FOLGE 163 SEPTEMBER 2003

NAMENTLICHE ERFASSUNG DER OPFER POLITISCHER VERFOLGUNG IN ÖSTERREICH 1938–1945

Immer wieder wurde das DÖW im Laufe der Arbeiten an dem 2001 abgeschlossenen Projekt Namentliche Erfassung der österreichi- schen Holocaustopfer von verschiedenen Seiten mit dem Wunsch nach einem ähnlichen Projekt für alle Opfer der NS-Terrorherrschaft konfrontiert. Seit rund einem Jahr laufen nun die Arbeiten an der Namentlichen Erfassung der Opfer politischer Verfolgung in Öster- reich 1938–1945: Ziel des gemeinsam mit dem Karl von Vogelsang-Institut durchgeführten Forschungsvorhabens ist die Erstellung ei- ner Datenbank mit den wichtigsten Personalien sowie den verfolgungsrelevanten Daten wie Angaben zur Verhaftung, gerichtliche Verfolgung, Haftstätten, Haftdauer, Todesdatum und Todesort. Nach der EDV-gestützten Aufarbeitung der entsprechenden Quellen- bestände im In- und Ausland sollen diese Daten in geeigneter Form (Buch, CD-ROM, Internet) öffentlich zugänglich gemacht werden. Im Folgenden ein Bericht des Projektteams Namentliche Erfassung...... Œgg

Das Forschungsvorhaben Namentliche Er- parteipolitisch ausgerichtete Teil davon), daher immer auf mehr oder weniger fun- fassung der Opfer politischer Verfolgung die nach der Befreiung von der NS-Herr- dierte Schätzungen angewiesen. soll einen Überblick über die Opfer des schaft — zumindest in einem gewissen Gleichzeitig erfuhr aber auch der Begriff NS-Terrors geben, die im Zeitraum vom Maße — im öffentlichen Diskurs eine „Opfer politischer Verfolgung“ eine nicht 11. März 1938 bis zum 8. Mai 1945 aus Rolle spielte. Eine nicht geringe Zahl von unbedeutende Ausweitung. Umfasste die- politischen Gründen durch das NS-Regi- wissenschaftlichen Forschungsarbeiten ser Begriff ursprünglich im öffentlichen me zu Tode gebracht wurden. Konkret und Dokumentationen, seien es Einzelbio- Bewusstsein, aber auch in der Forschung handelt es sich dabei um Opfer des SS- graphien, lokale Fallstudien, Regional- vor allem die Opfer aus den Reihen des und Polizeiapparates, Opfer der NS-Justiz untersuchungen oder Gesamtdarstellun- politisch organisierten Widerstandes be- (sowohl Hingerichtete als auch während gen, widmete sich in den letzten Jahrzehn- ziehungsweise der präventiv verfolgten des Strafvollzuges Umgekommene), To- ten diesem Thema, ohne dabei aber auch politischen Akteure der Zeit vor 1938, so desopfer der Konzentrationslager und Tote nur den Versuch einer Gesamterfassung zu erweiterte sich der Blickwinkel mittler- von Massakern. Mit berücksichtigt wer- wagen. Angaben zum Ausmaß der politi- weile auch auf Formen nichtorganisierten den auch Personen, die im Zuge der Ver- schen Verfolgung in Österreich bleiben Widerstandes Einzelner, Resistenz und an- folgung Selbstmord verübt haben. Als Ös- terreicherInnen gelten nicht nur jene Per- Karl Griesbach, Wien sonen, die 1938 das „Heimatrecht“ bzw. geboren am 25. Juli 1904 die österreichische Staatsbürgerschaft be- saßen, sondern — analog zum Opferfür- Karl Griesbach wurde am sorgegesetz (OFG) — auch alle jene, die 31. 12. 1942 wegen Betätigung 1938 ihren Wohnsitz mindestens zehn Jah- für die KPÖ festgenommen und re in Österreich hatten. am 7. 5. 1943 wegen „Vor- bereitung zum Hochverrat“ zu Neben den Opfern rassistisch motivierter Verfolgung und jenen der NS-„Eutha- 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. nasie“ bilden die Opfer politischer Ver- Nicht mehr anonym Er befand sich 1944 im folgung eine weitere zentrale Gruppe Emslandlager Börgermoor unter den Opfern der NS-Herrschaft. An- Ab Mitte Oktober 2003 über 2.500 (Papenburg, BRD) und kam hänger gegnerischer Parteien, teils seit Fotos aus der Erkennungsdienstlichen dort vermutlich um. 1933/34 bereits im Untergrund tätig wie Kartei der Wien und 1950 wurde Karl Griesbach Revolutionäre Sozialisten und Kommu- Kurzbiographien der Opfer im Internet für tot erklärt. nisten, teils Machtträger und Funktionäre Seine Frau Juliane Griesbach des besiegten „Ständestaates“ fielen nach befand sich von Ende 1942 dem „Anschluss“ schlagartig einsetzenden www.doew.at bis zur Befreiung in Haft. Repressionen zum Opfer. Tatsächlich war es diese Gruppe (oder besser gesagt der 2 Mitteilungen 163 dere Formen in den Augen der Macht- gegen das NS-Regime, aber immer wieder neigung und Hass gegen ein verbrecheri- haber unerwünschten Verhaltens. kam es zu Ausschreitungen und Aktionen sches Regime waren die Wurzeln des aus Ausgehend von diesen Überlegungen gegen die Kirche und ihre Anhänger. dem Volke kommenden, unorganisierten könnte man den zu untersuchenden Perso- Zahlreiche katholische Priester, Nonnen Widerstandes. Es war der Widerstand nenkreis etwa folgendermaßen gliedern: und Laien wurden zu entschiedenen Geg- „von unten“, der einfachen Leute, die mit nern des als unchristlich empfundenen Re- individuellen, nicht politisch motivierten ˆ Organisierter Widerstand in der gimes. Von den rund 8.000 Priestern und Unmutsäußerungen Kritik übten an wirt- Arbeiterbewegung Ordensmitgliedern in Österreich wurden schaftlichen Mangelerscheinungen oder Unmittelbar nach der Machtübernahme über 700 verhaftet. Einige überzeugte Ka- an Maßnahmen, die unmittelbar den eige- durch die Nationalsozialisten wurden der tholiken verweigerten aus Gewissensgrün- nen Lebensbereich betrafen. Großteil der — polizeibekannten — Füh- den den militärischen Treueeid sowie die Das verbotene Abhören ausländischer rungsspitze der Revolutionären Sozia- Teilnahme am Kriegsdienst und gingen Sender, Sabotage und Hilfeleistungen listen (RS) sowie zahlreiche Sozialdemo- freiwillig in den Tod. für Verfolgte wurden genauso rigoros kraten und Schutzbündler, die den neu- Keine andere Gruppe widersetzte sich der- verfolgt wie der organisierte Widerstand en Machthabern gefährlich erschienen, art geschlossen nationalsozialistischen und waren auch keineswegs zahlenmäßig verhaftet. Ungefähr 120 Sozialisten wur- Anforderungen wie die Zeugen Jehovas, geringer als dieser. Ein Großteil der den in Wiener Gefängnissen gefangen ge- die aus Glaubensgründen den Wehrdienst 10.000 Verfahren vor dem Sondergericht halten; die Zahl der verhafteten Sozialis- ebenso wie Arbeiten in der Rüstungspro- Wien bezog sich auf das Delikt nach dem ten konnte nicht festgestellt werden. Über- duktion verweigerten. so genannten „Heimtückegesetz“, wo- dies wurde eine größere Zahl österreichi- Ähnliches gilt für die Angehörigen der runter auch die verschiedenen Formen des scher Sozialisten in das Konzentrations- allerdings wesentlich kleineren Gruppe individuellen Widerstandes zusammenge- lager Dachau eingeliefert. der Siebenten-Tags-Adventisten, Re- fasst sind: defätistische Äußerungen, das Der Widerstand der österreichischen formbewegung. Verbreiten von Gerüchten, abfällige Kritik Kommunisten gegen den Nationalsozia- an NS-Einrichtungen und an der NS-Po- lismus war zahlenmäßig der weitaus ˆ Nationale Minderheiten litik, besonders an Konzentrationslagern stärkste von allen politischen Gruppierun- Abgesehen von einzelnen Verhaftungen und den Rassenlehren, Witze bzw. Belei- gen. Von den mehr als 2.000 Strafverfah- traten die NS-Machtaber in den ersten digungen von führenden NS-Funktionä- ren gegen politische Täter vor dem Ober- Wochen nicht offen feindselig gegenüber ren, insbesondere von Hitler, Göring, landesgericht Wien, deren Akten erhalten den nationalen Minderheiten (Kroaten, Goebbels, prokommunistische, prosozial- geblieben sind, betreffen mehr als 90 Pro- Tschechen, Slowenen) auf, wobei aller- demokratische und prokatholische Äuße- zent den linken Widerstand und vor allem dings der Druck zur Assimilierung rasch rungen, das Singen verbotener Lieder, die Kommunisten. Bis Ende 1943 konnte zunahm. Stellungnahmen zugunsten von Juden, die Gestapo die meisten bestehenden Die aktivste antinazistische Kraft unter Kriegsgefangenen etc., die Verweigerung kommunistischen Gruppen aufrollen und den Wiener Tschechen bildeten die ehe- von Spenden und dergleichen. zerschlagen. In einem Bericht der Gestapo maligen Anhänger der sozialdemokrati- Wien vom März 1944 werden allein für schen und der kommunistischen Partei, Der Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten diese Leitstelle rund 6.300 festgenomme- die sich nach dem März 1938 zu einer lag insbesondere in der systematischen ne kommunistische Widerstandskämpfer größeren Widerstandsgruppe zusammen- Sichtung der hauseigenen Bestände. Ne- genannt. schlossen, welche von der Gestapo nicht ben einer beträchtlichen Zahl von Einzel- ˆ Katholisch-konservatives Lager, ganz zutreffend als Tschechische Sektion dokumenten sind vor allem der Bestand Legitimisten der KPÖ bezeichnet wurde. „KZ-Verband“, die Tagesrapporte der Ge- Ab Sommer/Herbst 1938 bildeten katho- Bereits seit 1939 bestanden unter den heimen Staatspolizei-Staatspolizeileitstel- lisch-konservative Gruppierungen und Kärntner Slowenen kleine illegale politi- le Wien sowie die Erkennungsdienstliche Funktionäre der Vaterländischen Front sche Gruppen. Im April 1941 entstand mit Kartei der Geheimen Staatspolizei-Staats- Widerstandsgruppen. 1943/44 schlossen der in Slowenien gegründeten Osvobo- polizeileitstelle Wien, die in Form von sich in einer zweiten Phase des Wider- dilna Fronta (OF) jene Widerstandsorga- Scans im Dokumentationsarchiv vorhan- standes zahlreiche Gruppen zu einer über- nisation, die sowohl politisch als auch mi- den ist, zu berücksichtigen Soweit die Be- parteilichen Bewegung zusammen, die als litärisch zu einem wichtigen Faktor wur- stände elektronisch inventarisiert sind, ist 05 (Anfangsbuchstaben des Wortes Oes- de, wobei die Kommunisten auf Grund ih- eine effiziente Vorauswahl zumindest teil- terreich) bekannt wurde. rer Erfahrung in der illegalen Arbeit die weise möglich, der Rest der Arbeit muss Die österreichischen Legitimisten gehör- führende Rolle spielten. 1944 gelang es händisch erfolgen. Besonders arbeitsinten- ten von Beginn an zu den erbittertsten der OF auch im Osten nördlich der Drau siv wird die Durcharbeitung der Bestände Gegnern des nationalsozialistischen Regi- Fuß zu fassen, die Partisanen operierten der Opferfürsorgearchive in allen Bundes- mes. Sie sahen in Otto von Habsburg den hier insbesondere im Gebiet der Saualm. ländern sein. Da hier von einer sehr gro- legitimen Herrscher und bekämpften die Die Partisaneneinheiten auf Kärntner Ge- ßen Zahl von vorhandenen Akten auszu- Auslöschung Österreichs mit dem Ziel der biet umfassten im August 1944 etwa 700 gehen ist (beträchtlich mehr als 100.000 Wiederherstellung der Habsburgermonar- Kämpfer. Himmler ernannte in Anbetracht Stück), scheint aus arbeitstechnischen chie. dieser Situation Südkärnten zum „Banden- Gründen eine Vorauswahl sinnvoll. Ko- kampfgebiet“. operationsprojekte und -abkommen, etwa ˆ Religiöse Verfolgung und mit der Universität Marburg und Ge- Widerstand ˆ Widerstand von Einzelnen denkstätten aus dem In- und Ausland, wer- Zwar stand die katholische Kirche als Eine antinazistische Haltung, humanitäre den ebenfalls die Quellenbasis beträcht- Institution nicht im aktiven Widerstand Einstellung, Mitgefühl für Verfolgte, Ab- lich erweitern. September 2003 3

