Lübeckische Blätter 8/2011
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€ 2,– 23. April 2011 · 176. Jahrgang · Heft 8 A 4342 LÜ B E C K I S C H E B L Ä T T E R b „Brigitte“ wieder im Behnhaus 113 b Aus der Gemeinnützigen 117 b Die echten Kosten des Kulturabbaus 118 b Lübecker Chronik 119 b Vergessene Hausteinportale 120 b Theater in der Beckergrube finanziell bedroht 121 b Diskussionsbeitrag: Der Marsch der Neonazis am 26. März 122 b Ausbau der Schulsozialarbeit 124 b Archäologen erklären Stadtgeschichte 125 b Erziehung ohne Männer 126 b Musik/Meldungen 127 ZEITSCHRIFT DER GESELLSCHAFT ZUR BEFÖRDERUNG GEMEINNÜTZIGER TÄTIGKEIT ##65586558 UUSS HHL-BlätterL-Blätter 88-11.indd-11.indd 1 119.04.119.04.11 114:104:10 L Ü B E C K I S C H E B L Ä T T E R 23. April 2011 · Heft 8 · 176. Jahrgang · Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit Carl Georg Heise und das Behnhaus Zur Präsentation der zurückgekehrten Bronzefigur „Brigitte“ von Gerhard Marcks Vortrag von Dr. Alexander Bastek, Leiter des Museums Behnhaus/Drägerhaus, am 29. März Das Behnhaus wird noch immer in erster Linie über seine klassizistische Fas- sade, über die beeindruckenden Diele aus dem späten 18. Jahrhundert, über die Ge- mälde Caspar David Friedrichs und der Nazarener, ja, über sein ganzes, durch die Kunst des Klassizismus und der Romantik geprägtes Ambiente wahrgenommen. Die Kunst der klassischen Moderne wird dar- über allzu leicht vergessen. Das mag zum einen daran liegen, dass einige dieser Werke des frühen 20. Jahr- hunderts – wie Lehmbrucks Stehende oder Albikers Torso – fast klassisch erscheinen und sich eher geräuschlos einfügen. Es hängt jedoch wohl in erster Linie damit zusammen, dass die Sammlung der klas- sischen Moderne, die Carl Georg Heise in den 20er- und 30er- Jahren des 20. Jahrhunderts aufbaute, fast vollständig während der Zeit des Nationalsozialismus verloren ging und nach dem Krieg in ein- zelnen, bedeutsamen und dennoch eher leisen Schritten wieder aufgebaut wurde. Durch Erwerbungen, Schenkungen und Leihgaben zählen heute wieder Werke von Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Max Pechstein, Max Beckmann, Lyonel Feininger, Paula Modersohn-Becker und vielen mehr zur Sammlung des Behnhau- ses. All diese Exponate sind Neuerwer- bungen. Mit Ausnahme einer Lithographie Munchs aus der Serie Alpha und Omega ist mir kein Werk bekannt, das nach seiner Beschlagnahme 1937 ins Behnhaus zu- rückkehrte. Carl Georg Heise konnte zwar nach dem Zweiten Weltkrieg das von ihm fürs Behnhaus erworbene Gemälde „Das Wohnzimmer“ von Ernst Ludwig Kirchner erneut ankaufen und „seinem“ Museum Abbildung auf der Titelseite: „Brigitte“, Bronzefigur von Gerhard Marcks, erworben für das Behnhaus 1932, 1937 als ‚entartete Kunst‘ beschlagnahmt, seither verschollen, nun als Leihgabe der Berliner Ferdinand-Möller-Stiftung zurückgekehrt (Foto: Manfred Eickhölter) Lübeckische Blätter 2011/8 113 ##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 88-11.indd-11.indd 111313 119.04.119.04.11 114:094:09 Vortrag von Dr. Alexander Bastek zur Verfügung stellen. Allerdings war er tektur und den Wandmalereien ein heraus- diese Kunstrichtung mit Arbeiten von u. a. da Direktor der Hamburger Kunsthalle. ragendes Beispiel für die