Heinrich Motmann an den Prager Erzbischof Harrach, Rom, 25. Januar 1625. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 146, Konv. Motmann [ord. cron.]. Vgl. Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598—1667) I—VII, hrsg. von K. K e l l e r - A . C a t a l a n o . Wien-Köln-Weimar 2010, I, 67f. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 29 1 den Plan. Papst Urban VIII. verwarf Carafa expressis verbis, weil er eine Kre­ atur seines Vorgängers war, er betonte sogar seine Bedenken im Zusammen­ hang mit der Nomination der Nuntien durch die Herrscher79. Aber Ferdin­ and II. beharrte deshalb in erster Linie auf Salvago, damit nach spanischem und französischem Vorbild auch bei den kaiserlichen Nuntien diese Tradition eingebürgert werde, was ihm — wie bereits erwähnt — von großem Nutzen sein konnte80. Und das wenigstens theoretisch bzw. auf sehr kurze Sicht, denn Sal­ vago war bereits so senil, dass der Wiener Hof 1629 selbst um einen Coadju- tor für den zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig verworfenen kaiserlichen Favoriten ersuchte81. Von der Dominanz seiner Prestigeansprüche zeugt, dass Ferdinand II. zwar in einem Dekret dem einstigen Nuntius den Vorrang der Nominierung zugestand, aber gezwungen war zu vermelden, dass die prakti­ schen Interessen der Krone auch die Nominierung (und Ernennungsannahme) anderer Prälaten verlange82. Auch Rom versuchte in diesen Jahren, durch die Wahl eines auf dem Wege des Kompromisses Nominierten den maßlosen Ansprüchen der Habs­ burger Grenzen zu setzen. Dafür erachtete man Johann Rembold, Nachfolger Hortenbergs in der Rota, als geeignet und für das Reich von größerer Nütz­ lichkeit als Salvago. Diese mehrmals aufgeworfene — und selbst eine Ernen­ nung außer der Reihe nicht ausschließende - Vorstellung, die auch den Inter­ essen der Kurie entsprach, wurde Wien unter Berufung auf einen päpstlichen Auftrag durch die Kardinalnepoten Ludovico Ludovisi83 und später Francesco

79 Bericht von Savelli, Rom, 2. Oktober 1625. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 51, Konv. Savelli an Ferdinand II. 1625-1626, fol. 121 F. 80 Vgl. die Briefe von Dietrichstein und Eggenberg an Savelli, 18. Februar 1621 und 3. Februar 1624. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 90, vol. 14, bust. 94, vol. 8 [ord. cron.]. Siehe noch K. J a i t n e r , Die Hauptinstruktionen Gregors XV. für die Nuntien und Gesandten an den europäischen Fürstenhöfen 1621—1623 {In­ structiones Pontificum Romanorum). Tübingen 1997, I, 260. 81 Wien, 7. September 1629. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 53, Konv. Ferdi­ nand II. an Savelli, 1629, fol. 21 F. 82 Observavit haud dubie devotio tua quam impense eandem suae sanctitati ad dignitatem cardinalitiam commendaverimus, et quidem saepius ac solito accuratius... et omnino per­ suasum nobis habuimus toties reiteratas nostras commendationes convenientem tandem locum apud sanctitatem suam inventuras. Quod cum praeter expectationem nostram pro­ trahi et in aliud tempus dijferri intelligamus, et nova iam nunc cardinalium creatio prae foribus, certas rursum ad eandem dignitatem personas, ne ius et auctoritatem nostram Caesaream nobis competentem hac occasione neglexisse viedeamur, nominandas duximus, inter quas devotionis tuae personam primo loco constituimus. Wien, 1624, 21 Dezember. ÖStA, HHStA, Rom, Varia, Fz. 7 [ord. cron.]. 83 Rom, 3. März 1623. ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Kardinale an Ferdinand II., 1623, fol. 15. 2 9 2 Péter Tusor

Barberini84 zur Kenntnis gebracht. Die Barberinis hatten in der Person des in Bologna als Anwalt tätigen Anton Franz Raymund aus Antwerpen bereits den Nachfolger für Rembold in der Rota85 ausersehen. Die Antwort Ferdinands II. war zwar nicht ablehnend, aber er wollte seinen früheren Nuntius in Graz nicht zu Gunsten Rembolds fallen lassen86, obgleich ihn der deutsche Auditor der Rota — unter Einbeziehung weiterer Protektoren87 — pausenlos mit seinen Anliegen bombardierte. In diesen berief er sich neben seinen Verdiensten und seinen dem Reich erwiesenen Diensten auch auf die früheren Nominierungen der kaiserlichen Rota-Auditoren88. Der Auditor blieb auch am päpstlichen FFof nicht untätig. Harrach sah in ihm eine Zeitlang seinen Hauptrivalen, sein rö­ mischer Vertreter Motmann ließ ihn nicht aus den Augen89. Motmann hielt neben dem Rota-Richter den Graner Erzbischof Peter Pázmány für den anderen Rivalen des tschechischen Prälaten, dem einzigen erfolgreichen von den Habsburgern nominierten Kardinal Mitte der 1620er Jahre90, obwohl der Primas Ungarns erst am 5. Oktober 1626 an das Ende der die Namen Salvago, Carafa, Trivulzio, Biglia und Lamberg beinhaltenden Liste gelangte91. Zu der nicht sehr schmeichelhaften Platzierung war es mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Verdienste im Laufe der Wahl Fer­ dinands III. (1637-1657), zum ungarischen König im vorhergehenden Jahr ge­ kommen92. Bei seiner Ernennung zum Erzbischof wurde über den Kardinals­ hut nicht gesprochen. Es sei daran erinnert, dass den Platz seines Vorgängers im Heiligen Kollegium, Franz Forgách, fast sofort Klesl eingenommen hatte.

84 Rom, 21. Oktober 1623. ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Kardinale an Ferdinand II., 1623, fol. 69f. 85 Ebd. 86 Siehe das Decretum Consilii Arcani (13. November 1623) im Brief des Kardinals Bar­ berini und den Antwortbrief des Kaisers, Wien, 18. November 1623. BAV, Barb. lat. 6841, Nr. 1. - Die Kopien der Korrespondenz zwischen Kardinal Barberini und Ferdinand II. befinden sich: Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 97, vol. 16 [ord. cron.]. 87 Vgl. B l a a s , Das kaiserliche Auditoriat (wie in Anm. 27), 62f. 88 Rom, 4. März, 3. Juni, 26. August und 7. Oktober 1623. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 51, Konv. Rembold an Ferdinand II., 1623, fol. 1, 3, 5, 7. 89 Cornelius Heinrich Motmann an Harrach. Rom, 10. Dezember 1623, 8. und 19. März 1625. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 146, Konv. Motmann [ord. cron.]. 90 In seinem Brief von 25. Januar 1625. Ebd. 91 BAV, Barb. lat. 6836, Nr. 9. Die veränderte Liste der Kandidaten siehe auch in dem Brief von Eggenberg, Präsident des Geheimen Rates, an den römischen Botschafter Savelli, Ebersdorf, 21. September 1626. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, búst. 95, vol. 23 [ord. cron.]. 92 Vgl. V. F r a k n ó i , Pázmány Péter és kora I—III. Pest 1868—1872, II, 156-170. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 2 9 3

Außerdem betrieb auch er selbst vielleicht nicht sonderlich engagiert seine Beförderung. Denn es existieren keine Spuren davon, dass der ungarische Erzbischof im Interesse seiner Ernennung am kaiserlichen oder päpstlichen Hof irgendwelche Schritte unternommen hätte. In dem erhalten gebliebenen Schriftwechsel des Gesandten Paolo Savelli zum Beispiel findet man darüber nicht einen einzigen Brief, nicht so wie bei Harrach oder im Falle des Gurker Bischofs Lamberg, der ebenfalls bemüht war, die Gunst des kaiserlichen Ge­ sandten für sich zu gewinnen93, und der später in der Person des Erzherzogs Leopold einen mächtigen Protektor fand94. Auf die auch den Namen Pázmány enthaltende kaiserliche Empfehlung gab Papst Urban VIII., sich auf die zukünftige Eingebung des Heiligen Geistes — und die nicht viel früher erfolgte Ernennung des Prager Erzbischofes — be­ rufend, eine ausweichende Antwort95. Aus Anlass der Kreierungen im Jahre 1627 gelangte im Gegensatz zu den spanischen und französischen Nominier­ ten seitens der Habsburger kein einziger in das Heilige Kollegium. Wie der Papst seinem Gesandten Savelli darlegte, hätte es nur dann dazu kommen kön­ nen, wenn sich in jüngster Vergangenheit einer der Reichskardinäle verstor­ ben wäre. Gleichzeitig aber stellte er in Aussicht, bei der nächsten Gelegenheit Rücksicht auf den Kaiser zu nehmen96. Um dies vorzubereiten und um die sich anbahnende Krise in Mantua zu meistern, wurde der vom Papst sowieso schon für den Purpur vorgesehene römische Gouverneur Giovanni Battista Pallotto im Frühling 1628 als außerordentlicher, später dann als ordentlicher Nuntius nach Wien geschickt, um so — unter Umgehung von Salvago und Carafa — die Bestrebungen Ferdinands II. zu befriedigen97. Im Laufe der Jahre 1628 und 1629 behielt Savelli die Angelegenheit der Nominierten routinemäßig im Auge, was so zu einem immer wiederkehrenden Thema bei den gewohnten Freitagsaudienzen wurde. Am 10. November 1629 berichtet der Gesandte darüber, dass sich Urban VIII. dieser Frage gegenüber ausnahmsweise nicht ablehnend verhalten habe. Darum ersuchte er Wien, um­ gehend die Kardinalsnominierungen zu erneuern. Man solle ihn auf schnells­ tem Wege wissen lassen, wer von diesen am geeignetsten erscheine, oder

93 Sein Brief an Savelli, Graz, 27. November 1625. Roma, Archivio di stato, Arch. Giu- stiniani, bust. 92, vol. 31 [ord. cron.]. 94 Papst Urban VIII. an den Erzherzog Leopold, Rom, 14. November 1626 (Kopie). Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 92, vol. 29 [ord. cron.]. 95 Rom, 3. April 1627. ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 9, Konv. Urban VIII. an Ferdinand II., 1627, fol. 1. 96 Savelli an Ferdinand II., Rom, 4. September 1627. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 51, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1627, fol. 76-78. 97 Savelli an Ferdinand II. Rom, 15. April 1628. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 52, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1628, fol. 12f. 2 9 4 Péter Tusor neue Namen schicken. Bis dahin werde er im Sinne der früheren Weisungen vorgehen98. In den — unabhängig von den Ankündigungen Savellis vom 10. Novem­ ber geschriebenen — Weisungen Ferdinands vom 25. und 30. Oktober 1629 sowie in den an den Papst gerichteten Schreiben erneuerte er nicht nur die Nominierungen der früheren Anwärter (an die Stelle Salvagos und Carafas gelangte vermutlich Pallotto), sondern gab Savelli gleichzeitig auch den Son­ derauftrag (commissione particolare), in erster Linie im Interesse der Ernennung von Pázmány Schritte zu unternehmen". Außerdem wünschte er - wie dem weitschweifigen Text des Gesandten zu entnehmen ist — zusammen mit dem Erzbischof von Gran die Ernennung eines ganz neuen Anwärters. Die Person dieses Anwärters kann man in Kenntnis der weiteren Entwicklung mit dem Mitglied des Geheimen Rates, dem Abt von Kremsmünster, Anton Wolfradt, seit 1630 Bischof von Wien, identifizieren100. Bevor am 22. November 1629 erneute kaiserliche Schreiben in Rom ein­ trafen, hatte Urban VIII. in ziemlicher Eile die Namen der neuen Kardinäle bereits bekannt gegeben (am 19. November). Die Kreierungen kamen über­ raschend101. Am meisten dadurch, dass die Nominierten ders Wiener Hofes nach 1627 neuerlich zum Zug gekommen waren, neben dem Pariser und dem Wiener Nuntius Pallotto ein französischer und ausdrücklich noch zwei kaiser­ liche Favoriten: Pázmány und Trivulzi102. Noch bevor Savelli Audienz gewährt worden war, damit er sich für die Ernennungen bedanken konnte, versäumte es Urban VIII. nicht hervorzuheben, dass er, den Wünschen Ferdinands nach­ kommend, auf außerordentliche Weise drei Kardinäle ernannt habe, und be­ rief sich auf seine im Interesse des Gesandten Trivulzio unternommenen frühe­ ren Schritte. Auch Savelli selbst bemühte sich, das Vorgefallene in ähnlichem Sinne zu erklären103. Er betonte die Bedeutung der Kardinalswürde Trivulzis