BUCHPRÄSENTATION WIR GRATULIEREN

Thomas Mang DÖW-Mitarbeiterin Mag. Dr. Brigitte Bailer-Galanda zur Habilitation für Zeit- „Gestapo-Leitstelle Wien — geschichte an der Universität Wien. Mein Name ist Huber“ Die DÖW-Kuratoriumsmitglieder HR Wer trug die lokale Verantwortung für den Marko Feingold und KmzlR Alfred Gerstl feierten ihren 90. bzw. 80. Geburts- Mord an den Juden Wiens? tag.

Schriftenreihe des DÖW zu Widerstand, NS-Verfolgung und Nachkriegsaspekten MinRat Dr. Klaus Sypal (Österreichische LitVerlag 2003 Präsidentschaftskanzlei) erhielt für seine Bemühungen um die Volksgruppe der Roma und Sinti den Preis Erinnerung – Versöhnung. Begrüßung durch Dr. Karl Albrecht-Weinberger, Zeit: Freitag, 24. Oktober 2003, Direktor des Jüdischen Museums 17 Uhr WIR BETRAUERN

Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, Ort: Jüdisches Museum wissenschaftlicher Leiter des DÖW HR Prof. Dr. Otto Friedrich Winter, Ge- der Stadt Wien, neraldirektor-Stv. des Österreichischen Auditorium, Staatsarchivs i. R. und DÖW-Kuratori- Dr. Wilhelm Hopf, Lit-Verlag Dorotheergasse 11, umsmitglied, verstarb am 28. Mai im (angefragt) 1010 Wien 86. Lebensjahr.

Mag. Dr. Thomas Mang, Autor „Umschulungslager“ Gut Sandhof Bis heute ist die Frage nicht ausreichend oder Ebner unwidersprochen und letztlich geklärt, welche Personen und Institutionen erfolgreich als wilde Deponie ihrer eige- In den vom Musealverein Waidhofen a. d. die lokale Verantwortung für die ultimati- nen Verbrechenslast benutzt werden. Ybbs herausgegebenen Waidhofner Hei- ve Gewalttat des Naziregimes auf dem matblättern (26. Jg./2000) beschreibt und Boden des ehemaligen Österreichs trugen Eine Unperson der Zeitgeschichte spielte dokumentiert Walter Zambal sehr ausführ- — die Massendeportation der jüdischen dabei eine absolute Schlüsselrolle: SS- lich und informativ das „Umschulungs- Bevölkerung in den Jahren 1941 und Brigadeführer und Generalmajor der Poli- lager“ Gut Sandhof Windhag bei Waid- 1942. zei Franz Josef Huber leitete die Staats- hofen a. d. Ybbs. Der Autor hat sich aller polizeileitstelle Wien von 1938 bis 1944. Möglichkeiten der Literatur- und Quellen- Es war vor allem die nahezu synchron ab- Ab 1939 war er zunächst kommissari- recherche sowie Aussagen von Zeitzeugen gestimmte Verteidigungsstrategie der von scher, ab 1942 definitiver Inspekteur der bedient. So entstand ein detaillierter Bei- der Todesstrafe bedrohten Täter aus Sicherheitspolizei und des Sicherheits- trag über die am längsten (1939 bis 1943) Reichsstatthalterei und Gestapo, die jegli- dienstes in den „Reichsgauen Wien, Nie- aufrechterhaltene landwirtschaftliche NS- che Verantwortung der Zentralstelle für derdonau und Oberdonau“. Er hatte damit Umschulungsstätte. Die von der SS betrie- jüdische Auswanderung in Wien zuscho- nur einen direkten Vorgesetzten: sich benen Lager dieser Art sollten ursprüng- ben. Diese hätte ihre Weisungen umweg- selbst. lich jüdische Auswanderer nach Palästina los vom Reichssicherheitshauptamt erhal- auf das Leben in ihrer neuen Heimat vor- ten, in einer hermetisch abgeschotteten Baldur von Schirach, Reichsstatthalter bereiten. Laut Aussage eines ehemaligen Befehlskette. Die Aussagen der Täter fan- und Gauleiter von Wien, als treibende Insassen diente aber der Sandhof ab den Eingang in die Gerichtsprotokolle und Kraft, Franz Josef Huber, dem der gesam- Herbst 1939 „eher als ein Erholungsheim damit — mangels quellenkritischer Ver- te polizeiliche Terrorapparat unterstellt für SS-Angehörige“. gleichsmöglichkeiten — in die zeitge- war, und sein „Dauervertreter“ Dr. Karl Die hier eingesetzten jüdischen Zwangs- schichtliche Forschungsarbeit. Ebner, Leiter des „Judenreferates“ der arbeiter kamen vorwiegend aus Wien, das Gestapo, trugen die lokale Verantwortung Lager unterstand Eichmanns Zentralstelle Heinrich Müller, , Alois für den Mord an den Jüdinnen und Juden für die Auswanderung der Juden Öster- Brunner — alle waren nach Kriegsende Wiens. Dies konnte durch Auswertung reichs. Unter anderem hat der Autor für wie vom Erdboden verschwunden und von erst seit kurzem zugänglichem Quel- die Zeit April 1940 bis Mai 1942 eine konnten von den lokalen Protagonisten lenmaterial mit dieser Arbeit nachgewie- Liste aller Internierten mit Angaben über des Judenmordes wie Schirach, Huber sen werden. deren weiteres Schicksal zusammenge- 4 Mitteilungen 163 stellt. Insgesamt scheinen in den Quellen von Erscheinungen wie Neofaschismus, die Namen von 226 Lagerinsassen auf, Liesing im Dunkel Rechtsextremismus, Rassismus, Nationa- wobei der hohe Anteil von Jugendlichen lismus und Antisemitismus ausgehen. zwischen 14 und 20 Jahren auffällig ist. Der Großteil der vom Sandhof nach Wien Was die Aufarbeitung der NS-Verbrechen Die Eröffnung findet am 3. Oktober 2003 zurückgekehrten Juden wurde in Kon- betrifft, muss Österreich ernüchternde Bi- um 19.00 Uhr statt. Zu besichtigen ist die zentrationslager, Ghettos und Vernich- lanz ziehen: Viel von dem, was geschah, Ausstellung während der Öffnungszeiten tungslager deportiert. wurde geleugnet, verharmlost, verdrängt. (Mi, Sa und So vormittags). Für die Eröff- (Zum Thema siehe auch: Gabriele Anderl, In den letzten Jahren wurden und werden nung wurde StR Faymann angefragt. Die „Umschulungslager“ Doppl und in Wien–Liesing viele Projekte gegen das Sandhof der Wiener Zentralstelle für jüdi- Vergessen durchgeführt. sche Auswanderung auf der Homepage des DÖW: http://www.doew.at/thema/ Das Bezirksmuseum Liesing in der Cana- Österreichische sandhof_doppl/kurz.html) vesegasse zeigt im Oktober 2003 die Aus- Spanienkämpfer stellung Liesing im Dunkel — verfolgte und ermordete LiesingerInnen 1934– Visas for Life 1945. Es werden konkrete Schicksale von Unter den Freiwilligen, die im Spanischen Liesinger Opfern des Nationalsozialismus Bürgerkrieg (1936–1939) gegen den Fa- vorgestellt. Der Besucher erfährt vieles schismus kämpften, befanden sich knapp Einige wenige „Gerechte“ haben europa- über die Straßen und Gassen im Bezirk, 1.400 ÖsterreicherInnen. Hans Landauer, weit durch persönlichen Einsatz Juden die nach Opfern benannt wurden, gleich- selbst ehemaliger Spanienkämpfer, der im während der Naziherrschaft vor der Ver- zeitig wird ein Überblick über die Dimen- DÖW die Spanienkämpfer-Sammlung nichtung gerettet. Darunter auch Diplo- sion der Naziherrschaft gegeben. aufgebaut hat und betreut, brachte nun in maten, die aufgrund ihrer geschützten Po- Zusammengestellt wurde die Ausstellung Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller sition versuchten zu helfen, wie zum Bei- von den Sozialdemokratischen Freiheits- Erich Hackl das Lexikon der österreichi- spiel der schwedische Diplomat Raoul kämpfern Liesing. Der „Bund Sozial- schen Spanienkämpfer 1936–1939 (258 Wallenberg oder der Schweizer Carl Lutz. demokratischer Freiheitskämpfer, Opfer Seiten, 150 Abbildungen) mit biographi- Das Jüdische Institut für Erwachsenen- des Faschismus und aktiver Antifaschis- schen Angaben zu diesen Frauen und bildung präsentiert die internationale Aus- ten“ sieht seine Aufgaben in einer umfas- Männern heraus. stellung Visas for life, die schon in vielen senden Aufklärungs-, Bildungs-, und Öf- Ländern auf mehreren Kontinenten ge- fentlichkeitsarbeit über die faschistischen Das Handbuch ist ab Mitte September zeigt wurde und noch bis 18. September in Diktaturen und über die Verbrechen des 2003 erhältlich (EUR 24,–; Verlag der der Volkshalle des Wiener Rathauses zu Nationalsozialismus sowie in der Be- Theodor Kramer Gesellschaft, Telefon: sehen ist. kämpfung der politischen Gefahren, die +43 1 720 83 84, e-mail: [email protected]).

