€ 2,– 23. April 2011 · 176. Jahrgang · Heft 8 A 4342 LÜ B E C K I S C H E B L Ä T T E R

b „Brigitte“ wieder im Behnhaus 113

b Aus der Gemeinnützigen 117

b Die echten Kosten des Kulturabbaus 118

b Lübecker Chronik 119

b Vergessene Hausteinportale 120

b Theater in der Beckergrube finanziell bedroht 121

b Diskussionsbeitrag: Der Marsch der Neonazis am 26. März 122

b Ausbau der Schulsozialarbeit 124

b Archäologen erklären Stadtgeschichte 125

b Erziehung ohne Männer 126

b Musik/Meldungen 127

ZEITSCHRIFT DER GESELLSCHAFT ZUR BEFÖRDERUNG GEMEINNÜTZIGER TÄTIGKEIT

##65586558 UUSS HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 1 119.04.119.04.11 14:1014:10 L Ü B E C K I S C H E B L Ä T T E R 23. April 2011 · Heft 8 · 176. Jahrgang · Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit Carl Georg Heise und das Behnhaus Zur Präsentation der zurückgekehrten Bronzefigur „Brigitte“ von Gerhard Marcks Vortrag von Dr. Alexander Bastek, Leiter des Museums Behnhaus/Drägerhaus, am 29. März

Das Behnhaus wird noch immer in erster Linie über seine klassizistische Fas- sade, über die beeindruckenden Diele aus dem späten 18. Jahrhundert, über die Ge- mälde Caspar David Friedrichs und der Nazarener, ja, über sein ganzes, durch die Kunst des Klassizismus und der Romantik geprägtes Ambiente wahrgenommen. Die Kunst der klassischen Moderne wird dar- über allzu leicht vergessen. Das mag zum einen daran liegen, dass einige dieser Werke des frühen 20. Jahr- hunderts – wie Lehmbrucks Stehende oder Albikers Torso – fast klassisch erscheinen und sich eher geräuschlos einfügen. Es hängt jedoch wohl in erster Linie damit zusammen, dass die Sammlung der klas- sischen Moderne, die Carl Georg Heise in den 20er- und 30er- Jahren des 20. Jahrhunderts aufbaute, fast vollständig während der Zeit des Nationalsozialismus verloren ging und nach dem Krieg in ein- zelnen, bedeutsamen und dennoch eher leisen Schritten wieder aufgebaut wurde. Durch Erwerbungen, Schenkungen und Leihgaben zählen heute wieder Werke von Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Max Pechstein, Max Beckmann, Lyonel Feininger, Paula Modersohn-Becker und vielen mehr zur Sammlung des Behnhau- ses. All diese Exponate sind Neuerwer- bungen. Mit Ausnahme einer Lithographie Munchs aus der Serie Alpha und Omega ist mir kein Werk bekannt, das nach seiner Beschlagnahme 1937 ins Behnhaus zu- rückkehrte. Carl Georg Heise konnte zwar nach dem Zweiten Weltkrieg das von ihm fürs Behnhaus erworbene Gemälde „Das Wohnzimmer“ von Ernst Ludwig Kirchner erneut ankaufen und „seinem“ Museum

Abbildung auf der Titelseite: „Brigitte“, Bronzefigur von Gerhard Marcks, erworben für das Behnhaus 1932, 1937 als ‚entartete Kunst‘ beschlagnahmt, seither verschollen, nun als Leihgabe der Berliner Ferdinand-Möller-Stiftung zurückgekehrt (Foto: Manfred Eickhölter)

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 113113 119.04.119.04.11 14:0914:09 Vortrag von Dr. Alexander Bastek

zur Verfügung stellen. Allerdings war er tektur und den Wandmalereien ein heraus- diese Kunstrichtung mit Arbeiten von u. a. da Direktor der . ragendes Beispiel für die Kunst um 1800. Masereel, Dix, Hofer und Anita Rée. Daher ist es ein großer Schritt für die- Dies erkannte Heise als idealen Ort, um Bildhauerausstellungen initiierte se Sammlung, dass wir nun ein heraus- die Schätze der Gemäldesammlung – al- Heise zu Barlach, Georg Kolbe, Edwin ragendes Werk der klassischen Moderne, len voran die Werke Overbecks und der Scharff, Milly Steeger und Gustav Wolff einen Ankauf Heises, der 1937 dem Mu- Nazarener – zu präsentieren. Gleichzeitig und plante auch eine zu Gerhard Marcks. seum verloren ging, als Leihgabe zurück- sah er, dass diese „strenge, sehr deutsche Zu den wichtigen Erwerbungen durch erhalten. Damit können wir ein Zeichen Kunst“ des frühen 19. Jahrhunderts die Heise zählen Ernst Ludwig Kirchners setzen, dass neben Overbeck, Caspar Da- jüngsten Künstler wieder lebhaft anzog. „Wohnzimmer“ (1923), Karl Schmidt- vid Friedrich und den impressionistischen So schien ihm das Behnhaus als idea- Rottluffs „Melancholie“ (1919), Emil Positionen etwa Gotthardt Kuehls auch ler Ort einer Gemäldesammlung des 19. Noldes „Stilleben mit Maske“ (1926), die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts die Jahrhunderts und der Gegenwart. Erich Heckels „Amaryllis“ (1927), Karl Sammlung des Museums prägt und die Bereits im September 1921 bot sich Hofers „Paar am Fenster“ (1928) oder Wechselausstellungen zukünftig vielleicht Heise die Möglichkeit, im Rahmen der Ernst Wilhelm Nays „Blumenkohl-Stil- mehr als zuletzt bestimmen wird. Dabei „Nordischen Woche“, die Eignung des leben“ (1928), daneben auch plastische gilt es die Leistungen Carl Georg Heises Behnhauses als Ausstellungsort zu tes- Werke wie Wilhelm Lehmbrucks „Ste- neu zu untersuchen und wieder sichtbar ten. Während in der Katharinenkirche die hende weibliche Figur“ (1910) und „Ge- zu machen – die von ihm geförderten Lü- bahnbrechende Ausstellung „Emil Nolde beugter weiblicher Torso“ (1913), Karl becker Künstler der klassischen Moderne, – Religiöse Bilder“ zu sehen war, zeigte Albikers „Torso“ (1923), Georg Kolbes Albert Aereboe, Alfred Mahlau und Erich Heise im Behnhaus die „Jahrhundertaus- „Verkündigung“ (1924), Ernesto di Fi- Dummer sind etwa inzwischen kaum noch stellung lübeckischer Kunst vom Anfang oris „Knieende“ (1923), Reneé Sintenis’ ausgestellt. Und Heises Korrespondenz des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“. „Daphne“ (1930), Ernst Barlachs Fi- mit einer Vielzahl namhafter Künstler in Mit Werken von Overbeck, Rehbenitz, guren zur „Gemeinschaft der Heiligen“ den 20er- und frühen 30er- Jahren wartet Gröger, Kuehl, Hübner und Slavona bis (1930–1932) und Gerhard Marcks Mäd- im Museumsarchiv auf eine wissenschaft- hin zu Alfred Mahlau schlug er bereits chenfigur „Brigitte“ (1930). liche Bearbeitung und Publikation. hier den Bogen, der für das Behnhaus bis Mit Marcks stand Heise über 13 Jahre In seiner im Januar 1920 an die Vor- heute gültig ist. in Kontakt, bevor er die Brigitte erwarb. steherschaft des Museums für Kunst und Zur Pflege der Gegenwartskunst trat Schon 1920 beginnt die Korrespon- Kulturgeschichte in Lübeck gerichteten er schon früh in Kontakt mit namhaften denz – zunächst ist Heise, an dem wie er Bewerbung hatte Carl Georg Heise „die Künstlern, von denen er Ankäufe plante schrieb, „Meißner Leuchter“ von Ger- Deutsche Kunst des späten Mittelalters“ und die er in Lübeck in Ausstellungen prä- hard Marcks interessiert, gemeint ist der als sein Hauptarbeitsfeld bezeichnet. sentieren wollte. Noch 1920 begann etwa Leuchterreiter. Am 30. November 1920 Doch schon im Dezember 1919 hatte er Heises Briefwechsel mit Schmidt-Rottluff, schreibt Marcks, Heise könne die Photo- in einem Bewerbungsvortrag in der Over- von dem er dem Museum Graphiken und graphie des Leuchterreiters gerne veröf- beck-Gesellschaft über „Alte Kunst im schließlich das Ölbild „Melancholie“ fentlichen. Im Genius, der von Heise he- Spiegel der Gegenwart“ referiert und sein sicherte und 1924 eine Einzelausstel- rausgegebenen Zeitschrift für werdende eigentliches Ziel, die Verbindung der alten lung zeigte. Mehr und mehr verlagerte und alte Kunst, schrieb Heise noch im mit der neuen Kunst, skizziert. Heise auch die Sonderausstellungen der selben Jahr über Marcks’ kunstgewerb- Seit dem Frühjahr 1919 gab Heise den Overbeck-Gesellschaft vom Schabbel- liche Figur, die er 1921 fürs Behnhaus „Genius. Zeitschrift für werdende und alte haus ins Behnhaus. Diese umtriebige erwerben konnte. 1923 bestellt Heise bei Kunst“ heraus und hatte dort u. a. über Ausstellungsarbeit und der Aufbau einer Marcks neun Holzschnitte zur Ansicht, Noldes religiöse Malerei geschrieben. Sammlung zeitgenössischer Kunst im von denen er sieben ankaufte – vier weite- Die Neuordnung der Lübecker Gemäl- Behnhaus sind in Ansätzen dokumentiert, re erhielt er vom Künstler zum Geschenk. desammlung, die sich noch ungeordnet im wären jedoch dringend in einem fundier- Keines dieser Blätter ist heute noch in der Museum am Dom befand, und ihre Erwei- ten Forschungsprojekt aufzuarbeiten. Ne- graphischen Sammlung vorhanden. terung durch überregionale Werke der Ge- ben Ausstellungen zu Corinth und Slevogt In den folgenden Jahren scheint Heise genwartskunst waren somit die erklärten 1925 sei nur die damals für Lübeck bahn- die Entwicklung von Marcks weiter ver- Ziele Heises, als dieser am 1. Mai 1920 brechende Ausstellung „Impressionismus, folgt zu haben. Im Februar 1929 schreibt die Direktorenstelle in Lübeck antrat. Expressionismus, Neue Sachlichkeit“ aus ihm der Bildhauer: „Es freut mich sehr, Das Behnhaus wurde bei Heises Amts- dem Jahr 1927 genannt. Als Vertreter des daß Sie sich für meine Arbeit interessieren antritt gerade von der Familie Behn an Impressionismus konnte Heise mit Wer- – im Herbst werde ich eine Ausstellung eine Bank verkauft und eine der ersten ken von Renoir, Pissaro, Monet, Signac, bei Ferdinand Möller machen.“ Es dau- entscheidenden Aufgaben des neuen Mu- Toulouse-Lautrec, Rodin, Liebermann, erte weitere drei Jahre, bis sich ein Ankauf seumsdirektors war es, das Haus für die Corinth und Slevogt aufwarten. Der Ex- konkretisierte. Stadt zu gewinnen, um seine historische pressionismus war durch Nolde, Kokosch- Am 23. Februar 1932 schreibt Marcks Substanz zu erhalten und es als Museum, ka, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Franz an Heise: „Ich habe mich sehr über Ihren nicht als Gewerbe- oder Gildenhaus (das Marc, Paula Modersohn-Becker und de- Brief gefreut, über Ihr Interesse an meiner waren damals die Gegenvorschläge) zu ren „Vorgänger“ Hodler, Munch und van Arbeit und über die Absicht, die Brigitte nutzen. Nutzung des Hauses sowie Neu- Gogh vertreten. Und zwei Jahre nachdem oder eine ähnliche Figur zu erwerben. Es ordnung und Neuausrichtung der Gemäl- Gustav Hartlaub in Mannheim mit seiner wäre auch sehr schön, wenn ich Sie auf desammlung führte Heise dabei zusam- Ausstellung den Begriff Neue Sachlichkeit Ihrer Reise in meinem Atelier begrüßen men. Das Behnhaus war mit seiner Archi- überhaupt erst geprägt hatte, zeigte Heise könnte – etliche neue Arbeiten sind im-

