Am Beginn der Neuzeit steht der Zusammenbruch vertrauter Ordnungen im religiösen, politischen und wissenschaftlichen Bereich. Vor dem Hintergrund Grenzgänger zwischen dieser Krisenerfahrung suchte man auch im Studium der Natur und des Himmel und Erde Himmels nach Orientierung. So wurde die Kosmologie zur Leitwissenschaft für ein neues Weltbild. Nur die Kometen wollten sich der regelmäßigen Kometen in der Frühen Neuzeit Ordnung des Himmels nicht einfügen. Sie dienten eher als Projektionsfläche kollektiver Hoffnungen und Ängste.

Die große Kometendebatte der Frühen Neuzeit war keineswegs auf die Astronomen beschränkt. Als Medienereignis verband oder trennte sie Eliten- kultur und ‚Gemeinen Mann‘, Katholiken und Protestanten, Astronomie und Astrologie, Texttradition und Bildpropaganda, semiotische und analytische Weltsicht. In der Auseinandersetzung um die Kometen spiegeln sich Aspekte der Wissenschafts-, Kultur-, Mentalitäts- und Frömmigkeitsgeschichte, wie hier an Beispielen aus den Beständen der Staatlichen Bibliothek Regensburg gezeigt wird. Grenzgänger zwischen Himmel und Erde – Kometen in der Frühen Neuzeit Grenzgänger zwischen Himmel und Erde – Kometen in der Frühen

ISBN 978-3-86845-039-2

Staatliche Bibliothek Regensburg GRENZGÄNGER ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE

Kometen in der Frühen Neuzeit

Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg

Herausgegeben von Bernhard Lübbers Band 1

GRENZGÄNGER ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE

Kometen in der Frühen Neuzeit

Herausgegeben von

Christoph Meinel

Zuwendungen folgender Firmen, denen hiermit ausdrücklich gedankt sei, haben die Drucklegung dieses Bandes unterstützt: Gebäudereinigung Franz Glas, Regensburg; Heindl Bürotechnik, Barbing; Objekteinrichtun- gen Bernadette Hascher, München; Schlossbrauerei Eichhofen, Eichhofen.

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2009 © 2009 Universitätsverlag, Regensburg Leibnizstraße 13, 93055 Regensburg Umschlagentwurf: Franz Himpsl Layout: Christoph Meinel Druck: Docupoint, Magdeburg

ISBN 978-3-86845-037-8

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fototechnischem oder elektronischem Weg zu vervielfältigen.

Weitere Informationen zum Verlagsprogramm erhalten Sie unter: www.universitaetsverlag-regensburg.de GELEITWORT

Das Interesse an astronomischen Themen hat in Regensburg seit vielen Jahrhunderten Tradition. Neben der heute im Museum der Stadt zu bewundernden steinernen Sphaera, die im 11. Jahrhundert im Benediktinerkloster St. Emmeram aufgestellt wurde, beher- bergt die Donaumetropole u. a. auch die älteste Volkssternwarte Süddeutschlands; die Stadtverwaltung betreibt zudem ein gewidmetes Museum. Dieser gro- ße Astronom, der in Regensburg sein Leben beschloss, hatte 1609 sein epochales Werk Astronomia nova vollendet, im selben Jahr, als als erster Mensch ein Fernrohr gen Himmel richtete. Diese beiden für die Geschichte der Astronomie so wich- tigen Jubiläen waren der UNESCO Anlass, das Jahr 2009 zum internationalen Jahr der Astronomie auszurufen. Als im Frühjahr dieses Jahres die Idee geboren wurde, aus den in großer Zahl vorhan- denen Kometenschriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg eine eigene Ausstellung zu zeigen, war noch nicht abzusehen, dass hieraus auch ein Begleitbuch erwachsen würde; zu wenig war zu diesem Zeitpunkt noch über die einschlägigen Bestände be- kannt. Es ist dem Engagement von Herrn Prof. Dr. Christoph Meinel und seinen hoch motivierten Studierenden zu verdanken, dass wir nun in vielerlei Hinsicht klarer sehen. Klarer, was die Qualität des Bestandes anbelangt, der nun im Gefüge anderer Sammlun- gen verortet werden kann, klarer aber auch, was die Provenienz dieser kulturgeschicht- lich bedeutenden Materie anbelangt und wiederum eng mit der allgemeinen Bestandsgeschichte der Bibliothek zusammenhängt. Die Staatliche Bibliothek Regensburg kann auf eine bald 200jährige Geschichte zurück- blicken. 1816 als königliche Kreisbibliothek ins Leben gerufen, fanden die in der ehe- maligen Reichsstadt verbliebenen reichhaltigen Sammlungen verschiedenster Institutionen Eingang in die neu errichtete Büchersammlung. Neben der reichsstädti- schen Stadtbibliothek, die in ihren Anfängen bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zu- rückgeführt werden kann, und welche gegen Ende des 18. Jahrhunderts als eine der bemerkenswertesten kommunalen Bibliotheken im gesamten deutschen Sprachraum bezeichnet wurde, kamen auch große Teile der Bestände des berühmten ehemaligen Reichsstiftes St. Emmeram, der Franziskaner (Minoriten), Augustinereremiten, Domi- nikaner, der Bischöflichen Bibliothek sowie der Bischöflichen Kammer in die neu er- richtete Bibliothek. Hinzu kamen verschiedene, bereits in den Vorgängerinstitutionen aufgegangene Bestände, etwa Teile der Jesuitenbibliothek, die Sammlung des Gymna- sium Poeticum oder auch der evangelischen Geistlichkeit. Ursprünglich im Neuen Waaggebäude am Haidplatz beheimatet, bezog die Bibliothek 1875 einen Trakt des ehemaligen reichsstädtischen Gymnasium Poeticum in der Gesandtenstraße, wo sie noch heute zu finden ist. Die hier nur in aller Kürze skizzierte Bestandsgenese erklärt, warum die Bibliothek zu unterschiedlichsten Themenstellungen reiche Bestände zu bieten hat. Die wissenschaft- lichen Interessen in den verschiedenen Institutionen, kirchlichen wie weltlichen, die stets ihre Spur auch im jeweiligen Bibliotheksbestand hinterließen, bündelten sich 1816 in der neu errichteten Institution; trotz aller Verluste in der Folge der Ereignisse von 1810. Hier, in der Staatlichen Bibliothek Regensburg, stehen die seltenen, teils unikalen Werke seitdem der Forschung zur Verfügung. 6 GELEITWORT

Eine im Juli 2008 zwischen dem Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek und dem Rektor der Universität Regensburg unterzeichnete Kooperationsvereinbarung trug dieser Tatsache Rechnung und fasste eine Intensivierung der bereits guten Zusammen- arbeit zwischen Bibliothek und Universität ins Auge. Gleichzeitig war und ist es Ziel der Vereinbarung, das Profil der Bibliothek als regionale Forschungsbibliothek zu schärfen. Die Ausstellung vermag daher nicht nur einen Teil der Raritäten dieser Institu- tion einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und so auch auf die Möglichkeiten hinzuweisen, welche diese Bestände der Forschung bieten, sie ist viel mehr noch Aus- druck einer lebendigen und für beide Seiten fruchtbringenden Zusammenarbeit. Mit dem vorliegenden Band tritt nun auch eine neue Reihe an das Licht der Öffentlich- keit, welche unter dem Titel Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regens- burg firmiert. Die unter diesem Dach in loser Folge erscheinenden Bände sollen die thematisch sehr unterschiedlichen und vielfältigen Aktivitäten der Bibliothek dokumen- tieren und bündeln. Zugleich soll die Reihe aber auch für Publikationen rund um die Bestände und Sammelschwerpunkte der Bibliothek offen stehen. Herr Dr. Albrecht Weiland, Leiter des Universitätsverlages hat in gewohnt professioneller Weise den Bo- den für diese Publikationsreihe geebnet. Ihm sei hierfür vielmals gedankt. Wenn mit Grenzgänger zwischen Himmel und Erde nun der erste Band dieser neuen Schriftenreihe vorliegt, so ist dies ein Auftakt, wie man ihn sich nicht besser hätte wün- schen können. Es ist mir daher vornehme Pflicht und tiefes Anliegen, Herrn Prof. Dr. Christoph Meinel und den Studierenden der Wissenschaftsgeschichte an der Universität Regensburg Dank zu sagen: Ihrem Einsatz und ihrer Arbeitskraft ist es geschuldet, dass die kulturell und geistesgeschichtlich wertvollen Kometenschriften der Bibliothek nicht nur in der Ausstellung ansprechend präsentiert und damit gleichsam zum Sprechen ge- bracht werden können, sondern mit Hilfe des Begleitbuches sind sie nun auch dauerhaft und nachhaltig dokumentiert.

Dr. Bernhard Lübbers Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg

INHALT

Vorwort ...... 9 1. Einleitung: Grenzgänger zwischen den Welten ...... 10 2. Anfänge der wissenschaftlichen Kometenforschung ...... 15 2.1. Der neue Blick auf die Kometen ...... 16 2.1.1. Schöner, Coniectur (1531) 2.1.2. Apian, Practica (1531) / Ein kurtzer Bericht (1532) 2.2. Instrumente in der frühen Kometenforschung ...... 22 2.2.1. Koebel, Jacobs-Stab (1531) 2.2.2. Apian, Instrumentum sinuum (1541) 2.2.3. Gemma, De astrolabo (1583) 3. Kometen- und Prodigienliteratur der Frühen Neuzeit ...... 28 3.0.1. Trübel, Eckhart der trew (1534) 3.0.2. May, ZornRuthe (1619) 3.0.3. Wunderbare Wieder-Erscheinung (1665) 4. Das große Kometenjahr 1618 ...... 38 4.1. Die Kometen in der Diskussion ...... 38 4.1.1. Rockenbach, De cometis (1602) 4.1.2. Müller, Hypotyposis cometae (1619) 4.1.3. Schön, Kurtzer Bericht (1619) 4.1.4. Herlitz, Kurtzer Discurs (1619) 4.1.5. Cysat, Mathemata astronomica (1619) 4.1.6. Kepler, De cometis (1619) 4.2. Der astrologische Kontext ...... 52 4.2.1. Herlitz, Prodromus (1618) 4.2.2. Ehinger, Iudicium astrologicum (1618) 4.2.3. Grick, Cometenbutzer / Kometenbutzers Schützer (1619) 4.3. Kometen im Konfessionsstreit ...... 65 4.3.1. Köppe, Wunder vber Wunder (1619) 4.3.2. Schmidt, Prodromus conjunctionis magnae (1619) 4.4. Göttliche Endzeitpropheten ...... 70 4.4.1. Faulhaber, Fama syderea nova (1619) 4.4.2. Hebenstreit, Cometen Fragstuck (1618) / Wehe, Expolitio Famae (1619) 4.4.3. Nagel, Stellae prodigiosae observatio (1619) 5. Bedrohliches Naturschauspiel: Der Komet von 1664/65 ...... 78 5.0.1. Schorer, Kurtze Relation (1665) 5.0.2. Nürnbergische Observation (1665) 5.0.3. Herdrich, Observation zweyer Cometen (1665) 5.0.4. Nun lest sich widerum ein Cometh sehen zu Regenspurg (1665) 5.0.5. Eigentliche Abbildung und erschröcklicher Cometenblick (1664) 5.0.6. Leinberer, Theoria cometae (1665) 6. Segmentierung der Diskurse: Der Komet von 1680 ...... 91 6.1. Schulen und Universitäten ...... 92 6.1.1. Sturm, Cometarum natura (1681) 6.1.2. Lavater, Historische Erzehlung (1681) 6.1.3. Funcke, Theosophico-physiologica cometoscopia (1682) 6.1.4. Egger, Iudicium mathematicum de cometa (1678)

8 INHALT

6.2. Zwischen Katheder und Kanzel ...... 96 6.2.1. Weigel, Himmels-Zeiger (1681) 6.2.2. Ein Gespräch zwischen einem Naturkündiger (1681) 6.2.3. Unmaßgebliches Bedencken (1681) 6.2.4. Bornmeister, Christlich-vernünfftige Cometen-Betrachtung (1681) 6.2.5. Einfältiges Bedencken (1681) 6.3. Kometen-Marketing ...... 102 6.3.1. Francisci, Verwerffung des Cometen-Gespötts (1681) 6.3.2. Wagner, Gründlicher und warhaffter Bericht / Cometa disparens (1681) / Atmosphaera sublunaris (1682) 6.3.3. Lips, Ohnvorgreiffliche Gedancken (1680) 6.4. Strategien der Frühaufklärung ...... 109 6.4.1. Bernoulli, Conamen novi systematis cometarum (1719) 6.4.2. Bayle, Lettre à M.L.A.D.C. docteur de Sorbonne (1682) 7. Vom Unglücksboten zur natürlichen Himmelserscheinung ...... 113 7.0.1. Euler, Theorie der Planeten und Cometen (1781) 7.0.2. Wiedeburg, Astronomisches Bedenken (1744) 7.0.3. Guttmann, Vernünftige Gedancken (1744) 7.0.4. Rudolph, Untersuchung der Frage (1760) 7.0.5. Physicalisches Bedenken (1778) 8. Kometen – eine protestantische Obsession? ...... 121 8.1. Konjunkturen der Kometenschriften ...... 121 8.2. Regionale und konfessionelle Zuordnung ...... 123 8.3. Wer waren die Autoren? ...... 127 8.4. Kometendrucke aus Regensburg ...... 128 8.4.1. Eigentlicher Abriß und Situation deß Newen Sterns (1652/63) 8.4.2. Astronomische Observationes (1742) 9. Literatur ...... 132 10. Personenindex ...... 134 Anhang: Kometenschriften in der Staatlichen Bibliothek Regensburg ...... 136

VORWORT

Die UNESCO hat das Jahr 2009 zum ‚Internationalen Jahr der Astronomie‘ erklärt. Denn vor genau 400 Jahren hatte Galileo Galilei als erster ein Fernrohr auf den Stern- himmel gerichtet, und ebenfalls 1609 leitete Johannes Keplers Hauptwerk Astronomia Nova eine völlig neue Epoche in der Geschichte der Astronomie ein. Im Frühjahr dieses Jahres ist der Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg, Dr. Bernhard Lübbers, mit dem Vorschlag an mich herangetreten, zu diesem Anlass eine Ausstellung aus den Beständen seines Hauses zu konzipieren. Dass die Wahl auf die frühneuzeitlichen Kometenschriften fiel, liegt nicht zuletzt daran, dass dieses Thema mit über 100 Titeln im Bestand recht gut vertreten ist und somit von einem anhaltenden Interesse unter den Bürgern der ehemaligen Reichsstadt zeugt. Zugleich bieten die – oftmals mit Illustrationen geschmückten – Kometendrucke dem heutigen Betrachter ungewohnte Einblicke in eine Zeit, die Natur- und Himmelserscheinungen mit ganz anderen Augen sah. Während die Gegenwart Natur primär als Material und Ressource behandelt, war sie dem Menschen der Frühen Neuzeit auch Sinnbild und Zeichen. Das Buch der Natur lesen hieß aber auch, die Hoffnungen und Ängste der jeweiligen Zeit auf die Natur zu projizieren. Das scheint uns fremd, ist aber zugleich auch vertraut. Die Kluft zwischen Vertrautem und Fremdem sowohl zu überbrücken als auch deutlich zu machen, ist eine der Aufgaben des Historikers. Mit einer Ausstellung, die primär vom Objekt und vom Bild her konzipiert sein muss, lassen sich historische Zusammenhänge nur ansatzweise vermitteln. Aus diesem Grunde entstand das vorliegende Begleitbuch, in dem ausgewählte Titel genauer vorgestellt und in ihren historischen Kontext eingebettet sind. In einigen wenigen Fällen wurden auch Stücke aus der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek, dem Kepler-Gedächtnishaus oder auswärtigen Sammlungen hinzugenommen. Der Band ist also mehr als ein bloßer Aus- stellungskatalog, aber auch weniger als eine systematische Abhandlung. Und er ist zu- gleich Resultat eines Experiments, im Rahmen einer regulären Lehrveranstaltung und innerhalb eines einzigen Semesters forschungsrelevante Ergebnisse zu erzielen. Erarbeitet wurden Begleitbuch und Ausstellung im Rahmen eines Hauptseminars am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte der Universität Regensburg. Die Textbeiträge wurden von den Seminarteilnehmern verfasst, gegengelesen und redigiert. Sie sind wie folgt gekennzeichnet: Jan Bleistein (JaB), Julia Böttcher (JCB), Matthias Brandl (MB), Ansgar Donner (AD), Simone Gerber (SiG), Susanne Goldbrunner (SuG), Franz Himpsl (FH), Katharina Koller (KK), Judith Malzer (JM), Christoph Meinel (CM), Judith Nie- denführ (JN), Maria-Joanna Richter (MR), Susan Splinter (SSR), Jennifer Vogel (JV), Adelheid Wein (AW). Den Studierenden sei für ihr Engagement und ihre Bereitschaft, sich auf dieses Experiment einzulassen, ganz ausdrücklich gedankt. Besonderer Dank gilt ferner Angelika Sonntag, Matthias Freitag sowie den stets hilfsbe- reiten und freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatlichen Bibliothek Regensburg. Prof. Dr. Christoph Meinel Universität Regensburg

1. GRENZGÄNGER ZWISCHEN DEN WELTEN

„Die Kometen, die man wohl auch Irrsterne genannt, konnten beinahe bestimmt scheinen, den menschlichen Verstand in die Irre zu führen. Auf der anderen Seite haben sie aber auch dazu gedient, den hohen Grad von Schärfe zu beweisen, dessen er fähig ist, und den Unterschied zu zeigen zwischen wahrer Induction und phantastischer Speculation.“ Bernhard von Cotta, Briefe über Alexander von Humboldts Kosmos (Leipzig 1848), Bd 1, 36-37

Der gestirnte Himmel über uns galt Jahrtausende lang als der Bereich des Numinosen. Was dort erschien, ließ sich auf göttliche oder kosmische Bestimmung hin deuten. Die Kreisläufe der Himmelskörper waren Maß und Garant einer ewigen Ordnung, welche die Wechselfälle von Weltgeschichte und individueller Lebenszeit in sich beschloss. Und traten am Himmel ungewöhnliche Phänomene auf, so maß man diesen auch beson- dere Bedeutung zu. Auf diese Weise war der Blick zum Himmel zugleich der Blick in einen Spiegel, in dem Menschen sich in ihrer Beziehung zum Ganzen der Welt sahen. Kosmologie war immer schon Anthropologie. Nur dass die Moderne, die sich den Nachthimmel durch künstliche Beleuchtung vom Leibe hält, von dessen ursprünglicher metaphysischer Kraft keine Ahnung mehr hat. Vor allem in Zeiten großer Umbrüche haben Kulturen immer wieder versucht, im Stu- dium der Natur und des Kosmos Orientierung zu finden bei der Neubestimmung ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse. In der Verbindung der neuen Kosmolo- gie mit einer neuen Anthropologie hat Hans Blumenberg den Kern der Legitimität der Neuzeit gesehen und die Moderne daher die „kopernikanische Welt“ genannt. Und Margaret Jacob hat den Zusammenhang von Wissenschaftlicher Revolution, Englischer Revolution und Industrieller Revolution als Prozess einer gegenseitigen Legitimierung und Stabilisierung naturwissenschaftlicher, politisch-sozialer und ökonomischer Über- zeugungen und kultureller Praktiken beschrieben. Wissenschaftsgeschichtlich fällt die Ausarbeitung und allmähliche Durchsetzung der neuen Kosmologie, der damit verbundenen Physikalisierung der Astronomie und der Begründung der wissenschaftlichen Mechanik ins 17. Jahrhundert. Aus dem Verlust vertrauter Verbindlichkeiten und aus der Erfahrung des politischen, sozialen und geisti- gen Umbruchs der Zeit erwuchs die Erwartung, an der Schwelle eines neuen Zeitalters zu stehen. Im Titelkupfer zu Francis Bacons 1620 erschienenem Programm einer In- stauratio magna, einer großen Erneuerung allen Wissens und Könnens, steht ein Motto aus den Verheißungen Daniels, das auf den Anbruch des letzten Weltzeitalters verweist. Johannes Kepler und Galileo Galilei, René Descartes und Isaac Newton haben diese Erwartungen auf ihre Weise erfüllt. Man hat ihr Jahrhundert das der Naturwissenschaft- lichen Revolution genannt. Allerdings war die frühneuzeitliche Naturkunde noch ein Konglomerat der unterschiedlichsten Sichtweisen und Traditionen, und die Naturwis- senschaftliche Revolution hat es – wie Steven Shapin überzeugend argumentiert – als solche nie gegeben.

GRENZGÄNGER ZWISCHEN DEN WELTEN 11

Frühneuzeithistoriker haben von der ‚Krise des 17. Jahrhunderts‘ gesprochen und mei- nen damit die Zeit zwischen 1570 und 1680. Am Anfang standen klimatische Verände- rungen einer ‚kleinen Eiszeit‘ mit den entsprechenden agrarischen und gesamt- wirtschaftlichen Folgen. Konfessionalisierung und Territorialisierung mündeten dann in das Trauma des Dreißigjährigen Krieges, die Erfahrung eines über Jahrzehnte andau- ernden vollständigen Ausgeliefertseins an Not und Gewalt, welcher die politische oder religiöse Legitimation fehlte. Auf das Zerbrechen struktureller Sicherheiten und die Erfahrung von Kontingenz antworteten die Hinwendung zur Subjektivität und die auf- kommenden geistlichen Erweckungsbewegungen. Doch als historiographisches Kon- zept bezeichnet der Begriff der ‚Krise‘ weniger die Abfolge bestimmter Ereignisse, als deren zeitgenössische Wahrnehmung als ein krisenhaftes Geschehen. In diesem Sinne lässt sich in der Tat von einer ‚Krise des 17. Jahrhunderts‘ sprechen, und zwar als ein Reflexionsbegriff, der es den Zeitgenossen erlaubte, über die schmerzhaft erfahrenen Diskontinuitäten und Antinomien hinaus, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in narrativen Deutungsmustern in übergreifende Sinnzusammenhänge zurückzubinden. Die Kometenschriften der Frühen Neuzeit sind Ausdruck und Medium dieser reflexiven Krisenwahrnehmung. Zwar waren zu allen Zeiten Kometen am Himmel erschienen und hatten mehr oder minder große Aufmerksamkeit erfahren; doch die Kometen, die zwi- schen 1577 und 1680 am Himmel erschienen, lösten eine regelrechte Sturmflut von Flugblättern und Flugschriften aus. So wurden als Reaktion auf den Kometen von 1556 etwa 30, auf den des Jahres 1577 schon etwa 200 Schriften gedruckt; auf die drei Kome- ten des Jahres 1618 folgten an die 300, auf die der Jahre 1664/65 etwa 220 und auf den Kometen des Jahres 1680/81 schließlich 240 Titel. Danach flaute das Interesse rapide ab. Gemeinsamer Tenor des vielstimmigen Chors war der Ruf nach Buße und Erbau- ung: Die politischen, kirchlichen, sozialen Verhältnisse schienen aus dem Ruder gelau- fen, die Menschen vom rechten Weg abgekommen, und es war, als schicke Gott spezielle Warnzeichen, die jeden Einzelnen zur Umkehr riefen, weil sonst ein Strafge- richt drohte. So heißt es bei David Herlitz, einem der erfolgreichsten Verfasser von Kometenschriften: „Also ist dieser gleich ein offenes Patent, das der liebe Gott am Himmel hat außgebreitet oder angehefftet, in welchen Er die Ruthe und drawung seines Grimmes uns offenbahret, das Er alle, die nicht wahre Busse thun werden, zerschmettern unnd ins Fewer werffen wolle. Denn der liebe Gott sitzet nicht im Himmel auff einem hohen Stuel und schläfft, als wenn er sich an das Gottlose wesen der Menschen nicht kehrete: Sondern er wachet, und siehet fleißig in alle wink- kel der Welt, ja in aller Menschen Hertzen.“ [David Herlitz, Kurtzer Discurs vom Cometen (1619), Hv/Hijr  4.1.4.] Wissenschaftsgeschichtlich zeugen die Kometenschriften der Frühen Neuzeit von der Aufwertung der curiositas, der lange verpönten wissenschaftlichen Neugierde, und da- von, dass die Astronomie zur weltbildrelevanten Leitwissenschaft geworden war. In erster Linie aber drückt sich in den Kometenschriften die Selbstdiagnose einer Zeit aus, die den Himmel als Projektionsfläche eigener Befindlichkeiten, Hoffnungen und Ängste nutzte. Wer im Buch der Natur nach Zeichen des göttlichen Willens suchte, tat dies aber nicht bloß in abergläubischer Furcht, sondern durchaus auch in kritischer Auseinander- setzung mit dem Wissen über Kometen, das Astronomie und Naturkunde zur Verfügung stellen konnten. Dieses Wissen allerdings war, was die akademische Wissenschaft und ihre antiken Tra- ditionen angeht, alles andere als einheitlich. Der aristotelischen Naturphilosophie, wie 12 EINLEITUNG sie an den Universitäten gelehrt wurde, galten Kometen als meteora, als vergängliche Erscheinungen der Atmosphäre, die in die Zuständigkeit der Physica fielen wie Wolken oder ein Halo. Sie ließen sich hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit und aufgrund lokaler Bedingungen rational erklären. Die Astronomie andererseits fragte als mathema- tische Wissenschaft nach dem Wie, nicht aber nach dem Warum und schon gar nicht nach der stofflichen Natur ihrer Gegenstände. Ihr ging es um die idealen Bewegungen von Sternen und Planeten und darum, Modelle zu entwickeln, mit denen sich die beob- achteten Positionen mit geometrischen Konstruktionen wiedergeben ließen, ohne dass solche Modelle notwendigerweise den Anspruch auf Wahrheit erhoben. Und da Kome- ten keine unveränderlichen Himmelskörper waren, gehörten sie traditionell auch nicht zur Astronomie. Aus diesem Grunde tat sich auch die Astrologie, die ja auf den mathe- matischen Verfahren der Astronomie aufbaute und diese mit dem Konzept einer quasi- physikalischen Wechselwirkung von Makro- und Mikrokosmos verband, mit den Ko- meten anfangs schwer. Leichter zu integrieren waren sie hingegen in die emblematische Weltsicht und Prodigienlehre der Frühen Neuzeit, die die Naturdinge als deutbare Zei- chen einer metaphysischen Tiefenstruktur der Welt auffasste. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts blieben die Kometen folglich Grenzgänger mit ungeklärter Zugehörigkeit zu definierten Wissen(schaft)sbereichen. Dass der dänische Astronom Tycho Brahe die Parallaxe des Kometen von 1577 vermessen und daraus geschlossen hatte, dass es sich um eine Erscheinung jenseits des Mondes und nicht um ein atmosphärisches Phänomen handelte, machte die Sache eher komplizierter, weil nun auch noch die Grenzen zwischen Himmel und Erde, Astronomie und Physik neu zur Debatte standen. Doch blieben die Ergebnisse von Parallaxenbestimmungen mehrdeu- tig, weil die Messinstrumente nicht sehr präzise waren und sich der Einfluss der atmo- sphärischen Lichtbrechung nur schätzen ließ. Für Bahnberechnungen, aufgrund derer entschieden werden konnte, ob die Kometenbahn linear, kreisförmig, parabolisch, hy- perbolisch oder elliptisch sei, lagen erst seit dem Halleyschen Kometen von 1682 hin- reichend exakte Beobachtungsdaten vor. Die Diskussion um Ort, Bahn und stoffliche Natur der Kometen begleitete die Astronomische Revolution des 16./17. Jahrhunderts deshalb wie eine Anomalie, die sich in keines der kosmologischen Systeme so recht einfügen wollte. Die Kometen beschäftigten aber nicht allein die Gelehrten, die auf Latein in oft volumi- nösen und kostspieligen Werken publizierten. Der Kometendiskurs war mindestens ebensosehr ein populärer Diskurs in der Landessprache und im wohlfeilen, die neuesten technischen Möglichkeiten nutzenden ‚Massenmedium‘ der Flugblätter und Flugschrif- ten. Somit waren die Kometen auch Grenzgänger zwischen Elitenkultur und dem ‚Ge- meinen Mann‘, zwischen literarischen Traditionen und Bildpropaganda, zwischen religiösem, naturkundlichem und politischem Wissen, zwischen Katholiken, Luthera- nern und Calvinisten: Wissenskulturen, die insgesamt noch viel heterogener waren als das gelehrte Wissen der Zeit und in noch stärkerem Maße das auch für die Wissen- schaftsgeschichte der Frühen Neuzeit charakteristische Phänomen der Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem zeigen. Wissen entsteht in Prozessen der Interaktion und der Kommunikation. Wissen ist daher zunächst immer lokal. Was aber war in einer Stadt wie Regensburg aus diesem viel- stimmigen Kometendiskurs tatsächlich präsent und im Bewusstsein der unterschiedli- chen Gruppen des Bürgertums, der lutherischen Pastoren, der Stifte und Klöster oder der Welt der Gesandten beim Reichstag? Was bewegte die Gemüter der Leute, wenn ein

GRENZGÄNGER ZWISCHEN DEN WELTEN 13

Komet am Himmel erschien? Wie verbreitet war das akademische Wissen darüber, und was erzählten die Lehrer den Schülern, die Prediger den Gemeinden? Das hier präsentierte Projekt ist ein Versuch, den frühneuzeitlichen Kometendiskurs über seine lokale Rezeption historisch zu konkretisieren, und zwar anhand des Bücher- bestandes der Staatlichen Bibliothek Regensburg. Dies führt freilich nur dann zu inter- pretierbaren Ergebnissen, wenn man annimmt, dass dieser Bestand repräsentativ ist für den Interessen- und Wissenshorizont derjenigen, die in Regensburg Kometenschriften publiziert oder solche Titel gekauft, gelesen und gesammelt haben, so dass sie schließ- lich mitsamt den zahlreichen anderen Büchersammlungen der Stadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der ‚Königlichen Bibliothek für den Regenkreis‘ aufgingen. Genauere Betrachtung zeigt, dass diese Annahme begründet ist und der Bestand in der Tat lokale Präferenzen und Interessen widerspiegelt. Aus astronomie- und wissenschaftsgeschichtlicher Sicht ergibt sich dabei allerdings ein zunächst überraschender Befund: Während nämlich antike Autoren in Humanistenaus- gaben relativ breit vertreten sind und auch die Astronomie des 15. und 16. Jahrhunderts von Georg Peuerbach über Johannes Regiomontanus bis hin zu Caspar Peucer und Mi- chael Maestlin in zahlreichen Ausgaben dokumentiert ist, fehlen die großen Namen der Fachastronomen des 17. und 18. Jahrhunderts – der Zeit also, in der die neue Astrono- mie ihren Siegeszug antrat. Von Isaac Newton befindet sich kein einziger zeitgenös- sischer Druck im Bestand, von Tycho Brahe nur die postum herausgegebene Geist- reiche Weissagung von dem grossen Wunderstern (s.l., 1632), und von Galileo Galilei lediglich die von Matthias Bernegger 1613 in Straßburg herausgegebene Schrift über den Proportionalzirkel. Lediglich Johannes Kepler ist mit einer ganzen Reihe von Drucken vertreten, die entweder er selbst oder die sein Sohn dem Rat der Stadt Regens- burg zugeeignet hatten. Sie werden heute im Kepler-Gedächtnishaus gezeigt. Aber es fehlen auch die astronomischen Lehrbücher aus der Gesellschaft Jesu, die im katho- lischen Deutschland zum Standardrepertoire der Kollegien gehörten und auch in der protestantischen Reichsstadt nicht unbekannt gewesen sein dürften. Giovanni Battista Riccioli, mit dessen Lehrbüchern in der katholischen Welt eine Variante des Planeten- systems von Tycho Brahe als Alternative zum Kopernikanismus durchgesetzt wurde, sucht man ebenso vergebens wie die beiden monumentalen Kompendien, in denen der Wissensstand des 17. Jahrhunderts über Kometen zusammengefasst war: Stanislaus Lubienietzkis zweibändiges Theatrum cometicum (Amsterdam 1666/1668) und Johan- nes Hevelius’ Cometographia (Danzig 1668). Um so reicher vertreten sind in der Staatlichen Bibliothek Regensburg populäre Werke, häufig in deutscher Sprache, wie astrologische Praktiken und Prognostiken, Werke pro und contra Kalenderreform oder Schriften über Instrumente und Sonnenuhren. In diese eher volkstümlichen Genres fallen auch die mehr als 120 Kometenschriften, die die Staatliche Bibliothek besitzt. In der Mehrzahl stammen diese wohl aus den Bibliotheken von Regensburger Bürgern oder aus den in der Säkularisation aufgelösten Klöstern und nicht aus dem Kernbestand der alten Ratsbibliothek. Deren 1731 von Georg Oesterlin angelegter Catalogus universalis librorum ... quos Curiae Bibliotheca continet ordine alphabetico de integro adornatus [IM/2°Rat.civ.35] verzeichnet nämlich nur ganz we- nige Kometenschriften, darunter Pierre Bayles Lettre von 1682 [Philos.1301 → 6.4.2.], Georg Caesius’ Catalogus omnium cometarum von 1579, in einem Pergamentband mit Supralibros „L.H.L. 1579“ [Philos.1081/1083] zusammengebunden mit Cornelius Gem- ma, De prodigiosa specie naturaque cometae (Antwerpen 1578) und mit Sigismund 14 EINLEITUNG

Suevus, Cometen: Was sie für grosse Wunder vnd schreckliche ding zu bedeuten … pflegen (Görlitz 1578); ferner den 1662 anonym erschienenen Cometae malus genius des Lindauer Stadtsyndicus Michael Praun [im Bestand nicht mehr nachweisbar], sowie einen Band Varia de cometis, bei dem es sich um den Sammelband [Philos.2204/2205] handeln dürfte, der sich durch sein Supralibros als aus der Ratsbibliothek stammend ausweist. Allerdings fehlen schon im Bibliothekskatalog von 1731 die oben genannten Autoren der gelehrt-wissenschaftlichen Astronomie. Das inhaltliche Profil des gegen- wärtigen Bestandes ist also offenbar nicht Ergebnis der gezielten ‚Plünderung‘, die die Regensburger Stadtbibliothek 1811/12 zugunsten der königlichen Bibliothek in Mün- chen hinzunehmen hatte, sondern bestätigt die Annahme, dass der heutige Bestand der Staatlichen Bibliothek Regensburg in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht tatsächlich das gewachsene Bestandsprofil der reichsstädtischen Büchersammlungen spiegelt. Den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend sind viele der Regensburger Kometen- schriften nicht separat überliefert, sondern eingebunden in gelegentlich recht voluminö- se Konvolute. So enthält ein Sammelband mit Kleinschriften über Kometen und andere Himmelserscheinungen, zumeist aus den Jahren 1618–1619 und mit Besitzervermerk des Regensburger Minoritenpaters und Pfarrverwesers von St. Ulrich, Tobias Walde- mannstätter, 24 verschiedene Kometendrucke [Philos.2034]. In einen anderen stattli- chen Pergamentband mit Wappen-Supralibros der Stadt Regensburg [Philos.2204/2205] hat ein sparsamer Bibliothekar etwa 75 einzelne Kometenschriften, Prognostiken, Flug- blätter und Fragmente von Drucken, zumeist aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun- derts, zusammengefasst. In anderen Sammelbänden finden sich auch eingebundene Zeichnungen (wie die eines Kometenschweifs, der in vier Blitze ausläuft, die drohend versus Turciam zeigen – wohl aus einem Flugblatt von 1682 übernommen), kurze Ma- nuskripte (wie ein lateinisches, auf Ludwig XIV. gemünztes Kometengedicht) [beide in 4°Hist.pol.541(28] oder fünf Blatt mit handschriftlichen Observationes cometae anno 1652 [Philos.1373]. Auf diese Weise gestattet der im Laufe von Jahrhunderten gewach- sene Buchbestand nicht nur Einblicke in die Interessenlagen und Lesehorizonte inner- halb der frühneuzeitlichen Reichsstadt, sondern kann sogar mit noch Unbekanntem aufwarten. So sind drei der hier vorhandenen Kometenschriften möglicherweise nur in diesem einen Regensburger Exemplar nachweisbar. Die große Kometendebatte der Frühen Neuzeit öffnet ein Fenster auf eine Epoche, in der man die Natur mit ganz anderen Augen sah, als wir das heute tun. In gewissem Sin- ne lebten die Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts tatsächlich auf einer anderen Erde und unter einem anderen Himmel. Doch wenn wir uns einlassen auf ihre zunächst viel- leicht fremdartige Sichtweise, dann erweist sich jenes Fenster als ein ferner Spiegel, in dem wir auch uns selbst wiedererkennen. Denn die Natur bleibt Projektionsfläche für Hoffnungen und Ängste der jeweiligen Gegenwart, und unser Bild von der uns umge- benden Welt ist stets auch ein Spiegelbild unserer selbst. Hans Blumenberg, Die Genesis der kopernikanischen Welt (Frankfurt/Main 1975). – Margaret C. Jacob, The Cultural Meaning of the Scientific Revolution (New York 1988). – Steven Shapin, Die wissenschaft- liche Revolution (Frankfurt/Main 1998). – Hartmut Lehmann, „Die Kometenflugschriften des 17. Jahr- hunderts als historische Quelle“, in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert: Probleme populärer Kultur in Deutschland, hrsg. von Wolfgang Brückner u.a., Teil 2 (Wiesbaden 1985), 683-700. – Im Zeichen der Krise: Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts, hrsg. von Hartmut Lehmann und Anne-Charlott Trepp (Göttingen 1999). – Gelehrtes Regensburg, Stadt der Wissenschaft: Stätten der Forschung im Wandel der Zeit, hrsg. von der Universität Regensburg (Regensburg 1995). CM

2. ANFÄNGE DER WISSENSCHAFTLICHEN KOMETENFORSCHUNG In der Astronomie waren lange Zeit die Lehren des Aristoteles maßgebend. Bereits im 4. Jahrhundert vor Christus entwickelte er eine Theorie über Himmel und Erde, die erst im 16. Jahrhundert in Frage gestellt wurde. Die Beobachtung von Kometen spielte dabei eine entscheidende Rolle, da diese Mängel in der Theorie von Aristoteles offenbarte. Aristoteles’ umfassende Theorie beruhte darauf, das Universum in zwei Regionen, die himmlische und die irdische, aufzuteilen. Die himmlische Sphäre zeichnete sich durch Unveränderlichkeit aus, kein Chaos und keine Unordnung herrschten hier. Die Bewe- gungen waren kreisförmig und ewig; dies galt als die Bewegungsform der Sterne und Planeten. Die Grenze zur darunter liegenden irdischen Sphäre stellte der Mond dar. In dieser so- genannten sublunaren Sphäre waren Veränderungen zugelassen, die enthaltenen Körper bewegten sich mit der Zeit in einer geradlinigen Richtung. Die irdische Sphäre bestand aus vier Elementen: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Die Luft war das die Erde umgeben- de Element, während eine weitere feuerartige Schicht die äußerste Hülle darstellte. Aris- toteles zufolge waren Kometen Erscheinungen, die innerhalb dieser Schicht auftraten, da sie ein veränderliches, sich geradlinig bewegendes Element am Himmel darstellten und somit nicht in die himmlische Sphäre eingeordnet werden konnten. Die Entstehung der Kometen erklärte Aristoteles durch die Umdrehung der Himmels- sphäre, durch die Kreisbewegung des Feuers und durch das Aufsteigen von Ausdün- stungen von der Erdoberfläche, welche entweder einen kurz sichtbaren Effekt als Sternschnuppe hervorriefen oder unter bestimmten Bedingungen einen Kometen er- zeugten. Die Bewegung des Kometen und seines Schweifes wurde dabei durch die Be- wegung der Feuersphäre gelenkt. Diese Theorie ist in sich abgeschlossen und widerspruchsfrei; die Erkenntnisse und Er- scheinungen der damaligen Zeit waren damit hinreichend erklärt, so dass das aristoteli- sche Modell über einen langen Zeitraum hinweg nicht infrage gestellt wurde. Erst bei der Beobachtung des Kometen von 1531 machte Peter Apian die Entdeckung, dass der Schweif des Kometen immer von der Sonne wegzeigt. Diese Tatsache war in der aristo- telischen Theorie weder erwähnt noch ließ sie sich dadurch erklären. Nach Aristoteles bewegte sich der Schweif abhängig von der Feuersphäre, und auch das zufällige Auf- tauchen von Kometen erlaubte keine Konstanz in der Schweifrichtung. Diese Unge- reimtheit führte zu einer Diskussion über die Natur der Kometen, es gab die Überlegung, Kometen seien eine Art Linse und der Schweif entstehe aus der Brechung der Sonnenstrahlen durch diese. Das erklärte die Richtung des Schweifes, war aber mit der aristotelischen Kometentheorie nicht zu vereinbaren. Hinzu kam, dass im 16. Jahrhundert die Entfernung der Kometen von der Erde neu un- tersucht wurde. Zunächst entwickelte der italienische Universalgelehrte Girolamo Car- dano die Überlegung, dass sich die Kometen weiter von der Erde entfernt befinden müssten als der Mond, da sie sich vor dem Hintergrund des Fixsternhimmels langsamer bewegten. Diese Überlegung wurde in den folgenden Jahren durch Entfernungsbestim- mungen unterstützt. Beruhten Aristoteles’ Ansichten über die Position der Kometen auf kosmologisch-logischen Betrachtungen, so war nun die Möglichkeit der Entfernungsbe- 16 ANFÄNGE DER KOMETENFORSCHUNG stimmung durch die Parallaxe entdeckt worden. Dabei wird ein Himmelskörper von zwei verschiedenen Punkten aus beobachtet, der Winkel, der sich aus den „Sehstrahlen“ ergibt, stellt die Parallaxe dar und ermöglicht die trigonometrische Berechnung der Ent- fernung. Dieses Verfahren wurde bei der Beobachtung des Kometen von 1577 durch Tycho Brahe angewendet, der herausfand, dass sich dieser Komet viermal so weit von der Erde entfernt befand wie der Mond. Statt nach der stofflichen Natur der Kometen zu fragen, standen damit geometrisch-quantitative Überlegungen im Vordergrund. Diese ließen nun Zweifel an der aristotelischen Theorie aufkommen, nach der sich die Kometen von der Erde aus gesehen unterhalb des Mondes befanden. Mit der Einord- nung der Kometen in die himmlische Sphäre wurde zugleich die Annahme, in der himmlischen Sphäre finde keine Veränderung statt, widerlegt. Die unvorhersehbar auf- tauchenden Kometen, deren Bewegung sich von der der anderen Himmelskörper unter- schied, brachten so Unordnung in die himmlische Sphäre und zeigten erste Fehler in der Theorie des Aristoteles. Seine ansonsten so plausible Auffassung bekam mit der ver- stärkten Beobachtung der Kometen im 16. Jahrhundert erste Risse. Diese lieferten da- durch einen weiteren Grund für die Abwendung vom aristotelischen Weltbild und förderten die Hinwendung zu alternativen Theorien. Die Kometenfrage begleitete damit die Astronomische Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts. Heidarzadeh, History (2009). – Peter Barker, Bernard R. Goldstein, „The Role of in the Coperni- can Revolution”, Studies in the History and Philosophy of Science 19 (1988), 299-319. – Jane L. Jervis, Cometary Theory in Fifteenth-Century Europe (Dordrecht 1985). MR

2.1. DER NEUE BLICK AUF DIE KOMETEN Mit der Renaissance veränderte sich der Blick der Menschen auf die Natur. Nicht nur die empirischen Details erhielten größeres Gewicht; auch die Wiederaufnahme der pla- tonischen Tradition, wonach das Wesen der Welt in mathematischen Strukturen erfasst werden könne, bot einen grundsätzlichen Gegenentwurf zur qualitativen Naturlehre der Scholastik. Zur selben Zeit stellten Handel und Schifffahrt immer höhere geographische und kartographische Anforderungen. Da im 16. Jahrhundert zugleich ungewöhnlich viele auffällige Kometen am Himmel erschienen, entwickelte sich allmählich eine neue Herangehensweise an diese Erscheinungen. Zwar blieben die Auffassungen über die Natur der Kometen weiterhin im Wesentlichen im Rahmen der aristotelischen Naturphilosophie, und auch ihre Deutung als Unglücks- boten folgte den überlieferten Ansichten. Dies lässt sich mit der Bindung an den Lehr- plan der Universitäten und mit der religiösen Prägung des damaligen Weltbildes erklären. Neu hinzu kam im 16. Jahrhundert die Erschütterung überlieferter Glaubens- gewissheiten durch die Reformation und die einsetzende Konfessionalisierung und in Verbindung damit die Erwartung, unmittelbar vor dem Anbruch der in der Bibel verhei- ßenen Endzeit zu stehen. Das neue Weltbild des Nicolaus Kopernikus mit der stillste- henden Sonne und der diese in dreifacher Bewegung umkreisenden Erde spielte in diesen Diskussionen zunächst noch keine Rolle. Nach wie vor bezogen sich die meisten astronomischen oder astrologischen Autoren auf das ptolemäisch-geozentrische System. Was man als aufkommenden wissenschaftlichen Umgang mit Kometen bezeichnen DER NEUE BLICK AUF DIE KOMETEN 17 kann, manifestiert sich vor allem in einer neuartigen Form der Beobachtung und im Versuch, die Kometenbahnen aufgrund von gemessenen Daten zu berechnen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der um 1495 in Leisnig geborene Peter Apian. Er forderte, dass Himmelsbeobachtungen von mehreren Personen, am besten von verschie- denen Orten aus und über mehrere Tage hinweg, angestellt werden müssten. Dies ging einher mit einer Verfeinerung der mathematischen Vorgehensweise und einer Weiter- entwicklung der Messinstrumente. Während Kometen bis dahin in astronomischen Schriften bloß als Phänomene erwähnt wurden, war Apians Ziel, ihren Lauf am Himmel zu berechnen und genau zu dokumentieren. Auch wenn astrologische Deutungen bei Apian nicht verschwanden, allein schon deshalb, weil man damit gutes Geld verdienen konnte, traten sie doch langsam in den Hintergrund. Interessant ist, dass Apian sich in seinen Schriften bewusst an ein breites Publikum wandte, deshalb nicht das Latein der Gelehrten, sondern die Landessprache benutzte, möglichst klar und einfach schrieb und viel Wert auf Anschaulichkeit, Didaktik und leichte Anwendbarkeit im Alltag legte. Peter Apian (um 1495–1552), der eigentlich Bennewitz o. Bienewitz hieß und seinen Namen, wie es zu seiner Zeit gebräuchlich war, latinisierte, studierte in Leipzig und Wien. Vor allem in Wien verfügten die Gelehrten damals über einen hohen astronomi- schen, mathematischen, kartographischen und instrumentenkundlichen Kenntnisstand, was ihn sicherlich für sein späteres Wirken an der Universität Ingolstadt, als Hofma- thematiker bei Kaiser Karl V. und als Autor und Verleger geprägt hat. Schon seine 1524 in Landshut veröffentlichte Weltbeschreibung Cosmographicus liber [StBR IM/4°Hist.pol.66a und Philos.2743] brachte ihm Anerkennung, da diese von hohem Wert für die Navigation war. Am bedeutendsten ist sicherlich sein 1540 erschienenes Prachtwerk Astronomicum Caesareum, eine Zusammenfassung des gesamten astrono- mischen Wissens seiner Zeit, einschließlich der astronomischen Instrumente. Man kann das Buch selbst auch als ein Instrument ansehen, da es viele drehbare Scheiben und ausklappbare Elemente enthält, die der Beschreibung der Planetenbewegung dienen und dem Nutzer schwierige Rechnungen ersparen. Das Buch gilt als Meisterwerk der Buch- kunst. Apian druckte es in seiner eigenen Druckerei, die er zusammen mit seinem Bru- der 1526 in Ingolstadt gegründet hatte. Gewidmet war der Band Kaiser Karl V., der es dem Autor mit der Deckung der Druckkosten, der Ernennung zum Hofmathematiker und einem Rittertitel dankte. Über dieses Werk wurde auch das 1531 von Apian bei Kometenbeobachtungen entdeckte Schweifrichtungsgesetz [ 2.1.2.] allgemein be- kannt. Bis zu seinem Tod war Apian als Lektor der Mathematik in Ingolstadt tätig. Röttel, Apian (1995). – NDB 1 (1953), 325-326. SiG

2.1.1. Eigene Beobachtung – aristotelisch erklärt, astrologisch gedeutet

Johannes Schöner, Coniectur odder abnemliche Außlegung Joannis Schöners vber den Cometen so im Augstmonat des M.D.XXXj. jars erschinen ist zu ehren einem erbern Rath und gmainer burgerschafft der stat Nurmberg außgangen. Nürnberg: Friderich Peypus, 1531. [11] S. Philos.2092/2098: 2095

„Die weyl aber von dem Cometen zu urteyln nit allein schwerlich sonder auch geferlich und nit ainem jtlichen urteyl leychtlich zuvolgen ist“, veröffentlichte der Mathematiker und Astrologe Johannes Schöner in Nürnberg 1531 eine Flugschrift, die die im August 18 ANFÄNGE DER KOMETENFORSCHUNG

über der Stadt sichtbare Himmelserscheinung kommentierte. In einer knappen, elfseiti- gen Broschüre informiert Schöner den Leser über seine astronomische Beobachtungs- reihe, fügt seine Ergebnisse in den Kontext der traditionellen aristotelischen Kometentheorie ein und bietet eine ausführliche astrologische Deutung des Phänomens. Beobachtung, Positions- und Bahnbestimmung des Kometen werden für ein breites, der Mathematik und der lateinischen Sprache unkundiges Publikum beschrieben. Die Hauptmotivation zur astronomischen Beschäftigung mit der Himmelserscheinung liefert dabei die anschließende astrologische Deutung.

Ein auf der Erdkugel stehender Mann deutet mit ausgestrecktem Arm auf einen Kometen, der sich mit seinem Schweif über die deutlich erkennbaren Sphären von Luft und Feuer erstreckt.

Die erste Hälfte des Textes enthält den Bericht von Schöners Beobachtungen des Kome- ten und befasst sich mit der Natur und Ursache des Himmelsereignisses. In einer kurzen Vorrede an den Leser betont Schöner die hohe Bedeutung von eingehender „fleyssig observation“, um den Kometen korrekt beurteilen zu können. Er betrachtet dabei die Ergebnisse seiner Beobachtungen, die er auf Bitten von Freunden hin durchgeführt ha- be, als Gegenstand allgemeinen Interesses. Gemeinsam „mit sambt andern verstendi- DER NEUE BLICK AUF DIE KOMETEN 19 gen“ habe er „des erschinen Cometen Gange“ sorgfältig mehrere Nächte lang mithilfe eines Torquetum, eines Messinstruments zur Bestimmung der Himmelskoordinaten, verfolgt. Er führt die gewonnenen Beobachtungsdaten ausführlich in chronologischer Form auf, macht Angaben zur Uhrzeit und gibt die Position des Kometen sowohl in Relation zu den Sternbildern als auch in Himmelskoordinaten an. Aus seinen Ergebnis- sen schließt Schöner auf eine dreifache Kometenbewegung: täglicher Himmelsum- schwung, Bewegung in Länge und Breite. Zur Erklärung der Entstehung von Kometen zieht der Verfasser die traditionelle aristo- telische Theorie heran: Ursache für den Kometen von 1531 sei der Einfluss einer Kon- junktion der Planeten Mars und Merkur. Nach der ptolemäischen Einteilung wird der Komet als langschweifige Erscheinung von gelber Farbe eingestuft. Kometen dieser Art schreibt Schöner eine natürliche Wesensverwandtschaft mit Merkur zu. Gelegentlich wechselnde Farbeindrücke bei der Beobachtung seien Verfälschungen, die durch den Mondschein und atmosphärische Dünste hervorgerufen würden. Die Bestimmung von Entfernung und Größe des Kometen bewegt sich bei Schöner ebenfalls ganz im Rahmen der herkömmlichen Ansätze. Von der allgemein angenommenen Entfernung des Mon- des von der Erde (30.000 deutsche Meilen) „unnd aus des Cometen gange“ schließt er auf eine Distanz des Kometen „bey tausent deutsche meyl von der erden“. Seine Dicke betrage grob abgemessen weniger als eineinhalb deutsche Meilen, die Schweiflänge gibt Schöner etwas vage mit „vil deutscher meyl“ an. Die zweite Hälfte der Schrift nehmen vier Kapitel über die astrologische Deutung des Kometen ein. Auch wenn Schöner vorweg betont, dieser werde seiner geringen Größe entsprechend eher wenig Bedeutung haben, bildet doch die astrologische Interpretation des Phänomens den Schwerpunkt der Flugschrift. Aus christlicher Sicht wird die Him- melserscheinung als Zeichen für das bevorstehende Jüngste Gericht gewertet, sowohl in negativer (Warnung vor Gottes Urteil) als auch in positiver Sicht (Schein der Verhei- ßung). Was allerdings konkretere Aussagen über die Auswirkungen des Kometen anbe- trifft, beschränkt sich Schöner auf eine Zusammenfassung astrologischen Gemeinguts, wenn er Krankheiten, Kriege, Todesfälle, Tierplagen sowie den besonderen Einfluss auf Personen und Regionen, die unter demselben Sternzeichen stehen wie der Komet, nennt. Es sei bekannt, so Schöner, dass ein Komet etwas zu bedeuten habe, jedoch nicht genau, was. Der Mathematiker und Astrologe Johannes Schöner (1477–1547) lebte bei Erscheinen dieser Kometenflugschrift als angesehener und weithin bekannter Horoskopspezialist in Nürnberg. In Diensten der Reichsstadt, war er seit 1526 am Ägidiengymnasium Lehrer für Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie und Mathematik und als solcher zu- gleich zuständig für die jährliche Erstellung von Kalendern, Aderlasstafeln und Progno- stiken. Daneben wirkte er als Hersteller von Globen, Ephemeriden und Rechentafeln, verfasste selbst zahlreiche astrologische, medizinische und mathematisch-astronomische Werke und betätigte sich außerdem als Herausgeber von Schriften antiker und mittelal- terlicher Autoren (v.a. Regiomontan). Schöner soll in Nürnberg großes Ansehen und Popularität genossen haben, seine Kometenflugschrift von 1531 verfasste er „zu ehren einem erbern Rath und gmainer burgerschafft der stat Nurmberg“. In wissenschaftlicher Hinsicht vertrat er darin, wie auch in der beginnenden Diskussion um die kopernikani- sche Lehre, die traditionelle ptolemäisch-aristotelische Perspektive. Monika Maruska, Johannes Schöner: ‚Homo est nescio qualis‘: Leben und Werk eines fränkischen Wis- senschaftlers an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, Diss. Univ. (Wien 2008). – Norbert Holst, 20 ANFÄNGE DER KOMETENFORSCHUNG

Mundus – Mirabilia – Mentalität: Weltbild und Quellen des Kartographen Johannes Schöner, eine Spu- rensuche (Frankfurt/Oder, Bamberg 1999). – Ernst Zinner, Die fränkische Sternkunde im 11. bis 16. Jahr- hundert (Bamberg 1931). – Kokott, Kometen (1994), 77-83, 131-135. JCB

2.1.2. Entdeckung des Schweifrichtungsgesetzes

Petrus Apian, Practica auff d[a]z 1532 Jar: Zu Eeren den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten unnd H. H. Herrn Wilhelmen und Herrn Ludwigen Pfaltz bey Rheyn Hertzogen in Obern und Nidern Bavrn etc. Gebrüdere. Landshut: Apian, [1531] [38] Bl. Philos 2092/2098

Petrus Apian, Ein kurtzer bericht d[e]r Observation uund urtels des Jüngst erschinnen Cometen jm weinmon und wintermon dises XXXII. Jars: Zu Ehrn dem Durchleüchtigen Hochgebornen Fürsten und Hern Hern Wilhelm Pfaltzgraue bey Rhein Hertzo[g] in Obernn unnd Nidern Bayern [et]c. gantz Deutz- scher Nation und den liebhabern der Astronomischen künst zu Nutz. [s.l., 1532]. [30] Bl. . Philos 2092/2098

Mit den Beobachtungen von Peter Apian beginnt eine neue Form des Umganges mit Kometen. Waren diese bis dahin in wissenschaftlichen Abhandlungen nur beiläufig er- wähnt worden, so beobachtete Apian systematisch ihre Stellung am Himmel und ent- deckte dabei 1531 das Schweifrichtungsgesetz. Die beiden von Peter Apian verfassten Schriften zu den Kometen von 1531 und 1532 liegen – mit Schöners Coniectur [ 2.1.1.] und Koebels Jacobs-Stab [ 2.2.1.] sowie weiteren astronomischen und Instrumentenschriften zusammengebunden – in einem ehemaligen Liber catenatus unbekannter Provenienz vor, einem Band, der früher mit einer Kette an das Bibliothekspult angebunden war, damit man ihn nicht forttragen konnte. Beide Apian-Schriften sind den damaligen Fürsten und Herzögen von Bayern Wilhelm X. und Ludwig IV. gewidmet. Die Widmung der ersten ist auf den 23. No- vember 1531 in Ingolstadt datiert, der Druck mit 14 Abbildungen erfolgte anschließend in der Offizin seines Bruders Georg Apian in Landshut. Die zweite Schrift, bestehend aus 60 Seiten mit 21 Abbildungen, gab Peter Apian in seiner eigenen Druckerei in In- golstadt heraus. Nach einer Einleitung mit erneuter Widmung erklärt Apian dem Leser, dass antike Au- toritäten wie Plinius, Ptolemaios und Aristoteles Kometen zwar erwähnt, aber nie ihren Lauf berechnet und aufgezeichnet hätten. Dies habe er sich zur Aufgabe gemacht. Gott habe den Menschen die Vernunft gegeben, mit deren Hilfe ein Astronom methodisch über viele Jahre am gleichen Ort Beobachtungen betreiben müsse, um den Merkwürdig- keiten des Himmels auf die Spur zu kommen, die für Apian alle natürliche Ursachen haben. Die Hauptteile der beiden Abhandlungen folgen dem gleichen Schema wie später Api- ans umfassende und berühmteste Arbeit, das Astronomicum Caesareum. Nach einer kurzen Einleitung führt er für jede Einzelbeobachtung die Messergebnisse auf, be- schreibt die Vorgehensweise und schließt mit einer Zeichnung ab. Insgesamt beobachte- te er den Kometen von 1531 vom 13. bis zum 23. August. In jeweils 84 Theoremen stellt Apian seine Vorgehensweise mit allen Berechnungen ausführlich dar. Als Ausgangspunkt seiner Observation dient ihm immer das Sternbild Bootes, auch Bärenhüter genannt. Die Entdeckung der antisolaren Schweifrichtung des DER NEUE BLICK AUF DIE KOMETEN 21

Kometen erwähnt er erstmals im 56. Theorem der Schrift von 1531: „wie der Schwanz sich nach der Sonnen schein alzeyt gewent hat“.