Auszeichnung für DÖW-Ehrenpräsident Hubert Pfoch Laudatio von Wolfgang Neugebauer anlässlich der Ehrung, 21. Juli 2003

Mit Entschließung vom 8. Mai 2003 verlieh Bundespräsident Dr. Thomas Klestil Landtagspräsident a. D. Hubert Pfoch das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich. Die Überreichung durch Bundesminister Dr. Ernst Strasser fand am 21. Juli 2003 statt. Mit dem Ehrenzeichen wurden die Tätigkeit Hubert Pfochs im Widerstand gegen den Natio- nalsozialismus, als langjähriger Präsident des DÖW sowie seine Aktivitäten als Wiener Kommunalpolitiker gewürdigt.

Ich bin dankbar, dass mir Gelegenheit ge- als Wiener Kommunalpolitiker bis 1984 zu seinen Gesinnungsfreunden aufrecht. geben wird, Person und Werk von Land- und als Präsident des DÖW 1984 bis heu- Wie viele andere Österreicher wurde auch tagspräsident i. R. Hubert Pfoch zu würdi- te. Hubert Pfoch, Jahrgang 1920, ist im er — unfreiwillig — in die deutsche gen, weil ich 20 Jahre als wissenschaft- Roten Wien, bei den Kinderfreunden und Wehrmacht eingezogen und im Osten licher Leiter des DÖW in Hubert Pfoch ei- Roten Falken, sozialdemokratisch soziali- Zeitzeuge des Holocaust: Die Fotos, die er nen Präsidenten hatte, der mir Rückhalt, siert worden und seiner politischen Ge- im Juli 1942 von einem Judentransport Unterstützung und menschliche Zuwen- sinnung trotz Verfolgung und Unter- aus dem Warschauer Ghetto in das Ver- dung gegeben hat. Wir sind auch sehr drückung stets treu geblieben. Über seine nichtungslager Treblinka unter Lebensge- dankbar, dass Herr Bundesminister Motivation erklärte er in seiner Ab- fahr anfertigte, wurden ebenso wie die Dr. Strasser unser Ansuchen im Einver- schiedsrede im Wiener Landtag 1984: darauf bezogenen Tagebuchaufzeichnun- nehmen mit dem Herrn Bundespräsiden- „Für mein frühes politisches Engagement gen im Düsseldorfer Prozess gegen Franz ten positiv erledigt hat und die heutige ist die Konfrontation mit der Not, die in Stangl als Beweismittel verwendet und Feier ausrichtet. Unser Vorstand hat diese den teuren, meist überbelegten Wohnun- zählen aufgrund ihrer exakten Datierung Auszeichnung angeregt, weil Hubert gen der Arbeiterfamilien anzutreffen war, und Beschreibung zu den wichtigsten Pfoch in drei wesentlichen Abschnitten deren Kinder, ärmlich gekleidet, sich nur Fotos des Holocaust. Im April 1945 kehrte seines Lebens Hervorragendes für unser selten satt essen konnten, ausschlagge- Hubert Pfoch in seine umkämpfte und Land geleistet hat: als Demokrat und Pat- bend gewesen.“ Auch nach dem Verbot bald befreite Heimatstadt Wien zurück riot in den schwierigen Jahren vor 1945, der Sozialdemokratie hielt er den Kontakt und betätigte sich am Wiederaufbau der September 2003 5

österreichischen Sozialdemokratie. Ge- er 1986 vom Gemeinderat zum Bürger der Widerstand und Verfolgung in den öster- meinsam mit dem späteren Bundesminis- Stadt Wien ernannt. Hubert Pfoch war ein reichischen Bundesländern, Österreicher ter Josef Staribacher baute er die SJ in so genannter Bezirkskaiser: 25 Jahre, von im Exil, das Handbuch des Rechtsextre- Wien auf, die er bis 1955 leitete. Beruflich 1962 bis 1987, fungierte er als Obmann mismus und große Projekte wie die Na- war der gelernte Tischler nach 1945 in den der SPÖ-Ottakring, einer der größten Be- mentliche Erfassung der über 60.000 ös- Städtischen Büchereien tätig. 1949, mit zirksorganisationen. Er gehörte aber nicht terreichischen Holocaustopfer zeugen von 29 Jahren, wurde er als Vertreter seines zu jenen, die vom Schreibtisch aus ihre dieser erfolgreichen Arbeit. Zuletzt hat das Heimatbezirks Ottakring in den Wiener Macht ausspielten, sondern war — wie DÖW sehr aktiv zur Neugestaltung der Gemeinderat gewählt, dem er bis 1984 an- seine großen Vorgänger Franz Schuh- Gedenkstätten in Hartheim und Mauthau- gehörte. 1964 wurde Pfoch von Bürger- meier, Albert Sever und Karl Kysela — sen beigetragen. Hubert Pfoch kam nicht meister Franz Jonas zum amtsführenden zutiefst volksverbunden. Bürgermeister nur zu den Vorstandssitzungen, er hat alle Stadtrat für öffentliche Einrichtungen be- Michael Häupl, selbst ein Wahl-Ottakrin- wichtigen Fragen regelmäßig mit mir bzw. stellt, wo ihm, neben dem Ausbau der ger, attestiert ihm: „Bürgernähe war für den Vizepräsidenten Fritz Bock und da- Bäder, die — bis heute funktionierende — ihn nie ein leeres Schlagwort, sondern ge- nach Ludwig Steiner abgesprochen. Vor Sicherung der Wasserversorgung ein be- lebter politischer Alltag.“ allem hat er dafür gesorgt, dass in den Lei- sonderes Anliegen war. Ab 1969 war Auch zu vielen aus Österreich vertriebe- tungsgremien, wo Angehörige verschiede- Pfoch als Stadtrat für den Hochbau zustän- nen Menschen in den USA, Mexico, ner politischer Richtungen, von Bund und dig; 1973 wurde er auch Vizebürgermeis- Brasilien, Israel etc. pflegte Pfoch, der Stadt Wien zusammenwirken, ein kon- ter von Wien. Leider ist hier nicht der auch in der Freud-Gesellschaft mitwirkte, struktiver, ja kameradschaftlicher Geist Platz, näher darauf einzugehen: unzählige enge Kontakte, ebenso zu anderen Ver- herrschte. Es wäre unfair, in diesem Zu- Kindergärten, Schulen, Sportstätten wie triebenen, der Seeliger-Gemeinde der Su- sammenhang nicht auch Botschafter das Hallenstadion und große Spitalbauten detendeutschen. 1984 wurde Hubert Pfoch Dr. Steiner dankend zu erwähnen, der wie das neue AKH und die Rudolfsstif- auf Vorschlag des damaligen DÖW-Prä- extra aus Tirol zu unserer Feier gekom- tung, auch die UNO-City, wurden unter sidenten Bürgermeister a. D. Bruno Marek men ist. Als Ehrenpräsident wird Hubert seiner Verantwortung errichtet; der in zum Präsidenten des DÖW und zum Vor- Pfoch dem DÖW weiter verbunden blei- Wien traditionell gepflegte kommunale sitzenden der Stiftung gewählt — Funktio- ben. und soziale Wohnbau erhielt durch zu- nen, die er bis vor kurzem bekleidete. In Lassen Sie mich mit einem Zitat schlie- kunftsweisende Projekte wie die Wohn- den fast zwanzig Jahren seiner Präsi- ßen, das Hubert Pfoch sehr gerne als türme in Alterlaa neue Impulse. Von 1979 dentschaft hat sich das DÖW zu einer Motto verwendet, nämlich Erich Kästners bis 1984 bekleidete Hubert Pfoch das Amt auch international anerkannten wissen- Worte „Es gibt nichts Gutes, außer man tut des 1. Präsidenten des Wiener Landtages. schaftlichen Einrichtung entwickelt. Um- es!“ Hubert Pfoch hat vieles getan. Wir In Anerkennung seiner Verdienste wurde fangreiche Publikationen wie die Reihe danken Dir dafür!

NEUES VON GANZ RECHTSN

Neonazi-Demo untersagt einandersetzung um das Ehrengrab No- deutsch-österreichischen Neonazitruppe wotnys auf die Straße zu tragen. Dies sei Schwarze Division Germania. Bei dieser auch die Meinung von Walter Nowotnys handelt es sich um eine 2001 in der BRD Die vom neonazistischen Schutzbündnis Bruder Rudolf, einem ehemaligen Akti- gegründete „nationale Kameradschaft“, Soldatengrab für den 23. August geplante visten des 1999 behördlich aufgelösten die sich durch „Disziplin und absolute Ge- Demonstration gegen die Aberkennung Vereins Dichterstein Offenhausen. Auch in schlossenheit“ auszeichnen soll. Die als des Ehrengrabes für den Natioalsozialisten dessen Namen appellierte Herzog an die „Kameraden in der Ostmark“ titulierten Walter Nowotny ist am 21. von den Be- „Initiatoren, von der Demonstration [...] Wiener Neonazis habe man bei „Demonst- hörden untersagt worden. Angesichts des Abstand zu nehmen“. Der stellvertretende rationen und anderen nationalen Aktivi- politischen Hintergrundes der Veranstalter Wiener FPÖ-Obmann Heinz-Christian täten [...] kennen und schätzen gelernt“. und potentiellen Teilnehmer sei davon Strache sprach sich sogar für ein Verbot Der schon im Namen anklingende positive auszugehen gewesen, dass es auf der De- aus, „wenn es sich erwiesenermaßen um Bezug auf die SS wird auch in den ge- monstration zu Verstößen gegen österrei- eine Nazi-Demonstration handelt“. tragenen Abzeichen deutlich: Die auf chisches Recht (NS-Verbotsgesetz) kom- Sascha Gasthuber vom Schutzbündnis schwarzen Bomberjacken genähten Strei- me. zeigte sich in einer ersten Reaktion im fen mit dem Namen der jeweiligen „Sek- Nachdem Grüne und SPÖ ein Verbot der neonazistischen Wikingerversand wenig tion“ sind deutlich den Ärmelstreifen der Demonstration gefordert hatten, stellte beeindruckt vom Verbot und dem Appell SS nachempfunden. sich auch die Wiener FPÖ gegen das Un- Herzogs, welchen er als "Leichenflederer" terfangen. In einer Presseaussendung dis- (sic!) bezeichnete. tanzierte man sich „in gebotener Deut- Über die organisatorischen und politi- Freiheitliche Vortragstätigkeit lichkeit“ vom Schutzbündnis und seinen schen Hintergründe des Schutzbündnisses Plänen. Stadtrat Johann Herzog betonte gibt ein Eintrag auf der neonazistischen In der Folge 102/2003 des offiziellen zwar die Wichtigkeit des Engagements Homepage Volksgemeinschaft Auskunft. FPÖ-Organs Wiener Freie Zeitung kün- „für die Wahrung der Ehre des im Zweiten Demnach handelt es sich bei der De- digt der ehemalige FPÖ-Bezirkspolitiker Weltkrieg gefallenen Luftwaffenmajors“, monstration um eine Aktion der Sektion Walter Herbich für den Kulturring 3,4 sprach sich jedoch dagegen aus, die Aus- Niederdonau der konspirativ agierenden eine Veranstaltung zu Walter Nowotny an. 6 Mitteilungen 163