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 114114 119.04.119.04.11 14:0914:09 Vortrag von Dr. Alexander Bastek

merhin da, die großen allerdings meist in könnten Sie uns nicht noch etwas mit dem als böse Vorahnung lesen lässt: „Ich Kisten verpackt.“ Preis entgegenkommen? Ich bin durchaus träumte heute, in Lübeck wären die Kirch- Heises Antwort vom Juni 1932 ver- nicht dagegen, dass auch der Kunsthänd- thurmspitzen runtergeweht; hoffentlich deutlicht, wie akribisch er seine Ankäufe ler etwas verdient. Denn schliesslich habe stimmt das nicht! Herzlich Ihr G. Marcks“ vorbereitete und wie eingehend er sich ich die Figur bei ihm gesehen und durch Zehn Jahre später sollten die Kirch- mit dem Werk des Künstler auseinander ihn als Leihgabe erhalten. Aber vielleicht turmspitzen in Lübeck tatsächlich runter- setzte: „Im Ausstellungslokal bei Flecht- können Sie erreichen, dass auch dort et- geweht werden – und was mit der Diffa- heim in Düsseldorf erneuerte ich meine was nachgelassen wird. Ursprünglich mierung und Zerstörung der Gegenwarts- Bekanntschaft mit Ihrer Bronze-Figur hat mir Herr Vömel bei Flechtheim einen kunst begonnen hatte, schlug nun auf die ‚Brigitte’, die ich schon auf der Künst- Preis von RM 1.600,- genannt, den er ganze Stadt, das ganze Land zurück. lerbund-Ausstellung in Essen besonders dann auf RM 1.500,- reduziert hat. Kön- Wenn wir nun mit der Rückkehr der bewundert hatte. Herr Vömel bot mir an, nen wir nicht RM 1.200,- sagen? Verzei- „Brigitte“ ins Behnhaus ein kleines Stück die Figur als Leihgabe in unser Museum hen Sie bitte das ‚Handeln‘. Sie werden dieser kulturfeindlichen Zerstörung wie- zu stellen, er sah, dass mein Interesse für mir gewiss glauben, dass ich herzlich gern dergutmachen können, ist das ein großes eine Erwerbung ernstlich ist und nur aus weniger kleinlich sein möchte! Uns sind Glück. Es sollte uns jedoch zugleich eine finanziellen Gründen zunächst unterblei- aber alle Ankaufsgelder für diese Dinge Mahnung an unsere kulturelle Verantwor- ben muss. Das ist inzwischen geschehen gestrichen worden und ich muss jeden tung sein. und ich habe täglich Freude an Ihrer Ar- Pfennig ‚zaubern‘.“ beit. Marcks ging auf den Handel ein: „Ich Ehe ich mich nun aber fest entscheide, will Ihnen entgegenkommen, aber ich würde ich sehr gerne noch weitere neue wäre Ihnen dankbar, wenn Sie 1.300 Mark Arbeiten von Ihnen kennenlernen. Ich sah dafür zusammenbekämen.“ in Essen die sehr schöne Steinfigur für Heise reiste im Oktober nach , Karl Ernst Osthaus und habe seit vielen um sich bei Flechtheim die Ausstellung Jahren aufmerksam angesehen, was mir von Marcks anzusehen und „Wenn dort auf Ausstellungen oder in Museen begeg- nichts ist, was mir ganz wesentlich besser net ist, würde aber gern einmal in Ihrem gefällt, bleibt es bei der Brigitte. Auf alle Atelier vorsprechen, wenn ich sicher sein Fälle aber können Sie sich darauf verlas- darf, dass Sie eine Anzahl neuerer Arbei- sen, dass wir irgendetwas erwerben. Wird ten dort haben und vor allem, dass Sie es die Brigitte, so will ich RM 1.400 be- selbst anwesend sind.“ willigen und danke Ihnen für das Entge- Heise schaffte es im Sommer nicht genkommen.“ mehr nach zu Marcks, und als dieser Bei besagter Ausstellung in Berlin im August bei seiner Rückkehr aus Nien- lernten Marcks und Heise sich dann end- hagen in Lübeck vorbeischaute, war Hei- lich, wenn auch nur kurz, persönlich ken- se nicht dort. Marcks schrieb ihm: „Wir nen. Am 26. Oktober teilt Heise dann seine haben uns alles, wenn auch nur flüchtig Entscheidung für die Brigitte mit: „Wenn angesehn. Ihr Behnhaus (vielleicht ist ich mich trotzdem entschieden habe, für meine Puppe doch zu klein für den Platz?) unser Museum beim Kauf der Brigitte ist sehr schön.“ zu bleiben, so sind das z. T. Gründe des Tatsächlich ließ sich Heise weiter Zeit Formats, des Preises usw. Auch habe ich damit, zu klären, ob die Brigitte die rich- mich mit der schönen Figur bereits so tige Figur fürs Behnhaus sei. Am 9. Sep- eingelebt, dass ich sie ungern entbehren tember musste Marcks dann erstmals möchte. Sagen Sie uns also bitte, wohin mahnen: „Sehr dankbar wäre ich Ihnen, wir Ihnen die vereinbarten RM 1.400 wenn aus dem Ankauf der ‚Brigitte‘ bald überweisen sollen.“ etwas würde. Die Hoffnung auf bessere Die Frage, wohin das Geld gehen sol- Zeiten reicht nicht ganz zum täglichen.“ le, war durchaus berechtigt, wie die Ant- Heise antwortete umgehend und griff wort von Gerhard Marcks zeigt: „Von dem den in Marcks’ Brief an anderer Stelle ge- Geld schicken Sie bitte 900 M an mich, machten Vorschlag auf, eine Ausstellung 500 M an Flechtheim, ich bin ihm noch des Hamburger Kunstvereins nach Lü- etwas schuldig.“ beck zu übernehmen. Ansonsten vertrös- Ende Oktober 1932 war es also, als tete er ihn: der Kauf endgültig abgeschlossen wurde, „Die Entscheidung wegen der ‚Bri- ein Jahr später, nach der Machtergreifung gitte‘ hat sich nicht nur durch die allge- der Nationalsozialisten, erhielt Heise die meine Geldknappheit verzögert, sondern Kündigung. Weitere vier Jahre später auch deswegen, weil ich mich ungern wurde auch die „Brigitte“ aus dem Behn- entscheiden möchte, vordem ich weitere haus entfernt. neue Arbeiten von Ihnen zum Vergleich Gerhard Marcks’ Brief an Heise vom gesehen habe. Dafür wäre die Ausstellung 28. Oktober 1932 endet mit einer eigen- (Fotos: Kulturstiftung eine sehr gute Gelegenheit. Und endlich: artigen Bemerkung, die sich rückblickend Hansestadt Lübeck)

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 115115 119.04.119.04.11 14:0914:09 Aus Einrichtungen und Tochtergesellschaften Bartholdy-Quintett bei den Musikfreunden Von Olaf Silberbach