98 ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 52., Konv. Savelli an Ferdinand III., 1629, fol. 62f. 99 Savelli an Ferdinand II. Rom, 24. November 1629. ÖStA, HFIStA, Rom, Dipl. Kor­ resp., Fz. 52, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1629, fol. 66f. 100 Ebd. 101 Ebd. Siehe noch Jacopo Oliviero (römischer Agent und Auditor des Kardinalpro­ tektorats von den Erbländern und Ungarn) an den Kardinal Dietrichstein, Rom, 19. November 1629. MZA, Rod. Arch. Ditrich., Korresp. Kard. Ditrich, kart. 438, fase. 1907, s. f. 102 Die Bulle des Kardinals Pázmány: V. F r a k n ó i , Pázmány Péter 1570—1637 (Magyar Történeti Életrajzok). Budapest 1886, 324-327. Das Faksimile des Originals ebd.; eine offizielle Kopie: AP, Archivum Ecclesiasticum Vetus, Nr. 134/4. 103 Savelli an Ferdinand II. Rom, 24. November 1629. ÖStA, FIHStA, Rom, Dipl. Kor­ resp., Fz. 52, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1629, fol. 66f. Kardinalsnominierimgen der Habsburger im 17. Jahrhundert 295

und brachte erleichtert zur Kenntnis, dass er zwar die erhaltene Sonderweisung nicht mehr ausführen habe können, aber Pázmány sei auch ohne diese unter den Auserwählten zu finden. Verlegen aber bat er um weitere Instruktionen, was mit dem neuen Nominierten, Wolfradt, geschehen solle, denn dessen No­ minierung, die er erst nach der Entscheidung erhalten hatte, habe er der un­ erwarteten Entwicklung wegen dem Papst nicht übergeben, sondern bei sich behalten104. Infolge der Langsamkeit der römischen diplomatischen Vertretung hatte der Wiener Hof bei den teilweise als unerwartet anzusehenden Ereignissen tatsächlich das Nachsehen105. Urban VIII. hatte auf kurze Sicht außerordent­ lich geschickt agiert und die in den mehrfachen kaiserlichen Nominierungen liegenden Möglichkeiten für seine Ziele genutzt. Die abwechslungsreichen Er­ eignisse können im Zusammenhang mit den sich zuspitzenden Entwicklungen in Mantua106 erklärt werden. Die im Geheimen die französischen Interessen akzeptierende Kurie konnte einerseits durch die Ernennung der drei Habs- burg-Nominierten bedeutend zur Aufrechterhaltung des Anscheins der Neu­ tralität beitragen. Andererseits konnte sie unter den Nominierten frei wählen und so solchen Personen den Vorrang geben, die am Wiener Hof gegen den Krieg in Italien aufgetreten waren, wie zum Beispiel dem eigentlich zu ihren eigenen Leuten zählenden Pallotto sowie dem — auch von den Jesuiten un­ terstützten107 — Peter Pázmány108. Trivulzi, der in der Zwischenzeit näheren Kontakt zu Antonio Barberini aufgebaut hatte109, vertrat in dem nahe Mailand gelegenen Krisengebiet wirkungsvoll die Interessen des Papstes. Die Veränderung im Verhalten Wiens kann ebenfalls aus dem Blickwinkel des Konfliktes in Mantua analysiert werden. Pázmány konnte wahrscheinlich

104 Ebd. 105 Ebd. Pier-Francesco Paoli und Jacopo Oliviero an den Kardinal Dietrichstein, Rom, 8. und 22. September 1629. MZA, Rod. Arch. Ditrich., Korresp. Kard. Ditrich., kart. 439, fase. 1908 [ord. cron.]; kart. 438, fase. 1907, s. f. 106 Vgl. R. B ir e l e y , Religion and Politics in the Age of the Counterreformation. Emperor Ferdinand II, W illiam Lamormain S. J., and the Formation of Imperial Policy. Chapel Hill 1981, 94-100. 107 BAV, Barb. lat. 7056, fol. 57rv, 58"; ARSI, Austria, vol. 4/1, p. 217f. 108 Nuntiatur des Pallotto (1628-1630) I—II, hrsg. von H. K i e w n i n g (Nuntiaturberichte IV/1-2). Berlin 1895-1897 (Nachdr. Torino 1973), I, 84, Nr. 31; 123, Nr. 46, Anm. 1; 157, Nr. 59; II, 94f„ Nr. 62; 168, Nr. 98; 265, Nr. 150; [p.] 176, [p.] 390. Die Re­ lationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im siebzehnten Jahrhundert, I: K. Mathias bis K. Ferdinand III., II: K. Leopold, hrsg. von J. F i e d l e r (FRA 26/27). Wien 1866/1867,1, I46f. 109 MZA, Rod. Arch. Ditrich., Korresp. Kard. Ditrich., kart. 439, fase. 1908 [ord. cron.]; kart. 438, fase. 1907, s. f. 2 9 6 Péter Tusor seine Wahl dem vorübergehenden Erstarken der von Wilhelm Lamormain110 geführten Wiener Friedenspartei verdanken. Die fast parallele Nominierung Wolfradts verrät, dass die Kriegspartei inzwischen endgültig die Oberhand gewonnen hatte, was durch die Kampferfolge in Mantua dauerhaft gemacht wurde. Darum hatte Ferdinand II. die Ernennung von Pázmány nicht mit großer Freude aufgenommen und verlangte bereits in seinem Dankschreiben vom Papst die sofortige Beförderung Wolfradts. Von der Erfüllung dieses An­ suchens aber konnte Urban VIII. unter Berufung auf die drei kaiserlichen Kar­ dinalsernennungen leicht Abstand nehmen111.

* * *

Die Kardinalsnominationen der Habsburger in den 1610er bis 1620er Jahren verdienen von mehreren Gesichtspunkten aus Aufmerksamkeit. Die Frage der Kardinalsernennungen stand fast pausenlos im Mittelpunkt der diplomatischen Aufmerksamkeit. In den überwiegend im Dezember vor den gewohnten Kreationen auflebenden Verhandlungen schalteten sich neben den ständigen Gesandten auch außerordentliche Abgesandte ein112. Beide Partei­ en, sowohl Rom als auch Wien, erstrebten die vollkommene Durchsetzung ihrer Interessen. Bei der Ablehnung von italienischen Kandidaten berief sich der Heilige Stuhl auf den Beschluss des Trienter Konzils über die Vielfalt der nationalen Zusammensetzung des Kollegiums. In den darauf folgenden Jahr­ zehnten stand dies in der Kurie immer weniger im Vordergrund. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor war, dass sich Rom zu dieser Zeit noch als vollständig gleichberechtigter Partner verhielt und den Problemen

1,0 Die österreichischen und ungarischen Jesuiten des 17. Jahrhundert siehe: L . L u k á c s , Catalogus generalis seu Nomenclator biographicus personarum Provinciae Austriae Societatis Iesu [1551-1773], I—III. Romae 1987-1988; d e r s ., Catalogi personarum et officiorum provinciae Austriae S. I., I: 1551-1600, II: 1601-1640 (Monumenta Historica Societatis Iesu 117, 125). Romae 1978-1982. 111 Wien, 5- Dezember 1629. Edition: B. P i t s c h m a n n , Kaiserliche Bemühungen um den Purpur für Abt Anton Wolfradt von Kremsmünster. RHM 11 (1969), 79-109, hier 92f., Nr. 1; vgl. F. G a l l a , Harminckilenc kiadatlan Pázmány-levél (Monumenta Hungariae Italica). Vác 1936, 6 8 ; d e r s ., Magyar tárgyú pápai felmentések (wie in Anm. 18), 109. Siehe noch BAV, Barb. lat. 6847, Nr. 7; F r a k n ó i , Pázmány Péter és kora (wie in Anm. 92), II, 327. 112 Zum Beispiel im Jahre 1621 Hans Ulrich von Eggenberg und Kardinal Hohenzollern, im Jahre 1623 Kardinal Dietrichstein. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 49, Konv. Savelli an Ferdinand II., 1621-1622, fol. 352-354; BAV, Barb. lat. 6933, s. f. [8. September 1621]; ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 51, Konv. Dietrichstein an Ferdinand II., 1623, fol. 206f. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 2 9 7 nicht auswich. Die Päpste antworten in der Regel auf die ihnen angetragenen kaiserlichen Nominierungen in Form von Breven, worin sie ihre Standpunkte überzeugend zum Ausdruck brachten. Die Habsburg-Diplomatie wiederum war ganz einfach unfähig, die entsprechende und tatsächliche Präferenz unter den italienischen, Reichs-, Erbländer- und den einstigen Nuntiusnominierten festzustellen. Das war tatsächlich keine leichte Aufgabe. Einerseits musste den Ansprüchen angesehener Prätendenten Genüge geleistet werden. Andererseits brauchte die kaiserliche Regierung mit Kardinalsprivilegien versehene Poli­ tiker und Kirchenfürsten gleicherweise auf dem Gebiet des Reiches, in der Wiener Zentralregierung, in den Erbländern und natürlich auch in Rom. Sie benötigte auch Italiener auf dem Territorium Italiens, die die Interessen des Kaisers wahrten, und wenigstens einen Deutschen, der die natio Germanica in der Ewigen Stadt vertrat, und zwar sowohl in der Politik als auch in der Kir­ che. Dessen ungeachtet wurde für letzteres nur in der Person Hohenzollern ein kurze Zeit dauernder Versuch unternommen. Trotzdem erscheint als wichtigstes Moment, dass im Gegensatz zu den Er­ eignissen von 1607 immer weniger eine Konsenssuche zu beobachten ist, und das nicht nur seitens des Papsttums. Seitens der Habsburger erfolgte dies noch betonter. Ferdinand II. unterbreitete bereits 1620 solche Argumente im Zu­ sammenhang mit der sich auf die Kardinalsnominierung beziehenden kaiser­ lichen Berechtigung, die dem fürstlichen Absolutismus des 18. Jahrhunderts nahe kam113. Obgleich er im Gegensatz zu den Kaisern des 18. Jahrhunderts diese Argumente nicht unmittelbar dem Papst zu Gehör brachte, so tauchte doch schon in den an das Kirchoberhaupt gerichteten Vorlagen der weniger Widerspruch duldende Ausdruck nominamus auf, der dann ebenfalls in den folgenden Jahrhunderten in den Herrscherschreiben ganz selbstverständlich wurde114.

III. 1629 brach die Hofburg aufgrund ihrer Misserfolge mit der Praxis der Listennominierung. In den darauffolgenden Jahrzehnten wollte man der Ku­ rie nicht den geringsten Spielraum lassen. Immer wieder experimentierte sie mit einem offiziellen Anwärter, neben dem nur gelegentlich ein nicht an der

113 Kaiser Ferdinand II. an Paul V. und an Savelli, 15. Mai 1620; und noch einmal an Sa- velli, 2. November 1620. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, bust. 96, vol. 11 [ord. cron.]. (Diese drei Quellen sind ediert im Anhang dieses Artikels). Vgl. auch BAV, Barb. lat. 6830, Nr. IV[/1], 114 Kaiser und König Ferdinand II. an Papst Gregor XV., Wien, 9. April 1621. Roma, Archivio di stato, Arch. Giustiniani, busta 90, vol. 14 [ord. cron.]. 2 9 8 Péter Tusor

nominatio, sondern nur an der Empfehlung (commendatio) teilhabender Prälat auftaucht. (Im allgemein bekamen sie ein Schreiben ähnlichen Textes. Auf die Rechte des primär Nominierten verwies nur die Formel salva tarnen, non praeiudicetur bzw. der römische Gesandte; es war Aufgabe des Reichskardinal­ protektors, den Charakter der Nomination mitzuteilen.) In den 1630er Jahren empfahlen Ferdinand II. und Ferdinand III. (1637- 1657) immer wieder aufs Neue nur Wolfradt für den Purpur115. Die Nomina­ tionspolitik der Habsburger war fast ein Jahrzehnt hindurch von Aktivitäten bestimmt, die im Interesse des Wiener Bischofs und im Vergleich zu den frü­ heren mit ähnlich intensiven, aber nunmehr vollkommen erfolglosen Anstren­ gungen durchgeführt wurden116. Außer dem zum Präsidenten des Geheimen Rates beförderten Kleriker intervenierten im Laufe ihrer Romreisen auch die Kardinäle Pázmány117 und FFarrach. Bei den Verhandlungen mit letzterem war Urbans VIII. Ausrede, dass Ferdinand III. noch nicht seiner sogenann­ ten Obedienzbezeugung (legatio obedientiae) dem FFeiligen Stuhl gegenüber nachgekommen sei118. Die Bemühungen des Papstes, bei jeder sich ergebenden Gelegenheit der Erfüllung des Ansuchens auszuweichen, bestätigten diesmal indirekt die sich auf die Idee des Kircherstgeborenen begründenden kaiser­ lichen Rechtsansprüche. Seine Argumentation beinhaltete nämlich, dass mit dem traditionellen Ausdruck des Gehorsams dem Papst gegenüber Ferdinand

115 P i t s c h m a n n , Kaiserliche Bemühungen (wie in Anm. 111), 93-97, Nr. 3 -6 . - S. noch BAV, Barb. lat. 6847, fol. 8; Hierarchia Catholica IV (wie in Anm. 19), 204 und 23 (Kardinalat des Erzbischof von Sevilla, Didacus de Guzmán de Haros). - M. A. Po- BLADURA, Disceptatio historica de cardinalatu Valeriani Magni (1634-1648). Collecta­ nea Franciscana 39 (1969), 104-171; BAV, Barb. lat. 6988, fol. 3 r (ciffre) (Kardinalat von Valeriano Magno O. F. M. Cap.). - BAV, Barb. lat. 6842, Nr. 25 und fol. 50rv; OStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 10, Konv. Eleonora und Ferdinand II. an Kar­ dinäle, 1633, fol. 8; Konv. Urban VIII. an Ferdinand II., 1633, fol. 1 (Kardinalat des polnischen Kronprinzen Johann Albert). 116 P i t s c h m a n n , Kaiserliche Bemühungen (wie in Anm. 111), 79-109. Siehe dazu BAV, Barb. lat. 6967, fol. 149rv; vol. 6973, fol. 211"; vol. 6974, fol. 241", 291"; vol. 6991, fol. 39", 48r; vol. 6992, fol. 27r; vol. 6995, fol. 30'; vol. 7000, fol. 134v; vol. 7001, fol. 56'; Ferdinand II. an Savelli, 11. Oktober 1631. Roma, Archivio di stato, Archivio della Eccellentissima Casa Sforza-Cesarini, Parte I, Souvrani, bust. 14 [ord. cron.]. 117 Pázmány Péter ... összegyűjtött levelei I—II, hrsg. von F. H a n u y . Budapest 1910/1911, II, Nr. 749. 118 Vgl. H. v o n Z w i e d i n e c k -S ü d e n h o r s t , Die Obedienz-Gesandtschaften der deut­ schen Kaiser an den römischen Hof im 16. und 17. Jahrhunderte. Archiv fü r Kunde Österreichischer Geschichts-Quellen 58 (1879), 171-216; A. K o l l e r , Der Konflikt um die Obödienz Rudolfs II. gegenüber dem Hl. Stuhl, in: Kurie und Politik. Stand und Perspektiven der Nuntiaturberichtsforschung, hrsg. von d e m s . (BDHIR 87). Tübin­ gen 1998, 148—164; und noch J. K o p i e c , Zur Geschichte der Apostolischen Nuntiatur in Polen. RömQua 88 (1993), 134-155, hier 154f. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17- Jahrhundert 2 9 9 bereits berechtigt sei, Kardinale zu nominieren119. Dessen ungeachtet legte der Prager Erzbischof dem Kardinalsnepoten Francesco Barberini dar, dass vor der Obedienzablegung der Wille des Herrschers sowohl als ungarischer und vielleicht auch als böhmischer König berücksichtigt werden müsste120. Besonders gereizt reagierte die Kurie121, als nach dem Tode Wolfradts sei­ tens der Habsburger unter Mitwirkung der spanischen und lokalen Dynastien Anwärtern aus Mantua122 und Modena123 der Vorrang gegeben wurde. Im Ge­ gensatz zu Alfonso Gonzaga, Titularerzbischof von Rhodos, gelangte Rinaldo d’Este schließlich doch noch in das Papstwahlgremium, was er aber eher dem breitangelegten internationalen Zusammenhalt als den Habsburgern zu ver­ danken hatte124. Seitens Wiens konnte allein die Ernennung von zwei Nuntien, Ciriaco Rocci und Gaspare Mattei, als Erfolg verbucht werden, sie allerdings waren, ähnlich Pallotto, eigentlich von Urban VIIT. ausgesucht worden125. Seir Mitte des Jahrhunderts nahmen die zu den Großmächten entsandten Nunti­ en ohne Ausnahme bereits von vornherein als Kardinalsanwärter ihre Posten ein. Seit dieser Zeit erkannte der Heilige Stuhl — die immer häufigere Über­ gehung der nationalen Nominierten dadurch kompensierend - das fürstliche Gewohnheitsrecht der Nominierung restlos an. Der vollentwickelte päpstli­ che Absolutismus allerdings tolerierte weitaus weniger als früher, dass bei der Kardinalsernennung auch andere Italiener in Betracht kommen könnten. Im 17. Jahrhundert war d’Este der letzte Italiener, der nicht Wiener Nuntius war und doch den Purpur dem kaiserlichen Mitwirken zu verdanken hatte.