Kunst um 1800. Masereel, Dix, Hofer und Anita Rée. Daher ist es ein großer Schritt für die- Dies erkannte Heise als idealen Ort, um Bildhauerausstellungen initiierte se Sammlung, dass wir nun ein heraus- die Schätze der Gemäldesammlung – al- Heise zu Barlach, Georg Kolbe, Edwin ragendes Werk der klassischen Moderne, len voran die Werke Overbecks und der Scharff, Milly Steeger und Gustav Wolff einen Ankauf Heises, der 1937 dem Mu- Nazarener – zu präsentieren. Gleichzeitig und plante auch eine zu Gerhard Marcks. seum verloren ging, als Leihgabe zurück- sah er, dass diese „strenge, sehr deutsche Zu den wichtigen Erwerbungen durch erhalten. Damit können wir ein Zeichen Kunst“ des frühen 19. Jahrhunderts die Heise zählen Ernst Ludwig Kirchners setzen, dass neben Overbeck, Caspar Da- jüngsten Künstler wieder lebhaft anzog. „Wohnzimmer“ (1923), Karl Schmidt- vid Friedrich und den impressionistischen So schien ihm das Behnhaus als idea- Rottluffs „Melancholie“ (1919), Emil Positionen etwa Gotthardt Kuehls auch ler Ort einer Gemäldesammlung des 19. Noldes „Stilleben mit Maske“ (1926), die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts die Jahrhunderts und der Gegenwart. Erich Heckels „Amaryllis“ (1927), Karl Sammlung des Museums prägt und die Bereits im September 1921 bot sich Hofers „Paar am Fenster“ (1928) oder Wechselausstellungen zukünftig vielleicht Heise die Möglichkeit, im Rahmen der Ernst Wilhelm Nays „Blumenkohl-Stil- mehr als zuletzt bestimmen wird. Dabei „Nordischen Woche“, die Eignung des leben“ (1928), daneben auch plastische gilt es die Leistungen Carl Georg Heises Behnhauses als Ausstellungsort zu tes- Werke wie Wilhelm Lehmbrucks „Ste- neu zu untersuchen und wieder sichtbar ten. Während in der Katharinenkirche die hende weibliche Figur“ (1910) und „Ge- zu machen – die von ihm geförderten Lü- bahnbrechende Ausstellung „Emil Nolde beugter weiblicher Torso“ (1913), Karl becker Künstler der klassischen Moderne, – Religiöse Bilder“ zu sehen war, zeigte Albikers „Torso“ (1923), Georg Kolbes Albert Aereboe, Alfred Mahlau und Erich Heise im Behnhaus die „Jahrhundertaus- „Verkündigung“ (1924), Ernesto di Fi- Dummer sind etwa inzwischen kaum noch stellung lübeckischer Kunst vom Anfang oris „Knieende“ (1923), Reneé Sintenis’ ausgestellt. Und Heises Korrespondenz des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“. „Daphne“ (1930), Ernst Barlachs Fi- mit einer Vielzahl namhafter Künstler in Mit Werken von Overbeck, Rehbenitz, guren zur „Gemeinschaft der Heiligen“ den 20er- und frühen 30er- Jahren wartet Gröger, Kuehl, Hübner und Slavona bis (1930–1932) und Gerhard Marcks Mäd- im Museumsarchiv auf eine wissenschaft- hin zu Alfred Mahlau schlug er bereits chenfigur „Brigitte“ (1930). liche Bearbeitung und Publikation. hier den Bogen, der für das Behnhaus bis Mit Marcks stand Heise über 13 Jahre In seiner im Januar 1920 an die Vor- heute gültig ist. in Kontakt, bevor er die Brigitte erwarb. steherschaft des Museums für Kunst und Zur Pflege der Gegenwartskunst trat Schon 1920 beginnt die Korrespon- Kulturgeschichte in Lübeck gerichteten er schon früh in Kontakt mit namhaften denz – zunächst ist Heise, an dem wie er Bewerbung hatte Carl Georg Heise „die Künstlern, von denen er Ankäufe plante