Am 3. April gastierte das Bartholdy- spiel“ (2010/2011) des jungen Lübecker Quintett bei den Musikfreunden Lübeck Komponisten Robert Krampe handelte es und unterstrich mit seinem Gastspiel die sich um eine Uraufführung, welche dem hohe Qualität dieser Kammerkonzertreihe. Bartholdy-Quintett gewidmet war. Das Das Bartholdy-Quintett war mit Anke Dill Werk nutzte eine Tonsprache, mit deren Der Fisch, Barcelona (Foto: T. Niermann) und Ulf Schneider, Elementen die Hörer durchaus schon Violinen, Barba- akustisch vertraut waren, und die überaus Sketches of Frank Gehry ra Westphal und engagierte, aus dem Suchen nach Inhalt Über einen Zeitraum von fünf Jahren Volker Jacobsen, entwickelte Interpretation des Quintetts begleitete Sydney Pollack den Architek- Bratschen sowie führte schließlich zu einer begeisterten ten Frank Gehry mit einer DV-Kamera. Er Gustav Rivinius, Cello, hochkarätig be- Aufnahme des Stückes. Ein großer Erfolg führte Gespräche mit Weggefährten, Bau- setzt und zeigte sein intensives Musizieren für ein langes Stück ohne „Längen“ … herren, Lehrmeistern und Widersachern, in feinsten Abstufungen. Schön zu wissen, Nach der Pause hatte man die Positi- beobachtete seinen Protagonisten in Ar- dass dabei vier von den fünf Musikern des onen der 1./2. Violine und 1./2. Bratsche beitssituationen und privaten Begegnun- Ensembles in Lübeck ihre Ausbildung er- beim Streichquintett G-Dur op. 111 von gen. Zu den Mitwirkenden vor der Kame- hielten bzw. an der Musikhochschule Lü- Brahms getauscht, spielte druckvoll und ra gehören u. a. der Schauspieler Dennis beck lehren. dabei voller Wärme. Natürlich gingen die Hopper und der Musiker Bob Geldof. In Mozarts Streichquintett B-Dur wundervollen Duopassagen der beiden Am Donnerstag, 28. April lädt das KV 147 entwickelte sich die besondere Bratschen ans Herz, aber die ungeheu- Koki zu einem Filmgespräch mit Rainer Klangvielfalt dieser Besetzung; In gro- re Kammermusikfähigkeit des Cellisten Steffens vom Architektur Forum Lübeck ßem Spannungsreichtum lotete man die Gustav Rivinius erst verband die beiden ein. kompositorischen Facetten aus, nahm die Violinen mit den Bratschen und formte USA/D 2007, 83 min. Regie und Herausforderung des bekanntermaßen daraus ein Ensemble höchsten Niveaus! Buch: Sydney Pollack durchsichtigen Satzes an und musizierte Außerordentlicher Applaus und Bravos In Kooperation mit dem Architektur- auch die Details ungewöhnlich geschlos- – als Zugabe dann ein hochkultiviertes ForumLübeck e.V. sen. Bei dem Quintett „… mein Saiten- Mendelssohn-Scherzo! 28.–30. April, jeweils 18 Uhr LÜ B E C K I S C H E B L Ä T T E R Neu! Nur für Mitglieder der Gemeinnützigen Anzeigen zum Sonderpreis in der Rubrik „Mitglieder empfehlen sich Mitgliedern“ Nutzen auch Sie diese traditionsreiche Zeitschrift zur Platzierung Ihrer Werbung.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 116116 119.04.119.04.11 14:0914:09 Aus der GEMEINNÜTZIGENEMEINNÜTZI Aus der Gemeinnützigen Aus der GEMEINNÜTZIGEN AusAd der GEMEINNÜTZIGEN

mittwochsBILDUNG Familien-Bildungs-Stätte 4. Mai, 19.30 Uhr, Königstr. 5, Großer Saal, Eintritt frei 3. Mai, 19–20 Uhr, Jürgen-Wullenwever-Straße Frühe Hilfen: Gesundes Aufwachsen, Vereinbarkeit von Familie und Förderung und Schutz von Kindern – auch Beruf ein Beitrag zur Bildung? Stefan Busch, Rechtsanwalt Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Ute Thyen, Welche Rechte haben Sie als Eltern Leiterin Neuro- und Sozialpädiatrie, Klinik für anhand des Bundeselterngeld- und Kinder- und Jugendmedizin, Universität zu Lü- Elternzeitgesetzes? Welche Mög- beck, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates des Natio- lichkeiten der Arbeitsfreistellung zur Pflege von Angehöri- nalen Zentrums Frühe Hilfen gen haben Sie durch das Pflegezeitgesetz? Dass Frühe Hilfen unbedingt nötig und sinnvoll sind, das ist Gebühr: 5 Euro, Anmeldung erforderlich! inzwischen allgemein bekannt. Ute Thyen beschreibt das so: „Das Recht des Kindes auf eine möglichst weitgehende Re- 5. Mai, 19–20 Uhr alisierung seines körperlichen, geistigen, seelischen und so- Die traumatisierte Gesellschaft zialen Entwicklungspotenziales soll durch früh einsetzende Vortrag von Gerd Johannsen, Heilpraktiker für anthroproso- Hilfen und Förderung unterstützt werden.“ phische Psychotherapie Dabei geht es im Wesentlichen darum, Familien bei der Ver- Gebühr: 5 Euro wirklichung dieses Ziels zu unterstützen. Effektive Hilfen werden möglich, wenn es gelingt, mehr miteinander statt ne- beneinander zu arbeiten. Ein großes Hindernis beim Aufbau Gesellschaft für Geografie und Völkerkunde eines Netzwerkes ist die Trennung von sozialer Daseinsfür- Exkursion nach Riga sorge, frühkindlicher Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck Das Angebot der Frühen Hilfen im Rahmen der Jugendhilfe bietet im Juni eine 5-tägige Exkursion nach Riga an. Es sind als parallele Struktur zur pädagogischen Frühförderung durch noch 3 Plätze frei: ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer. die Eingliederungshilfe ist ein Beispiel für Nebeneinander Termin 01.06.– 05.06. 2011 statt Miteinander. REISEPLAN „Die Fragmentisierung, fehlende Qualitätssicherung und un- 1.6. individuelle Anreise zum Flughafen . zureichende Qualifizierung der Angebote für alle Kinder in Abflug BALTIC AIR 8.15 Uhr. Ankunft Riga 10.55 Uhr. der Altersgruppe null bis drei widerspricht sowohl den Rech- Transfer zum Hotel. Am Nachmittag Rundgang durch die ten der Kinder auf ungehinderten Zugang zu Angeboten der Altstadt. Tipps für Nahverkehr und Museen. Gesundheitsversorgung und Bildung“, so Thyen, „als auch 2.6. Halbtägie Stadtführung. Nachmittags Besichtigung der be- den Rechten von Kindern mit Behinderung auf Inklusion. kannten Schokoladenfabrik „Laima“. Um diese strukturellen Probleme zu überwinden, bedarf es 3.6. Busexkursion zum Nationalpark Gauko unter fachkundiger eines hohen Maßes an Engagement und Anwaltschaft für die Leitung. Belange der betroffenen Familien.“ 4.6. Busexkursion zum Barockschloss Rundale 5.6. Vormittag zur freien Verfügung. Gelegenheit zu einem Ausflug ins Seebad Jurmala. Am Nachmittag Transfer zum Bücherei Flughafen. Abflug 18.25 Uhr, Ankunft 19.10 Uhr, indivi- 28. April, 19.30 Uhr, Königstraße 5, Eintritt frei duelle Rückreise nach Lübeck. Biographie und Geschichte: Annäherungen – KOSTEN Rekonstruktionen – Konstruktionen Mitglieder 580 Euro im Doppelzimmer, 668 Euro im Einzelzim- Prof. Dr. Franklin Kopitzsch, Hamburg, im „litterärischen mer, Nichtmitglieder 600 Euro im Doppelzimmer, 688 Euro im Gespräch“ Einzelzimmer. Anmeldung bitte bei Bodo Fabian. Biographien ermöglichen Zugänge zur Geschichte, lassen ver- [email protected], Telefon 0170 184 67 343 gangene Lebenswelten anschaulich werden, zeigen Menschen in ihren „Zeitverhältnissen“ (Johann Wolfgang Goethe). An neue- Kolosseum ren Beispielen – Büchern über Friedrich den Großen, Gotthold 15. Mai, 18 Uhr, Kronsforder Allee Ephraim Lessing, Wilhelm und Caroline von Humboldt – wird Gaîté Parisienne das Spannungsfeld von Annäherung, Rekonstruktion und Kon- Ballettabend der„Lübecker Ballettfreunde“ struktion, in dem Lebensbilder entstehen, exemplarisch darge- Susanne Janßen, die Choreographin des Ballett-Ensembles der stellt. „Lübecker Sommeroperette“ und Leiterin der „Kleinen Tanz- werkstatt“, erarbeitete das Programm „Gaîté Parisienne“ nach Als neue Mitglieder begrüßen wir Werken von Maurice Ravel („La Valse“, „Introduktion und Al- Kerstin Gorges-Mente Tanja Welsch legro“), Claude Debussy („Claire de lune“) und Vladimir Cosma Arndt Brücker Arne Welsch („Promenade sentimentale“). Dr. Helga Kayser Grasse & Partner, Karten bei der Konzertkasse im Hause Weiland, zwischen 15 Dr. Stefan Jendrzejewski Wirtschaftsprüfer, Steuer berater, und 20 Euro. Telefonische Reservierungen: Geschäftsstelle der Jan-Hendrik Jensch Rechtsanwälte „Lübecker Ballettfreunde“ unter Telefon 0451-492339.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 117117 119.04.119.04.11 14:0914:09 Kulturpolitik Die echten Kosten des Kulturabbaus Von Karin Lubowski