119 Nichtsdestoweniger erfüllte der Kaiser seine Verplichtung nächstes Jahr vergebens. Vgl. M. A. V i s c e g l i a , Il cerimoniale come linguaggio politico. Su alcuni conflitti di precedenza alla corte di Roma tra Cinquecento e Seicento, in: Cérémonial et rituel à Rome (XVI'-XIX' siècle), éd. par C. B r i c e - M. A. V is c e g l i a (Collection de l ’École Française de Rome 231). Rome 1997, 117—176, hier 168—170. 120 Kardinal Harrach an Ferdinand III., Rom, 29. August 1637. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 54, Konv. Harrach an Ferdinand III., 1637 [ord. cron.]. Vgl. BAV, Barb. lat. 6848, Nr. 11. 121 Nuntius Gaspare Mattei an den Kardinalnepoten Francesco Barberini, Wien, 7. Janu­ ar 1640. BAV, Barb. lat. 7028, fol. 5' (cifFre). 122 Mattei an Barberini, Wien, 12. November 1639- BAV, Barb. lat. 7038, fol. 42" (cifFre). Vgl. noch das Memorial des Mantuaner Botschafters an Ferdinand II. (10. Dezember 1629). ÖStA, HHStA, Rom, Varia, Fz. 7 [quasi ord. cron.]. 123 Vgl. Nuntius Malatesta Baglioni an den Kardinalnepoten Francesco Barberini, Wien, 25. Juni und 2. Juli 1639. BAV, Barb. lat. 7013, 7014 (cifFre) [ord. cron.]. 124 Die Dankbriefe des Kaisers Ferdinand III. (24. Januar 1642): BAV, Barb. lat. 6852, fol. 10", 12", 13". 125 Vgl. Savelli an Ferdinand II., Rom, 24. November 1629 (zit. oben); BAV, Barb. lat. 6973, fol. 219" (cifFre); Barb. lat. 6850, Nr. 15; ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 10, Konv. Kardinäle an Ferdinand II., 14. Januar 1634; ebd., Konv. Ferdinand II. an Urban VIII., 23. Februar 1634. 3 0 0 Péter Tusor

Die Haltung des Wiener Hofes in der Frage der Kardinalsnominierung an der Wende der 1630/40er Jahre wurde von einem Prinzip bestimmt, das der neue Präsident des Geheimen Rates, Maximilian Trauttmansdorff, unmittel­ bar nach dem Tode des Wiener Bischofs, im Jahre 1639, formulierte, nämlich dass ein sich in Ungarn, Wien, Prag oder in irgendeinem deutschen Bistum aufhaltender Kardinal den Reichsinteressen eigentlich fast gar nicht nutze. Sie brauchten jemanden, der der kaiserlichen Diplomatie unmittelbar in der Ewi­ gen Stadt bzw. in Italien Dienste leisten konnte, vor allem nun schon offen den Kampf gegen die Franzosen aufnahm126. Dieses Prinzip bildete die Grundla­ ge für die Experimente mit den Nominierten aus Mantua und Modena, und diesem entsprechend kam es nach langer Überlegung und Ratlosigkeit127 am 20. März 1644 zur kaiserlichen Nominierung des Malteser Ritters Friedrich von Hessen-Darmstadt128. Diese Wahl kann nicht als sehr geglückt bezeich­ net werden. Den konvertierten Ritter und kaiserlichen Verwandten hatte man schon früher in der Kurie erwähnt, Wien aber hatte den Vorschlag zu Gunsten von Gonzaga und d’Este verworfen. 1644 aber war Hessen-Darmstadt bei den Barberinis bereits in Ungnade gefallen129. Ebenfalls mit dem Tonwechsel, der auf die Ausschaltung des auf Rom ausgeübten französischen Einflusses ausgerichtet war, ist es zu erklären, dass man in Wien nach dem Tode Pázmánys nicht mit einem ungarischen Anwär­ ter rechnete. Obwohl den Berichten Malatesta Baglionis vom 28. März 1637 zufolge in den Reihen der ungarischen geistlichen Würdenträger unter ande­ ren darum starkes Interesse für den Stuhl des Graner Erzbischofes bestand, weil „die Graner Erzbischöfe sicher damit rechnen können, dass Ihre Majestät sie Ihrer Heiligkeit, unserem Herrn, für den Purpur empfehlen werde, wes­ wegen diese Würde außerordentlich begehrt ist“130. Der Nachfolger Baglionis, Caspare Mattei, erachtete es in seinen im Dezember 1639 geschriebenen Me­ moranden gegenüber dem päpstlichen Staatssekretariat umsonst für wichtig, einen ungarischen Kardinal zu ernennen, der den Rekatholisierungsprozess

126 Baglioni an Barberini, Wien, 2. April 1639. BAV, Barb. lat. 7013, fol. 3V (ciffre). 127 Vgl. Ferdinand III. an Urban VIII., Wien 1. April 1639. BAV, Barb. lat. 6849, Nr. 11. 128 Ferdinand III. an Urban VIII. BAV, Barb. lat. 6849, Nr. 27. - TrauttmansdorfF wollte früher seinen Neffen, den Franziskaner Michael Chumberg, Titularbischof von Cri- stopoli und Auxiliarbischof von Laibach, nominieren lassen. Baglioni und Mattei an Barberini, Wien, 2. April 1639 und 3. März 1640. BAV, Barb. lat. 7013, fol. 3V, und vol. 7039, fol. 109r. 129 Pietro Giacomo Favilla, römischer Agent, an den Graner Erzbischof György Lippay, Rom, 4. März 1644. AP, AS, Acta radicalia, classis X, Nr. 196, 13. cs., fol. 234f.; Giovanni Barsotti an den Kardinal Harrach, Rom, 28. Dezember 1641. OStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 136 [ord. cron.]. 130 BAV, Barb. lat. 6984, fol. 81v. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 3 0 1

Pázmánys in gleichem Maße fortsetzen würde131. Die Beförderung seines un­ mittelbaren Nachfolgers, Emmerich Lósy (1637—1642), wurde nicht einmal erwogen132. Georg Lippay (1642-1666)133 wiederum erkundigte sich durch den Jesuiten Melchior Inchoffer134 umsonst unmittelbar bei der Kurie, er bekam von dort durch Francesco Barberini die Antwort, dass es nur im Falle eines kaiserlichen Vorschlags zur Kardinalsernennung kommen könne135. Während des bis 1644 dauernden Pontifikats von Urban VIII. erlangte nach 1629 kein einziger Untertan des Kaisers den Purpur, obwohl nach dem Tode von Klesl, Dietrichstein und Pázmány136 im Herbst 1637 im Heiligen Kol­ legium insgesamt drei kaiserliche Sitze frei geworden waren. Die früher unvor­ stellbare lange Pause in den Beziehungen zwischen dem Papst und dem Reich zeugt von der grundlegenden Wende, die sich durch den Westfälischen Frieden von 1648 manifestiert hatte. Der Wiener Hof nahm absolut keine Rücksicht auf den Papst und den Kirchstaat und wollte seine eigenen Ansichten, Nominierten und damit seinen Einfluss einseitig Rom aufzwingen. Das Verhalten Urbans VIII allerdings zeigte, dass für ihn die inneren Interessen der Kurie bestimmend waren und dass der Apostolische Stuhl nicht mit der Reichsreligionspolitik Wiens einverstanden war, auf die er immer weniger Einfluss ausüben konnte137. (Ein weiterer für Kardinalsernennungen ausschlaggebender Gesichtspunkt war, dass am Ende des Pontifikats Urbans VIII. das Defizit der päpstlichen Staatskasse beunruhigende Ausmaße angenommen hatte. In der Zeit zwischen 1641 und 1643 wurden zur Vermeidung des Staatsbankrottes acht Kammer­ kleriker ernannt, was insgesamt 344 000 Scudo Einnahmen bedeutete138.)

131 P. T u s o r , Due relazioni di Gaspare Mattei nunzio apostolico a dello stato „del­ le cose“ e di religione nel regno d’Ungheria (1639) (Miscellanea Bibliothecae Apostolicae VaticanaeXI = Studi e Testi 423). Città del Vaticano 2004, 671—690, hier 688. 132 Vgl. d e r s ., Lósy I. Imre (1637-1642), Esztergomi érsekek (1001-2003), 291-296. 133 Seine kurze Biographie: D e r s ., Lippay IV. György, Esztergomi érsekek (1001-2003), 296-303. 134 Er war Consultor der römischen Index-Kongregation. S. P a g a n o , I documenti del processo di Galileo Galilei {Collectanea Archivi Vaticani 21). Città del Vaticano 1984, 139—148, Nr. 45; Ch. W e b e r , Die ältesten päpstlichen Staatshandbücher. Elenchus Congregationum, Tribunalium et Collegiorum Urbis (1629-1714) (RömQua Supple- mentheft 45). Rom-Freiburg-Wien 1991, 241; BAV, Barb. lat. 6549, fol. I6r—29v. 135 Melchior Inchoffer und Pietro Giacomo Favilla an György Lippay, Rom, 30. Januar und 4. März 1644. AP, AS, Act. rad., class. X, Nr. 196, 13. cs., fol. 50£, 234f. 136 Was die kaiserliche Diplomatie sofort zu Gunsten Wolfradts zu nutzen versuchte. Kardinal Francesco Barberini an Malatesta Baglioni, 2. Mai 1637. Vgl. BAV, Barb. lat. 7071, fol 84' (ciffre). 137 Vgl. K. R e p g e n , Die römische Kurie und der Westfälische Friede. Papst, Kaiser und Reich (1521-1644) 1/1-2 {BDHIR 14-15). Tübingen 1961-1965,1/1, 399-407. 138 W e b e r , Senatus divinus (wie in Anm. 30), 196. 3 0 2 Péter Tusor

Die Thronbesteigung des neuen Papstes, Innozenz X. (1644-1655) brach­ te bis 1652 keine Veränderungen. Der Gesandte Frederigo Savelli unternahm bei ihm ebenfalls sofort die ersten Schritte im Interesse von Hessen-Damstadt. Seiner Berichterstattung vom 24. Dezember 1644 zufolge hatte er von In­ nozenz X. das Versprechen erhalten, bei der Ernennung der Kronkardinäle auch den Nominierten des Kaisers zu berücksichtigen139. Zu dieser Zeit al­ lerdings war die Unterstützung des Malteser-Ritters durch Wien instabil. Zu Beginn des Jahres 1645 nahm sich die Hofburg auf Fürbitte der aus den Rei­ hen der Gonzagas stammenden Kaiserin erneut des früheren Anwärters, Al- fonzo Gonzaga, an140. Es kam sogar dazu, dass im Herbst 1646 der Graner Erzbischof, Georg Lippay, für die Kardinalsnomination empfohlen wurde141. Ferdinand III. wollte dadurch den ungarischen Oberhirten dazu bringen zu akzeptieren, dass die — Dank des Feldzuges von Georg I. Räkoczi, Fürst von Siebenbürgen — den Protestanten durch den Linzer Friedensvertrag von 1645 gewährten zahlreichen Zugeständnisse gesetzlich festgelegt würden142. Es spricht für den Primas Ungarns, dass er, offensichtlich entgegen seinen Ambi­ tionen, darauf nicht einging143. Hessen-Damstadt reiste persönlich zu dem am Reichstag von Pressburg teilnehmenden Hof, um seine Interessen zu verteidigen144. Und obzwar die durch den Graner Erzbischof aufgetretene Gefahr vorbei war, musste Hes­ sen-Darmstadt - durch die kaiserliche Entscheidung - erfahren, dass trotz der früheren Versprechen die Kurie die zögerliche Haltung145 fortsetzte und den sich auf den Kriegsschauplatz nach Flandern begebenden Malteser-Ritter — scheinbar mit seiner Einwilligung - vorübergehend doch fallen ließ.