Auf dem Titelblatt der Kometenschrift von 1532 ist Apians Beobachtungsmethode dargestellt: Links oben das Sternbild Bootes als Orientierungspunkt, der Lauf der Sonne, der des Kometen mit der antisolaren Schweifrichtung und die durchlaufe- nen Tierkreiszeichen. Rechts ein Beobachter mit dem Jakobsstab zur Winkelmes- sung in der Hand und einer Art Torquetum zur Bestimmung der Koordinaten neben sich auf dem Boden.

Bei seiner Deutung des Schweifsternes beruft Apian sich immer wieder auf das Ptole- maios zugeschriebene Centiloquium, eine populäre astrologische Sammlung. Die Rich- tigkeit seiner Berechnungen sieht er durch ähnliche Ergebnisse von Johannes Schöner und Johann Vögelin bestätigt. Im Gegensatz zu anderen Astronomen, die er Scharlatane nennt, sieht er den Kometen im Zeichen der Waage, nicht in dem des Skorpions. Dies künde von einem drohenden Feind aus der Ferne und dem Tod des Landesherrn. Weil der Komet 1531 über Rom gesehen wurde, prognostiziert er dies für die Königreiche Sizilien, Neapel, Sardinien, Korsika und schließlich auch für Spanien und Deutschland. Er schließt seinen Bericht mit der Aussage, dass seine Vorhersage nicht zwangsläufig eintreffen müsse, da es immer noch in Gottes Hand liege, alles zu fügen. Kokott, Kometen (1994). – Röttel, Apian (1995). SiG 2.2. INSTRUMENTE IN DER FRÜHEN KOMETENFORSCHUNG Die frühe wissenschaftliche Kometenforschung bediente sich – wie die Astronomie ge- nerell in den Jahrhunderten zuvor – kleiner, handlicher, nicht ortsfest aufgestellter In- strumente, die mithilfe verschiedener Visier- und Peilmethoden zur Winkelmessung verwendet wurden. Gefertigt zumeist aus Holz, aber auch Messing oder Kupfer, waren sie relativ leicht herstellbar und aufgrund ihrer oft sehr ähnlichen Funktionsweise für vielfältige Zwecke der Positions- und Zeitbestimmung, Vermessung und Navigation geeignet. Diese durchweg trigonometrischen Geräte der frühen neuzeitlichen Kometen- forschung lieferten allerdings noch kaum Präzision nach heutigen Maßstäben: So unter- nahm ein Hersteller beispielsweise nicht immer selbst Beobachtungen, um die verschiedenen Skalen und Netzlinien aufzutragen, sondern verließ sich auf Tafelwerke und überkommene Produktionsanweisungen; ebenso war das Observationsinstrument häufig zugleich Lehrinstrument. Daneben hing die Genauigkeit der Ergebnisse wesent- lich von der Geschicklichkeit und Sorgfalt des Beobachters im Umgang mit dem In- strument und von der Genauigkeit der Reduktion der Beobachtungen ab. Dennoch ließen sich durch umsichtige Verwendung der Geräte bereits relativ exakte Ergebnisse erzielen, wie auch die Beobachtungsreihen Apians und Schöners für die Kometen der 1530er Jahre zeigen. Astrolab, Armillarsphäre und Torquetum bildeten mit ihren Kreisen, Netzen, Scheiben oder Ringen Äquator, Ekliptik, Wendekreise, Polarkreise, Sonnwendkolur etc. dreidi- mensional oder in planispherischer Projektion ab. So veranschaulichten sie gleichzeitig das geozentrisch-ptolemäische System und fanden daher auch häufig als Lehrgeräte Verwendung. Einfachere trigonometrische Instrumente, etwa der Quadrant oder vor allem der Jakobsstab, wurden neben der astronomischen Beobachtung auch für terrestri- sche Zwecke (Höhen- und Entfernungsmessung, Navigation) eingesetzt; ihre Vorteile bestanden insbesondere in der einfachen Herstellung und Anwendung. Daneben erfuh- ren viele Instrumente seit dem Mittelalter Weiterentwicklungen und Anpassungen für bestimmte Zwecke. So wurde beispielsweise das Astrolab vielfältig für Einzelanwen- dungen in der Schifffahrt, Feld- und Höhenmessung an Land oder Astrologie modifi- ziert. Bei astronomischen Beobachtungen ergänzten Tafelwerke wie die Sinustafeln Regiomontans oder Peuerbachs Tabula Gnomonica den Einsatz der Instrumente und verringerten den Umfang der nötigen Berechnungen. Die Handhabung astronomischer Instrumente konnte nicht nur durch direkte Einwei- sung etwa im Unterricht an einer Universität erlernt werden, sondern ließ sich auch an- hand von Spezialliteratur studieren. Zahlreiche Schriften befassten sich mit Herstellung, Gebrauch und Anwendungsgebieten verschiedener Geräte zur Himmelsbeobachtung. Die Autoren, darunter auch namhafte Astronomen wie Peuerbach und Regiomontan, die Einführungen in den Umgang mit dem Astrolab verfassten, behandelten in ganz unter- schiedlicher Ausführlichkeit und didaktischer Aufbereitung jeweils ein oder mehrere Instrumente von Grund auf. Damit richtete sich diese Anleitungsliteratur an ein relativ breites Publikum: vom gebildeten Laien und Autodidakt über Hersteller von Instrumen- ten bis hin zum Gelehrten, der hier Nachschlage- und Tafelwerke fand. An Rainer Gemma Frisius (1508–1555), Professor der Medizin in Löwen, durch dessen Herausgabe die Cosmographia Peter Apians weit verbreitet wurden, zeigt sich die Nähe INSTRUMENTE IN DER FRÜHEN KOMETENFORSCHUNG 23 von Astronomie und Geographie auf der Instrumentenebene – es handelte sich lediglich um verschiedene Anwendungsgebiete. Gemma beschäftigte sich mit beiden; er stellte europaweit gefragte Globen und astronomische Geräte her, machte Verbesserungsvor- schläge für den Jakobsstab und beschrieb die Triangulation zur genauen Ortsbestim- mung und leichteren Erstellung von Landkarten. Seine Schrift über das Astrolabum Catholicum und Apians Beschreibung eines Instrumentum Sinuum stehen im Folgenden exemplarisch für die zahlreichen Modifikationen, die astronomische Geräte bei früh- neuzeitlichen Autoren erhielten. Gemeinsam mit Koebels Einführung in den Gebrauch des Jakobsstabs zeigen diese drei Schriften die Vielfalt der Spezialliteratur zum Um- gang mit astronomischen Instrumenten, wie sie sich im Bestand der Staatlichen Biblio- thek Regensburg widerspiegelt. Ernst Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11.–18. Jahrhunderts (Mün- chen 1979). – Emanuel Poulle, Les sources astronomiques: Textes, Tables, Instruments (Turnhout 1981). – Kokott, Kometen (1994), 20-21, 35-44, 144-145. – G. L’E. Turner, „Later Medieval and Renaissance Instruments“, in: Christopher Walder (Hrsg.), Astronomy before the Telescope (London 1996), 231-244. – George Kish, Medicina, Mensura, Mathematica: The Life and Works of Gemma Frisius (Minneapolis 1967). JCB

2.2.1. Lustig und Nütz

Jacob Koebel, Jacobs-Stab Künstlich vn gerecht zumachen, vnd gebrauchen: Damit an Gebäwen Auch sunst allerhandt Höhe Breyte vnd Lenge abzesehen vnnd messen. Als Kirchen Thürn Fenster ramen vnd Quadern an Gebäwen Gehawen oder gemalete Bild etc Bäum in Wälden Feldt wegs Vnd dergleichen alles so man in der weitte Als zum Geschütz vnd anderm abnemen vnd messen wil ; Allen Werckleutten Rüstmeystern vnd anderen Künstnern lustig vnd nütz. Frankfurt/Main: Christian Egenolph, 1531. [12] Bl. Philos.2092/2098 / Philos.2744(1

Nach vielfacher Aufforderung, ein leicht zu verwendendes Instrument zur Messung von Winkeln und Strecken vorzustellen, machte sich Jacob Koebel, der Stadtschreiber von Oppenheim, im März des Jahres 1531 „aus guter Neygung und Zeitvertreib“ daran, den Bau und die Verwendung des Jakobsstabes Gott zu Ehren zu erklären. Auf 24 Seiten mit insgesamt 14 Abbildungen stellt er in sechs Kapiteln Konstruktion und Verwendung zweier verschiedener Jakobsstäbe vor. Immer wieder betont er die Einfachheit des Sta- bes, der auf den Regeln der Geometrie beruht. Gedruckt wurde Jacob Koebels Arbeit in Frankfurt am Main von Christian Egenolph, einem bekannten Buchdrucker und Verfas- ser, der auch mit Philipp Melanchthon befreundet war. In großer Ausführlichkeit und so, dass ein jeder den Text auch als Bauanleitung ver- wenden könne, schildert Koebel die einzelnen Schritte bei der Herstellung eines Jakobs- stabs, angefangen bei Beschaffenheit und Dimensionen des zu verwendenden Holzstabes und dessen Zurichtung bis hin zur mechanischen Verbindung von Längs- und Querstab. Obwohl es noch andere Formen des Jakobsstabes gibt, möchte Koebel den Leser nicht überfordern und ihm so den Spaß nehmen, sondern ihn langsam an das Thema heranführen. Er erwähnt aber, dass der Stab noch viele andere Anwendungen ermöglicht. Der Jakobsstab ist eines der ältesten astronomischen Winkelmessgeräte. Zur Kometen- beobachtung haben ihn vor Apian schon Paolo Toscanelli 1433 und Regiomontan 1471 benutzt. Man nimmt einen Stab, den man sich vor ein Auge hält, mit einem verschieb- 24 ANFÄNGE DER KOMETENFORSCHUNG baren Querholz darauf, um den Winkel, den man messen will, abzudecken. Die Grad- skala wird auf dem langen Holz aufgetragen. Durch die Publikationen von Apian wurde die Nutzung des Stabes stark verbreitet, Apian nahm auch selbst einige Verbesserungen daran vor. Im Werk Cosmographia, welches er mit Rainer Gemma Frisius 1540 veröf- fentlichte [StBR in den Ausgaben Antwerpen 1545: 4°Hist.pol.12 und Philos.2081; Ant- werpen 1550: Philos.1870 und Philos.2605; frz. Paris 1553: Philos.2615/2620; Köln 1574: Philos.2273 und Philos.2578; Antwerpen 1584: 4°Hist.pol.12a], wird das Instru- ment ausführlich erklärt. Der Name Jakobsstab geht auf seine Ähnlichkeit mit dem Ster- nenbild Orion zurück, welches im Mittelalter mit dem Pilgerstab des Apostels Jacobus Major verglichen wurde. Beschrieben wurde er erstmals 1342 von dem jüdischen Ge- lehrten Levi ben Gerson.

Verwendung des Jakobsstabes zur Ermittlung der Größe eines entfernten Objekts. Der Stab wird vor ein Auge gehalten und eine Kante des zu vermessenden Objekts über den Längsstab und die Kante des Querstabs angepeilt. Der Standort, von dem die einzelnen Punkte anvisiert werden, wird am Boden markiert. Dann wird der Querstab um eine Markierung nach vorn verschoben. Dies wird so lange wieder- holt, bis am Boden die Länge des Objekts abgelesen werden kann.

Jakob Koebel (ca. 1460–1533) war ein bekannter und angesehener Drucker und Verle- ger. Seine Rechenbücher erfreuten sich besonderer Beliebtheit. Geboren um 1640 in Heidelberg, entwickelte er sich zu einem vielseitig gebildeten Humanisten. In seiner Druckerei veröffentlichte er auch eigene Werke. Dass er Schriftsteller, Zeichner, Holz- schneider, Drucker und Verleger in einer Person war, kam seinem pädagogischen Ziel entgegen, in einfacher Weise praktische Ratschläge für das Alltagsleben zu geben. Ne- ben astronomischen und Rechenbüchern gab Koebel im Rahmen seiner Tätigkeit als INSTRUMENTE IN DER FRÜHEN KOMETENFORSCHUNG 25

Protonotar viele juristische Schriften heraus. Als katholischer Reformer stand er der Lehre Luthers offen gegenüber und druckte auch dessen Werke. ADB 16 (1882), 345-349. – NDB 12 (1980), 289-290. – Röttel, Apian (1995). SiG

2.2.2. Ablesen statt Nachschlagen: Apians Instrumentum Sinuum

Peter Apian, Instrumentum Sinuum seu Primi Mobilis, nuper a Petro Apiano inventum, nunc autem ab eodem diligenter recognitum & locupletatum. Cuius tractatione cum genuinus & latissime patens Sinuum usus clarissimus deprehenditur, tum vero quicquid earundem Sinuum auxilio in rebus astronomicis ratio- cinando indagari potest, facilime ac celerime conficitur. Adiectus est & Quadrans Universalis seu Gene- ralis, nova facie, in eundem usum fabrefactus. Nürnberg: Petreius, 1541. [86] S. 2°Philos.2935

Apians Instrumentum Sinuum aus dem Jahr 1541 (erstmals erschienen 1534, zusammen mit Gebri filii Affla Hispalensis de astronomia libri IX in quibus Ptolemaeum, alioqui doctissimum, emendavit) liefert eine umfangreiche Anleitung für einen speziellen Qua- dranten. In der didaktisch aufwendigen Abhandlung wird der Leser von Grund auf Schritt für Schritt mit dem astronomischen Messgerät vertraut gemacht. Intention des von Apian auf der Grundlage von Gebers (Jabir ibn Aflah) Astronomia entwickelten Sinusquadranten ist dabei die mechanische Lösung trigonometrischer Fragen. Umfang- reiche Sinustafeln werden dadurch entbehrlich, dass sich am Instrument der Sinus sowie der Sinus versus (1-cos) eines beobachteten Winkels direkt ablesen lassen. Der Name des Quadranten ist der Tatsache geschuldet, dass mithilfe des Sinus überwiegend Fix- sterndistanzen berechnet wurden. Die Fixsternsphäre wird in antiker Tradition als Sitz des Primum Mobile gesehen, das die gleichförmigen Bewegungen der übrigen Him- melssphären verursacht. Mit dem ersten Kapitel liefert Apian eine ausführliche Bauanleitung des Quadranten. Hier werden handwerkliche Detailprobleme der Herstellung wie etwa die Unterteilung des Viertelkreises in 90 Teile erläutert und genaue Beschreibungen der geometrischen Konstruktionsverfahren zum Auftragen der Messmarkierungen gegeben. Die abge- druckten Sinustafeln Regiomontans ermöglichen sowohl das herkömmliche Nachschla- gen als auch die Überprüfung der am Instrumentum Sinuum gewonnenen Werte. In den restlichen 99 Kapiteln führt Apian in die zahlreichen Anwendungsbereiche des Qua- dranten und seine Handhabung ein, wobei er strukturiert und geradezu lehrbuchhaft vorgeht. Bei der Behandlung von Fragen der sphärischen Trigonometrie, wie sie etwa zur Bestimmung der Polhöhe, Sonnen- und Mondbahn oder des Auf- und Untergangs von Sternen und Planeten auftreten, bauen die einzelnen Kapitel inhaltlich aufeinander auf, greifen zurück auf bereits Gelerntes und bieten zahlreiche konkrete Rechen- und Konstruktionsbeispiele, damit Neues ausprobiert und eingeübt werden kann. Da das Instrumentum Sinuum einem Mäzen Apians, dem Augsburger Bischof Christoph von Stadion gewidmet ist, tragen die meisten dieser Beispiele im Randvermerk den Titel „exemplum episcopi“. Bezugstermin der „Bischofsbeispiele“ ist dabei stets der Tag bzw. die Stunde der Inthronisation dieses Gönners. Kennzeichnend für das Werk ist das Bemühen um Übersichtlichkeit, klare Erklärungen, nachvollziehbare Beschreibungen und die Möglichkeit des einfachen Nachbaus des Quadranten. Ein vierseitiger Index führt genau die Themen der einzelnen Kapitel auf, die Behandlung einzelner Aspekte ist so vom Leser leicht nachzuschlagen. Neben den 26 ANFÄNGE DER KOMETENFORSCHUNG bereits erwähnten Beispielen verdeutlichen zahlreiche Illustrationen Problemstellungen und Lösungswege. Sogar das Instrumentum Sinuum selber ist als Vorlage zum Aus- schneiden und Aufziehen auf Holz vorgesehen und somit auch leicht vom interessierten Laien herstellbar. Dies zeigt, dass es Apian nicht um ein Präzisionsinstrument ging, sondern um die Verbreitung praktischer astronomischer Kenntnisse und die Verdeutli- chung des zugrundeliegenden Messprinzips anhand eines Lehrinstruments. Der Band trägt das Exlibris des Regensburger Konvents der unbeschuhten Karmelitin- nen. Röttel, Apian (1995), darin bes.: Karl Röttel, „Handschriftliches von Peter Apian“, 53-58; Gudrun Wolfschmidt, „Planeten, Kometen, Finsternisse – Peter Apian als Astronom und Instrumentenmacher“, 93-106; Wolfgang Kaunzner, „Zur Mathematik Peter Apians“, 183-216; Menso Folkerts, „Die Trigono- metrie bei Apian“, 223-228; Hermine Röttel, Wolfgang Kaunzner, „Werkverzeichnis“, 255-276. – Ernst Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11.–18. Jahrhunderts (München 1979). – Siegmund Günther, Peter und Philipp Apian, zwei deutsche Mathematiker und Kartographen: Ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte des XVI. Jahrhunderts (Prag 1882, Nachdruck Amsterdam 1967). – Salah Zaimeche, Seville (Manchester 2005) (24.07.2009). JCB

2.2.3. Astrolabum catholicum – universell einsetzbar

Rainer Gemma Frisius [und Cornelius Gemma], De Astrolabo Catholico liber. Quo latissime patentis Instrumenti muliplex usus explicator & quidquid uspiam rerum Mathematicorum tradi possit, continetur. Recens in compendium opera Martini Everarthi Brugensis Mathesos studiosi coactus. Antwerpen: Johan- nes Withagius, 1583. [113] S. Philos.2606

Im Jahr 1583 erschien eine ausführliche Einführung in den Gebrauch eines Astrolabs von Rainer Gemma Frisius, beendet und postum 1556 erstmals herausgegeben von des- sen Sohn Cornelius Gemma. Das scheibenförmige Instrument (nach arab. „Scheibe“ auch Safea genannt) zeigt die stereographische Projektion der Himmelskreise auf den Kolur der Sonnwenden sowie, auf der Rückseite eingelegt, das sogenannte Horizontale catholicum. Durch die Darstellung ausgewählter Horizontlinien von 0–90° ist das Astro- lab nicht durch das Einlegen einer speziellen Scheibe auf die Nutzung an einem be- stimmten Breitengrad festgelegt. Neben dieser Neuerung führte Gemma zudem für den Hohlraum auf der Rückseite des Astrolabs die Abbildung des Nautischen Quadrats ein, einer Windrose, die die Hauptrichtungen zeigt. In seiner 100 Kapitel umfassenden Schrift erläutert Gemma Aufbau, Zusammensetzung und Anwendung des Astrolabs und strebt dabei durch den Einsatz zahlreicher Definitio- nen, Beispiele und Illustrationen nach Klarheit, Verständlichkeit und Anschaulichkeit. Zugleich regt er den Leser auch zur kritischen Reflexion über das Gerät und die astro- nomische Arbeitsweise an: Er diskutiert Nachteile des Instruments bei der Projektion in die Ebene (Incommoda huius planispherij), verweist auf mögliche Fehlerquellen bei der Beobachtung (z. B. Wackeln) und nennt mehrere Verfahrenswege, um einen bestimm- ten Beobachtungs- oder Berechnungswert zu erhalten. Über die eigentliche Behandlung des Astrolabs und seiner Anwendungsgebiete hinaus ist die Schrift allerdings thema- tisch noch breiter gefächert. Gemma erläutert verschiedene Sternhäuser, gibt Hinweise zur Horoskoperstellung und erklärt den Gebrauch der nautischen Windrose. Außerdem bespricht Gemma ausführlich Kometen, die er bei der Behandlung durch die Positions- INSTRUMENTE IN DER FRÜHEN KOMETENFORSCHUNG 27 astronomie schon als den Planeten gleichwertige Himmelskörper versteht. Eine von Gemma begonnene empirische Überprüfung der aristotelischen Entstehungstheorie der Kometen ergänzt Cornelius Gemma nach dem Tod seines Vaters durch einen mystisch- spekulativen Kommentar.

Gemma Frisius’ Anleitung zum Astrolabum Catholicum (1583) zeigt die Handha- bung des Astrolabs am Beispiel der Gebäudevermessung. Die Verwendung trigo- nometrischer Instrumente konnte – wie hier zu sehen – durchaus einen gewissen Körpereinsatz fordern.

Rainer Gemma Frisius (1508–1555) lehrte als Mediziner an der Universität Löwen, ist aber vor allem für seine mathematisch-geographischen Leistungen sowie als Instrumen- ten- und Globenbauer bekannt. Er war auch der erste, der das Triangulationsprinzip zur Bestimmung des geographischen Ortes vorschlug. Über den Mathematikstudenten Mar- tin Everhart aus Brügge, der als Herausgeber der Schrift firmiert, ließ sich nichts in Er- fahrung bringen. Ernst Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11.–18. Jahrhunderts (Mün- chen 1979). – Emanuel Poulle, Les sources astronomiques: Textes, Tables, Instruments (Turnhout 1981). – Kokott, Kometen (1994), 35-44, 143-147. JCB

3. KOMETEN- UND PRODIGIENLITERATUR DER FRÜHEN NEUZEIT Schon in der Antike und auch noch im Mittelalter sah man in Kometen Schicksalsboten und Zeichen Gottes mit meist negativer Konnotation. Die Frühe Neuzeit knüpfte an diese Traditionen an und band die Kometen in astrologische Deutungsschemata ein, die anhand der durchwanderten Tierkreiszeichen aufgestellt wurden. Im Zeitalter des Buchdrucks wurden Berichte von Kometenerscheinungen in illustrier- ten Flugblättern – und damit in für damalige Verhältnisse modernen Medien – als über- wiegend religiös besetzte Vorboten eines nahenden Schreckensereignisses verbreitet. Als Autoren traten meist theologisch gebildete Menschen wie Prediger, aber auch ma- thematisch-naturkundlich ausgewiesene Verfasser auf. Ihre jeweiligen Intentionen un- terschieden sich allerdings grundlegend: Während die religiös geprägten Verfasser vor allem die heilsgeschichtlichen Aspekte herausstellten, kam es den Wissenschaftlern darauf an, ihre Beobachtungen akademisch und empirisch darzulegen. Die Zeit zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert gilt als die Hochphase der als Ein- blattdruck verbreiteten illustrierten Flugblätter. Daneben waren kleine, meist nur wenige Lagen starke Flugschriften im Quartformat, oft mit einem werbewirksamen Titelblatt geschmückt, beliebte und wohlfeile Druckmedien, in denen neben allerhand anderen merkwürdigen Begebenheiten auch Natur- und Himmelsereignisse vermarktet wurden. Ein Blick auf die Lebenswelt der Menschen der Frühen Neuzeit erklärt, weshalb derar- tige Schriften mit vor allem religiösen Kontexten so verbreitet waren. Dass Kometen und ihre Auslegung durch Geistliche und Astrologen eine Schreckens- wirkung auf die Menschen der Zeit hatten, ist den damaligen Lebensumständen zuzu- schreiben. Aufgrund der politischen, sozialen, ökonomischen und klimatischen Ver- schlechterungen spricht man auch von der „Krise des 17. Jahrhunderts“. Nach den Missernten und Hungersnöten der 70er bis 90er Jahre des 16. Jahrhunderts und nach dem Niedergang der gewerblichen Produktion nach 1600 kam es immer häufiger zu lokalen Unruhen. Religions- und Bürgerkriege wie der Dreißigjährige Krieg wüteten in Europa. Die wirtschaftliche Entwicklung stagnierte, die Expansion nach Übersee kam zum Stillstand. In den Vorstellungen einer Bevölkerung, die noch sehr von religiösen Überzeugungen bestimmt war, schien es tatsächlich der Zorn Gottes zu sein, der diese widrigen Umstände als Strafe über die Menschheit kommen ließ. Was diese Annahme stützt, ist die Hinwendung der gehobenen Schichten zu neu auf- kommenden Frömmigkeitsbewegungen wie dem Pietismus. Im Dreißigjährigen Krieg, der Not und Elend auch in die höheren Bevölkerungsschichten trug, wandte sich der frühneuzeitliche Mensch Lehren und Praktiken zu, die ihn vor vermeintlichen Strafen Gottes schützen sollten. Gebete und Lobpreisungen Gottes in der heimischen Stube zog man dem Politischen vor, und so entstand das Bedürfnis, mehr über die Absichten Got- tes zu erfahren. Dass es religiöse Gründe für Kriege und Missstände geben müsse, wur- de nicht angezweifelt. In diesen Zeiten hatte die Produktion illustrierter Flugblätter Hochkonjunktur. Nicht nur Himmelserscheinungen, sondern auch andere, eher weltliche Ereignisse wurden heilsge- schichtlich interpretiert. Dennoch war es gerade die auffällige Häufung von Kometen zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die die Verkaufszahlen der Flugblätter explodieren ließ. 29

Die Menschen sahen die Himmelsboten als Bestätigung ihres Glaubens: Wenn auch negativ besetzt, weil Unheil bringend, so verwiesen sie doch auf eine transzendente Ur- sache: Gott. Von Wundern und Vorzeichen erzählten die ersten Vorläufer populärer Massenmedien. Sie wandten sich an eine große Öffentlichkeit, da die Alphabetisierung im 17. Jahrhun- dert relativ weit fortgeschritten war. Predigten, die in der Zeit des Barock so beliebte Erbauungsliteratur, Lieder, Flugblätter und Flugschriften griffen aktuelle Themen auf, und so entwickelte sich in der Bevölkerung ein allgemeines Krisenbewusstsein. Man erfuhr von Kriegen und Missständen in anderen Ländern; Hungersnöte und Repressalien durch tyrannische Fürsten waren genauso Themen solcher ‚Nachrichten‘, wie unbe- kannte und somit erschreckende Himmelsboten. In diesem Zusammenhang bildete sich eine neue Gattung heraus – die Prodigienlitera- tur. Der lateinische Ausdruck prodigium bezeichnet im altrömischen Glauben ein Wun- derzeichen, mit dem die Götter ihren Zorn ausdrückten, dem man durch kultische Sühnemaßnahmen zu begegnen suchte. Die frühneuzeitliche Prodigienliteratur folgte dieser Vorlage: Himmelserscheinungen oder auch andere Ereignisse, die der Autoren- meinung nach als Boten Gottes bezeichnet werden konnten, berichteten vom Zorn Got- tes und wurden heilsgeschichtlich interpretiert. Ganze Prodigiensammlungen erschienen, die außergewöhnliche Naturerscheinungen artikelweise aufführten und auf unterschiedlichen Quellen basierten. Teils wurden diese chronologisch geordnet, teils auch thematisch, immer jedoch diente die Anführung der Ereignisse einem Zweck: Durch die summierende Verzeichnung sollte die Warnung vor dem Zorn Gottes poten- ziert, die Furcht der Menschen und ihre Bereitschaft zu Umkehr und Buße vergrößert werden. Allmählich kehrte sich diese Wirkung jedoch ins Gegenteil um: Die Menschen erkann- ten, dass die Erscheinungen, die teilweise in vormittelalterliche Zeit zurückdatierten, schon damals keinen Effekt hervorgerufen hatten, und die Angst vor Gottes Zorn schwand. Dies führte dazu, dass die Prodigienliteratur zunehmend wegen ihres Unter- haltungswertes und weniger aufgrund ihres Erklärungspotentials produziert und ver- kauft wurde. Ihres geringen Preises wegen hatten Flugblätter und Kleinschriften von Anfang an gute Wettbewerbschancen auf dem entstehenden Markt populärer Lesestoffe. Typisch für diese Zeit war die Erbauungsliteratur: Um moralische Lehrsätze wurden Erzählungen gestrickt, um die Menschen zu einem sittlichen Leben zu erziehen. So war nicht nur im Medium des Flugblatts und der Nachrichtenblätter die heilsgeschichtliche Komponente vorhanden, sondern auch in der hohen Poesie und Literatur der Zeit. Die größere mediale Wirkung durch die Verbindung der beiden Vermittlungsarten war auch der Frühen Neuzeit bekannt. Nach der antiken Tradition von Horaz’ ut pictura poesis (das Bild gleicht der Schrift/Poesie) wurden solche psychologischen Tricks auch in der Vermittlung theologischer Argumente genutzt. Zur formalen Gestaltung der illustrierten Flugblätter lässt sich anführen, dass beide Be- standteile, Bild und Text, etwa den gleichen Raum eines Blattes einnahmen. Der Auf- bau war der Emblematik der Barockdichtung sehr ähnlich: Auch hier wurde aufgeteilt in inscriptio (Motto oder Überschrift), pictura (Bild, Zeichnung) und subscriptio (Text, der das Bild und die Intention der Darstellung erklärt). Man kann also durchaus sagen, dass die Gestaltung der illustrierten Flugblätter sehr von der schöngeistigen Literatur beeinflusst wurde und umgekehrt. 30 KOMETEN UND PRODIGIENLITERATUR

Gemeinsam ist allen illustrierten Flugblättern ihre Kürze, die überschaubaren und ein- prägsamen Inhalte und der schon erwähnte geringe Zeit- und Kostenaufwand in der Herstellung. Wichtige Intentionen der Verfasser waren die Information, aber auch gera- de in religiöser oder politischer Hinsicht die Meinungssteuerung. Insbesondere die Illus- trationen haben ihr eigenes Gewicht, so dass eine weitere Wahrnehmungsmöglichkeit dazu kommt. Dadurch war eine breitere Publikumswirkung garantiert. Die visuelle Ver- gegenwärtigung brachte mehrere Vorteile: Erstens wurde der potentielle Käufer schon vor der Entscheidung durch ihre plakative Verwendung sinnlich zum Erwerb angespro- chen, und zweitens wurden auch ungeübte Leser zum Kauf bewogen. Die wichtigste Eigenschaft der illustrierten Flugblätter war also ihre persuasive Kraft. So wurde auch dem „gemeinen Mann“, wie er in den Schriften oft bezeichnet wird, ein neuer Zugang zu den christlichen Normen und Werten eröffnet; der Glaube sollte hel- fen, politische und existentielle Ängste zu überwinden. Daher diente das illustrierte Flugblatt eher der Meinungsbildung als der faktischen Information; seine Aktualität hing nicht vom Datum, sondern von der Dringlichkeit der Botschaft ab, von der sich der Leser Antworten auf weltliche und religiöse Sorgen erhoffte. Durch die Kombination Bild und Text sollten und wurden vor allem die weniger Gebil- deten angesprochen; sie sollten Zugang zum heilsgeschichtlichen Bibelverständnis er- langen. Vieldeutige Prognosen und vage Aussagen trugen zur Rätselhaftigkeit und Deutungsbedürftigkeit bei, so dass die Bilder als Interpretationshilfe dienen konnten. Oft wurden illustrierte Flugblätter anonym veröffentlicht, um der Zensur zu entgehen, oder auch, um sich das eigene Ansehen als seriöser Autor mit dem gewiss eher niedri- gen Prestige eines Flugblatts nicht zu verderben. Die wichtigsten Ziele und Inhalte der Flugschriften waren Buße und Erbauung. Der Komet erschien darin als Warnzeichen Gottes vor der Sünde; offensichtlich wurde dem überirdischen Wesen die Sündhaftigkeit und Eigenmächtigkeit der Menschen zu viel. Über Prodigia drohte Gott mit Sanktionen und hat sie scheinbar als Mittel zur Durch- setzung seiner Gebote auch schon angewendet. Denn woher sollten die andauernden Hungersnöte, Bürgerkriege und sonstigen Ereignisse, die das Leben schwer machen, sonst kommen, wenn nicht von Gott, der die Welt nach seinem Gutdünken erhält oder eben auch bestrafen oder vernichten kann? Ein Komet galt als spektakulär, da unberechenbar. Damit stellte er für die Autoren das perfekte Symbol für Gottes Allmacht dar. Schon in der Antike gab es die Annahme, dass die Erscheinung eines Schweifsterns den nahen Tod einer hochgestellten Persön- lichkeit ankündige, und in der Frühen Neuzeit wurden neben der Berichterstattung durch die Flugblätter in manchen Regionen Kometenbußtage eingeführt, an denen Ko- metenpredigten, -gebete und auch das Kometenläuten der Kirchglocke praktiziert wur- den. Alle möglichen Anzeichen einer herannahenden Endzeit und damit des Letzten Gerichts wurden angeführt, um die Menschen zu einem sittlichen und sündenfreien Leben um- kehren zu lassen. Daraus entfaltete sich schon bald ein Streit der Gelehrten, ob die Astrologie, als eine wohl eher den heidnischen Völkern zuzuschreibende Lehre, im christlichen Sinn verwendet werden dürfe. Die Antwort auf diese Frage lautete: Was hilft, die Absichten Gottes zu interpretieren und in der Bevölkerung zu verbreiten, ist zugelassen. Außerdem sahen sich die Autoren in der Verantwortung, denn nur sie konn- ten diese Vorzeichen lesen und hatten daher die Pflicht, ihren nichtwissenden Mitmen- DER FRÜHEN NEUZEIT 31 schen von Gottes Plänen zu berichten. Die Verbreitung der Kometenflugblätter diente also meist missionarischen Zwecken: Im Mittelpunkt stand die christliche Erziehung der Zeitgenossen. Kometen waren auch deshalb so beliebte Prodigien, weil ihre sichtbare Erscheinung eine Art Offenbarungscharakter beinhaltete, indem allen Menschen der Region, des Landes oder sogar auf der ganzen Welt gleichzeitig Gottes Warnung eröffnet wird. Verborgen blieb natürlich die genaue Strafe – aus nachvollziehbaren Gründen wollte kein Autor jemals eine klare Aussage über die Folgen des sündhaften Treibens der Menschheit machen. Allgemeine Behauptungen und Warnungen schienen ausreichend, um die Bevölkerung an ihren Glauben zu erinnern. Und sollte tatsächlich nach einer Kometenerscheinung kein Krieg oder Ähnliches folgen, so konnte man darauf hinwei- sen, dass es sich Gott anders überlegt habe, denn seine Wege seien unergründlich, oder dass die Sündhaftigkeit auf der Erde tatsächlich abgenommen habe, so dass eine Bestra- fung nicht notwendig gewesen sei. Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass Motive, Topoi und Argumentationsstrukturen der populären Kometenliteratur während ihrer Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert fast unverändert blieben. Schechner Genuth, Comets (1997). – Kokott, Kometen (1994). – Wolfgang Harms, Michael Schilling, Das illustrierte Flugblatt der Frühen Neuzeit: Traditionen, Wirkungen, Kontexte (Stuttgart 2008). – Be- nigna von Krusenstjern, „Prodigienglaube und Dreißigjähriger Krieg“, in: Im Zeichen der Kri- se: Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts, hrsg. von Hartmut Lehmann und Anne-Charlott Trepp (Göttingen 1999), 53-78. – Michael Kempe, „Von ‚lechzenden Flammen‘, ‚geflügelten Drachen‘ und anderen ‚Luft-Geschichten‘: Zur Neutralisierung der Naturfurcht in populärwissenschaftlichen Druckme- dien der Frühaufklärung“, in: Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Franz Mauelshagen und Benedikt Mauer (Augsburg 2000). – Franz Mauelshagen, „Verbreitung von Wunder- nachrichten als christliche Pflicht: Das Weltbild legitimiert das Medium“, in: Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Franz Mauelshagen und Benedikt Mauer (Augsburg 2000). JM

3.0.1. Vorbote des göttlichen Zorns

Eckhart zum Trübel, Eckhart der trew sagt dir für war, Wie es im M.D.XXXIIII. Jar, Sol ergehen auf erd durch all Stände, Der ewig Gott seyn zorn abwend: Mit auslegung deß Cometen diß Jar gesehen. [s.l., 1534]. 16 S. Philos. 2010

Religiöse Deutungen von Himmelserscheinungen waren im Zeitalter der Reformation vor allem auf protestantischer Seite weit verbreitet. Die Wirren der Zeit hatten die Men- schen für solche Auslegungen empfänglich gemacht. Im Rahmen des vorherrschenden ptolemäisch-geozentrischen Weltbildes wurde eine Kometenerscheinung am sonst un- veränderlichen Himmel als Warnung Gottes ausgelegt, die die Sünder zur Umkehr rufen sollte. Gerichtet waren diese Abhandlungen an alle sozialen Schichten, wo sie auf brei- tes Interesse stießen. Eckart zum Trübels kleine Schrift enthält vier Abbildungen; das Titelbild wiederholt sich im fünften Kapitel. Das Werk umfasst sieben Kapitel, wobei bei der Nummerierung die Zahl 3 ausgelassen wurde. Die meisten Prodigiendrucke sind strukturell ähnlich aufgebaut. Auf ein einleitendes Bibelzitat über Zeichen am Himmel, welche als Warnung und Mahnung an den Men- schen, besonders den, der vom rechten, christlichen Pfad abgekommen ist, gerichtet 32 KOMETEN UND PRODIGIENLITERATUR sind, folgt ein Bericht über die aktuellen Erscheinungen, um die zuvor ausgesprochene Warnung zu untermauern. Die Prodigien enden mit einer Erzählung zurückliegender Himmelereignisse und ihrer historischen Folgen als Beweis für die Glaubwürdigkeit der Prophezeiung.

Der feurige Kelch des Zornes. Das Titelbild zeigt die Hand Gottes, die den feuri- gen Kelch über die Ungläubigen ausschüttet. Darunter ein warnendes Gedicht: „O we O we der großen Not / gewiß isst hie der ewig tod / wir hand nit glaubt des HERREN wort / deß ist CHRISTUS nit unser hort.“ DER FRÜHEN NEUZEIT 33

Im Vorwort wird der gläubige Leser unter Verweis auf das Alte Testament ermahnt, weiterhin fromm zu sein; der Sünder solle Buße tun und zu Gott zurückkehren. Eckhart zum Trübel kritisiert die Astronomen, die die Zeichen des Himmels nicht erkennen, und behauptet recht selbstbewusst, er sei der Erste und Einzige, der sie lesen könne, und dies verpflichte ihn dazu, die Völker zu warnen.

Das Schwert als Wort Christi: Die Abbildung verdeutlicht nochmals die Absicht der Schrift. Der Kelch Gottes bringt denen den Tod, die nicht dem Wort Christi folgen. Das Schwert auf dem Bild steht sinnbildlich für das Wort Christi, der auf Erden kam.

Des Weiteren spricht der Autor sowohl den Kaiser, die Könige und Fürsten als auch die Geistlichen und den Papst an, die, solange sie nach Gottes Gesetzen handeln und herr- schen, in Gottes Gnade stehen. Er prognostiziert ihnen ein gutes Jahr, warnt sie aber gleichzeitig davor, überheblich zu werden, da sonst ganz Europa aus den Fugen gerate. An den scharfen Worten dem Papst gegenüber wird deutlich, dass es sich um einen pro- testantischen Autor handelt. Er schreibt, der Papst und der ganze geistliche Stand sei schlimmer als der Türke, der zu dieser Zeit als Inbegriff des Ungläubigen galt. Nachdem Trübel im vierten Kapitel die Krankheiten als Strafe der Sünde seit Adam anführt, trifft er neben all seinen Warnungen in den letzten drei Kapiteln auch einige Vorhersagen. So kündigt er einen weiteren Komet für das Jahr 1535 an, für den 14. Januar 1535 eine partielle Sonnenfinsternis im Sternbild Wassermann und für den darauf folgenden 25. Januar eine Mondfinsternis im Löwen. Auch für diese Erscheinun- gen seien die Sünden der Menschen verantwortlich: die der Obrigkeit für die Verdunke- lung der Sonne, die der sündigen Menschheit für die des Mondes. Bis auf die zeitlichen Berechnungen für die Sonnen- und Mondfinsternis und die einma- lige Erwähnung der Bedeutung der Schweifrichtung des Kometen werden hier keine astronomischen Erklärungen gegeben. Es handelt sich um eine ausschließlich religiös- moralische Abhandlung. 34 KOMETEN UND PRODIGIENLITERATUR

Über den Autor selbst ist nicht viel bekannt. Er stammte aus einer altpatrizischen Straß- burger Familie, sein Sterbejahr wird auf das Jahr 1540 datiert. Eckhart von Trübel, auch Drübel, Dreubel oder Treybel genannt, war ein volkstümlicher Schriftsteller, der viele Traktate über die Missstände der geistigen und weltlichen Stände schrieb und in der aufkommenden protestantischen Bewegung, der er sich sofort anschloss, eine Genesung der Gesellschaft sah. Der Titel seiner Kometenschrift spielt an auf die seit dem 16. Jahr- hundert sprichwörtliche Gestalt des „getreuen Eckart“, Sinnbild des verlässlichen Hü- ters und Warners. Axel Janeck, Zeichen am Himmel: Flugblätter des 16. Jahrhunderts (Darmstadt 1982). – ADB 38 (1889), 668-669. SiG

3.0.2. „ZornRuthe“

Theodor May, ZornRuthe So der ewige Gott vnd Vater vnsers HERRN vnd Heylandes Jesu Christi, vnter dem Himmel in der Lufft, in gestalt eines Roth Fewrigen Sterns mit einem erschrecklichen langen Schwantz oder Besem Lodernd vnd Brennend er zeiget, so in gleicher gestalt von etzlichen im Augusto in Nordosten, sol gesehen worden sein, so sich auffs newe sub Asterisco Libræ im Octobri, etzlichenmahl erweiset, vnd weiter den 17. vnd 18. Novembris in Osten, nicht weit ab orbitis Mercurij, sub asterisco Scorpij, früe vor der Sonnen Auffgang vmb 4. 5. vnd 6. Vhr gantz schrecklich gesehen worden, zu trewer warnung beschrieben. Magdeburg: Johan Franck, 1619. 31 S. Philos.2034 angeb.22

Die umfangreiche, zuvor 1618 in Magdeburg und Goslar gedruckte Kometenpredigt ist in Aufbau und Argumentationsweise typisch für diese Literaturgattung. Mit Zitaten aus der Bibel, von Luther und Augustinus gespickt und mit dem zeitgenössischen Diskussi- onsstand zur Natur der Kometen durchaus vertraut, nutzt der Autor, ein Pfarrer aus dem Magdeburgischen, den Kometen, um seine Lesergemeinde mit Androhung eines bevor- stehenden göttlichen Strafgerichts zur Umkehr zu bewegen. Die „schreckliche brennende Kertz, Himmelsfackel, Strobelstern“ des Winters 1618 ist für May ein Warnzeichen, mit dem Gott die Menschen, wie ein guter Vater seine Kin- der, vor kommendem Unheil und großen Veränderungen warnt. Wenn aber die Men- schen diese dritte Mahnung innerhalb eines Jahres nicht beachteten, so habe Gott „allezeit sein Schwerdt (welches er dann auch jetzo vns vnnter dem Himmel zeiget) gewetzet, vnd seinen Bogen gespannet, vnd darauff geleget tödtliche Geschöß, ja seine Pfeile habe er zugerichtet, vns zuverderben.“ Man könne daher nur „mit wahrer ernstli- cher Busse dem lieben Himlischen Vater in die Arm fallen, solche Wolverdiente Straf- fen zulindern oder ja, so es sein Göttlicher Wille, gar abzuwenden.“ Auf dieses martialische Kanzelwort hin holt May in gelehrter Manier aus, um Natur und Wirkung der himmlischen Vorzeichen zu beschreiben. Nach Entstehung, Bahn und Form unterscheidet er sieben Sternarten: die Fixsterne, die schon vergangenen Sterne, die Novae, eine seit 1600 sichtbare Nova, die Planeten, die Sternschnuppen und die Kometen, welche er „Strobelsterne“ nennt. Diese liefen im Bereich der Planeten, unter- schieden sich von diesen jedoch durch Coma und Cauda, die wie fliegendes Haar um den Stern herumflattern: daher der Name Strobel- oder Haarstern. In der Folge werden verschiedene Theorien der Gelehrten über ihre Natur vorgestellt: Senecas Auffassung von Kometen als Himmelskörper mit weiter Bahn, Aristoteles’ Erklärung als meteoro- logische Phänomene und Keplers Position, wonach die Kometen im Bereich der Plane- ten aus der himmlischen Äthermaterie entstehen, was May für die plausibelste Ansicht DER FRÜHEN NEUZEIT 35 hält. Doch so unterschiedlich die theoretischen Erklärungen der Gelehrten seien, bestehe doch Einigkeit darüber, dass es sich um Strafzeichen Gottes handele, deren Folgen sich allerdings durchaus naturwissenschaftlich erklären ließen: So gebe es Stürme, wenn der Rauch, der beim Verbrennen des Kometen entstehe, sich in Wind verwandle. Da der Komet der Erde ihren ‚Saft‘ entziehe, seien Dürren, Missernten und Hungersnöte die Folge. Verunreinigung der Luft durch die starken Winde brächten Krankheiten und Pest. Aber auch Erdbeben, Sturmfluten und Überschwemmungen ließen sich so als na- türliche Wirkungen von Kometen erklären. Nach einem eingeschobenen Gebet um Erbarmen und Vergebung wird May konkreter, prognostiziert den möglichen Angriff eines ausländischen Heeres, der Deutschland gro- ßen Schaden zufügen werde, warnt davor, dergleichen als bloßen Aberglauben anzuse- hen, und verweist auf die einschlägigen Experten, allen voran Thomas Hartmanns Cometen Spiegel (Halle 1606), aus dem er die klassische Merkregel zitiert: Es zeigen vns an alle Cometen zwar Sehr viel vnglück, Trübsal, noth und fahr Vnd hat niemahls eines Cometen schein Pflegen ohne böse bedeutung zu sein. Achterley vnglück ins gemein entstehet Wann in der Lufft erscheint ein Comet. 1. Viel Fieber, Kranckheit, Pestilentz und Todt 2. Schwere zeit, mangel vnd groß hungers noth. 3. Grosse hitz, Dürre zeit vnd vnfruchtbarkeit 4. Krieg, Raub, Brandt, Mord, Auffruhr, neid, haß vnd streit. 5. Frost, Kälte, Sturmwinde, Wetter vnd Wassersnoth. 6. Viel hoher leute vntergang vnd Todt. 7. Fewers noth vnd Erdbidem an manchen End. 8. Grosse verenderung der Regiment. Wenn wir aber Busse thun von Hertzen So wendet Gott auch vnglück vnd schmertzen“ [C iijv – C iiij] Zum Schluss wendet sich May noch einmal direkt an seine Lesergemeinde, zählt eine lange Liste von Sünden auf, die den Zorn Gottes bewirken, und schließt mit der Mah- nung „Jederman ist nur auff das zeitliche Gut so sehr vestürtzet, das fast jederman das ewige Gut welches vns Christus erworben hat gantz vnd gar verachtet,“ und einem letz- ten Gebet – nicht ohne zuguterletzt noch für sein neuestes Werk zu werben: Histori- scher Bericht Von dem Cometen, was bey Zeiten Lutheri, unserm Teutschen Propheten, so im Jahr Christi 1483. gebohren, und seithero binen 100 Jahren auß derselben Er- scheinung für Unheil in der Welt entstanden und wessen man sich nach der Lehr der alten Naturkündiger auch dismahl wegen des jetzigen Cometen schnellen Lauf zu be- sorgen habe (Magdeburg: Francke, 1619). Theodor May (fl. 1605–1623) war Diakon in Wolmirstedt bei Magdeburg, später Pastor in Ebendorf und Ampfurth bei Oschersleben. Kometenschriften hatte er bereits 1605, 1607 und 1612 in Druck gegeben; ferner veröffentlichte er 1610 ein Urin Büchlin, 1612 eine Auswahlübersetzung aus römischen Schriftstellern zum Wein- und Ackerbau sowie 1623 ein Ruhr Tractätlin. AW 36 KOMETEN UND PRODIGIENLITERATUR

Illustriertes Flugblatt Wunderbare Wieder-Erscheinung eines Neu-geschwantzten COMETENS aus dem Jahr 1665. DER FRÜHEN NEUZEIT 37

3.0.3. „am Himmel gesetzet und geordnet“

Wunderbare Wieder-Erscheinung eines Neu-geschwantzten COMETENS oder ungewöhnlichen Sterns, welcher den 26. 27. 28. 29. Martii A. Kalenders 1665 Im Zeichen des Wassermanns in Nürnberg gesehen worden, da der vorige im Widder, den 25. 26. Jenner, und folgends sein Ende genommen. Nürnberg: 1665. [1] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.9

Schon der Titel des 1665 in Nürnberg gedruckten illustrierten Flugblattes lässt auf eine übernatürliche Erscheinung schließen. Im Text wird davon berichtet, dass Gott die Ko- meten „also am Himmel gesetzet und geordnet“ habe und dass sie immer dann erschei- nen und als Warnung an die Menschen dienen, wenn Gott „was sonderliches vorhat, oder die Menschen um ihrer Sünden willen straffen will“. Gott habe schon vor der Schöpfung der Welt gewusst, dass die Menschen sündigen werden, und so habe er in weiser Voraussicht die Kometen gleich mit erschaffen, um eine Verbindung zur Erde aufnehmen zu können. Im weiteren Verlauf des Textes werden historische Kometenerscheinungen angeführt, die tatsächlich schwerwiegende Veränderungen nach sich gezogen hätten, so zum Bei- spiel der Komet von 1618, der zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges erschien. Zum Schluss ist davon die Rede, dass die Sternkundigen dazu auserwählt seien, den Laien die Zeichen Gottes zu interpretieren und zu erklären, um eine Strafe des Herrn zu ver- hindern. Die Wunderbare Wieder-Erscheinung weist alle Charakteristika auf, die allgemein die- ser Art von ‚Nachrichten‘ in der Frühen Neuzeit zugesprochen werden können. Für den Historiker besitzen solche kleinen Schriften großen Wert, da sie einen lebendigen Ein- blick in die Befindlichkeit der Menschen in diesen Jahrhunderten gewähren. Sie be- schreiben indirekt die Art und Weise, wie die Bevölkerung jener Ära die Welt deutete und erklärte. Natürlich spielen hier religiöse Vorstellungen, etwa in Bezug auf die Er- schaffung der Erde, eine große Rolle. Daneben machen solche Schriften auch deutlich, auf welche Weise damals versucht wurde, von religiöser oder politischer Seite her die Menschen in ihren Meinungen und Gedanken zu beeinflussen, um sie für bestimmte Ansichten und Anschauungen der übergeordneten Instanzen zu gewinnen. JM

4. DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618 1618 erschienen drei ungewöhnlich helle Kometen am Himmel. Der erste (C/1618 Q1) war von August bis September sichtbar, der zweite (C/1618 V1) von November bis An- fang Dezember, und der dritte (C/1618 W1) von Ende November 1618 bis in den Januar 1619. Letzterer war besonders eindrucksvoll; zeitgenössische Beobachter berichteten, dass sein Schweif sich über 60 bis 100 Grad erstreckt habe. Es ist dies auch der erste Komet, der systematisch durch das neun Jahre zuvor in die Astronomie eingeführte Te- leskop untersucht wurde [ 4.1.5.] und um den sich die bekannte Kontroverse zwi- schen Galilei und seinem jesuitischen Widersacher Orazio Grassi entspann. Die drei Kometenerscheinungen fielen in eine in höchstem Maße unruhige und erregte Zeit. Nach einem Jahrhundert der erbittertesten konfessionellen Auseinandersetzungen stand Mitteleuropa am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Noch hielt die ungeheuere Aufregung an, welche die Flugschriften der Rosenkreuzer ausgelöst hatten und in denen nicht weniger als eine Allgemeine und General Reformation der gantzen weiten Welt – so der Titel der 1614 in Kassel anonym erschienenen Fama fraternitatis – verhießen war. Nicht nur religiöse Schwärmer sahen sich bereits an der Schwelle zum Anbruch jener biblischen tausend Jahre, die der Wiederkunft Christi und dem Jüngsten Gericht vorausgehen sollten; auch von den Gelehrten und Naturforschern der Zeit dürfte selten ein neues Saeculum mit so hohen Erwartungen begrüßt worden sein. Zwar war der an Kollegien und Universitäten vorherrschende Aristotelismus in die Kritik geraten und die frühneuzeitliche Naturkunde noch ein heterogenes Konglomerat widerstreitender Sichtweisen und Traditionen; doch aus der Erfahrung des politischen, sozialen, intellek- tuellen und religiösen Umbruchs erwuchs bei vielen die Hoffnung, dass mit einer neuen Wissenschaft von der Natur, deren erste Elemente man bereits besaß, auch ein neues Zeitalter anbrechen werde. Niemand hat dies so prägnant und wirkungsvoll formuliert wie der englische Lordkanzler Francis Bacon. Sein Programm einer Instauratio magna, einer großen Erneuerung, die er mit dem Novum Organum (London 1620) einleitete, gilt als Fanal des Aufbruchs in eine neue Zeit. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb die Kometen des Jahres 1618 an die 300 Flugschriften und Einblattdrucke her- vorbrachten, in denen uns die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste eines unruhigen und zerrissenen Zeitalters entgegentreten. Seargent, Comets (2009), 110-112. – Gindhart, Kometenjahr (2006). – Richard van Dülmen, Religion und Gesellschaft: Beiträge zu einer Religionsgeschichte der Neuzeit (Frankfurt/Main 1989). CM

