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Schriften des Vereins für Geschichte Band 53 . Seite 99 - 110 und Naturgeschichte der Baar März 2010

»In Distanz zu allem ... Politischen leben«' Karl Siegfried Bader als Rechtsanwalt im Nationalsozialismus

Von Angela Borgsredt

Eine der drängenden Fragen, m it denen sich Karl Siegfried Bader unmittelbar nach Kriegsende auseinandersetzte, war die einer Nachbildung und Nacherziehul1g, ja überhaupt einer \Xfiedererziehung der im nationalsozialistischen Ungeist herange­ bildeten Juristen. Wie konnte hier eine "Abkehr vom juristischen Banausentum", wie eine Wiedergewinnung rechtlichen Denkens gelingen? Den angehenden Rich­ tern, Staat - und Rechtsanwälten müsse klar gemacht werden, so Baders Folgerung, " dass mit der formalen Handhabung juristischer Technik, mit dem gedächtnis• mäßigen Einprägen von Rechtssätzen und mit einer gewissen Fertigkeit in der recht­ lichen Subsumption nichts getan ist. ( .. . ) Es handelt sich nicht darum, dass der Jung­ jurist neben seinen Gesetze kenntnissen a uch Daten aus der deutschen Geschichte kennt und ein e halbwegs brauchbare Vorstellung von den politischen Verhältnissen hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der junge Jurist durch die juristischen Denk­ formen hindurch möglichst rasch und möglichst tief zu den Grundwahrheiten der Humanität, der Caritas und der inneren, nicht nur der formalen Legalität durch­ dringt. " 2 Der gute Jurist sei eben mehr als ein Jurist mit gutem Fachwissen und gewissen Fertigkeiten. Sein Anliegen der Nach- oder Wiedererziehung de juristischen achwuchses war letztlich nur Teilaspekt einer grundsätzli chen Bestandsaufnahme und Zustandsanalyse der Justiz nach 1945, die essentiell daZLI beitragen sollte ihr Versagen, ihre Kapitulation vor dem Unrechtsstaat zu erklären. "Manche Verfalls­ erscheinungen, die das Recht der vergangenen Jahre aufweist", etwa die Nachgie­ bigkeit gegen über autoriüiren Begehren, so Bader in der 1947 veröffentlichten Schrift Die deutschen Juristen, seien natürliche Folgeerscheinungen des geringen Status, der Subalternität dieser Juristen.' Der deutsche Jurist, zumal der Richter, sei der ZLIverlässig integre und unbestechlich objektive, aber eben doch der Beamte, des­ sen Prestige an das der angelsächsischen Richterkönige kaum heranreichte. Was für den Ri chter ga lt, galt um so mehr für den deutschen Rechtsanwalt: Zuverlässigkeit, Fleiß, Treue gegenüber der Klientel, aber auch hi er die "ängstliche Anpassung an das herrschende iveau und Idie] weitgehende Achtung vor der Autorität".4 Zwar war die " Iiberalistische" Anwaltschaft, so Bader, in vergleichsweise geringerem Maße der Infizierung durch den nationalsozialistischen Ungeist erlegen, insge- amt jedoch sei sie historisch bedingt der "Berufsstand der Brotverdiener", der "juristischen H andwerker" dem sich vornehmlich die "mittelmäßigen und unter dem Durch chnitt bleibenden Juristen ZLIwandten", die für den Staatsdienst nicht ta ugten.5

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Wer hi er so scheinbar hart über den Anwaltssta nd urteilte, ta t di e aus der Perspekti ve interner Kenntnis. Dabei i t es am weni gsten di e Anwaltstätigkeit, mit der Rechts- und Geschieht wis enschaft, aber a uch di e interessierte Öffentlichkeit Ka r! Siegfried Bader verbindet. Bader, das war für viele achkriegsdeutsche der gestrenge Generalstaats­ anwalt im französisch besetzten Südbaden, der, wie selbst das Wochenmagazin Der Spiegel anerkennend fe tstellte", di e Ha uptve rantworrlichen des Behinderten­ morde in Baden noch da nn mit der H ä rte des Gesetzes konfrontierte, als a ndern­ orts längst die "Gnade der späten Verurteilung" (Chri tian M eier) gras ierte. Bader, das war der hefankläger im spekta kulä ren Strafprozess gegen Heinrich Tillessen, einen der beid en M ö rder des Weima rer Reich finanzmini ters ." eben dem großen ürnberger Prozess hat kein anderes Geri chtsverfahren un erer achkriegszeit mehr Aufsehen erregt und 1.. . 1 ein stär­ kere Echo gefunden" a ls das im Sommer 1946 eingeleitete Strafverfahren-, das bekanntlich mit einem ka ndal endete: Dem Freispruch des Täters, der Urteilska - sati on durch die Be atzungsmacht und schließli ch dem Rücktritt des quasi Justiz­ ministers Pa ul Zürcher, we il er diesen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz für ein e schwere Belastung de zu restituierenden Rechts taats hielt. Baders Plädoye r hi elt die Nachkriegspublizistik für so bedeutsa m, dass es Do lf Sternberger im voll en Wortlaut in sein e Monatsschrift Die Wandlung a ufnahm. Bader, das war der publizisti sch selbst immens produktive H erausgeber der monatlich ersc hein enden Deutschen Rechtszeitschrift, der späteren Juristenzeitung. Zwei Ja hrzehnte lang, 1953 bis 1974, gehörte er zudem dem Herausgebergremium der renommierten Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte an. D ie in der Festschrift zum 60. GeburtstagS enthaltene Bibliographie führt über 800 Auf­ sätze und Mo nographien Baders a uf, wobei die re hthistori ehen und Publikatio­ nen zum Strafrecht und zur Strafrechtspraxis den einen, die Studien zur südwest­ deutschen und schweizeri schen La ndesgescbi chte den zweiten Schwerpunkt da rstell en. Bader, das war vor a ll em und seit 195 1 a u schließli ch der engagierte a kademi ehe Lehrer ganzer Juristengenerationen, beginnend in Freiburg, sodann a n der neu gegründeten Universität Ma in z, schließlich jahrzehntelang als Ordinarius in Zürich. 1n ein em ebenamt war Bader ferner Archivar und Historiker de Dona ueschinger Fürstlich Fürstenbergi ehen Archivs. Landes- und Rechtshi storiker, Uni rsitä tsprofessor und wi senschaftlicher Publizist, Staatsanwalt, Generalstaatsanwalt sogar - di e Facette der Anwaltstä ti g­ keit gehört auf den ersten Blick nur marginal.ins Bild di eser badischen Juristenper­ sönlichkei t. Und doch, so scheint es, ist Baders Diktaturerfa hrung, und gerade die des Strafverteidiger im Unrechtsstaat, in ein em M aße prägend für den weiteren Berufs- und Lebensweg, di e diese scheinbare Marginalität doch ein wenig relativiert. Tat ächlich hatte der J905 in Walda u, heute Stadtteil von Titisee- eustadt, geborene katholische Lehrersohn Kar! Siegfried Bader zielstrebig die Laufbahn de Justi zjuristen eingeschl agen. Er ha tte in Tübingen, Wi en, und zuletzt Freiburg Rechtswis enschaft studiert, 1927 das Erste und 1930 das Zweite Staats­ examen bestanden. 1928 wurde Bader mit ein em rechtshistori ehen Thema "Das