139 ÖStA, HHStA, Rom, Dipi. Korresp., Fz. 55, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1644, fol. 154. Siehe noch ebd., Fz. 56, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1645, fol. lf. 140 Savelli an Ferdinand III., Rom, 11. Február 1645. ÖStA, HHStA, Rom, Dipi. Korresp., Fz. 55, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1645, fol. 15f. 141 E. H uszár, A visitano liminum. Hittudományi Folyóirat 15 (1904), 480-539, 696- 752, hier 710; PL AEV, Nr. 235. 142 Ebd. Siehe noch M. Z s i l i n s z k y , A linczi békekötés és az 1647-ki vallásügyi törv- ényczikkek története (A Magyar Protestáns Irodalmi Társulat kiadványai). Budapest 1890, 343; d e r s ., A magyar országgyűlések vallásügyi tárgyalásai I-IV (A Magyar Protestáns Irodalmi Társaság kiadványai). Budapest 1881-1897, II, 503. 143 Magyar Törvénytár. III: 1608-1657, évi törvényczikkek, hrsg. von D. M á r k u s -S. KoLOSvÁRir-K. Ó v á r i . Budapest 1900, 420-423. 144 Walter Leslie an Federico Savelli, Pozsony (PrelSburg), 10. November 1646. Roma, Ar­ chivio di stato, Arch. Sforza-Cesarini, Part. I, Corrispondenza, búst. 232 [ord. cron.]. 145 Vgl. ÖStA, HHStA, Rom, Varia, Fz. 9, fol. 85-88. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 303

An seine Stelle gelangte bereits im Februar 1647146 ein neuer Anwärter. Es handelte sich aber hierbei nicht entsprechend den Nominierungstraditionen147 um den sich auch diesmal bewerbenden deutschen Rota-Auditor Christoph Peutinger148, sondern um den 25jährigen Carlo Emmanuel Durazzo149, der aus einer vornehmen und der Kirche bereits mehrere Kardinale und Bischöfe schenkenden Familie aus Genua stammte. Seine Nominierung allerdings hatte der Gesandte Frederigo Savelli trotz der entschiedenen Aufforderung durch den Herrscher150 dem Papst nicht überreicht. Und das darum, weil ihn einer­ seits freundschaftliche Bande mit Eiessen-Darmstadt verbanden151, und weil er sich andererseits - aufgrund vorhergehender Informationen - im klaren darü­ ber war, dass die Wahl Roms niemals auf Durazzo fallen würde, und das nicht nur seiner italienischen Abstammung wegen, sondern weil er — wie allgemein bekannt war — der kaiserlichen Schatzkammer für seine Ernennung eine be­ deutende Summe angeboten hatte152. Die kaum als überlegte zu bezeichnende Politik des Wiener Hofes führte dazu, dass sich am 7. Oktober 1647, d. h. bei der ersten Kreierung, bei der Innozenz X. die Nominierungen der Krone berücksichtigte, unter den Auser­ wählten kein kaiserlicher Nominierter befand. Hessen-Darmstadt hatte man zu einem möglichst ungünstigsten Zeitpunkt fallen lassen. Vermutlich hät­ te die über einen größeren Spielraum verfügende Kurie bei einer der frühe­ ren Praxis entsprechenden Nominierung mehrerer Personen kein Argument

146 Federico Savelli an Ferdinand III., Rom, 3. März 1647. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 56, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1647, fol. 59f. Siehe noch ebd., fol. 37. 147 Christoph Peutinger an Ferdinand III., Rom, 2. April 1647. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 56, Konv. Peutinger an Ferdinand III., 1647, fol. 1. 148 Peutinger wiederholte am 13. September 1647 erneut sein Ansuchen, da man ihn dar­ auf aufmerksam gemacht hatte, dass aufgrund von Informationen, die von Vertrauten aus der Kurie stammten, die Ernennung Michel Mazarins von französischer Seite als sicher anzunehmen sei und man diese Möglichkeit von deutscher Seite aus nutzen könne, denn beim letzten Male, noch zu Zeiten Urbans VIII., hatte man neben den Franzosen (La Valenze) und Spaniern (De Lugo) auch die Deutschen schon einmal übergangen. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 56, Konv. Peutinger an Ferdi­ nand III., 1647, fol. 5. 149 Kaiser Ferdinand II. an Papst Innozenz X., Pilsen, 30. August 1647. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Biographica, Kart. 172, fol. 462 (Kopie). - M. C a v a n n a C i a p p i n a , Art. Carlo Emanuele Durazzo. D BI42 (1993), 142f. 150 Ferdinand III. an Savelli, Pilsen, 30. August 1647. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Bio­ graphica, Kart. 172, fol. 462 (Kopie). 151 R. E. S chwerdtfeger , Friedrich von Hessen Darmstadt. Ein Beitrag zu seinem Per­ sönlichkeitsbild anhand der Quellen im Vatikanischen Archiv. Archiv fü r Schlesische Kirchengeschichte 41 (1983), 165-240, hier 169. 152 Siehe unten die Relation von Leonhard Pappus. 3 0 4 Péter Tusor

Vorbringen können, mit dem auf gebührende Weise hätte erklärt werden kön­ nen, warum neben den französischen und spanischen Nominierten die Ferdi­ nands III. nicht berücksichtigt wurden153. Zu all dem war mit den Ansprüchen des Rota-Auditors und besonders mit denen des Graner Erzbischofs auch wei­ terhin zu rechnen. In Wien hatte man aus dem Misserfolg nichts gelernt. Zuerst wurden die von dem Gesandten Savelli vorgebrachten Argumente über die mangelnde Eig­ nung des neuen Anwärters akzeptiert. Da man aber überzeugt war, Durazzo würde auch von den Spaniern unterstützt werden154, wurde Savelli am 27. Ap­ ril 1648 wiederholt angewiesen, Erkundigungen in seinem Interesse einzuho­ len155, und zwar mit dem eigenartigen Ziel, sich sozusagen über den mutmaß­ lichen Erfolg der Nominierung zu vergewissern, um den folgenden Favoriten ernennen zu können. Dem Dekret des Geheimen Rates vom 12. Mai zufolge sollte bei einem eventuellen Erfolg Durazzos der neue Nominierte - diesmal auf nachdrückliche und mehrmalige - spanische Empfehlung der Gesandte Wiens in Madrid und gleichzeitig Mitglied des Geheimen Rates, Francesco Carretto156, Markgraf von Grana (Savona), sein157. Seine offizielle Empfehlung beim Papst war bereits im Flerbst 1648 erfolgt158, und zwar wie zu erwarten, nicht der Annahme Durazzos, sondern seiner endgültigen Abweisung wegen. Carretto war ein noch miserablerer Günstling der in den 1640er Jahren unter offenem spanischen Einfluss stehenden kaiserlichen Nominierungspo­ litik als Durazzo. Wien bestürmte die Kurie drei Jahrelang fast pausenlos, der Nominierung des Marquis zuzustimmen159. Die Kurie wiederum begann sogleich mit der Aufzählung ihrer Einwände. Sie führte seine Nationalität an,

153 Vgl. G. S ig n o r o t t o , L o squadrone volante. I cardinali „liberi“ e la politica europea nella seconda metà del XVII secolo, in: La corte di Roma tra Cinque e Seicento (wie in Anni. 13), 93-137, hier 108; ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 55, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1645, fol. 58; ebd. Fz.56, Konv. Savelli an Ferdinand III., 1647, fol. 95f., 120f. 154 König Philipp IV. (1621-1665) an Durzzo, Aranineza, 24. April 1648. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Biographica, Kart. 172, fol. 462 (Kopie). 155 Ferdinand III. an Savelli, Prag, 27. April 1648. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Biographica, Kart. 172, fol. 462. 156 Marchese di Grana e Conte di Millesimo. Vgl. G. M e c e n s e f f y , Habsburger im 17. Jahrhundert. Die Beziehungen der Höfe von Wien und Madrid während des Dreissigjährigen Krieges {AfÖG 121/1). Wien 1955, 59-71. 157 Decretum Consilii Arcani. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Biographica, Kart. 172, fol. 463 (Kopie). 158 Ferdinand III. an Savelli, Wien, 5. Dezember 1648. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Kor­ resp., Fz. 57, Konv. Ferdinand III. an Savelli, 1648 [ord. cron.]. 159 Vgl. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 133, Konv. Allgemeines, fol. 26f.; und ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 56, Konv. Savelli an Ferdi­ nand III., 1649, fol. 18. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 305 seine militärische Vergangenheit, seine diplomatische Beauftragung, das voll­ kommene Fehlen eines klerikalen Standes, was durch eine frühere Doppelehe noch erschwert wurde160. Die habsburgischen Minister hingegen beriefen sich auf zahlreiche frühere Beispiele, als der Heilige Stuhl italienische Nominierte akzeptiert hatte, und auf das Argument, dass der Madrider Gesandte trotz seiner italienischen Herkunft in Wirklichkeit als Deutscher gelte, da er sich schon vor langer Zeit auf dem Gebiet des Reiches niedergelassen hatte. Auch seine Besitzungen seien dort, beide Gemahlinnen seien Deutsche gewesen, sei­ ne Söhne seien Mitglieder des Reichshofrates und des Kölner Domkapitels, was nur Deutschen möglich sei161. Im Zusammenhang mit seinem Posten als Gesandter beriefen sie sich ebenfalls auf andere Präzedenzfälle und versicherten dem in dieser Angelegen­ heit verhandelnden päpstlichen Nuntius Camillo Melzi, dass Carretto bei einer eventuellen Ernennung sofort Abschied von seinem Madrider Posten nehmen würde162. Die fehlenden Weihen versuchten sie damit vergessen zu machen, dass es — ihrer Meinung nach - dem Heiligen Stuhl auch bei anderen Anlässen keine Schwierigkeiten bereitet hätte, wenn der Nominierte früher ein Laie, ja sogar Soldat gewesen sei. Demgegenüber habe Carretto seine militärische Laufbahn bereits vor zehn Jahren aufgegeben, seine zweite Heirat wiederum sei keine Bigamie gewesen, weil er für diese Bindung den Dispens des Papstes bekommen hatte. Und noch dazu hätte er bereits vier Weihegrade erreicht — lautete das endgültige Argument163. Seitens des Wiener Hofes war man absolut nicht bemüht, zu einer Übereinkunft zu kommen. Selbst eine eventuelle Kre­ ation in petto hätte man als Abschlagen des Ansuchens angesehen164. Die für Carretto sprechenden Überlegungen wurden selbstverständlich nicht nur dem päpstlichen Nuntius, sondern durch den Gesandten Savelli auch Papst Inno­ zenz X. zur Kenntnis gebracht165. Während Melzi in Wien nur ausweichende Antworten geben konnte166, sprach Innozenz X. mit dem zur Beilegung der deutschen Probleme (der Trie­

160 Nuntius Camillo Melzi an den Kardinal Staatssekretär Giacomo Panziroli, Wien, 30. Oktober 1649. ASV, Segreteria di Stato, Germania, vol. 145, fol. 244r-245v (ciffre). 161 Ebd. 162 Ebd. 163 Melzi an Panziroli, Wien, 30. Oktober und 18. Dezember 1649. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 145, fol. 244r—245v, 258'-259v (ciffre). 164 Melzi an Panziroli, Wien, 30. Oktober. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 145, fol. 244'-245v (ciffre). 165 Ferdinand III. an Savelli, Wien, 23. Oktober 1649. Roma, Archivio di stato, Arch. Sforza-Cesarini, Part. I, Souvr., bust. 14 [ord. cron.]. 166 Melzi an Panziroli, Wien, 30. Oktober. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 145, fol. 244r-245v (ciffre). S. noch ebd., fol. 259rv. 3 0 6 Péter Tusor rer Koadjutor und die Kardinalsernennungen)167 im September 1649 nach Rom entsandten Rechtsexperten Leonhard Pappus, Dekan von Konstanz, ohne Umschweife. Offen gestand er ihm, dass sich die Angelegenheit Carrettos darum so hinziehe, weil der routinierte Diplomat als Kardinal die Interessen des Kaisers in Rom wirkungsvoll vertreten und den gemeinsamen Einfluss der österreichischen und spanischen Partei168 steigern würde, was er nicht gerne sehe. Innozenz X. tendierte deshalb eher zu Hessen-Darmstadt und meinte, wenn er um Carrettos Ableben wüsste, würde er sofort die Kardinalskreierung vornehmen, um den Malteser-Ritter ernennen zu können. Denn in dessen Fall müsste man sich - erneuter Ordensverpflichtungen wegen (er war deutscher Großmeister geworden)165 - nicht fürchten, dass er nach Rom käme, demzufol­ ge auch davor nicht, dass er sich, wie in der Vergangenheit schon mehrmals ge­ schehen, als Kronkardinal öffentlich dem päpstlichen Willen widersetze. Nicht so, wie die anderen Kardinäle der Kurie, die man ihrer Untertänigkeit wegen nur als Kardinals-Sklaven, pupurata mancipia, bezeichnete — fügte der über die Verhandlungen berichterstattende Konstanzer Dekan hinzu170. Innozenz X. brachte neben Hessen-Darmstadt und Carretto noch einen anderen Deut­ schen ins Spiel, und zwar in der Person von Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischof von Osnabrück und später von Regensburg (1649-1661). Ihn war er geneigt zu ernennen, obwohl der bayrische Herzog Maximilian I. (1597—1651) diesen absolut nicht mochte171.