4.1. DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION Wissenschaftsgeschichtlich markiert das Jahr 1600 die Wende zur Neuzeit. In London erschien William Gilberts De magnete, das man das erste ‚moderne‘ Experimentalphy- sikbuch genannt hat und das im kosmologischen Teil die Frage nach der physikalischen Erklärung der Planetenbewegung aufwirft. Schon zuvor hatten Tycho Brahes Beobach- tungen der Supernova des Jahres 1572 und des Kometen von 1577 das aristotelische Dogma von der Unveränderlichkeit der Himmel erschüttert. Und nachdem 1604 Johan- DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 39 nes Kepler in Prag eine weitere Supernova entdeckt und 1609/10 Galileo Galilei in Pa- dua durch sein Fernrohr die Erdähnlichkeit des Mondes, die Trabanten des Jupiter und die – mit der ptolemäischen Astronomie im Widerspruch stehenden – Phasen der Venus beobachtet hatte, setzte die große Kontroverse um die kopernikanische Astronomie erst eigentlich ein. Eine Debatte, die im katholischen Europa in Folge der dogmatischen Festlegungen des Konzils von Trient rasch in theologische Konflikte führen sollte, de- ren prominentestes Beispiel der Prozess gegen Galilei ist. Die systematischen Probleme, um die es dabei ging, waren weniger das Verhältnis von religiösem und naturwissen- schaftlichem Wissen, als Fragen nach den methodischen Anforderungen an wissen- schaftliche Beweise und nach dem Recht der Laien, die Heilige Schrift auszulegen. Kepler, der überzeugt war, dass geometrische und zahlenmäßige Strukturen die eigentli- che Tiefenstruktur der Wirklichkeit bilden und daher auch als physikalische Gründe gelten dürfen, vollendete schließlich die Revolution des Kopernikus, indem er mit des- sen metaphysisch fundierter Axiomatik und der Idealität der Kreisbewegung brach. Nichts aber wäre verkehrter, als die Geschichte der frühneuzeitlichen Astronomie als lineare Erfolgsstory von Kopernikus über Brahe, Galilei und Kepler bis hin zu Newton zu erzählen. Selbst unter Fachwissenschaftlern herrschte alles andere als Einhelligkeit. Gerade die Astronomen der Gesellschaft Jesu, die bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts die besten Mathematiker und hervorragende Beobachter besaß, hielten an der prinzipiell hypothetischen Natur aller kosmologischen Modelle fest und bevorzugten deshalb den von Tycho Brahe ins Spiel gebrachten Kompromiss, wonach sich Mond und Sonne um die ruhende Erde, die Planeten aber um die Sonne drehen. Noch heterogener wird das Bild, wenn wir die Sternkunde in höfischen, städtischen und universitären Kontexten vergleichen oder zu popularen Wissenskulturen übergehen, die jeweils spezifische Deu- tungs- und Erklärungsmuster favorisierten. Im Folgenden sollen einige Schriften über die Kometen des Jahres 1618 aus dem Re- gensburger Bestand vorgestellt werden, die die kosmologisch-astronomische Debatte rezipieren und eine deutliche Verbreiterung des Diskurses dokumentieren. Dabei zeigt sich, dass selbst innerhalb traditioneller Ansätze aristotelischer oder astrologischer Prä- gung die überlieferte gelehrte Literatur neu geprüft wird und eine stärkere Auseinander- setzung mit antiken Alternativen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgt. So steht der 1602 erstmals gedruckte Kometentraktat des Frankfurter Professors Abra- ham Rockenbach [ 4.1.1.] noch ganz in der Tradition schulmäßiger aristotelischer Naturphilosophie, erörtert aber auch konkurrierende antike Deutungen, während hinge- gen der Leipziger Mathematikprofessor Philipp Müller in seiner Hypotyposis Cometae [ 4.1.2.] im Jahre 1619 von seinem Respondenten bereits die Parallaxenbestimmung Tycho Brahes diskutieren lässt und die Astronomie zu einer mathematisch-nüchternen Wissenschaft fortentwickeln möchte, die auf der Basis von Beobachtungsdaten den Ge- lehrtenstreit beilegen kann. Eine stärkere Berücksichtigung kontroverser Positionen und eine kritischere Einstellung zur Tradition ist nun selbst in Schriften wie Michael Schöns Kurtzem Bericht [ 4.1.3.] oder David Herlitz’ Kurtzem Discurs [ 4.1.4.] zu spüren, die beide noch ganz der Prodigienliteratur zuzurechnen sind. Für eine eindeutig moder- nere Astronomie stehen hingegen der Jesuit Johann Baptist Cysat, dessen Mathemata astronomica [ 4.1.5.] von eigenen Fernrohrbeobachtungen berichten, an Hand derer sich die Feinstruktur der Kometen untersuchen lasse, und schließlich Johannes Kepler, dessen De cometis libelli tres [ 4.1.6.] für die mathematische Richtung stehen. 40 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Symptomatisch für die Spannweite der Ansätze und Interpretationen ist die Tatsache, dass aus Anlass des Winterkometen von 1618 Rockenbachs ganz scholastischer Tracta- tus novus methodicus zusammen mit der entschieden antiaristotelischen De cometa anni 1618. commentatio physico-mathematica von Philipp Müller 1619 durch den Leipziger Verleger Henning Grosse noch einmal herausgegeben wurde, und zwar in einer unge- wöhnlichen Doppelausgabe, die die Offenheit der frühneuzeitlichen Kometendebatte zeigt: hier die lehrbuchhafte Geschlossenheit der aristotelischen Naturphilosophie und ihrer schulmäßigen Argumentationsweise; dort die ergebnisoffene, auf die Messungen und Berechnungen von Tycho Brahe und Kepler gestützte Vorgehensweise der neuen Astronomie. CM/MR

4.1.1. Naturphilosophische Kometentheorie nach Aristoteles

Abraham Rockenbach, De Cometis, Tractatus Novus Methodicus In Quo Non Tantum Causae Cometa- rum, per methodum simplicis quaestionibus exponuntur, sed etiam effectus eorum, ex probatissimis & antiquissimis veterum Scriptoribus, juxta temporum feriem annotantur: ab anno videlicet diluvii genera- lis, post conditum Mundum, millesimo, sexcentisimo, quinquagesimo sexto, usque ad annum millesimum, sexcentesimum, post navitatem Christi, Salvatoris nostri, jubilaeus dictum. Wittenberg: Grosse, 1602. 238 S. Philos.524/526

In seinem Traktat De Cometis beschreibt Abraham Rockenbach die aristotelische Ko- metentheorie. In 32 Kapiteln, die sich in scholastischer Manier an die Meteorologie des Aristoteles anlehnen, erklärt er ausführlich die Entstehung von Kometen, ihre Materie, Gestalt, Bewegung und viele weitere Eigenschaften bis hin zu ihrer Wirkursache. Der zweite Teil des Werks enthält einen Kometenkatalog von der Sintflut bis zum Jahr 1596. Rockenbach geht im Vorwort kurz auf den Kometen von 1596 ein und beginnt dann mit der aristotelischen Einteilung der Welt. Er erklärt die Unterscheidung in mundus aethe- reus und mundus elementaris mit den Axiomen der aristotelischen Kosmologie und Materielehre: Die Feuerschicht stellt die äußerste Schicht der aus den vier Elementen bestehenden irdischen Region dar; es steigen Ausdünstungen von der Erde auf, und im ätherischen Bereich jenseits des Mondes findet kein Entstehen oder Vergehen statt. Rockenbach unterscheidet dann zwischen drei Arten von Körpern: denjenigen im Äther (corpora coelestia), denjenigen in der Luft (corpora sublimia) und denjenigen im Was- ser und auf dem Land (corpora terrena). Er nennt auch die beiden Kometenarten, die Aristoteles unterscheidet: Die erste entsteht durch Entzündung von Ausdünstungen der Erde, die zweite durch Brechung und Streuung von Licht an diesen Ausdünstungen. Im zweiten Kapitel behandelt Rockenbach die Ausdünstungen ausführlicher, um dann im dritten Kapitel die Natur des Kometen näher zu untersuchen. Er gibt dabei verschie- dene Ansichten wieder: Anaxagoras und Demokrit, die den Kometen als Konjunktion mehrerer Planeten an einem Ort ansahen, Pythagoras, der meinte, der Komet irre umher, bis er von der Sonne angeschienen sichtbar wird, und Peter Apian, der den Kometen als Himmelskörper betrachtete. Die Theorie des Kometen als Konjunktion von Planeten widerlegt er mit dem aristotelischen Argument, dass dann nicht mehrere Kometen gleichzeitig erscheinen könnten. Die pythagoreische Sicht dagegen sieht Rockenbach als wahrscheinlicher an, meint aber, dass sie durch viele Argumente widerlegt werden DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 41 könne. Er nennt aber auch kritische Einwände gegen die Theorie Aristoteles, nämlich dass die Bahn der Kometen anders als die anderer Himmelskörper verläuft, dass sie für die Entzündungstheorie zu lange brennen, und dass der Kometenschweif immer von der Sonne weg zeigt. Dennoch meint er, dass die Ansichten von Aristoteles weiterhin Be- stand haben werden. Sodann gibt Rockenbach eine generelle Definition von Kometen, um schließlich den Kometen von 1596 anhand folgender Kriterien zu beschreiben: seine Teile, sein Ausse- hen, seine materiellen Ursachen, sein Entstehungsgrund, die Zweckursache (Warnung und Zorn Gottes), die physischen Wirkungen (Winde auf der Erde), Größe und Beschaf- fenheit, die verschiedenen Bewegungen (berechenbare und somit vorhersagbare Bewe- gung von Ost nach West) sowie Entstehungsort und -zeitpunkt. Rockenbach beschreibt sehr ausführlich die auf Aristoteles basierenden Eigenschaften des Kometen, wobei er sich wiederholt und die Darstellungsweise nicht immer klar strukturiert ist. Zwar nennt er neuere Astronomen wie Regiomontan oder Apian und erwähnt die Parallaxenbestimmung, hält aber dennoch an der aristotelischen Lehrmei- nung fest. Abraham Rockenbach (gest. 1611) war außerordentlicher Professor für Jurisprudenz, Mathematik und Griechisch an der Universität Frankfurt/Oder. Eine weitere von ihm verfasste Schrift erschien 1601 unter dem Titel Tractatus novus et utilis de Sole publice expositus in Collegio Francofordiano anno 1598, 1607 folgte ein Prognosticon astrolo- gicum de cometa. DBA I, 1045, 142-143. – Gindhart, Kometenjahr (2006), 222-243. – Zinner, Geschichte (1964). – Lynn Thorndike, A History of Magic and Experimental Science, Bd 7 (New York 1958), 132. MR

4.1.2. Nüchterne Astronomie

Philipp Müller, Johannis Praetorius (resp.), Hypotyposis Cometae Nuperrime Visi, una cum brevi repeti- tione doctrinae cometicae. Ex recentiorum fundamentis stabiliendae veritas ergo. Leipzig: Grosius, 1619. 57 S. Fürstliche Bibliothek Thurn und Taxis, Häb. 4(18

In seinem Werk Hypotyposis Cometae wendet sich Philipp Müller von den Lehren des Aristoteles ab und will stattdessen die Lehre zeitgenössischer Gelehrter vermitteln. Er teilt dabei seinen Text in insgesamt 219 Thesen ein, die zumeist nur aus wenigen Sätzen bestehen. Darin untersucht er, was Kometen ausmacht, wie ihr Lauf ist und weitere Ei- genschaften wie Größe, Länge und Ort. Er geht auf die Beobachtung von Kometen ein und beschäftigt sich mit antiken Autoren wie Aristoteles, Pythagoras, Demokrit, Seneca und Anaxagoras. Er führt aber auch die Beobachtungen von Tycho Brahe und Michael Maestlin an, die festgestellt hatten, dass Kometen eine kleinere Parallaxe als der Mond haben, sowie Regiomontan und Johannes Vögelin, die anhand der Kometen von 1475 und 1532 die Äthertheorie verteidigt hatten. Der Autor erwartet in Zukunft noch exakte- re Parallaxenbestimmungen, mit denen der erbitterte Streit zwischen den Anhängern verschiedener Theorien beigelegt werden kann, und hebt hervor, dass endlich in den Schulen eine „nüchterne Astronomie“ gelehrt werden müsse, die solche Berechnungen durchführt. 42 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Außer diesem Werk verfasste Müller noch De orbibus problema physica, Problema astronomico-geographicum de aequalitate et inaequalitate dievum artificialum et nocti- um, einen weiteren Tractatus de cometis (...) (der in einem Doppeldruck mit Abraham Rockenbachs De Cometis (...) (s.o.) erschien), Examen quaestionum duarum (...) und De cometis secularibus Politiae Coelestis (...). Philipp Müller (1585–1659) war von 1614–1616 zunächst Professor der Physik, danach über 40 Jahre Mathematikprofessor an der Universität Leipzig. Während des Dreißig- jährigen Krieges bekleidete er wichtige Universitätsämter. Mit Kepler korrespondierte er über die Verwendung der damals neuartigen Logarithmen für trigonometrische Be- rechnungen, und zu seinen Schülern gehörte der spätere Jenaer Astronomieprofessor Erhard Weigel [ 6.2.1.]. Gindhardt, Kometenjahr (2006), 222-243. – Zinner, Geschichte (1964). – Detlef Döring, Die Beziehungen zwischen Johannes Kepler und dem Leipziger Mathematikprofessor Philipp Müller (Berlin 1986). – Er- leuchtung der Welt: Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften, hrsg. von Detlef Döring u.a. (Dresden 2009), 230. MR

4.1.3. „Philosophi celebri“ vs. „Astronomi exacti“

Michael Schön, Kurtzer Bericht Von Cometen, Was eigentlich ihre Natur und Bedeutung sey: Uff den jetzigen Anno 1618. im Novembri und Decembri erschienen, mit wenigen appliciert und gezogen. Ko- burg: Bertsch, 1619. [10] Bll. Philos.2034 angeb.2

Der Coburger Stadtphysicus Michael Schön versucht in seinem Kurtzen Bericht den Kometen von 1618/19 zu deuten. Dazu führt er zunächst die aristotelische Lehre über die Natur von Kometen an und stellt diese der Theorie von Astronomen wie Kepler und Brahe gegenüber. Er schließt sich der neueren Theorie an und unterstreicht die Bedeu- tung des Kometen als göttliches Zeichen. Abschließend untersucht er, was der aktuelle Komet vorhersagen soll. Der Text ist dabei sehr klar nach Theorie (erstes Kapitel) und Praxis (zweites Kapitel) gegliedert und folgt einem logischen Aufbau. Biblische Zitate unterstützen die Aussagen. Schön beginnt nach einer Widmung an die Herzöge von Sachsen Johann Casimir und Johann Ernst, indem er die Motive seiner Schrift erläutert. Er nennt dabei sein Interesse an Mathematik und Astronomie, aber auch seinen Wunsch, Gottes Werk und seine Wunder besser erkennen zu können. Denn die Geschichte habe gezeigt, dass Kometen als Zorn- und Warnzeichen Gottes anzusehen seien. Deshalb wolle er die 1618 erschie- nenen Kometen untersuchen, ihre Eigenschaften analysieren und daraus erkennen, war- um Gott sie erschaffen habe und was sie bedeuteten. Im ersten Teil erklärt Schön, dass es zwei Meinungen über Kometen gibt: zum einen die der Philosophi celebri, die sich der aristotelischen Lehre anschließen, und zum anderen die der Astronomi exacti. Die Philosophi sehen die Kometen nicht als Sterne an, son- dern als ignita meteora, die sich in der obersten Luftschicht unterhalb des Mondes be- finden. Sie entstehen dabei aus „trockenen, fetten, zusammengepackten Dünsten“, welche durch die Planeten entzündet werden, und hängen als einzige Wirkung mit Win- den auf der Erde zusammen. Die Astronomi (darunter Kepler und Brahe) dagegen sehen Kometen als Himmelskörper im Äther jenseits der Mondsphäre an. Manche der Philo- DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 43 sophen haben sich zwar der Äthertheorie angeschlossen, glauben aber weiterhin, dass irdische Ausdünstungen die Ursache für die Entstehung sind. Schön unterstützt die Meinung der Astronomi mit der Begründung, dass die Astronomie die zuständige Lehre auf diesem Gebiet sei und die Untersuchung des Himmels nicht nur logisch, sondern auch durch Instrumente und Beobachtungen erfolgen solle: „Als glaubt und folgt man ihrer Lehre, als derselben rechtmesstgen Artificibus vor jenen bil- lig“. Gott habe die Astronomi „erweckt“, damit sie nun Beobachtungen durchführten, auf Grund derer sich auch die Bewegung der Kometen nachvollziehen lasse. Nun grenzt Schön die Eigenschaften der Kometen von anderen „Wundersternen“ ab, die keinen Schweif haben und wie Fixsterne aussehen, aber größer als Jupiter und Venus erscheinen. Die Wundersterne oder Novae stehen seiner Auffassung nach unterhalb der Fixsterne, die Kometen hingegen im Bereich der Planeten, da ihre Parallaxen kleiner sind als die des Mondes, aber größer als die der Fixsterne. Die Bewegung der Wunder- sterne ist langsam, ähnlich derjenigen der Fixsterne; die der Kometen ist schneller und führt in drei Richtungen: von Ost nach West mit dem Primum mobile, der äußersten Himmelsschale, von West nach Ost und zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche in Richtung der Himmelspole. Als Endursache der Wundersterne sieht er ihre Bedeutung als Gna- denzeichen an, während die Kometen Zorn- und Warnzeichen für Böses, Unglücksfälle, Krieg, Tod etc. darstellen. Beide Himmelserscheinungen wurden laut Schön bei der Schöpfung miterschaffen und haben dabei ihre Stellung und ihren Lauf zugeordnet be- kommen. Er erklärt, dass sich die Kometen schneller bewegen, wenn sie der Erde näher kommen, und dass ihr Schein nicht von den Strahlen der Sonne oder den Planeten er- zeugt wird, sondern dass Gott Kometen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt sichtbar macht. Daher sollen sie als Zeichen (nicht als Ursache) beachtet und untersucht werden. Mit dem Kometen auftretende Erscheinungen wie Erdbeben sind nach Schön keine Wirkungen des Kometen, sondern zusätzliche Zeichen des göttlichen Zorns: „Denn es sollen Zeichen geschehen am Himmel, Wasser, Erden, Menschen.“ (Luk 21). Im zweiten Teil seines Werkes untersucht Schön den Winterkometen von 1618/19, wo- bei in der vorliegenden Ausgabe Seiten fehlen. Er betrachtet dabei den Lauf des Kome- ten durch verschiedene Sternbilder und ordnet ihm so Vorhersagen zu. Sehr sachlich beschreibt er den Gang durch den Skorpion (deutet auf Krieg und Blutvergießen hin), durch die Waage (Veränderung von Regierungen, Streit um Religion), durch die Jung- frau (Aufstände, neue Praktiken), den Schlangenträger (Lebensgefahr für vornehme Frauen), Bootes (Verstärkung des Vorherigen) und den Großen Bären (offener Krieg). Dass sich der Komet dabei schnell bewegt, heiße, dass seine Wirkung schnell eintreten, aber auch rasch wieder enden werde. Die Abhandlung Michael Schöns ist für den Leser gut nachzuvollziehen. Allerdings geht er dabei nur kurz auf die gängigen Kometentheorien ein, er erwähnt fast nur den kritischen Punkt, nämlich die Stellung der Kometen im Vergleich mit anderen Him- melskörpern. Die Begründung seiner eigenen Überzeugung mutet sonderbar an, da er nicht die Parallaxenbestimmungen zur Verwerfung der aristotelischen Theorie heran- zieht, sondern lediglich die Astronomie als „zuständige“ Lehre ansieht und sich daher der Ansicht zeitgenössischer Astronomen anschließt. Nicht klar wird dann, inwieweit dies seine Untersuchung der Kometen von 1618 beeinflusst. Seine Betrachtung des Kometen ist primär astrologischer Natur und hätte auch ohne die vorherigen Überle- gungen stattfinden können. 44 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Das Titelblatt der Schrift weist Michael Schön als Stadtphysicus von Coburg aus; mehr war über die Person des Autors nicht zu ermitteln. MR

4.1.4. Aristoteles auf schwachem Fuß

David Herlitz, Kurtzer Discurs Vom Cometen und dreyen Sonnen, so am ende des 1618. Jahres erschie- nen sind, wie auch von der künfftigen Conjunktion oder Zusammenkunfft aller Planeten im Krebß, Anno 1622. Und sonderlich hernach im Lewen, Anno 1623. Darauff böse trawrige und schreckliche Enderun- gen und Verwirrungen erfolgen werden. Alten Stettin: Rhetische Druckerey, 1619. 32 S. Philos.2041/2046 / Caps.80(1

In seinem Kurtzen Discurs betrachtet David Herlitz [Herlicius] den Kometen von 1618 und seine Bedeutung für die Menschheit. Dazu untersucht er verschiedene Theorien über die Entstehung von Kometen, deren astrologische und theologische Bedeutung sowie die Wirkungen, die ein Komet verursachen kann. Dabei geht er sehr gewissenhaft vor, indem er Meinungen verschiedener Autoren zitiert und auch das jeweilige Werk und die Textstelle präzise angibt. Zum Teil kommentiert er diese Passagen auch. Der Text ist in Unterkapitel gegliedert, die einem logischen Aufbau folgen, wobei sich der Autor gelegentlich wiederholt. Das Werk beginnt mit einer Widmung an den Herzog zu Stettin in Pommern, an den Herlitz zunächst einen einleitenden Brief richtet. In diesem zitiert er die Irrfahrt des Odysseus als Sinnbild für den Zorn Gottes über die Heiden. Er leitet über zum aktuellen Kometen von 1618, der ein Warnzeichen darstellen soll: „Also hat der liebe Herre Gott ... ein öffentlich Patent an den Himmel geheftet, nemblich den ungeheuren Cometen.“ Um die Welt zu ermahnen, habe er die vorliegende Arbeit veröffentlicht. Im ersten Kapitel prangert Herlitz den Zustand der Welt an, in der er einen Verfall der Sitten beobachtet, die „reine Religion“ nur in wenigen Regionen erhalten geblieben sei und Krieg herrsche. Er nimmt an, dass das Jüngste Gericht bald vor der Tür stehe, aber da Gott nicht wolle, das menschliche Geschlecht untergehen zu lassen, schaffe er Wun- derzeichen wie den Kometen, der als brennende Fackel die Menschen an die Strafen erinnern solle. Im folgenden Kapitel untersucht Herlitz den genauen Erscheinungszeit- punkt des Kometen, den er allerdings nicht genau bestimmen kann. Er bemüht sich aber, alle bekannten Beobachtungen verschiedener Astronomen aufzuzählen und auszuwer- ten. Im dritten Kapitel nennt Herlitz die verschiedenen Theorien über die Ursachen von Kometen. Er beginnt mit Aristoteles, der von einer verborgenen Hitze in der Erde aus- geht, welche heiße Dünste aufsteigen lässt, die von Sonnen- und Planetenstrahlen und dem Element des Feuers angezündet werden und so einen Kometen bilden. Im Jahr 1618 seien dazu die Bedingungen gegeben gewesen, und entsprechende Planetenkon- stellationen sowie ein warmer und grüner Herbst könnten die Entstehung eines Kometen begünstigt haben. Allerdings kritisiert er, dass unter solchen Voraussetzungen keines- falls immer Kometen entstünden, weshalb „etliche tieffsinnige geklärte Männer, andere gedancken geschöpfet.“ Er fährt daher fort mit der Darlegung weiterer Theorien, nach denen der Komet keine natürliche Ursache habe, sondern bei der Schöpfung miterschaf- fen worden sei und nur gelegentlich von Gott sichtbar gemacht werde, um eine War- nung auszudrücken. Als Gewährsleute nennt er unter anderem die chaldäischen DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 45

Astronomen, Franciscus Vallesius, Tycho Brahe und Bartholomäus Keckermann. Ein langes wörtliches Zitat von David Fabricius belegt, dass nach dem an der Stelle eines verschwundenen Sterns – vermutlich der Supernova von 1572 – eine „dunckle Grube“ sichtbar gewesen wäre, was auf göttliche Einwirkung hindeute. Fabricius folgend geht es danach um die vollkommene Bewegung des Kometen und um die Frage, wozu diese diene, wenn der Komet doch nur kurz sichtbar ist. Eine mögliche Kreisbewegung des Kometen könnte darauf hindeuten, dass ein und derselbe Komet an mehreren Stellen nach längeren Zeitintervallen gesehen werden könnte; dazu seien aber noch genauere Beobachtungen nötig.

Der Titelholzschnitt zu Herlitz’ Kurtzem Discurs zeigt unter dem Zeichen des Ko- meten die auf der Erdkugel stehende Figur der Europa von Angreifern bedrängt: dem geharnischten Mars (Krieg) mit Brandfackel und Schwert, dem auf Europa zielenden Schützen (Sternbild) und dem seine eigenen Kinder fressenden Saturn, der ikonographisch für Unglück, Krankheit und Melancholie steht.

Herlitz sieht diese Meinungen nicht als neu an, sondern als bereits durch Seneca und die Stoiker vertreten. Er folgert, dass der Komet ein himmlischer Körper ist, der im Äther von Planeten und Sonne angezündet wird. Dies haben seiner Ansicht nach Astronomen wie Regiomontan, Michael Maestlin, Tycho Brahe oder Johannes Kepler mit ihren In- strumenten bereits bewiesen. Herlitz schließt daher, „das des Aristoteles Meynung, von der Cometarum generatione, sehr vacilliere oder wancke, und auf einen schwachen Fu- ße stehe.“ Eine weitere Ansicht zur Entstehung von Kometen ist nach Herlitz die theo- logische, nach der der größte Dampf, der aufsteigt, die Sünde sei. Dies belegt er durch 46 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Bibelzitate. Unkommentiert lässt er dagegen eine Meinungsverschiedenheit zwischen Peter Apian und Tycho Brahe: Ersterer wolle anhand von fünf Kometen beobachtet ha- ben, dass der Kometenschweif durch Sonnenstrahlen entsteht, während letzterer meinte, der Schweif werde von der Venus erleuchtet. Im vierten Kapitel untersucht Herlitz die astrologischen Wirkungen des Kometen. Dabei sei entscheidend, durch welche Tierkreiszeichen der Komet läuft, wie seine Position zur Sonne ist, und wie seine Form, Gestalt, Farbe und Beweglichkeit charakterisiert werden können. Zu jedem einzelnen Punkt zitiert er zunächst einen Autor und wendet dann die Theorie auf den aktuellen Kometen an, der danach unter anderem Pest, Sturmwinde, Kriege, Aufruhr, Unfruchtbarkeit und Tod von Potentaten vorhersagen soll. Später ver- sucht er, diese Wirkungen auf natürliche Ursachen zurückzuführen, wobei durch die verbrannte Asche der Kometen Sturmwinde und Dürre entstehen, durch warme und neblige Dämpfe des Kometen aber die Pest. Unnatürliche Wirkungen dagegen sind die politischen Folgen wie Krieg und Regierungsänderungen, oder auch theologische Fol- gen wie Religionsspaltung und die Entstehung von Sekten. Schließlich wiederholt Herlitz, dass der Komet ein Zeichen Gottes sei, als Drohung für alle, die nicht büßen, und erklärt, dass der Jüngste Tag nicht fern sei. Über Stargard sol- len zusätzlich drei Sonnen gesehen worden sein, die ebenfalls Zornzeichen darstellten. Herlitz schließt mit einem Gedicht über die Schlechtigkeit der Welt und wendet sich zuletzt mit einem Gebet an Gott. David Herlitz (1557–1636) wurde in Zeitz geboren und studierte Philosophie und Medi- zin in Wittenberg, Leipzig und Rostock. 1580 wurde er Konrektor der Schule in Gü- strow, 1582 Stadtphysicus in Prenzlau und 1583 in Anklam. 1585 ging er als Professor für Mathematik nach Greifswald und war anschließend als Stadtphysicus im pommer- schen Stargard und in Lübeck tätig. Herlitz veröffentlichte astrologische und medizini- sche Schriften sowie Werke über Ethik und Poetik; ferner Kalender und astrologische Prognostiken, aber auch Schriften über die Oberfläche des Mondes, die Beobachtung von Sonnenfinsternissen und über den Kometen des Jahres 1607. Walter Killy, Rudolph Vierhaus (Hrsgg.), Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd 4 (München 1996), 618. – Zinner, Geschichte (1964). – Haude, Zorn (2008). MR

4.1.5. „ein neues und einzigartiges Phänomen“

Johann Baptist Cysat, Mathemata astronomica de loco, motv, magnitvdine, et cavsis cometæ, qui svb finem anni 1618. et initivm anni 1619. in coelo fvlsit: Ex aßiduis legitimisque variorum phænomenorum obseruationibus deriuata avctore Io. Baptista Cysato Societatis Iesv Ingolstadii Mathematicæ Professore ordinario publiceqve proposita et demonstrata ab ervdito ivvene Volperto Mozelio Mathematicæ et Phy- sicæ studioso anno 1619. die ... decembris. Ingolstadt: Eder, 1619. [8] + 80 + [4] S. Philos.1645

Die umfangreiche Abhandlung über den Winterkometen des Jahres 1618 gilt als frühe- ster schriftlicher Beleg für eine Verwendung des Fernrohrs bei der Kometenbeobach- tung. Als Disputationsdruck vom Respondenten dem Eichstädter Bischof und Kanzler der Jesuitenuniversität Ingolstadt gewidmet, gehört die Schrift in den Kontext akademi- scher Lehre und Forschung. Doch an die Stelle der antiken Autoritäten treten nun Auto- ren wie Peter Apian, Michael Maestlin, Wilhelm IV. von Hessen und vor allem Tycho Brahe; und an Stelle der aristotelischen Prinzipien finden wir quantitativ-empirische DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 47 observationes als principia demonstrationis. Der Text ist didaktisch streng aufgebaut; er geht aus von Beobachtungen, formuliert diese in geometrisch zu behandelnde proble- mata um und leitet daraus kosmologisch-physikalische Schlussfolgerungen her.

Tychonisches System nach Cysat (1619), S. 57: Um die stationäre Erde (A) kreisen Mond (B) und Sonne (C), um diese Planeten und Kometen, wobei der Winterkomet des Jahres 1618 die Sphäre des Mondes berührt. Direkt um die Sonne die Bahn der Sonnenflecken, die Cysat, der Deutung Scheiners folgend, für Kleinplaneten hielt, die die Sonne in geringem Abstand umkreisen; unten die Bahn des Jupiter (D) mit den vier 1610 von Galilei entdeckten Monden und darunter Saturn (E), dessen Ring Cysat als zwei Trabanten deutet.

Den Anfang machen detaillierte Kometenbeobachtungen, die Cysat zwischen dem 1. Dezember 1618 und dem 22. Januar 1619 in Ingolstadt angestellt hat. Mit den Daten anderer Beobachter – darunter denen Johannes Keplers – verglichen, werden daraus trigonometrisch Position und Bahn bestimmt. Das besonders ausführliche dritte Kapitel gilt dem Nachweis, dass Kometen sich weit jenseits der Mondbahn befinden, um die Sonne kreisen und dabei auch die vorgeblich festen Sphären durchkreuzen. Sorgfältig 48 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618 werden auch Richtung und Ausdehnung des Schweifs vermessen, um daraus die wahre Größe des Kometen zu berechnen.

Feinstruktur des Kometenkopfes nach Cysat (1619), S. 74: Bei Annäherung des Kometen unterschied Cysat Kern und Koma des Kopfes sowie sich verändernde Feinstrukturen, die er als Himmelskörper 5. und 6. Größenordnung interpretierte, welche das Sonnenlicht reflektieren und deren hellste den Jupitermonden entspre- chen.

Besonders bemerkenswert ist das mit „novum et singulare capitis cometae phaenome- non“ überschriebene sechste Kapitel. Mit Hilfe eines 6 und eines 9–10 Fuß langen Fern- rohrs hatte Cysat nämlich einen Monat lang den Kopf des Kometen sorgfältig beobachtet und dabei nicht nur Kern und Koma unterschieden, sondern auch veränderli- che Feinstrukturen gesehen. Er verglich seinen Befund mit den Fernrohrbeobachtungen DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 49 anderer stellae nebulosae, wie man sie aus dem Sternbild der Andromeda, des Orion und des Krebs kannte und die Cysat als Sternhaufen deutete. Dieser Vergleich hat Me- thode; denn mit dem Verweis auf bekannte Objekte verliert die „neue und einzigartige Erscheinung“ ihren Ausnahmecharakter, die singuläre Kometenerscheinung wird einge- reiht in die Reihe permanenter und vertrauter Himmelskörper. Das Schlusskapitel entwickelt daraus die These, dass es sich bei den Kometen um eine mehr oder minder stabile Zusammenballung vieler kleiner Himmelskörper handele, die nicht selbst leuchten, sondern das Sonnenlicht streuen, woraus durch Reflexion und Brechung der Schweif entstehe. Ihre Materie verglich Cysat mit der Materie der Son- nenflecken. In einem von der nüchtern-schulmäßigen Abhandlung bewusst abgesetzten, kurzen Schlussabsatz wird die Annahme zurückgewiesen, dass Kometen Unglücksboten oder göttliche Zeichen seien. Die Druckerlaubnis des theologischen und des philosophi- schen Dekans der Universität Ingolstadt stellt ausdrücklich fest, dass die Schrift weder dem Glauben noch den guten Sitten zuwiderlaufe und noch nie etwas dermaßen Veröf- fentlichenswertes über Kometen publiziert worden sei. Da Cysat von stellae nebulosae und einer congeries stellarum im Orion spricht, hat man ihn gelegentlich als den Entdecker des gasförmigen Orionnebels angesehen; tatsächlich aber dürfte er bloß Sternhaufen gesehen haben. Bei den von ihm erwähnten Saturnmon- den handelt es sich um eine Fehldeutung des damals optisch noch nicht aufgelösten Sa- turnringes. Der in Luzern geborene Jesuit Johann Baptist Cysat (1586–1657) hatte in Ingolstadt studiert und dort im März 1611 gemeinsam mit dem bedeutenden Astronomen Chris- toph Scheiner als einer der ersten die Sonnenflecken beobachtet, worüber ein heftiger Prioritätsstreit mit Galilei entbrannt war. Von 1618 bis 1622 bekleidete Cysat als Nach- folger Scheiners die Professur für Mathematik und Hebräisch in Ingolstadt und veröf- fentlichte die Mathemata astronomica, sein einziges, jedoch breit rezipiertes Werk. Nach Ablegung der Ordensgelübde wurde er 1623 als Rektor an das Jesuitenkolleg in Luzern versetzt, in Folge von Konflikten aber 1627 nach Madrid entsandt und von dort 1630 nach Amberg, um ein neues Kollegiengebäude zu errichten. Schon im darauffol- genden Jahr wurde er Leiter des Jesuitenkollegiums und Kirchenbaumeister in Inns- bruck, wo er seine astronomischen Beobachtungen fortsetzen konnte. 1646 ging er in gleicher Funktion nach Eichstätt und kehrte 1650 schließlich wieder in seine Heimat- stadt Luzern zurück. Häufige Versetzungen waren durchaus üblich bei den Professoren der Gesellschaft Jesu. Seine letzten Lebensjahre soll Cysat der Abfassung eines kosmo- graphischen Werks gewidmet haben, das, auf mathematischen Grundsätzen fußend, die Providenz Gottes aufzeigen sollte, doch offenbar nie erschienen ist. Ein Ölbildnis Cysats wurde nach 1732 zusammen mit den Portraits der Jesuitengelehr- ten Christoph Clavius, und Athanasius Kircher im Sammlungssaal des Ingolstädter Jesuitenkollegs aufgehängt und befindet sich heute im Besitz des städti- schen Museums. Julius Oswald, „Johann Baptist Cysat: Astronom und Mathematiker von europäischem Format“, Sammel- blatt des Historischen Vereins Ingolstadt 110 (2001), 149-162; Rita Haub, „Christoph Scheiner – Die Zeitgenossen“, ebd. 109 (2000), 73-88. – Harald Siebert, „Ein erster Anstoß zur tychonischen Stellar- astronomie: Die ‚Mathemata astronomica‘ des Johann Baptist Cysat SJ, 1587–1657“, in: ders., Die große kosmologische Kontroverse: Rekonstruktionsversuche anhand des Itinerarium exstaticum von Athanasius Kircher SJ, 1602–1680 (Stuttgart 2006), 316-325. – Gindhart, Kometenjahr (2006), 263-264. CM 50 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

4.1.6. neu und paradox

Johannes Kepler, De cometis libelli tres. I. Astronomicus, Theoremata continens de motu Cometarum ... nova et παράδοξος. II. Physicus, continens Physiologiam Cometarum novam et παράδοξον. III. Astrologi- cus, de significationibus Cometarum Annorum 1607. et 1618. Augsburg: Sebastian Mylius, 1619. [8] + 1- 98 + [6] + [99-110] + [4] + 110-138 S., 5 Taf., mit sep. Titelbl. Museen der Stadt Regensburg: Keplermuseum

Als Tycho Brahe und Michael Maestlin durch Bestimmung der täglichen Parallaxen des Kometen von 1577 zweifelsfrei nachweisen konnten, dass es sich um einen Himmels- körper jenseits der Mondsphäre handeln müsse, war damit zugleich das Problem der Bestimmung seiner tatsächlichen Bahn aufgeworfen. Bei Keplers lateinischer Kometen- schrift handelt es sich um den ersten Versuch in der Geschichte der Kometenforschung, die wahre Bahn eines Kometen im Sonnensystem aus den wenigen verfügbaren Beob- achtungsdaten zu berechnen. Den Hauptteil der Schrift hatte Kepler bereits anlässlich des Kometen von 1607 in Prag verfasst, doch erst die Kometen des Jahres 1618, deren Daten nachgetragen sind, machte die Drucklegung möglich. Kometen waren für Kepler Objekte, die entstehen und vergehen und denen deshalb nicht die ewige Kreisbewegung der Gestirne zukommen könne, wie Tycho und Maestlin postuliert hatten, sondern nur die geradlinige Bewegungsform mit Anfang und Ende. Das ist noch gut aristotelisch gedacht. Völlig neu hingegen ist Keplers Verfahren, auf der Grundlage des kopernikanischen Systems Entfernung und Bahnform des Kometen zu berechnen. Sein Vorgehen ist phänomenologisch; aus der scheinbaren Bewegung erschließt er geometrisch die wahre Bewegung. Der in Keplers Astronomia nova von 1609 so revolutionäre physikalische Ansatz fehlt hier noch ganz. Der zweite Teil, im Titel als „neu und aller Lehrmeinung zuwiderlaufend“ (novus et παράδοξος) bezeichnet, entwickelt Keplers Ansichten von der stofflichen Beschaffen- heit des Kometen. Er sah sie als Verdichtungen von Himmelsmaterie an, gewisserma- ßen Ausscheidungen des ansonsten reinen Himmelsäthers, die dann auch verändernd auf die irdische Atmosphäre einwirken können. Eigenes Feuer besitzen Kometen für Kepler nicht, vielmehr empfangen sie ihr Licht von der Sonne, deren Strahlen auch Ma- terie aus dem halbdurchlässigen Kern des Kometen austreiben und so den Schweif bil- den, der folglich auf der sonnenabgewandten Seite zu sehen ist. Im dritten Teil der Schrift schließlich liefert Kepler allgemeine, theologisch untermauerte Deutungsregeln für Kometenerscheinungen, lehnt aber alle spezifischen Vorhersagen ab. Das Exemplar mit dem (seitlich beschnittenen) Besitzvermerk Sum Jacobi Con[ ] / Med[icinae] D[octor] collectus A. 16[ ] kam vermutlich erst bei Einrichtung des Kep- lermuseums nach Regensburg. Johannes Kepler (1571–1630) hat in Tübingen studiert und wurde 1594 Mathematiker der Landstände in Graz. 1596 gab er sein Erstlingswerk Mysterium Cosmographicum heraus, in dem er mit einem geometrischen Modell die Richtigkeit des Kopernikani- schen Weltbildes und die Anordnung der Planeten beweisen wollte. 1601 wurde er Nachfolger von Tycho Brahe als kaiserlicher Mathematiker in Prag, wechselte nach dem Tod Rudolfs II. 1612 an die Landschaftsschule in Linz und hielt sich danach mehr- fach in Regensburg auf. Auf Grundlage der exakten Beobachtungsdaten Tychos be- gründete Kepler mit seiner Astronomia nova (Heidelberg 1609) die Astronomie als physikalische Wissenschaft von den tatsächlichen Bewegungen der Himmelskörper und DIE KOMETEN IN DER DISKUSSION 51 deren Ursachen. Dabei schrieb er den Planeten anstelle der traditionellen Kreisbewe- gung eine ellipsenförmige Bahn um die Sonne zu.

Die Falttafel aus Keplers De cometis zeigt das System Sonne (A) – Merkur – Ve- nus – Erde/Mond in heliozentrischer Darstellung mit den täglichen Positionen zwi- schen 23. September und 26. Oktober für die Erde und den auf linearer Bahn durch das Sonnensystem ziehenden (Halleyschen) Kometen von 1607.

Johannes Kepler, Gesammelte Werke, Bd 8, bearb. von Franz Hammer (München 1963). – Schechner Genuth, Comets (1997), 100-101. – Volker Bialas, Johannes Kepler (München 2004). – Patrick J. Boner, „Kepler on the origins of comets: Applying earthly knowledge to celestial events“, Nuncius 21 (2006), 31-47. CM 4.2. DER ASTROLOGISCHE KONTEXT Der Ursprung der frühneuzeitlichen Astrologie ist bereits in der Antike zu suchen. So ist die Tetrabiblos des Mathematikers, Geographen und Astronomen Claudius Ptolemaios aus dem 2. Jahrhundert, dessen geozentrisches Weltbild im Mittelalter und der frühen Neuzeit weit verbreitet war, die älteste erhaltene Darstellung der hellenistischen Astro- logie. Sie fand im 12. Jahrhundert ihren Weg über die arabische Welt nach Europa und stellte in der frühen Neuzeit das Standardwerk der astrologischen Deutung dar. Die Staatliche Bibliothek Regensburg besitzt das Werk in einer 1493 in Venedig gedruckten Ausgabe [2°Inc.65]. Großen Einfluss auf die Astrologie hatten auch arabische Gelehrte, weil diese über bessere Methoden der Himmelsbeobachtung verfügten. Im 16. und 17. Jahrhundert war die Astrologie in gedruckten Schriften stark verbreitet – auch bedingt durch den Buchdruck, der astrologische Kalender für das sog. einfache Volk erschwing- lich machte. Ziel der Astrologen war es, durch die Deutung von Himmelkonstellationen und Kome- ten konkrete Vorhersagen für das Leben der Menschen zu treffen und ihnen eine Stütze und Orientierung im Alltagsleben zu geben. Hierbei umfasste die Astrologie dieser Zeit zwei Zweige: zum einen die natürliche Astrologie (astrologia naturalis), die sich mit dem – als physikalisch erachteten – Einfluss der Gestirne auf das Wetter und irdische Körper beschäftigte, und zum anderen die divinatorische Astrologie (astrologia iudicia- ra), die annahm, dass die Planeten Einfluss auf zukünftige, auch vom menschlichen Willen zu beeinflussende Ereignisse hätten. Bei der astrologia naturalis war vor allem die medizinische Astrologie von Bedeutung, die sich mit dem Einfluss gewisser Plane- ten auf die Organe beschäftigte und eine Korrelation zwischen den Körpersäften und den Gestirnen annahm, eine aus der antiken Medizin und von Ptolemaios überlieferte Vorstellung. Auch astrometeorologische Prognosen waren Teil der natürlichen Astrolo- gie; so ordnete man beispielsweise gewisse Teile der Erde einzelnen Planeten zu. Die astrologia iudiciara befasste sich dagegen mit dem Einfluss von Planeten auf menschli- che Willensentscheidungen, vertrat die Ansicht, dass es günstige Tage für bestimmte Tätigkeiten gebe und begründete so die Praxis des „Tagwählens“, also des Auswählens einer günstigen Himmelskonstellation für z. B. einen Aderlass, das Baden, Haare- schneiden usw. Unsere heutigen Mondkalender mit ihren Empfehlungen für besonders günstige Tage z. B. für den Friseurbesuch stehen in dieser Tradition. Aber nicht nur im Privatleben, sondern auch im Staatswesen spielte die Astrologie eine wichtige Rolle, so verließen sich viele Herrscher bei ihren Entscheidungen auf die Ratschläge ihrer astro- logischen Berater. In der klassischen Astrologie, deren wissenschaftliche Grundlage die mathematische Berechnung periodisch wiederkehrender Himmelsereignisse ist, kam singulär erschei- nenden Kometen, die noch dazu als Phänomene der irdischen Lufthülle galten, eine eher marginale Bedeutung zu. In der Frühen Neuzeit hingegen galt ihnen auch astrologisch besondere Aufmerksamkeit. Seit dem 16. Jahrhundert benutzte man dabei, ausgehend von der Tetrabiblos, einen etablierten Katalog von zehn Punkten zur systematischen Deutung: DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 53

 magnitudo: Die Wirkung eines Kometen wurde als proportional zu seiner Größe an- genommen. Den Einfluss eines Kometen auf einen bestimmten Ort erschloss man aus der Größe des Kometen zu dem Zeitpunkt, an dem er direkt darüber stand.  color: Die Farbe und Helligkeit des Kometen galt als Hinweis auf den Planeten, der einen besonderen Einfluss auf den Kometen und damit auch auf seine Wirkung aus- übt. Zum Beispiel sollte eine bleiern-fahle Färbung auf den Einfluss des Saturn und eine feurig-rote Färbung auf den des Mars hinweisen.  splendor: Die Stärke des Glanzes eines Kometen wurde als proportional zu seiner Wirkung angesehen.  forma: Der Kometen-Typologie im 2. Buch der Naturalis historia des älteren Plinius aus dem 1. Jahrhundert folgend, unterschied man bis zu zehn verschiedene Kometen- arten, die auch spezielle Folgen nach sich ziehen sollten.  diuturnitas: Die Sichtbarkeitsdauer wurde als proportional zur Wirkungsdauer ange- nommen, wobei die Umrechnungsfaktoren unterschiedlicher Astrologen durchaus stark voneinander abweichen konnten.  situs caudae: Aus der Richtung des Schweifes ließen sich Rückschlüsse auf die be- sonders betroffenen Regionen ziehen.  locus: Der Ort des Kometen war von entscheidender Bedeutung. Wichtig waren hierbei sowohl der Ort des ersten Erscheinens als auch der des Verlöschens sowie der Mittelwert der Bahn. Man unterteilte den Himmel in 12 Häuser, die jeweils einen be- stimmten Bereich des menschlichen Lebens repräsentierten. Darüber hinaus war der Tierkreis (zodiacus) bei der Deutung sehr wichtig. Man teilte seine 12 Zeichen in vier Gruppen: Erdzeichen, Wasserzeichen, Luftzeichen und Feuerzeichen. War der Komet in einem Erdzeichen erschienen, so prognostizierte man Trockenheit, bei ei- nem Wasserzeichen Überschwemmungen, bei einem Luftzeichen Aufstände oder Pest und bei einem Feuerzeichen Krieg. Darüber hinaus hatte jedes einzelne Tier- kreiszeichen eine spezifische Bedeutung.  motus: Aus Richtung und Schnelligkeit der Kometenbewegung schloss man auf geo- graphische Region und Dauer der Wirkung.  habitus ad solem: Aus der Stellung des Kometen zur Sonne zog man Rückschlüsse auf den Anfangszeitpunkt der Wirkung. Stand er östlich der Sonne, war mit einem schnellen Einsetzen der Wirkung zu rechnen, stand er hingegen westlich der Sonne, so glaubte man an eine verzögerte Wirkung.  situs orbi: Aus der Projektion der Kometenbahn auf die Erdoberfläche meinte man besonders gefährdete Regionen bestimmen zu können. Insgesamt wurden meist eher allgemeine und insbesondere negative Vorhersagen ge- troffen, manche Astrologen wurden jedoch auch sehr konkret. So wurden beispielsweise für das Jahr 1524 Sintfluten vorhergesagt und für das Jahr 1588 der Weltuntergang, was zu großen Unruhen in der Bevölkerung führte und ein Beispiel für den kommerziellen Missbrauch der astrologischen Deutungsschriften als Instrument der öffentlichen Mei- nungsbildung darstellt. Gegen diesen Versuch der Kommerzialisierung, für den das Iu- dicium Astrologicum des Elias Ehinger [ 4.2.2] ein Beispiel ist, gab es aber auch die Bestrebung, die Astrologie zu verwissenschaftlichen. Hauptkritikpunkte an der pseudo- 54 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618 wissenschaftlichen Astrologie waren vor allem die Willkür der astrologischen Methodik und die Anmaßung der Astrologen, die menschliche Zukunft, die eigentlich nur Gott bekannt sei, vorhersagen zu können und sich somit vom Glauben zu entfernen. Vehe- ment wandten sich die Kritiker auch gegen den von der Astrologie postulierten Deter- minismus und traten für die Willensfreiheit und Eigenverantwortlichkeit des menschlichen Individuums ein. Hierbei gab es zwei Gruppen von Kritikern: zum einen diejenigen, die die Astrologie als Ganzes und insbesondere den Einfluss von Himmels- erscheinungen auf das irdische Leben ablehnten – dafür steht Friedrich Gricks Come- tenbutzer [ 4.2.3] –, zum anderen diejenigen, die versuchten, die Astrologie durch Entfernen der irrationalen Elemente auf empirische Grundlagen zu stellen und sie somit zu einer wissenschaftlichen Disziplin zu machen. Als Vertreter der letzteren Art ist vor allem Johannes Kepler [ 4.1.6.] zu nennen, der selbst Horoskope – allerdings nur mit allgemeinen Vorhersagen – verfasste und eine Reform der Astrologie von innen an- strebte. Er lehnte die astrologische Grundthese der Einheit des Kosmos und den Einfluss von kosmischen Vorgängen auf den Menschen nicht ab, sondern vertrat die Ansicht, der Mensch erhalte durch die Himmelskonstellation bei seiner Geburt eine gewisse Prä- gung, die sein Handeln jedoch nicht determiniere. Himmelsphänomene könnten den Menschen nur zu gewissen Handlungen anregen, ihn jedoch nicht dazu zwingen. Kome- ten betrachtete Kepler als Störungen der himmlischen Harmonie, die sich auch auf das irdische Leben auswirkten. Sie seien verdichteter und von der Sonne angeleuchteter Äther, die Gott als Zeichen geschickt habe. Keplers Forderung an die Menschen war aber, sich nicht nur mit der astrologischen Deutung solcher Phänomene zu beschäftigen, sondern vor allem auch ihr menschliches Umfeld zu betrachten und daraus Rückschlüs- se auf das richtige Handeln zu ziehen. Bis heute hat die Astrologie für viele Menschen noch eine große Bedeutung. Man findet in Zeitschriften und sogar in der Tageszeitung Horoskope und es gibt eine Vielzahl von Büchern, die dem Laien versprechen, mit Hilfe der Astrologie sein Leben zu verbessern. Der Versuch der Verwissenschaftlichung jedoch ist nicht gelungen. Kocku von Stuckrad, Geschichte der Astrologie (München 2007). – Schechner Genuth, Comets (1997), 51-65. – Gindhart, Kometenjahr (2006). – Fritz Krafft, „Tertius interveniens: Johannes Keplers Bemü- hungen um eine Reform der Astrologie“, in: Die okkulten Wissenschaften in der Renaissance, hrsg. von August Buck (Wiesbaden 1992), 197-225. – Haude, Zorn (2008) JN/AD

4.2.1. „Prodromus“: „Aufruhr, Zwytracht und Kriegswesen“

David Herlitz, Prodromus vnd Erster Vortrab, Oder Kurtze vnd Einfeltige Erklerung, Deß Cometen, oder Geschwäntzten Sterns, so sich im November deß M.DC.XVIII. Jahres hat sehen lassen. Nürnberg: Lauer, 1618. [5] Bl. IM/Philos.1361/1373: 1366 / IM/Philos.2204/2205 angeb.73

Die kleine Schrift wurde von dem Mathematiker und Astrologen David Herlitz nur vier Tage nach der ersten Sichtung des Winterkometen 1618 in Stargard in Pommern heraus- gegeben, ungewöhnlich breit rezipiert und in der Folge mehrfach nachgedruckt. Als bekannter Horoskopschreiber beschäftigt sich der Autor darin vor allem mit der astrolo- gischen Bedeutung des Kometen und der Himmelskonstellation bei Erscheinen dessel- ben. Die Schrift ist einerseits sprachlich einfach gehalten, um ein breites Publikum DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 55 anzusprechen, andererseits immer wieder von lateinischen Passagen unterbrochen, um gebildeten Lesern Grundlagen für weitere Interpretationen zu liefern. Herlitz leitet seine Schrift mit der Beschreibung seiner ersten Sichtung des Kometen am 19. November um 4 Uhr früh in Stargard ein. Der Komet sei im Osten erschienen und bei Sonnenaufgang im Südosten gewesen. Am zweiten Tag habe man ihn aufgrund der starken Bewölkung nicht sehen können. Am dritten Tag habe er ihn wiedergesehn und sei erschreckt gewesen, da Kometen immer „allerley Betrübnuß, Unglück und Jammer“ brächten.