Am 10. September solle niemand Ge- militanten Neonazi-Szene (NDP und Um- Wie üblich ein Mohr (NEGER darf man ja ringerer als Felix Budin, vormaliger Füh- feld) aktiv wurde. Nach mehreren spekta- jetzt nicht mehr sagen!) In der Psycho- rungskader der neonazistischen Neuen Ju- kulären öffentlichen Auftritten Emingers logie würde ich Eure bereits klinisch an- gendoffensive (NJO) und einer der Orga- verlor sich seine Spur in den 70-er Jahren mutende Repugnanz [Widerstand] als pro- nisatoren der Neonazi-Demonstration ge- wieder. Nun schreibt er über Fröhlich: gredient [fortschreitend] paranoid be- gen die „Wehrmachtsaustellung“ am „Unserem Kameraden geht es den Um- zeichnen. Wir würden Euch auch gerne 13. April 2002 in Wien, einen „Lichtbild- ständen entsprechend gut und er wird psychotherapeutisch helfend beistehen.“ vortrag“ zum Thema „Fliegerheld Walter auch seitens der Justiz gut behandelt. Ob- Schließlich gibt Eminger nicht ohne dro- Novotny [sic!], ein Lebensbild“ abhalten. gleich Kamerad Wolfgang fast kostenlos henden Unterton den „wohlgemeinten Zumindest am angegebenen Ort (Hotel vertreten wird, verschlingen derartige Rat, unsere Jungs vom BFJ, der KG-Ger- „Das Triest“) wird diese Veranstaltung Dinge leider sehr viel Geld. Wir ersuchen mania, den Burschenschaften usw. tun- nicht stattfinden: Die Hotelbetreiber unter- daher, ihm und seiner Familie etwas unter lichst in Ruhe zu lassen“. Wieder betont sagten den Freiheitlichen kurzerhand die die Arme zu greifen. Es ist unsere Pflicht er, in AntifaschistInnen „vom System irre- Nutzung ihrer Räumlichkeiten. und Schuldigkeit. Sein Kampf ist ja letzt- geleitete Volksgenossen, die sich jederzeit Bereits im Mai dieses Jahres war ebenfalls lich auch unser aller Kampf gegen die wieder in die Gruppe unserer verschwore- in der Wiener Freien Zeitung ein „Bürger- zweitgrößte Lüge der Weltgeschichte nach nen deutschen Volksgemeinschaft einglie- stammtisch“ mit einem weiteren Vortrag ‚Erschaffung‘ des dern können“, zu se- von Budin („Die US-Hintergründe des jüdisch-christlichen hen. internationalen Drogenhandels“) angekün- Wüstenzaubers.“ August/September 2003 Eminger will dieses digt. Eminger, der also Mail „im Namen ei- den Holocaust als ner hier nicht ge- „Lüge“ bezeichnet, gibt für etwaige Spen- nannten Organisation“ verfasst haben. Die BFJ bei NPD den Fröhlichs Bankkonto bei der PSK und kryptische Andeutung bezieht sich offen- dessen Wiener Adresse an. Auch seine bar auf die konspirativ agierende Wiener Der oberösterreichische Bund Freier eigene Adresse verheimlicht Eminger Rechtsextremisten-Truppe Der Kreis. Jugend (BFJ) hat laut Veranstalter am nicht. Schließlich verspricht er, „die Be- Diese nennt sich auch Nationales Kon- „Pressefest“ des Deutsche Stimme Ver- träge auf geeignetem Wege“ weiterzulei- sortium für Agitation, Propaganda und lages in Meerane (Sachsen) teilgenom- ten, denn: „Jeder auch noch so kleiner Volksaufklärung und verwendet als Sym- men. Zu diesem Treffen der internationa- Betrag ist für unseren Kampf wichtig!“ bol einen Totenkopf. Der Kreis bezieht len Neonaziszene reisten am 9. August an- sich wie viele andere rechtsextreme und geblich mehr als 3.800 „Nationalisten“ an. In einer Reaktion auf obige Meldung auf neonazistische Gruppen zustimmend auf Diese kamen nicht nur aus Deutschland der DÖW-Website behauptete Edmund den arabischen Nationalismus. In einem und Österreich, sondern auch aus den Eminger, in seinem Spendenaufruf „mit Brief an die Irakische Botschaft erklärte USA, Kanada, Schweden, Norwegen, keinem Wort“ den Holocaust geleugnet zu sich der Kreis Ende 1998 „mit dem tapfe- Spanien, Italien, Großbritannien, Irland, haben. Vielmehr habe er mit der „zweit- ren irakischen Volk und seinem Führer, der Slowakei, Flandern und Frankreich. größten Lüge der Weltgeschichte“ die Herrn Saddam Hussein, [...] solidarisch im Reden schwangen u.a. Udo Voigt, Vorsit- „aus Zweckdenken aufgestellte Behaup- Abwehrkampf gegen den menschen- und zender der Nationaldemokratischen Partei tung der deutschen Alleinschuld am Welt- nationenverachtenden US-Imperialismus Deutschlands (NPD) und John Tyndall, krieg Nr. II gemeint“. Faktum ist jedoch, und seine Londoner Marionetten“. Weiter ehemaliger Vorsitzender der British Natio- dass Fröhlich seinen „Kampf“, auf wel- heißt es, hinter den „Aggressoren angloa- nal Party (BNP). Das musikalische Rah- chen sich Eminger positiv bezogen hat, merikanischer Prägung“ würden das „is- menprogramm wurde u. a. von Frank nicht gegen die „deutsche Kriegschuld- raelische Judentum und Kreise der inter- Rennicke, Jörg Hähnel sowie den Skin- lüge“ führte, sondern gegen den „Gaskam- nationalen Hochfinanz“ stehen. Schließ- Bands Sturm & Drang und Nordfront be- merschwindel“. lich wünscht man „dem hart geprüften ira- stritten. Als „befreundete Gruppe“ habe In einem weiteren Mail an das DÖW er- kischen Volk und seinem Führer Saddam der BFJ neben zahlreichen Neonazigrup- klärte Eminger, keine „Feinde“ zu kennen, Hussein den Endsieg“. pen (z. B. Hilfsgemeinschaft für Nationale „sondern vielmehr nur irregeleitete und Gefangene) sogar einen „Repräsentations- indoktrinierte Volksgenossen“. Die öster- In einem Schreiben an einen Autor des stand“ betrieben. reichische Republik bezeichnete er bei LIF-Magazins Liberale Zeichen, der dieser Gelegenheit als „Freimaurer-Sys- Gottfried Küssel mit Michael Kühnen ver- tem“. wechselt und für tot erklärt hatte, behaup- „Hilfe für Wolfgang Fröhlich“ Am 24. Juli erhielt auch ein Aktivist der tet ein Anonymus für den Kreis, mit dem Sozialistischen Linkspartei (SLP) ein Mail „geschätzten Kameraden Küssel vor weni- Auf der deutschen Neonazi-Homepage von Eminger. Darin empörte er sich über gen Tagen“ gesprochen zu haben. Wieder stoertebeker wurde ein weiterer Solida- den Aufruf zur antifaschistischen De- wird ein drohender Ton angeschlagen: ritätsaufruf für den inhaftierten Holocaust- monstration gegen den Neonazi-Auf- „Seien Sie also versichert, dass wir Ihre Leugner Wolfgang Fröhlich veröffentlicht. marsch am 23. August: „Habt Ihr auch ‚geistigen Ergüsse‘ hinkünftig genauest Dieser wird dort als „Dissident“ und keine anderen Sorgen wie ein Ehrengrab verfolgen werden. Wir lesen und sammeln „Wissenschafter“, der Verbotsgesetz-Pro- eines verdienten Soldaten zu entweihen? alles und sind (unerkannt) überall prä- zess gegen ihn (am 3. 9. im Landesgericht Andererseits macht Ihr Euch breit für ei- sent. Auch dort wo man uns nie und nim- Wien) als „Inquisitionstribunal“ bezeich- nen bei einer kriminellen Handlung tra- mer vermutet. [...] Schlussendlich noch net. Verfasst hat den Aufruf Edmund gisch ums Leben gekommenen rauschgift- ein wirklich gutgemeinter Rat: Fangt euch Eminger, der in den 60-er Jahren in der süchtigen Schläger und Drogenhändler. mit uns keinen Krieg an!“ September 2003 7