Wo gespart werden muss, steht diese schaftswelt allerdings herrscht das Gesetz fokussiert“, konstatiert Engholm. Ästheti- Frage ganz oben auf der Tagesordnung: der Wirtschaftlichkeit, das der Kultur in sche Schulfächer beispielsweise, die die Wie viel Kultur kann sich die Gesell- Zeiten knapper Kassen immer weniger wache Wahrnehmungsfähigkeit beför- schaft leisten? Björn Engholm, ehemals Geld zugesteht. „Es ist ein falsches Sig- dern, kommen in den Schulen seit Lan- Ministerpräsident Schleswig-Holsteins nal, wenn der Staat immer wieder bekennt: gem zu kurz, auch an Theatern, Museen und heute vielfach ehrenamtlich im Kul- Für Kultur ist kein Geld da.“ Kultur bildet und anderen Kulturprojekten wird kräftig turbereich engagiert, stellt die Gegen- gesellschaftsrelevant. „Bildkunst sprengt gespart. „Es ist ein falsches Signal, wenn frage: Welche Einsparungen in den Kul- Sehgewohnheiten. Literatur ist das ge- der Staat immer wieder bekennt, dass für turhaushalten kann sich die Gesellschaft samte Wissen der Geschichte. Musik re- Kultur kein Geld da ist.“ Die Forderung: überhaupt noch leisten? Zur Eröffnung generiert Hörvermögen, schafft spirituelle „Wir brauchen öffentliche Orte, an denen des literarischen Jahres im Weißen Haus Bilder. Kunst macht müde Sinne munter.“ der Verstand trainiert wird.“ Cismar referierte er über „Kultur in den Dies verknüpft Engholm mit zwei Für Dr. Hugbert Flitner, den frühe- Zeiten der Ökonomie“. Sein Fazit: Kultur zentralen Aufgaben, die das Gemeinwe- ren Vorstand der Alfred-Toepfer-Stiftung ist der Kitt der Gesellschaft – auch und ge- sen zu bewältigen habe, nämlich erstens F.V.S., und Dr. Peter Kreyenberg, den rade in Zeiten der Ökonomie. die Frage zu diskutieren, ob und welche ehemaligen Staatssekretär für Bildung, Hochkultur, ästhetische Produktion, Ethik gelten soll und zweitens, Menschen Kultur und Forschung, die das Thema mit ästhetische Schulbildung, der Umgang mit zu befähigen, sich zu behaupten, Kinder Engholm nach dessen Vortrag diskutier- Literatur, Malerei, Musik – Engholm wagt zu innerer und äußerer Stärke zu bringen. ten, hat die Präsenz von vielfältiger Kultur einen intellektuellen Sternmarsch. Einer „Die Kreativität ist dabei eine Schlüssel- in der Stadt noch eine unmittelbar greifba- seiner Ausgangspunkte ist die Bedeutung frage, denn die wache Wahrnehmungs- re Bedeutung. Wo das Gemeinwesen an- des griechischstämmigen Wortes Ästhetik, fähigkeit gibt dem Verstand das Futter.“ gesichts anders gesetzter Prioritäten vor die nicht etwa Schönheit, sondern die Leh- Die Logik ist zwingend: Wenn Kultur der kulturellem Bedarf kapituliere, so Flitner, re von den Sinnen ist. „Wir machen uns identitätsstiftende Kitt ist, der die Gesell- sprängen schon längst und überall Stiftun- selten bewusst, welche Bedeutung die Sin- schaft zusammenhält, dann ist ihre Redu- gen in die Bresche – ein in alle Richtungen ne für uns haben“, sagt Engholm, der sich zierung nicht nur unschön, sondern exis- bedenkenswerter Weg. Und Kreyenberg den vermeintlich unausweichlichen Zwän- tenzbedrohend. mahnt: „Kultur gehört zum Lebensmittel gen nicht beugen will und von „überbor- Schon jetzt ist die Rechnung ernüch- einer Stadt. Firmen siedeln sich da an, dender Ökonomisierung von Gesellschaf- ternd: Ganze 0,4 Prozent des Bruttoin- wo es eine gute Schule, ein Theater gibt. ten“ spricht. Er schlägt den Bogen zu dem, landsproduktes werden in Deutschland Ohne solche Infrastrukturen wird leben- was heute die Wirtschaft, was auch Eltern für Kultur ausgegeben, Tendenz sinkend. dige Wirtschaft nicht stattfinden.“ Flit- für ihre Kinder von den Schulen fordern: Frankreich, so sein Vergleich, leistet sich ner schließt mit einer rhetorischen Frage: „Die Vorbereitung auf die Anforderun- dreimal mehr. „Heute wird Verstand im- „Kann der Gesetzgeber nicht einen Pro- gen in der Wirtschaftswelt.“ In der Wirt- mer enger auf wirtschaftliche Tatbestände zentsatz für Kultur festschreiben?“

Ein Benefizkonzert für Japan Von Arndt Voß

Tampopo nennen Japaner den Löwen- Philharmoniker, darunter auch zwei aus ten. Geboten wurde ein sehr stimmiges zahn. Er ist ihnen ein Symbol der Stärke, Japan, hatten sich spontan bereit erklärt, Programm, darin im ersten Teil die beiden weil er blüht, auch wenn er getreten wird. unentgeltlich mitzuwirken. Der Erlös, im- Sängerinnen in wundervoller Harmonie So gründeten in Lübeck lebende Japa- merhin 2.800 Euro, soll dem Roten Kreuz im Duett aus Mendelssohns „Elias“ sowie ner unter diesem Bild eine Initiative, ihr in Japan zukommen. Ein „stattliches Er- in Liedern von Dvořák und der Cellist und Land zu unterstützen. Dem schloss sich gebnis“ nannte es auch eine der Beteilig- dann der Klarinettist mit Solo-Stücken die Klinik für Augenheilkunde an und bat ten. von Mendelssohn und Schumann. am 9. April zu einem „Benefizkonzert für Die künstlerische Seite gestalteten Den zweiten Teil eröffnete die Trom- Japan“ ins Audimax. Vielleicht hätte es gesanglich Andrea Stadel (Sopran) und pete virtuos mit einem Konzert von Ale- anfangs der Bilderfolge nicht bedurft, mit Veronika Waldner (Mezzosopran), instru- xander Aratjunian. Lieder von Richard der wieder an die unvorstellbare Natur- mental der Trompeter Mathias Krebber, Strauss gestaltete dann feinsinnig Veroni- gewalt erinnert wurde. Sie stand auch so der Klarinettist Taira Kaneko und der ka Waldner. Es folgten zwei Elegien, eine jedem vor Augen, denn die Anteilnahme Cellist Hans-Christian Schwarz. Begleitet von Massenet im Duett des Soprans mit am Leid der Betroffenen ist groß. Gleich- wurden sie in unterschiedlichen Besetzun- dem Cello und eine von Fauré für das Cel- wohl bestätigten die Fotos nachdrücklich, gen am Klavier von Inessa Tscherepanow lo. Zu einem Höhepunkt wurde Schuberts wie notwendig Hilfe ist. Einige Künstler und Tamami Toda-Schwarz, die bewun- melodienseliger „Hirt auf dem Felsen“ für des Lübecker Theaters und der Lübecker dernswert ihre vielen Aufgaben meister- Sopran, Klarinette und Klavier.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 118118 119.04.119.04.11 14:0914:09 Chronik Lübecker Chronik März 2011 Von Hans-Jürgen Wolter

