Schriften des Vereins für Geschichte Band 53 . Seite 99 - 110 und Naturgeschichte der Baar März 2010 »In Distanz zu allem ... Politischen leben«' Karl Siegfried Bader als Rechtsanwalt im Nationalsozialismus Von Angela Borgsredt Eine der drängenden Fragen, m it denen sich Karl Siegfried Bader unmittelbar nach Kriegsende auseinandersetzte, war die einer Nachbildung und Nacherziehul1g, ja überhaupt einer \Xfiedererziehung der im nationalsozialistischen Ungeist herange­ bildeten Juristen. Wie konnte hier eine "Abkehr vom juristischen Banausentum", wie eine Wiedergewinnung rechtlichen Denkens gelingen? Den angehenden Rich­ tern, Staat - und Rechtsanwälten müsse klar gemacht werden, so Baders Folgerung, " dass mit der formalen Handhabung juristischer Technik, mit dem gedächtnis• mäßigen Einprägen von Rechtssätzen und mit einer gewissen Fertigkeit in der recht­ lichen Subsumption nichts getan ist. ( .. ) Es handelt sich nicht darum, dass der Jung­ jurist neben seinen Gesetze kenntnissen a uch Daten aus der deutschen Geschichte kennt und ein e halbwegs brauchbare Vorstellung von den politischen Verhältnissen hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der junge Jurist durch die juristischen Denk­ formen hindurch möglichst rasch und möglichst tief zu den Grundwahrheiten der Humanität, der Caritas und der inneren, nicht nur der formalen Legalität durch­ dringt. " 2 Der gute Jurist sei eben mehr als ein Jurist mit gutem Fachwissen und gewissen Fertigkeiten. Sein Anliegen der Nach- oder Wiedererziehung de juristischen achwuchses war letztlich nur Teilaspekt einer grundsätzli chen Bestandsaufnahme und Zustandsanalyse der Justiz nach 1945, die essentiell daZLI beitragen sollte ihr Versagen, ihre Kapitulation vor dem Unrechtsstaat zu erklären. "Manche Verfalls­ erscheinungen, die das Recht der vergangenen Jahre aufweist", etwa die Nachgie­ bigkeit gegen über autoriüiren Begehren, so Bader in der 1947 veröffentlichten Schrift Die deutschen Juristen, seien natürliche Folgeerscheinungen des geringen Status, der Subalternität dieser Juristen.' Der deutsche Jurist, zumal der Richter, sei der ZLIverlässig integre und unbestechlich objektive, aber eben doch der Beamte, des­ sen Prestige an das der angelsächsischen Richterkönige kaum heranreichte. Was für den Ri chter ga lt, galt um so mehr für den deutschen Rechtsanwalt: Zuverlässigkeit, Fleiß, Treue gegenüber der Klientel, aber auch hi er die "ängstliche Anpassung an das herrschende iveau und Idie] weitgehende Achtung vor der Autorität".4 Zwar war die " Iiberalistische" Anwaltschaft, so Bader, in vergleichsweise geringerem Maße der Infizierung durch den nationalsozialistischen Ungeist erlegen, insge- amt jedoch sei sie historisch bedingt der "Berufsstand der Brotverdiener", der "juristischen H andwerker" dem sich vornehmlich die "mittelmäßigen und unter dem Durch chnitt bleibenden Juristen ZLIwandten", die für den Staatsdienst nicht ta ugten.5 99 B Wer hi er so scheinbar hart über den Anwaltssta nd urteilte, ta t di e aus der Perspekti ve interner Kenntnis. Dabei i t es am weni gsten di e Anwaltstätigkeit, mit der Rechts- und Geschieht wis enschaft, aber a uch di e interessierte Öffentlichkeit Ka r! Siegfried Bader verbindet. Bader, das war für viele achkriegsdeutsche der gestrenge Generalstaats­ anwalt im französisch besetzten Südbaden, der, wie selbst das Wochenmagazin Der Spiegel anerkennend fe tstellte", di e Ha uptve rantworrlichen des Behinderten­ morde in Baden noch da nn mit der H ä rte des Gesetzes konfrontierte, als a ndern­ orts längst die "Gnade der späten Verurteilung" (Chri tian M eier) gras ierte. Bader, das war der hefankläger im spekta kulä ren Strafprozess gegen Heinrich Tillessen, einen der beid en M ö rder des Weima rer Reich finanzmini ters Matthias Erzberger." eben dem großen ürnberger Prozess hat kein anderes Geri chtsverfahren un erer achkriegszeit mehr Aufsehen erregt und 1.. 1 ein stär­ kere Echo gefunden" a ls das im Sommer 1946 eingeleitete Strafverfahren-, das bekanntlich mit einem ka ndal endete: Dem Freispruch des Täters, der Urteilska - sati on durch die Be atzungsmacht und schließli ch dem Rücktritt des quasi Justiz­ ministers Pa ul Zürcher, we il er diesen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz für ein e schwere Belastung de zu restituierenden Rechts taats hielt. Baders Plädoye r hi elt die Nachkriegspublizistik für so bedeutsa m, dass es Do lf Sternberger im voll en Wortlaut in sein e Monatsschrift Die Wandlung a ufnahm. Bader, das war der publizisti sch selbst immens produktive H erausgeber der monatlich ersc hein enden Deutschen Rechtszeitschrift, der späteren Juristenzeitung. Zwei Ja hrzehnte lang, 1953 bis 1974, gehörte er zudem dem Herausgebergremium der renommierten Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte an. D ie in der Festschrift zum 60. GeburtstagS enthaltene Bibliographie führt über 800 Auf­ sätze und Mo nographien Baders a uf, wobei die re hthistori ehen und Publikatio­ nen zum Strafrecht und zur Strafrechtspraxis den einen, die Studien zur südwest­ deutschen und schweizeri schen La ndesgescbi chte den zweiten Schwerpunkt da rstell en. Bader, das war vor a ll em und seit 195 1 a u schließli ch der engagierte a kademi ehe Lehrer ganzer Juristengenerationen, beginnend in Freiburg, sodann a n der neu gegründeten Universität Ma in z, schließlich jahrzehntelang als Ordinarius in Zürich. 