Titelblatt des Prodromus mit einer sehr einfachen, plakativen, einprägsamen Dar- stellung des Kometen, um Käufer anzuwerben. Der Name des Autors ist als weite- res werbewirksames Mittel groß gedruckt, da Herlitz durch seine Kalender und astrologischen Schriften sehr bekannt war. 56 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Obwohl der Autor Bedenken hatte, diese Schrift zu veröffentlichen, da er fürchtete, an- deren Astronomen zuvorzukommen und ihnen somit ihre rechtmäßige Anerkennung abspenstig zu machen, und da er auch die genaue Zeit der ersten Sichtung nicht kannte, hat er sich doch dazu entschlossen, diese Schrift schon so rasch nach Erscheinen des Kometen zu veröffentlichen. Er bittet den Leser vorsorglich um Nachsicht für eventuel- le Ungenauigkeiten und kündigt auch eine längere Ausführung an: Kurtzer Discurs vom Cometen, unnd dreyen Sonnen, so am Ende des 1618. Jahrs erschienen sind, wie auch von der künfftigen Conjunction oder Zusammenkunfft aller Planeten im Krebß, Anno 1622, und sonderlich hernach im Lewen, Anno 1623: Darauff böse trawrige und schreckliche Enderungen und Verwirrungen erfolgen werden. (Alten Stettin: Rhetische Druckerei, 1619) [StBR Caps.80(1 und Philos.2041/2046]

Tafel der astrologischen Konstellation beim ersten Erscheinen des Kometen aus Herlitz’ Prodromus (1618). Der Himmel ist traditionell quadratisch dargestellt und in 12 dreieckige Häuser unterteilt. Eingetragen sind ebenfalls die Tierkreiszeichen und Positionen der Planeten, auffälliger Fixsterne und des Kometen. DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 57

Nach seiner einleitenden Vorrede beginnt Herlitz mit einer genauen Beschreibung der Position des Kometen anhand der beigefügten Tafel. Hierbei widmet er sich zuerst der Deutung des Ortes des Kometen, um sich anschließend mit der Bedeutung der Stellung der Planeten und der Sonne zu beschäftigen. Zuletzt geht er auf die Interpretation der Richtung des Schweifes ein. Der Komet sei im 1. Haus im „giftigen, pestilenzischen Skorpion“ erschienen. Dies be- deute „grosse Pestilenz“, „Mißgeburt der Frauen“, „viel Regen und Wasserflut“, „Ab- sterbung oder theuerung der Fische, Haß und Unfried zwischen den Königen, und noch grösser Auffruhr, Zwytracht und Kriegswesen.“ Besonders für Personen, die unter dem Sternzeichen des Skorpions geboren sind, prophezeit er große Gefahr und fleht Gott um Gnade für sie an. Bezüglich der Stellung der Planeten bei Erscheinen des Kometen stellt er fest, „die beyden boßhafftigen unartigen Planeten aber, Saturnus und Mars, liessen sich oben anschauen, und zwar (meines erachtens) nicht zum besten.“ Da Saturn krebs- gängig im 8. Haus, dem „Todtenhauß“ und in Opposition zur Sonne gelaufen sei, sagt er „unter hohen Häuptern viel unruhe, auch absterben“ voraus. Mars stand vier Grad von dem Schwanz des Sternbilds Löwe entfernt, woraus er abliest, dass „drohet viel feindli- che mordliche Anschläge, falsche Verbündnuß, Verzätherey, etc.“ Darüber hinaus gibt er noch viele weitere Informationen zu den Positionen der anderen Himmelsobjekte an, die er aber nicht umfassend deutet. Es wird deutlich, dass Herlitz Anhänger des Ptolemaios ist, denn er bezeichnet ihn als „Fürst aller Astronomorum“. Auch bei seinem Weltbild folgt er den antiken Autoritäten und deutet folglich Kometen nach der aristotelischen Theorie als Ausdünstungen der Erde, die sich in der oberen Atmosphäre entzündet hätten. Den Schwanz des Kometen interpretiert er als Zeiger, der verdeutliche, welchen Län- dern das vorausgesagte Übel drohe. Der Schweif habe zuerst nach Süden gezeigt; da der Komet seiner Meinung nach aber den gesamten Himmel durchlaufen werde, so würden alle Menschen vom Unglück heimgesucht. Genauere Vorhersagen, welche Orte es be- sonders schlimm treffen werde, könne man erst machen, wenn der Komet bereits ver- schwunden sei, da man erst dann seine genaue Bahn kenne. Jeder Mensch habe diese „Ruthe wohl verdienet“ und, weil großes Unglück und religiöse Verfolgungen drohten, wünscht er sich: „Ach, wenn nur der liebe Jesus, mit seiner letzten Ankunfft, erschei- nen, und zum Jüngsten Gerichte eylen wolte: Wie ich dann starck hoffe, Er werde nun- mehr seine Majestet-schender, und die fetten Abgöttischen Bauch-diener, mit … der letzten Ruthe seines Feuers, dermaßen zu hause suchen, daß ihre Region und Religion zur Asche wirdt.“ David Herlitz (1557–1636) war Mathematiker, lateinischer Dichter, Astrologe und Stadtarzt in Stargard (Pommern). Darüber hinaus war er bekannt für seine Kalender und Horoskope und verfasste Schriften zu diversen Themen, unter anderem über Philoso- phie, Theologie, Meteorologie und Medizin. Seine Schriften waren weit verbreitet und wurden überregional rezipiert. Gindhart, Kometenjahr (2006), 154-163. – Haude, Zorn (2008). – ADB 12 (1880), 118. – DBA I, 519, 307-308; III, 382, 335. JN/AD 58 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

4.2.2. Iudicium Astrologicum

Elias Ehinger, Iudicium Astrologicum Von dem Newen Cometa Welcher den 1. Decemb. 1618. am Mor- gen vor und nach 6. uhren zu Augspurg von vilen Personen gesehen worden. Augsburg: Joh. Schultes, [1618]. [6] Bl. Philos.2204/2205 angeb.71

Die Kometenschrift des Augsburger Gymnasiallehrers und Bibliothekars Elias Ehinger – hier ein Nachdruck der 1618 sehr bald nach der ersten Sichtung des Winterkometen ebenfalls in Augsburg erschienenen Erstausgabe – kündigt auf dem Titelblatt an, sich mit der astrologischen Deutung der Himmelserscheinung zu beschäftigen. Gleichwohl liefert der Autor eher eine Aufzählung historischer Kometenbeobachtungen und kommt zu dem Schluss: „was nun deß jetzigen Cometae deutung sein wirdt, kan man zur zeit nicht eygentlich wissen.“ Die Schrift benutzt den Reiz astrologischer Deutung als Wer- beversprechen, um eine breite Käuferschicht anzusprechen, ist aber in ihrer Intention eigentlich theologisch ausgerichtet. Anlass für diese Schrift war die Sichtung des Kometen in Augsburg am 1. Dezember. Ehinger verbindet dies jedoch schon im ersten Satz mit seiner theologischen Botschaft, es sei „Sambstag vor dem Advent“ und er wolle zu Beginn dieser besinnlichen Zeit den Leser zu einem frommen, Gott gefälligen Leben anhalten. Diesen Aufruf zu Buße und Einkehr verbindet er nun mit der Erscheinung des Kometen. Gott ist bei ihm „ein weiser und kunstreicher Uhrmacher“, der bewusst in die Welt eingreift, „daß er nicht allein die Leut zur Buß durch seine Diener und Prediger läst beruffen, sondern damit man sein gerechten zorn wol spüren möge, läst er bißweilen am himmel allerley zeichen sehen.“ Anschließend beschäftigt sich Ehinger mit der Frage, wann Gott diese Zeichen schickt, und stellt fest: „Gott hat disen gebrauch, daß wenn man das maß der Sünden erfüllet, und wenn er sihet, daß seine glaubige hart geplaget.“ Kometen erschienen also immer vor großen irdischen Veränderungen wie zum Beispiel Umstürzen oder Kriegen. Im Folgenden geht der Autor der Frage nach, was Kometen sind. Er konstatiert hierzu, dass unter den Physici noch Uneinigkeit herrsche, ob Kometen Meteore, Planeten, Ster- ne oder Dunst seien. Er urteilt, Kometen könnten keine Sterne sein, da sie eine andere Bewegung ausführten. Auch Planeten könnten sie nicht sein, weil man Kometen auch außerhalb des Tierkreises beobachten könne, Planeten diesen jedoch niemals verließen. Hinzu komme, dass Kometen wieder verblichen und sich nach Berechnung von Mathe- matikern unterhalb der Mondsphäre befänden. Daraus folgert er, dass das aristotelische Bild des Kometen als in Brand gesetzte Ausdünstung der Erde zutreffe, und spricht den Kometen zwei Arten von Bewegung zu: Einerseits würden sie durch die Rotation des Himmels mitgenommen, andererseits hätten auch beispielsweise die Planeten Einfluss auf ihre Bewegung. Nach diesen recht langen Betrachtungen über die Natur der Kometen geht Ehinger auf die Bedeutung und Wirkung der Kometen ein. Er ist der Meinung und beruft sich hier- bei auf den großen Humanisten Julius Caesar Scaliger, Kometen brächten nicht immer Schlechtes: „seind auch viel fürtreffliche Leut gestorben, viel Fürstenthumb umbgekehrt worden, und ansehliche Fürstliche Häuser abgestorben, ohn einigen anzeigen eines Co- meten, … wie bißweilen die Cometae gute sachen haben verkündiget und angezeigt.“ Um diese Ansicht zu belegen, bringt er eine Vielzahl historischer Beispiele, von denen einige für die negative und andere für die positive Wirkung von Kometen sprechen, wobei eindeutig die Berichte von negativen Auswirkungen auf die Menschen über-

DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 59

Titelblatt des Iudicium Astrologicum. Auffällig ist die Hervorhebung des Wortes COMETA sowie die Angabe von Ehingers beruflicher Position. Ein großer, domi- nanter Holzschnitt zeigt die Silhouette der Stadt Augsburg: ganz links der Marien- dom, links Mitte der Perlachturm, rechts daneben das Rathaus, das Wahrzeichen der Stadt, und ganz rechts St. Ulrich. Dadurch bietet der Titel hohen Wiedererken- nungswert und Identifikationsmöglichkeit für die Augsburger Bevölkerung. In ei- ner weiteren, ohne Angabe von Druckort und Jahr erschienenen Ausgabe [StBR Philos.2034 angeb.12] ist der Titel durch den Zusatz „zu Augspurg und andern Or- ten“ für einen überregionalen Käuferkreis erweitert. 60 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618 wiegen. Er merkt allerdings an, dass die Beurteilung eines Ereignisses auch von der Perspektive abhängen könne: „Kayser Vespasiano, lesen wir, als die Soldaten von dem entstandnen Cometstern … weiß nicht was forchtsamers und schröckners redeten, hab er pflegen zu sagen, höret auff Laperey zutrei- ben, dan der Comet nicht mir, sondern dem König der Parther den untergang anzeigt: dann er hat lange haar, ich aber hab ein glatzen: darumb ist meinetwegen der Comet nicht erschienen.“ Letzlich gelangt Ehinger jedoch zu dem Schluss, „was nun deß jetzigen Cometae deu- tung sein wirdt, kan man zur zeit nicht eygentlich wissen“, was ihn jedoch nicht davon abhält, einen Aufruf zur Frömmigkeit in Form des folgenden Gedichtes anzubringen: Was Christus hat verkündigt dir, O liebes Teutschland das glaub mir, Das wirdt erfüllt, drumb Buß jetz thu, Bekehr dich, so findestu rhu, Laß ab von Sünden und von schandn, Damit du nit g’ratest in die handn. Der Feind, die allein dich begern, Genzlich zu stürtzen, umbzukehren, Mit dem Gebett kanst obsigen, Und alln dein Feinden obligen. Auch wenn Ehinger sich letztlich einer konkreten Deutung des Kometen enthält, betont er doch, ein Komet bringe im Allgemeinen Krieg, Blutvergießen, Teuerung, vor allem aber einen radikalen Umbruch und den Beginn eines neuen Zeitalters mit sich, wobei der Umsturz mit „Rauben, Morden, Brennen, … Hunger und Pestilenz verbunden sein wird.“ Weiterhin sagt Ehinger voraus, das Jahr 1622 werde ein annus miraculosus, „ein Jahr viler Wunderwerck“, ohne dies jedoch näher auszuführen. Ehinger beendet seine Schrift mit einem Gebet: „Wir wollen jetzunder Gott den Herren bitten, daß er auch mitten in der züchtigung seiner barmherzigkeit wolle ingedenck sein, nach seim Göttlichen willen und wolgefallen bei uns wohnen, in aller noht uns trösten, stercken unnd erhalten, damit wir die wolverdiente stäupen mit gedult mögen ertragen, und wir uns von Herzen zu Gott bekehren, den glauben und gutes Gwissen behalten und zu seiner zeit aus diesem Jammerthal in das ewige Selige leben durch Christum wolle auß gnaden versetzen, welchem sampt dem Vatter und H.Geist, sey Lob, Ehr und Preiß gesagt, immer und Ewiglich, Amen.“ Elias Ehinger wurde 1573 in Christgarten geboren und starb 1653 in Regensburg. Sein Vater war protestantischer Pfarrer und ermöglichte ihm eine gute Schulbildung am be- rühmten Gymnasium bei St. Anna in Augsburg. Von 1593 an studierte er in Wittenberg, wo er 1596 die Magisterwürde erwarb, und später auch in Tübingen. Anschließend war er Prediger in Österreich, wurde von dort aber 1605 aus religiösen Gründen vertrieben und erhielt das Rektorat des Gymnasiums in Rothenburg ob der Tauber. Nachdem er diese Stellung 12 Jahre innegehabt hatte, wurde er 1618 Rektor und Bibliothekar am Augsburger St. Anna-Gymnasium. Im Zuge der Gegenreformation verlor er 1629 seine Stelle, konnte aber nach zwei Jahren wieder in sein Amt zurückkehren. Nach der Beset- zung Augsburgs 1635 durch die Kaiserlichen erneut ohne Anstellung, übernahm er das Rektorat des Gymnasium poeticum in Regensburg (auf welches das heutige Albertus- Magnus-Gymnasium zurückgeht), bis er 1649 wegen Altersschwäche in den Ruhestand versetzt wurde. Ehinger verfasste zahlreiche Schriften vor allem zu theologischen, aber auch philologischen und astrologischen Themen, und fand einen Nebenverdienst im DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 61

Kalendermachen. Die Staatliche Bibliothek Regensburg besitzt mehr als 30 seiner Wer- ke und 44 Bände aus seinem Besitz. Gindhart, Kometenjahr (2006), 124-130. – Haude, Zorn (2008). – ADB 5 (1877), 697-698. JN/AD

4.2.3. „vollmächtiger Anwalt“ des „übel ausgetragnen Cometen“

Johann Procopius [= Friedrich Grick], Kομητοδικαιολοπροστασία Oder Cometenbutzer: Das ist: eine glaubwürdige Copey articulierter und rechtmässiger Klag deß guten unschuldigen Cometen, welcher im abgeflossenen nächst verwichenen 1618. Jahr erschienen. [Prag:] Parnasische Truckerey, 1619. [16] Bl. Philos.2034 angeb.19 / IM/Philos.2204/2205 angeb.69

Johann Procopius [= Friedrich Grick], Kομητοδικαιολοπροστασιεκδικητής, oder Cometenbutzers Schützer: Das ist eine glaubwürdige Copey articulierter rechtmessiger Exceptionum … deß guten unschuldigen Cometen welcher in verwichenen 1618. Jahr erschienen. [s.l.] 1619. [16] Bl. Philos. 2034 angeb.20 / Philos.3111c

Der Kometenputzer, von dem die Staatliche Bibliothek Regensburg zwei Exemplare besitzt, ist eine der wenigen Schriften, die sich astrologiekritisch mit dem Winterkome- ten von 1618 auseinandersetzen. Der Weseler Jurist Friedrich Grick veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Johannes Procopius (der Fortschrittliche) im Jahre 1619 als Re- aktion auf die vielen vorher erschienenen Schriften anderer Autoren, die versuchten, den Kometen als Unglücksbringer oder Unglücksverkünder astrologisch zu deuten. Der griechische Titel ist eine Anspielung auf Johann Caspar Odontius’ Κομητακριβογραφία (Nürnberg 1619; StBR Philos.2034 angeb.5 und Philos.2042) und stellt dessen „Kome- ten-Genaubeschreibung“ einen „Kometen-Anwaltschafts-Schutz“ gegenüber. Grick tritt in dieser Schrift als Anwalt des Kometen auf, seines „Herrn Principalen, [der] an seiner Reputation höchlich verletzt, unschuldig verschumbt“ sei, um ihn vor Apoll, dem Gott des Lichtes, dem unter anderem der Tempel in Delphi geweiht war, gegen die Angriffe und Fehldeutungen des N.N. [steht hierbei für den Archetyp eines astrologi- schen Quacksalbers] zu verteidigen. Die Schrift ist nach Art eines Gerichtsplädoyers in 53 Punkte gegliedert, wobei der Autor in jedem Abschnitt ein Argument für die Un- schuld seines Mandanten vorbringt bzw. Vorwürfe widerlegt. Er beginnt sein Plädoyer mit einer Einleitung, in der er sich als „vollmächtiger Anwalt“ des „übel ausgetragnen Cometen“ vorstellt und hierbei den Gott Apollo als Richter anruft, und beendet es mit dem Antrag, „den beklagten N.N. dahin anzuhalten, daß er, was er zu verachtung und verkleinerung meines Herrn Principalen geschrieben, revocire.“ Darüber hinaus fordert er, dass N.N. dazu verurteilt werde, die Gerichtskosten zu tragen. Grick richtet sich in seinen Ausführungen gegen das althergebrachte aristotelische Weltbild. Kometen seien nicht bloß Dampf und Dunst, die durch den Einfluss der Sonne entzündet würden; denn Dämpfe stiegen regelmäßig auf, Kometen könne man hingegen nur selten beobachten. Hinzu komme, dass auch große Kometen teilweise nur eine kur- ze Lebensdauer hätten, obwohl ihnen eigentlich Brennstoff für lange Zeit zur Verfügung stehen müsste. Grick ist daher der Ansicht, dass Kometen und Sterne aus der gleichen Materie geschaffen seien und sich auch in der gleichen Himmelsregion, also jenseits des Mondes, befänden.

62 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Titelblatt des Cometenbutzers mit Angabe des fiktiven Druckorts: „Gedruckt in Parnassischer Buchdruckerey“. Der Berg Parnass war Apollo geweiht und in der griechischen Mythologie die Heimat der Musen.

Ein weiterer Kritikpunkt Gricks sind die schlechten instrumentellen Beobachtungsmög- lichkeiten, woraus sich ungenaue astronomische Daten ergäben. Auf dieser Grundlage würden dann astrologische Vorhersagen getroffen, die folglich auch nur sehr ungenau und vage sein könnten, aber den Anspruch auf Exaktheit erhöben. Allein die Tatsache, dass unterschiedliche Astronomen zu unterschiedlichen Messdaten gekommen seien, DER ASTROLOGISCHE KONTEXT 63 zeige, dass man auf dieser Basis keine zuverlässigen Vorhersagen treffen könne. Viele Beobachtungen seien schlicht falsch, da man aufgrund der enormen Entfernung des Kometen seine Größe und Farbe nur schlecht erkennen könne. Gricks Hauptkritikpunkt ist jedoch weder das aristotelische Weltbild noch die mangeln- de Präzision der Himmelsbeobachtung, sondern vielmehr die Astrologie als solche. Die Willkür der astrologischen Methodik – wie zum Beispiel die jeglicher Grundlage ent- behrende Aufteilung des Himmels in 12 Tierkreiszeichen mit ihrer vollkommen willkür- lichen Bedeutungszuweisung – wird von ihm besonders angegriffen. Auch die Tatsache, dass es zur Deutung von Himmelserscheinungen kein festes Regelwerk gibt, nach dem die Astrologen sich richten müssen, wird von ihm kritisiert. Vielmehr seien die Astrolo- gen völlig frei in ihrer Interpretation und deuteten folglich Himmelsphänomene so, wie es am besten in ihre Argumentationslinie passe. Darüber hinaus seien sie oftmals unqua- lifiziert und inkompetent, weder Astronomen noch Mathematiker, könnten also nicht einmal nachvollziehen, ob die Daten, aufgrund derer sie ihre Vorhersagen treffen, rich- tig sind. So sei es einem leichtgläubigen Astrologen „als ein Mährlein angetragen und auffgebunden worden, daß mein Herr Principal [d.h. der Komet] auff Norwegen und Nova Zembla zu gewandert seye“. Zusätzlich hätten diese Autoren oft auch nur aus an- deren astrologischen Werken, die aber ganz andere Himmelskonstellationen beschrei- ben, „außgeschriben“. Neben seiner Kritik an der Methodik verneint Grick auch grundsätzlich den Einfluss von Kometen auf das irdische Leben. Er vertritt die Ansicht, all die schlechten Ereignis- se wie etwa Kriege oder Hungersnöte wären auch passiert, ohne dass ein Komet er- schienen wäre: „derowegen ist diß urtheil auch hier zu mercken, und fürs fünffund- vierzigste waar, daß, was übels in der Welt geschehen ist, geschehen were, wann schon kein Comet erschienen.“ Die Vorhersagen der Astrologen seien nur Mutmaßungen und zutreffende Prophezeiungen bloße Glückstreffer. Oftmals würden sich ihre Deutungen auch widersprechen. So gäbe es zum einen häufig ähnliche Himmelskonstellationen, die aber ganz unterschiedlich ausgelegt würden, zum anderen hätten auch andere Himmels- phänomene, wie zum Beispiel die schwankende Helligkeit eines Sterns, keine Folgen für die Menschen. Wenn überhaupt, so räumt Grick ein, hätten Kometen eher einen positiven denn einen negativen Einfluss auf die Menschen und auf sie folge öfter Gutes als Schlechtes, wie er anhand einer Vielzahl historischer Beispiele belegt: „Dann fürs siebenundvierzigste ist waar, daß auff die zween Cometen Anno 1097. und 1506. gar ein fruchtbar, gut Jahr kommen.“„Und fürs neunundvierzigste ist waar, daß auff den Cometen in Anno 1607. der Stillstand [der Waffenstillstand 1609 zwischen Spanien und den Niederlanden] in Niderland gemacht, in Schotland ein neue Reichs Silbergrub ge- funden“. Offenbar als Antwort auf Angriffe gegen den Cometenbutzer gab Grick im August 1619 eine Folgeschrift heraus, deren Titel – wiederum juristische Terminologie aufnehmend – einen Kομητοδικαιολοπροστασιεκδικητής, d.h. einen „Kometen-Anwaltschafts-Schutz- Rächer“ ankündigt. Friedrich Grick (fl. 1617–1621) stammte aus Wesel, hat offenbar in Nürnberg studiert und war als Hauslehrer in Altdorf tätig. Er veröffentlichte unter den Pseudonymen „Ire- naeus Agnostus“, „F.G. Menapius“ und „Johannes Procopius“ scharfzüngige Satiren und spöttische Pamphlete gegen die Astrologie sowie pro aber auch contra die Rosen- 64 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618 kreuzer, jene schwärmerisch-mystische Bewegung zwischen 1615 und 1620, in der sich chiliastisches, alchemisches und astrologisches Gedankengut mischten. Gindhart, Kometenjahr (2006), 154-163. – Hans Schick, Das ältere Rosenkreuzertum (Berlin 1942), 230- 236. JN/AD

4.3. KOMETEN IM KONFESSIONSSTREIT Die Konjunktur der Kometenschriften fällt zeitlich mit dem Höhepunkt der konfessio- nellen Auseinandersetzungen in Mitteleuropa zusammen. Wie auch bei anderen politi- schen und sozialen Verwerfungen dienten die Kometen auch im Konfessionsstreit als Projektionsflächen zeitgenössischer Ängste und Hoffnungen. Die besondere Beliebtheit von Kometenschriften im protestantischen Raum – so enthält z. B. der Frankfurter Messkatalog von 1619 siebzehn protestantische Kometenpredigten und nur eine katholi- sche – könnte eine biblische Grundlage vermuten lassen. Dies aber ist nicht der Fall. In der Bibel werden Kometen überhaupt nicht erwähnt; allerdings gelten Naturereignisse als zeichenhaftes Handeln Gottes (Joel 3,3; Luk 21,11; Offb 6,13 u. 9,1). Kometen als besonders ungewöhnliche Himmelsereignisse waren dadurch prädestiniert, theologisch gedeutet zu werden. In der Regel geschah dies als Hinweis auf Gottes Zorn über die Sündhaftigkeit der Menschen, wie die Bezeichnungen „Zorn Ruthe“ oder „Zorn-Fackel“ zum Ausdruck bringen. Daneben sah man Kometen aber auch als gottgesandte Helfer, als Zeichen in konfessionellen Auseinandersetzungen oder als Vorzeichen des endzeitli- chen Heilgeschehens. Die im Luthertum anfänglich vorherrschende Deutung als eschatologische Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Jüngsten Gerichts trat im ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert in den Hintergrund. Durch die Verzögerung der Parusie deutete man die Kometen nun stärker auf die Gegenwart hin aus: als Vorboten zeitlicher Strafen und drohender Unglücksfälle für die Unbußfertigen. Für die auffällige Dominanz protestantischer Autoren bei der Kometen- und Prodigien- literatur hat die Forschung eine Vielzahl möglicher Erklärungen angeboten. So habe man es als christliche Pflicht angesehen, die von Gott stammende Botschaft des Kome- ten den Mitmenschen zu verkünden, zu erklären und diese somit an der göttlichen Of- fenbarung teilhaben zu lassen. Daneben hat man auf die große Zahl protestantischer Druckorte und Offizinen hingewiesen. Denn seit der Reformation maßen die Protestan- ten, ganz anders als die Katholiken, dem Buchdruck als Medium bei der Vermittlung des Glaubens eine zentrale Bedeutung zu. Schließlich ist da die unterschiedliche Funk- tion der Predigt, die in der lutherischen Orthodoxie als Angelpunkt zwischen Theologie und Alltag galt. Oft wurde in Predigten auf aktuelles Tagesgeschehen Bezug genom- men, und besonderes Interesse gilt dabei singulären Naturereignissen und Katastrophen. Denn Kasualpredigten spielten – anders als im Katholizismus – eine wichtige Rolle. Folglich erhielten auch die Kometen ihren Platz in der protestantischen Homiletik. Mancherorts wurden besondere Bußpredigten abgehalten, wenn ein Komet am Himmel stand. Einige dieser Predigten sind gedruckt worden, aber auch viele der übrigen Kome- tenschriften haben Predigtcharakter. Ihr Aufbau ist meist ähnlich. Einem Bibelzitat folg- te die Deutung des Kometen als Zeichen, dass Gott zornig sei über die Sündhaftigkeit der Menschen. Da in der Vergangenheit auf Kometen Seuchen, Hungersnöte, Kriege oder Naturkatastrophen erfolgt seien, müsse man auch den gegenwärtigen Kometen als Warnung ernst nehmen und den Zorn Gottes mit Hilfe von Reue, Buße, Gebeten und einem gottgefälligen Leben abwenden. In eigentümlicher moraltheologischer Anver- wandlung der aristotelischen Kometentheorie wird sogar darüber debattiert, ob die Ko- meten aus dem zum Himmel aufsteigenden „Sündendampf“ der Menschheit entstünden. 66 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Theologisch gehört das Kometenschrifttum drei großen Diskursen an: zum einen einem allgemein sozialsteuernden Diskurs, der das Bild des Kometen als Gotteszorn mittels schriftlicher und bildlicher Medien als Instrument der moralischen und sozialen Diszi- plinierung einsetzt; zum anderen einem konfessionspolemischen Diskurs, der das Him- melszeichen als Argument in der interkonfessionellen Polemik verwendet; und drittens schließlich einem – nicht unbedingt theologisch ausgerichteten – emblematischen Dis- kurs, der die Dinge der Welt allgemein als Zeichen einer höheren metaphysischen Wahrheit interpretiert. Die konfessionspolemische Instrumentalisierung des Kometenmotivs ist offenbar ein rein protestantisches Phänomen. In einer Mischung aus Melanchthonscher Astrologie und Lutherischer Eschatologie, wonach die Papstkirche der Antichrist sei und das be- vorstehende Weltende und kommende Jüngste Gericht von allerhand Himmelszeichen angekündigt werde, wurde der Winterkomet von 1618/19 von Gelehrten wie Joachim Köppe [ 4.3.1.] oder Erasmus Schmidt [ 4.3.2.] auf den Untergang der Katholiken gedeutet, wohingegen rechtgläubige und bußwillige Protestanten nichts zu befürchten hätten, wenn sie gottgefällig lebten. Auf diese Weise konnte man die Himmelserschei- nung nutzen, um politische Gegner und Andersgläubige anzugreifen und Anhänger für die eigene Position zu gewinnen. Gindhart, Kometenjahr (2006), 17-33. – Schechner Genuth, Comets (1997), 46-50. – Markus Griesser, Die Kometen im Spiegel der Zeiten (Bern 1985). – Claudia Brosseder, Im Bann der Sterne: Caspar Peu- cer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen (Berlin 2004). AW/JV/MB

4.3.1. Himmlische Treibjagd auf die Hure Babylon

Joachim Köppe, Wunder vber Wunder, Das ist: Seltzame vnd Ebenthewerliche Geschicht vnd Gesicht, welche sich zu Stargardt in Pommern Anno 1618. den 21. Novembris bey Observation des Cometen,, so sich dieses vergangen 1618. Jahrs im Octobri vnd Novembri sehen lassen, sol begeben vnd zugetragen haben, mit sonderlicher Verwunderung, vnd nicht ohne sonderliche Gemühts Bewegung zu betrachten vnd zu lesen. Magdeburg: Zacharias Schürer, 1619. [2] + 43 S. Philos.2034 angeb.1

Im ersten Teil der Schrift kritisiert Köppe den Prodromus von David Herlitz [ 4.2.1.]. Dieser habe es an Sorgfalt bei der Beobachtung fehlen lassen, so dass seine Arbeit Feh- ler enthalte. Jeden dieser Fehler nennt Köppe ironisch ein ‚Wunder‘. Der zweite und gewichtigere Teil der Schrift enthält Köppes eigene Beobachtungen und deren konfes- sionspolemische Deutung. Die Bahn des Kometen sei von Westen nach Osten, dann nach Norden und wieder zu- rück nach Westen verlaufen und habe damit die Form des hebräischen Buchstabens beschrieben. Dass der Komet zuerst im Sternbild Waage gesehen wurde, weise ב Beth auf Gerechtigkeit hin, der Übergang zwischen Venus und Jupiter auf mächtige Persön- lichkeiten aus dem weltlichen oder kirchlichen Bereich, der Durchgang durch Bootes, den Bärenhüter, deutete auf Sachsen. Das Ganze stellt für Köppe eine Art Treibjagd in den Sternen dar: Der Lauf des Kometen bezeichnet das Jagdnetz, dessen Eckpfähle bei den Stern- und Tierkreiszeichen eingeschlagen sind (Waage, Spica im Sternbild Jung- frau, Achselstern des Bootes, Schwanzstern des großen Bären). Jagdobjekt ist das Sternbild Haar der Berenike (Coma Berenices), welches für das Papsttum steht, Jäger KOMETEN IM KONFESSIONSSTREIT 67 der Fuhrmann (Auriga Erichtonius), und dessen Jagdhunde Löwe (Leo) und Bär (Ursa Major) treiben das Wild ins Netz. „Daß durch dieselben die abgeschorne Haar des Pabstes, vnd seines geschmierten Hauffen, be- deutet werden, der es durch sein Scheerwerck so hoch gebracht, daß er mit den Lumpenhaaren biß an den Himmel gestiegen ist, wie vorzeiten von der Königin in Egypten, Berenice genant, Haaren, gelesen wird. Nun ist der Pabst ja die Babylonische Hure: Ergo ist er eine Königin, weil er vber das Geistliche Babylon regieret, vnd eine Hure ist.“ [D i]

Köppes Wunder über Wunder inszeniert den Winterkometen von 1618 als himmli- sche Treibjagd auf das Papsttum.

Aus Habsucht und Ungerechtigkeit habe sich das Papsttum an der Jungfer (virgo) Kir- che vergangen; aber Christus habe den Kometen als Herold zur Rettung der Kirche gesandt. Unter Anspielung auf die Zerstörung Babylons (Jer 50-51) stehe nun die Vernichtung der römischen Hure Babylon bevor, und zwar durch ein Volk aus dem Norden (Jer 50,41) – vielleicht eine Anspielung auf Gustav II. Adolf, König von Schweden. Protestantische Geistliche sollten sich daher vom Papsttum abwenden, sonst gingen sie mit diesem zugrunde. „Dieselben, so bey vns im reformierten Geistlichen Stande vnd Prælaten seyn, wil ich hiermit durch die Christliche Liebe, vnd vmb Gottes willen gebeten haben, Sie wollen ja keinen Nagel oder Haken unter sich leyden, wie klein er auch scheinen vnd seyn möchte, damit sie nur ein wenig an den Pabst oder Pabsthumb gehefftet, oder verhafftet blieben.“ [D iiijr] Joachim Köppe (fl. 1602–1625) hatte 1604 bei Daniel Sennert in Wittenberg promoviert und danach als Arzt in Magdeburg praktiziert. Er ist Autor kleinerer medizinischer Schriften, zweier theologischer Streitschriften und eines Lehrbuchs der Fechtkunst. David Herlitz [ 4.2.1. und 4.1.4.], Professor der Mathematik in Greifswald, Arzt und angesehener Astrologe in Stargard, hat sich im übrigen wiederholt kritisch über die astronomische Kompetenz von Köppe geäußert, worauf dieser 1621 mit der Schrift 68 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

Ehrenrettung: Wider das Rasende, gantz Toll und Thörichte Geiffern und Lestern, deß Alten und vergessenen Ehrenschänders D. David Herlitzen, Alten SternGuckuckers und ungegründeten Wetter Prophetens zu Stargardt (s.l., 1621) antwortete. Gindhart, Kometenjahr (2006), 80-86. AW

4.3.2. „ein rechter Religions Comet“

Erasmus Schmidt, Prodromus Conjunctionis Magnæ, anno 1623. futuræ. Das ist, Kurtzes vnd Einfeltiges, doch in Gottes Wort vnd der Astrologischen Kunst gegründets Bedencken von dem grossen Cometstern, der in abgewichenem 1618. Jahre, im Novembri sich erst recht sehen lassen, vnd der vorstehneden grossen Conjunction, die anno 1623. geschehen wird, gleichsam ein Morgenstern gewesen. Männiglich zur Nachrichtung, Trewhertziger warnung, vnd besserer erkentnis solches grossen Gotteswunderwercks, wolmeinend gestellet, vnd an tag gegeben. Wittenberg: Caspar Heyen, 1619. [18] Bl. Hofbibliothek Thurn und Taxis, Häb.5(11

Wie Köppes Wunder vber Wunder reagiert auch Schmidts Prodromus auf die breit rezi- pierte Kometenschrift von Herlitz [ 4.2.1.], deren Titelbeginn er sogar übernimmt. Offenbar ist es sein Ziel, die dort gefundenen Angaben durch eigene, zwischen dem 21. November 1618 und dem 5. Januar 1619 angestellte, Beobachtungen zu korrigieren. Für Schmidt ist der Komet Vorläufer (prodromus) der für 1623 vorausberechneten großen Konjunktion von Jupiter und Saturn. Der Hauptteil der Schrift aber gilt der konfessions- polemischen Ausdeutung dieses astrologisch signifikanten Zusammentreffens. Gott habe die Gebete der Protestanten aus Anlass des Reformationsjubiläums 1617 er- hört und werde „die Christliche Kirche von dem Joch des Römischen Antichrists und allenthalben gemachten Antichristischen Blutpractiken vollend erlösen, vn dem Bapste und seinem anhange auch leiblicher weise den garauß bringen.“ Da der Komet im Zenit über Europa gestanden habe, richte sich die Warnung an ganz Europa, und zwar als „ein rechter Religions Comet“. Dass er anfangs unter dem südlichen Horizont verborgen gewesen sei, weise auf heimliche Pläne des Papsttums gegen die christliche Kirche hin, die Konjunktion mit Merkur auf besondere List, die Nähe zum Sternbild Skorpion auf seine giftige Natur, und dass sein Schweif fast bis zum Mars gereicht und sich in Rich- tung Medusa bewegt habe „und also Blut zuvergiessen, vnd Köpffe abzuhawen eilet,“ bedeute Krieg. Doch Gott habe den Anhängern des Papstes „von der höhe jhnen in die Karte gesehen … vns einen Nuncium cælestem aus dem verborgenen herfür geschicket, der wird vns ... die so lange gekochte practica öffentlich verrathen.“. Pest, Krieg und Blutvergießen und „zum dritten grosse verenderung in Regimenten“ in den Jahren 1623 und 1624 kündige der Komet an, und schließlich den Untergang der Papstkirche. „Es sol aber kein Christlicher Evangelischer Mensch vor diesem Cometen erschrecken, sondern vielmehr getrost hoffen, es werde Gott eine starcke hülffe aus Zion senden, oder mit dem lieben Jüngsten Tage bald herein brechen, vnd dieses Vnwesens ein ende machen … . Die aber mügen davor erzittern vnn erschrecken, die sich [durch] sein helles klares Wort nicht wollen erleuchten lassen, sondern dasselbe heimlich vnd öffentlich verfolgen vnnd vnterzudrücken gedencken, sich an die Babylonische grosse Rote Hure hengen, vnnd wie jhrer Sünden, also auch jhrer zeit- lichen vnnd ewigen straffen sich theilhafftig machen.“ Erasmus Schmidt (1570–1637) wurde in Delitzsch als Sohn des Bürgermeisters geboren und besuchte die Fürstenschule in Pforta. Nach dem Studium in Wittenberg war er zu- KOMETEN IM KONFESSIONSSTREIT 69 nächst Privatlehrer und erhielt 1597 den Lehrstuhl für Griechisch, 1614 dazu die Profes- sur für Niedere Mathematik an der damals in besonderer Blüte stehenden Universität Wittenberg. Schmidt war dort zweimal Rektor und bekleidete verschiedene öffentliche Ämter. Er gab die Werke von Pindar und Hesiod heraus, beteiligte sich protestantischer- seits an der Diskussion um die Kalenderreform und gilt als der letzte Wittenberger Hu- manist. Gindhart, Kometenjahr (2006), 75-80. – Thomas Krohn, Über die Schrift ‚Prodromus Conjunctionis Magnae‘ … von Erasmus Schmidt, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Mathematik, Report 13 (Halle 2008). AW

4.4. GÖTTLICHE ENDZEITPROPHETEN Die numerisch-chiliastischen Spekulationen des 17. Jahrhunderts haben ihren Ursprung unter anderem in der Tradition der jüdischen Apokalyptik. In von existentiellen Nöten und Sorgen geplagten Zeiten dienten Weissagungen über eine Erlösung aus der Be- drängnis als Trost für die jüdische Religionsgemeinschaft. Im Gegensatz zu den anderen antiken Kulturen vertritt das Judentum einen kompromisslosen Monotheismus, verbun- den mit der Überzeugung, das auserwählte Volk des einen Gottes Jahwe zu sein. Un- glücke und Nöte werden daher mit der Vorstellung erklärt, am Ende einen endgültigen Triumph erleben zu dürfen. Bereits in den prophetischen Büchern finden sich entspre- chende Vorhersagen. Nach einer vernichtenden Katastrophe werde Palästina als Para- dies wieder entstehen. Dabei werden die Sünder bestraft und die wahren Gläubigen als auserwähltes Volk im neuen Palästina in Frieden weiterleben. Ein zentrales Werk der frühen jüdischen Apokalyptik ist das Buch Daniel. Es entstand 165 v. Chr., zu einer Zeit, in der die jüdische Gemeinschaft unter den griechisch-syrischen Besetzern zer- brach und im Aufstand der Makkabäer endete. Wie häufig in apokalyptischen Texten drückt auch Daniel seine Endzeitvorstellungen durch die Verwendung von Tiersymbo- lik aus. Die griechischen Besetzer werden in Daniels „Traumgesicht“ als das vierte Tier und damit das letzte irdische Reich dargestellt, das mit ungeheurer, dämonischer Kraft alles zerstört. Dies währt so lange, bis das auserwählte Volk der Heiligen Gottes sich erhebt und die Herrschaft über die Erde antritt. Auch in den Prophezeiungen Esras wird der römische Besatzer in Form der Tiersymbolik eines Adlers, dem Wappentier Roms, dargestellt. Dieser wird jedoch durch das Gebrüll des Löwen von Juda vernichtet. Den starken Einfluss der jüdischen Apokalyptik findet man auch im frühen Christen- tum. Eindeutige Parallelen zeigen sich hier in der Johannesoffenbarung (Offb 20,4-6). Aufgrund dieser Prophezeiung hofften die Gläubigen auf die Errichtung eines 1000- jährigen Reiches unter Führung des Messias. Zusammen mit den auferweckten Märty- rern leite dieser damit den Beginn einer Friedenszeit auf Erden ein. Die Christen selbst würden von ihrem irdischen Dasein befreit und zu homines spirituales erhoben. Am Anfang dieses 1000-jährigen Reiches stehe jedoch die Vertreibung des Teufels. Ein Engel fahre, mit einem Schlüssel für den Abgrund in der Hand, vom Himmel und ver- banne den Satan von der Erde in die Hölle. Das Ende dieser Friedensära werde durch die Befreiung des Teufels eingeleitet, der seine Scharen um sich sammle und in den Krieg gegen den Messias und die christlichen Märtyrer ziehe. Nachdem der Teufel je- doch vernichtet sei, beginne die Auferstehung der Verstorbenen und das Jüngste Ge- richt. Durch dieses Weltgericht werde dann die Heilszeit eingeleitet. Ganz in der Tradition der Apokalyptiker entwickelten im 17. Jahrhundert der Rechen- meister Johannes Faulhaber [ 4.4.1.] und der Mathematiker Paul Nagel [ 4.4.3.] Rechenwege, um anhand von biblischen Zahlen den genauen Zeitpunkt von Ereignis- sen, die die Endzeit einleiten, und der Apokalypse selbst zu errechnen. Beide ernannten sich zu gottgesandten Propheten, die alleine um das Geheimnis der Endzeit wüssten. Doch anders als bei Johannes Faulhaber ging es Paul Nagel in seinen beiden Schriften Observatio & explicatio stellae prodigiosae seu cometae per oculum triplicem und An- der Theil des in 1618. Jahre erschienen vnd verschienenen Cometen nicht vorrangig um die Vorhersage der Kometenerscheinung im Jahr 1618. Für ihn stand die Bedeutung von Kometen und Novae seit 1572 für die Gründung eines irdischen Gottesreichs im Vor- GÖTTLICHE ENDZEITPROPHETEN 71 dergrund. Zudem finden sich bei Paul Nagel genaue Daten über den Zeitpunkt des Be- ginns des 1000-jährigen Reiches. Dagegen liegt bei Johannes Faulhaber das Augenmerk auf der Sichtung des ersten Kometen 1618 als Zeichen für die Endzeit und als Bestäti- gung der Tatsache, dass er dessen Erscheinen bereits im Vorfeld vorhergesagt habe. Gindhart, Kometenjahr (2006), 87-112. – Norman Cohn, Apokalyptiker und Propheten im Mittelalter (Freiburg 2007). – Walter Nigg, Das ewige Reich (München/Hamburg 1967). – Volker Leppin, Antichrist und Jüngster Tag: Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum, 1548– 1618 (Gütersloh 1999).

SuG

4.4.1. Neue Gerüchte im Himmelszelt

Johannes Faulhaber, Fama Syderea Nova: Gemein offentliches Außschreiben Deß … Herrn Johanni Faulhabers … Anlangend Den Neuen … Cometstern So den 6. Monatstag Decembr. deß ablauffenden 1618. Jahrs An alle Philosophos … Authoris manu propria Schrifftlichen verfast vnd abgangen, hrsg. von Julius Gerhard Goldtberg. Nürnberg: Halbmayer [1619]. [12] Bl. Philos.2041/2046

Ausgehend von dem ersten, nur schwach sichtbaren Kometen im Jahre 1618 im Zeit- raum von Ende August bis Ende September entwickelte der Ulmer Rechenmeister Jo- hannes Faulhaber die Fama Syderea Nova. Darin setzte er sich mit Zahlen aus apoka- lyptischen Bibeltexten auseinander, durch die er – als gottgesandter Endzeitprophet – den weiteren Weltverlauf zu berechnen im Stande sei. Als Beweis der Richtigkeit seiner numerischen Spekulationen führte er die geglückte Vorhersage des ersten Kometen 1618 auf. Diese habe er bereits fünf Jahre zuvor getätigt. Die Schrift wurde Anfang 1619 in Nürnberg gedruckt und durch den Rosenkreuzer Daniel Mögling unter dem Pseudonym Julius Gerhardinus Goldtbeeg herausgegeben. Am Beginn des Werkes steht eine Widmungsepistel Daniel Möglings für seinen Schwa- ger, die die Auffassung Johannes Faulhabers bestätigt, eine Vorhersage von Ereignissen sei durch die Deutung apokalyptischer Zahlen möglich. Im zweiten Teil ist ein Brief Faulhabers abgedruckt, der als Adressaten alle Philosophen, Mathematiker, Astronomen und Gelehrten Deutschlands anführt. Darin spiegelt sich sicherlich auch Faulhabers Wunsch wider, selbst in deren Gesellschaft aufgenommen zu werden. Auch findet sich ein kommentiertes Verzeichnis der von Faulhaber veröffentlichten Schriften und der Hinweis auf zusätzliche Verdienste des Rechenmeisters sowie eine Auflistung von Wunderzeichen, die im Zusammenhang mit der Kometensichtung auftraten. Abgerundet wird die Fama Syderea Nova durch die Schilderung einer komplexen Messmethode mit Lineal und Faden durch Matthäus Berger. Entwickelt wurde diese von Michael Maestlin, dem Lehrer Johannes Keplers. Dieser Abhandlung stellte Berger eine Bestäti- gung der Erstbeobachtung des Kometen 1618 durch den Ulmer Rechenmeister Faulha- ber voraus. Auffällig ist das Kupfer, das dem Werk Faulhabers beigefügt ist. Hier wird die Auffas- sung des Ulmer Rechenmeisters deutlich, der von ihm gesichtete Komet sei ein von Gott gesandtes Zeichen für die unmittelbar bevorstehende Vernichtung des Bösen und Errettung der Gläubigen im 1000-jährigen Reich. Ein deutlicher Hinweis hierfür und ein Querverweis auf die Johannesoffenbarung ist das Buch mit sieben Siegeln im linken oberen Bereich des Druckes. Die Öffnung dieser Siegel soll durch Christus stattfinden,

72 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

In der oberen Hälfte des Kupfers sind ein Buch mit sieben Siegeln und das apoka- lyptische Lamm dargestellt. Letzteres kennzeichnet den darunter knienden Faulha- ber durch sein Blut als gottgesandten Propheten. Daneben ist der hebräische Schriftzug für Jahwe mit Symbolen für die bevorstehende Apokalypse (gezahnte Sichel, Szepter, geschliffene Sichel) zu erkennen. Schräg darunter befindet sich der von Faulhaber prognostizierte Komet. – Neben einem den Kometen beobachtenden Astronomen in der linken Ecke der unteren Hälfte finden sich hier vor allem End- zeitdarstellungen. Links und rechts sind verängstigte Menschen zu erkennen, die ihr Heil entweder im Gebet oder in der Flucht auf einen Hügel suchen. Im Zentrum des Kupfers befindet sich jedoch die Darstellung des Krieges des Erlösers gegen den Antichristen in Form von Tiersymbolik. GÖTTLICHE ENDZEITPROPHETEN 73 der in Form eines Lammes dargestellt wird. Der Schlüssel oberhalb des Buches kann als Hinweis auf den Schlüssel des Abgrundes in der Johannesoffenbarung oder als Symbol für die Decodierung der Endzeitereignisse in apokalyptische Zahlen verstanden werden. In der unteren linken Hälfte zeigt sich diese Prognose noch einmal deutlich. Drei Perso- nen, die durch Astrolab, Fernrohr und Jakobsstab als Astronomen gekennzeichnet sind, beobachten hier einen Kometen. Die Auffassung, der Komet sei ein von Gott geschaffe- nes Zeichen, zeigt sich in der über ihnen befindlichen Erklärung: „Gott schaffet durch sein Almacht ein Neuen Cometstern aus einer Materi so Ime beliebt.“ Eine Anspielung auf die Behauptung, Faulhaber habe das Erscheinen des Kometen bereits vorhergesagt, findet sich in dem Textstück unterhalb der drei Personen: „Faulhaberus hat uff 1. Sep- temb: 1618 diesen Stern Prognosticirt“. Im Zentrum des Kupfers steht jedoch die Darstellung eines Kampfes zwischen Adler und Löwe. Faulhaber bedient sich hier der bereits in der jüdischen Apokalyptik genutz- ten Tiersymbolik. Eindeutige Querbezüge zur Offenbarung des Johannes finden sich in diesem Abschnitt zum Beispiel in dem dreifachen Wehe-Ruf des Adlers nach der vier- ten Posaune über dem Heer (Offb 8,13) und dem Regen aus Hagel, Feuer und Blut, der als Folge der ersten Posaune auftritt (Offb 8,7). Zu Beginn des 1000-jährigen Reiches steht eine der göttlichen Strafen, der Krieg. Der Löwe symbolisiert hier womöglich den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, der dreiköpfige Adler verkörpert als viertes Tier der Apokalypse Daniels, also als letztes irdisches Reich, das Haus Habsburg. In zeitge- nössischen Prophezeiungen finden sich Anspielungen auf Friedrich V. als zukünftigen Sieger über das als Antichrist bezeichnete Papsttum und die durch Friedrich repräsen- tierte weltliche Gewalt. In der Schlacht des „Löwen“ Friedrich V. gegen den Adler als Vertreter des irdischen Weltreiches zeigt sich also die Vernichtung des Weltlichen zu- gunsten der Erlösung der Menschheit. Programmatisch fügt sich die Schrift damit in die politisch-utopischen Hoffnungen ein, die die protestantischen Mächte mit der Einset- zung des „Winterkönigs“ auf den böhmischen Thron verbanden. Unübersehbar sind die ikonographischen Bezüge zu einem der zentralen Rosenkreuzer-Manifeste, dem 1618 erschienenen Speculum sophicum Rhodo-Stauroticum, als dessen Autor der gleiche Da- niel Mögling gilt, der auch als Herausgeber der Faulhaberschen Schrift firmiert. Der aus Ulm stammende Johannes Faulhaber (1580–1635) begann im Alter von 15 Jah- ren eine Lehre bei dem Rechenmeister David Selzlin. Bereits zu dieser Zeit interessierte er sich nach eigenen Angaben für die Schriften der Apokalypse und die darin genannten Zahlen. Nach Ende seiner Lehrzeit trat Faulhaber im Jahre 1600 die Stelle eines deut- schen Schulmeisters in Ulm an. 1606 verkündete er erstmals das unmittelbare Bevorste- hen des Jüngsten Gerichts, was ihm eine kurze Haftstrafe wegen Gotteslästerung einbrachte. Faulhabers erste Veröffentlichung erschien 1604 unter dem Titel Arithmeti- scher Cubicossischer Lustgarten: Anhand von 160 Rechenaufgaben wollte Faulhaber sein mathematisches Können unter Beweis stellen. Die Lösungswege zu seinen Aufga- ben veröffentlichte er nicht, sondern gab sie nur persönlich an (zahlende) Schüler wei- ter. In vielen seiner darauffolgenden Publikationen – zu nennen wäre hier beispielsweise der 1612 erschienene Newe Mathematische Kunstspiegel – beschäftigte sich Faulhaber mit Zahlenspekulationen über die Apokalypse, wobei er wissentlich die Zensurbehörde der Stadt Ulm täuschte und so den Unwillen des Rates der Stadt auf sich zog. Die Er- mahnungen von weltlicher wie kirchlicher Seite beeindruckten ihn jedoch nicht. Den Sinn seiner Zahlenspekulationen begründete Faulhaber wie folgt: 74 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

„Die Zahlen sind Göttliche geheime Sachen, Göttliche Zeugnussen. Die gantze heilige Schrifft gebraucht sich derselbigen, Darvon ist auch alles in der Natur, in seine Proportz vnd maß ge- gangen, durch den Willen deß Allmächtigen, der es gemacht.“ [Andeutung Einer vnerhörten newen Wunderkunst (A ivr), wobei Faulhaber als Quelle Johannes Dobricius Sittanus, Zeiterin- nerer (1612, Bl. 49) angibt.] Der größte Wunsch Faulhabers war es jedoch, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen. Daher pflegte er besonders Kontakte zu hohen Herren. Dabei half ihm seine seit 1622 ausgeübte Tätigkeit als Festungsbauingenieur, die ihm – angesichts des seit 1618 herr- schenden Kriegszustands – Ansehen, finanziellen Wohlstand und sogar ein Stellenange- bot des Königs von Schweden Gustav Adolf einbrachte. Gindhart, Kometenjahr (2006), 87-102. – Walter Nigg, Das ewige Reich (München/Hamburg 1967). – Kurt Hawlitschek, Johann Faulhaber, 1580–1635: Eine Blütezeit der mathematischen Wissenschaften in Ulm (Ulm 1995) – Ivo Schneider, Johannes Faulhaber 1580–1635: Rechenmeister in einer Welt des Umbruchs (Basel 1993). – Frances A. Yates, Aufklärung im Zeichen des Rosenkreuzes, 2. Aufl. (Stuttgart 1997). SuG/JaB

4.4.2. Ulmer Kometenstreit

Johann Baptist Hebenstreit, Cometen Fragstuck, auß der reinen Philosophia: Bey Anschawung deß in diesem 1618. Jahr in dem Obern Lufft schwebenden Cometen erläutert vnd an Tag gegeben. Ulm: Meder, 1618. [1] Bl., 18 S. IM/Philos.1365 / Philos.2034 angeb.16

Hisaias sub cruce [= Simpert Wehe], Expolitio Famae sidereae novae Faulhaberianae, das ist statliche Außputzung deß hochfliegenden, aber doch ubel gefiderten allgemeinen, offentlichen Faulhaberischen Außschreibens an alle Gelehrte in gantz Teutschland: Anlangend den newen und von ihme … lang zuvor prognosticirten Cometsterns. [Ulm:] Parnasische Truckerey, 1619. 25 S. Philos.2046

Faulhabers Schrift rief eine heftige Polemik hervor, die als ‚Ulmer Kometenstreit‘ in die Geschichte einging. Zu seinen erbittertesten Gegnern gehörten zwei Lehrer am Ulmer Gymnasium: Simpert Wehe und der Rektor Johann Baptist Hebenstreit, welcher sogar eine gerichtliche Vorladung Faulhabers erwirkte. Kritikpunkte waren die fehlenden An- gaben über die für die Prognostik verwendeten Methoden, die Selbststilisierung des Rechenmeisters als gottgesandter Prophet und die Tatsache, dass bereits Kepler für 1618 eine Kometensichtung für möglich gehalten hatte und Faulhaber in dieser Hinsicht ein Plagiat vorzuwerfen sei. Auch wenn Faulhaber in Hebenstreits Cometen Fragstuck an keiner Stelle namentlich genannt wird, ist die Schrift dennoch eindeutig gegen dessen Vorstellung einer Voraus- berechnung von Kometen mit Hilfe von apokalyptischen Zahlen gerichtet. Sehr viel expliziter ist in dieser Hinsicht die von Simpert Wehe unter dem Pseudonym Hisaias sub cruce veröffentlichte Hetzschrift Expolitio Famae sidereae novae Faulha- berinae. In dieser „Ausputzung“ schreibt Wehe, er habe von der Fama des berühmten Herrn Faulhaber gehört und sei begierig gewesen, das Werk zu lesen. Als er es dann aber endlich gelesen habe, sei er nicht nur tief enttäuscht, sondern auch wütend darüber gewesen; denn was er sich davon versprochen habe, habe sich nicht bewahrheitet. Statt dessen enthalte Faulhabers Werk nur Nichtigkeiten, hochmütige Dummheit und törich- ten Hochmut. Die Kalkulationen, die angeblich nur Faulhaber aufgrund seiner gottgege- benen Fähigkeiten entschlüsseln könne, seien „an den Haaren herbeigezogen“, „unnüt- GÖTTLICHE ENDZEITPROPHETEN 75 zes Geschmier“ und eine Beleidigung für richtige Gelehrte, die sich damit höchstens die Schuhe abputzen könnten. Zu anderem seien diese „lächerlichen Kinderpossen“ nicht zu gebrauchen; ja so haarsträubend sei die Fama, dass Wehe beim Lesen fast in Ohnmacht gefallen wäre. Obwohl Wehe sich nicht als Gelehrten betrachtet, nutzt er geradezu inflationär lateini- sche Begriffe, um seine Bildung und geistige Überlegenheit gegenüber Faulhaber her- auszustellen. Er sieht sich als den Retter der wahren Gelehrten, der einen Scharlatan in seine Schranken weist und den Schwindel aufdeckt. Unterstrichen wird der persönlich geführte Angriff durch den subjektiv-beleidigenden Stil der Expolitio. Nicht einmal seinen Namen könne Faulhaber richtig deklinieren: kein Wunder, da er, außer bei sei- nem Rechenmeister David Selzlin, nichts gelernt habe – und auch dieser sei ein schlech- ter Mathematiker und Lehrer gewesen. Außerdem listet Wehe schulmeisterlich alle Fehler und Mängel auf, die ihm in der Fa- ma aufgefallen sind. So kritisiert er vor allem die fehlenden Erklärungen der Berech- nungsverfahren. Da Faulhaber offensichtlich auf Anerkennung durch die Gelehrten aus sei und er mit seiner Schrift der Menschheit nutzen wolle, so hätte er seine Rechnungen eigentlich begründen müssen, denn anders sei der Respekt der Wissenschaft und der Dank der Welt nicht zu erlangen. Die Schlussfolgerung Wehes ist einfach: Faulhaber konnte keine Erklärung liefern, weil es keine gab! Deshalb sei dem Ulmer Rechenmei- ster nichts anderes übrig geblieben, als sich auf seine göttlichen Gaben zu berufen, um den Schwindel zu vertuschen. Seinen „prognosticirten“ Kometen habe er von Johannes Kepler abgeschrieben, und selbst dabei sei ihm noch ein Fehler unterlaufen, da Kepler keinen exakten Tag für das Erscheinen des Kometen genannt hatte. Auch andere Werke Faulhabers erhalten bei der Gelegenheit den einen oder anderen Seitenhieb als nichtssagend und lediglich schön formuliert. Wehe prangert ferner Faul- habers theologische und naturkundliche Unwissenheit an und zeigt, dass Erscheinungen wie die blutrote Sonne, das Erscheinen von drei Sonnen zugleich oder der Halo um den Mond nicht als Wunderzeichen, sondern als natürliche Phänomene zu erklären sind. Wehes Fazit lautet, Faulhaber sei es nicht wert, einem echten Mathematiker den Staub von den Schuhen zu blasen. „Also gehets, wenn ein jeglicher schäbiger Weber von ho- hen Sachen discurieren und an alle Gelehrte in ganz Teutschland außschreiben will.“[23] Johann Baptist Hebenstreit (ca. 1580–1638) hatte in Tübingen studiert und war dann Privatlehrer, bevor er 1606 Rektor in Lindau am Bodensee wurde. 1610 kam er als Rek- tor und Professor für Rhetorik, Poetik und Sittenlehre an das Gymnasium in Ulm, wurde aber von 1623 bis 1628 seiner Amtspflichten entbunden. Hebenstreit war Autor zahlrei- cher kleiner theologischer und moralphilosophischer Werke. Simpert [Zimpertus] Wehe (fl. 1610–1629) wurde 1610 Pfarrer in Jungingen und zu- gleich Präzeptor am Gymnasium in Ulm. 1620 wechselte er auf eine Pfarrstelle in Nel- lingen, sei aber 1629 „nach Ungarn entlaufen“. Gindhart, Kometenjahr (2006), 87-102. – DBA I, 491, 4-9; 1430, 4. – DBA I, 1339, 450. JaB 76 DAS GROSSE KOMETENJAHR 1618