1. Theaterdirektor Christian Schwandt schule wird aus Finanzmangel gestoppt, 24. In einem Schreiben an Ministerprä- warnt vor Mehrkosten beim Theater, der Erhalt der Aula ist trotzdem nicht ge- sident Peter Harry Carstensen warnen die vor allem durch Tariferhöhungen, von sichert. Chefärzte der Uni-Klinik vor einer Ver- 600.000 Euro pro Jahr. schlechterung der Patientenversorgung, 12. Das Aqua-Top-Gelände soll euro- wenn die Sparbeschlüsse durchgeführt 2. Im Alter von 75 Jahren verstirbt der paweit in einem Investoren-Wettbewerb werden. frühere Biologielehrer am Katharineum, angeboten werden. Dr. med. vet. Hans Welcker, u. a. aktiv in 25. Der Lübecker Architekt und Immo- der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. bilienbesitzer Heinz Besser feiert seinen 14. Das Oberverwaltungsgericht wies 90. Geburtstag. ••• Die Firma Gersten- 4. Der Betrüger Peter Wappler wird aus im Eilverfahren die Rechtsmittel der Ge- berg-Schröder an der Falkenstraße verlegt der Sicherungsverwahrung entlassen. meinde Groß Grönau gegen den weiteren die Maschinenproduktion nach Polen, 41 Ausbau des Flughafen Blankensee zu- von 92 Mitarbeitern werden entlassen. 5. Die Bahn plant, zwischen Moisling rück. Damit kann die 1. Ausbaustufe für und Niendorf Lärmschutzwände aufzu- rund 4 Mio. Euro anlaufen. ••• Der Lübe- 26. In einem Festgottesdienst wird Ralf stellen. cker Franz Koch (32) wird zum Vorstand Meister, zeitweilig Propst in Lübeck, in des Sportartikel-Herstellers „Puma“ beru- Hannover in das Amt als Landesbischof 7. Die Gemeindediakonie gibt die am- fen. ••• Die Rotary-Stiftung ehrt Jugendli- eingeführt. ••• Ein Demonstrationszug bulante Kranken- und Altenpflege an die che für ehrenamtliches Engagement: Der von rund 240 Neonazis führt zu einer Ge- Vorwerker Diakonie ab, 500 Patienten und Jugendsportwart des Tanzklubs Hanse- gendemonstration von rund 1.200 Perso- 100 Mitarbeiter wechseln. tic Lübeck, Necim Hajlaoui (20), erhielt nen, 2.400 Polizeibeamte waren im Ein- 1.000 Euro, der Club selber darüber hin- satz. 8. Beim Ausbau der Emil-Possehl-Schu- aus 2.000 Euro. Die Gruppe MOO (Men- le werden mehr als 60 Sprengsätze aus schen ohne Obdach) erhielt 1.000 Euro. 27. Seinen 80. Geburtstag feiert Altbür- dem 2. Weltkrieg gefunden. ••• Der nach Anerkennungsprämien von 500 Euro er- germeister Dr. Robert Knüppel. dem früheren Direktor der DWM in Schlu- hielten: Benjamin Kallweit. Filip Krubeck tup benannte Günther-Quandt-Platz (der und Marwin Wittern. 28. Die Lübecker Tafel verabschiedet der NSDAP angehörte) wird nach dem nach 12-jährigem Vorsitz Pastor Frank KZ-Opfer Wilhelm Krohn umbenannt. ••• 15. Bei Arbeiten an der Kühlanlage des Lotichius (53), sein Nachfolger ist Konrad Die Lübeck und Travemünde Marketing Kaufhauses Karstadt kommt es zu einem Steen. GmbH muss 100.000 Euro einsparen bzw. Brand, der eine Sperrung der Innenstadt mehr einnehmen. Die Standgebühren auf erforderlich macht. ••• Im Alter von 74 29. Der Stifterverband für die deutsche dem Weihnachtsmarkt werden drastisch Jahren verstirbt der Kücknitzer Gärtner Wissenschaft verleiht in Mainz den Titel erhöht, der Weihnachtsmarkt an der Ober- Günter Meinke. „Stadt der Wissenschaft 2012“ an Lübeck. trave wird verkleinert. ••• Die Parkuhren an der Travemünder Allee in Höhe des 19. Im Radisson Blue Senator-Hotel 30. Im Alter von 93 Jahren verstirbt der Gerichts werden außer Betrieb gesetzt, die feiern rund 800 Gäste den 57. Lübecker Widerstandskämpfer Fritz Bringmann. ••• Proteste der Anwohner hatten zumindest Presseball. Die Spende des Vereins Lü- Ab April wird die Altpapier-Entsorgung teilweise Erfolg. ••• Die von der Bürger- becker Presse ging an das Café WUT. von der Stadt voll übernommen. ••• Die schaft beschlossene Auflösung des Kur- ••• Die Dräger-Gruppe verdreifachte den Weiterbildungsmesse in den Media-Docks betriebes führt in Travemünde zu einer Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2010 findet rund 3.000 Besucher. Gegenbewegung. ••• Die TRAVE feiert auf 104,8 Mio. Euro. Die Bezüge des Vor- Richtfest für 71 altersgerechte Wohnun- standsvorsitzenden Stefan Dräger stiegen 31. 80 Feuerwehrleute demonstrieren gen an der Stadtfreiheit, Investitionsvolu- von 1,203 auf 2,569 Mio. Euro. ••• Im für eine Personalverstärkung im Ret- men: 6,7 Mio. Euro. Alter von 76 Jahren verstirbt der frühere tungsdienst. ••• Der Zonta-Club spendet Staatsanwalt Peter Stiebeling. 5.500 Euro für das Rucksack-Programm, 9. Im Alter von 92 Jahren verstirbt der im Rahmen interkultureller Elternarbeit frühere Spediteur Otto Görgens. werden vor allem Mütter von Kindergar- 21. Die Busfahrer des Stadtverkehrs ten-Kindern gefördert. ••• Im Alter von 11. Architekt Uwe Ellinghaus (43) stellt führen einen 4-stündigen Streik durch. 89 Jahren verstirbt die Gesellschafterin ein Modell des neuen Parkhauses Wehde- der Firma Niederegger, Ingrid Strait, Wit- hof vor, geplantes Investitionsvolumen: 8 22. Unter dem Thema Migration und we von Jürgen Strait. ••• In Lübeck sind Mio. Euro. ••• An der Grenze zwischen Armut findet im Dräger-Forum die 5. Lü- 12.185 Arbeitslose gemeldet, 74 mehr als Bad Schwartau und Lübeck errichten die becker Armutskonferenz statt. ••• Zum im Vormonat. Die Arbeitslosenquote stieg Schwartauer Werke ein 2. Konfitüren- Leiter der Klimaschutz-Leitstelle wird um 0,1 % auf 11,6 %. 9.593 Arbeitslose werk, Investitionsvolumen: 20 Mio. Euro. Andreas Fey, zeitweilig als SPD-Mitglied werden beim Job-Center geführt, 2,1 % ••• Der Neubau der Travemünder Stadt- in der Bürgerschaft, berufen. mehr als im Vormonat.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 119119 119.04.119.04.11 14:0914:09 Denkmalpflege Vergessene Hausteinportale Von Monika Schedel, Lübeck, Restauratorin

„Früher gaben die Sandsteinpor- (1514–1575) und Hans Vredemann de tale durch lückenlose Abfolge ganzen Vries (1527–1604). Namentlich bekannt Straßenzügen, wie z. B. der Meng- oder als Bildhauer ist Robert Coppens, ein aus Fischstraße, lebhafte Akzente.“ Einst den Niederlanden eingewanderter Künst- zahlreich vorhanden, sind sie fast voll- ler, der das schönste Portal überhaupt ge- ständig aus dem Stadtbild verschwunden. schaffen hat: das vom ehemaligen Haus Nur elf Hausteinportale aus der Zeit von der Krämerkompanie, es zeichnet sich 1545–1650 haben sich in der Altstadt Lü- durch figürliche und vegetative Formen becks erhalten, zwei davon sind Kopien, im Floris-Stil aus. wie die Rathaustreppe (Breite Straße) „… die späteren Ornamente des Knor- und das Portal des Füchtingshofs in der pel- oder Ohrmuschelstils der Frühba- Glockengießerstraße 23–27. Andere sind rockzeit um 1640/1650 an den Portalen an transloziert wie Portal und Tür der Braun- der Schildstraße 10 und des Füchtingshofs straße 1–3 vom ehemaligen Amtshaus der gehen auch auf Stichvorlagen zurück.“ Krämerkompanie und Portal und Tür der Die originale, differenzierte Farbigkeit Mengstraße 26, das sich jetzt im Domhof der Portale hat sich nicht erhalten; ein an der Südwand des Doms befindet. Die- Aquarell des 19. Jahrhunderts im Besitz Portal Schildstr. 10 (Fotos: M. Schedel) ses älteste Portal seiner Art wurde wohl des St.-Annen-Museums gibt einen Ein- anlässlich des Museumsneubaus am Dom druck von der lebhaften Farbigkeit wieder tungen zu hoffen. Diese letzten Zeugnisse 1893 in den damaligen Museumshof ver- oder auch die Farbfassungen der Epitaphi- von Lübecks bedeutender Bürgerhausar- bracht. Es zeigt in seinem Gebälk die Jah- en des 16./17. Jahrhunderts. chitektur müssen erhalten bleiben. reszahl 1545. Von den erhaltenen Portalen sind vier 1978 erschien ein kleiner Katalog: in bedenklichem Zustand, besonders je- Hefte zur Kunst- und Kulturgeschichte der weils im unteren Drittel zerfällt die Stein- Hansestadt Lübeck unter dem Titel: „Por- substanz, Konservierungs- und Restau- tale und Türen in Lübeck“ von Björn R. rierungsmaßnahmen sind dringend ge- Kommer und Ulrich Pietsch, der die Be- boten. Die Restaurierung der Portale des deutung der Portale darstellt und würdigt. Tesdorpfhauses, Mengstraße 66–70, und (Alle Zitate im Text sind von U. Pietsch). das vom Amtshaus der Krämerkompanie, Braunstraße 1–3, sollen endlich in diesem Jahr in Angriff genommen werden. Das Schicksal der beiden in städtischem Ei- gentum befindlichen Portale im Domhof und in der Schildstraße 10 ist noch unge- wiss. Um den weiteren Verfall zu stoppen, ist auf baldige Hilfe von Lübecker Stif-

Portal Mengstr. 26, heute Domkirchhof

„Die Auftraggeber waren nur wohl- habende Bürger, vor allem Kaufleute, die den teuren Haustein zunächst aus Gotland, später auch ‚Bremer Stein‘ von der Weser, als Ballast in ihren Schiffen mitführten“. Vorlagen für die Architektur und den plastischen Schmuck stammen aus Architekturtraktaten, die die italieni- sche Renaissance verarbeiteten. Später benutzten die Bildhauer Stichvorlagen der beiden Niederländer Cornelis Floris Portal Mengstr. 26, Baudetails, sanierungsbedürftig (siehe auch kleine Abbildung)

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 120120 119.04.119.04.11 14:0914:09 Theaterkultur

Theater Lübeck, Jahrespressekonferenz am 8. April Dem künstlerisch erfolgreichen Haus in der Beckergrube droht 2012 der finanzielle Absturz Von Manfred Eickhölter

