Jamie Oliver Nicht Zu Kennen Ist Schwer. Als Koch Und Leidenschaftlicher Botschafter Für Gutes Essen Gehört Er Zu Den Bekanntesten Gesichtern Im Britischen Fernsehen
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Jamie Oliver nicht zu kennen ist schwer. Als Koch und leidenschaftlicher Botschafter für gutes Essen gehört er zu den bekanntesten Gesichtern im britischen Fernsehen. Selbst die hartnäckigsten Verweigerer seiner Fernsehauftritte haben eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was sie verpassen. Durch eine Kombination aus Programmvorschauen, Auftrit- ten in Talkshows und jede Menge Presseberichte wissen auch diemeisten,dienichtzuseinen Anhängern gehören, dass der junge Jamie Oliver gerne Wendeltreppen auf dem Geländer herunterrutscht und mit seiner Vespa das mega-trendige Lon- don durchstreift, stets auf der Suche nach neuen kulinarischen Entdeckungen. Oliver-Verweigerer wissen wahrscheinlich auch, dass der junge Mann, als er reifer wurde, seine Zeit und sein Geld dafür einsetzte, arbeitslose Jugendliche für eine Tätigkeit in hochklassigen Restaurants auszubilden, und dass er später eine Kampagne für gesundes Essen an den Schulen sowie für bessere Tierschutzbestimmungen startete. Vor allem wissen Fans wie Gegner gleichermaßen, dass »unser Jamie« in der ungekünstelten Sprache des ganz normalen britischen Vol- kes spricht. Wenn Sie Wörter wie »pukka« (dt. etwa: genial), »malarkey« (dt.: Quatsch) oder »luvvly jubbly« (dt. etwa: spit- zenmäßig) zur Zubereitung von Seeteufel-Spießchen mit Ros- marin hören wollen, ist Oliver Ihr Mann. Tatsache ist, dass es nur sehr wenige Menschen geben kann, die nicht zumindest ein paar Episoden der Oliver- Serien gesehen haben. Und genauso selten sind wahrschein- lich Haushalte zu finden, in denen nicht einer oder mehrere seiner Kochbuch-Bestseller im Regal oder auf der Küchenar- beitsplatte stehen. Für Fans sind sie ein Muss als Ergänzung zu seinen Fernsehsendungen. Für alle anderen sind sie ein praktisches Weihnachtsgeschenk für die Ehefrau, den Ehe- mann, die Freundin oder die liebe Tante. Wer seine Arbeit kennt, weiß, dass mehr dahintersteckt als seine Vespa und der südenglische Essex-Slang. Es waren ganz klar sein jugendliches Alter, seine freche, energische Art und der Charme des »Jungen von nebenan«, mit denen er die 1 Leben und Werk des Jamie Oliver 13 Sympathien gewann, als er zum ersten Mal im britischen Fernsehen erschien. Aber hinter der Figur des gewitzten Jungen aus Essex verbarg sich wesentlich mehr. Als die BBC -Serie The Naked Chef über die Bildschirme flimmerte (deut- sche Erstausstrahlung im Februar 2003 auf RTL II unter dem Titel Jamie Oliver – The Naked Chef;Anm.d.Übers.),warer bereits fertig ausgebildeter Profi-Koch mit Erfahrung in Top- Restaurants. Was ebenso wichtig war: Kochen war seine Lei- denschaft. Und er war vollkommen überzeugt davon, dass gutes Essen zum Leben jedes Menschen gehören sollte, unab- hängig von Alter, sozialer Schicht oder Einkommen. Im Lauf der Zeit entwickelte Jamie Oliver diese Leiden- schaft und diese soziale Botschaft weiter. Die anfänglichen Kochsendungen wurden abgelöst durch eine Mischung aus Reality-TV und Dokumentation,dieunserenHeldenin andere und ernstere Bereiche brachten. Erfüllt von dem Wunsch, etwas