4.4.3. Das Ende naht!

Paul Nagel [Nagelius], Stellae Prodigiosae Seu Cometae per oculum triplicem observatio & explicatio. Das ist: Des newen Cometen vnd WunderSterns im October, November vnd December 1618. erschienen, warhafftige Deutung. Erfurt: Mechler, 1619. [24] Bl. Philos.2034 angeb.17

Paul Nagel [Nagelius], Ander Theil Des in 1618. Jahre erschienen vnd verschienenen Cometen: So an diesem Orte zur Proba begreifft eine … interpretation Des newen wunder-Sterns 1572. vnd des Cometen 1577. erschienen. [s.l.] 1619. [28] Bl. Philos.2034 angeb.17a

Kometen stehen bei Paul Nagel neben anderen irdischen Ereignissen als Zeichen für den Beginn einer 1000-jährigen Friedenszeit, der dritten Ära, unter der Führung des Erlö- sers. Schließlich sei die gesamte Kirchengeschichte in den Offenbarungstexten der Bi- bel und im Himmel und seinen Gestirnen niedergeschrieben. Durch Erscheinungen wie den Kometen von 1618 kündige Gott wichtige, unmittelbar bevorstehende Ereignisse an. Eine Ausdeutung dieser Zeichen sei jedoch nur mit Hilfe der an die Propheten durch Gott gegebenen interpretatio mentalis möglich. Die traditionelle Deutung durch das Volk, die interpretatio sensualis, führe zwar zu Buße und Umkehr der Sünder, da diese den Kometen durchaus als Zornzeichen Gottes auffassen; eine weitergehende eschato- logische Deutung sei ihnen aber verwehrt. Auch die rein wissenschaftliche Untersu- chung ohne Bibelbezug, die interpretatio rationalis, reiche hierfür nicht aus. Denn eine wirkliche Vorhersage ist auch bei Paul Nagel allein durch die Verwendung der apoka- lyptischen Zahlen in der Bibel durch einen auserwählten Endzeitpropheten möglich. Anhand der symbolischen Zahl 42, die für die apokalyptische Zahl 1000 den mathema- tischen Wert darstelle, berechnet er nun für das Jahr 1620 den Beginn diverser Ereignis- se, die die 1000-jährige Friedenszeit einleiten sollen, und für das Jahr 1624 den endgültigen Anfang dieses Reiches. Nach diesen 1000 apokalyptischen Jahren, die auf der Erde 30 oder 42 Jahren entsprächen, sieht er das Weltende und das Jüngste Gericht für die Jahre 1654 bzw. 1666 voraus. Dabei geht er folgendermaßen vor: 42 Monate aus Offb 20,10 werden in Tage umgerechnet. Dies ergibt etwa eine Anzahl von 1260 Tagen. Nach Offb 20,12 („eine zeit / und zwo zeit / und eine halbe zeit“) las- sen sich diese 1260 Tage laut Nagel wiederum mathematisch folgendermaßen beschrei- ben: 1260 = 360 + 2 · 360 + 1/2 · 360. Die Zeit wird hier also als die Zahl 360 verstanden. Zählt man diese zu den in der Apokalypse beschriebenen 1260 Tagen, so erhält man das Jahr 1620. Unterstützt wird diese Annahme durch die Rechnung, die die Quersummen des Kometenjahres 1618 (16) und des Kometenjahres 1577 (20) mitein- ander verknüpft. Das Jahr 1624 als Beginn der Friedenszeit errechnet Paul Nagel dagegen mit Hilfe von Himmelsbeobachtungen an Saturn, Jupiter, Mars und der Nova von 1604. Diese fasst er als Zeichen auf und setzt ihre Vierzahl der Zeit (360) gleich. Daher kann er die 360 in oben genannter Formel einfach durch die 4 ersetzen. 4 + 2 · 4 + ½ · 4 = 14. Dieses Er- gebnis addiert er zu dem ereignisreichen Himmelsjahr 1604. Somit erhält er zunächst das Kometenjahr 1618. In den darauf folgenden Jahren sollten sich dann die daraus ent- standenen Folgen bis zum Friedensreich kumulieren. Den Zeitpunkt des Eintretens er- rechnet Nagel daher folgendermaßen: 1618 + 2 + 2 · 2 + ½ · 2 = 1624. Paul Nagel erntete viel Kritik für seine chiliastischen Spekulationen. Zum einen, da in seinen Werken Erklärungen zu den einzelnen Rechenwegen fehlen, einige Ergebnisse wirken so recht willkürlich. Zum anderen wurde er von Gegnern als Anhänger des Teu- GÖTTLICHE ENDZEITPROPHETEN 77 fels abgetan. Aus heutiger Sicht ist oft die Verwendung symbolischer Zahlen, wie die apokalyptische Zahl 1000 für die mathematische Zahl 42, nicht mehr nachvollziehbar. Über Paul Nagel ist nur wenig bekannt. So bleiben selbst sein Geburts- und Sterbeda- tum unklar. Geboren wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, kritisierte Nagel vor allem den sündigen Lebenswandel der Menschen auf Erden. Die Theologie sei zu einer Theorie ohne Praxis geworden und so zum bloßen Buchstaben verkommen. Daher forderte Nagel auf, sich von den Menschenschulen ab- und denen des Heiligen Geistes zuzuwenden. Durch seine chiliastischen Berechnungen glaubt Nagel, das Hereinbrechen der Sintflut über die Menschheit – als göttliche Strafe für die begangenen Sünden – vor- hersagen zu können. Seine Anhänger sehen den Beweis für die Richtigkeit von Nagels Theorie im Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618, der Leid und Tod über die Menschen brachte. 1619 wurde Paul Nagel vor die theologische Fakultät in Wittenberg zitiert, die ihm, mit der Begründung ein Anhänger Luzifers zu sein, ein Begräbnis in geweihter Erde untersagte. Vermutlich starb Paul Nagel im Jahr 1621 oder später. Gindhart, Kometenjahr (2006), 102-112. – ADB 23 (1886), 215-216. SuG/JaB

5. BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL: DER KOMET VON 1664/65 Die Kometen haben im 17. Jahrhundert sowohl das sog. einfache Volk als auch die Ge- lehrten beschäftigt. Seit Tycho Brahe erkannt hatte, dass Kometen nicht, wie bisher an- genommen worden war, der Sphäre unterhalb des Mondes zuzurechnen sind, kam den Kometen im Kontext akademischer Astronomie eine wichtige Rolle zu, da ihre Existenz als Beleg für die Fehlerhaftigkeit des alten, ptolemäischen Weltbildes angesehen wurde. Für das einfache Volk hingegen waren Kometen zunächst vor allem eines: beunruhi- gend. In der Tradition populärer Kometendeutung herrschte die Überzeugung vor, ein Komet sei Verkünder – oder gar Auslöser – großen Unheils. Kometen schürten Ängste; ihr Erscheinen ließ, nach damaligem astrologischen Verständnis, auf eine sehr breite Palette an Übeln schließen: Krankheit, Krieg, Änderung der Religionen und Reiche, Erdbeben, Pest, Hochwasser, Wind, Teuerung, Hungersnöte u.v.m. Das Jahr 1665 ist eines der sehr wenigen Jahre, in denen gleich zwei verschiedene Ko- meten am Himmel standen; der erste (C/1664 W1) war im November 1664 zum ersten Mal gesehen worden und blieb bis Januar 1665 sichtbar, der zweite (C/1665 F1) er- schien im April 1665. Das Bedürfnis nach einer Beschreibung, vor allem aber nach ei- ner Deutung der neuen „Schwantzsterne“ im Volk war groß. Dementsprechend viele Autoren haben sich zu diesem Thema geäußert; in der Folge sind weit über 100 Schrif- ten zu den Kometen von 1664 und 1665 erschienen. Dem Bedürfnis nach Deutung kommen die Schriften, welche im Folgenden vorgestellt werden sollen, auf unterschied- liche Weise nach. Alle stammen aus dem Jahr 1665 und beschäftigen sich mit dem Ko- meten C/1664 W1: Christoph Schorer in seiner Kurtzen Relation [ 5.0.1.] mit der Souveränität eines erfahrenen Astrologen, der anonyme Verfasser der Nürnbergischen Observation [ 5.0.2.] mit christlichem Religionseifer und Adam Herdrich in seinen beiden in Regensburg gedruckten Flugblättern [ 5.0.3.] auf recht plakative Weise. Allen gemeinsam ist die Überzeugung: Der Komet hat uns etwas zu sagen, ist ein Zei- chen Gottes. Wie freilich der Komet auszulegen ist, darin unterscheiden sich die drei Autoren. Andere Flugblätter fanden offenbar als bloße Sensationsbilder Absatz, obwohl sie sich jeglicher Deutung enthielten [ 5.0.4. und  5.0.5.]. Ein aufwendiger Thesen- druck aus der Jesuitenuniversität Ingolstadt hingegen weist alle Ausdeutungen schroff zurück und disputiert die Himmelserscheinung im Rahmen neuscholastischer Gelehr- samkeit [ 5.0.6.]. Christian Heitzmann, Die Sterne lügen nicht: Astrologie und Astronomie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Wiesbaden 2008), 170-177. – Elisabeth Heitzer, Das Bild des Kometen in der Kunst: Untersu- chungen zur ikonographischen und ikonologischen Tradition des Kometenmotivs in der Kunst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert (Berlin 1995). – Volker Weidemann, Theatrum cometicum: Hamburg und Kiel im Zeichen der Kometen von 1664 und 1665 (Göttingen 1987). – Brüning, Bibliographie (2000). FH BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 79

5.0.1. Natürliche Mittel – natürliche Wirkungen

Christoph Schorer, Kurtze Relation und Discurs, Von dem Cometen, deß 1664. Jahrs: Auff vieler Begeh- ren in Truck gegeben. Ulm: Balthasar Kühn, 1665. [14] S. IM/Philos.2205a

Die Kurtze Relation entstammt der Feder des Memminger Astrologen, Arztes und Ka- lendermachers Christoph Schorer (1618–1671). Ab 1639 studierte er Medizin in Straß- burg, Basel, Montpellier und Padua, wo er promoviert wurde. Neben seinem Studium war er zwischen 1643 und 1647 auch als Hofmeister in Binningen tätig. Seit 1650 war Schorer Rat des Herzogs von Württemberg-Mömpelgard; in dieser Zeit näherte er sich – u.a. mit geistlicher Lieddichtung – der Reformorthodoxie. Nach seiner Promotion im Jahr 1654 wurde er Stadtarzt in Memmingen. Schorer hat eine Reihe von Schriften zu einem breiten Spektrum von Themen veröffentlicht. So betätigte er sich als Historio- graph (Memminger Chronik, 1660), Astrologe (u.a. Schriften zu den Kometen von 1652 und 1664), Kalendermacher (ab 1641 Herausgabe von 31 Jahrgängen seines Kalenders), Sprach- und Sittenkritiker (z. B. Der Sprachverderber, 1643) und – natürlich – als Me- diziner (z. B. Kurtzer Bericht von der Pestkrankheit, 1680 postum veröffentlicht). Die Schriften Schorers sollen sich großer Beliebtheit erfreut haben. Viele seiner kleinen Traktate wurden wiederholt aufgelegt bzw. nachgedruckt. Auch von der Kurtzen Relati- on ist ein Regensburg ein Nachdruck vorhanden [StBR IM/Philos.2204/2205 angeb.18]. Schorer soll die Leser durch seine unterhaltsame und allgemeinverständliche Sprache für sich eingenommen haben. Allerdings attestierte man ihm einen Hang zum Belehren- den, um nicht zu sagen: zum Predigen. Und obwohl es für den Sohn einer wohlhaben- den Patrizierfamilie nicht schicklich war, betätigte er sich immer wieder als Sternendeuter. Es wird berichtet, dass er für 1643 den Weltuntergang vorhersagte und nachdem der Termin verstrichen und die Welt noch nicht untergegangen war, aus Straßburg fliehen musste; auch soll er das Ende des Dreißigjährigen Krieges für 1646 vorausgesagt haben. Durch derlei Fehlschläge, aber auch durch die Auseinandersetzung mit gegen ihn gerichteten Publikationen, scheint Schorer mit zunehmendem Alter in Bezug auf die Deutung der Himmelskörper vorsichtiger geworden zu sein. Nichtsdesto- trotz stand für Schorer fest: Die Sterne haben eine gewisse Wirkung auf den Menschen – wenn auch keine zwingende. In der Kurtzen Relation zum Kometen von 1664 äußert sich Schorer zum wiederholten Male zu diesem Thema; zwölf Jahre zuvor hatte er eine Schrift zum Kometen von 1652 publiziert. Ende November 1664 kündigte sich nun erneut ein Komet an. Von den nahe- liegenden Dörfern Steinheim und Berg war Ende November 1664 die Nachricht von einem „neuen Stern“ in die Reichsstadt Memmingen gedrungen. Nachdem am 17. Dezember das Gerücht in Umlauf kam, der „neue Stern“ sei auch über der Stadt gesehen worden, beauftragte Schorer die Stadtwache, ihm unverzüglich zu melden, wenn der Komet gesichtet würde. Am 18. Dezember gegen 5 Uhr morgens schließlich kam eine solche Meldung. Schorer reagierte prompt: „Ich machte es nicht lang, nahme meine Himmels-Kugel und Astroscopium zu mir, verfügte mich an einen zur observati- on bequemen Ort, und sahe den Cometen mit Verwunderung an solchem Ort des Him- mels, wie in der Figur [dem Titelkupfer] zu finden.“ Während des Tages war allerdings kein Komet zu sehen. Auch in der darauffolgenden Nacht hielt Schorer Ausschau – und wurde um 2 Uhr morgens für seine Beharrlichkeit belohnt: „Und ob Er wol darauff von den annahenden Wolken halb bedeckt war, liesse Er sich doch hernacher von 4 Uhr biß gegen anbrechendem Tag, gar scheinbarlich se- 80 DER KOMET VON 1664/65 hen.“ Schorer hatte Informationen, welchen zufolge der Komet in Mömpelgard (Mont- béliard) und Nürnberg mit einem sehr großen Schweif gesehen worden sein sollte; Schorer hingegen konnte keinen solchen Schweif beobachten. Solche Ungereimtheiten, aber auch die an ihn herangetragene Bitte, sich zu dem Himmelsphänomen zu äußern, veranlassten Schorer, seine beiden Werke Kurtze Relation sowie, noch im selben Jahr, Fernere Relation und Discurs (Ulm 1665; StBR IM/Philos.2205a) zu veröffentlichen.

Schorers Kurtze Relation zeigt in einem Kupferstich auf der Titelseite die Position des Kometen in der Nähe der Sternbilder Rabe (lat. Corvus) und Becher (lat. Cra- ter). Zugrunde liegen Kometenbeobachtungen am 18. und 20. Dezember gregoria- nischer bzw. am 8. und 10. Dezember julianischer Zeitrechnung. Die mit Tropicus Capricorni beschriftete Linie entspricht dem südlichen Wendekreis, Æquinoctialis markiert die Tag- und Nachtgleiche, Zodiacus den Tierkreis.

Was die Deutung von Himmelserscheinungen betraf, galt Schorer als anerkannte Auto- rität. Dementsprechend handelt die 14 Seiten umfassende Kurtze Relation weniger von der Beschaffenheit als von der Auslegung des Kometen. Allerdings weist Schorer den Leser gleich zu Beginn darauf hin, man solle sich davor hüten zu glauben, aus Kome- tenerscheinungen ließen sich detaillierte Vorhersagen ableiten: „Man urtheile die speci- al-Bedeutung der Cometen, wann, wie, wo und was, wie man wolle, so seyn es doch nur Muthmassungen, worauß nichts unfehlbares geschlossen werden kan.“ Zwar sei der Komet von Gott gesandt, aber es sei anzunehmen, dass er „auß Natürlichen Mitteln und Materi“ bestehe und dementsprechend auch nur natürliche Wirkungen entfalte. Ein BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 81

Komet künde lediglich von Gottes Zorn, er bringe ihn nicht direkt mit; uns bliebe im- mer noch die Möglichkeit, auf das göttliche Zeichen zu reagieren und Buße zu tun. Die Grundstimmung in dieser Kometenschrift ist weniger pessimistisch als in derjeni- gen Kometenschrift, die zwölf Jahre zuvor publiziert worden war. Sicherlich tritt Scho- rer in der Kurtzen Relation eher als Astrologe denn als Astronom auf. Allerdings verraten viele Äußerungen seine differenzierte, reflektierte Einschätzung der Leistungs- fähigkeit der Astrologie und der Aussagekraft der Himmelskörper. In jedem Fall scheint Schorer seinem Publikum die Angst vor dem Kometen nehmen zu wollen: „Die Welt ist groß, und wann der comet allen diesen Ländern, wo Er gesehen wird, was böses ver- kündigen sollte, so würden wenig leer außgehen.“ Karl Bosl (Hrsg.), Bosls bayerische Biographie: 8000 Persönlichkeiten aus 15 Jahrhunderten (Regens- burg 1983), 698. – Friedrich Braun, Christoph Schorer von Memmingen: Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geisteslebens im 17. Jahrhundert (München 1926). – Walther Killy, Rudolf Vierhaus (Hrsgg.), Deutsche biographische Enzyklopädie, Bd 9 (München 1998), 117. FH

5.0.2. Der stumme feurige Prediger

Nürnbergische Observation deß Neuen Comentens, das ist: Kurtze historische Erzehlung; deß im nech- sten Monat Decembris, vergangenen 1664. Jahrs, erschienenen erschröcklichen Comet-Sterns wunderba- ren weiten Lauffs, Veränderung und Ende. Wie solcher anzusehen und zu betrachten; auch was von solchen zu förchten und zu hoffen seyn möchte. Mit beygefügtem Kupfferstuck seines gantzen Lauffs. Nach Möglichkeit observirt und vorgestelltet, von Einem Cultore der Christlichen Astrologie. Nürnberg: Endter, 1665. [36] S. Philos.3201k

Der Verfasser der Nürnbergischen Observation blieb anonym; auf dem Titel bezeichne- te er sich als Liebhaber der christlichen Astrologie. Allerdings ist sein Name heute be- kannt: Der Vergleich der vorliegenden und anderer Schriften, die den übereinstim- menden Beobachtungsdaten nach zu schließen von demselben Autor stammen, ergab, dass es sich um einen gewissen M.P.S. handelte. Ein Stadtrechnungsbeleg vom 20. Juli 1665 erlaubte, das Monogramm aufzulösen: Danach ist der Verfasser ein gewisser Mi- chael Paul Spies, der von 1602–1681 gelebt haben soll. Dokumentiert ist weiterhin, dass er Geselle des Buchhändlers Michael Külssner gewesen ist; vermutlich hat er in die Buchandlung Külssners eingeheiratet und diese weitergeführt. Die Nürnbergische Observation lässt sich in drei Abschnitte untergliedern: Einer Vor- rede folgen eine Beschreibung des Laufs des Kometen sowie die historisch-astro- logische Einordnung des beobachteten Kometen. Im Vorwort weist der Autor unter Bezug auf verschiedene Bibelstellen darauf hin, dass es Gottes Wille sei, die Sünder zu bekehren, nicht zu vernichten. Gottes Strafe erfolge nicht sofort, vielmehr warne er die Menschen „durch treue Lehrer und Prediger“, aber auch „mit vielen Zeichen und Wundern am Himmel, Firmament, Lufft, Erden und Was- ser“. Die Kometen der vergangenen Jahrzehnte werden als gottgesandte Künder großen Unheils aufgefasst. „Weiln nun diese dann meistentheils fremd, unbekand oder verges- sen; gleichwol hoher Importantz, bin ich gewillet gewesen, was von solchen beschrie- ben [ … ] aus etlichen Authorn zu extrahiren, und denen, so der Wunder GOTTES und seiner Warnungen Liebhaber, und solche annehmen, zu Dienst, herfür zugeben.“ Auch das Jahr 1664 habe seinen „stummen feurigen Prediger“ – den Kometen, der im De- 82 DER KOMET VON 1664/65 zember am Himmel erschienen ist. Wie viele andere sei der Autor dazu bewogen wor- den, Kometenbeobachtungen anzustellen. Die Ergebnisse seien eigentlich nicht für die Publikation gedacht gewesen. Nicht nur „viel ungeräumte Reden und Relationes, son- dern so gar, ganz falsche Abriß“ aber über diesen Kometen hätten jedoch „allerhand Irrung verursachet“, weshalb sich der Autor veranlasst sah, seine Ergebnisse zu veröf- fentlichen, um so die fehlerhaften Berichte zu korrigieren.

Ein prächtiges, etwa 40 cm breites Titelkupfer bildet, zweimal gefaltet, das erste Blatt der Nürnbergischen Observation. Im Bild – das, wie der Autor des Textes verlauten lässt, „auch wol Winterszeit, zu Erkentniß vieler Sterne, gegen Mitter- nacht“ benutzt werden kann – dargestellt ist die Position des Kometen und die Richtung seines Schweifes zu verschiedenen Zeitpunkten, beginnend am 29. No- vember 1664 (die Tagesangaben richten sich hier nach dem Julianischen Kalender, zur Umrechnung in gregorianische Zeitrechung müssen zehn Tage addiert werden) im Tierkreiszeichen Waage, endend Anfang Januar 1665 im Tierkreiszeichen Stier. Die drei bogenförmigen Linien, die sich über die gesamte Breite der Abbildung erstrecken, stellen den Himmelsäquator sowie den nördlichen (Tropicus Cancri) und den südlichen Wendekreis (Tropicus Capricorni) dar.

Auf die Schilderung von Lauf und Aussehen des Kometen im Dezember 1664 und Ja- nuar 1665 folgt eine „Unvorgreiffliche Betrachtung dieses, und anderer vieler vorher gegangenen Cometen“. Zwei Gruppen beschäftigten sich mit Kometen: Gelehrte und „einfältige Leute“. Die Gelehrten vergäßen über ihre Diskussionen physikalischer De- tails des Kometen, „warum er nemlich erschienen, was er uns anzeigte, und wie wir dem Unheil entgehen sollen“. Wenn auch die Astrologie nicht in der Lage sei, die ge- naue Bedeutung einzelner Kometen herauszufinden, so zweifelt der Autor doch nicht daran, dass Kometen schon immer von kommenden Strafen oder schwerwiegenden Veränderungen gekündet haben. Der Autor fährt damit fort, den Kometen von 1664 anhand neun verschiedener Kriterien zu beschreiben: Größe, Farbe, Schein, Position am Himmel, Beschaffenheit und Rich- tung des Schweifes, Lauf am Himmel, „wie lang er geschienen“, ob er „der Sonnen vor- oder nachgehe“ sowie der Vergleich der Position des Kometen mit der Position der Pla- neten und Fixsterne. Sodann wendet sich der Autor der Schilderung früherer Kometen BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 83 und ihrer Auswirkungen auf den Lauf der Geschichte zu. Eines von zahlreichen Bei- spielen: „Anno Christi 668. hat ein Comet, 12. Tage lang im Scorpion geleuchtet. Auf welchen sobald, Lotharius König in Frankreich, dazu Aripertus und Gundepert, der Longobarden Könige gestorben.“ Nach solcher allgemeinen Schilderung historischer Kometen wird eine Deutung in Bezug auf die Tierkreiszeichen, in denen die jeweiligen Kometen erschienen, vorgenommen. Alles in allem wird die Erscheinung von Kometen in der Nürnbergischen Observation als beängstigendes, Unheil mit sich bringendes Phänomen dargestellt, um schließlich um so eindringlicher auf die Leserschaft einzuwirken und diese zur Buße zu mahnen. Zur Abkehr von der Sünde aufzurufen, ist Kern der vorliegenden Schrift: Der Leser möge sich „mit rechtschaffener Busse zu dem noch gnädigen Gott“ wenden, welcher „eben deßwegen solche Zeichen erscheinen lässet, daß man sich bekehre“. Hans Gaab, Der Altdorfer Mathematik- und Physikdozent Abdias Trew, 1597–1669. Phil. Diss. Univ. Regensburg 2009. FH

5.0.3. Ins Maul des Walfischs

Adam Herdrich, Observation Zweyer Cometen- oder Schwantzstern Gehalten alhie in der Römischen Kayserl. Reichs-freyen Stadt Regenspurg. Anno 1664. und 65. Im Monath December und Januarij. [s.l.]1665. [1] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.12

Adam Herdrich, Observation des Comoeden Welcher dises 1665. Jahrs ... allhier in der kayserl. freyen Reichs Stadt Regenspurg ... gesehen worden. [Regensburg:] Fischer, 1665. [1] Bl. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Sig. HBF.6200-[29].

Der ca. 35 x 40 cm große Einblattdruck beschreibt die Beobachtungen zweier „Cometen oder Schwantzstern“ in Regensburg im Dezember 1664 und im Januar 1665. Auch wenn im Titel von zwei Kometen die Rede ist, war dem Autor offenbar bewusst, dass es sich um nur einen einzigen Kometen (C/1664 W1) handelte, der – mit Unterbrechung während des Perihelumlaufs – im Winter 1664/65 über Regensburg sichtbar war. Das Flugblatt enthält zwei kurze Texte, welche die beiden Karten erläutern, die die je- weiligen Positionen des Kometen am Sternenhimmel darstellen. Die ersten Beobach- tungen wurden am 19. und 25. Dezember (gregorianischer Zeitrechnung) gemacht. Der Komet soll bei seiner ersten Sichtung einen sehr hellen, etwa 18 Grad langen Schweif gehabt haben. Auf die astronomische Beschreibung von Position und Aussehen folgt eine astrologische Einordnung: „Die Natur der Gegend da er gestanden, ist ♄ Satur- nisch, ♂ Martisch, mit ♀ Venerisch und ☿ Mercurialisch. Die Bedeutung dessen so sehr böß, werden die unter der Waag und Jungfrau am meisten empfinden.“ Der zweite Teil des Flugblattes bezieht sich auf die Sichtung des Kometen ab dem 31. Dezember 1664. In den folgenden zwei Wochen soll der Komet eine Strecke von 37 Grad (oder, der Umrechnung Herdrichs zufolge, 555 Meilen) zurückgelegt haben. Der Satz: „Stehet von dem ersten Cometen unter dem Rabenschnabel 143. gr. dis sind 2145 Meilen“, deutet darauf hin, dass die beiden Beobachtungen als zu einem einzigen Ko- meten gehörig erkannt wurden; denn hierbei handelt es sich recht genau um die Strecke, die der Komet von 1664/65 – auch anderen Berichten zufolge – zurückgelegt hat. Auch 84 DER KOMET VON 1664/65 die zweite Kometenbeobachtung erfährt eine astrologische Interpretation: „Die Bedeu- tung soll über die ♉ Stir und ♈. WidersLänder ergehen.“

Die Sternkarten, die sich zwischen den Titelzeilen und dem erläuternden Text be- finden, stellen die Position des Kometen Ende Dezember 1664 (zwischen den Sternbildern Rabe und Becher) und Anfang Januar 1665 („im Rachen des Wall- fischs“) dar. Dargestellt sind außerdem die Sternbilder Wasserschlange (lat. Hydra bzw. hier „Hidra“) und der Fluss Eridanus. Orientierungshilfen bieten neben der Angabe der Himmelsrichtung der Südliche Wendekreis (Tropicus Capricorni), der Himmelsäquator, der Tierkreis (Zodiacus) sowie der Himmelsmeridian (Circulus Meridianus), welcher im rechten Winkel zum Horizont des Beobachters steht.

Als zu Ostern 1665 ein neuer Komet (C/1665 F1) erschien, schob Herdrich ein zweites, mit Observation des Comoeden [sic, hss. korrigiert] überschriebenes und bei Christoph Fischer in Regensburg gedrucktes Flugblatt mit einer deutlich nüchterneren, nicht- figürlichen Sternkarte nach. Die dem früheren Kometen gegenläufige Bahnrichtung deutete er dabei als günstiges Zeichen: „weil er dem vorigen zuwider laufft, scheint es daß er von Gott Hülffe und Trost anzeige, wider das böse, so der vorige bedrohet, Gott gebe uns Buß und Besserung, und wende alles den Seinigen zum besten.“ Von Adam Herdrich, dem Autor der beiden Flugblätter, wissen wir nur, dass er sich in der Unterschrift als „Burger und der Astronomi beflissenen in Regenspurg“ ausgab. Christoph Fischer (1629–1681) kam als österreichischer Exulant nach Regensburg, hatte hier eine recht produktive Offizin und war auch Ratsbuchdrucker. Johann Christoph Adelung (Hrsg.), Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allge- meinem Gelehrten-Lexicon, Bd 2 (Leipzig 1787), 1937. – Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2. Aufl. (Wiesbaden 1982). FH BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 85

Die Himmelskarte auf Herdrichs zweitem Regensburger Flugblatt zeigt die Stel- lung des Kometen zwischen dem 4. April und dem 26. März 1665 vor dem Hinter- grund der Himmelskoordinaten mit Ekliptik und einigen wichtigen Sternen. 86 DER KOMET VON 1664/65

5.0.4. „die wirckung ist Gott bekant“

Nuhn lest sich widerum ein Cometh sehen zu Regenspurg. [s.l.] 1665. [1] Bl. Universitätsbibliothek Frankfurt/Main

Das Jahr 1665 brachte auch noch ein drittes Regensburger Kometenflugblatt hervor, von dem nur ein einziges Exemplar in Frankfurt/Main bekannt ist. Der an Schlichtheit kaum zu überbietende Stich hält nicht mehr als die Tatsache der Erscheinung fest, verweigert sich jeder eigenen Deutung und verabschiedet sich damit von den bis dahin für die Gat- tung typischen Funktionen der Mahnung und der Erbauung.

Der von einer 12 x 16 cm großen Platte gedruckte Kupferstich mit den in dieser Anordnung eher sinnlosen Angaben der Himmelsrichtungen verweigert sich jegli- cher Ausdeutung.

Universitätsbibliothek Frankfurt/Main, Einblattdruck-Sammlung G. Freytag (12.7.2009) CM

5.0.5. Erschröcklicher Cometenblick

Eigentliche Abbildung, und erschröcklicher Cometenblick, wie solcher im Monat Decemb. 1664. von einer hierinn wolgeübten Person, an unterschiedlichen Orten, in des H.R. Reichs-Stadt Nürnberg, beo- bachtet, kurtz verfasst, und ausführlich beschrieben worden, so hierbey zu finden. Welcher auch zu Augspurg, Straßburg, Hamburg, Lübeck, Leipzig und dergleichen mehrer Orten sich sehen lässet. [s.l., 1664]. [1] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.16 / IM/Philos.2204/2205 angeb.22a

Sensationsmeldungen über Kometen verkauften sich offenbar gut und wurden daher gern nachgedruckt oder abgekupfert, so dass die Bibliographie solcher Drucke außeror- BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 87 dentlich schwierig ist. Die anonym erschienene Eigentliche Abbildung geht auf ein von Martin Zimmermann in Augsburg gestochenes Blatt zurück, von dem mindestens vier Varianten bekannt sind und dessen Beobachtungsdaten wohl aus der Nürnbergischen Observation von Michael Paul Spies [ 5.0.2.] stammen.

Der nur 16,8 x 12,3 cm messende Kupferstich zeigt den Kometen von 1664 unter dem Schnabel des Sternbildes Rabe sowie rechts noch einmal in verkleinerter An- sicht zwischen Sirius und Procyon im Kleinen Hund. Die Beischrift verweist auf Beobachtungen in Nürnberg und Augsburg.

Die beiden in Regensburg vorhandenen Einblattdrucke unterscheiden sich im Zeilenfall der 3./4. Zeile; eines der Exemplare ist dem Astrologischen Cometen-Blick: Wie solcher von einer hierinnen wolgeübten Person an unterschiedlichen Orten des H. Reichs-Stadt Nürnberg beobachtet und ausführlich beschrieben worden ([s.l.] 1664) beigebunden. Dieser könnte aus der gleichen Offizin stammen, bietet auf lediglich zwei Seiten Beob- achtungsdaten und schließt mit dem Hinweis: „Mehrers hat in Eil nicht beobachtet wer- den können.“ Harms, Flugblätter (1985), I, 201/201a. – Hans Gaab, Der Altdorfer Mathematik- und Physikdozent Ab- dias Trew, 1597–1669. Phil. Diss. Univ. Regensburg 2009, Kap. 3.4.1.4. CM 88 DER KOMET VON 1664/65

5.0.6. Mit Aristoteles gegen den protestantischen Kometenaberglauben

Wolfgang Leinberer, Johann Georg Lueger (resp.), Theoria Cometae Mense Decembri Anni MDCLXIV Ianvario Item Ac Febrvario Anni MDCLXV Ingolstadii Observati unacum Tabula Uranographica eius- dem progressum exhibente: Adiecta Insvper Mantissa De Novo Cometa Exevnte Martio Labentis Anni Nobis Exorto. [Ingolstadt:] Ostermaier, 1665. [2] Bl., 20 S., Taf. 4°Hist.pol.541(28 / Philos.2666d

Die in akademischer Disputation vom Respondenten zu verteidigende Kometenschrift des Ingolstädter Mathematikprofessors führt uns aus der Welt protestantischer Prodi- gienliteratur in den schulmäßig strengen und an einen festen Unterrichtskanon gebunde- nen Kontext jesuitischer Gelehrsamkeit. Gerade die Universität Ingolstadt hatte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Auseinandersetzung um die theologische Legitimität der Astrologie entwickelt, wobei man sich im Abgrenzung von der Wittenberger Tradition auf drei Strategien stützte: auf einen positivistischen Biblizismus, auf einen den neueren Erkenntnissen angepassten Aristotelismus und auf die mathematischen und empirischen Methoden der führenden Astronomen aus der Ge- sellschaft Jesu. Schon zu Beginn stellt die Schrift unmissverständlich klar, dass sie mit astrologischen Deutungen nichts zu schaffen habe, und distanziert sich von den „circumvolantia sche- diasmata“, den zirkulierenden Flugblättern mit ihrer Vorliebe für ein möglichst er- schreckendes Bild der Kometen. Allenfalls könne man mit Giovanni Battista Ricciolis Almagestum novum (Bologna 1651), dem astronomischen Standardlehrbuch der Jesui- ten, einen Kometen als „splendidum aenigma à Deo propositum, nunquam ab humanis ingeniis solvendum“ betrachten, oder ihn mit dem Löwener Medizinprofessor Thomas Feyens [Fienus], De cometa anni 1618 (Antwerpen 1619), ein Naturwunder nennen, das „geeignet sei, unseren Scharfsinn zu martern, und das wir anstaunen müssen, aber nie- mals begreifen können“. In vier Thesen fasst Leinberer seine eigene Position zusammen und grenzt sich damit von aller Kometendeuterei ab: 1. Kometen sind keine Ursachen im meteorologisch-stofflichen (d.h. aristotelischen) oder im astrologischen (d.h. neuplatonischen) Sinn. 2. Kometen sind keine schlimmen Vorzeichen; dass ihr Lauf und Aussehen das menschliche Leben bestimme, ist eindeutig falsch, die Gründe der Astrologen bloß ausgedacht, die ent- sprechenden deutschsprachigen Flugschriften der Protestanten nicht wert, sich damit ernst- haft auseinanderzusetzen. 3. Selbst wenn Kometen auf gewisse künftige Ereignisse hinwiesen, so gibt es doch keine sichere Basis, auf der sich entscheiden ließe, wann und wo diese eintreten. 4. Dass die göttliche Vorsehung (providentia) Kometen als Zeichen verwende, sei allerdings wahrscheinlich, doch könne der menschliche Verstand solche Zeichen nur dann verstehen, wenn Gott ihm ihre Bedeutung enthülle. Im einzelnen führt die Schrift eine Reihe in Ingolstadt angestellter Beobachtungen auf und vergleicht deren Daten mit denen anderer – zumeist wohl von Jesuiten geführter – Kollegien wie Leoben, Olmütz, Wien, Mantua, Prag, Luzern und Trient, was auf den gut organisierten Informationsaustausch unter den Niederlassungen der Gesellschaft Jesu hindeutet. Sehr eingehend wird dann der Abstand des Kometen vom Erdmittel- punkt erörtert, wobei der Autor sich der Tychonischen Deutung als Himmelsereignis anschließt, als Kompromiss zur aristotelischen Auffassung aber zugibt, es möge sowohl supra- als auch sublunare Kometen geben. Hinsichtlich der Frage nach Natur und Ent- stehung der Kometen folgt er der Ansicht seines berühmten Ordensbruders Christoph BEDROHLICHES NATURSCHAUSPIEL 89

Scheiner, dass es sich um Exhalationen der Planeten oder der Sonne, den Sonnenflecken vergleichbar, handele. Das freilich erforderte eine Revision des aristotelischen Dogmas von der Unveränderlichkeit der Himmel, welches Leinberer im Einklang mit der allge- meinen jesuitischen Lehrmeinung dadurch zu retten sucht, dass er annimmt, der Plane- tenhimmel sei ein corpus compositum aus einer inkorruptiblen und einer korruptiblen Materie, so dass es jedenfalls in einem kleinen Teil des Himmels Entstehen und Verge- hen gebe (caelum defacto aliquantillâ sui parte generationi et corruptioni obnoxium esse). Die Kometenmaterie selbst müsse aufgrund ihrer Beständigkeit nicht wässrig (wie bei Aristoteles), sondern eine klebrig-bituminöse Substanz sein, allerdings nicht homogen und teilweise lichtdurchlässig, woraus in Folge von Streuung und Brechung der Sonnenstrahlen Koma und Schweif entstünden. Wie bei Thesendrucken an katholischen Kollegien üblich, enthält die Schrift eine wort- reiche Widmung an den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria und lateinische Ehrengedichte auf den Respondenten, dazu eine großformatig ausklappbare Tabula Uranographica, die den Anlass der Disputation und die wichtigsten Beobachtungsdaten nennt: in der Verbindung von wissenschaftlichem und künstlerischem Anspruch unter den Auspizien des Kurfürsten, dessen Wappen das Blatt zusätzlich autorisiert, ein klares Signal gegen die üblichen Kometenflugblätter.

Die Leinberers Theoria cometae von 1665 beigebundene, von Matthäus Küsel ge- stochene Kupfertafel zeigt die Positionen des Kometen vom 11. Februar bis zum 28. Dezember vor einem mythologischen Bilderhimmel, dessen Positionsdaten aus dem Sternkatalog des Jesuitenastronomen Christoph Grienberger stammen.

Der Jesuit Wolfgang Leinberer (1635–1693) studierte in Ingolstadt, erhielt 1664 in Eichstätt die Priesterweihe, anschließend in Ingolstadt die Professur für Mathematik und 90 DER KOMET VON 1664/65

Hebräisch, 1667 die für Philosophie. Als Autor ist er mit nur wenigen akademischen Dissertationsdrucken hervorgetreten. Sein Respondent Johann Georg Lueger aus Mün- chen weist sich in der Kometenschrift als Philosophiestudent aus. Harms, Flugblätter (1985), I, 199. – DBA I 751, 133-136. – Claudia Brosseder, Im Bann der Sterne: Cas- par Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen (Berlin 2004), 289-293. – Christi- an Heitzmann, Die Sterne lügen nicht: Astrologie und Astronomie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Wiesbaden 2008), 174. CM

6. SEGMENTIERUNG DER DISKURSE: DER KOMET VON 1680 Zwischen 1680 und 1690 zeichnete sich ein grundlegender Wandel des geistigen Kli- mas in Deutschland ab. Die pessimistische Weltsicht, die seit dem Dreißigjährigen Krieg dominiert hatte, wich einer eher zukunftsorientierten Grundhaltung, die die he- raufkommende Aufklärung ankündigte. Dabei war die Zeit an Krisen nicht arm. Erin- nert sei etwa an die große Pestepidemie von 1679–1684 oder an das Vorrücken der Türken auf Wien, das das politische Tagesgespräch beherrschte. Da erschien 1680 ein riesiger Komet (C/1680 V1), so hell, dass er am Taghimmel zu sehen war, und mit einem geradezu spektakulären Schweif. Zuerst entdeckt hatte ihn der Astronom und Kalendermacher Gottfried Kirch am 14. November; es war die erste Kometenentdeckung mit Hilfe eines Teleskops. Der Komet passierte die Erde im Ab- stand von nur 0,4 astronomischen Einheiten, erreichte seinen sonnennächsten Punkt am 18. Dezember 1680 und blieb bis in den Februar 1681 hinein sichtbar. Er rief die letzte große Welle von Kometenflugschriften hervor, in denen die Erscheinung kommentiert und ausgedeutet wurde – mehr als 230 Titel sind bibliographisch erfasst. Die Reaktio- nen sind Indikatoren und waren vielleicht auch Katalysatoren für den mentalitätsge- schichtlichen Wandel jener Zeit. Und da die befürchteten Folgen des großen Kometen ausblieben, drei Jahre später sogar die Türken vor Wien geschlagen und innerhalb we- niger Jahre weit in den Balkan zurückgedrängt wurden, trugen die Kontroversen um die Bedeutung des Kometen von 1680 einiges dazu bei, solchen Himmelszeichen ihre Be- drohlichkeit zu nehmen und Kometenfurcht in den Bereich populären Aberglaubens zu verweisen. Dabei übernahm die wissenschaftliche Astronomie den einen Part. Dank der langen Sichtbarkeit des Kometen konnte man mit präziseren Instrumenten die Bahnparameter genauer bestimmen, so dass die noch offene Frage, ob Kometen elliptische, paraboli- sche oder hyperbolische Bahnen haben, prinzipiell überprüfbar wurde. Vermutungen über eine mögliche Periodizität reduzierten die Singularität des himmlischen Unglücks- boten zu einem mathematischen Rechenexempel. Zweifel am Vorzeichencharakter von Kometen nahmen allgemein zu. Der Jenaer Mathematiker und Kalenderreformer Erhard Weigel [ 6.2.1.] gab allein 1681 acht Schriften gegen die Kometenfurcht heraus, und unter Fachastronomen hatte die Astrologie längst an Terrain verloren. Wissenschaftsge- schichtlich bedeutsamer sollte schließlich der – weniger spektakuläre – Komet von 1682 werden, für den der englische Astronom Edmund Halley 1695 eine elliptische Bahn berechnen und damit seine Wiederkehr für 1758 vorhersagen konnte. Den anderen Part bei der Naturalisierung der Kometen übernahmen protestantische Theologen. Die in der lutherischen Orthodoxie verankerte, in Melanchthons Astrologie und Naturphilosophie kosmologisch eingebettete Apokalyptik war inzwischen in den Hintergrund getreten und von einer moderaten Naturtheologie oder einer Rückkehr zu Luthers sola scriptura-Prinzip abgelöst. Vor allem letzteres lief auf eine klarere Tren- nung von naturwissenschaftlichem und religiösem Wissen hinaus. Zugleich verdrängte der aufkommende Pietismus die altlutherischen Endzeiterwartungen, indem er eine auf die Verbesserung der Welt gerichtete tätige Frömmigkeit propagierte. In der Geschichte der Wissenschaften markieren die letzten beiden Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts eine Wendezeit. In London hatte sich die Royal Society formiert, und 92 DER KOMET VON 1680

Isaac Newton begründete Himmelsmechanik, Optik und Infinitesimalrechnung. In Paris schuf Bernard de Fontenelle, der Ständige Sekretär der Académie des Sciences, mit sei- nen Entretiens sur la pluralité des mondes die Gattung wissenschaftspopularisierender Literatur, und das akademische Deutschland begann, sich von den Rückschlägen des Dreißigjährigen Krieges zu erholen: Von 1682 an erschien in Leipzig mit den Acta Eru- ditorum die erste bedeutende wissenschaftliche Zeitschrift Deutschlands, von 1688 an mit den Monatsgesprächen von Christian Thomasius die erste gelehrte Zeitschrift in deutscher Sprache, und 1694 entstand in Halle die erste moderne Universität. Seargent, Comets (2009), 112-115. – Götz Warnke, Deutsche Philosophie- und Geistesgeschichte, 1600– 1850 (Hamburg 2008). – William Clark, „Der Untergang der Astrologie in der deutschen Barockzeit“, in: Im Zeichen der Krise: Religiosität in Europa im 17. Jahrhundert, hrsg. von Hartmut Lehmann und Anne- Charlott Trepp (Göttingen 1999), 433-472. – Hans-Joachim Waschkies, Physik und Physikotheologie des jungen Kant: Die Vorgeschichte seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels (Amster- dam 1987). – Eric J. Forbes, „The comet of 1680–1681“, in: Standing on the Shoulders of Giants: A Lon- ger View of Newton and Halley, hrsg. von N.J.W. Thrower (Berkeley 1990), 312-323. – Martin Friedrich, „Der Komet von 1680/81 im Urteil evangelischer Theologen“, in: Scientiae et artes: Die Vermittlung alten und neuen Wissens in Literatur, Kunst und Musik, hrsg. von Barbara Mahlmann-Bauer (Wiesbaden 2004) , 411–424. CM

6.1. SCHULEN UND UNIVERSITÄTEN Zu den gattungsgeschichtlichen Segmentierungen innerhalb der Kometenschriften ge- hört die Herausbildung von Argumentationstypen, die spezifisch sind für ihre jeweiligen institutionellen Kontexte. An den protestantischen Universitäten gewann der cartesiani- sche Rationalismus und Mechanizismus in Verbindung mit den neuen Methoden der mathematischen Astronomie an Boden, und ein oft recht pragmatischer Eklektizismus verabschiedete sich vom Denkzwang der naturphilosophischen Systeme. An protestanti- schen Gymnasien begegnet uns die Kometenthematik im Kontext einer bisweilen eher philologisch-historisch bemühten Gelehrsamkeit; an der Jesuitenuniversität Ingolstadt bleibt der Rahmen der aristotelischen Naturphilosophie verbindlich. Allerdings zeigen sich die institutionell eingebundenen Autoren über den zeitgenössischen Forschungs- stand in der Regel gut informiert, auch wenn sie ihn bloß selektiv rezipierten. CM

6.1.1. Kometen und Sonnenflecken

Johann Christoph Sturm, Cometarum natura, motus et origo: Secundum duas hodie celebriores Joh. He- velii & P. Petiti … hypotheses. Altdorf: Schönnerstädt, 1681. [6] + 54 S. A.Diss.10599

Die vom Respondenten Christoph Fürer seinem Vater, dem Militärvorsteher der Stadt Nürnberg, gewidmete und mit französischen, lateinischen und deutschen Ehrengedich- ten gezierte Hochschulschrift bietet eine Übersicht über die Kometenerscheinungen der zurückliegenden hundert Jahre und fasst die Ergebnisse zusammen. Dass die Kometen Himmelserscheinungen sind, steht für den Autor seit Tycho Brahes Berechnungen von 1577 unzweifelhaft fest. Im Einzelnen vergleicht Sturm die Kometentheorien des Dan- ziger Astronomen Johannes Hevelius und des Pariser Mathematikers Pierre Petit. In SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 93 seiner Cometographia (Danzig 1668) hatte Hevelius die Kometenmaterie als Ausdün- stungen der Sonne aufgefasst, sie mit der Theorie der Sonnenflecken des Ingolstädter Astronomen Christoph Scheiner in Verbindung gebracht und ihnen lineare oder schwach gekrümmte parabolische Bahnen zugeschrieben.

Fig. 1 in Sturms Cometarum natura (1681) zeigt schematisch, wie die Ausdün- stung eines Planeten A in dem diesen umgebenden Materiewirbel nach außen be- fördert wird, dabei Impetus aufnimmt, bei B in den die Sonne umgebenden Materiewirbel eintritt und darin, „wie ein aus der Schleuder fortfliegender Stein“ fortgetragen wird. Die Abweichung von der geradlinigen Bahn wird durch Wech- selwirkung der Linsenform des Kometenkerns mit dem Ätherwirbel um die Sonne erklärt. Die in Fig. 4 gezeigten Sonnenflecken sollen die Analogie zur Struktur des Kometenkerns verdeutlichen. 94 DER KOMET VON 1680

Im Anschluss an Petits Dissertation sur la nature des comètes (Paris 1665), von der im gleichen Jahr auch ein deutscher Auszug gedruckt wurde (Dresden/Zittau 1681), disku- tiert Sturm unter Anlehnung an die Cartesische Theorie kosmischer Materiewirbel vor allem die Form der Kometenbahn, die Materie des Kerns und die Natur des Schweifes. Er bezieht sich dabei auch auf neuere Fernrohrbeobachtungen von Kometen und hält eine Umlaufperiode von 46 Jahren für möglich, gesteht aber zugleich ein, dass noch viele Fragen offen seien. – Bemerkenswert ist, dass sich in der Schrift nicht ein einziges Wort über Kometen als Vorzeichen findet. Johann Christoph Sturm (1635–1703) war zunächst evangelischer Pfarrer bei Nördlin- gen, von 1669 an Professor der Mathematik und Physik an der Universität Altdorf, überzeugter Kopernikaner und erklärter Gegner der Astrologie. Bekannt wurde er vor allem durch sein von 1672 an unterrichtetes Collegium experimentale, das innerhalb eines teils noch aristotelisch geprägten Rahmens eklektische Anleihen bei Francis Ba- con und René Descartes machte. Hans Gaab, Pierre Leicht, Günter Löffladt (Hrsgg.), Johann Christoph Sturm, 1635–1703 (Frankfurt/ Main 2004). – Volker Herrmann, Kai Thomas Platz, Der Wahrheit auf der Spur: Johann Christoph Sturm, 1635–1703 (Büchenbach 2003). CM

6.1.2. Kometen-Historia

Ludwig Lavater, Historische Erzehlung vast aller der Kometen, Welche von der Geburt des Röm. Keisers Augusti, und der Gnadenreichen Geburt unsers Herren und Heilands Jesu Christi an, bis auf das 1556. Jahr gesehen worden: auß vilerley Geschichtschreibern zusammen getragen. Jezund in das Teutsche übersezt mit Beyfügung derjenigen Kometen, welche sowohl vor der Geburt des Herren, als auch nach dem Jahr 1556, bis auf dises 1618. Jahr, erschienen, … verfaßt durch Johann Jacob Wagner. Zürich: Lindinner, 1681. 16 + 120 S. Philos.1305

1556 hatte der reformierte Theologe Ludwig Lavater (1527–1586), Archidiakon am Großmünster in Zürich und Autor kontroverstheologischer Schriften, einen Cometarum omnium fere catalogus (Zürich 1556) herausgegeben, der die überlieferten Kometener- scheinungen samt den in ihrer Folge eingetretenen historischen Ereignissen seit Christi Geburt tabellarisch zusammenstellt. 1619 brachte Elias Ehinger [ 4.2.2.], Rektor am Augsburger St. Anna-Gymnasium, Lavaters Katalog unter dem Titel Cometen-Historia das ist: Kurtze Beschreibung der fürnembsten Cometen (Augsburg 1619) noch einmal heraus. Die durch den großen Kometen des Jahres 1680 veranlasste Neubearbeitung stammt aus der Feder des Arztes und Bibliothekars am Züricher Waisenhaus, Johann Jacob Wagner (1641–1695), später Verfasser einer Naturgeschichte Helvetiens (Zürich 1689). Das Werk führt den Lavaterschen Katalog bis zum Jahre 1681 fort und legt be- sonderen Wert auf die Nennung derjenigen Autoren, die über die jeweiligen Kometen wissenschaftlich publiziert haben. Historische Kasuistiken dieser Art waren beliebt und sind in verkürzter Form Bestand- teil vieler Kometenschriften. So hatte 1579 auch Georg Caesius in Nürnberg einen Ca- talogus ... omnium cometarum (1579; StBR Philos.1395) herausgebracht, der alle Kometen seit der Sintflut umfassen sollte. Dahinter steht nicht zuletzt der Versuch, auf induktivem Weg die Zusammenhänge zwischen Himmelserscheinungen und den histo- rischen Ereignisfolgen zu ergründen. Noch Johannes Kepler hatte eine empirische Fun- SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 95 dierung der Astrologie auf solche Weise für möglich gehalten. Ein ähnliches Anliegen scheint auch der viel zitierte 200seitige Cometen Spiegel: Oder: Bericht von Cometen: Was Cometen seyn; was schwerer Fälle und Zeiten von Anfang der Welt biß hieher auff Cometen erfolget sind (Halle 1606) von Thomas Hartmann zu verfolgen. Spätere Kome- tenkataloge hingegen, von denen die von dem Pariser Astronomen Alexandre Guy Pin- gré herausgegebene Cométographie ou Traité historique et théorique des comètes (Paris 1783–1784) der bedeutendste ist, lösen diesen Zusammenhang auf und beschränken sich auf die Verzeichnung der astronomischen Daten. Der Band stammt aus dem Regensburger Konvent der Unbeschuhten Karmelitinnen und trägt dessen Exlibris. CM

6.1.3. Kometengelehrsamkeit

Christian Funcke, Theosophico-Physiologica Cometoscopia s. Cometarum Consideratio: formidabilis aequè ac memorabilis Cometae Anno M DC LXXX. & M DC LXXXI. observati Occasione In Gymnasio Gorlicensi … publicè proposita. Gorlici: Arnst, 1682. [72] Bl. Philos.1376

Die in der Abfolge von Aporismus – Thesis – Ekthesis ganz schulmäßig aufgebaute, von panegyrischen Ehrengedichten seiner Lehrerkollegen in lateinischer und hebräischer Sprache eingeleitete Schrift zeigt Vertrautheit mit den Arbeiten von Galilei, Brahe, Kepler und Hevelius, wenngleich die Kometenerscheinung im Grunde eher als Anlass dient, um die eigene philologische und naturkundliche Gelehrsamkeit zu demonstrieren. Christian Funcke (1626–1695) hatte in Leipzig studiert und war Lehrer in Freiberg, Al- tenburg und von 1666 an Rektor der evangelischen Lateinschule in Görlitz. Er war Mit- glied der Fruchtbringenden Gesellschaft, der führenden deutschen Sprachgesellschaft, und Autor historischer, geistlicher und poetischer Werke. Gottlieb Friedrich Otto, Lexikon der seit dem fünfzehnden Jahrhunderte verstorbenen und jetztlebenden Oberlausitzischen Schriftsteller und Künstler, Bd 1 (Görlitz 1800), 389-396. CM

6.1.4. Ein später Meteor

Christian Egger, Iudicium mathematicum de cometa anni 1677: Ex praelectionibus Andreae Waibl. Ingol- stadt: Zinck, 1678. 17 S. Philos.2543

Noch hundert Jahre nachdem Tycho Brahe gezeigt hatte, dass Kometen ihren Ort jen- seits der Mondsphäre haben, und das Tychonische Weltbild einen Kompromiss anbot, mit dem man die theologischen Klippen des kopernikanischen Weltbildes umschiffen konnte, gab es Gelehrte, die an der aristotelischen Deutung der Kometen als Erschei- nungen der Atmosphäre (meteora) festhielten, und zwar offenbar nicht zuletzt deshalb, weil der aristotelische Naturalismus noch immer die stärksten Argumente gegen astro- logischen Deutungen lieferte. Die kleine, dem bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria gewidmete Schrift basiert auf Vorlesungen Waibls an der Universität Ingolstadt. Ausgehend von Beobachtungen des 96 DER KOMET VON 1680

Kometen im Sternbild Stier, die im Mai 1677 in Ingolstadt angestellt und mit Daten aus Freiburg, Breslau, Landsberg und Berlin abgeglichen wurden, werden Position und Ort des Kometen bestimmt. Obwohl das Standardlehrbuch der Jesuitenastronomie, das 1651 erschienene Almagestum novum von Giovanni Riccioli, benutzt und die Ergebnisse von Tycho Brahe und Johannes Hevelius diskutiert werden, kommt der Autor zu dem Schluss, dass „es wahrscheinlich, ja geradezu gewiß sei, daß dieser Komet lediglich unterhalb des Mondes gewesen sei“, so dass als Ursache ein effluvium oder halitus in der Atmosphäre angenommen werden könne. Aristotelische Naturphilosophie und der Hinweis auf die Heilige Schrift liefern die Argumente gegen Deutungen, wie sie im protestantischen Bereich vorherrschten. Denn als Naturphänomene seien Kometen kei- neswegs Vorzeichen, wie man auch aus der Geschichte wisse, und schon gar keine Warnzeichen Gottes. Gott spreche allein in der Offenbarung, und von Kometen sei in der Bibel nirgends die Rede. Allerdings seien diese Teil der allen Naturdingen inne- wohnenden Zweckhaftigkeit, da ihr Feuer die Atmosphäre von bituminösen und schwefligen Dünsten reinige, so wie man im Herbst Kornstoppeln auf dem Acker ver- brenne. Insofern zeigten Kometen Störungen in der Sphäre unterhalb des Mondes an. Der Jesuit Andreas Waibl (1642–1716) war Professor für Mathematik, später dann auch für scholastische Theologie, an der Universität Ingolstadt, wurde 1695 Rektor des Augs- burger Jesuitenkollegs und 1697 Rektor in Ingolstadt. Er hat eine Reihe meist kleinerer Schulschriften über Gegenstände aus der Theologie und der aristotelischen Philosophie verfasst. Über Christian Egger, den Herausgeber der Vorlesungen Waibls, war nichts in Erfahrung zu bringen. DBA I, 1325, 14-18. – Claudia Brosseder, Im Bann der Sterne: Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen (Berlin 2004), 289-293. CM

6.2. ZWISCHEN KATHEDER UND KANZEL Bei der Entmystifizierung der Kometen zogen akademische Lehrer und protestantische Prediger im ausgehenden 17. Jahrhundert an einem Strang. Handelte es sich, wie man- che Astronomen annahmen, um periodisch wiederkehrende Himmelskörper, deren Um- laufbahnen sich mathematisch berechnen ließen, dann ließen die Kometen sich schwerlich als göttliche Vorzeichen deuten. Um sie gleichwohl in eine rationale Physi- kotheologie einbetten zu können, schlug der Jenaer Mathematikprofessor Erhard Weigel eine originelle Kompromisslösung vor, wonach der Mensch im Buch der Natur zwar die Handschrift Gottes lesen könne, in besonderen Fällen Gott das Buch der Natur jedoch in der Sprache des Menschen verfasse, um sich deutlicher mitzuteilen [ 6.2.1.]. Anders geprägte Autoren hingegen zogen sich lieber auf eine rein moraltheologische Deutung zurück oder bestanden – der theologischen Ambivalenz physikotheologischer Positio- nen wegen – auf einer kategorialen Trennung von religiösem und naturkundlichem Wis- sen. CM SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 97

6.2.1. Himmels-Zeiger

Erhard Weigel, Himmels-Zeiger der Bedeutung bey Erscheinung des ungemeinen Cometen, Anno 1680. vom 6. Novembr. an, beobachtet. Jena: Bielcke, 1681. [4] + 80 + [16] S. 97.1467

Erhard Weigel, der sich auf dem anspruchslosen Titelblatt bloß als P[rofessor] P[ublicus] vorstellt, konnte vermutlich voraussetzen, dass man ihn als Experten in Sa- chen Kometen kannte. In der Vorrede schreibt er, er habe bereits sämtliche zu seinen Lebzeiten erschienenen Kometen mit einem besonderen Traktätlein bedacht: den Nordi- schen Kriegs-Komet von 1652, den Türkenkriegs-Komet von 1661, den Seekriegs- Komet 1664/65, den Franzosenkriegs-Komet von 1672 und sogar den in Jena nicht sichtbaren Kometen von 1677; daher habe er die vorliegende Schrift nur auf ausdrückli- chen Wunsch der Universität und des Verlegers verfasst. In der ersten Hälfte des Werks entwickelt Weigel die Grundsätze einer Semiotik der Natur, die in allen ihren Teilen auf Gott als deren Schöpfer verweist: Denn die Welt sei „uns vorgelegt, daß unser Geist, der als ein freyes rechenschafftliches Geschöpff immer was zu thun haben will, etwas raisonables, etwas rechenmäsiges, dabey zu thun finde“, um aus der „Künstligkeit der Werke Gottes … das unbegreiffliche Licht der Weißheit Gottes, nur in etwas abzunehmen.“ Dass Menschen ihrer Natur nach auf rationale – auch mathematische – Begründungen aus sind, bildet für Weigel das Fundament einer physikotheologischen Natursicht, wie sie im Himmels-Zeiger an der Teleologie von Raum und Zeit entwickelt ist.