1n ein em ebenamt war Bader ferner Archivar und Historiker de Dona ueschinger Fürstlich Fürstenbergi ehen Archivs. Landes- und Rechtshi storiker, Uni rsitä tsprofessor und wi senschaftlicher Publizist, Staatsanwalt, Generalstaatsanwalt sogar - di e Facette der Anwaltstä ti g­ keit gehört auf den ersten Blick nur marginal.ins Bild di eser badischen Juristenper­ sönlichkei t. Und doch, so scheint es, ist Baders Diktaturerfa hrung, und gerade die des Strafverteidiger im Unrechtsstaat, in ein em M aße prägend für den weiteren Berufs- und Lebensweg, di e diese scheinbare Marginalität doch ein wenig relativiert. Tat ächlich hatte der J905 in Walda u, heute Stadtteil von Titisee- eustadt, geborene katholische Lehrersohn Kar! Siegfried Bader zielstrebig die Laufbahn de Justi zjuristen eingeschl agen. Er ha tte in Tübingen, Wi en, Heidelberg und zuletzt Freiburg Rechtswis enschaft studiert, 1927 das Erste und 1930 das Zweite Staats­ examen bestanden. 1928 wurde Bader mit ein em rechtshistori ehen Thema "Das 100 Schi edsverfahren in Schwa ben vom 12. bi s zu m ausgehenden 16. Jahrhundert" promoviert, für das er erstaunlicherweise nicht den Germanisten Claudius von Schwerin als Betreuer gewählt hatte. ,,( ... ) in Freiburg fa nd ich den Weg zu Claud iu von Schwerin zu nächst nur über das zivili sti sche Praktikum, erst nach dem Referenda rexamen in seinem Sachse nspiegelseminar, das mich ebensoweni g stark berührte wie sein Nordisc hes Seminar. Um di esem zu entgehen, ho lte ich für das von mir erfundene und gewählte Dissertatio nsthema ( ... ) den Beistand des dafür sachlich ga nz unzuständ igen Extraordinarius Rudolf Schultz (... )", sollte er ich rückblickend erinnern. 9 Alexander H oll erbach führt zudem überzeugend den sach­ li chen Grund der Kompetenz beid er Gutachter im Bereich des Verfahrensrechts an. IO Im Jahr der Promoti on 1928 heiratete Bader die Studienfreundin Grete Weiß, Tochter einer Wien er Anwaltsfamil ie. Z"ve i Jahre später leistete Bader den Beam­ teneid als Gerichtsassessor. Ein e glatte Berufskarriere möchte man meinen, denn 1933 stand der Nachw uchsjurist vo r der Ernennung zum Staatsanwalt. Die soge­ nannte "M achtergreifung" der Nationalsozialisten brachte jedoch da frühzeitige Ende dieser Ka rriereho ffnung: Binnen weniger M onate fand sich Bader "auf der anderen Seite des Saales" wieder, als Rechtsbeistand jener, die er eigentlich hatte dorthin bringen wo ll en . Es war ein Se iten wechsel, der ihm nach eigenem Bekunden "die Auge n öffnete" und ihn lehrte, Gerichtsbarkeit und Justiz aus der Perspektive Betroffener zu se hen. 11 Wie bei so vielen hatte es auch bei Bader in jener "Machtergreifungs phase", als Nachbarn, Bekannte oder Koll egen der SDAP beitraten, einen Moment der Anpassungsberei tschaft an die veränderten politi schen Ve rhältnisse gegeben. Vom mitgelaufe nen Umfeld , von den Vo rgesetzten gedrängt, unterzeichnete er ein Auf­ nahmegesuch bei der NSD AP-On sgruppe Oberwiehre. J2 Im Unterschi ed zu selbst manchem Angehöri gen des Widerstands musste Bader indes keinen langwierigen Distanzierungsp rozess durchl a ufen: Als Ehemann einer wenngleich getauften und noch dazu bereits von ihm getrennt lebenden Jüdin, " jüdisch ve rsippt", wie es im Jargon der Zeit hi eß, war Bader für die Partei nicht tragbar. Und wer für die Partei nicht tragbar war, der war auch für den badi schen Staatsdienst untragbar gewor­ den. Damit ze rsc hlug sich nicht nur die eigentliche Berufs perspekti ve . Auch kaum min der attrakti ve berufliche Alternati ven waren plötzli ch unerreichbar. Weder ließ sich ein e Uni versitä tsla ufbahn noch ein e Karriere im staatlichen Archi vdienst rea li sieren. Bader konnte sich zwar 1942 doch noch an der Freiburger ju risti schen Fakultät habilitieren, di e Be rufung auf einen Lehr ruhl jedoch blieb ihm seiner po litischen Bi ographie wegen bis zu m Ende der N S-Diktatur verwehrt. Und die Bewerbung 1938 a ls indirekter Nachfo lger des nebenamtlichen Archi vdirektors Franz Schna bel a m Karlsruher Genera llandesa rchi v scheiterte wo hl a us eben di esen Gründen. Die Umstände seiner zum 1. Oktober 1933 erfo lgten Entlassung hatte Bader noch Jahrzehnte später ni cht ve rgessen. 13 Z um O berlandesgerichtspräsid enten
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