„Wir können nicht zulassen, dass die- Gaulin, die Zeit bis zum 31. Juli 2012 zu kannt geworden und wir finden überwäl- ses künstlerisch so überaus erfolgreiche nutzen, um einen regionalen Tarifvertrag tigenden Zuspruch beim Publikum und Theater demnächst kaputtgespart wird“. zu organisieren. Praktiziert wird er be- der Kritik“. Mit eindringlichen Worten, untermauert reits im Land Berlin, in Rheinland-Pfalz Man kann diese Aussage aus ge- mit einer Fülle von Zahlen und gespickt wird er diskutiert. Ziel ist es nicht, die schichtlicher Perspektive nicht nur bestä- mit strategischen Überlegungen, leitete Mitarbeiter durch so einen Vertrag von tigen, sondern sogar noch erweitern. In Verwaltungsdirektor Christian Schwandt der allgemeinen Gehaltsentwicklung ab- seiner langen Geschichte an diesem Ort in die Jahrespressekonferenz des Theaters zukoppeln, sondern die zeitliche Automa- der Beckergrube seit dem 18. Jahrhundert Lübeck ein. Frank-Thomas Gaulin, Vor- tik der Lohnerhöhungen zu umschiffen. war das Lübecker Theater künstlerisch zu sitzender des Aufsichtsrates der Theater Schwandt rechnet damit, dass der Bund Lübeck GmbH, ergänzte: „Was in den ver- kurz vor der Bundestagswahl einen mög- gangenen vier Jahren geleistet worden ist, lichst hohen Tarifabschluss anstrebt. Die um das Haus finanziell auf gesunde Füße meisten Kosten würden dabei auf die Län- zu stellen, ist nicht mehr zu toppen. Jetzt der und Kommunen fallen, die wenigsten geht es darum, dem Haus eine mittelfris- auf den Bund selber. „Was aber sollen die tige Planungssicherheit für fünf Jahre zu hoch verschuldeten Kommunen in dieser geben. Das wird ein harter Kampf, sowohl Situation machen?“ Wenn es gelänge, eine in meiner Partei, der SPD, aber auch bei zeitliche Flexibilisierung zu erreichen, unseren Partnern, die die soziale Fahne wäre das bereits ein Gewinn. (Foto: Lutz Roeßler) hochhalten“. Noch ist das Ziel eines regionalen Tarifvertrages in weiter Ferne, in Nord- keiner Zeit jemals so erfolgreich wie ge- Die Geschäftszahlen deutschland könnten sich, realistisch be- genwärtig mit dem Mann-Wagner-Projekt. Das Theater Lübeck hat seit 2007 die trachtet, zwischen drei und fünf Theatern Während bildende Künste, Musik und Li- Zuschauerzahlen von 144.000 auf durch- beteiligen. „Aber“, so Schwandt weiter, teratur zu je verschiedenen Zeiten über- schnittlich 180.000 pro Spielzeit erhöht. „wir haben es mit einer superkomplizier- regionale Hochleistungen hervorbringen Der Anteil der unter 27jährigen Besucher ten Struktur zu tun. Die Theaterleute sind konnten, blieb das Theaterspiel in dieser liegt bei 40.000. Der Selbstfinanzierungs- in mehreren Gewerkschaften organisiert. Stadt eine zwar stets liebevoll gepflegte, anteil wird derzeit mit 16 Prozent angege- Wir wollen aber unseren zeitlichen Spiel- aber immer nur mäßig beachtete Kunst- ben. Die Einnahmesituation hat sich deut- raum nutzen, um eine Vorreiterrolle für übung. Das hat sich nun auf überraschende lich verbessert, sodass der Subventionsan- eine kreative Lösung zu ermöglichen“. und höchst erfreuliche Weise geändert und teil pro verkaufter Karte zurückgegangen so ist es denn kein Wunder, dass Schau- ist von 104 auf 90 Euro. Durch private Die Bilanz des spieler, junge Regisseure und Bühnenbild- Spenden kommen jährlich zwischen 200 Schauspieldirektors ner sich derzeit bemühen, in Lübeck zum und 300.000 Euro in die Kassen. Das Ju- Vor all den ausgebreiteten, sich auftür- Zuge zu kommen. Publikum und Kritik gendabo hat sich seit dem Weggang von menden finanziellen Sorgen geriet die Vor- genießen die Früchte der Hochkonjunktur, Marc Adam 2007 mehr als verdoppelt. stellung des neuen Spielplanes fast in den die Verantwortlichen versuchen mit Kre- Bis zum 31. Juli 2012 ist die Finanzie- Hintergrund. Aber auch Schauspieldirek- ativität und Fantasie, sie zu stabilisieren. rung des Hauses gesichert, der Zuschuss- tor Pit Holzwarth bedarf wird mit gut 6,5 Mio. Euro von der wollte in der an- Stadt gedeckt und mit 9,8 Millionen vom gespannten Situa- Land Schleswig-Holstein. Problematisch tion nicht einfach DR. BUSCHMANNANN drohen nun die Personalkostensteigerun- zur Tagesordnung PRAXIS FÜR ZAHNHEILKUNDEKUNDE gen 2012 zu werden. Derzeit liegen die übergehen. „Das Aufwendungen für das Personal zwischen Mann-Wagner- Referenzpraxis für MDI Miniimplantatete 13 und 14 Millionen jährlich. Kommt es zu Projekt ist das in Norddeutschland den bereits vereinbarten und zu weiteren größte Projekt in geplanten Leistungssteigerungen für die der Geschichte IR BERATEN Mitarbeiter, droht dem Theater eine Finan- des Hauses“, so W zierungslücke von 700 bis 750.000 Euro. Holzwarth, „wir IE GERN! sind angekom- S Ein regionaler Tarifvertrag? men im Zentrum In dieser Situation versuchen die Ge- der Stadt, wir sind Kronsforder Allee 31a · 23560 LübeLübeckck schäftsführungsexperten Schwandt und überregional be- Tel. 0451 - 3 88 22 00 · www.zahnarzt-dr-buschmann.de

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 121121 119.04.119.04.11 14:0914:09 Diskussionsbeitrag „Nazi-Marsch: 2.400 Polizisten machten den Weg für Rechte frei“

Lübeck, 26. März: Ein Demonstrationszug von rund 240 Neonazis führt zu einer Gegendemonstration von rund 1.200 Personen, 2.400 Polizeibeamte waren im Einsatz. Zu diesen Ereignissen hat uns Hans-Ernst Böttcher, Landgerichtspräsident im Ruhestand, den folgenden Diskussionsbeitrag zugesandt.

Was Sie eben als Titel gelesen haben, der Kultur- und Wirtschaftsstadt Lübeck beck als Stadt der Kultur, um Lübeck als ist die Original-Überschrift des „Aufma- beitragen? Und natürlich: Warum waren Stadt der von den Nazis vertriebenen Wil- chers“ der Sonntagsausgabe der Lübecker nicht nur zwei- oder dreitausend, sondern ly Brandt, Heinrich und Thomas Mann, Nachrichten vom 27. März. Und sie ist Zehntausende von Lübeckern dabei? Wo des aus dem Professorenamt gejagten auch noch zutreffend. Weniger zutreffend sind sie, die Mitglieder und die führenden Gustav Radbruch, des von den Nazis zu ist die Unterzeile in der Überschrift, die Persönlichkeiten aus den Institutionen Tode geprügelten Erich Mühsam und des lautet: „Ordnungshüter sprechen von er- und Organisationen der Wirtschaft? Aus verfolgten und von Heinrich Dräger ge- folgreichem Einsatz in Lübeck“. den in Lübeck so besonders zahlreichen, schützten Hans Blumenberg. Es stellen sich viele Fragen zum mitgliederstarken und tatkräftigen Ser- Dafür muss doch wohl an einem Tag 26. März, von denen ich hier nur einige viceklubs? Aus den großen und kleinen wie dem 26. März mindestens so viel Ein- aufführen kann und will. Stiftungen? Aus den Hochschulen, die satz und Präsenz gezeigt (und übrigens doch zusammen Tausende von Studenten auch – nicht nur, aber auch – materielle Die Nazi-Aufmärsche – haben, und viele, viele Hochschullehrer? Unterstützung gegeben) werden wie – Warum schweigen die Organisationen der Gratulation! – für die Bewerbung Lübecks kein Thema für die Ärzte, der Anwälte, der Richter? Und es als „Stadt der Wissenschaften“ oder den Lübeckischen Blätter? wären der Beispiele noch viel mehr. 2010 die ganze Stadt bewegenden Kampf Ist das, was Jahr um Jahr um Jahr Warum nehmen sie sich nicht die Kir- für den Erhalt der Universität, oder? unsere Stadt vor der Welt in Misskredit chen zum Vorbild oder auch die Gewerk- Deswegen wünschte ich mir, um es bringt, – dass nämlich die Rechtsradika- schaften des DGB, die, wie auch einige noch einmal zu wiederholen, die Anwe- len die Bombardierung der Stadt Palma- Parteien und ihre Jugendorganisationen, senheit all derjenigen, die für die gesell- rum 1942 lügnerisch zum Anlass für einen von „etablierter“ Seite aus das Bündnis schaftliche und kulturelle Vielfalt des Umzug in Lübeck nehmen (vorgeblich um nachhaltig mittragen? Und um es noch demokratischen Lübeck stehen und die der Opfer zu gedenken, in Wirklichkeit, klarer zu sagen: Es sind die Personen, doch auch in ihren Organisationen und um in die Medien zu kommen und um für die deutlich machen: Hier stehe ich und Publikationen gezeigt haben, dass sie sich selbst Rituale des Treffens und der zeige, was wir wollen und was wir nicht sich mit der braunen Vergangenheit aus- „Bewährung“ zu schaffen) und dass sich wollen. Es ist wohl kein Zufall, dass ge- einandergesetzt und die Lehren aus der dagegen regelmäßig viele Lübeckerin- rade die evangelische und die katholische Geschichte für Gegenwart und Zukunft nen und Lübecker mit Demonstrationen Kirche und die Gewerkschaften hier so gezogen haben. wenden – kein Thema für das Blatt der stark vertreten sind: Sie haben die Ge- „Gemeinnützigen“? Könnten nicht ge- schichte (einschließlich ihrer eigenen) Die Nazi-Aufmärsche – rade hier im Geiste der Aufklärung, der aufgearbeitet und erkannt, dass die nach Pluralität und der Toleranz die Debatten wie vor die Zeit des Nazi-Terrors ver- kein ernsthaftes Thema für die geführt und die Lübeckerinnen und Lübe- herrlichenden ungebetenen Gäste für das Politik? cker sensibilisiert werden, dafür, dass es blanke Gegenteil dessen stehen, was das Gewiss, die Bürgerschaft in ihrer Ge- um ihre Sache geht, wenn sich – wie auch Grundgesetz verkörpert. Sie leben die samtheit hat eine bedenkenswerte Ent- wieder 2011 – das breit angelegte Bündnis Glaubensfreiheit (Artikel 4 GG), die Koa- schließung gefasst. „Wir können sie stoppen“ an die Lübecker litionsfreiheit (Artikel 9 Absatz 3 GG) und Aber warum die Furchtsamkeit jeden- Öffentlichkeit, an die Medien- und darü- die Meinungs- und Versammlungsfreiheit falls der Vertreter der „bürgerlichen“ Par- ber die Weltöffentlichkeit wendet mit der (Artikel 5 und 8 GG), die im Nazireich teien, durch persönliche Gegenwart am Botschaft: „Wir wollen die Nazis nicht in unterdrückt waren, und ihre Angehörigen 26. März zu unterstreichen, dass sie mit dieser Stadt. Sie sind schon gar nicht diese wie ihre Repräsentanten bekräftigen dies der ganzen Person und mit dem ganzen Stadt.“? demonstrativ durch ihre Anwesenheit. Im Herzen dabei sind? Ein aktiveres Han- Jahr der bevorstehenden Seligsprechung deln (im Amt!) als durch bloße (natürlich Die Nazi-Aufmärsche – der drei katholischen Geistlichen Lange, erfreuliche) Teilnahme an der Demonstra- Müller und Prassek und des ehrenden Mit- tion wünsche ich mir vom Bürgermeister kein Thema für die gute Gedenkens an den evangelischen Pastor und vom Innensenator. Nicht die Polizei, Lübecker Gesellschaft? Stellbrink, die den Lübecker Widerstand sondern der Bürgermeister und (arbeits- Warum sind bei dem Bündnis für die verkörpern wie die Verfolgten aus den Or- teilig für ihn) der Innensenator sind für Präsentation des demokratischen, pluralen ganisationen der Arbeiterbewegung, und die Entgegennahme der Anmeldung der Lübeck (um nicht immer wieder nur von im Gedenken auch an die Lübecker Opfer Nazi-Kundgebung (wie bei jeder anderen „Gegen“-Demonstrationen zu reden), wa- des Völkermordes hat dies ganz besonde- Demonstration), ggf. für ein Verbot, bei rum waren wieder bei den Aufzügen und re Bedeutung. Stattfinden für die Festlegung des Ablau- Kundgebungen keine (oder nur die aller- Es geht doch um mehr als nur um fes (in Kooperation mit den Veranstaltern wenigsten) Persönlichkeiten dabei, die verlorene Umsätze eines Tourismus- und (!) und – gewiss auch – der Polizei) und, sonst in so beachtlicher Weise zum Leben Einkaufssamstags. Es geht um unser Lü- wenn erforderlich, für eine Auflösung