IV. In der einen Misserfolg nach dem anderen erzielenden Hofburg beher­ zigte man das, was Pappus in seinem Bericht fixiert hatte, und meinte, dass man durch den noch immer außerordentlich jungen Hessen-Darmstadt als Kardinal zu größerem Nutzen kommen könnte. Darum wurde er am 23. De­ zember 1651 anstelle des inzwischen verstorbenen Carretto abermals empfoh­ len172. Innozenz X. kam innerhalb von zwei Monaten dieser Bitte nach. Unter den zwölf neuen Kardinälen, die auf dem Konsistorium vom 19. Februar 1652

167 Seine Instruktion (26. September 1649) befindet sich: ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 57, Konv. Ferdinand III. an Pappus, 1649 [ord. cron.]. 168 Siehe die Relation von Pappus (fol. 5"). 169 Schwerdtfeger, Friedrich von Hessen Darmstadt (wie in Anm. 151), 171. 170 Relation von Pappus, Rom, s. d. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Pappus an Ferdinand III., 1652 (!), fol. 5V. 171 Ebd. 172 Ferdinand III. an Innozenz X. ASV, Segr. Stato, Principi, vol. 62, fol. 42". Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 307 kreiert worden waren, befand sich in Gesellschaft der Spanier und Franzosen als Kardinaldiakon der deutsche Großmeister des Malteser Ritterordens173. Nach dem Erfolg, den Hessen-Darmstadt erzielt hatte, für dessen Platz aber bereits 1646 Lippay empfohlen worden war, konnte man in Wien den zu dieser Zeit noch als zuverlässigsten und konsequentesten Vertreter der habs­ burgischen Herrschaft in Ungarn geltenden Lippay nicht weiterhin außer Acht lassen. Der die Entwicklung in Rom durch seine Agenten174 aufmerksam ver­ folgende Graner Erzbischof konnte im Verlaufe von Mai und Juni 1652 und dann erneut im Herbst nur eine Sonderempfehlung (commendano extra ordi­ nerei) von Ferdinand III. erwirken. Parallel dazu setzte er dem Heiligen Stuhl in seinen umfangreichen Memoiren die historische Berechtigung der ungari­ schen Krone zur Kardinalsernennung auseinander. Unter anderem empfahl er bei der päpstlichen Entscheidung zu berücksichtigen, dass seine Ernennung zur größeren Stabilität eines Landes, welches hinsichtlich der Sicherheit Itali­ ens eine Schlüsselposition einnehme, und zu einem günstigen Ausgang in dem mit dem Leiter der ungarischen weltlichen Orden, dem Palatin Paul Pälffy (1649—1654), geführten innenpolitischen Kampf führen würde175. Sowohl die außerordentliche Empfehlung als auch die Darlegung der Sonderansprüche Ungarns erklären, dass der Wiener Hof die neue kaiserli­ che Nomination einem Kandidaten aus dem Reich zudachte. Diese Nomi­ nierung konnte die Ambitionen des Graner Erzbischofes nur verzögern176. Am 16. August 1653177 und am 18. Oktober 1653 unterrichtete Ferdinand III. den

173 Vgl.. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Colonna an Khurtz, 1652, fol. 7. 174 Siehe die Briefe der römischen Agenten Pietro Gicaomo Favilla und später Pietro Gia­ como Larzona-Favilla: AP, AS, Acta radicalia, capsa X, Nr. 196, 10. cs., fol. 42-50, 192-196, 296-299; 22. cs., fol. 7-9; 24. cs., fol. 141-143. 175 Die Memoranden an den Kardinal-Staatsekretär Fabio Chigi und Papst Innozenz X.: BAV, Chigi lat., vol. N II 72 (Variorum Romae 1652), fol. 202r-2 05v (Raggioni che ponno esser di motivo perché la santità di nostro signore promova l’arcivescovo di Strigonia); ASV, Mise., Arm. I, vol. 11, fol. 365r-3 6 6 v (Alla santità di nostro signore. Considerazione sopra i meriti dell’arcivescovo di Strigonia), und fol. 367'-368v (Alla santità di nostro signore. Considerazione sopra la persona e qualità dell’arcivescovo di Strigonia). - Die Briefe von Ferdinand III. und Erzbischof Lippay an den Papst, an den Kardinal Camillo Astalli-Pamhpili und den Kardinalprotektor Girolamo Colon­ na: ASV, Segr. Stato, Principi, vol. 63, fol. 33"; vol. 64, fol. 27r-2 8 v; vol. 66, fol. 265"; ebd., Vescovi e Prelati, vol. 34, fol. 320v; BAV, Chigi lat., vol. B I 5, Nr. 6; Subiaco, BSSS, Archivio Colonna, Carteggio Girolamo I, Nr. 222/1652; ebd., Souvrani, busta BL, Nr. 19. 176 Scipione d’Elci an Kardinal Fabio Chigi, Regensburg, 7. Juli 1653. BAV, Barb. lat. 6110, fol. 143-145 (ciffre). 177 Vgl. Kardinal Colonna an Ferdinand III., Rom, 8. Oktober 1653. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Colonna an Ferdinand III., 1653 [ord. cron.]. 3 0 8 Péter Tusor

Kardinalprotektor Girolamo Colonna, der die Aufgaben eines kaiserlichen Gesandten inne hatte, dass er im Namen der deutschen Nation - vermutlich dabei seine Verdienste auf dem Reichtag vor Augen habend - seine Nomi­ nation zu Gunsten des auch vom Papst vorgeschlagenen Regensburger und Osnabrücker Bischofs, Franz Wilhelm von Wartenberg, nach Rom geschickt habe178. Der durch den Erfolg Hessen-Darmstadts in Eifer geratene Wiener Hof hatte allen Anzeichen nach aus den Fiaskos der vergangenen zwei Jahrzehnte gelernt. Offenbar hatte er mit der Trautmannsdorf’schen Konzeption der Ex­ klusivität des italienischen Einflusses gebrochen und zur Konsolidierung Un­ garns bzw. zur Sicherung der dynastischen Position im Reich dem eine Schlüs­ selposition einnehmenden Kirchenfürsten den Vorrang gegeben. Der Wiener Hof griff nicht auf die Praxis der früheren Listennominierung zurück, aber durch die Anwendung einer nominatio plus einer commendatio gewährleistete er Rom eine gewisse Wahlmöglichkeit. (Dieses Verfahren war eigentliche eine Grundlage dafür, dass der Papst einen habsburgischen Untertanen sozusagen als eigene Kreatur ernennen konnte.) Bei einer derartigen Veränderung der Kardinalsernennungspolitik kam auch der zielbewussten Interessensdurchset­ zung des ungarischen Primas eine Rolle zu. Ein weiteres Beispiel für die bei der Kardinalsnominierung der Habsburger in den 1650er Jahren eingetrete­ ne und in Kenntnis des Verlaufes und der Ergebnisse der westfälischen Frie­ densverhandlungen überraschende Normalisierung ist, dass Ferdinand III. die Kardinalsambitionen des Johann Wieckhard von Auersperg179, der Nachfolger Carrettos in der Madrider Gesandtschaft wurde180, nicht unterstützte. Später erhielt auf ähnliche Weise auch Raimondo Montecuccoli keine Nominierung. Der unverheiratete Feldherr, der die schwedische Königin Christina nach Rom begleitete, wollte neben der Königin mit Hilfe des Kaisers seine kirchliche Kar­ riere einleiten. In Wien war man im Grunde genommen gegen die berechtig­ terweise Verwunderung auslösenden Bestrebungen des Generals, und auch in Rom war man nicht bereit, sich hinter ihn zu stellen181.

178 Subiaco, BSSS, Arch. Colonna, Souvr., bust. BL, Nr. 145. 179 Seine Biographie: G. M e c e n s e f f y , Im Dienste dreier Habsburger. Leben und Wirken des Fürsten Johann Weikhard Auersperg (1615-1677) (A/Ö Gl 14/2). Wien—Leipzig 1938, 297-509. 180 Melzi an Panziroli, Wien, 4. November 1648. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 145, fol. 200r-201r (ciffre). 181 Scipione d’Elci an den Staatssekretär Giulio Rospigliosi. Ebersdorf, 6. November 1655, und Wien, 12. Februar 1656. BAV, Barb. lat. 6110, fol. 274-276, und vol. 6112, fol. 117v—118r (ciffre). Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 309

Dadurch dass die Hofburg gerade diese Bischöfe182 der Aufmerksamkeit des Papstes Innozenz X. empfahl, hatte sie die Kurie vor eine ziemliche schwie­ rige Aufgabe gestellt. Früher konnte sie, die immer wiederkehrenden Fehlgriffe der kaiserlichen Diplomatie nutzend, entsprechende Argumente zur Verteidi­ gung ihres abwehrenden Verhaltens Vorbringen. Jetzt hatte sich die Situation geändert. Nachdem am 2. März 1654 in der Ewigen Stadt neun neue, aus­ schließlich aus hohen Beamten der Kurie kreierte Namen vorgelegt worden waren, brachte Ferdinand III. öffentlich seine Missbilligung zum Ausdruck. Er legte dar, dass der Papst, obgleich es sowohl für das Reich als auch für seine weiteren Länder in der Person Hessen-Darmstadts und Harrachs nur jeweils einen einzigen Kardinal gebe, in den letzten Jahren nicht einen einzigen emp­ fohlenen und der Auszeichnung für würdig befundenen Kandidaten berück­ sichtigt habe183. Seine Zeilen beweisen, dass er zu diesem Zeitpunkt ungeachtet des zweifachen Anspruchs und der formellen Rangordnung der Nominierten sich - vorerst — auch mit der Ernennung eines Kardinals begnügt hätte. Das Argument der Kurie, dass nach dem kronkardinalskreierenden Konsistorium von 1652 diesmal - traditionsgemäß - die päpstlichen Kreaturen folgen müss­ ten, hielt der Kaiser nicht für überzeugend. Das Übergehen des Graner Erzbi- schofes wurde auch in Ungarn mit großer Empörung aufgenommen184. Auch

182 B. A. G o l d s c h m i d t , Lebensgeschichte des Kardinal-Priesters Franz Wilhelm, Grafen von Wartenberg, Fürstbischof von Osnabrück und Regensburg, Minden und Verden. Osnabrück 1866; G. S c h w a i g e r , Kardinal Franz Wilhelm von Wartenberg als Bi­ schof von Regensburg (1649-1661) (Münchener Theologische Studien 1/6). München 1954; d e r s ., Kardinal Franz Wilhelm von Wartenberg, Fürstbischof von Osnabrück und Regensburg (1593—1661), in: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Re­ gensburg I, hrsg. von d e m s . {Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg2SI2A). Re­ gensburg 1989, 277-287; F. J ürgensmeier , Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischof von Osnabrück. Wahl und Informativprozess 1625-1626, in: Papsttum und Kirchen­ reform: Historische Beiträge. Festschrift für G. S c h w a i g e r zum 65. Geburtstag, hrsg. von M. W e i t l a u f f -K . H a u s b e r g e r . St. Ottilien 1990, 477-487; H. H o b e r g , Das Konzil von Trient und die Osnabrücker Synodaldedrete des 17. Jahrhunderts, in: Das Weltkonzil von Trient. Sein Werden un Wirken I—II, hrsg. von G. S c h r e i b e r . Frei­ burg 1951, II, 371-386; W. C. S c h r ä d e r , The catholic revival in Osnabrück and Minden 1591-1651. Catholic Historical Review 78 (1992), 1, 35-50; G. S c h r e i b e r , Tridentinische Reformdekrete in deutschen Bistümern. ZRg Kan. 38 (1952), 395- 442, hier 430f. 183 Kaiser Ferdinand III. an den Kardinal Colonna, Regensburg, 22. (27.) März 1654. Subiaco, BSSS, Arch. Colonna, Souvr., bust. BJ, Nr. 1; ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 59, Konv. Ferdinand III. an Colonna, 1654 [ord. cron.]. S. noch Kardinal Colonna an Ferdinand III., Rom, 8. Oktober 1653 und 7. März 1654. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Colonna an Ferdinand III., 1654 [ord. cron.]. 184 Paulus de Tauris an Lippay, Venedig, 24. April 1654. AP, AS, Act. rad., dass. X, Nr. 196, 20. cs., fol. 439-441. 3 1 0 Péter Tusor

Lippay selbst schrieb diesem Misserfolg am ehesten dem erneuten Aufkom­ men185 des Nepotismus zu186. Während des Pontifikats von Alexander VII. (Fabio Chigi, 1655—1667) versuchte der Graner Erzbischof, mit Unterstützung der Jesuiten187 und mit Hilfe einer persönlichen Empfehlung des Kaisers188 an sein Ziel zu kommen. Der römische Mittelsmann zur Leitung des Ordens war ein in der Ewigen Stadt lebender ungarischer Jesuit, und zwar der Schriftsteller Johann Nädasi185. Diesmal zogen der Papst und seine Umgebung die Ernennung des ungarischen Primas zum Kardinal ernsthaft in Erwägung. Dieser Schritt hätte im Einklang mit der Reformrichtung der Kurie gestanden, die das Ziel hatte, das Ansehen des Apostolischen Stuhles in Europa im Geiste squadron volante wiederherzu­ stellen. Aus Wien allerdings hatte man im Geheimen das Ansuchen des Herr­ schers für ungültig erklärt und mitgeteilt, dass man sich auch weiterhin in erster Linie über die Ernennung Wartenbergs freuen würde. Letztendlich aber entsprachen dem Jesuitenorden und den Interessen der Kurie der bekannte Geschichtsschreiber Sforza Pallavicini sowie die Person des Wiener Nuntius Scipione d’Elci besser190. Nach dem kardinalskreierenden Konsistorium vom 9. April 1657 nahm Lippay im wesentlichen von seinen römischen Bestrebun­ gen Abstand191. In Wien gelangte nach der Thronbesteigung Leopolds I. (1658-1705) im Frühling 1659 die Frage der Kardinalsempfehlung wieder auf die Tagesordnung. Innerhalb des Geheimen Rates unterstützten Auersperg und — bis zu seinem Tode — Ferdinand Siegmund Khurtz Bischof Wartenberg, Ferdinand von Por- zia und Johann Rot tal, die sich auf die Krankheit und das fortgeschrittene Alter des Regensburger Bischofs beriefen, Lippay. Ein weiteres Argument dem Re­