100 Schi edsverfahren in Schwa ben vom 12. bi s zu m ausgehenden 16. Jahrhundert" promoviert, für das er erstaunlicherweise nicht den Germanisten Claudius von Schwerin als Betreuer gewählt hatte. ,,( ... ) in Freiburg fa nd ich den Weg zu Claud iu von Schwerin zu nächst nur über das zivili sti sche Praktikum, erst nach dem Referenda rexamen in seinem Sachse nspiegelseminar, das mich ebensoweni g stark berührte wie sein Nordisc hes Seminar. Um di esem zu entgehen, ho lte ich für das von mir erfundene und gewählte Dissertatio nsthema ( ... ) den Beistand des dafür sachlich ga nz unzuständ igen Extraordinarius Rudolf Schultz (... )", sollte er ich rückblickend erinnern. 9 Alexander H oll erbach führt zudem überzeugend den sach­ li chen Grund der Kompetenz beid er Gutachter im Bereich des Verfahrensrechts an. IO Im Jahr der Promoti on 1928 heiratete Bader die Studienfreundin Grete Weiß, Tochter einer Wien er Anwaltsfamil ie. Z"ve i Jahre später leistete Bader den Beam­ teneid als Gerichtsassessor. Ein e glatte Berufskarriere möchte man meinen, denn 1933 stand der Nachw uchsjurist vo r der Ernennung zum Staatsanwalt. Die soge­ nannte "M achtergreifung" der Nationalsozialisten brachte jedoch da frühzeitige Ende dieser Ka rriereho ffnung: Binnen weniger M onate fand sich Bader "auf der anderen Seite des Saales" wieder, als Rechtsbeistand jener, die er eigentlich hatte dorthin bringen wo ll en . Es war ein Se iten wechsel, der ihm nach eigenem Bekunden "die Auge n öffnete" und ihn lehrte, Gerichtsbarkeit und Justiz aus der Perspektive Betroffener zu se hen. 11 Wie bei so vielen hatte es auch bei Bader in jener "Machtergreifungs phase", als Nachbarn, Bekannte oder Koll egen der SDAP beitraten, einen Moment der Anpassungsberei tschaft an die veränderten politi schen Ve rhältnisse gegeben. Vom mitgelaufe nen Umfeld , von den Vo rgesetzten gedrängt, unterzeichnete er ein Auf­ nahmegesuch bei der NSD AP-On sgruppe Oberwiehre. J2 Im Unterschi ed zu selbst manchem Angehöri gen des Widerstands musste Bader indes keinen langwierigen Distanzierungsp rozess durchl a ufen: Als Ehemann einer wenngleich getauften und noch dazu bereits von ihm getrennt lebenden Jüdin, " jüdisch ve rsippt", wie es im Jargon der Zeit hi eß, war Bader für die Partei nicht tragbar. Und wer für die Partei nicht tragbar war, der war auch für den badi schen Staatsdienst untragbar gewor­ den. Damit ze rsc hlug sich nicht nur die eigentliche Berufs perspekti ve . Auch kaum min der attrakti ve berufliche Alternati ven waren plötzli ch unerreichbar. Weder ließ sich ein e Uni versitä tsla ufbahn noch ein e Karriere im staatlichen Archi vdienst rea li sieren. Bader konnte sich zwar 1942 doch noch an der Freiburger ju risti schen Fakultät habilitieren, di e Be rufung auf einen Lehr ruhl jedoch blieb ihm seiner po litischen Bi ographie wegen bis zu m Ende der N S-Diktatur verwehrt. Und die Bewerbung 1938 a ls indirekter Nachfo lger des nebenamtlichen Archi vdirektors Franz Schna bel a m Karlsruher Genera llandesa rchi v scheiterte wo hl a us eben di esen Gründen. Die Umstände seiner zum 1. Oktober 1933 erfo lgten Entlassung hatte Bader noch Jahrzehnte später ni cht ve rgessen. 13 Z um O berlandesgerichtspräsid enten nach Karlsruhe bestell t, habe ih n d ieser mit einer Tirade überschüttete und ihm erklärt, " dass ein Arier, der eine nicht arische Frau heirate, mit viel mehr Recht a us dem Staatsdi enst entfernt werden müsse a ls ein Jude, der für se in e Abstammung an sich ni chts könne.' 14