schrieb, „Meißner Leuchter“ von Ger- Deutsche Kunst des späten Mittelalters“ und die er in Lübeck in Ausstellungen prä- hard Marcks interessiert, gemeint ist der als sein Hauptarbeitsfeld bezeichnet. sentieren wollte. Noch 1920 begann etwa Leuchterreiter. Am 30. November 1920 Doch schon im Dezember 1919 hatte er Heises Briefwechsel mit Schmidt-Rottluff, schreibt Marcks, Heise könne die Photo- in einem Bewerbungsvortrag in der Over- von dem er dem Museum Graphiken und graphie des Leuchterreiters gerne veröf- beck-Gesellschaft über „Alte Kunst im schließlich das Ölbild „Melancholie“ fentlichen. Im Genius, der von Heise he- Spiegel der Gegenwart“ referiert und sein sicherte und 1924 eine Einzelausstel- rausgegebenen Zeitschrift für werdende eigentliches Ziel, die Verbindung der alten lung zeigte. Mehr und mehr verlagerte und alte Kunst, schrieb Heise noch im mit der neuen Kunst, skizziert. Heise auch die Sonderausstellungen der selben Jahr über Marcks’ kunstgewerb- Seit dem Frühjahr 1919 gab Heise den Overbeck-Gesellschaft vom Schabbel- liche Figur, die er 1921 fürs Behnhaus „Genius. Zeitschrift für werdende und alte haus ins Behnhaus. Diese umtriebige erwerben konnte. 1923 bestellt Heise bei Kunst“ heraus und hatte dort u. a. über Ausstellungsarbeit und der Aufbau einer Marcks neun Holzschnitte zur Ansicht, Noldes religiöse Malerei geschrieben. Sammlung zeitgenössischer Kunst im von denen er sieben ankaufte – vier weite- Die Neuordnung der Lübecker Gemäl- Behnhaus sind in Ansätzen dokumentiert, re erhielt er vom Künstler zum Geschenk. desammlung, die sich noch ungeordnet im wären jedoch dringend in einem fundier- Keines dieser Blätter ist heute noch in der Museum am Dom befand, und ihre Erwei- ten Forschungsprojekt aufzuarbeiten. Ne- graphischen Sammlung vorhanden. terung durch überregionale Werke der Ge- ben Ausstellungen zu Corinth und Slevogt In den folgenden Jahren scheint Heise genwartskunst waren somit die erklärten 1925 sei nur die damals für Lübeck bahn- die Entwicklung von Marcks weiter ver- Ziele Heises, als dieser am 1. Mai 1920 brechende Ausstellung „Impressionismus, folgt zu haben. Im Februar 1929 schreibt die Direktorenstelle in Lübeck antrat. Expressionismus, Neue Sachlichkeit“ aus ihm der Bildhauer: „Es freut mich sehr, Das Behnhaus wurde bei Heises Amts- dem Jahr 1927 genannt. Als Vertreter des daß Sie sich für meine Arbeit interessieren antritt gerade von der Familie Behn an Impressionismus konnte Heise mit Wer- – im Herbst werde ich eine Ausstellung eine Bank verkauft und eine der ersten ken von Renoir, Pissaro, Monet, Signac, bei Ferdinand Möller machen.“ Es dau- entscheidenden Aufgaben des neuen Mu- Toulouse-Lautrec, Rodin, Liebermann, erte weitere drei Jahre, bis sich ein Ankauf seumsdirektors war es, das Haus für die Corinth und Slevogt aufwarten. Der Ex- konkretisierte. Stadt zu gewinnen, um seine historische pressionismus war durch Nolde, Kokosch- Am 23. Februar 1932 schreibt Marcks Substanz zu erhalten und es als Museum, ka, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Franz an Heise: „Ich habe mich sehr über Ihren nicht als Gewerbe- oder Gildenhaus (das Marc, Paula Modersohn-Becker und de- Brief gefreut, über Ihr Interesse an meiner waren damals die Gegenvorschläge) zu