In einem weiteren Brief an den LIF-Autor pa. Nur ein großer Krieg im Nahen Osten Widersacher der Juden. Und Hitler? Ein legte der Kreis Kopien des deutschen Neo- könnte Israel, so die Hoffnung der Freund des jüdischen Programms war er nazi-Magazins Gegenangriff bei. Über Scharon-Clique, vor einem weltweiten Ab- jedenfalls nicht.“ dessen Herausgeber, den Kampfbund fall vom Holocaust-Glauben retten, wie Das im Juni 2003 beschlossene „Grund- Deutscher Sozialisten (KDS), heißt es das folgende Beispiel aus der regierungs- satz- und Forderungsprogramm“ der NPÖ dort: „Noch ein guter Rat: Vermeiden Sie amtlichen ägyptischen Zeitung Al-Akhbar ist größtenteils mit dem NSDAP-Pro- tunlichst, sich mit dem KDS [...] anlegen verdeutlicht: gramm und dessen „Grundlagen“ iden- [sic!]. Die sind keineswegs so moderat ‚In Bezug auf den Holocaust-Betrug ... ha- tisch. Man hat beim Kopieren einfach „na- wie wir und kennen auch entschieden we- ben viele französische Untersuchungen er- tionalsozialistisch“ durch „nationaldemo- niger Spaß. Der KDS ist auch bei uns in geben, dass es sich um nichts weiter als kratisch“ und „deutsch“ durch „österrei- der Ostmark in Filialorganisationen ‚er- um eine Fabrikation handelt. Eine Lüge, chisch“ ersetzt sowie „jüdisch“ bzw. „Ju- schreckend‘ stark vertreten!“ ein Betrug! Es handelt sich um ein Sze- dentum“ weggelassen. Die „Forderungen“ Die schwülstigen, von antisemitischen nario, ein Komplott, das sorgfältig zusam- der NPÖ sind wortidentisch mit einigen Verschwörungstheorien geprägten Texte mengezimmert wurde. ... Hitler ist voll- der „25 Punkte“ der NSDAP: „Wir be- Emingers und seiner Kameraden werden kommen unschuldig bezüglich der An- kämpfen die korrumpierende Parlaments- auf der deutschen Neonazi-Homepage klagen, er habe die Juden in der Hölle des wirtschaft einer Stellenbesetzung nur nach Radio Germania publiziert. falschen Holocaust verbrannt! Die ganze Parteigesichtspunkten ohne Rücksicht auf Holocaust-Geschichte, wie viele französi- Charakter und Fähigkeiten. [..] Die Tä- sche und britische Wissenschaftler bewie- tigkeit des Einzelnen darf nicht gegen die NPÖ leugnet den Holocaust und sen haben, ist nichts weiter als ein gewal- Interessen der Allgemeinheit verstoßen, kopiert das NSDAP-Programm tiges israelisches Komplott, das darauf sondern muss im Rahmen des Gesamten abzielt, die deutsche Regierung im Spe- zum Nutzen aller erfolgen. Abschaffung ziellen, und die europäischen Länder im des arbeits- und mühelosen Einkommens. Die im Frühjahr 2002 von Gregor Allgemeinen, auszunehmen. Allerdings Brechung der Zinsknechtschaft. [...] Wir Maierhofer nach dem Vorbild der NPD ge- mache ich persönlich, im Lichte der erfun- fordern den rücksichtslosen Kampf gegen gründete Nationaldemokratische Partei denen Holocaust-Saga, Hitler folgenden diejenigen, die durch ihre Tätigkeit das Österreichs (NPÖ) hat die Einstellung des Vorwurf, und das aus ganzem Herzen: Gemeininteresse schädigen.“ Wiederbetätigungsverfahrens gegen ihren ‚Wenn du es nur getan hättest, Bruder. Angesichts dieses offenen Versuches der Gründer im Dezember 2002 offenbar als Wenn es nur wirklich passiert wäre. Dann NPÖ, die NSDAP unter neuem Namen Freibrief verstanden. So weist ein genaue- hätte die Welt einen Seufzer der Erleichte- wiederzubeleben und sich für ihre Ziele zu rer Blick auf die Homepage der NPÖ die- rung ausstoßen können, befreit vom Übel betätigen, brachte das DÖW Anfang se als offen neonazistisch aus. Ein holo- und von der Sünde‘.“ (Al-Akhbar, Ägyp- August eine weitere Anzeige bei der caustleugnender Text auf dieser Home- ten, 29. April 2002) Staatsanwaltschaft ein. Zudem informierte page wurde vom DÖW Ende Juli der Überhaupt strotzt die NPÖ-Homepage nur Dr. Wolfgang Neugebauer Herrn BM für Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes so vor militantem Antisemitismus und Inneres, Dr. Ernst Strasser, über diesen des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz wüstesten Verschwörungstheorien. So soll Sachverhalt. In einem Brief regte Neu- übermittelt. der israelische und der türkische Geheim- gebauer an, ein Verfahren zur Aberken- Unter dem Titel „Kriegsgrund Holocaust- dienst hinter den rassistisch motivierten nung der Rechtspersönlichkeit der NPÖ Ungläubigkeit?“ heißt es dort: „Da jeder Brandanschlägen von Mölln und Solingen einzuleiten. Jude gleichzeitig Israeli ist, erfährt Israels stecken, der Mossad zudem hinter dem Holocaust-Politik soviel Unterstützung Anschlag auf die Synagoge in Lübeck und P. S.: Die Homepage wurde von AON am (s. Paul Spiegel und Michel Friedman). der Briefbombenserie in Österreich. Vom 12. August 2003 nachmittags vom Netz Der vorgeschützte Grund lautet: Der NS- Sklavenhandel weiß die NPÖ, dass er „in genommen. Holocaust sei so furchtbar gewesen, dass jüdischen Händen [lag]“, von Möllemann, die Juden ihrerseits die schlimmsten Ver- dass er das Opfer einer jüdischen Ver- brechen begehen dürften, um einen mög- schwörung geworden ist. Auch hinter dem lichen neuen Holocaust abzuwehren. So Bolschewismus werden in alter Nazi-Ma- Mitteilungen lautet in etwa die allgemeine Rechtferti- nier die Juden und Jüdinnen, „aus deren im PDF-Format gung für den Völkermord an den Paläs- Schoß die größten Massenmörder der tinensern. Menschheitsgeschichte krochen“, behaup- Beziehen Sie die Mitteilungen ohne Die prekäre Lage in Palästina macht deut- tet. Die angebliche „Machtposition der jü- Druck- und Versandzeiten: als PDF- lich, wie wichtig die Holocaust-Geschich- dischen Machtzentren“ stütze sich laut Format auf www.doew.at. te für den Staat Israel ist. Ohne die Holo- NPÖ „auf die ausgedehnte Kontrolle der LeserInnen, die bisher unsere Mittei- caust-Geschichte wäre dem auf Raub und Medien und des Finanzwesens“. Auch be- lungen auf dem Postweg bezogen ha- Terror gegründeten Staat die Grundlage schwert sich die NPÖ darüber, dass „all ben und nun diesen Service nutzen entzogen. Vor diesem Hintergrund begreift jene mit schweren Gefängnisstrafen belegt wollen, bitten wir um eine kurze form- man, warum die ganze Welt auf Drängen [werden], die etwas Gutes über Adolf lose Information ([email protected]). der jüdischen Machtzentren Gesetze er- Hitler sagen bzw. sich gegenüber der Ho- ließ, die das Zweifeln an der Holocaust- locaust-Industrie ungläubig zu Wort mel- Geschichte unter Strafe stellen. den“. Zustimmend wird auf die national- Sie helfen uns damit, beträchtli- Die islamische Welt aber glaubt die Holo- sozialistische Verfolgungs- und Vernich- che Portokosten zu sparen. caust-Geschichte nicht. Dank Multikultur tungspraxis Bezug genommen: „Jesus Vielen Dank! kommt diese Sichtweise auch nach Euro- war seinerzeit, wie uns die Bibel lehrt, der 8 Mitteilungen 163 REZENSIONENN