101 Der Anwalt beruf, den er nun ergriff, war somit fast chon die ei nzige sich bietende berufliche Alternative. Sehr zum Missfallen de Berufsstande blieb hier auch nach 1933 die Möglichkeit einer Zulassungsverweigerung zunächst begrenzt", so dass nicht nur dienstentlassene Justizjuristen, sondern a uch juristisch qualifizierte Politiker der Weimarer Republik, Bürgermeister und Kommunalbeamte a ufgenommen werden mussten. Einiges spri cht dafür, das Bader in der Anwalt duft nicht sein Metier sah: die Tätigkeit a ls Leiter de Fürstli ch Fürstenbergischen rchivs in Donaueschingen seit 1937, die durch zahlreiche Publikationen vorbereitete H abilitati on und Dozentur für Rec htsgeschichte und Kirchenrecht 1942, schließli ch der ofortige Entschluss zur Rückkehr in den Justizdien t 1945. Di e Anwalt tä ti gkeit blieb Epi ode, an die nach Kriegsende a ll enfa lls noch das zu r ßüroaus tartung mitgenommene Mobiliar der ei nstigen Ka nzlei erinnerte. Trotz wirtschaftlich schwieriger Lage li eß sich Baders Anwalt praxis halbwegs gut an: ,,1 ... 1geför dert, so die Erinnerung, vom mir gewogen bl eibenden Schwerin. Im Anwaltsbereich keine großen Erfolge, aber nach dem Wegfall der Unterstützung durch den in Wien se lbst immer mehr in Bedrängnis gera tenen Pa pa Weiss soviel, dass der Junggesell e leben, - sogar ein ,Autöchen' anschaffen könnend - in Distanz zu a ll em und jedem, vor allem zu a ll em Politischen, existieren konnte." 16 Sie entwickelte sich sogar so gut, dass nach drei Ja hren mit H a ns Eiseie ei n Sozius aufgenommen werden konnte - ein Bader zu fo lge sehr li ebenswürdiger jün­ gerer Kollege, ,,( ... ) der dem Regime nie auch nur den kleinsten Tribut zollte und in dem von diesem Regime angezettelten Krieg sein Leben ve rl o r" .1 7 Offensichtlich verfügte Recht anwalt Bader a uch damals über jene Energie und Schaffenskraft, die sich für die Zeit unmittelbar nach Kriegsende in sein en Tagebuchaufzeichnungen dokumentiert. Jedenfalls fand er in jenen Vorkriegsjahren genügend Freiraum für wissen chafrliches Arbeiten. Die Refl exio n rechtsgeschi c htlicher und rechts­ philosophischer Kernfragen wa r ni cht nur für ihn Mittel der Selbstbesinnung und Standorrbestimmungen in ein em politi chen System das gerade a us der eigenen Beruf erfahrung heraus als Unrechtsstaat erl ebt wurde. Alexander Ho ll erbach verweist a uf d ie briefliche Bekanntschaft Baders mit Gustav Radbruch, den er in Heidelberger Studententagen als Lehrenden erlebt hatte. Radbruch hatte sich nach sein er Zwangsemeritierung intensiv mit dem befas t, wa Ernst Fraenkel al Domina nz de Po litischen gegenüber rechtlichen ormen beschrieb. "Die Tendenz mein es Vortrag", schrieb Radbruch 1937 dem Rechts­ philosophen earl August Emge, " ri chtet sich gegen di e heute übliche Überschätzung der ldee des Gemeinwohls gegenüber den Leitgeda nken der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit" .1 8 ,In der Endphase meiner anwaltlichen T ätigkeit", so Baders Berliner Anwaltskollege Ernst Fraenkel, " habe ich den eigentlichen Nutzen meiner Zu la sung zur Anwaltschaft im Besitz des Anwaltsausweise erbli ckt, der mir di e Benutzu ng der Präsenzbibliothek des Kammergerichts und der Staatsbibliothek ermöglichte." 19 Fraenkels "Doppelstaat", Produkt owohl der berufspraktischen All tagserfahrung wie der politisch erzwungenen Muße war die wohl profundeste, in der sogenannten " inneren Emigration" entstandene wissenschaftliche Struktur­ analyse der S-Dikta tur, doch zeigen auch die Briefe Radbruchs, die vornehmlich

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rechtshistorischen Arbeiten Ka r! Siegfried Bader recht eindrücklich Spektrum und Dimension zeitkritischer Auseinandersetzung - und ei es in der Darstellung ve rgangener Rechtszustände und Rechtsentwicklungen. Der Anwaltsberuf, den Bader 1933 ergriff, hatte bei den ationalsoziali sten ein nur geringes Presti ge . Dara n änderte weder der Einsatz wohlwoll ender Vertei­ dige r für di e "Straftäter der Bewegung" noch gar di e Führungsrolle manches Anwalts im Bund nationalsozialistischer deutscher juristen wesentliches. Der S-Staat misstraute einem Berufsstand, der ich der Gleichschaltung und Lenkung partiell eher entziehen konnte als die beamteten Richter und Staat anwälte. Vor a ll em aber sah er in ihm den Interessenve rtreter des Einzelnen gegen den taat, den Partein ehmer des " individ uell en Egoismus gegen den Volksstaat" ja den Verräter an der sogenannten " Volksgemeinschaft". "Der Anwalt", war 1933 im Jahres­ bericht der Badischen Anwaltskammer zu lesen, " darf künftighin nicht mehr seine aussch li eßliche Aufgabe darin erblicken, den egoisti chen Zielen der von ihm ver­ tretenen Partei unter allen Umständen zum Si eg zu verhelfen. Er wird sich vielmehr bewusst sein müssen, dass er der Träger einer wichtigen staatlichen Funktion ist. Demgemäß wird er bei allen seinen Maßnahmen das den Wünschen des Einzelnen vo rgehende Interesse des Vo lksga nzen ni emals außer Acht lassen dürfen, geleitet von dem Grundsatz: ,Recht ist, was dem Volke nützt, Unrecht, was ihm schadet'. ur wenn di e Anwaltschaft in diesem Sinne der Rechtspflege dient, wird sie ihre Pflicht Staat und Volk gegenüber erfüllen und ihre Unentbehrlichkeit a uch im neuen Reich dartun. " 20 So wurde di e herkömmliche Berufsbezeichnung zum Synonym der Partei­ nahme für Egoismus und Einzel interesse, wohingegen sich der y temkonforme Ver­ treter des sogenannten" Volksinteres es" fortan " Rechtswahrer" nannte. Dass da im Unrechtsstaat nicht viel Recht zu wahren war, konstatierte Bader rückblickend in bitterer Ironie. 21 Tatsächlich ze igte mancher seiner anwaltlichen Berufskollegen, dass er das verä nderte Berufsbild, di e neue Aufgabenzuwei ung nur allzu rasch interna li siert hatte. Wer dennoch wie Bader dem anwaltlichen Berufsethos ve rpflichtet blieb, der spürte nur zu sehr das Mi strauen von ParteisteIl en und Justiz dem mutmaßlichen Komplizen, dem "Gehilfe n de Diebes' 22 , gegenüber. Jede echte Verteidigung bedeutete nunmehr potenziell ein en "Akt eminenter Selbst­ gefährdung. " 23 Trotzdem waren Baders Freiburger Anwaltskollegen keineswegs zu a ll eini gen "Rechtswahrern " de S-Staats geword en. Unbestritten ga b e unter ihnen Partei­ fanatiker wie den Ratsherrn und Sektionsführer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher juristen, Franz Schandelm aier. Sie blieben professionell jedoch eher rand­ ständig. Verbreiteter war di e opportunisti sch mehr noch als idealistisch motivierte Parteigängerschaft, die Anpassung an die veränderten politischen Verhä ltnis e. Der ein e fürchtete um den Verlust öffentlicher Mandate, der andere wollte nicht abseits tehen, ein dritter erhoffte sich materi ell e Vorteile, di e Beschränkung der Anwalts­ zulas ungen und daraus resulti erend di e Minderung des Konkurrenzdrucks. Zugeständnisse wie di e Mitgliedschaft im B SDj, di e Abnahme längst ideo­ logisierter Fachliteratur, den Aufmarsch am "Tag der nationalen Arbeit" im Talar machten auch Distanzierte, Skeptiker, ja Gegner. Baders Lörracher Kollege Friedrich