zurückzugeben, richtete er ein Restaurant ein, wo arbeitslose und (manchmal) benachteiligte Jugendliche für die Arbeit in der Küche ausgebildet wurden. Er über- zeugte Minister im Kabinett davon, mehr in die Ernährung an den Schulen zu investieren. Er schockierte ein geladenes Publikum, indem er live auf der Bühne Küken vergaste, um die Wahrheit über intensive Lebensmittelproduktion zu zei- gen. Er brachte sogar den Leuten in Rotherham (eine Stadt in South Yorkshire; sein Programm für bessere Schulmahlzeiten stießbeidendortigenElternzumTeilaufWiderstand,weil sie sich herablassend behandelt fühlten. Anm. d. Übers.) das Kochen bei. Seine freche Art und sein Enthusiasmus sind heute noch ungebrochen. Der Mann, der in The Naked Chef zum Rhyth- mus des Rock ’n’ Roll kochte, schlüpfte bereitwillig in das Outfit der Mitglieder der US-Disco-Band The Village People, um für eine Staffel von Sendungen zu werben. Doch die tie- fergründigen Themen haben Oliver vom »Fastfood« in ein fei- neres, aromareicheres Gericht verwandelt. Noch immer schei- densichanihmdieGeister–dieeinenliebenseinenfrechen 14 1 Leben und Werk des Jamie Oliver Charme, die anderen können ihn nicht leiden, aber er hat den Status eines Nationalhelden errungen. Ein absolut genialer Geschäftsmann Doch er ist noch mehr als das. Auf seinem Weg hat er sich zusätzlich als Geschäftsmann erwiesen. Der Beweis liegt auf der Hand. Am Anfang seiner Karriere vermarktete Oliver im Wesentlichen sich selbst – in Form von Fernsehsendungen, DVDs und Büchern. Indem er sich selbst vermarktete, sicherte er sich nicht nur einen Platz in der obersten Sahneschicht der Promi-Torte, sondern er bildete auch eine Marke, mit der man Produkte und Dienstleistungen auf der Basis seines Namens und seines Renommees verkaufen konnte. Die Palette dieser Produkte wurde zunehmend breiter. Wenn man einmal die DVD gekauft und das Kochbuch erworben hat, kann man sich noch seine Marken-Stielkasserollen, Grillzubehör, Kaffeebe- cher, Soßen und Öle besorgen. Es gibt sogar ein Jamie-Oliver- Videospiel zu kaufen und man kann sich seine Küchentipps auf das Handy downloaden. Kurz, er herrscht über ein ziemlich riesi- Wenn Sie Wörter wie ges und lukratives Imperium. Die Zahlen bei »pukka« (genial), Companies House, dem offiziellen Handels- »malarkey« register in Großbritannien, zeigen, dass Oli- (Quatsch) oder vers Holding 2007 einen Gewinn von 3,07 »luvvly jubbly« Millionen Pfund verzeichnete, eine Zahl, die (spitzenmäßig) zur sich im folgenden Jahr auf 6,8 Millionen Zubereitung von Pfund verdoppelte. Und das ist noch nicht Seeteufel-Spießchen alles. Wenn man sein Vermögen zusammen- mit Rosmarin hören rechnet, ist er wirklich ein sehr reicher jun- wollen, ist Oliver ger Mann. 2009 schätzte die Sunday Times Ihr Mann. Rich List sein Vermögen auf 40 Millionen Pfund, trotz Rezession und fallender Immobilienpreise. Er kann sich auch rühmen, viele Menschen in seiner Fern- sehproduktionsfirma, seiner Holding, den Restaurants und Ein absolut genialer Geschäftsmann 15 Läden zu beschäftigen. Dem Daily Telegraph gegenüber sagte er im Januar 2009: »Ich habe immer in Menschen investiert. Vor zehn Jahren hatte ich niemanden – Ende dieses Jahres werden es 5500 sein.