Speit, Andreas (Hrsg.): Ästhetische Überwiegend handelt es sich bei den deutung auf. Ähnliches praktiziert Frauke Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk Autoren um gute Kenner der Materie, die Stuhl in dem Aufsatz über die Symbolik und Industrial im Spannungsfeld anhand einer Fülle von Material Doku- der extremen Rechten, worin es auch um rechter Ideologien. Münster: Unrast- mentationen und Analysen vornehmen. die Verwendung von altgermanischen Verlag 2002. 288 S. Hierin liegen zweifelsohne die Stärken der Runen geht. Rainer Erb widmet sich da- Veröffentlichung, füllen die Autoren mit nach der Bildersprache des Antisemitis- ihrem Sammelband doch eine Wissens- mus in der rechtsextremistischen Szene, Rechtsextremistische Inhalte und Symbole lücke zum Thema. Kritikwürdig ist aller- und Burkhard Schröder gibt einen Über- in der populäreren Musikkultur finden dings die mitunter etwas einseitige Inter- blick zur Nutzung des Internets durch sich nicht nur im Skinhead-Rock, sondern pretation, die in manchen Fällen auch in Rechtsextremisten. Der Anhang enthält auch im Dark Wave- bzw. Gothic-Bereich eine andere Richtung hätte gehen können. eine Auflistung von Bands und Tonträgern — wenn auch in weitaus geringerem Aus- Hier wären etwas mehr Differenzierungen rechtsextremistischer Musik. maß. Einen Sammelband zu diesem The- und Diskussionen notwendig gewesen. Als Einstieg in das Thema bzw. die The- ma gab der Journalist Andreas Speit unter Ähnliches gilt auch für die Rezeption der men eignet sich der Sammelband durch- dem Titel „Ästhetische Mobilmachung. rechtsextremistischen Inhalte im Dark aus, enthält er doch nicht nur wichtige In- Dark Wave, Neofolk und Industrial im Wave, die nicht so deutlich in Texten wie formationen, sondern gibt über Abbildun- Spannungsfeld rechter Ideologien“ heraus. in der Skinhead-Musik, sondern weitaus gen und Zitate auch einen Eindruck von Dessen Autoren wollen über verschiedene stärker in Anspielungen und Symbolen ar- der Szene durch Primärquellen. Auch die Aspekte des Zusammenhangs von Dark tikuliert werden. Wirken sie aber wirklich Aufsätze über Kleidungsstil und Symbolik Wave und Rechtsextremismus informie- so eindeutig, wie die Autoren suggerieren? verdienen Interesse, können dadurch doch ren: Hans Wanders gibt einen Überblick Wäre dies so, so müsste auch eine Reihe bestimmte Äußerlichkeiten besser ent- zur Entwicklung der so genannten eher unpolitischer Heavy Metal-Bands mit schlüsselt werden. Gleichwohl mangelt es „Schwarzen Szene“ und deren Musik, Jan ihrem martialischen Gebaren dem Rechts- vielen Beiträgen an Systematik in der Raabe und Andreas Speit untersuchen extremismus zugerechnet werden. So fin- Analyse, handelt es sich doch mit Aus- ideenhistorisch und exemplarisch die fa- det sich denn auch die zutreffende Fest- nahme des Beitrags von Erb eher um jour- schistoide Ästhetik, Christian Dornbusch stellung in dem Band, dass rechtsextre- nalistische und weniger um wissenschaft- porträtiert einschlägige Bands bzw. Mu- mistische Akteure in der Szene zwar nach liche Texte. Irritierend ist, dass Aufsätze siker wie Blood Axis, Death in June oder wie vor präsent sind, aber den von ihnen und Titelgebung nicht zusammenpassen: Boyd Rice, Thomas Naumann und Patrick ersehnten Einfluss nicht erlangt haben Wenn es um rechtsextremistische Musik Schwarz nehmen in Form einer Fallstudie (vgl. S. 13). gehen soll, fehlen Ausführungen zu derar- eine Analyse der Zeitschrift Sigill (jetzt: apt tigen Tendenzen im Black Metal und Dark Zinnober) vor, Dornbusch/Raabe und Wave bzw. sind Beiträge zu Internet, Klei- Speit gehen auf die Schnittmengen und dung und Symbolen unpassend. Synergie-Effekte von „Schwarzer Szene“ Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): apt und Rechtsextremismus ein, und Stephan Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Lindke sieht in der Musikrichtung der Musik in Deutschland. Berlin: Verlag „Neuen Deutschen Härte“ ein ästhetisches Thomas Tilsner 2001. 250 S. Kuschey, Bernhard: Die Ausnahme des Spiegelbild der wiedererstarkten Nation. Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Hinsichtlich der politischen Bewertung Am Beispiel ihrer Musik bzw. deren Tex- Eine biographische Studie und eine heißt es im Vorwort zusammenfassend: ten könne begriffen werden, was an der Analyse der Binnenstruktur des „Nahezu ausnahmslos begeistern sich die Skinhead-Szene auf bestimmte Menschen Konzentrationslagers. Bd I. Gießen: rechten Dark Waver für Literaten und so faszinierend wirkt und welche Iden- Psychosozial-Verlag 2003. 516 S. Theoretiker des 19. und der ersten Hälfte tifikationsangebote und Selbstbilder des 20. Jahrhunderts, für Männer aus dem Rechtsextremisten Jugendlichen anzubie- Der Autor hat in einem 15-jährigen Spektrum der Konservativen Revolution ten haben. Von dieser Annahme ausgehend „Arbeitsbündnis“ (S. 20) mit Ernst und und des Italienischen Faschismus. Diese konzipierte der Journalist Klaus Farin im dessen Frau Hilde Federn deren Leben, stehen für elitären Gestus, für die Rück- Namen des von ihm geleiteten Archivs der politischen Kampf und insbesondere die besinnung zum ‚Alten‘ und zur ‚Natur‘ Jugendkulturen den vorliegenden Sam- KZ-Jahre Ernst Federns dokumentiert und und für Männerbünde, die Frauen als melband. analysiert. Das Resultat dieser Koope- Bedrohung der ‚heroischen Gemeinschaft‘ Im ausführlichsten ersten Aufsatz gehen ration ist auf höchstem wissenschaftlichen und einer ‚maskulinen Verwirklichung‘ Farin und sein Mitautor Henning Flad auf Niveau, fesselnd und bringt etliche neue wahrnehmen. Sie stehen für fundamenta- die Entwicklung der Skinhead-Szene in Einsichten und Nuancen. listischen Ästhetizismus, in dem Eigen- Deutschland ein, analysieren die Inhalte Behandelt wird u. a. die „Akkulturation schaften wie ‚Haltung‘, Kampf, Krieg und der Texte, geben einen Überblick zu den der Familie Federn“ (S. 54 ff.), der wider- Sterben idealisiert werden. In dieser Tra- ökonomischen Aspekten des Musikver- sprüchliche Prozess des jüdischen Bil- dition organisieren die rechten Akteure triebs und beschreiben die Fans derartiger dungsbürgertums, die Jugend Ernst Fe- der schwarzen Szene eine ästhetische Mo- Tonträger in Form einer Typologie. Dem derns im „linken sozialdemokratischen bilmachung gegen humanistische Theo- folgend widmet sich Flad in einem weite- Milieu Wiens“. (S. 105 ff.) Unter dem rien und emanzipatorische Visionen“. ren Beitrag dem Kleidungsstil der Rechts- Eindruck der Niederlage im Februar 1934 (S. 8) extremisten und schlüsselt deren Be- wird Federn Trotzkist. Im austrofaschisti- September 2003 9 schen Gefängnis beginnt er sich intensiv tion mit der SS in der Verwaltung des KZ Beiträge der deutschen Wissenschafter mit dem Verhältnis von Marxismus und Buchenwald gibt“. (S. 421) Dieter Wittich, Robert Steigerwald und Psychoanalyse zu beschäftigen. Die Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der Hubert Laitko ergänzt. Machtergreifung der Nazis bringt ihn nach Autor in seinen Studentenjahren dem Der gebürtige Wiener Walter Hollitscher Dachau und Buchenwald. Er erfährt eine Trotzkismus in schroffer Ablehnung ge- schloss sich schon als Mittelschüler in dreifache Stigmatisierung: „Neben seiner genüberstand. Umso bemerkenswerter Prag der kommunistischen Bewegung an Kategorisierung als Jude und politischer sein heutiges differenziertes Urteil. und trat 1929 der KPÖ bei. Nach dem Häftling wird er im KZ Buchenwald auch H. D. „Anschluss“ 1938 musste er Österreich noch von den Kommunisten als Trotzkist verlassen, kam zunächst nach Zürich und bekämpft.“ (S. 366) Kuschey setzt sich von dort nach England, wo er bis 1945 eingehend mit dem „Lager der Politi- Zwischen Wiener Kreis und Marx. lebte und u. a. als Vizepräsident des schen“ innerhalb des KZ auseinander Walter Hollitscher (1911–1986). Mit Austrian Centre tätig war. (S. 386 ff.) und resümiert lapidar: „Die Beitr. v. Hans Heinz Holz, Friedrich deutschen Kommunisten werden herr- Stadler, Thomas Schönfeld u. a. Nach der Befreiung kehrte er nach Öster- schende Zwischenschicht“. „Das Herr- Wien: Alfred Klahr Gesellschaft reich zurück und war hier als Mitarbeiter schaftssystem der Funktionshäftlinge be- o. J. (2003). 153 S. in der Wiener Volksbildung und des Insti- stimmte die ‚Häftlingsgesellschaft‘ [...] tuts für Wissenschaft und Kunst bzw. ab Diese kleine Funktionärskaste musste das Aus Anlass des 90. Geburtstags des mar- 1947 als Konsulent für Wissenschaft im Leben und die Arbeiten in den Kon- xistischen Wissenschafters und Volks- Amt für Kultur und Volksbildung der Ge- zentrationslagern nach den Zielen der SS bildners Walter Hollitscher (1911–1986) meinde Wien tätig. Durch seine Vortrags- organisieren, wie dies Himmler in der veranstaltete die Alfred Klahr Gesellschaft tätigkeit und mit einer Reihe von Ver- ‚Sonthofener Rede‘ herrschaftsfunktional im Oktober 2001 in Wien ein Gedächtnis- öffentlichungen leistete er wesentliche beschrieben hat.“ (S. 387) symposium. Die dort gehaltenen Referate Beiträge zur Philosophie, Psychologie, Schließlich verweist Kuschey darauf, dass von Hans Heinz Holz, Herbert Hörz, Biologie, Medizin, Anthropologie und Federn „die Möglichkeit eines Befreiungs- Friedrich Stadler, Hans Mikosch, Petra Ökologie, wobei er sich insbesondere für kampfs im Lager [verwirft], in dem die Stöckl, Thomas Schönfeld und Samuel den Dialog von Christen und Marxisten kommunistischen Häftlinge Halt finden Mitja Rapoport sind in der vorliegenden engagierte. und der ihnen Legitimation zur Koopera- Publikation enthalten und werden durch B. E. L.

ÜBER DIE GRENZEN VON OPPORTUNISMUS UND MITTÄTERSCHAFT

Eine Rezension von Heimo Gruber über Kühn-Ludewig, Maria: Johannes Pohl (1904–1960). Judaist und Bibliothekar im Dienste Rosenbergs. Eine biographische Dokumentation. Hannover: Laurentius Verlag 2000. 334 S. (Kleine Historische Reihe, Bd. 10. Hrsg. von Raimund Dehmlow) Die deutsche Bibliothekshistorikerin Doktor“) mit der Arbeit Familie und Ge- so genannte „Judenfrage“. Schon bald tat Maria Kühn-Ludewig (Dortmund/Paris) sellschaft in Israel nach den Schriften der er sich mit antisemitischen Beiträgen in hat mit dieser Monographie Johannes Propheten. der Zeitschrift Mitteilungen über die Ju- Pohls eine auf längerer Forschungstätig- Als Stipendiat der katholischen Görres- denfrage hervor, die vom Institut zum Stu- keit basierende Arbeit vorgelegt, die vor Gesellschaft verbrachte er die Jahre 1931 dium der Judenfrage herausgegeben wur- allem durch die Dichte der Quellen be- bis 1934 am Orientalischen Institut der de, das dem Propagandaministerium nahe sticht, die den außergewöhnlichen Le- Görres-Gesellschaft in Jerusalem, wo er stand (darunter war auch der Artikel Was bensweg des Beschriebenen fast exakt auch für den Deutschen Verein vom Hei- ist der Talmud?). In der Folge sollte sich nachvollziehen lässt. ligen Land tätig war. Pohl noch öfters in diversen nationalsozia- Der 1904 geborene Johannes Pohl wuchs 1934 gab Pohl seinem Leben die erste listischen Schriften – darunter auch im be- in einem Kölner katholischen Milieu auf Wende. Nicht nur, dass er aus dem Kleri- rüchtigten Hetzblatt Der Stürmer — als und scheint schon früh dafür bestimmt ge- kerstand ausschied und eine Frau aus der „Experte“ für Fragen des Talmud publizis- worden zu sein, Priester zu werden. Neben Jerusalemer deutschen Kolonie heiratete, tisch betätigen. Der Talmud nahm eine dem theologischen Studium in Bonn (Dis- die ihm im Herbst 1934 nach Deutschland zentrale, hoch emotionalisierende Rolle in sertation 1929: Die Messiaserwartung folgte. Im Lande selbst eröffneten sich für der antisemitischen Mythenbildung ein beim Propheten Ezechiel) diente er als Vi- Pohl durch seine Sprachkenntnis neue und wurde als zentrale Quelle eines unter- kar in einer Essener Pfarre, wo zu seinen Möglichkeiten und er begann 1935 als Re- stellten „jüdischen Hasses gegen die Aufgaben vor allem die Leitung des Kol- ferent für Hebraica an der Preußischen Nichtjuden“ (so Pohl in Der Stürmer pingvereins zählte. Bereits in der Pfarre Staatsbibliothek in Berlin zu arbeiten. Er 17/1939, Nr. 2) denunziert. versuchte er sich als Bibelexperte zu pro- war Nutznießer der Entlassung von zwei 1937 wurden, wahrscheinlich vermittelt filieren. Es war daher nur folgerichtig, Kollegen jüdischer Herkunft, von denen vom NS-Philosophen Alfred Baeumler, dass ihn die Erzdiözese Köln 1929 zu einer (Arthur Spanier) später im KZ erste Kontakte zum „Amt Rosenberg“ ge- dreijährigen Sprach- und Bibelstudien an Bergen-Belsen ermordet werden sollte. knüpft. Alfred Rosenberg war als Beauf- das Päpstliche Bibelinstitut nach Rom ent- Der äußerst ehrgeizige Pohl bekam rasch tragter des Führers für die Überwachung sandte. Im Studienschwerpunkt Altes Tes- ein Gespür für das Thema, das bei den der gesamten geistigen und weltanschau- tament lernte Pohl auch Hebräisch und er- Nazis große Konjunktur hatte und ihm lichen Schulung und Erziehung der warb ein weiteres Doktorat („Bibel- Profilierungsmöglichkeiten eröffnete: die NSDAP bemüht, mit einer Mischung aus 10 Mitteilungen 163