Der Weigels Himmels-Zeiger beigebundene Kupferstich zeigt in der oberen Hälfte die Positionen des Kometen nach Weigels eigenen Beobachtungen. Der Text ver- weist als Besonderheit auf die um die Ekliptik geschlängelte Bahn.

Im Gegensatz zur den regelhaften Strukturen der Wirklichkeit, die die Vernunft mathe- matisch erfassen kann, seien die Kometen, denen Weigel die zweite Hälfte der Schrift 98 DER KOMET VON 1680 widmet, „ausserordentliche Prediger“ Gottes, eigentliche „Liebes- und Erbarmungs- Zeichen“, die nur dann zu „Zorn-Zeichen“ werden, wenn die Menschen sich nicht daran halten. Die ihnen zugewiesene Bedeutung sei zwar bloß „angedichtet“, aber kulturell festgelegt, und deshalb bediene sich auch Gott, wenn er den Menschen etwas Besonde- res mitzuteilen habe, solcher konventionellen Bilder und Zeichen, während die Vernunft bei gewöhnlichen Dingen sich nach den Zeichen Gottes in der Natur zu richten habe:

„also wenn Er ausser-ordentlich nicht reden, sondern an dem Himmel, als an einer von uns mit gewissen Bildern unterschiedenen Schau-Tafel, etwas nachdenkliches anzeigen will; so richtet er sich auch nach solchen von uns angenommenen Zeichen.“ [47-48] Was Weigel hier vorschlägt, ist eine durchaus originelle kommunikationstheoretische Wendung der semiotischen Natursicht, die neben einer rationalen Physikotheologie auch einer moralisierenden Naturtheologie Platz bietet. Kompromisslos hingegen ist er, was die Astrologie und insbesondere die Horoskope angeht: „Deutung, die den Sternen angekleistert wird, die ist ein blosser Wahn“, nichts als „Fictiones, Dichtungen und Ein- bildungen“. Das letzte Kapitel „Vom jetzigen Cometen“ belässt es bei der Vorstellung der Beobach- tungsdaten, einschließlich derer, die Weigel auf der von ihm eingerichteten Universi- tätssternwarte in Jena erhoben hatte, und schließt mit einer moralischen Ausdeutung im Stil einer allegorisierenden Kometenmeditation. Erhard Weigel (1625–1699) stammt aus Weiden, doch in Folge der Rekatholisierung der Oberpfalz musste die Familie nach Wunsiedel umziehen. Nach dem Schulbesuch in Halle und einem Studium in Leipzig wurde er 1653 Professor der Mathematik in Jena und wirkte hier als Polyhistor und Pädagoge mit großem Schülerkreis, zu dem u.a. Jo- hann Christoph Sturm [ 6.1.1.], Samuel von Pufendorf und Gottfried Wilhelm Leib- niz zählten. Historisch bedeutend wurde Weigel dadurch, dass er auf evangelischer Seite die Kalenderreform durchsetzte. Zu diesem Zweck war er seit 1697 mehrfach in Regensburg, um für den neuen, auf der Grundlage der Rudolfinischen Tafeln Johannes Keplers berechneten Kalender zu werben. Aber erst am 23. September 1699, ein halbes Jahr nach Weigels Tod, nahmen die beim Regensburger Reichstag versammelten evan- gelischen Landstände den Verbesserten Reichskalender an. Er trat im Jahre 1700 in Kraft. Reinhard E. Schielicke, Klaus-Dieter Herbst, Stefan Kratochwil (Hrsgg.), Erhard Weigel (1625–1699): Barocker Erzvater der deutschen Frühaufklärung (Frankfurt/Main 1999). – Hermann Schüling, Erhard Weigel (1625–1699): Materialien zur Erforschung seines Wirkens (Gießen 1970). – [Hans Gaab], in: Astronomie in Nürnberg (25.06.2009) CM

6.2.2. „den Gelehrten zur Ergetzung“

Ein Gespräch zwischen Einem Naturkündiger, Politico und Geistlichen von dem neulich gesehenen un- gewöhnlichen und erschrecklichen Comet-Stern: Den Gelehrten zur Ergetzung, den Einfältigen zum nohtwendigen Unterricht, und Jedermann zur Warnung, wolmeinend aufgesetzt Von einem Liebhaber der Gestirne. Nürnberg: Endter, 1681. 31 S. Philos.3111e angeb.4

Die anonym erschienene Schrift ist ein Beispiel dafür, dass das Kometenthema im aus- gehenden 17. Jahrhundert bereits zum Gegenstand gelehrter Unterhaltungsliteratur wur- SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 99 de und die Ausdeutung der Himmelserscheinung vom Konkreten nun mehr ins Allego- rische tendierte. Die Gesprächspartner: ein Naturforscher (Physiologus), ein Politiker (Politicosophus) und ein Geistlicher (Theophilus) zeigen sich dabei durchaus auf dem Stand zeitgenössischer Wissenschaft. Ihre wichtigsten Gewährsleute sind „der berühmte Stern-Künstler“ Johannes Hevelius aus Danzig sowie der Pariser Mathematiker und Militäringenieur Pierre Petit, ein entschiedener Cartesianer, mit seiner Dissertation sur la nature des comètes (Paris 1665). Was den astronomisch-naturwissenschaftlichen Ge- halt angeht, hat man den Eindruck, die Schrift sei eine volkstümliche Übernahme aus Johann Christoph Sturms Cometarum natura, die im gleichen Jahr auf Latein im be- nachbarten Altdorf erschienen war [ 6.1.1.]; doch anders als in jener eher akademi- schen Abhandlung wird hier mehr dem allgemeinen Bedürfnis nach geistlicher Sinn- stiftung Rechnung getragen.

Der Titel des anonymen Gespräch (1681) zeigt einen die Sonne umkreisenden Kometen mit regelwidrig eingezeichnetem Schweif im Tierkreis. Von der cartesia- nischen Wirbeltheorie, die im Text zur Erklärung des Kometen verwandt wird, fin- det sich im Titelholzschnitt keine Andeutung. 100 DER KOMET VON 1680

Bemerkenswert ist die konsequente Übernahme der Ansichten von René Descartes, der die widerstreitenden Vorstellungen über die Natur der Kometen „nunmero [ … ] wieder auf die Bahn gebracht und besser ausgeleget“ habe. Danach handelt es sich bei den Kometen um erkaltete Sternenmaterie aus der Tiefe des Weltraums, die in den die Himmelskörper umgebenden Materiewirbeln mitgeführt wird, so dass die Kometen „so lange aus einem Stern-Strudel in den anderen fliegen, biß sie auch in den unsrigen, der zu seinem Mittel-Punct die Sonne hat, gelangen und alsdann von uns gesehen werden können.“ So hält der Dialogpartner Physiologus auch eine periodische Wiederkehr der Kometen für wahrscheinlich und führt 20 Beispiele an, die auf eine Umlaufzeit von 46 Jahren zu deuten schienen. Cartesianisch ist auch die Vorliebe für modellhafte Bilder zur Erklärung einer Natur, deren Wirkungsweise mit Poren und Teilchen, Maschinen und ineinander greifenden Zahnrädern verglichen wird. Nur der geistliche Gesprächspartner Theophilus scheint zu bedauern, dass er es von Be- rufs wegen bei einer naturalistischen Erklärung nicht bewenden lassen könne: „Die Her- ren haben gut zu sagen, ihnen gehet die Sache nicht so zu Hertzen, als uns Geistlichen, die wir alles, womit GOtt warnet, zur Besserung der Gemeinde anwenden müssen.“ Folglich steuert er ein vierseitiges Gedicht bei, in dem der cartesianische Wanderer durch die Welten als Allegorie der menschlichen Seele erscheint: zuerst ein Stern unter Sternen, vom „Liecht der Heiligkeit“ umgeben, dann durch „Sünden-Flecken“ seines Glanzes beraubt, aus der Gemeinschaft der himmlischen Sterne verstoßen und in un- regelmäßiger Bahn als „der Lüste Spiel“ bald gerade, bald rund, bald im Kegelschnitt umherirrend, bedürfe die Seele der Gnade Gottes, „die, ob wir wohl befleckt / Uns doch mit Gunst bestrahlt, und unsre Flecken deckt. / Dadurch wird Fleck und Schuld auch endlich gar vergehen / Daß wir mit vollem Glantz im Himmel werden stehen.“ CM

6.2.3. „der allergewisseste Comet des Gewissens“

Unmaßgebliches Bedencken, Ob die Cometen zukünfftige Unglücksfälle, als Krieg, Theurung, Pestilentz, grosser Herrn Todt etc. verkündigen? Aus Veranlassung des jüngsthin neu-erschienenen Cometen Auff vielfältiges Begehren und Anhalten kürtzlich, eylfertig und einfältig entworffen. [s.l.] 1681. 8 S. Philos.3111e

Die kleine Schrift eines offenbar protestantischen Autors argumentiert nüchtern und in schulmäßiger Manier gegen die aristotelische Auffassung von der Natur der Kometen und deren astrologisch-vorzeichenhafte Deutung. Dass Kometen göttliche Zeichen sei- en, „Ist leicht gesagt, aber darum nicht erwiesen“, weil es dafür keinen einzigen bibli- schen Beleg gebe. Statt ängstlich auf äußere Zeichen zu achten, wünscht der Autor, „daß in eines jeden Menschen, absonderlich der Gott- und ruchlosen Weltkinder Hertz der allergewisseste Comet des Gewissens auffgehen möge … , daß man also die Bedeu- tung und Ankündigung, worum die meisten jetziger Zeit sich mehr, als um die Besse- rung ihres Lebens unnützlich bekümmern, nicht erst von den Ungewöhnlichen sichtbaren Himmels-Facklen her holen darff“ und ersetzt damit die mehrdeutige Bot- schaft einer äußerlichen Naturtheologie durch die verlässliche Gewissheit einer inneren Glaubensüberzeugung. CM SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 101

6.2.4. „wider alle aberglaubisch-forchtsame Einbildung“

Simon Bornmeister, Christlich-vernünfftige Cometen-Betrachtung, aus Gelegenheit deß im Monat De- cember 1680 erschienenen grossen Cometen, Mit einem wenigen Zusatz nunmehr zum andernmahl, ver- bessert herausgegeben. Nürnberg: Hoffmann, 1681. [4] Bl. Philos.3111e angeb.6 / Philos.3201h

Es handelt sich um die Überarbeitung einer zunächst anonym erschienenen Schrift aus der Feder des Rektors der Nürnberger Spitalschule zum Heiligen Geist. Ausdrückliches Ziel ist die Entkoppelung von religiösem und wissenschaftlichem Wissen: „Dann diese Sach [der Komet] ist kein Glaubens-Artikel, und gehöret ad Philosophiam Natura- lem; darinnen man das Judicium Sensuum, cum ratione ferruminatum, wie der Weise Aristote- les, und andere lehren, zur Norma gebrauchen muß; und daraus wird nimmermehr ein Atheisterey entspringen, wie es manches ungereimtes Judicium haben will: Nam genuina con- templatio Naturae operum, nunquam hominem Ratione sua recte utentem, ad Atheismum dedu- cere potest.“ Vernünftig betriebene Naturforschung führe niemals in den Atheismus. Gefährlicher sei eine falsch verstandene Naturtheologie; denn es laufe der Ehre Gottes, der Heiligen Schrift und der Rettungstat Christi zuwider, „wann man denen Cometen die Ehr zulegen will, daß sie uns sollen den Weg zum Himmel bahnen.“ Simon Bornmeister (1631–1688) ist vor allem als Dichter geistlicher Lieder und Mit- glied des Pegnesischen Blumenordens, einer Nürnberger Sprachgesellschaft, bekannt. Für seine Beziehung zur Naturforschung verweist er einleitend auf seine Freundschaft mit dem angesehenen Altdorfer Mathematik- und Physikprofessor Johann Christoph Sturm [ 6.1.1.]. NDB 2 (1955), 471. CM

6.2.5. Aufgeklärte Theologie gegen frommen Betrug

Einfältiges Bedencken von Cometen. [s.l., 1681]. [4] Bl. Philos.3111e angeb.8 / Philos.3201i

Die anonym gedruckte Schrift eines vermutlich fränkischen Kirchenmannes fasst die zentralen Argumente gegen eine Instrumentalisierung der Kometen als Buß- oder Un- heilszeichen zusammen und stellt ein bemerkenswert klares Zeugnis aufgeklärter Theo- logie dar. Erkenntnis, so der Autor, komme entweder aus der Schrift oder aus der Vernunft; für diese sei die Naturlehre, für jene die Theologie zuständig. Beide zu vermischen, sei ille- gitim. In der Heiligen Schrift aber steht nichts von Kometen und schon gar nicht, dass Gott mit ihrer Hilfe etwas bewirke. Entsprechend dem protestantischen Schriftprinzip gilt daher: „so lang die Theologia der Schrifft folget, mercket sie, daß GOtt der Herr seinen Willen, nicht so wol durch Zeichen und Wunder, als durch sein heiliges Wort in Sachen der Seeligkeit offenbaren wolle.“ Christen bedürften daher der Zeichen und Wunder nicht. Was die Naturlehre angehe, so seien Natur und Ursprung der Kometen unsicher, hinsichtlich ihrer Wirkungen aber gelte der Grundsatz der strikten Trennung von Natur und Kultur bzw. Sein und Sollen. Denn es könne „die Physica oder Astrono- mia nimmermehr gründlich darthun, daß die Cometen einige Connexion mit unseren 102 DER KOMET VON 1680 menschlichen und aus freyen Willen herkommenden Verrichtungen [ … ] habe. Nulla enim est habitudo inter ea, quae sunt naturae, et quae sunt morum. Was Tugend- oder Lasterhafft ist, kommt her von unserm freyen Willen, nicht von der Natur ihren Zwang.“ Deshalb sei es geradezu sündhaft, wenn man die Menschen mit den Kometen erschrecke und zur Buße rufe. Gerade als Prediger müsse man „wohl zusehen, daß man dem Wort Gottes keine authoritatem et vim homines convertendi abnehme, indem man den Cometen eine efficaciorem et illustrem authoritatem et vim convertendi zule- get, und also das Volck von dem Wort Gottes zu andern Sachen in etwas abführe“ Nicht einmal als pia fraus, als frommer Betrug, sei dies bei einem gewissenhaften Kirchen- mann zu dulden. Denn „indem man den Spöttern Anlaß zu sagen gibt: Sihe die Priester braucht man nur, daß sie sollen den gemeinen Mann im Zwang halten, und ihm von der Hölle sagen, wann er zu muthig wird, und von dem Himmel, wann er zu sehr betrübt ist, etc.“, werde lediglich der „Atheisterey“ Vorschub geleistet. Alle bekannten Exemplare sind ohne eigenes Titelblatt und meist anderen Drucken bei- gebunden. Nach einer handschriftlichen Notiz im Exemplar der Staatsbibliothek zu Ber- lin sei der Autor ein nicht näher identifizierter Bayreuther Hofprediger namens von der Litt und die Schrift 1681 bei Endter in Nürnberg gedruckt. CM

6.3. KOMETEN-MARKETING Wenn Gelehrte und Prediger gleichermaßen gegen den Prodigienglauben ins Feld zo- gen, so unterminierte dies die wirtschaftliche Basis einer bis dahin florierenden Gattung von Kometenschriften. Aber so rasch gaben deren Verfasser nicht auf und entwickelten neue Marketingstrategien. Allerdings zielte man damit jetzt auf eine Klientel, die sich in ihrer Erwartungshaltung bestätigt sehen wollte, ohne die inhaltliche Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Kometendebatte zu suchen. Auch darin zeigt sich die für die Zeit charakteristische Verlagerung und Aufspaltung der Diskurse. Und je stärker die Kometenfurcht auch in der breiten Bevölkerung zurückging, zu um so stärkeren publizi- stischen Mitteln griffen die am Absatz der Kometenschriften interessierten Autoren und Drucker. Attribute wie „schröcklich“, „greßlich“ oder „entstetzlich“ sind nun stereotype Bestandteile der entsprechenden Sachtitel, auch wenn der nachfolgende Text in der Re- gel moderater argumentiert. CM SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 103

6.3.1. Verwerffung des Cometen-Gespötts

[Erasmus Francisci], Verwerffung Des Cometen-Gespötts, Oder Gründliche Erörterung der Frage: Ob der Comet ein, oder kein Straff-Zeichen sey: Etwas oder nichts, gutes oder böses bedeute? Worinnen die Vor-Bedeutlichkeit mit unverwerfflichen Beweißthümern begründet wird, Die Ungründe aber der Wider- sprecher klärlich entdeckt … werden. Auf Veranlassung des neulichst-entstandenen Wunder-grossen und unvergleichlichen Comet-Sterns, zur Abwarnung von roher Sicherheit, und Beförderung Christlicher Bußfertigkeit herausgegeben durch Theophilus Anti-Scepticus sonst zu Teutsch Gottlieb Unverrucht ge- nannt. [Nürnberg: Endter] 1681. 67 + [2] S. Philos.3111e

Die Entzauberung der Natur durch Wissenschaft und aufgeklärte Theologie dürfte be- rufsmäßigen Vielschreibern wie dem Nürnberger Polyhistor Erasmus Francisci als ernstliche Bedrohung eines Geschäftsmodells erschienen sein, wie er es mit seinen bei- den Bestsellern Das eröffnete Lust-Hauß der Ober- und Nieder-Welt, von der Natur, Welt, Himmel und dem Gestirn insgemein (Nürnberg 1676; StBR Philos.2048) und Der Wunder-reiche Uberzug unserer Nider-Welt, Oder Erd-umgebende Lufft-Kreys, Nach seinem natürlichen Wesen, manchfaltigen Eigenschafften, Nutzen, und Würckungen, natür- und unnatürlichen, feuer- und wässerigen Erscheinungen erklärt (1680), beide in Nürnberg bei Endter erschienen, so erfolgreich praktiziert hatte: populäre Einführungen in die Astronomie und Meteorologie, offen für astrologische Themen, aber auch voll von Mythen, Geschichten und Kuriositäten. In der unter Pseudonym erschienenen Verwerffung Des Cometen-Gespötts verteidigt Francisci die Auffassung, dass Kometen von Gott dem Menschen zur Warnung gesetzte Zeichen seien, gegen „unsere heutige Naturalisten“, „scepticirende Academici“ und „die Herren Bedeutungs-Verwerffer und Epicuräerey“. Astrologischen Deutungen gegenüber ist er durchaus aufgeschlossen. Keineswegs uninformiert, was die verschiedenen Kome- tentheorien angeht, ist er gleichwohl überzeugt, dass eine schlüssige natürliche Erklä- rung ausstehe und der Gelehrtenstreit darüber Haarspalterei sei: „In Summa, so viel gelehrte Augen, so viel Sinne und Urtheile schweben hier um die natürliche Ursache des Cometen. Und wie es seinem Kopff, also geht’s auch seinem Schwantz oder Haar: Die Natur- und Stern-Forscher theilen eben wol darüber, wo nicht eben die Haare, doch die Federn, und Meinungen, in Beurtheilung desselben.“ [21] Ob sich das Pseudonym Theophilus Anti-Scepticus auf die Figur des Theophilus aus dem zeitgleich im gleichen Verlag erschienenen Gespräch zwischen einem Naturkündi- ger, Politico und Geistlichen [ 6.2.2.] bezieht, sei dahingestellt. Erasmus Francisci (1627–1694) ließ sich nach Jahren als Hauslehrer in der Buchmetro- pole Nürnberg nieder und hatte mit viel gelesenen Werken, die zumeist bei Endter und häufig unter Pseudonym erschienen sind, großen Erfolg. Unter den Dichtern des Nürn- berger Pegnesischen Blumenordens gilt er als der schwülstigste. Seine bildhafte Sprache grenzt oft geradezu ans Geschmacklose. Francisci schrieb geistliche, populärwissen- schaftliche, aber auch Absonderlichem gewidmete Werke wie Der Höllische Proteus (Nürnberg 1690), in dem er die Wirklichkeit von Gespenstern zu beweisen suchte; dar- über hinaus verfasste er zahlreiche Kirchenlieder. [Hans Gaab], in: Astronomie in Nürnberg (25.6.2009). – Gerhard Dünnhaupt, „Erasmus Francisci, ein Nürnberger Polyhistor des siebzehnten Jahrhunderts: Bio- graphie und Bibliographie“, Philobiblon 19 (1975), 272-303. CM 104 DER KOMET VON 1680

6.3.2. Vermarktung eines “schröcklichen Comet-Sterns“

Johann Christoph Wagner, Gründlicher und warhaffter Bericht von dem Ursprung der Kometen, dersel- ben Natur, Gestalt, Zeit, Farb, Grösse und Lauff: Aus Anlaß deß gegenwärtigen schröcklichen Comet- Sterns Welcher in dem November und ietzund den 26. December deß 1680. Jahrs sich widerumb sehen lässet. Augsburg: Koppmayr, 1681. [8] S. Philos.3111e angeb.5 / Philos.3201h

Johann Christoph Wagner, Cometa disparens: Das ist: gründlicher Bericht von dem fernern Lauff des Komet-Sterns biß zu dessen völliger Verlöschung ; darbey noch ferner unterschiedliche Sachen abge- handlet werden welche zu solcher Wissenschafft nöthig ; deme mit angefügt wird was von der grossen Zusammen-Kunfft der beyden obern Planeten Saturni und Jovis item der grossen 1684 erscheinenden Sonnen-Finsternuß zu halten. Augsburg: Koppmayr, 1681. [14] Bl. Philos.3111e angeb.3

Johann Christoph Wagner, Atmosphaera Sublunaris, Oder: Eine Gründliche, der Natur gemässe Erklä- rung, aller und ieder Erscheinungen, welche sich in dem Lufft-Kreisse diser Welt begeben, ob solche natürlich oder nicht, auch ob ihnen einige Bedeutungen zuzuschreiben. Darbey mit abgehandelt wird Was deß in disem 1682. Jahrs, von neuen wiederum herfürleuchtenden entsetzlichen Comet-Sterns Natur, Lauff, und muthmaßliche Bedeutung, und Würckung seyn werde. Augsburg: Koppmayer, 1682. [14] Bl. A. Diss.11360

Für den Augsburger Privatgelehrten und Publizisten Johann Christoph Wagner dürfte der große Komet von 1680 ein wahrer Glücksfall gewesen sein; denn Wagners zuvor in Nürnberg publizierte Kalender und Prognostiken waren offenbar nicht besonders erfolg- reich gewesen. In rascher Folge brachte er nun drei Kometenschriften heraus, die von vorab verteilten, graphisch ansprechenden Flugblättern beworben wurden und in der Schlussschrift jeweils schon die Fortsetzung ankündigten – eine in Zeiten nachlassenden Interesses an derartigem Schrifttum durchaus geschickte und offenbar erfolgreiche Marketingstrategie von Autor, Verleger und Stecher. Der Inhalt dürfte den Erwartungen eines breiten Publikums entsprochen haben. Unkritisch und recht schematisch werden Ursprung, Natur, Sichtbarkeit, Typologie der Schweife, Farbe, Position und Wirkung der Kometen erörtert, die Wagner als Effluvien der Atmosphäre oder der Planeten deu- tet. Wissenschaftlich scheint er dabei nicht wirklich auf dem neuesten Stand; so zählt er etwa auch die Novae von 1572 und 1604 zu den (haarlosen) Kometen, kolportiert aber- gläubische Zuschreibungen, besteht aber zugleich darauf, dass die Kometen kein Un- glück brächten, sondern Zeichen Gottes seien, der sich dazu natürlicher Mittel als „wahrer Propheten“ bediene. Den beiden in Regensburg vorhandenen Exemplaren von Wagners Bericht (1681) sind zwei unterschiedliche Kupferstiche beigebunden, die keinen direkten Textbezug auf- weisen und von denen der hier abgebildete (StBR Philos.3111e) auch als separat er- schienenes Flugblatt nachgewiesen ist. Der andere, dem Exemplar Philos.3201h beigebundene, ist ebenfalls vorab als Flugblatt erschienen (Germanisches Nationalmu- seum, Graphische Sammlung, Sig. HB 27579, Kaps. 1205) und zeigt eine Szene im nächtlichen Nürnberg: Links die Silhouette der Burg und im Vordergrund der große hölzerne Quadrant der Sternwarte, die Georg Christoph Eimmart 1678 auf der Vestner- torbastei eingerichtet hatte, die erste Volkssternwarte überhaupt! Man sieht eine Menge von Beobachtern, ausgestattet mit Globus, Fernrohren und Winkelmessinstrumenten den nördlich des Großen Wagens stehenden Kometen betrachten, während die Land- schaft im Hintergrund im Tageslicht zu liegen scheint. SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 105

Der Wagners Bericht (1681) im Exemplar Philos.3111e beigebundene Kupferstich zeigt den Kometen vor Mond- und Sternhimmel über Augsburg, auf den Kirchturm von Heilig Kreuz zielend; der Schweif durchquert den Kopf des Sternbilds Adler und den unteren Flügel des Schwans. 106 DER KOMET VON 1680

In der bereits im Gründlichen und wahrhafften Bericht angekündigten Folgeschrift Co- meta disparens scheint der Autor mit dem rasch wieder verblassenden Kometen auch sein publizistisches Glück schwinden zu sehen; jedenfalls folgt auf die zunächst bloß als ausführlichere Version des Berichts geplante Schrift ein Anhang mit einer astrologi- schen Prognostik der für 1682/83 vorausberechneten großen Konjunktion von Jupiter und Saturn sowie einer für 1684 erwarteten Sonnenfinsternis. Auf diese Weise ließ sich der Absatz auch über den ursprünglichen Anlass hinaus sichern und Werbung für künf- tige Schriften des Autors machen.

Der zunächst auf einem separaten Werbeflugblatt für Wagners Atmosphaera Su- blunaris (1682) erschienene und dann dem Druck beigebundene Kupferstich zeigt Gruppen von Menschen, unter denen sich auch Frauen und Kinder befinden, bei der Betrachtung des im Sternbild Krebs stehenden – in Wirklichkeit weit weniger eindrucksvollen – (Halleyschen) Kometen von 1682. Beobachtungsinstrumente wie auf dem anderen von Wagner veranlassten Stich (StBR Philos.2301h) sind hier nicht auszumachen; umso dramatischer fallen die rhetorisch ausgreifenden Zeige- gesten aus.

Gelegenheit dazu bot ihm der nächste, im August 1682 erschienene (Halleysche) Ko- met, auch wenn dieser ein weit weniger eindrucksvolles Spektakel bot als der von 1680/81. Sofort ließ der Drucker ein Flugblatt verteilen, auf dem der „widerum herfür- leuchtende Comet- und Wunder-Stern“ mit früheren unheilbringenden Himmelserschei- nungen verglichen und eine weitere Schrift dazu angekündigt wurde: „Was nun dieses Comets ferneren Lauff, und was seine vermuthliche Bedeutung, wird nech- stens in einem besondern Bericht in Druck kommen, da dann der leser vilerhand seltzame Fälle mit Verwunderung wird zuvernehmen haben.“ SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 107

In der so beworbenen Schrift Atmosphaera Sublunaris beschwört Wagner mit markigen Worten den „greßlichen Komet“ als Zeichen „daß der Allerhöchste, bald mit seinem Jüngsten Tag hereinbrechen, und diser sündlichen Welt die Letzte geben werde“, wofür der gesamte Luftkreis zum Zeugen bestellt wird. Denn ganz der traditionellen emblema- tischen Natursicht verpflichtet, ist für Wagner der „irdische Lufft-Kreis … ein Spiegel alles dessen, was GOtt der Allerhöchste, es sey natürlich oder wider die Natur, als Zei- chen seines Zorns oder Güte, uns sterblichen Menschen darstellen will.“ Was dann al- lerdings folgt, ist eine ganz und gar traditionell-aristotelische Meteorologie mit Typologie der feurigen wie wässrigen Meteora von den Kometen über die Gewitter und Irrlichter bis hin zu Regenbogen, Haloerscheinungen, Niederschlägen, Winden und Erdbeben. Offenbar hatte Wagner diese Schrift bereits fertig, als der neue Komet er- schien; denn dessen Erklärung ist der Atmosphaera sublunaris etwas unpassend als drit- tes Kapitel angehängt. Sachlich legt sich der Autor nicht fest, ob Kometen der oberen Lufthülle angehören oder doch „etwas über dem Mond“ stehen. Unter Bezug auf einen in Holland erschienenen Traktat, der die Vorhersagbarkeit periodisch umlaufender Ko- meten behauptet habe, wendet er sich allerdings dezidiert gegen diejenigen, „welche gar nichts von ihren Erscheinungen halten, sondern für ein nothwendig Ding der Natur set- zen, und daher die gewiese Zeit bestimmen, wenn sich ein Comet werde sehen lassen.“ „Am besten ists“, schließt Wagner, „man gehe den Mittel-Weg, und lege ihnen nicht zu vil, noch zu wenig zu, dann ob sie schon natürlich, wie gemeldet, entstehen, so hat doch GOTT, auch seine Bedeutung darunter, indem Er uns, damit was gewieses zeigen will.“ Johann Christoph Wagner, 1640 in Nürnberg geboren, hatte an der Universität Altdorf bei Abdias Trew und Johann Christoph Sturm [ 6.1.1.] studiert, dort über astrolo- gisch-okkultistische Themen gearbeitet und später Kalender und Prognostiken drucken lassen. Um 1680 ist er nach Augsburg übersiedelt, wo er eng mit dem Drucker Jacob Koppmayer zusammenarbeitete, der auch Naturwissenschaftliches herausbrachte. Wa- gners bekanntestes Werk ist eine Landesbeschreibung der Balkanländer und der Türkei, die 1684 unter dem Titel Delineatio Provinciarum Pannoniae et Imperii Turcici in Ori- ente erschien. Harms, Flugblätter (1985), I, 210. – Schechner Genuth, Comets (1997), 7. – [Hans Gaab], in: Astronomie in Nürnberg (12.06.2009). – ADB 7 (1878), 207. – Hans Gaab, Uwe Lemmer, Ekkehard Wagner (Hrsgg.), Astronomie auf der Kaiserburg Nürnberg: Zur Ge- schichte der ersten Volkssternwarte (Lauf a.d. Pegnitz 2007). – Eigentliche Abbildung, deß am Himmel widerum herfürleuchtenden Comet- und Wunder-Sterns, wie solcher den 19. 29. Augusti, dises 1682. Jahrs, früh gegen Tag, ist anzuschauen gewesen (Augsburg: Koppmayer, 1682), Expl. Universitätsbiblio- thek Frankfurt/Main . CM 108 DER KOMET VON 1680

6.3.3. Römisches Kometen-Ei

Friedrich Lips, Ohnvorgreiffliche Gedancken, Uber den im Monat November und December Anno 1680. erschienenen Cometen. [s.l.] 1680. [4] Bl. Philos.3111e angeb.2

Friedrich Lips, Cometo-Graphia Franco-Orientalis, Ad annum MDCLXXX. mense Decembr. & MDCLXXXI. mense Januar: Die Fränckische Cometen-Vorstellung, so sich im Monath Decemb. 1680. und 1681. im Jenner, Göttlicher Direction nach, ereignet; vortragend … 1. Des Cometen wahre Beschaf- fenheit; 2. des Cometen theure Bedeutlichkeit; 3. des Cometen treue Ernstlichkeit. Nürnberg: Scheurer, 1681. [12] Bl. Philos.3111e angeb.1

Friedrich Lips (1638–1695), Rektor des Reichsstädtischen Gymnasiums in Rothenburg ob der Tauber, ist mit verschiedenen teils lateinischen, teils deutschen Kleinschriften über Naturwunder und Himmelserscheinungen hervorgetreten. Aus Anlass des Kometen von 1680 gab er verschiedene Kometenschriften heraus, darunter eine apokalyptische Hell-Gläntzende Cometen-Fackel (Rothenburg 1681) sowie eine 32seitige Sammlung der Judicia und Prognostica verschiedener Autoren über die Kometen der letzten hun- dert Jahre (Rotenburg 1681). Dass es sich bei den Kometen um göttliche Zeichen han- delt, steht für den protestantischen Schulmann fest: Warnzeichen den Gottlosen, einem rechten Christen aber wahre Trostzeichen: „Fromme Christen förchten sich nicht zu sehr vor den Cometen, sondern lassen sich vielmehr zur wahren Buß dardurch auffmuntern, in Erwegung, daß die Cometen denen Gottlosen als He- roldten, hingegen denen Frommen als tröstliche Prediger erscheinen, die ihnen eine Erquickung, umb daß der Jüngste Tag nicht mehr weit seye, in das Hertz hinein sencken.“ [1680, iiv] Mit dem Gebet: „Komm Herr Jesu, komm behend / Mach mit Dieser Welt ein End.“ beschließt der Rothenburger Rektor seine Ohnvorgreifflichen Gedanken.

Der Komet vom 2. Dezember 1680 und dessen Abbild auf einem am gleichen Tage in Rom gelegten Hühnerei aus Lips’ Cometo-Graphia.

Lips’ Cometo-Graphia steht noch ganz in der Tradition der protestantischen Prodigien- literatur. Im ersten, empirischen Teil werden Kometenerscheinungen mit historischen Ereignisfolgen korreliert, im zweiten die Zeichenhaftigkeit von Himmelserscheinungen unterstrichen, im dritten ihre Glaubwürdigkeit versichert. Um die besondere Bedeutung SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 109 des großen Kometen von 1680 zu betonen, hängte Lips der Schrift einen Discursus über das, dem Vorgeben nach, zu Rom den 2. Decemb. 1680. von einer Henne mit großem Geräusch und ohngewöhnlichem Geschrey gelegtes Ey an, welches eingehend beschrie- ben und in einem der Schrift beigegebenen Kupferstich vorgestellt ist: ein doppeltes Warnzeichen zur geistlichen Umkehr in der Stadt des Papstes, das in zahllosen Publika- tionen der Zeit abgebildet und kommentiert wurde. Schechner Genuth, Comets (1997), 120-123. – DBA III, 819, 333. CM

6.4. STRATEGIEN DER FRÜHAUFKLÄRUNG Geistes- und astronomiegeschichtlich markieren der große Komet von 1680/81 und der ihm folgende – später nach Halley benannte – von 1682 einen Umschwung in der Ge- schichte der Kometendeutung. Denn mit ihnen beginnt nicht nur die mathematisch ge- naue Bahnberechnung, der Nachweis der Ellipsenbahn und die Entdeckung ihrer Periodizität, sondern die Himmelserscheinungen bieten auch Anlass zu kritischen theo- logischen und philosophischen Fragen. Zwei herausragende Beispiele dafür sind in den Beständen der Staatlichen Bibliothek Regensburg überliefert: Jakob I Bernoullis Ver- such einer mathematischen Behandlung der Kometenbahn im Rahmen der cartesischen Theorie von den Wirbelbewegungen himmlischer Materie [ 6.4.1.] und die Kometen- schrift, in der der französische Philosoph Pierre Bayle Aberglauben, religiöse Intoleranz und politische Missstände geißelte [ 6.4.2.]. Schechner Genuth, Comets (1997), 104-129. SSP

6.4.1. „mit geometrischen Gründen dargethan und bewiesen“

Jacob Bernoulli, Conamen novi systematis cometarum pro motu eorundem sub calculum revocando et apparitionibus praedicendis adornatum in quo cometam superioris seculi anno LXXX visum die VII. IVNII anni praesentis rediturum praenuntiavit editio secunda cum figuris. Praemissa est IO. Friderici Weidleri Mathes. Prof. publ. et ord. De hypotheseos quae recursum cometarum tuetur probabilitate dis- sertatio. Wittenberg: Officina Gerdesiana, 1719. 30 +48 S., Ill. A.Diss.11549

Die Schrift vereinigt zwei Aufsätze, die gemeinsam veröffentlicht wurden. Zum einen ist es ein verkürzter Wiederabdruck der bereits 1682 in Amsterdam erschienenen Ju- gendschrift Jakob I Bernoullis mit dem Titel Conamen novi systematis cometarum. Die- ser war aus Anlass des Kometen von 1681/81 eine deutsche Abhandlung vorausge- gangen: Neu-erfundene Anleitung wie man den Lauff der Comet- oder Schwantz-sternen in gewisse grundmässige Gesätze einrichten und ihre Erscheinung vorhersagen könne (Basel 1681), in deren Titel der Autor versicherte, er habe „alles mit geometrischen Gründen dargethan und bewiesen.“ Vermutlich regte der intensive Gedankenaustausch mit dem Amsterdamer Bürgermeister Johann Hudde die zweite Schrift Bernoullis an, die er diesem und dem ehemaligen Rat von Franeker Bernhard Fullenius widmete. Auch ein Austausch mit Pierre Bayle [ 6.4.2.], dessen Kometenschrift zeitgleich erschien, könnte Bernoulli inspiriert haben, seine Arbeit erneut auf Lateinisch zu veröffentlichen, um ihr in der wissenschaftlichen Welt stärkere Sichtbarkeit zu verleihen. 110 DER KOMET VON 1680

In diesem Werk, das zur unübersehbaren Flut von Schriften bei der Erscheinung des Kometen 1680/81 zu zählen ist, präsentiert Bernoulli eine vollständige Kometentheorie und kritisiert vor allem die Auffassungen des Danziger Ratsherrn Johann Hevelius. Aus- gehend von der cartesianischen Wirbeltheorie, wonach verschiedene Wirbel die Sonne und Planeten mit sich führen und so die Rotations- und Ellipsenbewegungen verursa- chen, geht Bernoulli davon aus, dass sich auch die Kometenbahnen durch Wirbel erklä- ren lassen. In expliziter Auseinandersetzung mit der aristotelischen Theorie konstatiert er, dass sich die Kometen nicht unterhalb des Mondes, sondern zwischen der Sphäre des Saturns und der Fixsterne bewegen. Mit dieser Abhandlung, die auch Beobachtungsda- ten des letzten Kometen enthält, rezipiert Bernoulli den aktuellen Forschungsstand und integriert die Kometen in die damals gültige cartesianische Himmelsmechanik. Die zweite, dem Wiederabdruck von Bernoullis Arbeit vorangestellte Schrift stammt von dem Wittenberger Universitätsprofessor Johann Friedrich Weidler, der darin die Behauptung Bernoullis untersucht, wonach der 1680/81 beobachtete Komet im Jahr 1719 wiederkehren solle. Weidler beschreibt die aktuellen Vorstellungen zu Kometen und konstatiert dann, dass die von Bernoulli berechnete Umlaufzeit sich bisher nicht verifizieren lasse. Eine mathematische Behandlung des Themas wird jedoch nicht gebo- ten; vielmehr wird in traditioneller Manier diskutiert, wie Kometen entstehen und wo- raus sie bestehen. Obwohl die mathematische Durchdringung der Kometenbahnen von Newton und Halley aus den späten achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts seit einigen Jahrzehnten bekannt war, wird sie von Weidler nicht angeführt. Anders als Bernoulli, der sich seinerzeit auf der wissenschaftlichen Höhe seiner Zeit bewegte, überging Weid- ler 37 Jahre danach die neueren Erkenntnisse. Statt einer mathematisch korrekten Bahn- beschreibung interessierte er sich eher für das Wesen der Kometen. Jakob I Bernoulli (1654–1705) stammt aus einer Basler Kaufmannsfamilie, die vor al- lem im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Mathematiker und Naturwissenschaftler her- vorbrachte. Da diese oft den gleichen Vornamen trugen, werden sie in der heutigen Forschung nummeriert. Nach seinem Studium der Philosophie arbeitete Bernoulli als Lehrer in Genf, ehe er zu einer Bildungsreise in die Niederlande aufbrach. Hier entstand u.a. die Kometenschrift 1682, die er dem mathematisch interessierten Jan Hudde wid- mete. 1683 kehrte er nach Basel zurück und beschäftigte sich fortan intensiv mit den aktuellen mathematischen Problemen seiner Zeit, vor allem mit Algebra, der Infinitesi- mal- und Variationsrechnung, der Theorie der Reihen sowie mit Mechanik. 1687 erhielt er eine Professur für Mathematik in seiner Heimatstadt. Diese übernahm nach seinem Tod der Bruder Johann I. Johann Friedrich Weidler (1691–1755) studierte in Jena Philosophie und erhielt 1715 den Lehrstuhl für höhere Mathematik, der auch die Astronomie umfasste. In den fol- genden Jahrzehnten verfasste er physikalische und meteorologische Arbeiten, mathema- tische Lehrbücher, astronomische Aufsätze und ein astronomiehistorisches Werk. J.E. Hofmann, „J. Bernoulli“, in: Dictionary of Scientific Biography, hrsg. von Charles C. Gillispie, Bd 2 (New York 1970), 46-51. – NDB 2 (1955), 128-131. – ADB 41 (1896), 453-455. – Die Werke von Jakob Bernoulli, Bd 1 (Basel 1969). – Elart von Collani, „Jacob Bernoulli Deciphered“, Bernoulli News 13/2 (Nov. 2006) (3.8.2009). SSP

SEGMENTIERUNG DER DISKURSE 111

6.4.2. Mit Skepsis gegen den Wunder- und Aberglauben

Pierre Bayle, Lettre à M. L. A. D. C. Docteur de Sorbonne. Où il est prouvé par plusieur raisons tirées de la Philosophie et de la Theologie, que les Comètes ne sont point le presage d’aucun malheur: Avec plu- sieurs Reflexions Morales et Politiques. Köln: Marteau, 1682. [18] Bl., 574 S. Philos. 1301

In seiner bekannten Kometenschrift, die ein Jahr später als Pensées diverses sur la co- mète de 1680 auch in erweiterter Form erschien, setzt sich der französische Philosoph Pierre Bayle mit der Frage auseinander, ob Kometen Unglücksboten oder Unheilsbrin- ger seien. In weitschweifigen, ungeordneten und sich gelegentlich wiederholenden Kommentaren verneint Bayle dies sowohl a priori als auch a posteriori. Weder aus der Erfahrung noch aufgrund logischer Argumente lasse sich folgern, dass Kometen Kata- strophen verkünden oder verursachen. Dabei begründet er seine Sicht weniger mit phi- losophischen Erklärungen als vielmehr mit religiöser Beweisführung, wobei er sich auch kritisch zu aktuellen Ereignissen, wie der Verfolgung der Hugenotten unter dem französischen Sonnenkönig, äußert.

Das Titelblatt der seltenen Erstausgabe von Pierre Bayles Kometenbrief kommt nüchtern daher; einziger Schmuck ist das Bild einer Armillarsphäre. 112 DER KOMET VON 1680

Naturwissenschaftliche Einlassungen sind in Bayles Lettre von 1682 marginal und kaum ausgeführt. Nur wenige Hinweise deuten an, dass der Autor die cartesianische Wirbeltheorie annimmt und in diese auch die Kometen einordnet. Er betont wiederholt, dass Kometen natürliche Körper sind und keine Wunderzeichen Gottes. In der Natur fänden sich einfache und allgemeine Regeln, nach denen sich alle Körper bewegen. „Nach diesem Grundsatz muß man niemals seine Zuflucht zu einem Wunderwerk neh- men, wenn sich Sachen natürlich erklären lassen.“ Damit spricht er auch der Astrologie jedwede Kompetenz ab und führt frühere Zuschreibungen von Unglücksfällen, die an- geblich mit einem Kometen zu tun hätten, auf politische, menschliche oder natürliche Gegebenheiten zurück. Der aufklärerische Charakter der Schrift zeigt sich vor allem an der Tatsache, dass Ko- meten zu den natürlichen Phänomenen gerechnet werden und ihnen somit der Status eines göttlichen Wunders aberkannt wird. Bayle bleibt seinen Lesern allerdings die Antwort schuldig, welcher Art diese natürlichen Erscheinungen sind. Er kann sie nicht erklären, sondern nur ihre Natürlichkeit feststellen. Die Briefform von Bayles Abhandlung ist einer literarischen Konvention geschuldet und soll den Text lebendiger und ansprechender erscheinen lassen. Als Adressat dient ein Doktor der Sorbonne, ein katholischer Theologe. Aufgrund seiner kritischen Einlas- sungen, seines protestantischen Bekenntnisses sowie der sich verschärfenden Unter- drückung durch den französischen Staat verließ Bayle die Stadt Sedan und umging so die französische Zensur. Sein Werk wurde anonym in Köln veröffentlicht. Der Perga- mentband der Erstausgabe trägt ein Wappensupralibros der Stadt Regensburg. Pierre Bayle (1647–1706) war Professor der Philosophie an der protestantischen Aka- demie in Sedan. Nach deren Schließung 1681 folgte er einem Ruf als Professor der Phi- losophie und Geschichte an die Ecole illustre nach Rotterdam. Mit seiner 1741 von dem Leipziger Gelehrten Johann Christoph Gottsched ins Deutsche übertragenen Kometen- schrift und den zumeist religiösen Streitschriften der folgenden Jahre begründete Bayle seine literarische Reputation. Heute ist er vor allem wegen seines Dictionnaire histori- que et critique bekannt, das 1695 erstmals erschien und als ein Manifest der Frühaufklä- rung gilt. Schechner Genuth, Comets (1997), 114-117. – Dictionnaire de biographie française, Bd 5 (Paris 1949), 1006-1007. – Elisabeth Labrousse: Bayle (Oxford 1983). – Pierre Bayle, Verschiedene einem Doktor der Sorbonne mitgeteilte Gedanken über den Kometen, der im Monat Dezember 1680 erschienen ist (Leipzig 1975). SSP

7. VOM UNGLÜCKSBOTEN ZUR NATÜRLICHEN HIMMELSERSCHEINUNG Im 18. Jahrhundert veränderte sich das Bild von den Kometen grundlegend. Nicht mehr als göttliche Wunderzeichen, sondern als natürliche Himmelskörper wurden diese Er- scheinungen nun aufgefaßt. Ängste und Hoffnungen, die sich traditionell an die Kome- ten geknüpft hatten, galten den Aufklärern als bloßer Aberglauben, den es mit Vernunftgründen zu bekämpfen galt. Das Interesse der Wissenschaft richtete sich zu- nehmend darauf, ihre Bahnen genauer zu bestimmen und in das Planetensystem zu inte- grieren. In diesem Kontext bemühte sich auch der englische Mathematiker und Astronom Ed- mond Halley, angeregt durch die Beobachtungen des Kometen 1680/81, dessen Bahn zu berechnen. Anfangs versuchte er, diese gemäß den Keplerschen Vorstellungen zu bestimmen, wonach sich Kometen auf einer geradlinigen Bahn bewegen. Nach einigen Fehlschlägen und ausführlichen Diskussionen mit Isaac Newton vermuteten beide eine parabelförmige Bahn. Der intensive Gedankenaustausch mit dem Cambridger Professor machte Halley mit dessen Gravitationstheorie bekannt, worauf er Newton drängte, seine Ergebnisse zu publizieren. In der Folge übernahm Halley nicht nur die Mühen, sondern auch die Kosten der Drucklegung der Philosophiae naturalis principia mathematica (London 1687). In den späteren Auflagen von Newtons berühmtem Hauptwerk werden die Darlegungen über Kometen ausführlicher und bestätigen somit die Gravitationstheo- rie. Auf deren Grundlage berechnete Halley seit 1695 unter Verwendung von umfang- reichem Beobachtungsmaterial die Bahnen von 24 Kometen und veröffentlichte 1705 in den Philosophical Transactions der Royal Society einen Aufsatz, der 1715 unter dem Titel Synopsis of the Astronomy of Comets noch einmal separat erschien. Halley hatte damit nicht nur die Newtonsche Gravitationstheorie bewiesen, sondern auch dargestellt, dass sich die Kometen auf Ellipsen um die Sonne bewegen, und vorhergesagt, dass der Komet von 1680/81 eine Umlaufzeit von 575 Jahren und der von 1682 eine Umlaufzeit von 75 oder 76 Jahren habe. Obwohl er mit der ersten Prognose falsch lag, war die Wiederkehr des Halleyschen Kometen im Jahre 1757 dann ein unumstößlicher Beweis für die Richtigkeit von Halleys Berechnungen und Newtons Gravitationstheorie. Damit lagen seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts zwei grundsätzlich verschie- dene Herangehensweisen an die Kometen vor: Auf der einen Seite gab es im Anschluss an Halley und Newton immer mehr rein wissenschaftliche, mathematisch hoch an- spruchsvolle Untersuchungen, in denen es um die quantitative Berechnung von Kome- tenbahnen auf Grundlage immer exakterer Beobachtungsdaten ging. Diese Werke richteten sich an mathematisch versierte Spezialisten und sind auch heute nicht ohne Vorkenntnisse nachvollziehbar. Die sich allmählich herausbildende Wissenschaftlerge- meinschaft grenzte bewusst bestimmte Fragestellungen, z. B. theologische oder politi- sche Deutungen, aus und konzentrierte sich auf die mathematische Durchdringung der Astronomie, wobei die Fachleute über Briefwechsel und Zeitschriften in intensivem Gedankenaustausch standen. Das Professionalisierungsbestreben zeigt sich sowohl bei der Eingrenzung des Themas als auch bei der Herausbildung einer wissenschaftlichen Gemeinschaft und ihrer Kommunikationsmittel. Leonhard Euler, Carl Friedrich Gauß und Heinrich Wilhelm Matthias Olbers sind typische Vertreter neuzeitlicher wissen- schaftlicher Experten, die weder über die stoffliche Beschaffenheit noch über metaphy- sische Fragen, wie die Existenz von Leben auf Kometen, spekulierten, sondern allein an 114 KOMETEN IM KONTEXT DER AUFKLÄRUNG der mathematischen Durchdringung des Problems interessiert waren [ 7.0.1.]. Die veränderte Auffassung spiegelt sich auch in der Präsentationsform der Kometenschrif- ten des 18. Jahrhunderts. Anders als frühere Schriften enthalten die Drucke der Aufklä- rungszeit keine dramatischen Kometenbilder mehr – weder vor städtischer Kulisse noch auf ihrem Lauf durch die Sternbilder. Statt dessen dominieren Text und Tafeln mit geometrischen Konstruktionen die Werke. Auf der anderen Seite wurden weiterhin populäre Schriften verfasst, die den Kometen- diskurs der vergangenen Jahrhunderte aufnahmen und den aktuellen wissenschaftlichen Gegebenheiten anpassten. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert war aus den Un- glücksboten bzw. Unheilsbringern ein natürlicher Bestandteil des Sonnensystems ge- worden. Kometen waren damit in die Beschreibung und Berechnung des Planetensystems integriert und hatten ihre Sonderstellung verloren. Nun verkündeten sie nicht mehr bloß die Hungersnöte, Kriege, Naturkatastrophen oder den Tod berühmter Persönlichkeiten, sondern sie wurden als tatsächliche physische Ursachen möglicher Zusammenstöße oder Einflüsse diskutiert. Das eindrucksvollste Beispiel für die Neuakzentuierung des Kometendiskurses an der Wende zum 18. Jahrhundert ist die große Kontroverse um die Kosmologie von William Whiston, dem Nachfolger Newtons als Lucasian Professor an der Universität Cam- bridge. In seinem Werk A New Theory of the Earth, erstmals 1696 erschienen, hatte Whiston eine Geo- und Kosmogonie entworfen, in der Kometen eine wesentliche Rolle spielen. Demnach war die Erde ursprünglich ein Komet. Mit Beginn der biblischen Schöpfungsgeschichte kam die Atmosphäre des Kometen zur Ruhe. Die junge Erde bewegte sich auf einer Kreisbahn und hatte die Gestalt einer perfekten Kugel. Da sie noch nicht um ihre eigene Achse rotierte, dauerte ein biblischer Tag so lang wie die Umkreisung der Sonne, also ein ganzes Jahr. Damit hatte Gott für die Erschaffung der Welt sechs Jahre Zeit. Durch einen Kometen angestoßen, begann die Erde zu rotieren – zeitgleich mit dem Sündenfall. Durch die Umdrehung erhielt die Erde die Form eines an den Polen abgeplatteten Sphäroids. Ebenso entstand nun die Neigung der Ekliptik, die für die Jahreszeiten verantwortlich ist. Erst nach der biblischen Sintflut, die Whiston ebenfalls durch die Annäherung eines Kometen erklärte, entstand die elliptische Bahn. Whiston wollte sogar mathematisch nachweisen können, dass der Komet von 1680, für den Halley eine Umlaufzeit von 575 Jahren berechnet hatte, für die Sintflut verantwort- lich sei. Sieben Perioden zuvor, also im Jahr 2349 v. Chr., sei der Komet der Erde so nahe gekommen, dass sich alle Wassermassen auf ihr sammelten und dazu noch die wässrigen Ausdünstungen des Kometenschweifs auf die Erde niedergingen. Auch das Ende der Welt werde Whiston zufolge durch einen zu dichten Vorbeiflug eines Kome- ten ausgelöst. Danach werde eine neue Erde auftauchen, auf der die wiederauferstande- nen Menschen fortleben können. Unter Schöpfung verstand Whiston also Neuordnung, Veränderung und Modellierung bereits existenter Dinge. Alle großen strukturellen Veränderungen auf der Erde seien in der Vergangenheit und würden auch zukünftig durch nahe vorbeifliegende Kometen verursacht. Whistons zyklische Kosmologie steht im Einklang mit Newtons Principia, die er kannte und bei der Berechnung des die Sintflut bewirkenden Kometen zugrunde- legte. Diese mathematische Demonstration der kosmischen Ursachen der Sintflut brach- te das Schöpfungshandeln Gottes in Einklang mit den aktuellen wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen. Aufgrund der Verwendung und Übereinstimmung der VOM UNGLÜCKSBOTEN ZUR NATÜRLICHEN HIMMELSERSCHEINUNG 115

Newtonschen Gravitationstheorie wurde Whistons Arbeit als seriös akzeptiert und in den Wissenskanon der philosophischen Studien in Cambridge aufgenommen. Whistons Kosmologie subsumierte die bisherigen Ängste, die Kometen auslösten. So- wohl theologisch als auch naturwissenschaftlich argumentierten nun vor allem gelehrte Laien, also keine Fachwissenschaftler, gegen diese Theorie. Die Auseinandersetzung verlief inhaltlich und methodisch auf naturwissenschaftlicher Grundlage, d.h. logisch, stringent und unter Einbeziehung neuer mathematischer Erkenntnisse. Schulrektoren [ 7.0.3.], universitäre Privatlehrer [ 7.0.4.] und interessierte Philosophen [7.0.2.] besaßen das sachlich notwendige Verständnis für eine populärwissenschaftliche Darstel- lung und Diskussion eines Themas, das nach wie vor von allgemeinem Interesse war. Mit Whistons Synthese aus Newtonscher Himmelsmechanik, kosmogonischen Ur- sprungserzählungen und biblischer Überlieferung wird aus dem göttlichen Strafzeichen oder den Naturgesetzen zuwiderlaufenden Wunder ‚Komet‘ eine natürliche Ursache für Veränderungen und Abläufe im Himmel und auf der Erde. Die abergläubische Kome- tenfurcht früherer Zeiten ist nun gewissermaßen wissenschaftlich rehabilitiert, indem die Kometen als natürliche Erscheinungen und damit als tatsächliche kosmische Bedro- hungen aufgefasst sind. Die dadurch eröffnete Perspektive eines möglichen Weltendes durch Kometenbeschuss war freilich theologisch nicht hinnehmbar und rief Wider- spruch hervor. Denn sowohl die Newtonsche Physik als auch die Physikotheologie des 18. Jahrhunderts sahen Gott nicht nur als den allmächtigen Schöpfer, sondern auch als den gütigen Erhalter der Welt. Eine vollständige Katastrophe war damit ausgeschlossen: „Ist nun eine künstlige Maschine desto vollkommener, je länger sie dauern kan, so muß das vollkommenste Werk, welches von der unendligen Vollkommenheiten seines Meisters zeigen soll, auch unendlige Zeit, das ist ewig dauren ...; keines wegs aber eine solche Einrichtung ha- ben, vermöge welcher mit der Zeit ein Theil desselben den andern in seinem ordentlichen Lauf hindern, oder denselben ganz und gar zu vernichten vermögend seyn.“ [Wiedeburg (1744), 44] Heidarzadeh, History (2008). – Schechner Genuth, Comets (1997), 188-215. – Markus Griesser, Die Kometen im Spiegel der Zeiten (Bern 1985). – Fritz Gehlhar, „Kometen, Weltbild und Wissenschaftsent- wicklung“, in: Geschichte der Kometenforschung (Berlin 1987), 5-18. – Siegfried Koge, „Johann Georg Palitzsch und die Entdeckung des Halleyschen Kometen 1758“, in: ebd., 29-53. – Nigel Calder, Das Ge- heimnis der Kometen: Wahn und Wirklichkeit (Frankfurt/Main 1981). – Maureen Farrell, The Life and Work of William Whiston (New York 1981). – Stephen David Snobelen, „William Whiston, Isaac New- ton, and the Crisis of Publicity“, Studies in the History and Philosophy of Science 35 (2004), 573-603. SSP

7.0.1. Mathematische Durchdringung

Leonhard Euler, Theorie der Planeten und Cometen, übers. von Johann Freiherr von Pacassi. Wien: Trattner, 1781. [8] + 230 S., Ill. 4°Philos.5015

Die 1781 erschienene Übersetzung von Leonhard Eulers lateinischer Theoria motuum planetarum et cometarum (1744) enthält nicht nur die Arbeit des bekannten Schweizer Mathematikers, sondern auch Beiträge Johann Freiherr von Pacassis. Dieser hat das Buch um Tafeln, Berechnungen und Erklärungen ergänzt, die auf Seite 134 beginnen. Ausgehend von Eulers ausführlichen Berechnungen der Kometenbahnen auf Grundlage der Daten von 1680/81 und 1744 präsentiert Pacassi Beobachtungen des Kometen von 1779 und die darauf beruhende Berechnung der Bahn. 116 KOMETEN IM KONTEXT DER AUFKLÄRUNG

Umfangreiche mathematische Rechnungen und Gleichungen charakterisieren die Kometentheorie Leonhard Eulers. Die emblematische Bildhaftigkeit der frühneu- zeitlichen Natursicht ist der Reduktion auf die Formel gewichen.