103 Vortisch be chrieb selb tironisch das Einüben des in Gericht verhandlungen nunmehr obli gaten Hitlergrußes. "Wenn ich vorher ganz intensiv dreimal den schwäbischen Gruß gedacht ha be, habe ich es tatsächlich auch schon ferti g gebracht, und ich ver preche mir von der M ethode mit der Z eit prachtvolle Selb t­ erziehungserfolge. " 24 Die Kehrse ite di eser zumindest graduellen Anpassung war die Entsolidarisierung von den jüdischen Ko ll egen. Sinnbild dafür wa r etwa die Verdrängung des la ngjä hrigen Freiburger SPD-Stadtrats und Rechtsanwalt Robert Grumbach aus lukra tiver Geschäftslage, dem dort ausgerechnet der erwähnte Funk­ tionär Franz Schandelmaier fo lgte. H Fanal der a l bald beginnenden Entrechtung war der Se lb tmord des Koll egen Ludwig ternfeld, der, den fal chen Anschuldi­ gungen und bewussten Lügen ein es ehema li gen Klienten schutzlos ausgeliefert, a n dieser Boshaftigkeit und iedertracht ze rbrach. Als Bader 1933 von der Bank des nklägers zur Verteidigerbank wechselte, hatte er es keineswegs mit a usschließli ch nazih ö ri gen Richtern zu tun. Er erinnerte sich vielm ehr a n Ri chter, die - auf dem politischen Ohr eher schwerhörig - ein Verfahren li eber um ideologische Klippen herumschifften. L6 Es ga b Richter, die die Erosion richterlicher Unabhä ngigkeit ni cht chweigend hinna hmen; die sich etwa ein zu verhä ngendes Strafmaß ni cht von Pa rtei teilen diktieren li eßen; die die Anwesenheit "parteiamtlicher Protokoll a nten", di e eigentlich Denunzianten waren, bei ihren itzungsterminen ironisierten: "Sind di e H erren von der Partei a nwesend - dann können wir ja a nfangen! " Beim Freiburger Landgericht orgte dessen Prä id ent Gu tav Brugier zunäch t dafür, di e Arbeitsatmosphäre sachlich und den politischen Konformitätsdruck gering zu ha lten. Entsprechend gering hi elt ich di e Quote der Parteimitg li eder unter se in en Richtern. Brugier Gegentypus, den anpassungswi lli gen Vollstrecker jeglichen gesetzförmigen Unrecht, hatte Bader am Tag einer Entlas ung in jenem cho leri schen Oberlandesgerichtspräsidenten kennen gelernt. "Wir ha ben erl ebt", so sei n a mbiva lent a usfa ll endes Resümee, "dass ein Gericht, das den Kreisleiter als Zeugen zu ve rn ehmen hatte, bei de sen Erscheinen sich erhob, um den ,H oheitsträger mit dem deutschen Gruß zu begrüßen'. Zur Ehre dieses jüng ten Richtertums ei a ll erdings auch a ngemerkt, das es vereinzelt Amtsrichter gab, di e den eiben Kreisleiter ersuchten, di e nichtöffentliche Verhand­ lung, in die er sich ein gedrängt hatte, zu ve rl assen."27 Es gab, dies hat die histori­ sche Wider tandsfor chung der letzten Jahre deutlich gemacht, durcha us Ermes­ sens- und H a ndlungsspielrä ume: für die formal noch immer una bhä ngigen Richter wie für ih re freiberuflichen Anwaltskollegen. Es waren Mandate des a nwa ltlichen Arbeitsalltags, die Bader vornehmlich übernahm: Rechtsberatungen etwa in zivilrechtlichen Angelegenheiten. Bei der Sichtung der Ha ndakten ] 945 li eß er sie noch einmal Revue pas ieren, um chließ• li ch mit ein em , Wie weit entfe rnt" den Aktendeckel zu schließen. An einen "Büro chreck" erinnerte er ich im achkriegstagebuch, eine treue, jedoch etwas strapazierende Kli entin. Und da nn gab es auf der anderen Seite einige politisch brisa nte Mandate, darunter die Pfli chtverteidi gung in ein em La nde ve rratsprozess vor dem Berliner Volksgerichtshof. Die innere Anspannung, mit der er dieses M a ndat übernahm, i t selbst der Jahrzehnte später ve röffentli chten Schilderung noch anzumerken:

L04 " eben der blendend weißen Uniform des Luftwaffengenerals, der als rich­ terlicher Beisitzer fungierte, ist mir in Erinnerung, dass die Verteidiger in diesem ei­ nen Verfahren, das gewiss keine Verallgemeinerung zulässt, höflich-kühl behandelt und korrekt angehört wurden, dass sich auch der Anklagevertreter korrekt verhielt und dass die Strafen eher unter dem blieben, was wir Verteidiger envartet haben. In diesem Fall ist mir als Verteidiger etwas für mich einmaliges passiert: beeindruckt von der Schwere des Schuldvorwurfs lind der zu erwartenden Strafe hatte ich mein Plaidoyer besonders sorgfältig vorbereitet, allch um nicht im Eifer des Gefechts zu entgleisen. Da ließ der Staatsanwalt zu meinem Entsetzen die Anklage fa llen, um meinen Mandanten unter einem anderen, leichteren Gesichtspunkt anzuklagen. Nun konnte ich mein Manuskript unter der l~ obe verschwinden lassen, um im gewohnten til frei zu antworten - all ch ein kleines Seiten licht zur Erhellung der Strafverteidigung im Dritten Reich und der Situation des Verteidigers!"28 Zu Baders Kliem el gehörten Verfolgte und Opfer des Unrechts taates: Juden und so defini erte "jüdische Mischlinge", Katholiken und Vertreter der katholischen Kirche, di enstentlassene Beamte. 1936/37 ve rtrat er di e jüdische Ge chäftsführerin ei ner Freiburger Korsetthandlung gegen ihre Angestellten und sah sich prompt im S-Blatt Der Führer a ngeprangert: Rechtsanwalt Bader hat "sich zu[m] Juden­ genossen erniedrigt und da mit der Verachtung des Volkes preisgegeben" .29 un war die Vertretung jüdischer Mandanten durch N ichtpa rteimitglieder wie Bader zunächst gar nicht verboten. Kaum ei ner wollte jedoch die mit der a mensnennung in NS-Postillen fraglos einher gehende Stigmatisierung und den Verlust von Kli en­ ten riskieren. Dass Bader sich auch weiterhin Rechtsuchender wie jenes lettisch­ jüdischen Swdemen annahm, den zu vertreten ihn das Schweizeri che Konsulat beauftragt hatte, illustriert sein e berufsethische Standfestigkeit und Unkorrumpier­ barkeit. Seine verfolgte, sein e regimekritische Klientel wiederum konnte sicher sein, dass sie bei ihm den keineswegs meh r sei bstver tä ndl ichen Vertra uenssch utz genoss. Im Büro "am Martinstor, in das man von der Sackgasse her über eine Art Hintertreppe kam " 30, betrat der anwaltlichen Rat Suchende quasi eine Enklave: "Lage und Größe waren unwichtig, wichtig nur, dass dies es Büro zwei Doppeltüren hatte, die jeweils innere gepolstert. Solche Doppeltüren zeigten in jenen Tagen eine merkwürdige Gemeinsamkeit, gleich ob dahinter ein Arzt, Rechtsanwalt oder Makler hauste: sie erlaubten die Rückkehr Zllm eigentlichenlch. Viele haben jenen kleinen Raum in jenen Jahren betreten. 'Arier' und ' ichtarier', 'nichtarisch' ve1·sippte und wie die rassischen Kategorien sonst noch hießen, und immer wieder geschah dasselbe. Kaum war die Doppeltür zum Vorzimmer, wo die brave, ahnungslose (oder nichts ahnen wollende) Sekretärin saß, geschlossen, kam das Innere des Besuchers zum Vorschein. Es war wie eine Art geistigen Erbrechens. Zuerst ein Blick nach dem Telefon und nach dem hermetisch geschlossenen Fenster - dann ging es los. ZlIrückhaltend in den ersten Sätzen, dann wie ein Sturzbach hervorquellend, ein Gemisch aus Empörung, Ekel und Scham, das Sichauflel?11en gegen Gewalt lind Unrecht, gegen D oppelzüngigkeit und offene Schamlosigkeit, die da draußen, jenseits der Doppeltüren herrschten. Der Dauerbewohner besagten Büros, dessen gewohnt und bis zum Ende der Prozedur weiter an der Zigarre rauchend, musste warten, bis der Anfall vorüber war. Dann konnte man darüber

105 reden, wie man ,Denen' auf ungefährliche oder doch l1icht allzu ris kante Weise ein Sch nippchen schlagen konnte. U11 Z um Kreis derer, di e hinter den gepo lsterten Türen des Anwaltszimmers Vertra uliche besprachen, gehö rte di e Freiburger a ritasl11 ita rbeiterin Dr. Gerrrud Luckne r. Oie gebürtige Engländerin mit enger Verbindung zur Religionsgemein - chaft der Quä ker, wa r engagierte Fürsorgerin und überdies " mit der Durchführung no twendiger ufgaben der a ußero rdentlichen Seelsorge", so das erzbischöflich e Be­ gla ubigungsschreiben, mit der Betreuung und Auswa nderungsberatung katho li sch geta ufter Juden betra ut. Ihre Unterstützung galt freili ch ko nfessionsuna bhä ngig jedem hil fes uchenden Juden. Sie ve rfügte über viel fä ltige internationa le Ko nta kte, die ie den zunäch t legalen, mit der Sc hli eßung der Schweizer Grenze 1938 zunehmend a uch ill egalen Emigranten nutzba r machte. " M eine Juden kamen nach Basel. [ ...1 M eine Freunde ha ben sie do rt a ufge no mmen, ihnen Geld gegeben und weitergeholfe n. " 32 Vo n Luckner T ä ti gkeit a ls ill egaler Fluchthelferin zeugt die im achl ass befindli che eigenhä ndige Skizze des Grenzverl a ufs bei Gottmadingen und Singen. Für ihre Hilfsa ktio nen benötigte Gertrud Luckner zuverlässige Unterstüt­ zung. Kar! Siegfri ed Bader fungierte hi er im weitesten Sinne a l juri tischer Ratge­ ber. " Oie Luckner ha t mich a ls Anwa It entdeckt und ich bin ja a uch für sie gereist", erklä rte er la ko ni sch in ein em kurz vor sein em Tod gegebenen Inter view. 33 Diese T ä ti gkeitsbeschreibung lässt sich ein weni g ko nkretisieren. Letztma l im ovem­ ber 1940 fuhr Bader in die Schweiz, um mit Luckners do rtigen Konta ktpersonen Fühlung zu nehmen, di e wegen der kriegsbedingten Briefzensur a nders ni cht mehr zu erreichen waren. Offiziell er Grund für di e genehmig ungspflichtige Rei e wa r eine Archi vrecherche im Auftrag ein es vorgeblich kriegswichtigen Unternehmens. Und wenn wir uns des Datums ve rgewissern : weni ge Wochen nach der berüchtig­ ten Okto berdeportati o n der badischen und pfä lzischen Juden, dann wird die ganze Tragweite di eser Schweize r Missio n deutlich. Vi e ll eicht li eße sicb a uf di esem Wege weni gstens noch einigen vorer t Davongeko mmenen helfen. Ob a ls Widerständigkeit, o b a ls simple Mitmensch li chkeit intendi ert, a uch di eses H a ndeln bedeutete erhö hte Selb tgefä hrdung. Wie ko nkret di e Gefa hr sein erzeit gewesen wa r, erfuhr Bader 194 7 bei der ichtung des umfa ngreichen Ge ta po-D ossiers über Gertrud Luckne r. Es li egt heute, oweit erha lten, in einer von H a ns-Josef Woll asch besorgten Edition vo r. Um eine mutma ßli che achrichten­ ze ntra le de Freiburger Erzbi schof zu entta rnen, wa r Luckner bi zur Festna bme im M ä rz 1943 ein ha lbes Ja hr von Beamten der Düsseldo rfer Gestapo-Leitstell e (so der damalige j argon) o bserviert wo rden. " a he der Anwaltska nzlei wa r sie mehr­ ma ls geseben wo rden w ie sie "scha rf a uf die rechte Straßenseite zu (fubr), ( ... ) vom Fa hrrad a bstieg und ( ... ) nsta lten machte, a uf das H a us zuzugehen. Si e vergewis­ serte sich jedoch ( ... ) noch einmal, o b sie jema nd beobachten könnte ( ... ), wurde stutzig ( .. . ), besti eg da nn p lö tzlich w ieder das Fa hrrad und fuhr ein n a nderen \Xleg ." l ~ Bei der Verha ftung im Z ug zwischen und Karlsruhe wurde a uch ih r Adressbuch beschl agna hmt. Unter den amenseinträgen war der des Anwa lts. " Ich sta nd in ihrem Bü chl ein , a l ie ve rhaftet w urde. D a sta nd nur ,Bader' und ein M a nn von der Gesta po, der früher bei der Freiburger Po li zei war und der mi ch kannte,