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 122122 119.04.119.04.11 14:0914:09 Diskussionsbeitrag

der Demonstration zuständig. Die Polizei gelten), hat das Bundesverfassungsge- den Schutz der Neonazi-Veranstaltung mag für sie dabei wegen ihrer praktischen richt in zwei großen Entscheidungen von „durchzuziehen“? Kompetenz und Erfahrung, wegen ihrer 1986 und 1996 unter Berücksichtigung Diese Frage stellt sich mir drängend. zahlenmäßigen Stärke, wegen ihrer Aus- des Grundrechts der Versammlungsfrei- Und, ehrlich gesagt, ich weiß die Antwort rüstung und Durchsetzungsfähigkeit ein heit (hier: der „Gegen“-Demonstranten) nicht. wichtiger Partner und Berater sein, sie ist festgestellt, dass dies beileibe nicht unter Aber ich habe viele Fragen, und viel- aber nicht die „Herrin des Versammlungs- allen Umständen der Fall ist, im Gegen- leicht Mutmaßungen. rechts“. Den Eindruck vermitteln aber teil: dass zumeist das Grundrecht diese Vorauszuschicken ist: Im letzten Jahr ihre Äußerungen in den Medien und ihr demonstrative kollektive Form der Mei- wurden die Nazis praktisch wieder in den Auftreten am Sonnabend. nungskundgabe rechtfertigt. Bahnhof zurückgeschickt, ohne dass sie Notwendig wäre es, eine Angelegen- Auch hinsichtlich eines denkbaren ihre Strecke ablaufen konnten. Das wur- heit wie die alle Jahre wieder drohende und durchsetzbaren Verbots ist die Recht- de seitens der Polizei mit der Rechtsfigur Nazi-Kundgebung frühzeitig und dau- sprechung nicht stehen geblieben. Grund- des „polizeilichen Notstandes“ begründet. erhaft zur Chefsache zu machen. Hier lage für ein Verbot von Demonstrationen Diesen Begriff (der auch noch andere Be- aber überlässt man augenscheinlich diese der Rechtsextremisten kann vor allem der deutungen hat, die hier aber vernachlässigt hochpolitische und rechtlich schwierige 2004 neu in das StGB eingefügte Absatz werden können) verwendet man in diesem Angelegenheit nachgeordneten Bereichen 4 des § 130 sein (in Verbindung mit § 15 Sinne, wenn die vor Ort befindlichen Po- und Personen. Ich habe den Eindruck, des Versammlungsgesetzes, der das Ver- lizeikräfte sich nicht in der Lage sehen, es fehlt an der entschiedenen Vorgabe (= bot von Versammlungen zulässt, „wenn unter Beachtung des Grundsatzes der Ver- Weisung und Ermöglichung) seitens des nach den zur Zeit des Erlasses der Verfü- hältnismäßigkeit („Nicht mit Kanonen auf Senats (hier: des Bürgermeisters und des gung erkennbaren Umständen die öffent- Spatzen!“) die Lage zu meistern, also hier: Innensenators), mit den entsprechenden liche Sicherheit oder Ordnung bei Durch- angesichts der massiven Zahlenstärke der Personal- und Sachmitteln, am besten führung der Versammlung oder des Auf- (u. a. „blockierenden“) Demonstranten in der Art eines Projekts, die rechtliche zuges unmittelbar gefährdet ist“, also un- „auf der anderen Seite“ noch ohne die Einschätzung auf der Höhe des Stan- bedingt auch bei drohenden Straftaten). § Gefahr schwerster Auseinandersetzungen des der Diskussion in Wissenschaft und 130 Abs. 4 StGB stellt unter Strafe, „wer und damit verbundener evtl. gravierender Rechtsprechung vorzunehmen und dar- öffentlich oder in einer Versammlung den Folgen den Marsch der Nazis mit polizei- aus, bezogen auf die konkrete Situation öffentlichen Frieden in einer die Würde licher Gewalt durchzusetzen. in Lübeck, Folgerungen zu ziehen, d. h. der Opfer verletzenden Weise dadurch Dieses Jahr klang es polizeilicherseits rechtlich tragfähige Alternativ-Szenarien stört, dass er die nationalsozialistische schon in den Ankündigungen ganz anders. zu entwickeln, insbesondere in Richtung Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, Und die Ankündigungen wurden, wie be- eines Verbots. Dazu zählen: Anlass, Re- verherrlicht oder rechtfertigt“. kannt, wahr gemacht. alität und Bedeutung historischer Daten, Immerhin hat das Bundesverfassungs- Wir wissen (und ich weiß es persön- Verhältnis der beteiligten Gruppen und gericht schon im Jahre 2005 Entschei- lich sehr genau): Der Lübecker Leitende Personen dazu, Person des Anmelders dungen der bayerischen Verwaltungs- Polizeidirektor Hüttmann ist kein Hard- und anderer absehbarer Teilnehmer, par- gerichte zum Eilverfahren und dann im liner, kein Scharfmacher. Aber ich kann tei- oder gruppenmäßiger Hintergrund, Jahre 2009 die Hauptsache-Entscheidung mir denken, dass man „in Polizeikreisen“ „Vorbelastungen“, evtl. Vorstrafen, Er- des Bundesverwaltungsgerichts als ver- – ich versuche mich hineinzuversetzen; fahrungen aus früheren vergleichbaren fassungsgemäß angesehen, in denen die und es sind ja schließlich Polizeiverbän- Veranstaltungen, Verlautbarungen und Verbotsverfügung in Wunsiedel gegen de aus fast ganz Deutschland und auch Binnenkommunikation (Verstellung, Täu- die geplante Neonazi-Veranstaltung im die Bundespolizei dabei – nicht gern hört, schung?) der Veranstalter, örtliche Ge- Jahre 2005 am Grab des „Stellvertreters man habe es (s. voriges Jahr) „nicht ge- gebenheiten, Wahrscheinlichkeiten und des Führers“ Rudolf Heß gerichtlich be- schafft“, die Lage zu beherrschen. Oder praktische Probleme von Gegenveran- stätigt worden waren. Die Verbotsverfü- hat es vielleicht eine Weisung von Innen- staltungen, Prüfung: Will Veranstalter nur gungen waren im Kern auf § 130 Abs. 4 minister Schlie aus in diese Richtung provozieren? – vgl. in der Weimarer Zeit StGB gestützt, den das BVerfG als ver- gegeben? zur Abwehr dessen die Rechtskonstrukti- fassungsgemäß ansah. Wie gut, dass jetzt schon im Landtag on des „Zweckveranlassers“. Die Umsetzung dieser Gedanken auf von der Opposition Fragen zum 26. März die Lübecker Situation (s. o.) mag kom- in Lübeck gestellt werden. Wir sind auf „Kein Ansatz für ein Verbot“? pliziert sein, man muss es aber, wenn die Antworten gespannt. Und darauf, ob es zur Abwehr schweren Schadens für man ihnen glauben darf. Jeder Blockierer ein Straftäter? Lübeck geht, je- Innensenator Möller sagt, er „sehe für denfalls mit al- ein Verbot“ des Nazi-Umzuges „keinen lem juristischem ❑ Ich interessiere mich für Ansatz“. Die Polizei hält jeden Blockie- Sachverstand und ❑ Dach-Reparaturen ❑ Schöne Ziegeldächer rer der vorgesehenen Nazi-Strecke für Aufwand versu- ❑ Dichte Flachdächer einen Straftäter. So einfach ist das nicht. chen. ❑ Schützende Fassaden Reiner Kunkel Was die Frage angeht, ob das demonstra- ❑ Metalldächer Dachdeckermeister ❑ tive Sitzen auf der Fahrbahn eine strafba- Viele Fragen Lübeck, Zeißstraße 2 Dachrinnen-Reinigung

– Bitte ausschneiden! ❑ www.cavier.de Balkonsanierung re Nötigung nach § 240 des Strafgesetz- Warum die- ❑ Sparen mit Wärmedämmung buches ist (für eine Straftat nach § 21 des se Entschlos- 04 51 (Notdienst)/580 530 · Fax 580 53 23 Versammlungsgesetzes dürfte Ähnliches senheit, diesmal