Weitere Informationen zu Aufbau und Entstehung von Kometen sucht man in diesem Buch vergeblich. Für eine wissenschaftliche Theorie der Kometen genügt in der Mitte des 18. Jahrhunderts die alleinige mathematische Darstellung der entsprechenden Bahn. An dieser Schrift zeigt sich sehr deutlich, wie sich das Verständnis einer physikalischen Erklärung im Laufe der Frühen Neuzeit verändert hat. Diskutierte man in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch ausführlich den Ort, die Ursache und Bedeutung einer Kometen- erscheinung, so genügt es ein Jahrhundert später, die Zusammenhänge zu quantifizieren. Damit ist die naturwissenschaftlich-mathematische Durchdringung der Kometen end- gültig vollzogen, und sie sind in den natürlichen Weltenlauf integriert. Die Untersu- chung der Frage, ob Kometen Unglücksboten sind, ist somit obsolet. Daher konstatiert Euler knapp, dass Kometen keine Gefahr für die Erde darstellen. Leonhard Euler (1707–1783) war einer der bedeutendsten Mathematiker des 18. Jahr- hunderts. Nach seinem Studium an der Basler Universität folgte er 1727 einem Ruf an die Petersburger Akademie der Wissenschaften. Seit 1730 bekleidete er dort die Profes- sur für Physik und seit 1733 die für Mathematik. 1741 wechselte er an die Königlich- Preußische Akademie der Wissenschaften nach Berlin. Von Friedrich dem Großen ge- ring geschätzt, gelang ihm erst 1766 eine Rückkehr an die Newa. Nach seiner vollstän- digen Erblindung 1771 war seine Schaffenskraft ungebrochen, deren Ergebnisse nun vor allem durch seinen Sohn Johann Albrecht niedergeschrieben wurden. Euler arbeitete zu mathematischen Problemen, mechanischen, optischen und astronomischen Fragestel- lungen sowie zur mathematischen Musiktheorie. Johann Baptist Freiherr von Pacassi (1758–1818), Sohn des Wiener Hofarchitekten Ni- colaus Franz Ferdinand Freiherr von Pacassi, schlug zuerst eine juristisch-diplomatische Laufbahn ein und verfasste juristische und politische Abhandlungen. 1797 wurde er zum Wasserbau-Inspektor ernannt und seit 1811 war er Direktor des k.k. Wasserbau- amtes in Wien. Seine Mußestunden widmete er vor allem der Mathematik und Astro- nomie, die er nicht nur hobbymäßig, sondern auf hohem wissenschaftlichem Niveau behandelte. So korrespondierte er mit Leonhard Euler, dem Göttinger Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner, dem Berliner Physiker Johann Heinrich Lambert und dem VOM UNGLÜCKSBOTEN ZUR NATÜRLICHEN HIMMELSERSCHEINUNG 117

Berliner Astronom Johann Elert Bode, in dessen Astronomischem Jahrbuch er auch Aufsätze veröffentlichte. Darüber hinaus war er Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und stand mit der Petersburger Akademie in regem Austausch. Emil A. Fellmann, Leonhard Euler (Reinbek 1995). – DBA I, 184-199. – ADB 25 (1887), 42-43. SSP

7.0.2. Treffen Erde und Komet aufeinander?

Johann Bernhard Wiedeburg, Astronomisches Bedenken über die Frage ob der bevorstehende Untergang der Welt natürliger Weise entstehen, ins besondere durch Annäherung eines Cometen zur Erden werde befördert werden: Auch binnen 4 Jahren ein schrecklich Vorspiel desselben zu erwarten. 2. u. verm. Auf- lage. Jena: Melchior, 1744. 200 S. 97.1629

In diesem Buch setzt sich der Autor mit William Whistons Theorie auseinander, wo- nach ein Komet der Erde gefährlich nahe kommen und diese zerstören könnte. Dieses allgemeinverständliche und aufklärerische Werk untersucht, wie wahrscheinlich es ist, dass sich Kometen- und Erdbahn schneiden. Unter Annahme des Newtonschen Systems und aufgrund der Erfahrung mit den bisherigen Kometenerscheinungen hält Wiedeburg einen Zusammenstoß oder eine Verschmutzung der Erdatmosphä- re durch Schweifausdünstungen für unwahrscheinlich. Obwohl in dieser Schrift die Kometen als natürliche Phänomene der Natur aufgefasst und damit in das klare und abstrakte Berechnungs- und Erklä- rungsschema der Naturwissenschaften eingegliedert sind, bleiben theologische Implikationen nicht unerwähnt. So dür- fen Kometen zur Gottesfurcht anregen und an das Jüngste Gericht erinnern – auch wenn sie aus Sicht des 18. Jahr- hunderts dafür nicht verantwortlich sind. Anders als noch die Autoren des ausgehenden 17. Jahrhunderts, nach denen Kometen keine widernatürlichen Ereignisse sind, plädiert Wiedeburg für das Festhalten an göttlichen Wunder- werken, da an diesen Gottes Allmacht und Güte deutlicher erkennbar sind als anhand von Naturgesetzen. Es wird deutlich, dass sich Aufklärung und Gläubigkeit keineswegs ausschließen, sondern in populärwissenschaftlichen Texten des 18. Jahrhunderts immer noch Hand in Hand gehen. 118 KOMETEN IM KONTEXT DER AUFKLÄRUNG

Johann Bernhard Wiedeburg (1687–1766), der einer Theologenfamilie entstammt, stu- dierte in seiner Heimatstadt Helmstedt Philosophie und Theologie. Nach seiner Magi- sterprüfung 1710 lehrte er Mathematik und Philosophie, 1717 erhielt er eine Professur für Philosophie. Im Jahr darauf wechselte er als Professor der Mathematik nach Jena. Er beschäftigte sich vor allem mit mathematischen und astronomischen Themen. 1737 er- nannte ihn der Herzog zu Sachsen-Weimar zum Kirchenrat und zwei Jahre später erhielt er die Erlaubnis, auch theologische Vorlesungen zu halten. Auch seine beiden Söhne, Basilius Christian Bernhard und Johann Ernst Basilius, arbeiteten zu astronomischen und mathematischen Fragestellungen. DBA I, 1365, 31-51. – DBA II, 1401,76-77. – DBA III, 989, 360. SSP

7.0.3. Brauchte Gott Jahre statt Tage zur Schöpfung der Welt?

Christian Gottlieb Guttmann, Vernünftige Gedancken über die neue Cometenlehre des S.T. Herrn Rector Johann Heyns zu Altbrandenburg, so er in seinem Versuch einer Betrachtung über die Cometen etc. vor- getragen: Nebst einem Beweis a priori von dem Umschwunge der Erde und der andern Planeten wider der angen Whistonschen Schöpfungstage. Leipzig: Breitkop, 1744. 138 S., Ill. 97.1629

„Was die neue Cometenlehre anbelangt, so scheint sie wohl auf sehr schwachen Füßen zu ste- hen. Denn ob man auch Grund genug hat, sie nicht mehr mit Hevelio und denen Alten vor bloße Phoenomena und Ausdünstungen der Gestirne zu halten, und gründlich überzeugt ist, daß sie Weltkörper sind, die von Anfang der Welt erschaffen worden; so siehet doch die Erkenntniß von ihrem Laufe, von der Eigenschaft ihres Körpers, und absonderlich der Natur ihres Schwei- fes und so weiter, sehr unvollkommen aus.“ Trotz dieser eingangs gemachten Feststellung betont Guttmann, dass Kometen in das Planetensystem integriert wurden und somit jedwede Kometendeutung fragwürdig ist. Genau hier setzt auch die Kritik an Whistons Hypothese an, der den Kometen verschie- dene Auswirkungen zuschreibt, die biblische und natürliche Geschehnisse erklären sol- len. So hat, laut Whiston, erst der Zusammenprall eines Kometen mit der Erde letztere in Eigendrehung versetzt. Zuvor rotierte sie lediglich um die Sonne, so dass zur Er- schaffung der Welt nicht Tage, sondern Jahre zur Verfügung standen. Gegen diese und andere Kometenprophezeiungen, wie z. B. ein erneuter Zusammenstoß oder das Verun- reinigen der Erdatmosphäre durch giftige Schweifdünste, wird detailliert Stellung bezo- gen. Whistons Kometen- und Bibelinterpretationen werden entschieden zurück- gewiesen. Guttmanns Schrift ist eine kritische Replik auf den Versuch einer Betrachtung über die Cometen, die Sündflut und das Vorspiel des jüngsten Gerichts nach astronomischen Gründen und der heiligen Schrift angestellet (Berlin 1742) von Johann Heyn, auf die dieser wenig später mit einer Gegenschrift antwortete: Gesamlete Briefe von den Come- ten, der Sündflut, und dem Vorspiel des jüngsten Gerichts, etc.: Worinnen er sich theils den Unternehmungen des Herrn Professor Wiedeburgs ... widersetzet; theils einige Ma- terien anbringet, welche zur Erläuterung seines Versuchs dienen sollen (Berlin/Leipzig 1745). Wie andere Autoren vor ihm, bemüht Guttmann eine Mischung aus religiösen und wis- senschaftlichen Argumenten, um die Weltuntergangsvorstellung zu widerlegen. Die wissenschaftlichen Ideen werden dabei allgemeinverständlich formuliert, mathemati- VOM UNGLÜCKSBOTEN ZUR NATÜRLICHEN HIMMELSERSCHEINUNG 119 sche Ausführungen vermieden. Diese Bücher waren für ein interessiertes Laienpubli- kum bestimmt, aber nicht für Fachwissenschaftler, die sich mit einer eigenen Darstel- lungsform und anderen Fragestellungen allmählich professionalisierten und abgrenzten. Über Christian Gottlieb Gut[t]mann ist lediglich bekannt, dass er Rektor der fürstlichen Stadtschule zu Bernstedt, vermutlich Bernstadt, im schlesischen Fürstentum Oels war. Die hier angezeigte Kometenschrift ist seine einzige nachweisbare Veröffentlichung. DBA I, 441, 143. – DBA I, 534, 238-286; II, 581, 32. SSP

7.0.4. Wider die Whistonsche Hypothese

Daniel Gottlob Rudolph, Untersuchung der Frage, Ob man man Ursache habe sich vor Kometen zu fürchten? Leipzig: Lanckisch, 1760. [8] + 124 + [4] S. A.Diss.8638

Ähnlich Wiedeburgs Schrift thematisiert auch Rudolph die aktuellen Schreckenszenari- en, die gemeinhin noch mit einem Kometen verbunden werden. Gleich zu Beginn be- kennt er, dass die früher angenommenen Katastrophen, wie Hungersnöte, Erdbeben oder Kriege, durch menschliches Fehlverhalten oder natürliche Ereignisse verursacht werden. Kometen sind Naturphänomene und haben keinen dramatischen Einfluss auf unser Planetensystem. Trotzdem konstatiert Rudolph, dass die Kometenfurcht nicht verschwunden sei, sondern nur gelehrter wurde, vor allem durch Whistons Thesen. Auf den nun folgenden achtzig Seiten setzt er sich mit den einzelnen Behauptungen des eng- lischen Gelehrten auseinander und zieht sie durch detailliertes Hinterfragen in Zweifel. Weder sei der Komet ein glühender Körper, noch setze er schädliche Dünste ab; auch sei ein Zusammenprall von Komet und Erde unwahrscheinlich. Da ein Komet ähnlich wie die Planeten laufe, sei jede Furcht unbegründet. Die Unwissenheit der Menschen, ihre schlechte Erziehung und Lasterhaftigkeit seien die wahren Gründe für die Kome- tenfurcht. Ebenso wie bei Wiedeburg finden sich auch in diesem Buch keine Abbildungen, son- dern eine rein textliche Beschäftigung mit der Weltuntergangsprophezeiung. Damit ver- schiebt sich sowohl in der Präsentation als auch im Inhalt die Auseinandersetzung mit den Kometen. Über Daniel Gottlob Rudolph (1726–1768) ist nur wenig bekannt. Nach seinem Studi- um der Philosophie in Lauban und Leipzig arbeitete er als Privatlehrer an der Leipziger Universität. Neben dieser Kometenschrift sind noch mathematische und naturkundliche Arbeiten von ihm bekannt. DBA I, 1063, 198-199. SSP 120 KOMETEN IM KONTEXT DER AUFKLÄRUNG

7.0.5. Aktuelle Kometenfurcht und vergangene Planetentheorie

Physicalisches Bedenken, über die Relation des gegenwärtigen 1778sten Jahre erscheinen sollenden Cometen: Und was für naturgemäße Folgen derselbe haben könne. [s.l.] 1778. 24 S. Philos.2137

Diese anonym von einem „Liebhaber physicalischer Wahrheiten“ veröffentlichte Schrift befasst sich mit der Befürchtung, dass ein 1778 erscheinender Komet die Erde treffen könne. Wie in den bereits vorgestellten Büchern, wird dies auch hier aus physikalischen und theologischen Gründen als unwahrscheinlich zurückgewiesen. Im Unterschied zu den vorangegangenen Autoren befindet sich dieser, der sich hinter den Abkürzungen I.L.I.L.M. versteckt, wissenschaftlich nicht auf der Höhe seiner Zeit. So spricht er von einer „citronenförmigen“, d.h. einer am Äquator abgeflachten Erde. Diese cartesiani- sche Idee, die noch durch die Vorstellung eines Sonnenwirbels ergänzt wird, ist am En- de des 18. Jahrhunderts längst überholt. Newtons Gravitationstheorie und der Beweis von abgeflachten Polen hatten sich inzwischen durchgesetzt. Obwohl er die aktuelle Diskussion über Kometen rezipiert, hinkt der vermeintliche „Liebhaber physicalischer Wahrheiten“ den wissenschaftlichen Tatsachen hinterher. SSP

8. KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION? Die frühneuzeitlichen Kometendrucke bilden ein Schriftenkorpus, das sich zeitlich, geographisch und konfessionell überraschend klar abgrenzen lässt. Die Flut der Drucke setzt ein in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert und ebbt nach 1681 merklich ab. Wie zu erwarten, lösten vor allem die ‚großen‘ Kometen von 1577, 1618, 1664/65 und 1680/81 wahre Springfluten von entsprechenden Flugschriften aus. Die bei weitem größte Zahl stammt von Autoren und Druckern innerhalb der Reichsgrenzen, und zwar hier in ganz überwiegendem Anteil aus protestantischen Territorien bzw. Druckorten. Dieser in der Forschung seit langem bekannte Befund soll im Folgenden anhand der in der Staatlichen Bibliothek Regensburg vorhandenen Bestände zahlenmäßig belegt wer- den, auch, um einschätzen zu können, wie repräsentativ der Regensburger Bestand für die Produktion von Kometenschriften insgesamt ist. Dazu wurde zum einen die Anzahl der zwischen 1500 und 1755 erschienenen Drucke, soweit in Volker Brünings Biblio- graphie der Kometenliteratur (Stuttgart 2000) erfasst, gegen die Zeit aufgetragen und mit den Exemplarzahlen aus dem Bestand der Staatlichen Bibliothek Regensburg ver- glichen [→ 8.1.]. Zum anderen wurden für die beiden Zeitschnitte 1618/19 und 1661– 1665 die entsprechenden Zahlen nach Druckorten und damit auch konfessioneller Zu- gehörigkeit kartographisch aufgetragen [→ 8.2.]. Eine prosopographische Untersuchung der Verfasser der in Regensburg überlieferten Drucke sollte schließlich Antworten auf die Frage liefern, wer die Autoren der Kometenschriften waren [→ 8.3.].

8.1. Konjunkturen der Kometenschriften Wann immer in der Frühen Neuzeit Kometen am Himmel erschienen, waren dies nicht bloß Phänomene, welche die Gelehrten beschäftigten, sondern zugleich Medienereignis- se ersten Ranges. Denn die Druckerpresse hatte zwar einerseits eine bis dahin nicht da- gewesene Verbreitung, Standardisierung und Überlieferungskonstanz der Texte bewirkt und damit Humanismus, Reformation und Naturwissenschaftliche Revolution überhaupt erst ermöglicht; andererseits aber hatte der Buchdruck auch dafür gesorgt, dass sich die Wissensbestände diversifizierten und neben dem akademischen und geistlichen Schrift- tum sich auch andere, populärere Wissenskulturen mit jeweils eigenen Literaturen her- ausbilden konnten. Auf diese Weise wurden auch Traditionen, die bis dahin allenfalls am Rande des anerkannten Wissens mitgeführt worden waren, auf einmal massenhaft verfügbar, so dass nicht zuletzt im Interesse der gelehrten Welt eine Grenzziehung zwi- schen diesen teilweise sehr unterschiedlichen Wissensbeständen notwendig wurde. An den Kometenschriften des 16. und 17. Jahrhunderts lassen sich diese Zusammen- hänge gut studieren. Von anderen Textsorten jener Zeit, in denen es um Fragen der Na- tur- und Himmelkunde ging, unterscheiden sich die Kometenschriften in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist ihr Gegenstand nicht der normale, regelmäßige Lauf der Dinge – von dem allein es nach scholastischer Auffassung wissenschaftliches Wissen geben könne –, weil diese Drucke in aller Regel von singulären Ereignissen, nämlich dem Auftauchen eines bestimmten Kometen, ausgelöst sind. Zum anderen, und dies ist min- destens ebenso bedeutsam, waren die Kometen an allen Orten Europas gleichzeitig sichtbar und setzten sofort eine intensive brieflich und über Druckschriften vermittelte 122 KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION?

Debatte in Gang, bei der Beobachtungsdaten verglichen und unterschiedliche Interpreta- tionen diskutiert wurden. Dabei zeigt sich ein für die Veränderungen im wissenschaftli- chen Diskurs jener Zeit bekanntes Phänomen besonders eindrucksvoll: die Verschiebung von einer gewissermaßen überzeitlichen Auseinandersetzung mit der lite- rarischen Tradition seit der Antike hin zu einem die antiken Autoritäten immer mehr ausblendenden Diskurs unter Zeitgenossen. Anders als das sonstige natur- und himmelskundliche Schriftgut jener Zeit zeigt die Pu- blikationsfrequenz der frühneuzeitlichen Kometenschriften ein ausgeprägtes Auf und Ab. Trägt man die Zahl der in jedem einzelnen Jahr erschienenen Drucke, soweit sie in Brünings Bibliographie verzeichnet sind, für die Spanne von 1500 bis 1755 gegen die Zeit auf, so zeigt sich ein charakteristischer Verlauf.

200 35

175

150 25 125

100 15 75 Kometenschriften insgesamt Kometenschriften 50

25 5

0

0 5 0 5 0 5 0 5 0 5 0 0 2 5 7 0 2 5 7 0 2 5 255 5 5 5 6 6 6 6 7 7 7 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 5

50

75 15 100

125 25 150

175 Kometenschriften StBR Kometenschriften 200 35 Graphik: Christine Nawa In den ersten zwei Dritteln des 16. Jahrhundert blieb die Zahl der entsprechenden Schriften gering, wobei es in denen des Jahres 1572 wohl zumeist um die von Tycho Brahe beschriebene Supernova ging, die viele für einen Kometen hielten. Mit dem gro- ßen Kometen von 1577 (C/1577 V1), dessen Parallaxe Tycho bestimmt und daraus ge- folgert hatte, dass es sich um einen Himmelskörper jenseits des Mondes handeln müsse, änderte sich das Bild schlagartig. Es ist dies die Zeit, in der, nicht nur aufgrund der we- sentlich genaueren Beobachtungsdaten, die Diskussion um das kopernikanische Welt- bild allmählich einsetzte. Die drei hellen Kometen von 1618 (C/1618 Q1, C/1618 V1 und C/1618 W1) zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges lösten die nächste Medienflut aus, übertroffen nur noch von den Schriften, die aus Anlaß der Kometen von 1665 (C/1665 F1) und 1680 (C/1680 V1) erschienen. Dass danach die Zahl der jährlichen Titel auf ein Grundrauschen von ≤5 zurückgeht und selbst große Kometen wie der spek- takuläre des Jahres 1743 (C/1743 X1), dessen Helligkeit an die des Sirius heranreichte, oder der von Charles Messier am Pariser Observatorium vermessene von 1769 (C/1769 P1) keine neuerliche Druckschriftenflut auslösten, zeigt, dass man im Zeitalter der Auf- KONJUNKTUREN – ORTE – AUTOREN 123 klärung mit anderen Augen zum gestirnten Himmel aufblickte als in einer Epoche, die in der Natur Zeichen und Sinnbilder suchte. Im unteren Teil der Graphik ist – mit einer im Maßstab gestreckten Skala rechts – die Zahl der Titel aufgetragen, die in der Staatlichen Bibliothek Regensburg nachgewiesen sind. Man sieht, dass der Regensburger Bestand die Konjunkturen der Kometenschriften einigermaßen repräsentativ abbildet, wobei die Kometenjahre 1665 und vor allem 1618 überproportional vertreten sind. Brüning, Bibliographie (2000). – Seargent, Comets (2009). – Elizabeth L. Eisenstein, Die Druckerpresse: Kulturrevolution im frühen modernen Europa (Wien 1997). – William Eamon, Science and the Secrets of Nature: Books of Secrets in Medieval and Early Modern Culture (Princeton 1994). CM

8.2. Regionale und konfessionelle Zuordnung Die konfessionelle und territoriale Landkarte Mitteleuropas im 17. Jahrhundert gleicht einem Flickenteppich. Dreißigjähriger Krieg und Gegenreformation führten zu vielfa- chen Verschiebungen, die im Rahmen dieser Analyse schwer darstellbar sind. Für die kartographische Darstellung wurde deshalb eine Karte des gesamten Reichsgebietes zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges zugrundegelegt, in der die einzelnen Territorien nicht besonders ausgewiesen sind. In diese wurden für die beiden Zeiträume 1618/19 und 1661–1665 die Druckorte der in Brünings Bibliographie (2000) nachgewiesenen Kometenflugblätter und -flugschriften mit ihrer jeweiligen konfessionellen Zugehörig- keit eingetragen. Innerhalb der reformatorischen Kirchen wurde dabei nicht weiter dif- ferenziert; auch die tatsächliche Konfession der Autoren bzw. Drucker oder Verleger konnte im Rahmen dieser Analyse nicht berücksichtigt werden. Zur leichteren Orientie- rung sind auch eine Reihe von Orten wie Hannover oder Genf in die Karte eingetragen, obwohl diese als Druckorte nicht in unserem Bestand vertreten sind. Druckorte außer- halb des Reichsgebietes wie Venedig, London, Danzig oder Krakau sind ebenfalls auf- genommen, um die europäische Dimension der Verbreitung von Kometenschriften im 17. Jahrhundert aufzuzeigen. Städte haben als Zentren des Buchdrucks und der Gelehrsamkeit seit jeher eine bedeu- tende Rolle gespielt. Sie waren auch Sitz von Universitäten, deren Aufblühen in der Frühen Neuzeit eng mit der Ausbreitung von Buchdruck und Buchhandel zusammen- hängt, was die Zirkulation neuer Ideen erleichterte. Allerdings erschienen die Kometen- schriften eher seltener an Hochschulorten, was auch daran liegt, dass derartige Themen nicht Gegenstand der akademischen Lehre waren. Eine gewisse Ausnahme bilden in dieser Hinsicht Leipzig, traditionell ein Zentrum des Buchdrucks und Buchhandels, und Wittenberg, die erste anfangs allein vom Kaiser privilegierte Universität, danach bald Keimzelle und Trutzburg der Reformation. Übertroffen wurde die Buchproduktion der Universitätsstädte durch die der reichsunmittelbaren Städte, allen voran Nürnberg (des- sen Hochschule sich in Altdorf befand), Straßburg (das ein bedeutendes Akademisches Gymnasium besaß, aber 1681 an Frankreich fiel), Frankfurt/Main und Augsburg (beide ohne Universität). Hier gab es ein frühbürgerlich-städtisches Publikum, das die finanzi- ellen Mittel hatte, Bücher zu Themen der Politik, des Glaubens und der Natur zu erwer- ben. Speziell im Fall der oft kontroversen Kometen- und Prodigienliteratur dürfte auch das geistig freiere Klima der Reichsstädte eine Rolle gespielt haben. 124 KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION?

Regionale und konfessionelle Verteilung der Kometenschriften 1618/19 / 1661–1665

Die unterschiedliche Druckaktivität einzelner Städte bei der Produktion von Kometen- drucken wird aus der Karte klar ersichtlich. So kristallisieren sich insbesondere sechs Orte heraus, in denen besonders viele Flugschriften und Einblattdrucke erschienen sind. Die meisten Drucke kommen aus Nürnberg (49 Drucke), gefolgt von Leipzig (34), Frankfurt/Main (23), Straßburg (20), Ulm (19) und Augsburg (19). Regensburg rangiert in dieser Reihenfolge mit nur drei Titeln relativ weit hinten. Was sofort ins Auge fällt, ist, dass der Markt für Kometenschriften im Reich ganz überwiegend in protestantischer Hand lag. 70% der 71 ausgewerteten Druckorte sind evangelisch. Unter den wichtigeren Druckorten sind nur Prag, Köln und Ingolstadt ka- tholisch. Entsprechend stammen auch die meisten der 428 hier untersuchten Kometen- drucke aus protestantischen Städten – ein Hinweis auf die unterschiedlichen Buch- und Lesekulturen von Katholizismus und Protestantismus. KONJUNKTUREN – ORTE – AUTOREN 125

Nürnberg nimmt unter den Städten, die mit Kometendrucken hervorgetreten sind, eine Vorrangstellung ein. Die Drucker der freien Reichsstadt, die bereits 1493 Hartmann Schedels berühmte Weltchronik und 1543 Nicolaus Kopernikus’ De Revolutionibus Orbium Coelestium herausgebracht hatten, waren oft kapitalstarke Großbetriebe, die sich auch auf Karten, Globen und astronomisch-geographische Werke allgemein spezia- lisiert hatten. Zentren des frühneuzeitlichen Buchdrucks und Buchhandels waren Frankfurt/Main, wo seit dem 16. Jahrhundert halbjährliche Buchmessen von gesamteuropäischer Ausstrah- lung stattfanden, und Leipzig, dessen Buchmesse seit der zweiten Hälfte des 17. Jahr- hunderts Frankfurt an Bedeutung übertraf und zum wichtigen Buchhandelsplatz der Frühaufklärung wurde. Auch Straßburg entwickelte sich zu einem bedeutenden Zentrum der Buchkultur, wo 1605 mit der von Johann Carolus herausgegebenen Relation aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien auch die erste gedruckte Zeitung der Welt erschien. Alle diese Städte waren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum protestantischen Glauben übergetreten, und im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde neben der Anerkennung der lutherischen Territorien auch festgelegt, dass der Landesherr die Kon- fession seines Territoriums bestimmt. Diese Formel sorgte bis 1618 für weitgehenden 126 KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION?

Konfessionsfrieden im Reich. Zugleich wurde damit die freie Reichsstadt Augsburg neben Wittenberg zu einem der Zentren des erstarkenden Protestantismus. Doch im Reich blieben die evangelischen Stände in der Minderheit. Insbesondere in den habsburgischen Territorien – die Habsburger stellten von 1438 bis 1740 alle deutschen Kaiser – konnten die reformatorischen Bekenntnisse nur zeitweise Fuß fassen und wur- den im Zuge der 1620 einsetzenden Gegenreformation bald wieder verdrängt. Um so auffälliger ist der Beitrag der – in der Gesamtbevölkerung unterrepräsentierten – Protestanten zur Kometen- und Prodigienliteratur. Dies liegt nicht zuletzt an ihrer auch theologisch begründeten und deshalb ausgeprägteren Buch- und Lesekultur, sowie ins- besondere auch in der auf Philipp Melanchthon und Caspar Peucer zurückgehenden Wittenberger Tradition einer Verbindung von Biblizismus, Aristotelismus und Astrolo- gie. Regensburg spielt im frühneuzeitlichen Buchdruck keine besondere Rolle. Zwar ist die Buchdruckgeschichte der Reichsstadt und die damit zusammenhängende Geschichte der Druckereien im bayerischen Stadt am Hof noch weitgehend unerforscht, aber Biblio- graphien wie das Verzeichnis der deutschsprachigen Drucke des 16. [bzw. 17.] Jahr- hunderts (VD16 / VD17) oder auch Bestandsverzeichnisse von Bibliotheken legen ein solches Urteil nahe. Dies gilt auch für die Gattung der Kometenschriften. Die wenigen in oder mit Bezug auf Regensburg gedruckten derartigen Titel aus jener Zeit sind, so- weit sie ermittelt werden konnten, im vorliegenden Band erwähnt [ 5.0.3., → 5.0.4. und →8.4.]. Von der geringen Wettbewerbsfähigkeit Regensburger Buchdrucker darf freilich nicht auf mangelndes Leseinteresse in der Reichsstadt geschlossen werden. Denn wenn man den vorhandenen Bestand an Drucken der Frühen Neuzeit zugrundelegt, der sich heute in der Staatlichen Bibliothek Regensburg befindet, welche ja auf die frühneuzeitliche Ratsbibliothek zurückgeht und später um bürgerliche und säkularisierte Klosterbiblio- theken vermehrt wurde, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. Danach ist zwar die ge- lehrt-akademische Literatur aus dem Bereich der Natur- und Himmelskunde hier eher schwach vertreten, doch ‚bürgerliche‘ Lesestoffe, religiöse Erbauungsliteratur und po- puläre Themen, zu denen ja auch die Kometenschriften zählen, sind in bemerkenswerter Dichte präsent. Von den 200 in den Jahren 1618 bis 1622 veröffentlichten Kometen- schriften sind 40 Titel oder 20% in Regensburg nachgewiesen, und von den 203 zwi- schen 1661 und 1665 erschienenen Titel sind es 15%. Auch wenn Autoren und Drucker aus Regensburg selbst zu der Kometen-Obsession nicht nennenswert beigetragen haben, so gab es hier doch ein städtisches Publikum, das solche Schriften erwarb, rezipierte und sammelte und deshalb gewiss auch teilhatte an den Ängsten und Hoffnungen, von denen darin die Rede ist. Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit: Eine historische Fallstudie über die Durchset- zung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Frankfurt/Main 1998). – David Finkelstein und Alistair McCleery, An Introduction to Book History (New York/Oxford 2005). – Alfred Noe (Hrsg.), Geschichte der Buchkultur, Bd 6: Renaissance (Graz 2008). – Brüning, Bibliographie (2000). – Elizabeth L. Eisenstein, Die Druckerpresse: Kulturrevolution im frühen modernen Europa (Wien 1997). – Putzger: Atlas und Chronik zur Weltgeschichte (Berlin 2002). – Claudia Brosseder, Im Bann der Sterne: Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen (Berlin 2004). KK KONJUNKTUREN – ORTE – AUTOREN 127

8.3. Wer waren die Autoren? Eine prosopographische Untersuchung der Verfasser frühneuzeitlicher Kometenschrif- ten begegnet erheblichen sachlichen und methodischen Problemen. Zum einen ist über viele Autoren biographisch nur wenig bekannt, so dass eine sozialgeschichtliche Zuord- nung nur selten gelingt; zum anderen sind moderne Berufs- oder Tätigkeitsfelder, mit deren Hilfe man Personen klassifizieren könnte, für die Frühe Neuzeit nicht anwendbar. Berufsrollen im heutigen Sinn oder gar klar abgrenzbare Funktionszuweisungen im Be- reich der Wissenschaft hatten sich noch nicht herausgebildet. Dass die Verfasser von Kometenschriften einen gewissen Bildungsstand aufweisen mussten, versteht sich von selbst; dass sie jeweils auch mit dem gelehrten – d.h. in lateinischer Sprache geführten – astronomisch-naturkundlichen Diskurs vertraut waren, hingegen nicht unbedingt. Wer sich damals für seltsame Himmelserscheinungen interessierte und darüber publiziert hat, konnte ein Geistlicher, ein an praktischen Fragen interessierter Mathematiker, ein Pro- duzent von Kalendern und astrologischen Prognostiken, ein mathematischer Astronom oder auch ein Mediziner sein – oder auch mehrere dieser Zuschreibungen in seiner Per- son vereinigen. Einfacher wäre es vielleicht, die Autoren nach institutioneller Anbin- dung zu unterscheiden, aber auch hierfür fehlen uns oft die biographischen Details oder müssten sehr umständlich ermittelt werden, was im Rahmen dieses Projekts nicht mög- lich war. Aber auch hier sind die Grenzen fließend, weil individuelle Lebenswege oft quer durch universitäre, schulische, pfarrdienstliche, städtische und höfische Kontexte verliefen oder diese auch miteinander verbanden. Als wenigstens grobe Annäherung an die Frage, wer die Autoren gewesen sind, wurden die Verfasser der in Regensburg nachgewiesenen Kometenschriften untersucht. Diese 95 Personen wurden nach dem Biographischen Index der Astronomie (2005) ermittelt und – im Wesentlichen nach den Klassifikationen des World Biographical Information System (WBIS) mit Nachrecherchen im Deutschen Biographischen Archiv (DBA) – ein- zelnen Tätigkeitsfeldern zugewiesen und graphisch dargestellt.

Sonstige 13% Ärzte 10% Astronomen / Philologen 7% Mathematiker 16%

Pfarrer / Theologen 17% Naturforscher 27%

Sofern ‚berufliche‘ Beweggründe zur Abfassung einer Kometenschrift erkennbar sind, ist dies bei den im vorliegenden Band näher behandelten Werken jeweils erwähnt. Dass 128 KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION? freilich Professoren für Mathematik oder Physik sowie Astronomen und Mediziner ver- sucht hätten, das Auftreten von Kometen eher wissenschaftlich zu erklären, während Geistliche eher auf glaubensbasierte Begründungen zurückgegriffen hätten, wie man aus moderner Sicht vermuten könnte, ist keineswegs der Fall. Der theologische Deutungs- horizont war für beide in gleicher Weise verbindlich. Ein systematischer Konflikt zwi- schen religiösem und wissenschaftlichem Wissen ist in den frühneuzeitlichen Kometenschriften nicht auszumachen. Allenfalls in speziellen Fragen wurden Kompro- misslösungen gesucht wie das Tychonische Weltbild als Alternative zum Kopernikani- schen oder in der Frage, ob auch die Kometen, wenn es denn Himmelskörper sind, von Gott schon im Anfang der Schöpfung erschaffen worden seien. Sehr viel klarer gezogen sind die konfessionellen Grenzlinien. Die bei weitem meisten Kometenschriften sind, wie bereits dargelegt, protestantischer und im engeren Sinne lutherischer Provenienz. Wenn Katholiken über Kometen publizierten, so waren es vor allem Philosophieprofessoren im Zuge der Kommentierung der vom Lehrplan vorge- schriebenen Aristotelischen Bücher Physica, De generatione et corrputione und Meteo- rologica [→ 5.0.5, → 6.1.4.], oder es geschah im Rahmen der mathematischen und beobachtenden Astronomie [→ 4.1.5.], in seit der Mitte des 17. Jahrhunderts insbeson- dere die Jesuiten Hervorragendes geleistet haben. Legt man die Regensburger Bestände zugrunde, so hat man fast den Eindruck, als seien der protestantische und der katholi- sche Kometendiskurs weitgehend in Paralleluniversen abgelaufen, mit jeweils ganz un- terschiedlichen Literaturen, Autoritäten und Argumentationsstrukturen. Explizite Bezugnahmen oder gar polemische Abgrenzungen [→ 5.0.5.] stellen seltene Ausnah- men dar. Wilhelm Brüggenthies, Wolfgang R. Dick, Biographischer Index der Astronomie: Biographical Index of Astronomy (Frankfurt/Main 2005). JV/MB/CM

8.4. KOMETENDRUCKE AUS REGENSBURG Kometenschriften oder -flugblätter von Regensburger Autoren oder Druckern sind, wie bereits erwähnt, rar. Bei der Recherche für den vorliegenden Band konnten nur wenige derartige Titel nachgewiesen werden. Zwei davon sind im Folgenden vorgestellt, drei weitere im Zusammenhang mit dem Kometen von 1664/65 besprochen [ 5.0.3. und → 5.0.4.]. Dabei wurde – dem Interesse an Regensburger Druckgeschichte zuliebe – das ansonsten befolgte Provenienzprinzip durchbrochen, weil einige der Stücke nur in aus- wärtigen Bibliotheken nachgewiesen sind. KONJUNKTUREN – ORTE – AUTOREN 129

8.4.1. Komet über Regensburg

Eigentlicher Abriß und Situation deß Newen Sterns, wie derselbe zu Regenspurg, und anderen Orthen im H. Röm. Reich, den 14. 15. 16. 24. 25. 26. Decembris des 1652. Jahrs Observirt und gesehen worden. [1] Bl., in: Irenico-Polemographia, sive Theatri Europaei continuati septennium, Das ist, Sieben-Jährige Historisch-außgeführte Friedens- und Kriegsbeschreibung, Bd 7, hrsg. von Johann Georg Schleder. Frankfurt/Main: Merian, 1663. [12] + 1098 + [38] S., hier Taf. 14, S. 318/319. 2°Hist.pol.31(7

Zu den wenigen Kometendrucken mit Bezug zu Regensburg gehört das Blatt eines un- bekannten Autors aus dem Theatrum Europaeum, der von Matthäus Merian begründe- ten und in dessen Frankfurter Offizin fortgeführten Weltchronik in 21 stattlichen Folio-

Das Doppelfolioblatt im Theatrum Europaeum zeigt in den drei linken Feldern die Positionen des Kometen an verschiedenen Tagen in der Nähe des Großen Wagen, rechts einen ‚Größenvergleich‘ mit einem ‚gewöhnlichen Stern‘. bänden, die unter wechselnden Herausgebern zwischen 1635 und 1738 herauskamen und mehrere Ausgaben erlebten. In geschickter Vermarktung der Ereignisse des Drei- ßigjährigen Krieges entstanden, versammelt das Werk Jahr für Jahr „denckwürdige Ge- 130 KOMETEN – EINE PROTESTANTISCHE OBSESSION? schichten“ und erzählt außer von den politischen Haupt- und Staatsaktionen und den Personalien regierender Häuser auch von Kriminal- und Unglücksfällen sowie besonde- ren Naturereignissen. Im Begleittext wird der Komet mit nur wenigen Worten abgetan, „die Außdeutung bil- lich einem jeglichen frey“ gestellt und im übrigen auf „darüber unterschiedlich in Truck gegebene Beschreibungen“ verwiesen. Dass das Blatt überhaupt seinen Weg in das Theatrum Europaeum fand, mag daran liegen, dass Johann Georg Schleder, der Heraus- geber des Bandes, selbst aus Regensburg stammte und der Komet just zu dem Zeitpunkt über der Stadt erschienen war, als Kaiser Ferdinand III. in Regensburg Einzug hielt, um den ersten Reichstag nach Ende des Dreißigjährigen Krieges zu eröffnen. Das könnte der Himmelserscheinung damals einen besonderen Stellenwert gegeben haben, obgleich dieser Zusammenhang im Text nicht hergestellt wird. Die für den künstlerischen Stil Merians eher untypische Darstellung des Kometen mit seinem auffällig kurzen Schweif folgt wohl einem – heute nicht mehr nachweisbaren – Regensburger Flugblatt von 1652. Im beigedruckten Kometenlied mit schwerfälligen Langversen aus der Feder von Abdias Trew (auf die Melodie des Chorals „Selig der Tag, in dem ich muss scheiden“) sowie einem ähnlich unbeholfenen neunstrophigen Gedicht wird die Erscheinung auf die politische Situation Europas nach dem Westfäli- schen Frieden und die verstärkte Türkengefahr hin gedeutet. Andere Versionen des Kupferstichs wurden in Bremen 1652 sowie in den Observationes Cometae Anno 1652 (Köln 1653) gedruckt. Lucas Heinrich Wüthrich, „Theatrum Europaeum“, in: ders., Das druckgraphische Werk von Matthaeus Merian d.Ä., Bd 3 (Hamburg 1993), S. 113−272, bes. S. 199. – Eigentlicher Abriß und Situation deß newen Sterns, wie der selb zu Regenspurg, und anderen orten im H. Röm. Reich den 14. 15. 16. 24. 25. 26. Decembris des 1652. Jahrs Observiert und gesehn worden [s.l., s.a.]. Bayerische Staatsbibliothek München [dort als Variante aus der 2. Aufl. des Theatrum Europaeum von 1685]. – Harms, Flugblätter (1985), I, 194. – Wilhelm Heß, Himmels- und Naturerscheinungen in Einblattdrucken des 15. bis 18. Jahrhunderts (Leipzig 1911), 63, Nr. 25. CM

8.4.2. Regensburger Staats-Händel?

Astronomische Observationes Und andere Anmerckungen über einen Comet-Stern, Welcher In dem Mo- nath Mertz dieses 1742. Jahrs In Teutschland, Holland, Italien etc. gesehen worden. Samt Dessen beyge- fügter Abbildung. Regensburg: Christian Gottlieb Seiffart [1742]. [4] Bl. Philos.3201

Die anonym erschienene Schrift berichtet über den zwischen dem 28. Februar und dem 24. März 1742 sichtbaren Kometen. Die Beobachtungsdaten stammen aus Düsseldorf, Haarlem, Karlsruhe, Hamburg und Venedig. Sie unterscheiden sich in nichts von Nach- richten über Kometen, wie man sie damals auch den Zeitungen entnehmen konnte. Der beigegebene, anspruchslose Kupferstich auf S. [4v] bezieht sich auf eine Berliner Beob- achtung. Die Frage nach der Bedeutung des Kometen wird eher beiläufig abgetan: „So wenig es nun zwar an Leuten fehlet, welche aus dieser natürlichen Lufft-Erscheinung eine schlimme Vorbedeutung in Furcht und Warten der kommen-sollenden Dinge ziehen, so braucht man jetzo doch nicht erst Zeichen und Wunder zu sehen, da man ohne daß die gefährliche Welt- Läuffte mehr als zu deutlich vor Augen hat, ja mit Händen greifen kan. [ … ] Ein Comet ist merckwürdig; weil er sich bei uns selten sehen läst. Er mischt sich aber durchaus nicht in Staats- Händel, hat auch keine Gemeinschaft mit Krieg, Hunger und Pestilentz.“ [3v] KONJUNKTUREN – ORTE – AUTOREN 131

Weshalb und auf wessen Veranlassung diese – nur hier und in der Bayerischen Staats- bibliothek nachgewiesene – Schrift in Regensburg gedruckt wurde, ist unklar. Mitten im Österreichischen Erbfolgekrieg mag der Verleger gehofft haben, mit dem Kometen am Ort des Reichstages Geschäfte machen zu können. CM

9. LITERATUR

Die folgenden Titelangaben sollen eine Bibliographie zur Kometenliteratur der Frühen Neuzeit nicht ersetzen. Sie umfassen lediglich solche Werke, die im vorliegenden Band entweder mehr- fach zitiert wurden [ 9.1.] oder übergreifende wissenschafts- oder kulturgeschichtliche Per- spektiven [ 9.2.] auf den frühneuzeitlichen Kometendiskurs bieten.