Mystik, Rassismus und Pseudowissen- über die Bibliotheken Palästinas bereits geringen Teil (27.848 Bände) katalogi- schaft den Machtanspruch des National- 1938 mit 360.000 Bänden beziffert. Der siert. (S. 228) sozialismus ideologisch zu begründen. Gedanke, dass sich außerhalb des Macht- Das Institut zur Erforschung der Juden- Die Talente Pohls, die er als vermeint- bereiches der Nazis jüdisches Geistes- frage gab auch die Zeitschrift Weltkampf licher „Kenner“ des Judentums in der Pro- leben entfalten konnte, hatte freilich kei- heraus, die für Pohl zum zweiten beruf- pagierung des Antisemitismus entwickel- nen Platz in der Vorstellungswelt des füh- lichen Standbein werden sollte und wo er te, kamen dabei Rosenberg und seinen renden NS-Ideologen. in dichter Folge antisemitische Artikel Leuten sehr gelegen. Im Institut zur Erforschung der Juden- veröffentlichte. 1938 legte Pohl die bibliothekarische frage war nun Pohl als Bibliothekar tätig. Anfang 1943 wurde das Bibliotheksper- Fachprüfung (Prüfungsarbeit: Führer Den Grundbestand der Bibliothek bildete sonal des Instituts von der Stadt Frankfurt durch die Bibliotheken Palästinas) ab und der frühere Judaica-Bestand der Frankfur- direkt in den Dienst der NSDAP überstellt. unternahm 1939 auch einen Habilitations- ter Stadtbibliothek, weshalb Pohl noch bis Im Herbst 1943 wechselte Pohl zu versuch an der Universität Berlin für se- 1943 als Angestellter in Diensten der Stadt Rosenbergs Zeitschrift Weltdienst, wo er mitische Philologie und Geistesgeschichte Frankfurt geführt wurde. Der Ergänzungs- die letzten beiden Jahre der NS-Diktatur des vorderen Orients (Thema: Talmud- bestand wurde aus geraubten jüdischen als führender antisemitischer Propaganda- zensur), der aber jämmerlich scheiterte. Sammlungen bezogen. publizist verbrachte. Eine Titelauswahl Die Gutachter stellten der „wissenschaft- Damit begann die dunkelste Periode in aus Pohl-Publikationen des Jahres 1944 lichen“ Arbeit Pohls ein vernichtendes Pohls Leben; war er bislang vorwiegend zeigt die Kontinuität seiner Leitthemen: („ungenügend und wertlos“) Urteil aus. als ideologischer Täter engagiert, so wur- Tausend Talmudzitate — Gibt es eine jüdi- Mangelnde wissenschaftliche Fähigkeiten de er jetzt selbst als Verfolger aktiv. Als sche Religion? Der Talmud als Lehre des kompensierte Pohl mit enormem Publi- Angehöriger des ERR (Einsatzstab Asozialismus in der Geschichte der kationsfleiß. Maria Kühn-Ludewig konnte Reichsleiter Rosenberg) bereiste er die Menschheit — Antijüdische Papsterlasse einige Dutzend Veröffentlichungen, vor- von der Wehrmacht eroberten Länder, um (S. 298). Zuletzt war er noch als Organi- wiegend in NS-Schriften, nachweisen. die Bibliotheken der jüdischen Gemeinden sator eines großen antijüdischen Kongres- (Publikationsliste: S. 294–298) zu „sichten“ und zur Plünderung und zum ses in Krakau tätig, der jedoch wegen des 1940 trat Pohl der NSDAP bei und legte Abtransport in das Frankfurter Institut be- Kriegsverlaufes nicht mehr stattfinden ein Talmud-Lexikon vor, das nach persön- reitzumachen. In dieser Funktion trieb er konnte. licher Durchsicht von Rosenberg noch in Wilna, Saloniki, Minsk, Riga und Kiew 1945 wurde Pohl gefangen genommen nicht zur Drucklegung würdig befunden sein Unwesen. wurde. und Ende Oktober 1946 aus der Internie- In Wilna traf er dabei mit dem legendären 1941 erklomm Pohl die nächste Sprosse in rungshaft entlassen. Kurz davor war sein Ghetto-Bibliothekar Herman Kruk zusam- der Karriereleiter: In Frankfurt am Main Dienstherr Rosenberg als Hauptkriegs- men. Kruk leitete früher eine Arbeiter- wurde als Teil der als NS-Parteiakademie verbrecher hingerichtet worden. Im Ver- bibliothek in Warschau und hat ab 1941 geplanten „Hohen Schule“ Rosenbergs fahren vor dem Nürnberger Militärgericht die Ghetto-Bibliothek Wilna geführt, die das Institut zur Erforschung der Juden- zitierte der amerikanische Ankläger bei im Dezember 1942 die 100.000ste Buch- frage eröffnet. Dort waren die National- der Auflistung der Plünderungsprogram- ausleihe feiern konnte. Inmitten der allge- sozialisten bemüht, alle Gegenstände und me auch aus dem Bibliotheksbericht Pohls meinen Verzweiflung berühren die anläss- Dokumente des „Hauptfeindes“ akribisch vom 29. April 1943, ohne allerdings den lich des Jubiläums überlieferten Worte des zu sammeln. Einen der Kernbereiche des Namen des Verfassers zu erwähnen. In- Schülers Itzchak Rudashevsky: „Hunderte Instituts bildete die Bibliothek, deren Auf- zwischen absolvierte Pohl bereits die lesen hier. Das Lesen ist auch mein größ- gaben Rosenberg 1941 in seiner Rede zur Haftnachprüfung und legte ein geschöntes tes Vergnügen. Das Buch verbindet uns Eröffnung umriss: „Die Bibliothek des Publikationsverzeichnis, in dem er die mit der Zukunft und mit der Welt. Die heute zu eröffnenden Frankfurter Instituts Hetzartikel in NS-Organen verschwieg, Ausleihe von 100.000 Büchern ist eine zur Erforschung der Judenfrage ist heute vor. Auch in der Frankfurter Stadt- und große Sache, und das Ghetto ist mit Recht schon die größte der Welt, die sich mit Universitätsbibliothek wurde nachge- stolz darauf.“ (S. 195) dem Judentum befaßt. Sie wird in den forscht und dort konnte sich niemand an kommenden Jahren noch in ganz entschei- Kruk und sein Team mussten, ehe sie Pohl erinnern. Die Frankfurter Stadt- dender Weise vergrößert werden. Zahl- selbst ermordet wurden, nun im Auftrag bibliothek wollte ihre Verwicklung in das reiche Forscher werden hier die Möglich- der Nazis ihr eigenes Werk liquidieren. Institut zur Erforschung der Judenfrage keit erhalten, in planvoller Weise und an Die Kultur, die Kruk bewahren wollte, möglichst gering erscheinen lassen; ent- Hand unbestechlicher Urkunden und ge- will Pohl rauben, um sie anschließend dif- sprechend wenig wusste man daher den nauester Äußerungen alle Unterlagen famieren zu können. Dem historischen Ermittlern über Pohl zu berichten. durchzuarbeiten, die ein unbestechliches Zusammentreffen der ungleichen Bücher- Nachdem Pohl, ohne dass jemals ein Ge- Bild von der Wirksamkeit des Judentums menschen Kruk und Pohl hat der israeli- richtsverfahren gegen ihn stattgefunden in Europa und namentlich in Deutschland sche Dramatiker Joshua Sobol in seinem hatte, früh freigelassen worden war, begab ergeben.“ (S. 136) Die triumphalistische Stück Ghetto zwei Szenen gewidmet. er sich wieder unter die Schirmherrschaft Pose Rosenbergs negierte aber die Tat- Insgesamt sollten 550.000 geraubte Bü- der katholischen Kirche und setzte dort sache, dass der Bücherbestand des Frank- cher aus West-, Ost- und Südeuropa dem fort, wo er 1934 aufgehört hatte: 1949/50 furter Instituts (350.000) zu diesem Zeit- Institut zugeführt werden; davon sind erschienen mehrere Artikel Pohls in der punkt nicht jenen der Jüdischen National- 300.000 in Frankfurt angekommen, wäh- Publikation des Deutschen Vereins vom und Universitätsbibliothek der Hebräi- rend der Rest in Berlin und anderen Orten Heiligen Land. In seinen Meldedaten aus schen Universität in Jerusalem erreichte. lagerte. In Frankfurt wurden 150.000 jener Zeit scheint als Beruf noch immer Pohl selbst hatte diesen in seiner Arbeit Exemplare ausgepackt, aber nur zu einem „Bibliothekar“ auf. September 2003 11