185 Vgl. W e b e r , Senatus divinus (wie in Anm. 30), 96f. 186 Seine Briefe an den ungarischen Hofkanzler, György Szelepchény, Bischof von Nyitra, Pozsony (Preßburg), 15. Juli 1653, 20. April 1654. MOL, Batthyány család levéltára, Missiles (P 1314), Nr. 29 322; MOL, MKA, Missiles (E 204), Iratok, Levelek [ord. alph. et cron.], 26. cs., fol. 566f. - Vgl. noch Paulus de Tauris und Szelepchény an Lippay, Rom bzw. Wien, 13. Juni und 6. Juli 1654. AP, AS, Act. rád., dass. X, Nr. 196, 21. cs., fol. 258-259, 373. 187 ARSI, Austr., vol. 6., fol. 131', und vol. 7, fol. 2T—22'. 188 Kaiser Ferdinand III. (di proprio pugno) an Papst Alexander VII., Wien, 2. Juli 1656. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 114, fol. 82 '-83v. 189 Nádasi an Lippay, Rom, 12. Juni 1655, und 30. Juli 1656. AP, AS, Act. rád., caps. X, Nr. 196, 24. cs., fol. 353-356; 28. cs., fol. 29-32. 190 Die Korrespondenz zwischen Scipione d’Elci, Nuntius in Wien, und dem Kardi- nal-Staatsekretär Giulio Rospigliosi: BAV, Barb. lat. 6112, fol. 124v— 125v; vol. 6111, fol. 280f.; BAV, Fondo Chigi, vol. N I 26, fol. 10v—11'; ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 32, fol. 86*. 191 Vgl. aber ARSI, Austr., vol. 7, fol. 177. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 311 gensburger Bischof gegenüber war, dass er als Kardinal auf dem Gebiet des Rei­ ches seiner zahlreichen Vorrechte wegen in Konflikt mit den örtlichen Klerikern geraten würde, wie dies das Beispiel von Hessen-Darmstadt bewiesen hatte. Wie kompliziert sich die Lage gestaltete, wird auch dadurch angezeigt, dass Porzia vorübergehend auch zu zwei italienischen Anwärtern tendierte. Paolo Savelli192 und einer der Trivulzis boten nämlich für ihre Nominierung 100000 Gold­ taler. Leopold selbst, der seiner in jüngster Zeit auf dem Frankfurter Reichstag eingenommenen Rolle wegen Vorbehalte gegenüber Wartenberg hegte, sah die Lösung in der Person des Salzburger Erzbischofs Guidobald Thun. Das Dilemma wurde letztendlich von dem kaiserlichen Beichtvater Phil­ ipp Miller entschieden. Der Jesuit erreichte unter Anführung der Unumgäng­ lichkeit der ungarischen und Reichsinteressen, dass der Herrscher seine Darle­ gungen endlich akzeptierte und nur Wartenberg und Lippay berücksichtigte und dem Papst als ersten den Regensburger Bischof nahelegte. Obgleich die kaiserliche Entscheidung auch durch den von Wartenberg in der Zwischenzeit nach Wien entsandten persönlichen Vertreter und seinen dem Bischof auf dem bevorstehenden Reichstag sicherlich nützlichen Dienst beeinflusst wurde, kann das Ergebnis eindeutig als Erfolg der päpstlichen Diplomatie angesehen werden. Denn der biedere Pater Miller wurde aus dem Hintergrund von keinem anderen als dem Nuntius Carlo Carafa gelenkt193. Bei dem Verhalten der Kurie spielte ganz sicher eine Rolle, dass Alexander VII. den bayrischen Bischof noch aus der Zeit der westfälischen Friedensverhandlungen persönlich kannte und schätz­ te194, und dass man damit rechnen konnte, dass der Schwerkranke nicht mehr lange einen Platz in dem Heiligen Kollegium einnehmen werde. Nach diesem lange Zeit dauernden Hin und Her wurde aufgrund der unter Mitwirkung der päpstlichen Diplomatie erfolgten Entscheidung am 2. Juni 1659 die kaiserliche Nominierung zu Gunsten des Regensburger Bischofs nach Rom gemeldet195. Als Folge davon erhielt Wartenberg am 5. April 1660 den Kardinalshut196.

192 Später, im Jahre 1665 wurde er Kardinal als päpstliche Kreatur. 193 Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe Leopolds I., Bd. I: 1657 Februar bis 1669 De­ zember, II: 1670 Mai-1679 August, hrsg. von A. L e v i n s o n (AfÖG 103, 106). Wien 1913-1918,1, 547-841, Nr. 149, 158, 162, 168, 173, 175, 177, 180; ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 444, fol. 279', 424'; vol. 445, fol. 249v-2 50r, 251T. 194 S. K. R e p g e n , Wartenberg, Chigi und Knöringen im Jahre 1645. Die Entstehung des Plans zum päpstlichen Protest gegen den Westphälischen Frieden als quellenkundli- ches und methodisches Problem, in: Dauer und Wandel der Geschichte. Aspekte eu­ ropäischer Vergangenheit. Festgabe für K. v o n R a u m e r , hrsg. von R . V i e r h a u s -M. B o t z e n h a r t . Münster 1966, 213-268. 195 Leopold I. an den Kardinalprotektor Colonna. Subiaco, BSSS, Arch. Colonna, Souvr., bust. BJ, Nr. 19. S. noch ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 445, fol. 62', 79', 81' (ciffre). 196 Vgl. ASV, Segr. Stato, Germania, vol. 446, fol. 201' (ciffre); ÖStA, HHStA, Rom, Hofkor- resp., Fz. 13, Konv. Leopold I. an Kardinäle, fol. 208. BAV, Barb. lat. 6886, fol. 66'v. 3 1 2 Péter Tusor

Der Erzbischof von Gran, der im Herbst 1658 und im Frühling 1659 den Herrscher und mehrere Mitglieder des Geheimen Rates persönlich um eine günstigere Rangordnung ersucht hatte, konnte nur dahingehend eine schrift­ liche Verpflichtung erhalten, dass nach Wartenberg seine Nominierung folgen werde. Von dieser Entscheidung ließ sich Leopold auch im Herbst 1659 auf Ersuchen des ungarischen Landtages nicht abbringen. Und obwohl der Beför­ derung Wartenbergs folgend nach langem Warten Lippay der an erster Stelle stehende kaiserliche Favorit wurde, erlebte er das folgende Kronkardinalskon- sistorium nicht mehr197. Nach seinem Tode im Januar 1666 erhielt der Salzbur­ ger Bischof Thun seine Nomination198, den Alexander VII. im darauffolgenden Jahr zum Mitglied des papstwählenden Gremiums ernannte199.

* * *

Sowohl die Ernennung Thuns als auch die Wartenbergs bedeuteten für Wien einen „verlorenen Kardinalshut“ (capello buttato), denn beide starben in­ nerhalb eines Jahres nach ihrer Kreierung. In den Jahren zwischen 1652 und 1667 erbrachte die als gemäßigt zu bezeichnende Kardinalsnominierungspo­ litik der Habsburger mehr konkrete Ergebnisse als die eigenmächtigen Forde­ rungen in den Jahrzehnten davor200. Die Kurie legte nach dem Westfälischen Frieden ein übertrieben ver­ schlossenes Verhalten gegnüber der Ernennung von nationalen Kardinälen an

197 Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe (Dispacci di Germania) II/1, hrsg. von A. F. P r i b r a m . Wien 1901, 171, 217, 284; Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im siebzehnten Jahrhundert, I; K. Mathias bis K. Ferdinand III., II: K. Leopold, hrsg. von J. F ie d l e r (FRA 26/27). Wien 1866/1867, II, 43-99, bes. 79. Siehe noch L e v i n s o n , Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe (wie in Anm. 193), und die Briefe von Lippay an Johann Rottal: MOL, Nádasdy cs. lt., (P 507), Levelezés, series A/V/460 t. (12. cs., fol. 304, 306), und an den Palatin Ferenc Wesselényi (1658—1659): MOL, MKA, Archívum familiae Wesselényi (E 199), A (Ira­ tok), II. tétel, 65. sz., Nr. 5-7, 14, 17 (4. cs.). 198 Privatbriefe Kaiser Leopolds I. an den Graffen F. E. Pölting 1662—1673, Bd. I, hrsg. von A. F. P r i b r a m {FRA 11/56). Wien 1903, Nr. 84. 199 Siehe die Briefe von Michele Orsucci an den Kardinal Harrach, Rom, 6. und 20. Fe­ bruar 1666. ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 148 [ord. cron.J; und ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorresp., Fz. 13, Konv. Leopold I. an Kardinale, 1666, fol. 1; Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Hessen-Darmstadt an Leopold I., 1667, fol. 77. 200 Die Ernennung der Wiener Nuntien Camillo Melzi, Scipione d’Elci und Carlo Caraf- fa, später dann noch Giulio Spinola, Antonio Pignatelli, Mario Albrizzi und Francesco Buonvisi werden hier nicht berücksichtigt, denn sie waren ja eigentlich Nominierte des Papstes. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 3 1 3 den Tag, sie zeigte sich selbst in den als begründet zu bezeichnenden Fällen abweisend und wandte eine Verzögerungstaktik an. Im Gegenteil, im Falle Wartenbergs konnte sie nach einem halben Jahrhundert abermals die Ent­ scheidung Wiens beeinflussen. Dieses Auftreten stand nicht in Übereinstim­ mung mit der in bedeutendem Maße verringerten weltlichen Macht und dem in den Fiintergrund gedrängten spiritualen Ansehen des Papsttums in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Gleichzeitig aber sei zur Entlastung Roms gesagt, dass jegliches Zugeständnis den Flabsburgern gegenüber auch anderen Staaten den Weg zu Forderungen geöffnet hätte. Es lässt sich mit den in den Vordergrund getretenen inneren Interessen der Kurie erklären, dass die päpstli­ che Entscheidungsfindung von der des Reiches sorgfältig getrennt erfolgte und dass über die persönlichen Ambitionen des Graner Erzbischofs hinaus auch die ungarischen Ansprüche nach Wahrung der historischen Rechte des Lan­ des und nach Verwirklichung einer Art eigener internationaler Repräsentation nicht berücksichtigt wurden.

V. Die Tatsache, dass sich die Kardinalsernennungen zwei Jahrzehnte lang nicht der nach dem Westfälischen Frieden stattgefundenen europäischen Machtumgruppierung angepasst hatten, führte in den letzten Jahren Alexan­ ders VII.201 und dann nach seinem Tode zu einer Serie von Krisen, die weitaus schwerer waren als früher. Obwohl das politische Gewicht des Kirchenstaates in den Fiintergrund gedrängt worden war, blieb das Interesse der Großmächte an der Zusammensetzung des Kardinalskollegiums unverändert bestehen, ja, noch mehr, es steigerte sich. Das Problem der Kronkardinalsernennung trat zu dieser Zeit aus dem undurchsichtigen Bereich der Spitzendiplomatie heraus und gelangte in den Mittelpunkt der internationalen Politik202. Nach dem das

201 S. Sopra la nomina de cardinali delle corone, ÖStA, AVA Arch. Harrach, Kard. Ernst, Korresp., Kart. 148, s. f., s. d. (Schreiben von Michele Orsucci, 1665); eine spätere Kopie: Fürstlich Lichtensteinische Fideikomißbibliothek, vol. 2/6/27, fol. 150v— 154r. Diese wichtige Quelle ist also nicht im Jahre 1667 entstanden, wie es Pastor behauptet (Geschichte der Päpste XIV [wie in Anm. 14], 396, Anm. 4). 202 Folglich waren die Ereignisse in der Geschichtsschreibung bereits gut bekannt. Neben weiterer — hauptsächlich französischer — Fachliteratur siehe: Pa s t o r , Geschichte der Päpste XIV, 394-397, 548-552, 640-647; B. S c h n e i d e r , Das Papsttum zur Zeit der Hegemonie Frankreichs, in: Handbuch der Kirchengeschichte V: Die Kirche im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, hrsg. von H. J e d i n . Freiburg-Basel— Wien 1970, 121-151, hier 121—133; J. F. B r o d e r i c k , The Sacred College of Cardinais. Size and Geographical Composition (1099—1986). AHP 25 (1987) 7—72, hier 53f.; L e v i n s o n , Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe (wie in Anm. 193), I—II, passim; und 3 1 4 Péter Tusor