9.1. Abgekürzt zitierte Werke

ADB / NDB Allgemeine Deutsche Biographie, 56 Bde (Berlin 1875–1912; Reprint 1967–1971) / Neue Deutsche Biographie, 23 Bde (Berlin 1953ff.) Brüning, Bibliographie (2000) Volker Fritz Brüning, Bibliographie der Kometenliteratur (Stuttgart 2000) DBA Deutsches Biographisches Archiv, Microfiches (München 1982ff.) Gindhart, Kometenjahr (2006) Marion Gindhart, Das Kometenjahr 1618: Antikes und zeitgenössi- sches Wissen in der frühneuzeitlichen Kometenliteratur des deutsch- sprachigen Raumes (Wiesbaden 2006) Haude, Zorn (2008) Sigrun Haude, „Zorn und Schrecken, Buße und Gnade: Diskurse in astrologischen Schriften des 17. Jahrhunderts“, in: Christian Heitz- mann, Die Sterne lügen nicht: Astrologie und Astronomie im Mittelal- ter und in der Frühen Neuzeit (Wiesbaden 2008), 178-200 Harms, Flugblätter (1985) Wolfgang Harms (Hrsg.), Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Bd 1: Die Sammlung der Herzog August Bi- bliothek in Wolfenbüttel (Tübingen 1985) Heidarzadeh, History (2008) Tofigh Heidarzadeh, A History of Physical Theories of Comets. From Aristotle to Whipple (Dordrecht 2008) Kokott, Kometen (1994) Wolfgang Kokott, Die Kometen der Jahre 1531 bis 1539 und ihre Bedeutung für die spätere Entwicklung der Kometenforschung (Stutt- gart 1994) Röttel, Apian (1995) Karl Röttel (Hrsg.), Peter Apian: Astronomie Kosmographie und Mathematik am Beginn der Neuzeit (Buxheim 1995) Schechner Genuth, Comets (1997) Sara Schechner Genuth, Comets, Popular Culture, and the Birth of Modern Cosmology (Princeton 1997) Seargent, Comets (2009) David A. Seargent, The Greatest Comets in History: Broom Stars and Celestial Scimitars (New York 2009) Zinner, Geschichte (1964) Ernst Zinner, Geschichte und Bibliographie der astronomischen Lite- ratur in Deutschland zur Zeit der Renaissance, 2. Aufl. (Stuttgart 1964)

9.2. Ausgewählte Literatur

Barker, Peter, Bernard R. Goldstein, „The role of comets in the Copernican revolution“, Studies in His- tory and Philosophy of Science 19 (1988), 299-319 Barker, Peter, „The optical theory of comets from Apian to Kepler“, Physis 30 (1993), 1-25 LITERATUR 133

Brosseder, Claudia, Im Bann der Sterne: Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen (Berlin 2004) Clark, William, „Der Untergang der Astrologie in der deutschen Barockzeit“, in: Im Zeichen der Krise: Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts, hrsg. von Hartmut Lehmann und Anne-Charlott Trepp (Göttingen 1999), 433-472 Drake, Stillman und C.D. O'Malley, The Controversy on the Comets of 1618: Galileo Galilei, Horatio Grassi, Mario Guiducci, Johannes Kepler (Philadelphia 1960) Griesser, Markus, Die Kometen im Spiegel der Zeiten (Bern/Stuttgart 1985) Harms, Wolfgang (Hrsg.), Das illustrierte Flugblatt in der Kultur der frühen Neuzeit (Frankfurt/Main 1998) Harms, Wolfgang, Michael Schilling, Das illustrierte Flugblatt der frühen Neuzeit: Traditionen, Wirkun- gen, Kontexte (Stuttgart 2008) Heitzer, Elisabeth, Das Bild des Kometen in der Kunst: Untersuchungen zur ikonographischen und ikono- logischen Tradition des Kometenmotivs in der Kunst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert (Berlin 1995) Heitzmann, Christian, Die Sterne lügen nicht: Astrologie und Astronomie im Mittelalter und in der Frü- hen Neuzeit (Wiesbaden 2008) Jervis, Jane L., Cometary Theory in Fifteenth-Century Europe (Dordrecht 1985) Jervis, Jane L., „Comets as omens and agents of change“, Studies in History and Philosophy of Science 29 (1998), 681-687 Kempe, Michael, „von ‚lechzenden Flammen‘, ‚geflügelten Drachen‘ und anderen ‚Luft-Geschichten‘: Zur Naturalisierung der Naturfurcht in populärwissenschaftlichen Druckmedien der Frühaufklärung“, in: Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Franz Mauelshagen und Benedikt Maurer, 2. Aufl. (Augsburg 2001), 155-178 Lehmann, Hartmut, „Die Kometenflugschriften des 17. Jahrhunderts als historische Quelle“, in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert: Probleme populärer Kultur in Deutschland, hrsg. von Wolfgang Brück- ner u.a., Teil 2 (Wiesbaden 1985), 683-700 Leppin, Volker, Antichrist und Jüngster Tag: Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum, 1548–1618 (Gütersloh 1999) Mauelshagen, Franz, „Verbreitung von Wundernachrichten als christliche Pflicht“, in: Medien und Welt- bilder im Wandel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Franz Mauelshagen und Benedikt Maurer, 2. Aufl. (Augsburg 2001), 133-154 Schenda, Rudolf, „Die deutschen Prodigiensammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts“, Archiv für Ge- schichte des Buchwesens 4 (1963), 638-710 Schilling, Michael, Bildpublizistik der frühen Neuzeit: Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flug- blatts in Deutschland bis um 1700 (Tübingen 1990) Schwengler, Michaela, ‚Erschröckliches Wunderzeichen‘ oder ‚natürliches Phänomen‘? Frühneuzeitliche Wunderzeichenberichte aus der Sicht der Wissenschaft (München 2002) Stuckrad, Kocku von, Geschichte der Astrologie: Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München 2007) Tester, S. Jim, A History of Western Astrology (Woodbridge 1990) Westman, Robert S., „The comet and the cosmos: Kepler, Mästlin and the Copernican hypothesis“, Col- loquia Copernicana 1 (1972), 7-30 Zambelli, Paola, ‘Astrologi hallucinati‘: Stars and the End of the World in Luther's Time (Berlin 1986) Zeller, Rosmarie, „Wunderzeichen und Endzeitvorstellungen in der Frühen Neuzeit: Kometenschriften als Instrumente von Warnung und Prophezeiung“, Morgen-Glantz: Zeitschrift der Christian-Knorr-von- Rosenroth-Gesellschaft 10 (2000), 95-132

10. PERSONENINDEX

Anaxagoras (499–428 v.C.) 40, 41 Francisci, Erasmus (1627–1694) 103 Apian, Georg (fl. 1526–1540) 20 Friedrich II. d.Gr. (1712–1786) 116 Apian, Peter (1495–1552) 15, 17, 20-26, Friedrich V., Kf. (1596–1632) 73 40,41, 46 Fullenius, Bernhard (17. Jhdt) 109 Aristoteles (384–322 v.C.) 15, 16, 20, 34, Funcke, Christian (1626–1695) 95 40, 41, 44, 45, 88, 89, 101 Fürer, Christoph (1663–1732) 92 Augustinus (354–430) 34 Galilei, Galileo (1564–1642) 5, 9, 10, 13, Bacon, Francis (1561–1626) 10, 38, 94 38, 39, 47, 49, 95 Bayle, Pierre (1647–1706) 13, 109, 111, 112 Gauß, Carl Friedrich (1777–1855) 113 Berger, Matthäus (1655–1728) 71 Geber [Jabir ibn Aflah] (fl. 12. Jhdt) 25 Bernegger, Matthias (1582–1640) 13 Gemma, Rainer (1508–1555) 22-24, 26, 27 Bernoulli, Johann I (1667–1748) 110 Gemma, Cornelius (1535–1579) 13, 26, 27 Bernoulli, Jakob I (1654–1705) 109, 110 Gilbert, William (1544–1603) 38 Blumenberg, Hans (1920–1996) 10 Gottsched, Johann Christoph (1700–1766) 112 Bode, Johann Elert (1747–1826) 117 Grassi, Orazio (1583–1654) 38 Bornmeister, Simon (1631–1688) 101 Grick, Friedrich (fl. 1617–1621) 54, 61-63 Brahe, Tycho (1546–1601) 12, 13, 16, 38-42, Grienberger, Christoph (1561–1636) 89 45, 46, 50, 78, 88, 95, 96, 122, 128 Grosse [Groß], Henning (1553–1621) 40 Caesius, Georg (1543–1604) 13, 94 Gustav II. Adolf, Kg. (1594–1632) 67, 74 Cardano, Girolamo (1501–1576) 15 Gut[t]mann, Christian Gottlieb (fl. 1744) 118 Carolus, Johann (1575–1634) 125 Halley, Edmund (1656–1742) 12, 51, 91, Clavius, Christoph (1537–1612) 49 92, 106, 109, 110, 113-115 Cysat, Johann Baptist (1586–1657) 39, 46-49 Hartmann, Thomas (1.H. 17. Jhdt) 35, 95 Demokrit (460–371 v.C.) 40, 41 Hebenstreit, Johann Baptist (1580–1638) 74, 75 Descartes, René (1596–1650) 10, 94, 100 Herdrich, Adam (fl. 1665) 78, 83-85 Egenolph, Christian (1502–1555) 23 Herlitz, David (1557–1636) 11, 39, 44-46, Egger, Christian (fl. 1678) 95, 96 54-57, 66-68 Ehinger, Elias (1573–1653) 53, 58-60, 94 Hevelius, Johannes (1611–1687) 13, 92, 93, Eimmart, Georg Christoph (1638–1705) 104 95, 96, 99, 110 Euler, Johann Albrecht (1734–1800) 116 Heyn, Johann (1709–1746) 118 Euler, Leonhard (1707–1783) 113, 115-117 Hudde, Johann (1633–1704) 109 * Everhart, Martin (fl. 1580) 27 Jacob, Margaret ( 1943) 10 Fabricius, David (1564–1617) 45 Johann Casimir, Hzg. (1564–1633) 42 Faulhaber, Johannes (1580–1635) 70-75 Johann Ernst, Hzg. (1566–1638) 42 Ferdinand III, dt. Ks. (1608–1657) 130 Kästner, Abraham Gotthelf (1719–1800) 116 Ferdinand Maria, Kf. (1636–1679) 89, 95 Keckermann, Bartholomäus (1573–1609) 45 Fienus [Feyens], Thomas (1567–1631) 88 Kepler, Johannes (1571–1630) 9, 10, 13, 34, 39, 40, 42, 45, 47, 50, 51, 54, 71, 74, Fischer, Christoph (17. Jhdt) 84 75, 95, 98, 113 Fontenelle, Bernard de (1657–1757) 92 Kirch, Gottfried (1639–1710) 91 PERSONENINDEX 135

Kircher, Athanasius (1601–1680) 49 Ptolemaios, Claudius (2. Jhdt) 16, 19-22, Koebel, Jacob (ca. 1460–1533) 23, 24 31, 39, 52, 57, 78 Kopernikus, Nicolaus (1473–1543) 10, 12, Pufendorf, Samuel v. (1632–1694) 98 14, 16, 19, 39, 50, 94, 95, 122 Regiomontanus, Johannes (1436–1476) 13 Köppe, Joachim (fl. 1602–1625) 66-68 Riccioli, Giovanni Battista (1598–1671) 13, Koppmayer, Jacob (1640–1703) 107 88, 96 Külssner, Michael (17. Jhdt) 81 Rockenbach, Abraham († 1611) 39-42 Küsel, Matthäus (1621–1682) 89 Rudolph, Daniel Gottlob (1726–1768) 119 Lambert, Johann Heinrich (1728–1777) 116 Scaliger, Julius Caesar (1484–1558) 58 Lavater, Ludwig (1527–1586) 94 Schedel, Hartmann (1440–1514) 125 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1649–1716) 98 Scheiner, Christoph (1573–1650) 47, 49, 89, 93 Leinberer, Wolfgang (1635–1693) 88, 89 Schleder, Johann Georg (1647–1663) 129, 130 Levi Ben Gerson (1288–1344) 24 Schmidt, Erasmus (1570–1637) 66, 68, 69 Lips, Friedrich (1638–1695) 108-110, 113 Schön, Michael (fl. 1604–1622) 42-44 Litt, von der (fl. 1681) 102 Schöner, Johannes (1477–1547) 17-21 Lubienietzki, Stanislaus (1623–1675) 13 Schorer, Christoph (1618–1671) 78-81 Ludwig XIV., Kg. (1638–1715) 14 Selzlin, David (1578–1609) 73, 75 Lueger, Johann Georg († 1719) 90 Seneca, L. Annaeus (4 v.C.–65 n.C.) 34, 41, 45 Luther, Martin (1483–1546) 25, 34, 35, 65, Sennert, Daniel (1572–1637) 67 66, 91 Shapin, Stephen (*1943) 10 Maestlin, Michael (1550–1631) 13, 41, 45, 46, Spies, Michael Paul (1602–1681) 81, 87 50, 71 Stadion, Christoph v. (1478–1543) 25 May, Theodor (1605–1623 ?) 34, 35 Sturm, Johann Christoph (1635–1703) 92, 94, Melanchthon, Philipp (1497–1560) 23, 66, 98, 101, 107 90, 91, 96, 126 Thomasius, Christian (1655–1728) 92 Merian, Matthäus (1593–1650) 129, 130 Trew, Abdias (1597–1669) 107, 130 Messier, Charles (1730–1817) 122 Trübel, Eckart zum (fl. 1540) 31, 33, 34 Mögling, Daniel (1596–1635) 71, 73 Vallesius, Franciscus (1524–1592) 45 Müller, Philipp (1585–1659) 39-42 Vögelin, Johann (fl. 1517–1549) 21, 41 Nagel, Paul (2.H. 16. Jhdt.) 70, 71, 76, 77 Wagner, Johann Christoph (1640–?) 104-107 Newton, Isaac (1643–1727) 10, 13, 39, Wagner, Johann Jacob (1641–1695) 94 92, 110, 113-115, 117, 120 Waibl, Andreas (1642–1716) 95, 96 Odontius, Johann Caspar (1580–1626) 61 Waldemannstätter, Tobias (1742–1802) 14 Oesterlin, Georg (18. Jhdt) 13 Wehe, Simpert (fl. 1610–1629) 74, 75 Olbers, Heinrich Wilhelm (1758–1840) 113 Weidler, Johann Friedrich (1691–1755) 110 Pacassi, Johann B. Frhr. (1758–1818) 115 Weigel, Erhard (1625–1699) 72, 91, 96-98 Pacassi, Nicolaus F. Frhr. (1716–1790) 116 Whiston, William (1667–1752) 114, 115, Petit, Pierre (1598–1677) 92, 94, 99 117-119 Peucer, Caspar (1525–1602) 13, 66, Wiedeburg, Basilius C. B. (1722–1758) 118 90, 96, 126 Wiedeburg, Johann B. (1687–1766) 117, 118 Peuerbach, Georg (1423–1461) 13, 22 Wiedeburg, Johann E. B. (1733–1789) 118 Pingré, Alexandre Guy (1711–1796) 95 Wilhelm IV., Lg. (1532–1592) 46 Plinius, C., d.Ä. (23–79) 20, 53 Zimmermann, Martin (1604–1668) 87 Praun, Michael (1632–1667) 14

KOMETENSCHRIFTEN IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG Aus der Bibliothek der ehemaligen freien Reichsstadt hervorgegangen, reichen die An- fänge der 1816 als ‚Königliche Bibliothek für den Regenkreis‘ gegründeten Staatlichen Bibliothek Regensburg bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurück. In der Folge sind bedeutende Büchersammlungen von Privatleuten und mit der Säkularisation auch die Bibliotheksbestände der aufgelösten Regensburger Klöster sowie des bischöflichen Stuhls in ihr aufgegangen. Der astronomie- und wissenschaftsgeschichtlich interessante- ste Bestand umfasst die Zeit vom 16. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er bietet einen durchaus repräsentativen Einblick in das, was das bürgerliche und gelehrte Regensburg, soweit es an Natur- und Himmelskunde interessiert war, damals kaufte, las und sammelte. Der Altbestand ist nach Signaturengruppen der alten Sachsystematik aufgestellt, aber nicht weiter inhaltlich untergliedert, über den Regensburger Katalog (OPAC) jedoch praktisch vollständig erschlossen. Bis ca. 1830 sind Vorbesitzer und Widmungseinträge geradezu vorbildlich ermittelt. Die nachfolgende Zusammenstellung der in der Staatli- chen Bibliothek vorhandenen Kometendrucke vor 1785 beruht auf der Durchsicht des im 19. Jahrhundert angelegten handschriftlichen Catalog der zur k. Kreisbibliothek in Regensburg gehörenden philosophischen, mathematischen, naturwissenschaftlichen Schriften (4°Hist.lit.448a [21]) sowie unsystematischer Nachrecherchen am Regensbur- ger Katalog und im Bestand. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird damit nicht erho- ben. Die nachfolgende Aufstellung umfasst 123 einzelne Titel, von denen einige in mehreren Exemplaren vorhanden sind. 27 Titel sind in der maßgeblichen Bibliographie von Brü- ning nicht verzeichnet, 5 auch nicht im VD17 erfasst und 3 – hier mit * bezeichnet – möglicherweise nur in dem einzigen Regensburger Exemplar bekannt. Die Titel sind alphabetisch geordnet; die Ansetzung folgt dem Regensburger Katalog und wurde nur in Ausnahmefällen nach Autopsie korrigiert. Die Signaturen sind ausge- wiesen. Sofern die Drucke in Brünings Bibliographie der Kometenliteratur (Stuttgart 2000) erfasst sind, ist die entsprechende Ordnungsnummer angegeben, anderenfalls wurde der Nachweis des VD17 angeführt. Sind Titel im vorliegenden Band besprochen, so findet sich ein Verweis auf den jeweiligen Abschnitt.

Abbildung und Beschreibung Deß neuen erschrecklichen Comet-Sterns, welchen der liebe treue Gott abermals der Welt, als eine Leuchte zur Busse, und Propheten grosser Landstraffen, den 26. Martii … Anno 1665. allhie zu Nürnberg und anderswo, weit und breit erscheinen lassen. Nürnberg: Johann Hoff- mann, [1665]. [1] Bl. : Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.11 VD17 14:001254L

Angestelltes Examen Der Cometen Mit den glaubhafftigsten Historien, Das ist, Wahrhafftige Beschrei- bung Aller Fürnembsten Cometen vnd Wundersternen, so von anfang der Welt biß auff vnsere Zeit er- schienen vnd verzeichnet worden: … in Erscheinung dieses im end des 1664. Jahrs entstandenen Cometen … an tag geben. Basel: Johann-Jacob Decker, [1664?]. 20 S.: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.20 VD17 12:642201L 137

Apian, Petrus, Ein kurtzer bericht d[er] Obseruation unnd urtels des Jüngst erschinnen Cometen jm weinmon un[d] wintermon dises XXXII. Jars: Zu Ehrn dem Durchleüchtigen Hochgebornen Fürsten und Hern Hern Wilhelm Pfaltzgraue bey Rhein Hertzo[g] jn Obernn unnd Nidern Bayrn [et]c. gantz Deutz- scher Nation und den liebhabern der Astronomischen künst zu Nutz. [s.l., 1532]. [30] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 112 Philos.2092/2098: 2094 [ 2.1.2.]

Apian, Petrus, Practica auff d[a]z. 1532. Jar: Zu Eeren den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten unnd H. H. Herrn Wilhelmen und Herrn Ludwigen Pfaltz bey Rheyn Hertzogen in Obern und Nidern Bayrn [et]c. Gebrüdere. Landßhut: Apian, [1531]. [38] Bl.: Ill. Philos.2092/2098 [ 2.1.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 92

Arthus [Arthusius], Gotthard, Cometa Orientalis: Kurtze vnd eygentliche Beschreibung deß newen Come- ten so im November deß abgelauffenen 1618. Jahrs in Orient oder gegen Auffgang der Sonnen allhie erschienen … Frankfurt am Mayn: Latomus, 1619. 21 S.: Ill. Philos.2034 angeb.6 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 794

Astrologischer Cometen-Blick: Wie solcher von einer hierinnen wolgeübten Person an unterschiedlichen Orten des H. Reichs-Stadt Nürnberg beobachtet und ausführlich beschrieben worden. [s.l.] 1664. [2] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1069 IM/Philos.2204/2205 angeb.22

* Astronomische Observationes Und andere Anmerckungen über einen Comet=Stern, Welcher In dem Monath Mertz dieses 1742. Jahrs In Teutschland, Holland, Italien etc. gesehen worden. Samt Dessen beygefügter Abbildung. Regenspurg: Christian Gottlieb Seiffart, 1742. [4] Bl.: Ill. Philos.3201c [ 8.4.2.]

Bachmeyer, Wolfgang, Anhang, Oder Verzeichnus etlicher Astronomischer Observationum, deß letzten Anno 1665. im Früling erschienenen Cometen .: Den Astronomis zu Lieb in dieser Tabell kürtzlich vorge- stellet. [s.l., 1665]. [1] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.36 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1111

[Bayle, Pierre,] Lettre à M. L. A. D. C. Docteur de Sorbonne. Où il est prouvé par plusieur raisons tirées de la Philosophie, & de la Theologie, que les Cometes ne sont point le presage d'aucun malheur: Avec plusieurs Reflexions Morales & Politiques … Cologne: Marteau, 1682. [18] Bl., 574 S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1530 Philos.1301 [ 6.4.2.]

Bernoulli, Jakob, Conamen novi systematis cometarum: Pro motu eorundem sub calculum revocando et apparitionibus praedicendis adornatum ; in quo cometam superioris seculi anno LXXX visum die VII Iunii anni praesentis rediturum praenuntiavit, Ed. 2. Vitembergae in Saxonibus 1719. 30, 48 S.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1615 A.Diss.11549 [ 6.4.1.]

Beschreibung Des newen Liechts, so Anno 1661. über halben Jenner angefangen sich sehen zulassen, vnd den 11. Febr. darauff das letzte mahl gesehen worden, vmb vnd zu Augspurg; wie auch zu Nürnberg vnd Straßburg … Augspurg: Schultes, [1661]. [2] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.30

Beschreibung, Auff- vnd Vntergang deß Vngewöhnlichen Newen Stern Liechts So sich nit allein hier zu Cölln … vom 19. Decembr. 1652. biß auff den 3. Januarij 1653. am Himmel sehen lassen … [s.l., 1653]. [2] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.43a Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1005a [Variante: Augsburg 1653]

Bornmeister, Simon, Christlich-vernünfftige Cometen-Betrachtung, aus Gelegenheit deß im Monat De- cember 1680 erschienenen grossen Cometen, Mit e. wenigen Zusatz nunmehr zum andernmahl, verb. hrsg… Nürnberg: Hoffmann, 1681. [4] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1356 Philos.3111e angeb.6 / Philos.3201h (2) [ 6.2.4.]

Brahe, Tycho  Geistreiche Weissagung 138 KOMETENSCHRIFTEN 1506–1785

Caesius, Georg, Catalogus, nunquam antea visus, omnium cometarum secundum seriem annorum a dilu- vio conspectorum, usque ad hunc praesentem post Christi nativitatem 1579 annum: Cum portentis seu eventuum annotationibus & de cometarum in singulis zodiaci signis effectibus … et … indicium de come- ta nuper in fine anni 77. elapsi viso. Noribergae: Fuhrmann, 1579. [75] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 501 Philos.1081/1083 / Philos.1395

Camerarius, Joachim, De Eorvm Qvi Cometae Appellantvr, Nominibvs, Natvra, Cavssis, Significatione: Cvm Historiarvm Memorabilium illustribus exemplis Disputatio atq[ue] narratio Ioachimi Camerarii Pabeperg. edita. Lipsiae: Papa, 1559. [1] Bl., 92 S. Philos.2447/2450 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 217

Cysat, Johann Baptist, Volpert Motzel (resp.), Mathemata astronomica de loco, motu, magnitudine, et causis cometae, qui sub finem anni 1618 et initium anni 1619 in coelo fulsit: Ex aßiduis legitimisque variorum phaenomenorum observationibus derivata auctore Io. Baptista Cysato … publiceque proposita et demonstrata ab … Volperto Mozelio … Ingolstadium: Eder, 1619. [8] + 80 + [4] S.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 803 Philos.1645 / Philos.678 [ 4.1.5.]

Dudith, András, De cometarum significatione commentariolus: In quo non minus eleganter quam docte et vere mathematicorum quorundam in ea re vanitas refutatur ; Addidimus D. Thomae Erasti eadem de re sententiam. Basileae: Perna, 1579. 68 S. Philos.2677 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 503

Egger, Christian, Iudicium mathematicum de cometa anni 1677: Ex praelectionibus academicis Andreae Waibl. Ingolstadii: Zinck, [1678]. 17 S.: Ill. Philos.2543 [ 6.1.4.] VD17 12:131336E

Ehinger, Elias, Iudicium Astrologicum Von dem Newen Cometa Welcher den 1. Decemb. 1618. am Mor- gen vor und nach 6. uhren zu Augspurg von vilen Personen gesehen worden. Augspurg: Joh. Schultes, [1618]. [6] Bl.: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.71 [ 4.2.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 741 / 811

Ehinger, Elias, Judicium Astrologicum Von dem Newen Cometa Welcher den 1. Decemb. 1618. am Mor- gen vor vnd nach 6. Vhren zu Augspurg vnd andern Orten von vielen Personen gesehen worden, [Nachdr. der Ausg.] Erstlich Gedruckt zu Augspurg bey Johann Schultes. [s.l., 1619?]. [4] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 813 Philos.2034 angeb.12

Eigentliche Abbildung, und erschröcklicher Cometenblick, wie solcher im Monat Decemb. 1664 von einer hierinn wolgeübten Person, an unterschiedlichen Orten, in des H.R. Reichs-Stadt Nürnberg, beobachtet, kurtz verfasst, und ausführlich beschrieben worden … Welcher auch zu Augspurg, Straßburg, Hamburg, Lübeck, Leipzig und dergleichen mehrer Orten sich sehen lässet. [s.l., 1665]. [1] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1076 IM/Philos.2204/2205 angeb.16 / angeb.22a [ 5.0.5.]

Ein Gespräch zwischen Einem Naturkündiger, Politico und Geistlichen von dem neulich gesehenen un- gewöhnlichen und erschrecklichen Comet-Stern: Den Gelehrten zur Ergetzung … Nürnberg: Endter, 1681. 31 S. Philos.3111e angeb.4 [ 6.2.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1394

Einfältiges Bedencken von Cometen. [Nürnberg: Endter, 1681]. [4] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1391 Philos.3111e angeb.8 / Philos.3201i [ 6.2.5.]

Etliche wenige, über den neu entstandenen schrecklichen Cometen, auffs Papier getragene Gedancken, welcher den 3., 4., 5., 12., 18. Decembris 1664: an unterschiedenen Orten gesehen worden. Nebenst ei- nem Anhange von dem andern Cometen, so den 21., 24. und 26. und ferner erschienen, zum abermal gedruckt. [s.l., 1665]. [11] Bl. Taf. 4°Hist.pol.541(28 / IM/Philos.2204/2205 angeb.23 [nur Taf.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1141 IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG 139

Euler, Leonhard, Theorie der Planeten und Cometen. Wien: Trattner, 1781; übers. v. Johann Frhr. v. Paccassi. [4] Bl., 230 S. [3] Bl.: Ill. 4°Philos.5015 [ 7.0.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1849

Faulhaber, Johannes, Fama Syderea Nova: Gemein offentliches Außschreiben Deß … Herrn Johanni Faulhabers … Anlangend Den Neuen: und durch ein sonderbare Invention lang zuvor prognosticirten Cometstern So den 6. Monatstag Decembr. deß ablauffenden 1618. Jahrs An alle Philosophos … Authoris manu propria Schrifftlichen verfast vnd abgangen. Hrsg. von Julius Gerhard Goldtbeeg [ = Daniel Mög- ling]. Nürnberg: Halbmayer, [1619]. [12] Bl.: Ill. Philos.2041/2046: 2046 [ 4.4.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 742 / 816

Felden, Johann von, Observationes vnd Judicium, von Deme im Decembri deß 1652. Jahres erschienenen newen Sterne: [darin: Authoris anonymi Beschreibung des zu Ende des 1652 Jahres observirten Cometae, S. 7-11]. Franckfurt am Mayn: Johann David Zimmer, 1653. 11 S. IM/Philos.1361/1373: 1371/72 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1014

Feyens [Fienus], Thomas, De cometa anni M.DC.XVIII: Dissertationes Thomae Fieni … et Liberti Fro- mondi … in quibus tum istius motus tum aliorum omnium essentia effectus & praesagiendi facultas decla- rantur. Antverpiae: a Tongris, 1619. 153 S. Philos.1077 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 817

Fincel [Fincelius], Hiob, Wunderzeychen: Warhafftige beschreybung vnnd gründlich verzeychnuß schröcklicher Wunderzeychen vnd Geschichten die von dem Jar an M.D.XVII. biß auff yetziges Jar M.D.LVI. geschehen vnd ergangen sindt nach der Jarzal. Nürnberg: Berg und Neuber, 1556. [188] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 191 Hist.pol.1617 angeb.2

[Francisci, Erasmus,] Verwerffung Des Cometen-Gespötts Oder Gründliche Erörterung der Frage: Ob der Comet ein oder kein Straff-Zeichen sey: Etwas oder nichts, gutes oder böses bedeute? Worinnen die Vor-Bedeutlichkeit mit unverwerfflichen Beweißthümern begründet wird … ; Auf Veranlassung des neu- lichst-entstandenen Wunder-grossen … Comet-Sterns … [Nürnberg: Endter,] 1681; [u.d. Pseudonym Theophilus Anti-Scepticus]. 67 S. Philos.3111e [ 6.3.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1398

Fromond, Libert → Feyens, Thomas

Funcke, Christian, Theosophico-Physiologica Cometoscopia sive Cometarum Consideratio: Formidabilis aequè ac memorabilis Cometae Anno M DC LXXX. & M DC LXXXI. … Occasione ; In Gymnasio Gorli- censi … publicè proposita. Gorlici: Arnst, 1682. [72] Bl. Philos.1376 [ 6.1.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1537

Gartow, Janus von der, Ein Kurtzer Bericht Von dem Comet oder neuen Stern, der allhie in Hamburg im Jahr Christi 1652. den 11. December am Abend gesehen … vnd noch wird gesehen. Nürnberg: Pillenho- fer, [1652?]. [4] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.43 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1016

Geistreiche Weissagung von dem Grossen Wunderstern, dergleichen von Anfang der Welt, niemals gese- hen, von dem Weyland Wol-Edlen, vnnd Gestrengen Herrn Tycho Brahe aber, im Jahr 1572. … mit höch- stem fleiß in acht genommen worden, Dessen Allermeiste Würckungen in diesem 1632. Jahr sich ereig- nen. [s.l.] 1632. [6] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.51 Brüning, Bibliographie (2000), 972

Gemma [Frisius], Cornelius, De Prodigiosa Specie, Naturaq[ue] Cometae, Qui Nobis Effulsit Altior Lu- nae sedibus, insolita prorsus figura, ac magnitudine, anno 1577. plus septimanis 10. Apodeixis tum Phy- sica tum Mathematica: Adiuncta His Explicatio Duorum Chasmaton anni 1575. Antverpiae: Plantin, 1578. 66 S., [8] Bl.: Ill. Med.132 angeb.3 / Philos.1081/1083 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 424 140 KOMETENSCHRIFTEN 1506–1785

Giuntini [Junctinus], Francesco, Tractatio utilis & lectu digna de cometarum causis, effectibus, differen- tiis, et eorundem proprietatibus. Lipsiae: Steinmann, 1580. [1] Bl., 41 S. Philos.980 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 522

Goldtbeeg, Julius Gerhard [ = Daniel Mögling], Fama Syderea Nova: Gemein offentliches Außschreiben Deß … Herrn Johanni Faulhabers … Anlangend Den Neuen: und durch ein sonderbare Invention lang zuvor prognosticirten Cometstern So den 6. Monatstag Decembr. deß ablauffenden 1618. Jahrs An alle Philosophos … Authoris manu propria Schrifftlichen verfast vnd abgangen. Nürnberg: Halbmayer, [1619]. [12] Bl.: Ill. Philos.2041/2046: 2046 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 742 / 816

Gräbner, Paul, Conjecturen oder Muhtmassungen, Welche Herr Paulus Gräbner publicirt, vnd an Tag gegeben, Auß dem Lateinischen vnnd Frantzösichen Original inns Teutsch gebracht vnd Getruckt. War- münster: Sawermon, 1619. [4] Bl. 97.1727 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 820

[Grasser, Johann Jacob,] Christliches Bedencken vber den Erschrockenlichen Cometen, So verschienen Nouemb. vnd Decemb. Ann. 1618 aller Welt zur Warnung gestanden: Wie dann in gleichem Vber andere Wunderzeichen, damit GOtt der Allmächtige, der unbußfertigen bösen Welt, seine gerechte Gericht drä- wet. Basel: Johann Schröter, 1619. [16] Bl.: Ill. Philos.2034 angeb.21 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 823

Grick, Friedrich [pseud. Johann Procopius], Kομητοδικαιολοπροστασία Oder Cometenbutzer: Das ist: eine glaubwürdige Copey articulierter und rechtmässiger Klag deß guten unschuldigen Cometen welcher im abgeflossenen nächst verwichenen 1618. Jahr erschienen. [Prag]: Parnasische Truckerey, 1619. [8] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.69 / Philos.2034 angeb.19 [ 4.2.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 824

Grick, Friedrich [pseud. Philipp Zoanettus], Kομητοδικαιολοπροστασιεκδικητής, oder Cometenbutzers Schützer: Das ist eine glaubwürdige Copey articulierter rechtmessiger Exceptionum …? deß guten un- schuldigen Cometen welcher in verwichenen 1618. Jahr erschienen. 1619. [16] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 825 Philos.2034 angeb.20 / Philos.3111c [ 4.2.3.]

Guttmann, Christian G., Vernünftige Gedancken über die neue Cometenlehre des S.T. Herrn Rector Jo- hann Heyns zu Altbrandenburg, so er in seinem Versuch einer Betrachtung über die Cometen [et]c. vor- getragen: Nebst e. Beweis a priori von d. Umschwunge d. Erde u. d. andern Planeten wider d. langen Whiston. Schöpfungstage. Leipzig: Breitkopf, 1744. 138 S.: Ill. 97.1629 [ 7.0.3.]

Hebenstreit, Johann Baptist, Cometen Fragstuck, auß der reinen Philosophia: Bey Anschawung deß in diesem 1618. Jahr in dem Obern Lufft schwebenden Cometen erläutert vnd … an Tag gegeben. Ulm: Meder, 1618. [1] Bl., 18 S.: Ill. IM/Philos.1361/1373: 1365 / Philos.2034 angeb.16 [ 4.4.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 755-757

Henisch, Georg, Kurtze Beschreibung, Deß Cometen, oder Strobelsterns, Welcher im Hewmonat, dieses 1596. Jars, am Himmel ist gesehen worden. Augspurg: Johann Schultes, [1596]. [4] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 616 Philos.2041/2046

Herdrich, Adam, Observation Zweyer Cometen- oder Schwantzstern Gehalten alhie in der Römischen Kayserl. Reichs-freyen Stadt Regenspurg. Anno 1664. und 65. Im Monath December und Januarij. [s.l.] 1665. [1] Bl: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.12 [ 5.0.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1159

Herlitz, David, Kurtzer Discurs vom Cometen, unnd dreyen Sonnen, so am Ende des 1618. Jahrs erschie- nen sind, wie auch von der künfftigen Conjunction oder Zusammenkunfft aller Planeten im Krebß, Anno 1622, und sonderlich hernach im Lewen, Anno 1623: Darauff böse trawrige und schreckliche Enderun- gen und Verwirrungen erfolgen werden. Alten Stettin: Rhetische Druckerey, 1619. [62] S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 830 Caps.80(1 / Philos.2041/2046 [ 4.1.4.] IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG 141

Herlitz, David, Prodromus vnd Erster Vortrab, Oder Kurtze vnd Einfeltige Erklerung, Deß Cometen, oder Geschwäntzten Sterns, so sich im November deß M.DC.XVIII. Jahres hat sehen lassen. Nürnberg: Lauer, 1618. [5] Bl. IM/Philos.1361/1373: 1366 / IM/Philos.2204/2205 angeb.73 [2 Expl.] [ 4.2.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 761

Himsel, Gebhard, Cometologia oder Anmerckung und Natürliche Muthmassung von den Cometen: In dreyen Fragen … Hamburg: Hertel, 1665. 36 S. IM/Philos.2204/2205 angeb.21 VD17 12:641765C

Hisaias sub cruce [ = Wehe, Simpert], Expolitio famae sidereae novae Faulhaberianae, das ist statliche Außputzung deß hochfliegenden, aber doch ubel gefiderten allgemeinen, offentlichen Faulhaberischen Außschreibens an alle Gelehrte in gantz Teutschland: Anlangend den newen und von ihme … lang zuvor prognosticirten Cometsterns. [Ulm]: Parnasische Truckerey, 1619. 25 S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 815 Philos.2041/2046: 2046 [ 4.4.2.]

Hitfeld, Albert, Ivdiciolvm Der bedeutung des Cometen oder geschwantzten Sterns, welcher den 19. No- vembris Anno 1618. zu erst gesehen. [s.l.] 1619. [9] Bl. Philos.2034 angeb.15 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 768

Honold, Jacob, Cometographia, oder kurtzer Bericht von den zweyen jüngsterschienenen Cometen, wie dieselbe alhier zu Ulm … observirt worden. Ulm: Kühn, 1665. 24 S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1163 IM/Philos.2204/2205 angeb.17

Hoppener, Johannes, Kurtz Erklerung vnd Beschreibung Des Newen Geschwantzten Cometens Oder vngewöhnlichen Sterns: Welcher im anfang des Novembris, dieses jtzlauffenden Jahrs 1618. … ist … gesehen worden. Rostock: Fueß, 1618. [8] Bl. Philos.2034 angeb.10 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 770

J. E.  Angestelltes Examen

Kies, Johann, Philipp Heinrich Hopff (resp.), Diss. math. phys. de traiectoriis planetarum et cometarum. Tubingae: Sigmund, 1766. 16 S.: graph.Darst. A.Diss.5383

Köppe, Joachim, Wunder vber Wunder, Das ist: Seltzame vnd Ebenthewrliche Geschicht vnd Gesicht, welche sich zu Stargardt in Pommern Anno 1618. den 21. Novembris bey Observation des Cometen … sol begeben … haben. [Wittenberg]: Schürer, 1619. [1] Bl., 43 S. Philos.2034 angeb.1 [ 4.3.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 843

Kurtze gewisse Beschreibung deß Newen Cometsterns, Welcher den 1. Decemb. diß 1618. Jar Am Mor- gen vor vnd nach 6. Vhren, von vielen Personen in Teutschland, hin vnd wider am Himmel gesehen wor- den. Christlingen 1618. [4] Bl.: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.72 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 773

Lani, Georg, Hermathena Sive Orationes Panegyricae Diversi Argumenti: Utpote 1. de Cometa nuper viso. 2. De Mysterio SS. Trinitatis Ethnicis olim noto. 3. … ; Cum Notis Rhetoricis Et Philologicis … Lipsiae: Rußtworm, 1682. [10] Bl., 313 S., [9] Bl.: Ill. Lat.rec.548 VD17 7:634228N

Lavater, Ludwig, Historische Erzehlung vast aller der Kometen, Welche von der Geburt des Röm. Keisers Augusti, und der Gnadenreichen Geburt unsers Herren und Heilands Jesu Christi an, bis auf das 1556. Jahr gesehen worden: Auß vilerley Geschichtschreibern zusammen getragen, hrsg. von Johann Jacob Wagner. Zürich: Lindinner, 1681. 16+120 S. Philos.1305 [ 6.1.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1517 142 KOMETENSCHRIFTEN 1506–1785

Leinberer, Wolfgang, Johann Georg Lueger (resp.), Theoria Cometae Mense Decembri Anni MDCLXIV Ianvario Item Ac Febrvario Anni MDCLXV Ingolstadii Observati … Adiecta Insvper Mantissa De Novo Cometa Exevnte Martio Labentis Anni Nobis Exorto. [Ingolstadt]: Ostermaier, 1665. [2] Bl., 20 S.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1177 4°Hist.pol.541(28 / Philos.2666d [ 5.0.6.]

Lips, Friedrich, Cometo-Graphia Franco-Orientalis, Ad annum MDCLXXX. mense Decembr. & MDCLXXXI. mense Januar: Vortragend 1. Cometici Adagii Micantis Veritatem … 2. Cometici Praesagii Adstantis Probabilitatem … 3. Cometici Homagii Adhortantis Severitatem … Nürnberg: Scheurer, 1681. [12] Bl., [3] gef. Bl. Kupferstiche Philos.3111e angeb.1 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1435

Lips, Friedrich, Ohnvorgreiffliche Gedancken, Uber den im Monat November und December Anno 1680. erschienenen Cometen. [s.l.] 1680. [4] Bl. Philos.3111e angeb.2 [ 6.3.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1318

Locher, Jakob, Tetrastichon Philomusi: Visa fuit species istec metuenda Comete Per noctes aliquot … [Augsburg: Froschauer, 1506]. [4] Bl.: 1 Ill. 4°Lat.rec.64 VD16 L2212

Löscher, Martin Gotthelf, Gottfried Zömius (resp.), Dissertatio I De Cometis Vetervm Pariter Ac Recen- tiorvm Ervditorvm Sententias Ac Opiniones Exhibens. Vittembergae: Schroeder, [1719]. [8] Bl. A.Diss.13533

Marche, Caspar, Astronomische Untersuchung derr in diesem 1661. Jahr in Zweiffel gerahtenen sicht- bahren Sonnen- und Mondfinsternüß: Imgleichen e. notablen Bedeckung d. Saturni durch d. Mond ; nebst e. kurtzem Anh. von d. newl. im Ende d. Monats Januarii A. Cal. gesehenen Comet-Stern. Rostock: Wild, 1661. [16] S.: Ill. Philos.2668/2676 VD17 12:626672W

May, Theodor, Zorn Ruthe, so der ewige Gott unter dem Himmel in der Lufft, in Gestalt eines roth fewri- gen Sterns mit einem erschrecklichen langen Schwantz … erzeiget. Magdeburg: Franck, 1619. [27] S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 856 Philos.2034 angeb.22 [ 3.0.2.]

Mögling, Daniel → Goldtbeeg, Julius Gerhard

* Molerius, Elias, De Tuba Coelesti: Hoc est, De Cometa Terrifico, Qui Anno Christi M.DC.XVIII. Appa- ruit, Et Sedulo Observatus est: [acc.] De ostento prodigioso seu de trrifico Cometa qui anno ab incarnato Christo 1618 … 1619 … visus est, et sedulò observatus Enarratio apodictica et meteorologica. Ebroduni: Soc. Caldoriana, 1619. [1] Bl., 79 S.: Ill. Philos.1077

Müller, Johann Heinrich, Nicolaus Weber (resp.), Cometas sublunares sive aëreos non prorsus negandos: Dissertatione inaug. philos. Altdorfium 1722. A.Diss.6987

Nagel [Nagelius], Paul, Stellae Prodigiosae Seu Cometae per oculum triplicem observatio & explicatio. Das ist: Des newen Cometen vnd WunderSterns im October, November vnd December 1618. erschienen, warhafftige Deutung … Erffurt: Mechler, 1619. [24] Bl.: Ill. Philos.2034 angeb.17 [ 4.4.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 863 [Variante]

Nagel [Nagelius], Paul, Ander Theil Des in 1618. Jahre erschienen vnd verschienenen Cometen: So an diesem Orte zur Proba begreifft eine … interpretation Des newen wunder-Sterns 1572. vnd des Cometen 1577. erschienen. [s.l.] 1619. [28] Bl. Philos.2034 angeb.17a [ 4.4.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 864

Neutard, Petrus, Delineation und Beschreibung Deß Grossen Cometen, so den 26. Decembris 1680 zum erstenmal observirt worden. [s.l., 1681]. [2] Bl., Taf. 4°Hist.pol.541(28 angeb.3 IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG 143

Nolthius, Andreas, Observatio Vnd Beschreibung des Cometen, welcher im Nouembri vnd Decembri, des 77. vnd noch im Januario, dieses 78. Jharß erschienen. Erffurdt: Baumann, [1578]. [20] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 460 Philos.3111d

Nürnbergische Observation deß neuen Cometens, das ist kurtze historische Erzehlung deß im nechsten Monat Decembris vergangenen 1664. Jahrs erschienenen erschröcklichen Comet-Sterns wunderbaren weiten Lauffs, Veränderung und Ende: Von einem Cultore der Christlichen Astrologie. Nürnberg: Endter, 1665. 36 S.: Ill. Philos.3201k [ 5.0.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1198

Odontius, Johann Caspar, Κομητακριβογραφία: Das ist: eygentliche gründliche Beschreibung deß im November und December erschienenen Cometen im 1618. Jahr Jesu Christi. Nürnberg: Lauer, 1619. [24] Bl.: Ill. Philos.2034 angeb.5 / Philos.2041/2046: 2042 [ 4.2.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 870

Orphanus, Nicolaus, Beschreibung des Erschrecklichen Brennenden, Flammenden vnd Stralschiessenden Fewers vnd Zornzeichen Gottes, vber Europa, welches man den XIIII. vnd XV. tag des Wintermons zu Nacht, dieses ablauffenden 1574. Jars, am Himel gesehen hat: Mit anhengung des Cometen so im vor- gangenen 1572. Jar lang am Himel gestanden … Eisleben: Petri, [1574]. [19] Bl.: Ill. Philos.3111b Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 313

Physicalisches Bedenken, über die Relation des gegenwärtigen 1778sten Jahre erscheinen sollenden Cometen: Und was für naturgemäße Folgen derselbe haben könne. [s.l.] 1778. 24 S. Philos.2137 [ 7.0.5.]

Praetorius, Johannes, De cometis, qui antea visi sunt, et de eo, qui novissime mense Novembri apparuit, narratio. Noribergae 1578. [22] S. Philos.1647 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 466

Praetorius, Johannes, Iudiciolum Asteriae, oder der mittägliche Strauß-Stern: So sich im Außgange des 1664. Jahrs … Decemb. am 3. 4. 5. 12. und 18. gegen Süden … hat sehen lassen. Leipzig: Wittigau, 1664. [18] Bl. IM/Philos.2204/2205 angeb.24 Brüning, Bibliographie (2000), 1093

[Pretten, Johann,] Kurtzes, einfältiges, und Theologisch Bedencken von dem Itzt scheinenden Cometen, welcher ohngefehr im Mittel des Monats Novembr. des 1664sten Jahrs entstanden: Zu Erregung grösse- rer Buße, gestellt von Einem Diener am Worte Gottes. Jena: Georg Sengenwald, [1665]. [10] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1217 Philos.3201i

Procopius, Johann → Grick, Friedrich

Puteanus, Erycius, De Cometa Anni M.DC.XVIII. Novo Mundi Spectaculo, Libri Dvo: Paradoxologia. Lovanii: Masius, 1619. 167 S., [4] Bl. Philos.1024 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 877

Rockenbach, Abraham, De Cometis, Tractatus Novus Methodicus … Witebergae: Grosse, 1602. [7] Bl., 238 S. Philos.524/526: 526 [ 4.1.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 637

Rudolph, Daniel Gottlob, Untersuchung der Frage, Ob man Ursache habe sich vor Kometen zu fürchten? Leipzig: Lanckisch, 1760. [4] Bl., 124 S., [2] Bl. A.Diss.8638 [ 7.0.4.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1772

Saalbach, Christian, Johann Georg Grafe (resp.), Christo Succurente Et Incluta Facultate Philosophica In Alma Philurea Benevole Annuente, De Cometis Publice Disputabunt Praeses M. Christianus Saalbach … Et Respondens Johann Georg. Grafe, Zoepio-Born. Misn. … Lipsiae: Hahn, [1679]. [14] Bl. VD17 14:072809A A.Diss.8668 144 KOMETENSCHRIFTEN 1506–1785

Schimpffer, Bartholomäus, Kurtze Beschreibung Deß dunckelen Cometen So Anno 1652. den 8. Decembr. erschienen: Darauff gemeiniglich sonderliche Enderungen und Verwirrungen zuerfolgen pflegen. Hall in Sachsen: Rappoldt, 1652. [14] Bl.: Ill. IM/Philos.1361/1373: 1367 / IM/Philos.2204/2205 angeb.42 / 4°Jur.1210 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1000

Schön, Michael, Kurtzer Bericht von Cometen, was eigentlich ihre Natur und Bedeutung sey: Uff den jetzigen Anno 1618. im Novembri und Decembri erschienen mit wenigen applicirt und gezogen. Koburg: Bertsch, 1619. [10] Bl. Philos.2034 angeb.2 [ 4.1.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 890

Schöner, Johannes, Coniectur odder abnemliche auszlegung Joannis Schöners vber de[n] Cometen so jm Augstmonat des M.D.XXXj. jars erschinen ist: Zu ehren einem erbern Rath vnd gmainer burgerschafft der stat Nurmberg außgangen. Nürmberg: Peypus, [1531]. [6] Bl. Philos.2092/2098: 2095 [ 2.1.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 108

Schorer, Christoph, Bedencken, von dem Cometen deß 1652. und Erdbewegung deß 1653. Jahrs. Basel: König, 1653. 43, [8] S.: Ill. IM/Philos.1361/1373: 1368 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1027

Schorer, Christoph, Kurtze Relation und Discurs, Von dem Cometen, deß 1664. Jahrs: Auff vieler Begeh- ren in Truck gegeben. Ulm: Balthasar Kühn, 1665. [7] Bl.: Ill. IM/Philos.2205a [ 5.0.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1229

Schorer, Christoph, Kurtze Relation und Discurs, Von dem Cometen des 1664. Jahrs: Auf vieler Begehren in Truck gegeben. Erstlich gedruckt zu Ulm, bey Balthaser Kühnen, 1665. [s.l., 1665?]. [8] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1229 [Variante] IM/Philos.2204/2205 angeb.18

Schorer, Christoph, Fernere Relation und Discurs, Von dem Cometen, deß 1664. Jahrs. Ulm: Kühn, 1665. [12] Bl. IM/Philos.2205a Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1230

Stellae Crinitae descriptio: Das ist, Kurtzer vnd einfältiger doch gründlicher Bericht deß in Monat No- uember vnd December abgewichenen 1618. Jahres, New erschienenen Cometen .: Alles auß gewisser Observation. Franckfurt: Kieser, 1619. 16 S.: Ill. Philos.2034 angeb.8 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 895

Sturm, Johann Christoph, Cometarum natura motus et origo: Secundum duas hodie celebriores Joh. He- velii & P. Petiti … hypotheses ita declarata. Altdorfi: Schönnerstädt, [1681]. 52 S.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1497 A.Diss.10599 [ 6.1.1.]

Suevus, Sigismund, Cometen, Was sie für grosse Wunder vnd schreckliche ding zu bedeuten, vnd anzu- kündigen pflegen: Mit viel gedenckwirdigen Historien vnd Exempeln erkleret ; Aus guten Chroniken vnd andern Büchern mit fleiß zusam[m]en getragen … Görlitz: Ambrosius Fritsch, 1578. [102] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 487 Philos.1081/1083

Tacke, Johann, Coeli anomalon, id est, De cometis, sive stellis crinitis … epikomma physicum: In quo de generatione …? Gissa Hassorum: Chemlin, 1653. 66 S. A.Diss.10650 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1028

Theophilus Anti-Scepticus [ = Francisci, Erasmus], Verwerffung Des Cometen-Gespötts Oder Gründliche Erörterung der Frage: Ob der Comet ein oder kein Straff-Zeichen sey: Etwas oder nichts, gutes oder böses bedeute? Worinnen die Vor-Bedeutlichkeit mit unverwerfflichen Beweißthümern begründet wird; Auf Veranlassung des neulichst-entstandenen Wunder-grossen … Comet-Sterns … [Nürnberg: Endter,] 1681. 67 S. Philos.3111e Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1398 IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG 145

Theophilus, Christian, Cometen, Propheten: Ein kurtzer doch ausführlicher Bericht von der Comet- Sternen Natur und Würckung ; samt einer Erzehlung aller Cometen und ihrer Geschichten … Nürnberg: Felsecker, 1665. [21] Bl.: Ill. Philos.3201m Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1237

Thurnman, Johann, Stella Comans Oder Gründliche vnd Wahrhafftige Beschreibung, Von dem newen Comet- vnd WunderStern, Auch Conjunctionen der Obern Planeten, so im November vnd December des 1618. Jahrs, für den Auffgang so wol als Nidergang der Sonnen … in der Lufft vnter dem Himmel er- schienen vnd gesehen: Sampt desselben Bedeutungen ; Jederman zu getrewer Warnung …? observirt vnd beschrieben. Erffurd: Fritsche, 1619. [12] Bl. Philos.2034 angeb.4 / Philos.2034 angeb.9 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 898

Trew, Abdias, Gründlicher Bericht von deme, in dem Ende verwichenen Januarii alten, und Anfang deß Februarii neuen Calenders erschienenen Cometen: Benandlich was dessen Ort Lauff und muthmaßliche Bedeutung betrifft. Nürnberg: Tauber, 1661. [20] S.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1057 IM/Philos.2204/2205 angeb.32 / Philos.2668/2676

Trew, Abdias, Observationes des jüngst erschienenen Cometen Sambt Muthmassung von dessen Würk- kung und Bedeutung: Mit zweyen nothwendigen Kupffern versehen. Nürnberg: Endter, 1653. [2] Bl., 11 S., [2] Bl.: Ill. IM/Philos.1361/1373: 1370

[Trübel, Eckhart zum,] Eckhart der trew sagt dir für war, Wie es imm M.D.XXXIIII. Jar, Sol ergehen auff erd durch all Ständ, Der ewig Gott seyn zorn abwend: Mit außlegung deß Cometen diß Jar gesehen. [s.l., 1533]. [8] Bl.: Ill. Philos.2010 [ 3.0.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 127a

Truchses, Eusebius, Johann Nikolaus Maralt (resp.), Quodlibetum de significatione cometarum, deque astrologia universa, et aliud varias qq. philosophicas complectens. Ingolstadii: Haenlin, 1665. [5] Bl., 83 S., [2] Bl. Philos.1345(1/4

Türcken Trutz und GOttes Schutz: In Betrachtung deß im vergangenen 1660. Jahr im Monat December zu Scharosbodack in Oberungarn am Himmel erschienenen Wunderzeichens gezeiget. Dabey von d. Türcken Einfall von d. Hoffnung d. Hülffe Gottes von d. deßwegen gebührl. Verhalten gehandelt … [s.l.] 1661. 55, 3 S.: 2 Kupfer IM/Philos.2204/2205 angeb.26 / Philos.2668/2676: 2671 VD17 23:238761R

Unmaßgebliches Bedencken, Ob die Cometen zukünfftige Unglücksfälle, als Krieg, Theurung, Pestilentz, grosser Herrn Todt [et]c. verkündigen? Aus Veranlassung des jüngsthin neu-erschienenen Cometen … entworffen. [s.l.] 1681. 8 S. Philos.3111e [ 6.2.3.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1331 [Variante 1680]; VD17 12:643804V

Ursinus, Benjamin, Außführlicher Bericht, Von den Cometen, welcher im Jahr 1618. im Novembr. er- scheinen, vnd fast biß zu ende deß Decembris ist gesehen worden. Berlin: Guthe, 1619. [20] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 900 Philos.2034 angeb.14

Uttenhofer, Caspar, Judicium de nupero cometa astrologo-historicum: Kurtzer Bericht u. Erklärung was von d. neuen Cometen oder geschwentzten Stern so sich dieses zu endlauffenden 1618. Jars etl. Zeit am Himmel in dem … Zeichen d. Wag bey d. Bildern oder Sternen Boote u. grossen Bären … sehen lassen zuhalten u. desselben Bedeutung oder Wirckung seyn möchte. Nürnberg: Halbmayer, 1619. [48] S. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 901 IM/Philos.2204/2205 angeb.70 / Philos.2034 angeb.11

* van Eyndhoven, Jan, Denckwürdige und ausführliche Erzehlung, Der glücklichen und Siegreichen See- Reise, welche H. Lieutenant-Admiral de Ruyter, Im Jahr 1664. und 1665. nach Guinea und West-Indien, mit höchstem Ruhm und Danck verrichtet: Darin[n]en fürnemlich von Eroberung der Insul Goede-ree der beeden Festungen Wirsen und Carmontyn … vermeldet wird ; Vom Schwantz-Stern Welcher den 4. Dec. bey dem Land Serra Liona genannt … gesehen worden ; Alles aus dem Niederländischen … übersetzt. [s.l., ca. 1665]. [6] Bl. Hist.pol.6,352 146 KOMETENSCHRIFTEN 1506–1785

Voigt, Johann Henrich, Der Lauff Grosser Veränderungen nach Orient Auß Verschiedener Cometen Bezeichnung Astrologicè vorgestellt. [Stade] 1683. [12] Bl. 4°Hist.pol.541(28 angeb.4 / Philos.6778 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1563

Von dem Comet oder newen Stern der in Hamburg im Jahr Christi 1652. den 11. (21.) Decemb. am Abend ... gesehen worden: Hamburg den 15. (5.) Jan. 1653. [s.l., s.a.] [2] Bl. 4°Hist.pol.541(28 angeb.10

Von der Namen-Nennung, Materie und Würckung der Cometen: Neben Anzeigung eins am 22. Apr. (2 May) in Franken gesehen dergleichen Schwantz-Sterns … [s.l., 1675]. [6] Bl. Philos.2665h VD17 12:643350V

Wagner, Johann Christoph, Atmosphaera Sublunaris, Oder: Eine Gründliche, der Natur gemässe Erklä- rung, aller und ieder Erscheinungen, welche sich in dem Lufft-Kreisse diser Welt begeben: Darbey mit abgehandelt wird Was deß in disem 1682. Jahrs von neuen … Comet-Sterns Natur Lauff und muthmaßli- che Bedeutung und Würckung seyn werde. Augspurg: Koppmayer, 1682. [14] Bl.: Ill. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1550 A.Diss.11360 [ 6.3.2.]

Wagner, Johann Christoph, Cometa disparens: Das ist: gründlicher Bericht von dem fernern Lauff des Komet-Sterns biß zu dessen völliger Verlöschung ; darbey noch ferner unterschiedliche Sachen abge- handlet werden welche zu solcher Wissenschafft nöthig ; deme mit angefügt wird was von der grossen Zusammen-Kunfft der beyden obern Planeten Saturni und Jovis item der grossen 1684 erscheinenden Sonnen-Finsternuß zu halten. Augspurg: Koppmayer, 1681. [14] Bl. Philos.3111e angeb.3 [ 6.3.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1515

Wagner, Johann Christoph, Gründlicher und warhaffter Bericht von dem Ursprung der Kometen, dersel- ben Natur, Gestalt, Zeit, Farb, Grösse und Lauff .: Aus Anlaß deß gegenwärtigen schröcklichen Komet- Sterns Welcher in dem November und ietzund den 26. December deß 1680. Jahrs sich widerumb sehen lässet. Augspurg: Koppmayr, 1681. [8] Bl.: Ill. Philos.3111e angeb.5 / Philos.3201h [ 6.3.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1516

Warhafftige Beobachtung deß jüngsterschienenen Cometen, so von unterschiedlichen Orten und Zeiten glaubwürdig einkommen. [s.l., 1661]. [4] S. IM/Philos.2204/2205 angeb.31 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1058

Wehe, Simpert → Hisaias sub cruce

Weigel, Erhard, Himmels-Zeiger der Bedeutung bey Erscheinung des ungemeinen Cometen, Anno 1680 vom 6. Novembr. an, beobachtet. Jena: Bielcke, 1681. [4] + 80 S. + [16] Bl: Ill. 97.1467 [ 6.2.1.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1521

Weigel, Erhard, Speculum uranicum aquilae romanae sacrum, das ist Himmels-Spiegel: Darinnen ausser denen ordentlichen auch die ungewöhnlichen Erscheinungen des Himmels … dargestellet wird. Franck- furt: Götz, 1661. [68] Bl.: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.25 / Philos.1923 / Philos.1923+2 / Philos.2040 / Philos.2668/2676 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1061 [Variante: Jena]

Weigel, Erhard, Speculum uranicum aquilae romanae sacrum, das ist Himmels-Spiegel: Darinnen ausser denen ordentlichen auch die ungewöhnlichen Erscheinungen des Himmels … dargestellet wird. Jena: Krebs, 1661. [68] Bl.: Ill. Philos.1923 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1061

Welper, Eberhard, Cometographia. Oder Beschreibung deßen im 1661. Jahr … erschinenen newen Co- metens … Straßburg 1661. 31 S.: Ill. Philos.2668/2676: 2675 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1063 IN DER STAATLICHEN BIBLIOTHEK REGENSBURG 147

[Welper, Eberhard,] Die erste Observation deß Cometens, gehalten zu Straßburg den 29. Jenner deß lauffenden 1661. Jahrs, morgens umb 5 Uhr: wohlmeind an Tag gegeben durch M. E. W. [s.l.] 1661. [1] Bl. Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1064 IM/Philos.2204/2205 angeb.29

Welper, Eberhard, Observationes Astronomicae & Praedictiones Astrologicae Genommen auß dem Stand vnd Lauff des im nechstabgeloffenen 1618. Jahrs im Monat Novembri erschinenen grossen Cometens. Straßburg: von der Heyden, 1619. [2] Bl., 22 S.: Ill. Philos.2034 angeb.7 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 908

Wendler, Franz, Methodus cometae practica: Dieser Comet oder Wunderstern ist am u. in Firmamento erschienen im Anfang d. Novemb. u. ist endl. d. 16. Ianuarii an. 1619 widerumb verschwunden. Görlitz: Joh. Rhambaw, 1619. [43] S.: Ill. Philos.2034 angeb.3 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 909

Werve, Hermann van dem, Emunctorium. Liechtputzer. Das ist: Historischer Beschreibung was jeder zeit auff erscheinung der Cometen un[d] Strobelstern/ Sonnen und Monden/ grosse Finsternussen/ und der Obern Planeten/ Aspecten gefolget. Straubing: Haan, 1636. [31] Bl. 4°Hist.pol.541(28 VD17 12:640866M

Wiedeburg, Johann Bernhard, Astronomisches Bedenken über die Frage ob der bevorstehende Untergang der Welt natürliger Weise entstehen, ins besondere durch Annäherung eines Cometen zur Erden werde befördert werden: Auch binnen 4 Jahren e. schreckl. Vorspiel desselben zu erwarten, 2. u. verm. Aufl. Jena: Melchior, 1744. 200 S.: Ill. 97.1629 [ 7.0.2.] Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 1705

Winckler, Nicolaus, Cometa pogonias, qui anno labente 1577 mense Novembri et Decembri apparuit: Demonstratus una cum parallaxi distantia a centro terrae & significatione eius. Norimbergae: Gerlach, 1578. [23] S.: Ill. Philos.3111a Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 498

Wunderbare Wieder-Erscheinung eines Neu-geschwantzten Cometens … Welcher den 26. 27. 28. 29. Martii, A. Calenders 1665. Im Zeichen des Wasserman[n]s in Nürnberg gesehen wworden … [s.l.] 1665. [1] Bl.: Ill. IM/Philos.2204/2205 angeb.9 [ 3.0.3.]

Zeysius, Matthaeus, Beschreibung vnd erklerung der schrecklichen, vngewöhnlichen, haarechtigen, few- rigen Sternen, so man Cometen nennet: Von jren vrsachen bedeutung vnd wirckung vnd sonderlich Von dem … Cometstern welcher in kurtz verlauffenen 1577. Jar … ist gesehen worden … Franckfurt an der Oder 1578. [32] Bl. Philos.1081/1083 Brüning, Bibliographie (2000), Nr. 499

Ziegler, Philipp, Antinarnoldus Et Antinagelius Das ist Gründlicher Beweisz, das weder die Zehen Grun- de M. Philippi Arnoldi … Ertzpriesters zu Tilsit in Preussen, das Tertium seculum Spiritus Sancti … vmbstossen, Noch die Eilff Gegengründe M. Pauli Nagelii Lipsiensis Mathematici &c. dasselbige … be- stettigen … [s.l.] 1622. 95 S. 4°Theol.syst.798(3

Zoanettus, Philipp → Grick, Friedrich