106 als Rechtsa sagte mir später, wir haben genau gewusst, wer der Bader war, aber der Bader war ja beim Militär. " 35 Auch das gab es: einen zur Gestapo versetzten Po li zei beamten, der eine Spur nicht weiter verfolgte! Einer willkürlichen Entscheidung, auch die ein Strukture lement des Unrecht staats, ve rd ankte Bader, dass ihm Vorladung, Verhör, womöglich Verhaftung und H aft erspart ge blieben waren. Kar! Siegfried Bader befand sich damals tatsächlich beim Militär. ur Wochen nach der Reise in die Schweiz, im Februar 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezo­ gen. Weil der Sozius bereits 1940 zum Landgericht Kassel beordert und chli eßli ch an die Ostfront abkommandiert worden war, wurde die Kanzlei Or. Karl Siegfried Bader, 01". Hans Eiseie, Rechtsanwälte a ufgelöst. Zunächst war Bader wegen seines Doktortitels irrtümlich zur Sanitätsa bteilung ei ngezogen worden. "Dr. iur. gabs beim Kommis nicht. Ic h wurde ( ... ) zur Sanüät (sic) als beinahe 40-Jähriger eingezogen, ungedient, daher hagelte es auf dem Kasernenhof mit (Beschimpfungen wie) ,taube Nuss' und dergleichen. " 36 Eben der Kasernenhofton, die offenkundige Intellektuell en fe indscha ft und Verachtung von Individualität, dazu di e Erfahrungen aus dem Wehrstrafvoll zug prägten Baders Wahrnehmung nachha lti g. ,,( ... ) warum hat man nie gehört, dass einer von diesen Schindern später zur Rechenschaft gezo­ gen wurde" , artikulierte sich noch nach Jahrzehnten sein e Empörung.3? Als gesundheitsbedingt nicht frontdienstta uglicher Infanterist war Bader zunächst Bataillonsschreiber in Ulm . 1942 fa nd er auf ve rmittelnde Fürsprache des Strafrechtler Adolf Schönke Verwendung im Freiburger Wehrmacht gefängnis. Ei ne be lastende Erfahrung: die Voll treckung von 43 Todesurteilen gehörte dazu. Manches hat Bader seinen nachträglich " unter gefangenen Soldaten" überschrie­ benen Aufzeichnungen anvertraut, die heute im Münchener Institut für Zeit­ geschichte verwahrt werden. Anderes fiel unter das in zunehmendem Umfang wahr­ genommene Mandantenverhältnis, denn Bader trat schließlich "zeitwei li g fast jede Woche als Amtsverteidiger vor Militärgerichten" auf.3 8 Dass sich in der Person Adolf Sc hönkes die Juristische Fakultät in den Wechsel an das Wehrmachtsgefängnis ei n chaltete, hatte einen sehr konkreten Hintergrund. Bader hatte sich mit einer rechtsgeschichtlichen Studie habilitiert, die räuml iche ähe zur Univer ität sollte ihm di e Aufnahme seiner LehrverpHichtung ermögli chen. Dass di e Fakultät mit d ieser H a bilitation ihre verbli ebenen H and­ lungsspielräume, ihre partiell erha ltene Autonomie nutzte, zeigt die Kontrastierung mit jenen Universitäten, die Baders Berufung wegen negativer Stellungnahmen von M inisterium und Parteisteilen scheitern li eßen: die Uni ve rsitäten Marburg und Greifswald. Den Freiburger Juristen blieb Bader somit bis zur kriegsbedin gten Verlegung des Militärgefängnisses Ende 1944 erhalten. Karl Siegfried Bader geriet kurz vor Kriegsende in amerikanische Gefangen­ schaft, kehrte jedoch bereits im Juli 1945 nicht nur nach Freiburg, sondern sogleich in den Justizdienst zurück. "Ich ha be mi ch entschlossen, in den Justizdienst zurück• zukeh ren" , notierte er in sei n Tagebuch. "Ich werde an jener Stelle a ufta uchen, aus der ich vor 12 Jahren entfernt worden bin [ ... ]".39 Die Ernennung zum planmäßi• gen Oberstaatsanwalt erfolgte im Oktober, im März 1946 wurde Bader General­ staat anwalt des neuen Oberlandesgerichtsbezirks Freiburg. Parallel verlief der Wiederbeginn der akademi schen La ufba hn, beginnend im August 1945 mit der

107 Karl Siegfried Bader, 1994, Karl Siegfried Bader in seiner Züricher Wohnung im Foto: Archiv Günther Reichelt. Mai 1998, Foto: H. Viredaz-Bader.