Ab 1953 fand er eine Beschäftigung als Verlagslektor. Ehrgeiz und Fleiß dürften Aus dem Herbstprogramm der „Akademie des Exils“ noch immer reichlich vorhanden gewesen sein, wie eine Stelle aus einem 1956 an Vortragsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung (öge) in Zusam- den Dechanten seiner früheren Pfarre ge- menarbeit mit dem Arnold Schönberg Center und den Wiener Vorlesungen richteten Brief verrät: „... Ich bin seit Jahren führendes Mitglied der Duden- Mittwoch, 24. 9. 2003, 19.30 Uhr Diskussion zu Problemen der Erfor- Redaktion in Wiesbaden und darf sagen, Konstantin Kaiser und Gerhard Scheit, schung des Exils in Ungarn daß 90 % der Arbeit, die in den beiden Wien: Das Exil und der nationalsozia- letzten Auflagen des Rechtschreibdudens listische Irrationalismus: Arnold Schön- Mittwoch, 5. 11. 2003, 19.30 Uhr steckt, von mir ist ...“ (S. 283) Im selben berg und Berthold Viertel — zum 50. To- Klaus Voigt, Berlin: Exil in Italien Schreiben bezeichnet er die Verlagsarbeit destag von Berthold Viertel Angelica Schütz, Wien: Lesung aus den auch als „im Interesse unserer Kirche“ ste- Wolfgang Glück, Wien: Erinnerungen italienischen Notizen des Exilschrift- hend. Aus verständlichen Gründen hat er an Berthold Viertel stellers Hermann Hakel damals seine Beiträge anonym oder (in Katharina Prager, Wien: Neue For- Cinzia Villani, Bozen: Jüdisches Exil in populärmedizinischen Werken) unter ei- schungen zu Salka und Berthold Viertel Südtirol und im Trentino nem Pseudonym geliefert. 1960 starb Johannes Pohl 56-jährig in Wiesbaden. Mittwoch, 8. 10. 2003, 19.30 Uhr Die Nationalsozialisten wollten das Juden- René Geoffroy, Budapest: Exil in Ort: Arnold Schönberg Center, Palais tum geistig auslöschen und physisch liqui- Ungarn Fanto, Schwarzenbergplatz 6 dieren. Kulturelle Zeugnisse des Juden- Jonny Moser, Wien: Bericht über sein (Eingang Zaunerg. 1), tums sollten jedoch für propagandisti- Exil in Ungarn 1030 Wien schen Missbrauch gesammelt werden. Hier machte sich Johannes Pohl als Publi- zist des Antisemitismus und als Bücher- räuber doppelt schuldig. BUCHPRÄSENTATION Dienstbeflissenheit zählte zu den hervor- stechendsten Charaktermerkmalen Pohls, Bernhard Kuschey die er sowohl für die Kirche als auch die NSDAP eingesetzt hat. Das bibliothekari- Die Ausnahme des Überlebens sche Täterprofil jener Zeit war dabei we- Ernst und Hilde Federn sentlich unauffälliger als das anderer Per- Eine biographische Studie und eine Analyse der sonengruppen, wurde doch letztlich das gemacht, was schon davor und auch da- Binnenstrukturen des Konzentrationslagers nach immer zum Handwerk von Biblio- thekaren zählte: Sichten, Sammeln und 2 Bände, Psychosozial-Verlag 2003 Erschließen. Die akribisch-bürokratisch betriebene Berufsleidenschaft war schein- Werkstattgespräch zwischen den Befragten und Hauptprotagonisten Ernst und Hilde bar so erschöpfend, dass dabei nachhaltig Federn, dem Autor Bernhard Kuschey und dem Supervisor dieses biographischen ausgeblendet werden konnte, dass diese Unternehmens Josef Shaked Eigenschaften zu Synonyma für Enteig- nung und Raub geworden waren. Anders Themen aus den Bereichen der Geschichte der jüdischen Assimilation, der Psycho- lassen sich wohl die vielen Kontinuitäten analyse, der Tragödie der österreichischen Sozialdemokratie und der linken Splitter- in institutionellen und persönlichen Ge- gruppen, der Mächtigkeit des Nationalsozialismus, der KZ-, der Terror- und der Trau- schichten nicht erklären und auch nicht matisierungsgeschichte u. a. können diskutiert werden. der Umstand, dass jahrzehntelang über die Verstrickung von Bibliotheken in den Bü- Veranstalter: Zeit: Donnerstag, 25. 9. 2003, cherraub einfach hinweggegangen wurde. Dokumentationsarchiv des 19.30 Uhr Auch in Österreich verhielt es sich damit österreichischen Widerstandes (DÖW), nicht anders. Dass man sich neuerdings Hadassah-Austria, Ort: Jüdisches Museum, verstärkt dieser Geschichte stellt, ist Wiener SPÖ-Bildung, Dorotheergasse 11, manchmal freilich nur die Folge von be- Theodor Kramer Gesellschaft 1010 Wien rechtigten Restitutionsforderungen.

Maria Kühn-Ludewig zählt zu jenen Johannes Pohl hat sie ihre bisher umfas- An der Herstellung dieser Nummer wirkten mit: Heinz Arnberger, BibliothekarInnen, die bereits seit vielen sendste Arbeit vorgelegt. Dabei die Gren- Hermann Dworczak (H. D.), Heimo Gruber, Eva Kriss, Willi Jahren im Rahmen des deutschen Ar- zen zwischen Opportunismus und Mit- Lasek, Bruno E. Liszka (B. E. L.), Thomas Mang, Wolfgang Neugebauer, Armin Pfahl-Traughber (apt), Stephan Roth, Heribert beitskreises kritischer BibliothekarInnen täterschaft auszuleuchten, ist ihr nach Schiedel, Gerhard Ungar (AKRIBIE) einen Großteil ihres ver- eigener Aussage (S. 286) auch ein aktuel- Impressum: Verleger, Herausgeber und Hersteller: Dokumenta- tionsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wipplingerstraße 8 dienstvollen Engagements der Aufarbei- les Anliegen. (Altes Rathaus), 1010 Wien; Redaktion ebenda (Christa Mehany- tung von bislang wenig beachteten Sek- Die Bibliotheksgeschichtsschreibung ist Mitterrutzner, Tel. 534 36/90315, e-mail: [email protected]; Sekretariat, Tel. 534 36/90319, Fax: 534 36/9990319, e-mail: toren der Geschichte ihres Arbeitsberei- jedenfalls um eine wichtige Studie berei- [email protected]; Homepage: http://www.doew.at). ches widmet. Mit der Biographie von chert worden. Ich bestelle folgende Publikationen zum Sonderpreis für Abonnenten der Mitteilungen:

Österreicher im Exil. Mexiko 1938–1947. Eine Dokumentation, Gedenken und Mahnen in Wien 1934–1945. Gedenkstätten zu hrsg. v. DÖW. Deuticke 2002, 704 S., Bildteil. Leinen i 23,–, Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumen- Karton i 19,– Leinen ... Stück tation, hrsg. v. DÖW, Wien 1998, 488 S., rund 230 Abb. i 15,20 Karton ... Stück ... Stück Österreicher im Exil: Sowjetunion 1934–1945. Eine Doku- Gedenken und Mahnen in Wien 1934–1945. Ergänzungen I, mentation, hrsg. v. DÖW. Deuticke 1999, 800 S., Bildteil Wien 2001, 99 S. i 5,80 ... Stück Karton i 18,80 ... Stück Kombiangebot Gedenken und Mahnen in Wien, Wien 1998 und Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Von der Utopie zum Terror. Gedenken und Mahnen in Wien. Ergänzungen I,Wien 2001. Stalinismus-Analysen. Wien 1994, 181 S. Sonderpreis i 9,– i 17,80 (statt i 21,–) ... Stück ... Stück Zeugen Jehovas. Vergessene Opfer des Nationalsozialismus?, Schriftenreihe des DÖW zur Geschichte der NS-Gewaltverbre- Florian Freund, KZ Ebensee. Ein Außenlager des KZ Mauthau- chen – 3, Wien 1998, 61 S., i 3,60 ... Stück sen, Wien 1990, 48 S. i 2,90 ... Stück Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Österreich Florian Freund, Concentration Camp Ebensee. Subcamp of und die Opfer des Nationalsozialismus. Löcker Verl. Wien 1993. Mauthausen, 2nd revised edition, Vienna 1998, 63 S., i 4,30 309 S. Ladenpr. i 27,60 ... Stück ... Stück Claudia Kuretsidis-Haider/Winfried R. Garscha (Hrsg.), Keine Florian Freund/Hans Safrian, Expulsion and Extermination. „Abrechnung“. NS-Verbrechen, Justiz und Gesellschaft in Euro- The Fate of the Austrian Jews 1938–1945. 62 S. i 4,30 pa nach 1945, Leipzig–Wien 1998, 488 S., i 22,50 ... Stück ... Stück Jonny Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung Öster- reichs 1938–1945, Wien 1999, 86 S. i 4,30 ... Stück Albert Sternfeld, Betrifft: Österreich. Von Österreich betroffen. Böhlau 2001, 294 S., Ladenpr. i 28,90 Brigitte Bailer/Wolfgang Neugebauer, ... ihrer Überzeugung ... Stück treu geblieben. Rechtsextremisten, „Revisionisten“ und Anti- semiten in Österreich, hrsg. v. DÖW, Wien 1996, Deutsch Anton Pelinka/Sabine Mayr (Hrsg.), Die Entdeckung der (72 S.)/Englisch (64 S.). i 2,90 Verantwortung. Die Zweite Republik und die vertriebenen Deutsche Ausgabe: ... Stück Engl. Ausgabe: ... Stück Juden, Braumüller 1998, 306 S. Sonderpreis i 5,90 ... Stück Josef Hindels, Erinnerungen eines linken Sozialisten, hrsg. v. DÖW, Bund Sozialdemokr. Freiheitskämpfer, Wien 1996, 135 S. Emmerich Tálos/Ernst Hanisch/Wolfgang Neugebauer/Reinhard i 6,50 ... Stück Sieder (Hrsg.), NS-Herrschaft in Österreich, öbv und hpt 2001, 959 S., Ladenpr. i 25,40 ... Stück Carl Szokoll, Die Rettung Wiens 1945. Mein Leben, mein Anteil CD-ROM an der Verschwörung gegen Hitler und an der Befreiung Öster- Die österreichischen Opfer des Holocaust / The Austrian reichs, Molden 2001, 416 S. Ladenpr. i 28,90 ... Stück Victims of , Wien 2001, Deutsch/Englisch, i 24,– Franz Danimann, Flüsterwitze und Spottgedichte unterm Ha- ... Stück kenkreuz, Ephelant 2001, 202 S. Ladenpr. i 22,– ... Stück Evelyn Adunka, Peter Roessler (Hrsg.), Die Rezeption des Exils. Geschichte und Perspektiven der österreichischen Exilforschung, Gertrude Enderle-Burcel/Michaela Follner, Diener vieler Her- Mandelbaum 2003, 374 Seiten, Ladenpr. i 29,80 ren. Biographisches Handbuch der Sektionschefs der Ersten Re- ... Stück publik und des Jahres 1945, hrsg. v. DÖW/Österr. Gesellschaft f. histor. Quellenstudien, Wien 1997, 541 S. Leinen (L) i 18,10 / Jahrbuch 2003, hrsg. v. DÖW, Schwerpunkt: Exil, 210 S. Karton (K) i 13,80 i 5,90 ... Stück (L) ... Stück (K) ... Stück Herbert Exenberger/Heinz Riedel, Militärschießplatz Kagran, 1938. NS-Herrschaft in Österreich. Texte und Bilder aus der Wien 2003, 112 S., i 5,– ... Stück gleichnamigen Ausstellung, hrsg. v. BM f. Inneres und DÖW, 40 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider- Wien 1998, 48 S., i 1,00 standes 1963–2003, Wien 2003, 112 S., i 5,– ... Stück ... Stück

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