«1 In diesem Buch wollen wir Jamie Olivers Erfolg als Ge- schäftsmann näher betrachten. Ein Mensch, eine Marke Im Zentrum von Jamie Olivers Erfolg steht die Erschaffung einer mächtigen Marke auf der Grundlage seiner Kommuni- kationsfähigkeiten. Er hat die Gabe, ganz ohne Skript und mit natürlichemTonfallzumFernsehpublikumzusprechen,und indem er seine Redegewandtheit als Präsentator und die Lei- denschaft für ein Thema nutzt, wurde er zu einer verlässli- chen Größe in der Welt des Kochens und der Lebensmittel- produktion. Von diesem einfachen Ausgangspunkt hat sich Oliver, der Mensch, zu Oliver, der Marke, entwickelt. Wie er das erreicht hat, werden wir uns später in diesem Buch ansehen, aber bevor wir fortfahren, sollten wir uns klar- machen, warum Jamie Olivers Karriere einfach für jeden lehr- reich ist, der ein Unternehmen führt oder innerhalb einer Organisation vorankommen möchte. IchmussIhnennichtersterzählen,dasswirimZeitalter derMarkeleben.VoreinemVierteljahrhundertwardasein Wort, das Verbraucher kaum benutzten. Heute ist das ganz anders. Die großen Unternehmen, die uns Kleidung, Schoko- lade, Autos und sogar Kfz-Versicherungen verkaufen, verwen- den enorm viel Zeit darauf, sich selbst als Marken zu präsen- tieren anstatt als Anbieter von Produkten. Sie wollen, dass wir uns an sie als Marke binden, Mitglieder ihrer Communitys und Netzwerke werden und für sie werben – indem wir sie an Freunde weiterempfehlen. Und im Großen und Ganzen spielen wir mit. Als Verbrau- cher sprechen wir gerne über die Marken, denen wir treu 16 1 Leben und Werk des Jamie Oliver sind. Wir bilden sogar Marken-Communitys in sozialen Netz- werk-Foren wie Facebook oder Myspace. Wir sind, was wir konsumieren, und die Marken, die wir wählen, sichern uns einerseits unsere Position innerhalb einer sozialen Gruppe und unterscheiden uns andererseits von anderen. Mit anderen Worten, sie sind Teil der Definition, wer wir sind und wer nicht. Gleichzeitig demonstrieren sie der Welt, wie erfolgreich wir sind, wie viel verfügbares Ein- kommen wir verschleudern können – und bis zu einem gewissen Grad sogar, welche Werte wir haben. Die Frage ist natürlich: Wodurch unterscheidet sich die eine Marke von der anderen? Manchmal ist das ganz leicht zu erkennen. Man kann eigentlich sofort sehen, dass ein Aston Martin im Vergleich zu einem Ford Focus oder einem Renault M´egane ein ganz anderes Produkt ist. In anderen Fällen ist das viel schwieriger. Wie unterscheidet man beispielsweise Computer, die von verschiedenen Firmen hergestellt wurden, wennsieausdengleichenTeilenbestehenundausderselben Fabrik in China kommen? Oder was unterscheidet zwei DosenBohnenausderselbenFabrikinNorfolkmitgleichem Inhalt, aber unterschiedlichen Etiketten? Auf einer bestimmten Ebene geht es bei der Markenbil- dung um das Produkt, aber es geht dabei noch um weit mehr. Es geht um das Image, das ein Unternehmen der Welt zeigt, seinen Ruf im Umgang mit Kunden, seine Vertrauenswürdig- keit und (zunehmend wichtiger) seine Haltung gegenüber ethischen Themen wie Abfallentsorgung und Klimawandel, Löhne von Fabrikarbeitern in Entwicklungsländern und so weiter. Dies alles versteht man unter »Markenwerten « und sie bestimmen, wie wir ein Produkt und ein Unternehmen wahrnehmen. Persönlichkeiten können viel dazu beitragen, wie ein Unter- nehmen sich verkauft. Warum