Übertragung ein er a ußerordentl ichen Professur. 1951 sollte Bader die Wissenschaft zu seinem ausschließli chen Beruf machen. Dem Ausscheiden a us dem badischen Justi zd ienst folgten Berufungen an die neugegründete rheinland-pfälzische Lande univer ität Mainz und schließli ch auf den Lehrstuhl für schweizerische und deutsche Rechtsgeschi chte in Zürich.

Es bleibt abschließend die Frage n:1ch der Prägekraft der Diktarurerfahrung aufzugreifen, die Frage nach der Diktaturerfahrung des trafverteidigers im Unrecht staat, aber a uch der persön li chen, privaten Diktaturerfahrung. Da ist zum ein en d ie reflexive Ebene der Auseinandersetzung mit Recht im Unrechtsstaat, das Bader entsprechend dem Radbruch' chen Diktum a ls gesetzli ches Unrecht sah. Das Nachdenken über di e juri tische Bewältigung politi cher und hi torischer Schuld durchzieht, w ie eingangs a ngedeutet, di e achkrieg publizistik Bader beginnend mit Überl egungen zur \'\fi edererziehung, zur " Reeducati on" nachfolgender Juris­ tengenerationen bis hin zu Rezensio nen von Alexander Mit cherlichs Medizin ohne Menschlichkeit"oder Eugen Kogon 55-Staat. Ursache und Schuld in der geschichtlichen Wirklichkeit war eine der zentralen Publikationen jener Jahre, entstanden 1944, so das Vo rwort, "aus den Meditationen de durch und durch unfreiwilligen Soldaten" und in der Vorstellung, "das Zeitalter der Umkehr sei schon angebrochen. "40 E ist eigentlich ein ge chichtsphil osophisches Buch, in dem Bader wohl auch in Auseinandersetzung mit der 1935 publizierten ku ltu rkritischen Sc hri ft des ni ederl ändischen Historikers Jo han H uizinga [111 Schatten von morgen41 di e Gefahren mo no kausaler - "eingründiger", so sei ne Formulierung - Geschicht - deutungen reflektiert.42 Vielleicht war die Aversion gegen jede Monokausalität und ein gründige Schuldzuweisung der Grund, wesh:1 lb Bader nur eher unwillig a m formalisierten Proze der Entnazifizierung mitwirkte. Hier sollte er aus einer Sicht ko ll ekti v Partei mitglieder aburtei len, wo es doch nach individueller Sc huld zu differenzieren galt. " achmittags Reinig ungskommission, notierte er Ende J 945 in sein Tagebuch,

108 ich trete bei einigen Gemaßregelten für Pensionierung (statt Entlassung ohne Bezüge) ein ."43 Es waren rechtsethische Erwägungen, die ihn hierzu veranlassten, womög• lich aber auch das Eingeständnis, dass Karrierestreben sein en Preis hatte, einen Preis, den auch er kurzzeitig zu zahlen bereit gewesen war. Was uns als Mild e gegenüber " Märzgefallenen" erschei nt, kontrastiert auf­ fallend mit Baders unnachgiebiger Härte gegenüber den Straftätern und Schergen des Unrechtsstaate . Prinzipienfestigkeit bescheinigte ihm der erwähnte Spiegel­ Artikel, wei l Bader sowohl gegen die Mörder im Ärztekittel als auch gegen den Erz­ bergermörder Tillessen die Höchststrafe beantragte - trotz längst grassierenden Gnadenfi ebers! Hier war dem Einzelnen schuldhaftes H andeln der ve rwerflichsten Art nachzuweisen und hier blieb Bader unnachsichtig und unerbittlich - auch und gerade, da macht das Plädoyer im Fall des Erzbergermörders deutlich - im Namen des Opfers. Dass sich Bader schließlich sehr frühze iti g für den christlich-j üdischen Dia log einsetzte, war wohl zum Teil dem Einflu ss Gertrud Luckners geschuldet. In ihrem Umfeld entstand 1948 die Idee, di esem Dialog ein publizisti sc hes Forum zu geben: Di es war die Geburtsstunde des Freiburger Rundbriefs, in dem sich Bader wieder­ ho lt zu Wort meldete - soim Jahr der Köhler Synagogenschmierereien 1959 zum Thema "Strafrechtlicher Schutz gegen Antisemi ti smus". Es mag ein religiöses Grundbedürfnis des bekennenden Katholiken gewesen sein, in diesen Dialog einzutreten. Die Spuren der Vergangenheit, die Erfahrung al Anwalt entrechteter Juden, die Erinnerung an das Schicksal der ersten, sei.ner 1941 deportierten Ehefrau Grete waren mindestens mitbestimmend. Insofern ist ein primär dem Rechtsa nwa lt Karl Siegfried Bader gewidmeter Beitrag vie ll eicht ein ungewöhnlicher, doch womöglich instruktiver Weg der Annäherung an diesen Juristen, Landeshi toriker und Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts.

Anschrifr der Bearbcircrin: 4 BADE R (wie Anll1. 3), S. 22. Dr. Angela Borgsredr 5 BADER (wie Anll1. 3), S. 2 1. Hisrorisches In rinn Universirär Mannheill1 6 Vgl. Der Spiegel, '18. Mai 1950, S. 8. 7 KARl SIEG~RI ED BADER, Der Fall Tillessen in Anmerkungen europäischer Beleuchrung, in: eues Europa I 1 ( 1947), S. 12-16, hier S. 12. Vgl. a uch So die rerrospekrive Beschreibung einer KARI SIEGI'RIED BADER, Plädoye r des Berufsjahrc als Rechrsanwa lr in: KARI Generalstaarsanwalrs in Freiburg im Prozess IECI RIFD B'\I)FR, Eri nnerungen an Don3u­ gegen Heinrich Tillessen, ge halren am 27. e;,c hingen. Hrsg. v. HEL~I UT MA LIR I R, in: ovember 1946, in: Di e Wandlung 2 ( 1947), Schrifren des Vereins für Geschichre und 5.69-93. arurgcschichrc der Baar 49 (2006), . 8 FFRDI NAND EI.SENER; WILHEL.VI H. RuoFF 84- 135, hier S. J 11. (H1'sg.), Recht geschichre, Rec hrssprache, 2 KARL SI EGI'R IED BADER, Grundsärze und Rechrsarchäologie, rechriiche Volkskunde. Fragen der Nachbi ldung und lacherziehung Fe rschrift Karl Siegfried Bader, Zürich, der Refe rendare. Denkschrifr der badischen Köln 1965. Jusrizverwaltung 1946, S. 2 f. 9 BA Dt:R (w ie Anll1. 1),5. 108. 3 KARL SIEGFR IED BADER, Die deurschen 10 Vgl. ALEXANDER HOLl .ERIIACI-I: Karl Jurisren, Tlibingen 1947, S. 17. Siegfried Bader in Freiburg, in: ders.:

109 Jurisprudenz in Freiburg. Beirräge zur 24 FRI EDRICII VORTISCH, I3ri efe der I3rüder Ge chi chte der Rechrswissensc haftlichen Fri edrich und Hanns Vorrisch aus den Jahren Fakulrär der Alberr-Ludwigs-Universirär, J 933- 1940, in: l3 adische Heimar 82 (2002), Tübingen 2007, S. 37'-396. S. 670-692, hi er S. 683. I I K RI SIE(,FRlfD BADI R, Politisc he und 25 Vgl. Schadek, Hans, Roberr Grumbach hi torische Sc huld und die sraarliche Rec hr­ J 875-1960. Jüdischer Rechrsa nwalr, prechung, in: Vierreljahrshefre für Zeirge­ Sozia ldemok rar und Stadr, Ehrenbürger schichte 10 (1962) S. I 13-125, hier S. I 13. von Freiburg, Freiburg i.Br. 2007, S. 7 J f. 12 gl. Generallandesarchiv Karlsruhe, 26 I3ADFR (wie Anm. I I), S. I 13 . l3esrand 465c/305. 27 BA()f'R (wie Anm. 3), S. l4. 13 Vgl. hi erzu die Gesprächsaufzeichnung 28 BADfR (wie Anm. 23) S. 11. l'dichael Ki ßeners mir Bader. Zürich, 29 Vgl. " Der Führer", 5. Januar J 937. 10. Juli 1998, Besrand der Forschungssrelle 30 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Bader Wider rand gegen den arionalsoziali. mu; (wie Anm. 17), S. 30. im deurschen üd, esren der Universirär 3 1 BADER (wie Anm. 17), S. 30. , F\ r 23. 32 H AN5-J O~E I ' WOLLASCH (Bea rb. ), " Ber riffr 14 Z ir. nach I.AU~DIETFR SCII O n, Karl achrichrenze nrrale des Erzbischofs Gröber Siegfricd Bader 1905-1998, in: Zeir chrifr in Freiburg" . Die Ermirrlung akren der Ge­ der Savigny-Srifrung für Rechrsge,chichre, heim en Staatspolizei gegen Gertrud Lu ck ner Germanisrische Abreilung I 19 (2002), 1942-1944, Kon sra nz l 999, S. 26. S. I- 14 , hier .3. 33 Vgl. hi erzu das esprä ch I ~aders mit Michael 15 Vgl. Enr chli eßung des Vorstands der ßadi­ Ki ßener, Zürich, 10. Juli 1998, FW Qr 23. ehen Anwalr kammer vom 22. April 1933, 34 W OII.A~ClI (wie Anm. 32), . 1'6. GLA 234/6294. 35 So Bader im Gespräch mir Mi chael Kiße ner, 16 ßAD~R (wie Anm . I), S. I I I. Züri ch, 10. Juli 1998, FW Qr 23. 17 KARL S"'GI' RIED BADFR, In resrimonium 36 R E I N~ R HAI' II LI (, VO t LANZENAUER, Aus cariraris, in: Freiburger Rundbrief XII ei nem I3riefwech eI mir Karl Siegfried Bader, ( 1959/60), 26. eprember 1960, S. 30. Zu in: Zeirschrift für di e Geschichte des Oberr­ Eise ie vgl. Generallandesarchiv Karlsruhe heins .F. 109 (2000), S. 369-384, GU\ 69 Rechrsanwalr bmmcr Karl>ruh e hi er S. 378. Nr. 156 und GLA 465c/906. 7 HAE III.ING VON LA ZF. 'AUE R, 18 Rad bruch an earl Augusr Emge, 27. Okto­ (w ie Anm. 36) S. 378. ber 1940, in: GUSTAV RADllRUClI, I3ricfe II 38 HAEIILlN(, VON LANZENAUER , ( 19 19- 1949). Heidelberg J 995, S. 166. (wie nm . 36) S. 369. 19 ER;-.I~T FRi\FNKEL, Der Doppel raar, 39 ULRle H W EB~R (Bea rb. ), Ta gebuch von 2. AuA. Hamburg 2001, S. 45. Karl . Bader Juli 1945 bi s Juni 1946, in: 20 Jahre berichr der Badischen Anwa lrskammer Gelb-ror-gelbe Regierung jahre. l3ad ische 193', S. 4, Generallande archiv Karlsruhe Polirik nach 1945, hrsg. v. PA L LUDW IG G LA 240/6 1 I. WFI NACH r, Sigmaringend orf 1988, 2 1 ßt\f)ER (wie Anm. 3), .5. S. 35-88, hi er S. S. 5 f. 22 K.\R I Slre,I'RIED BADER, Di e Wiederher- 40 KARL SIEC. I RIFD BADER, Ursache und rellung rechrs taa rlicher Ga ranri en im Schuld in der ge chi chrli chen Wirklichk eir. deu tschen Srrafprozess nach J 945, in: Srraf­ Kritik des geschi hr widrigen Denk ens, prozess und Rechrsstaa t. Fe rschrifr für H. F. Karlsruhe 1946, S. 5. Pfenninger, Zürich 1956. S. 1- 14, hi er . 7 f. 41 JOII AN HUIZI CA, Im Scharren von morgen, 23 KAR I. SI~GFRIFf) BADER, Srrafvcrreidigung Z ürich-Brüs cl 1948. vo r deurschen Gerichren im Drirrcn Reich, 42 BADER (wie nm. 40), S. 3 . in : Juri renzeirung 27 ( 1972), S. 6-12, 43 WFBFR (wie nm. 39), S. 56. hier S. 7.

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