Papsttum offen demütigenden Friedensvertrag von Pisa im Jahre 1664 ver­ suchte Ludwig XIV., auch auf diesem Gebiet seine ffegemonie zu verwirkli­ chen. Er überflutete die Kurie mit Unmengen von Nominierten und forderte die Erhöhung der Mitgliederzahl des Heiligen Kollegiums von 70 auf 100 Per­ sonen203. Die Situation artete dahingehend aus, dass sein Gesandter bei einer Gelegenheit Papst Klemens X. (1670—1676) gegenüber handgreiflich wurde204. Auch der Wiener Hof ließ sich seit 1667 vehementer vertreten. Hes­ sen-Darmstadt übte als Protektor des Reiches und der Erblande die Aufgaben eines kaiserlichen Gesandten aus. Eine seiner Hautaufgaben bestand darin, den maßlosen Bestrebungen der Franzosen entgegenzutreten, allerdings war er nicht in der Lage, deren Vorstöße zu verhindern205. Kaiser Leopold war mehrfach gezwungen, seine Übergehung hinzunehmen, was durch die Ernennung des Fuldaer Paters Bernhard Gustav von Baden-Durlach im Jahre 1671/72 nur wenig gelindert wurde, zumal der Prager Erzbischof Kardinal Harrach zu dieser Zeit schon viele Jahre nicht mehr unter den Lebenden weilte206. Auch Wien schreckte nicht vor einer früher unvorstellbaren aggressiven Druckausübung zurück, ob­ wohl diese Aggressivität nicht mit der Ludwigs XIV. gleichgesetzt werden kann. Von 1672 bis 1685 unterbreitete Kaiser Leopold Klemens X. und Inno­ zenz XI. (1676—1689) kontinuierlich immer wieder zwei Personen. An erster Stelle stand sein Vertrauter, der Malteser-Ritter Franz August Waldstein207, den er nach 1675 nach Rom entsenden wollte208, um den in der Zwischenzeit - teils

besonders M e c e n s e f f y , Im Dienste dreier Habsburger (wie in Anm. 179), 462-502, bes. 481-485, 490-499. 203 Siehe die Beilage des Briefes von Kardinal Hessen-Darmstadt an Kaiser Leopold I., Rom, 19. Januar 1669. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, Konv. Hessen Darmstadt an Leopold I., 1669, fol. 216, 221, bzw. 217—220. 204 S c h n e i d e r , Das Papsttum zur Zeit der französischen Hegemonie (wie in Anm. 202), 133. 205 Vgl. ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 58, 60, Konvolut Hessen-Darmstadt an Leopold I, passim (zum Beispiel 30. November 1669, fol. 315—319; 29. November 1670, fol. 137f.; 19. Dezember 1671, fol. 86f.; September-Oktober 1674, fol. 36—58). 206 L e v i n s o n , Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe (wie in Anm. 193), I, 598—606, 816— 831, Nr. 514-538; bzw. II, 495-728, bes. 506-509, 587, Nr. 15; 590, Nr. 24; 592, Nr. 31; 601f., Nr. 47; 603f„ Nr. 54-56; 607-609, Nr. 68; 609f, Nr. 70. Kaiser Leo­ pold I. an den Kardinal Albertoni-Altieri, Wien, 4. Juli und 31. Juli 1671. ASV, Segr. Stato, Principi, vol. 97, fol. 367'—368v, fol. 416'—417V. 207 ÖStA, HHStA, Rom, Dipl. Korresp., Fz. 59, Konv. Leopold I. an Hessen-Darmstadt, 1672, fol. 235 und s. f. (30. Dezember 1672); Fz. 60, Konv. Hessen Darmstadt an Leopold I., 1672, fol. 95, und Konv. 1673, fol. 65f.; Die Relationen der Botschafter Venedigs (wie in Anm. 197), II, 143—167, 152. 208 Nuntius Mario Albrizzi an den Kardinalnepoten Pauluzzo Albertoni-Altieri. Wien, 6. Juli 1675. Levinson, Nuntiaturberichte vom Kaiserhofe (wie in Anm. 193), II, 676f„ Nr. 177. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 3 1 5 der Diskussionen um die Kardinalsernennung wegen — in Ungnade gefallenen und sich nach Breslau begebenen habenden Hessen-Darmstadt zu ersetzen209. An zweiter Stelle stand der Graner Erzbischof Georg Szelepchenyi, der die Bestrebungen seines Vorgängers fortsetzte. Klemens X. allerdings wies beide entschieden zurück210. Um den Drohungen der Großmächte zu entgehen, sah er keinen anderen Ausweg, als keinen einzigen Kronkardinal mehr zu ernen­ nen. Durch diese Verzögerungstaktik spitzte sich die Lage bis zum Äußersten zu. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger war Innozenz XI. geneigt, Szelepche- ny zu ernennen. In der zweiten Hälfe der 1670er Jahre trug der ungarische Primas durch seinen regelmäßigen und detaillierten Nachrichtendienst dazu bei, dass sich die päpstliche Außenpolitik nach Osten richtete211. Aus seinen im Interesse seiner Kardinalsernennung unternommenen Schritten kann man auf seinen Anspruch auf eine Rolle ähnlich der, die im späten Mittelalter die Kar­ dinallegaten im Kampf gegen die Türken spielten, schlussfolgern. Der Ode- scalchi-Papst war eindeutig bereit, auf eine derartige Lösung einzugehen. Der übertriebenen Forderungen und unannehmbaren Nominierungen der Fran­ zosen, im besonderen Tussaint du Forbin Jansons, Bischofs von Marseille und später von Beauvais, wegen war auch er gezwungen, für lange Zeit von einer Kronkardinalsernennung Abstand zu nehmen. Auch in diesem Falle fehlte die entschlossene Unterstützung des Wiener Hofes für den ungarischen Primas, trotzdem wurde er nach dem Tode Waldsteins seit 1684 bis zu seinem Tode im darauffolgenden Jahr der einzige von Habsburg Nominierte. Wenn er am Le­ ben geblieben wäre, hätte man seine Kardinalsernennung am selben Tage mit

209 Ebd., II, 550-556, 586, Nr. 14; 602f„ Nr. 48-53; 604f„ Nr. 57f.; 607-609, Nr. 68; 614E, Nr. 78; 624f„ Nr. 90; 666-669, Nr. 158-163; 670-672, Nr. 166-169; 675, Nr. 175; u n d S chwerdtfeger , Friedrich von Hessen Darmstadt (wie in Anm. 151), 181-188, 191-193, 194-204. 210 Siehe Anm. 207, und ASV, Segr. Stato, Principi, vol. 98, fol. 462", 463r-4 6 4 v, 466"; ebd., Germania, vol. 35, fol. 290v-291y; vol. 192, fol. 2 0 —21'; Pozsonyi, Állami Terü­ leti Levéltár (Bratislava, SOBA, Archívum Provinciae Marianae OFM [Archív Ma- riánskej Provincije Frantiskánov]), ladula 60, fasc. 2, Nr. 3/e, f; ASV, Ep. ad Princ., vol. 70, fol. 274"; T. V a n y ó , A bécsi nunciusok jelentései Magyarországról 1666— 1683. Pannonhalma 1935, Nr. 115f. 211 Die Korrespondenz von Szelepchény mit Papst Innozenz XI. und Kardinai Cybo: ASV, Segr. Stato, Vescovi e Prelati, vol. 62-67, 69, passim; Massa, Archivio di Sta­ to, Archivio Cybo-Malaspina, Archivio Alderano Cybo, vol. 65, Nr. 62, 84, 136; vol. 66, Nr. 35; vol. 87, parte V, Nr. 19, parte VIII, Nr. 32; ASV, Ep. ad Princ., vol. 73, fol. 58v-59', 222v-223r, 254", 284v-285r; J. J. B e r t h i e r , Innocentii PP. XI Epistolae ad Principes, I: Annis I-V (3. Oct. 1676-20. Sept. 1681), II: Annis VI—XIII (24. Sept. 1681—6. Aug. 1689). Romae 1890—1895, passim. 3 1 6 Péter Tusor

der Befreiung Ofens (Buda) in Rom publik gemacht. Dessenungeachtet hätte dies aber nur eine symbolische Bedeutung gehabt212. Nach dem Tode Szelepchenys legte Wien dem Papst fast sofort die Namen von Leopold Kollonich, Johann von Goes, Bischof von Gurk213, und dann noch Maximilian von Kütenburg, Erzbischof von Salzburg, vor. Am 2. September 1686 kam es zur Ernennung von allen dreien, gemeinsam mit zwei polnischen, zwei spanischen und einem portugiesischem (sowie zahlreichen italienischen) Prälaten. Der Odescalchi-Papst nahm im Bewusstsein der die Türken aus Ungarn vertreibenden Siege der Heiligen Liga das Risiko des vollkommenen Übergehens Frankreichs auf sich. Es schien, dass seit den 1650er Jahren eine sich auf dem Boden der Realität bewegende und etwas zurückhaltender als die der Franzosen geführte kaiserliche Politik endlich zum Erfolg geführt hatte.

* * *

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stand in der Kardinalsernen­ nungspolitik der Habsburger mehr oder weniger konsequent einerseits die Kardinalsernennung der an der Spitze der wichtigeren Bistümer stehenden deutschen und ungarischen Bischöfe, andererseits die Gewährleistung der An­ wesenheit höchster deutscher Kleriker in der Kurie im Vordergrund. Das Expe­ rimentieren mit italienischen Nominierten und das engere Zusammenwirken mit den Spaniern wurde fast vollkommen aufgegeben. Letzteres hauptsächlich des rücksichtslosen Vorgehens Frankreich wegen, das die kaiserlichen Interes­ sen stark gefährdete214. Zu dieser Zeit verringerte sich die Durchsetzungsfä­ higkeit italienischer Familien und anderer Selbsternannter im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahrhunderts auffallend. Der Einfluss der Geheimräte, die persönliche Überzeugung des Herrschers erwiesen sich selbstverständlich auch weiterhin als bestimmender Faktor, aber die verschiedenen Standpunkte be­ wegten sich mehr und mehr auf die möglichst vollkommene Durchsetzung der Staatsinteressen zu. Verglichen mit den früheren Jahrzehnten sind die selbst­ ständigen Initiativen der kaiserlichen Interessenvertretung in Rom, die sich auf einen Kardinalsprotektor beschränkt hatten, fast vollkommen verschwunden. Die Rolle Girolamo Colonnas, Friedrichs von Hessen-Darmstadt, dann Carlo

212 Bratislava (Pozsony), SOBA, Arch. Prov. Mar., lad. 60, fase. 2, Nr. 2, 7, 8, 9; ASV, Segr. Stato, Principi, vol. 105, fol. 156"; ÖStA, HHStA, Geheime Österreichische Staatsregistratur, Fz. 12, pars 13, Nr. 1-6 [Kart. 15]; ASV, Ep. ad Princ., vol. 73, fol. 177r. 213 BAV, Vat. Lat. 9712, fol. 149-160. 214 Siehe zum Beispiel Anm. 205! Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 3 1 7

Pios von Savoyen bzw. Carlo Medicis beschränkte sich im Grunde genommen auf die möglichst präzise Durchsetzung der Anweisungen Wiens. Der Konsensus in den 1680er Jahren allerdings erwies sich - ähnlich des letzten gemeinsamen Auftretens der Großmächte, das Dank der Organisie­ rung eines internationalen Zusammenschlusses gegen die Türken durch das Papsttum zustande gekommen war - als kurzlebig. Nachdem Alexander VIII. (1689—1691) Tussaint du Forbin Janson die Kardinalswürde verliehen, Leo­ pold I. aber übergangen hatte (Küenburg starb 1687), protestierte der Kaiser stärker als jemals zuvor. Der durch die Eroberung des gesamten Territoriums Ungarns bedeutend erstarkte Habsburger brach zeitweilig auch die diplomati­ schen Verbindungen zum Apostolischen Stuhl ab215. In der Geschichte der Habsburg-Nominierungen trat zu diesem Zeit­ punkt die Wende ein, durch die im Grunde genommen im 18. Jahrhundert die Basis für die keinen Widerspruch duldenden kaiserlichen Nominierun­ gen geschaffen wurde216, die als Recht des österreichischen Kaisers auch im 19. Jahrhundert weiterlebten217 und auf denen der bis heute lebende Kardinals­ stuhl-Charakter Wiens beruht. Die Veränderung, die in der dem Kirchenober­ haupt durch die Kanones vollkommene Freiheit gewährenden Frage eingetre­ ten war, symbolisiert, dass die sich im westfälischen Friedensvertrag zeigende Marginalsierung des Papsttums zu dieser Zeit unwiderruflich geworden war. Und zu all dem gelang es 1747 Maria Theresia (1740-1780) noch, in Form eines Konkordats von Benedikt XIV. (1740-1758) anerkennen zu lassen, dass es, insofern die kaiserliche und die ungarische Krone von zwei verschiedenen Personen getragen würde, das gesetzliche Recht (!) letzterer sei, Kardinäle zu

215 Kaiser Leopold I. an das Kardinalskollegium, Wien, 19. Dezember 1690. Das Ori­ ginalschreiben: Massa, Archivio di Stato, Arch. Cybo-Malasp., Arch. Aid. Cybo, voi. 39, Nr. 67. Ebd., Nr. 68f ; S. B ischoffshausen , Papst Alexander V ili, und der Wiener Hof (1689-1691). Stuttgart-Wien 1900, 166-169, und passim; J. S c h e f f - l e r , VIII. Sándor pápa és a bécsi udvar 1689-1691. A vatikáni levéltár okmányai alapján. Ungvár 1914, 54-108; ÖStA, HHStA, Rom, Varia, Fz. 11, fol. 702—704; E. G a r m s -C o r n i d e s , Scene e attori della rappresentazione imperiale a Roma nelPultimo Seicento, in: La corte di Roma tra Cinque e Seicento (wie in Anm. 13), 509-535. 216 S. etwa: BAV, Barb. lat. 6626, fol. 101rv; ebd., Vat. lat. 9712, fol. 161-169, 135-148, 170-224; ASV, A.A., Arm. I—XVIII, Nr. 2981-3005. Osservazioni sopra le promozio­ ni cardinalizie fatte dal Pontificato di Clemente X° fino al presente di papa Clemente XII felicemente regnante, ÖStA, AVA, Arch. Harrach, Handschriften; H u b e r , Öster­ reich und der Hl. Stuhl (wie in Anm. 12), 184-196. 217 Vgl. A. M e s z l é n y i , A jozefinizmus kora Magyarországon (1780-1846). Budapest 1934, 142, 317—328, 367—372, 380fi; d e r s ., Magyar hercegprímások arcképsorozata (1707-1745). Budapest 1970, 280, 119-202, 307f., 340f„ 372; G. W r i g h t , Die Kar- dinalsbirett-Aufsetzung in der theresianisch-josephinischen Zeit (Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 17). Wien 1978, lf. 3 1 8 Peter Tusor nominieren218. Dieses schriftlich gewährleistete Privileg kennzeichnet den ver­ späteten Erfolg der Anstrengungen, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun­ derts von den Primaten Ungarns zur Errichtung eines Graner Kardinalsstuhles unternommen worden waren219.

218 ASV, A.A., Arm. I-XVIII, Nr. 612, besonders fol. 7f., 15f., 23, 30f„ 45f., 49-53, 57f. (Pactum initum inter Benedictum XIVet Ungariae reginam super nominationem ad cardinalatum an. 1747, bzw. Concordatum de acceptanda a pontifice praesentatione [!] promovendi ad cardinalatum pro regno Hungariae quoties tale regnum non possideatur ab ipsomet imperatore 12. M artii 1747). Vgl. noch V. F r a k n ó i , A magyar királyi kegyúri jog Szent Istvántól Mária Teréziáig. Budapest 1895, 466-471; d e r s ., Oklevéltár a magyar királyi kegyúri jog történetéhez. Budapest 1899, 334-336, Nr. 226f. 219 Meine Monographie mit Editionen der wichtigsten Texte: Purpura Pannonica. Az esztergomi „bíborosi szék“ kialakulásának előzményei a 17. században (Collectanea Vaticana Hungariae 1/3). Budapest—Róma 2005. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 3 1 9

ANHANG

1. Wien, 15. Mai 1620. Kaiser und König Ferdinand II. an seinen römischen Botschafter Paolo Savelli220 (Roma, Archivio di Stato, Archivio Giustiniani, busta 96, vol. 11 [ord. cron.] - Original)

Ferdinandus secundus divina favente clementia electus Romanorum imperator semper augustus etc. Illustris fidelis dilecte. Ultra peculiarem instructionis nostrae Caesare­ ae punctum et officia diversis iam ante vicibus interposita denuo sanctitatem suam et cardinalem Burghesium ferventer requirimus, ut de comite Eitelio Friderico ab Hohenzollern in cardinalium collegium adsciscendo conveniens primae petitionis221 nostrae ratio habeatur. Ea namque de causa proprium cur­ sorem hunc expedivimus, ut voti nos compotes redditos, siquidem creandorum cardinalium tempus prope absit, quam citissime nobis renuntiet, spectat enim potissimum ad existimationem et auctoritatem nostram imperialem, spectat ad imperii decus aequis et cum Ecclesiae dignitate coniunctis desideriis nostris non minus, imo magis quam reliquorum regum et principum commendatio­ nibus hac in parte deferri, neque vero, si praeter spem secus accideret, facile id dissimulare possemus. Volumus itaque, ut litteris hisce redditis sensum illarum oportune prosequamini, et quibuscunque argumentis, quae priora rescripta nostra abunde vobis suppeditabunt, animum sanctitatis suae, cui, quae nostra ex parte debebantur, obsequenter iam praestitimus, in vota nostra flectatis, suc­ cessum avide praestolamur, et gratia nostra Caesarea benigne complectimur. Datum in civitate nostra Viennae, die decima quinta mensis Maii, anno Domini millesimo sexcentesimo vigesimo, regnorum nostrorum Romani pri­ mo, Hungarici secundo et Bohemici tertio. [m.pl\ Ferdinandus Ad mandatum sacrae Caesareae maiestatis proprium [m.p] Hermannus Questenberg

220 Zur kaiserlichen Gesandtschaft Savellis in Rom s. neuerdings: I. Fosi, La famiglia Sa­ velli e la rappresentanza imperiale a Roma nella prima metà del Seicento, in: Kaiserhof - Papsthof (wie in Anm. 3), 67-76. 221 Zu den primae preces: R . R e i n h a r d t , Der Kampf der römischen Kurie gegen die nicht-königlichen Ersten Bitten in der deutschen Reichskirche (1. Hälfte des 18. Jahr­ hunderts). ZRgKan. 55 (1969), 282-321. 3 2 0 Péter Tusor

2. Wien, 15. Mai 1620. Kaiser und König Ferdinand II. an Papst Paul V (Roma, Archivio di Stato, Archivio Giustiniani, busta 96, vol. 11 [ord. cron.] - Kopie)

Beatissime etc. Meminit sanctitas vestra, quam diligenter eidem atque sollicite honora­ bilem et generosum nostrum sacri imperii fidelem dilectum, Eitelium Fride- ricum comitem ab Hohenzollern, metropolitanarum ecclesiarum Colonien- sis, Magdeburgensis et Argentinensis praepositum tum per litteras, tum per officia alias interposita ad purpuram commendaverimus. Nunc cum tempus sacri illius collegii redintegrandi prope adesse intelligamus, etsi desiderii nostri aequitas et paterna sanctitatis vestrae nobis gratificandi voluntas pluribus ar­ gumentis perspecta omnem animo nostro scrupulum eximat, in evidens tamen testimonium, quanti beneficium hoc aestimaturi simus, denuo sanctitatem ve­ stram litteris hisce per proprium cursorem missis obnixe rogandam duximus, uti reverente [!] tandem affectum rogamus, dignetur nunc tandem eundem comitem, cuius praeclara merita favorem nostrum et hanc dignitatis accessio­ nem non vulgariter merentur, inter primos sacro cardinalium collegio adscri- bere, atque ita suspensam hactenus totius nationis Germanicae expectationem, quae a benigno sanctitatis vestrae adnutu pendet, in solidam communis patriae laetitiam transformare. Alias rationes non superaddimus, ne, quod a sanctitatis vestrae benevolentia sponte sua promanabit, opressis persuasionibus impetrare velle videamur. Agnoscit enim sanctitas vestra praeter afflictum religionis in imperio statum, praeter eximiam dicti comitis prudentiam, integritatem, reli­ gionis zelum, rerum usum et natalium splendorem quantopere id ad existima­ tionem nostram pertineat, si in illo commendando, quem benigniore quoque calculo suo sanctitas vestra approbaverit, nec iudicium, nec fiduciam nostram aberrasse universus orbis intelligat. Nos, quae debemus, filialis amoris et ob­ servantiae studia sanctitatis vestrae venerabundi deferimus, et prosperrimos rerum omnium successus ex animo optamus. Datum Viennae, die 15 Maii anno 1620. Kardinalsnominierungen der Habsburger im 17. Jahrhundert 321

3. Wien, 2. November 1620. Kaiser und König Ferdinand II. an seinen römischen Botschafter Paolo Savelli (Roma, Archivio di Stato, Archivio Giustiniani, busta 96, vol. 11 [ord. cron.] — Original)

Ferdinandus secundus divina favente clementia electus Romanorum im­ perator semper augustus etc. Illustris fidelis dilecte. Non dubitamus etiamnum recenti vos tenere me­ moria, quam enixe ferventerque comitis Eitelij Friderici ab Hohenzollern per­ sonam ad sacrum purpuratorum patrum collegium sanctitati suae tum per litteras, tum vestra quoque opera aliisque modis oportunis crebrius iteratis commendaverimus, idque reipublicae potissimum tum nostri quoque et ipsius comitis causa, et reipublicae quidem ob deploratum in tota pene Germania, et ad praecipitium vergentis religionis catholicae statum, quem haereticorum potentia infidelium viribus permixta uti magno nisu percellit, ita a principum quoque nostrorum incuria et timidis tepidisque consiliis, dum sua quisque magis quam publica spectat, non leviter prosterni, res ipsa loquitur. Qua sane ratione permoti subito a primis susceptae gubernationis nostrae imperialis aus­ piciis, dum vix Francofurto movissemus, eum sanctitati suae virum magna sollicitudine proposuimus, quem longo rerum usu negotiis imperii tum ec­ clesiasticis, tum politicis innutritum celebri familia oriundum praeclaris ani­ mi ingeniique dotibus praecellentem in omnia suffecturum noveramus, et qui in isthac Ecclesiae specula constitutus languescentis in Germania religionis necessitates sanctitati suae tempestive repraesentare, morbique originem et in­ crementa una cum remediis digito velut intenso commonstrare potuisset. Et hanc quidem curam nostram tum ex recepto antiquitus more, tum etiam pro singulari observantiae nostrae filialis fiducia dignam arbitrabamur, cui iam pri­ dem, uti in caeteris consuevit, paterna sanctitatis suae benevolentia respondis­ set. Id nunc eo magis particulatim nostra interest, ne honesto desiderio nostro diutius frustrati, qui maiestatis imperialis praerogativa et venerabundo sanctae sedis apostolicae cultu reliquos orbis Christiani reges et principes antecedi­ mus, qui primogeniti ecclesiae titulo honorifico gaudemus, aliis a sanctitate sua neglectim posthabiti videamur, quod haud dubie plurima apud imperii principes et electores offensae variarumque suspicionum argumenta secum tra­ het. Minus cunctabunda atque difficilis sanctitas sua desiderio praedecessoris nostri, imperatoris Matthiae augustae memoriae cardinalem singulari benigni­ tate extra ordinem etiam tribuit, cum tamen ultra sincerum amoris nostri stu­ dium et fervens de sanctitate sua atque sede apostolica optime merendi deside­ rium, quo nulli cedimus, plurima alia concurrant, quibus prompta sanctitatis suae nobis gratificandi voluntas longe merito promptior faciliorque reddatur. 3 2 2 Péter Tusor

Benigne igitur clementerque a vobis postulamus, ut impetrata, dum id com­ modum videbitur, audientia sanctitati suae referatis conservare nos etiamnum memoriam promissionis nobis factae, quod in creandis cardinalibus primam primae petitionis nostrae rationem habitura foret, eiusdemque fructum avide nos praestolari, eumque in finem denuo proprium hunc cursorem expedivisse. Neque enim latere sanctitatem suam posse, quanti religionis catholicae, quanti supremae auctoritatis nostrae imperialis, quanti universae Germaniae inter­ sit, ut voto nostro quamprimum, et, si fieri queat, extra ordinem potiamur. Haec serio atque graviter sanctitatis suae repraesentabitis, ita tamen ne, quid animum illius exasperet, quod prudentiae et dexteritati vestrae confidimus, et ut omnino intelligat officia haec non aliunde, quam a proprio mentis nostrae sensu proficisci. Hoc ipsum cardinali quoque Burghesio diligenter insinuari, omnibusque nervis ulteriora temporum dispendia evitari cupimus, quod per­ gratum nobis fuisse, et ipsi et vobis beneficentia nostra Caesarea per occasio­ nem testificabimur. Datum in civitate nostra Viennae, die secunda mensis Novembris anno Domini MDCXX°, regnorum nostrorum Romani secundo, Hungarici tertio, Bohemici vero quarto. [m.p] Ferdinandus Ad mandatum sacrae Caesareae maiestatis proprium [m .p .] Hermannus Questenberg DThC Dictionnaire de Théologie Catholique EAA Enciclopedia delTArte Antica EAM Enciclopedia dellArte Medievale EC Enciclopedia Cattolica EI Enciclopedia Italiana EUA Enciclopedia Universale dellArte FlorMitt Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz FRA Fontes Rerum Austriacarum ESI F ontiper la Storia d ’Italia GazBA Gazette des Beaux-Arts HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv HJb Historisches Jahrbuch HVjS Historische Vierteljahrschrift HZ Historische Zeitschrift IHS Innsbrucker Historische Studien JAC Jahrbuch fü r Antike und Christentum JbKhIUG Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Graz JbKHM Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums in Wien (bis 1918: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, von 1918 bis 1999: s. JbKhSW) JbKhSW Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien (bis 1918: Jahr­ buch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, ab 1999: s. JbKHM) JÖB Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik (ab 1968: s. JÖBG) JÖBG Jahrbuch der österreichischen Byzantinistischen Gesellschaft (bis 1968: s. JÖB) JbPrKs Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen JSAH Journal ofthe Society of Architectural Historians JWCI Journal ofthe Warburg und Courtauld Institutes Kriegsarchiv LC1 Lexikon der Christlichen Ikonographie LMA Lexikon des Mittelalters LThK Lexikon fü r Theologie und Kirche LTUR Lexicon Topographicum Urbis Romae I—VI, hrsg. von E. M . Steinby. Roma 1993-2000 M ansi J. D. M ansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio. Flo­ renz-Venedig 1757-1798 MarbJbKw Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft Mededeelingen Mededeelingen von het Nederlandsch Historisch Instituut te Romen MEFRA Mélanges de l ’École Française de Rome. Antiquité MEFRIM Mélanges de l ’École Française de Rome. Italie et Méditerranée MEFRM Mélanges de l’École Française de Rome. Moyen Age MGH Monumenta Germaniae Historica AA Auctores antiquissimi DD Diplomata LL Leges SS Scriptores (die weiteren Reihen in verständlichen Kürzungen) MüJbBK Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst MIÖG (MÖIG) Mitteilungen des Instituts fü r österreichische Geschichtsforschung (1923- 1942: des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung; 1944: des Instituts fü r Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien) MÖStA M itteilungen des Österreichischen Staatsarchivs NA Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde NapNob Napoli Nobilissima. Rivista di topografia ed arte napoletana NDB Neue Deutsche Biographie ÖAW Österreichische Akademie der Wissenschaften ORI. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815—1950 ÖNB Österreichische Nationalbibliothek ÖStA Österreichisches Staatsarchiv ÖZKD Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege PG Patrologia Graeca PL Patrologia Latina PO Patrologia Orientalis QuadArchit Quaderni dell’Istituto di Storia dell’Architettura. Facoltà di Architettura. Università di Roma QFIAB Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken RAC Reallexikon fü r Antike und Christentum RassArte Rassegna d ’Arte antica e moderna RBS Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores RDK Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte RE Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft RepFont Repertorium Fontium RH Revue Historique RHE Revue d’Historie Ecclésiastique RHGF Recueil des Historiens des Gaules et de la France RHM Römische Historische Mitteilungen RLS (RIS2) L. A. M u r a t o r i , Rerum Italicarum Scriptores ... . Mailand 1723— 1751, bzw. Editio altera. Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italian i... ordinata da L. A. M u r a t o r i . Nuova edizione riveduta ... . Città di Castello (ab 1917: Bologna) 1900fF. RivArte Rivista d’Arte RömJbBH Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana (vor 1989: s. RömJbKg) RömJbKg Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte (ab 1989: s. RömJbBH) RömQua Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und (für) Kir­ chengeschichte RSI Rivista Storica Italiana RStCh Rivista di Storia della Chiesa in Italia SB Sitzungsberichte (allgemein) SC Sources Chrétiennes Städeljb Städel-Jahrbuch StM Studi Medievali StT Studi e Testi T h i e m e -B e c k e r Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. (begründet) von U. T h i e m e und F. B e c k e r .Leipzig 1907-1950 TRE Theologische Realenzyklopädie WallRJb Wallrajf-Richartz-Jahrbuch. Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte WJbKg Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte W u r z b a c h C. v. W u r z b a c h , Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oester­ reich. Wien 1856-1891 ZAK Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte ZKg Zeitschrift für Kunstgeschichte ZRg Zeitschrift der Savigny-Stiftungfür Rechtsgeschichte Germ. Germanistische Kan. Kanonistische Rom. Romanistische Abteilung