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 123123 119.04.119.04.11 14:0914:09 Bildung/Musik Ausbau der Schulsozialarbeit – 4. Lübecker Bildungskonferenz Von Jürgen-Wolfgang Goette

4:7:17: Kiel hat 17 Vollzeitstellen in eingeladen waren. Über 200 waren der z. B. ein Sozialraum Moisling. Die der Schulsozialarbeit, Flensburg 7 und Einladung gefolgt. Es ging darum, jetzt Ansichten dazu gingen auseinander. Lübeck 4. Wie peinlich! Land und Bund Vorschläge zu machen, wie die Schulsozi- Allen war aber die Vernetzung mit der wollen jetzt zusätzliches Geld zum Ausbau alarbeit organisiert wird. Das Ziel ist klar: außerschulischen Jugendarbeit wich- der Schulsozialarbeit bereitstellen. Es ist Schulsozialarbeit muss an den Schulen tig. allgemein unstrittig, dass es Bedarf gibt. etabliert werden. Folgende Schwerpunkte – In Schleswig-Holstein entwickelt sich Nun wird erfreulicherweise gehandelt. kristallisierten sich heraus: das Schulwesen neu, vor allem durch Hoffentlich wird nicht gekleckert, sondern – Die Schulsozialarbeiter müssen einen die Gemeinschaftsschulen, an denen geklotzt. Viele Kinder wachsen als Ein- Raum in der Schule haben und feste anderes gelernt und anders gelehrt zelkind auf, lernen also soziale Strukturen Stunden, in denen sie erreichbar sind. wird. Das Soziale tritt stärker in den in der Familie nicht ausreichend kennen. Ganz wichtig war den Teilnehmern, Vordergrund. Das erleichtert vielleicht Die Eltern wollen oder/und müssen beide dass der entsprechende Schulsozial- eine Zusammenarbeit zwischen Sozi- arbeiten. Viele junge Leute werden durch arbeiter „bekannt“ wird, die Schule alarbeiter und Lehrer. den Fernseher sozialisiert. Die Probleme von „innen“ kennenlernt. Das geht – In Kiel wird das Geld nicht nach der nehmen zu. Die Erziehungslandschaft nur durch stetige Arbeit. Dazu gehört Rasenmäher-Methode verteilt, son- verändert sich dramatisch. So sagen die auch die Teilnahme an Konferenzen. dern nach den Wünschen der Schulen. Fachleute. Die Schule kann die Probleme Umstritten blieb die Frage, ob sie auch Wer keinen Bedarf anmeldet, wird nicht allein lösen. Es bedarf professionel- Budgetrechte haben sollen. Entschei- auch nicht einbezogen. ler Unterstützung. Die Schulsozialarbeit dend ist, dass sich beide ergänzen – in – Es gibt auch die Gefahr, dass zu viele an Schulen kann helfen; es gibt aber auch „Augenhöhe“. Wunder erwartet werden. Die Erwar- Ängste. Wenn Schulsozialarbeiter in den – Es gibt in Lübeck 74 Schulen. Es wäre tungshaltung muss realistisch bleiben. Schulen arbeiten, müssen die Lehrkräfte natürlich zu wünschen, dass in jeder Betont wurde, dass die Schulsozialar- sich öffnen, müssen sie den Unterricht öff- Schule ein „voller“ Schulsozialarbei- beit nicht nur Feuerwehr ist, sondern nen, muss sich die Schule ändern. ter arbeiten könnte – illusorisch. Es dass es darum geht, die Chancen bei Es sollen jetzt die entsprechenden mag jetzt vielleicht um weitere 10 oder Bildungsbenachteiligungen zu erhö- Anträge hinausgehen, die Zeit ist, wie 20 Stellen gehen. Es stellt sich also die hen. so oft, knapp. Welches sind die beson- Frage: Wie wird das Ganze organi- Die Zusammenarbeit zwischen Ju- deren Anliegen der beteiligten Lehr- und siert? Soll es eine zentrale Stelle ge- gendhilfe und Schule muss vorankommen Sozialkräfte? Darum ging es auf der 4. ben, auf die dann die Lehrer zugreifen – das forderte schon vor zehn Jahren der Bildungskonferenz in Lübeck, zu der könnten? Oder soll es ‚soziale Räume’ bekannte Journalist und Pädagoge Rein- Schulleiter, Lehrkräfte, Sozialarbeiter, geben, in denen es eine enge Koopera- hard Kahl. Hoffentlich kommt jetzt etwas Vereinsleiter und Jugendamtsmitarbeiter tion mit außerschulischer Arbeit gibt, voran!

Octavian zusammen mit Lydia Acker- Junge Stimmen im Opernelitestudio mann als Sophie. Von Arndt Voß Der zweite Teil enthielt Gefälligeres von Millöcker und Weill, dann Gounod, Das Internationale Opernelitestudio zurzeit acht Teilnehmer im ersten Teil Mozart und Kostproben aus „La Bohème“. entstand aus der Zusammenarbeit zwi- mit Verdi, Bizet, Delibes, Tschaikows- Der lyrische Bariton Jin-Soo Park schmei- schen der Musikhochschule und dem The- ky, Szymanowski und Richard Strauss chelte mit „Dunkelroten Rosen“ und der ater und wird durch die Possehl-Stiftung vorstellten. Kraftvoll zeigte sich, manch- Valentin-Arie aus „Margarethe“. Theresa gefördert. Beiden Institutionen bringt es mal mit zu sehr forcierendem, dennoch Fauser, an diesem Abend für Hosenrollen großen Gewinn, auch dem Lübecker Pu- gut sitzendem Bariton, Hyeon-Jun Ye- zuständig, erntete mit der dramatischen blikum. Das Theater kann ausgebildete oum als Rigoletto, dann einfühlsam die Sextus-Arie aus dem „Titus“ wieder gro- junge Kräfte einsetzen, die sich an der Sopranistin Lydia Ackermann, die trotz ßen Beifall. Eine Steigerung brachten zum Hochschule noch weiterentwickeln, die nicht überstandener Krankheit profes- Schluss Eunshil Jung als lyrische Mimi Hochschule ihr Angebot jenseits der Ab- sionell ihre Arie der Mica la sang, im 2. und Hyo Jong Kim als flammender Ro- schlussexamina vervollständigen, und der Teil noch Weills „Youkati Tango“. Scar- dolfo, denen sich Agnieszka Sokolnicka Zuschauer profitiert davon, Stimmen am lett Lu bezauberte mit hellen Koloraturen und Jin-Soo Park im Quartett hinzuge- Karrierestart zu erleben, auf der Bühne in in der „Glöckchenarie“, und die wendige sellten. Langer, bewundernder Beifall der Beckergrube – oder auf dem Podium Agnieszka Sokolnicka überzeugte mit für alle Beteiligten, auch für die beiden an der Obertrave. fein gestalteten Liedern. Daneben gab es Klavierbegleiter Thomas Preuß und Mat- Das Interesse an dem Gesangsabend Duette aus „Carmen“, „Lakmé“ und dem thias Veit. Sie hatten erst am gleichen Tag (5. April) im Großen Saal der Musik- „Rosenkavalier“. Theresa Fauser begeis- den Part für die erkrankte Mira Teofilova hochschule war groß, bei dem sich die terte dort mit schönem Mezzosopran als übernommen.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 124124 119.04.119.04.11 14:0914:09 Musik Ein würdiger Archäologen erklären Stadtgeschichte Abgang?

„Nichts, nichts, nichts!“ waren die letz- ten gesungenen Worte des Chores von St. Vicelin in einem Dankkonzert anlässlich seines 25-jährigen Bestehens. Es werden wahrscheinlich auch die letzten gesungen Töne des Chores überhaupt gewesen sein, denn dem Gründer und Leiter des Chores Stefan Brandes wurde gekündigt. Doch trotz dieses Hintergrundes gab Am Sonntag, den 8. Mai, um 11.30 Uhr, bieten die Lübecker Archäologen einen zusätz- der Chor am 13. März eine „Geistliche lichen Besichtigungstermin der aktuellen Altstadt-Großgrabung im Bereich Braunstra- Abendmusik“, die ganz dem Lübecker ße/Fischstraße an. Treffpunkt für die Führungen ist der Eingang zum Ausgrabungszelt Großmeister Buxtehude gewidmet war. In in der Braunstraße. Für die Teilnahme an den Besichtigungen zahlen Erwachsene zwei dem klug angelegten Konzert erklangen Euro und Kinder bis 16 Jahre einen Euro. Die wöchentlichen Montags-Führungen (je- als Rahmen zwei Präludien in C und G, weils 14 Uhr, außer an Feiertagen) mit gleichem Treffpunkt und gleichen Teilnahme- zwei umfangreichere Choralbearbei- Preisen finden auch weiterhin statt. tungen und zwei Kantaten. In der Mitte erklangen die sehr kunstvoll gearbeite- ten Bearbeitungen über „Mit Fried und CD-Präsentation in der Herz- Jesu-Kirche Freud“ mit dem sehr ergreifenden Klag- lied Buxtehudes auf seinen Vater. Von Arndt Schnoor Der zahlenmäßig nicht sehr stark be- setzte Chor gefiel in den Kantaten „Jesu Der weit über Lübecks Grenzen hi- Doch Lustig hatte den Chor gut einstu- meine Freude“ und „Nichts soll uns schei- naus bekannte Kammerchor I Vocalisti diert und so schien es den Sängern fast den von der Liebe Gottes“ durch engagier- bringt eine CD mit Chormusik des 20. und Freude zu machen, sich den schwierigen tes und präzises Singen. Auch Koloraturen 21. Jahrhunderts heraus. Chorleiter Hans- Aufgaben zu stellen und diese mühelos und solistische Passsagen der einzelnen Joachim Lustig kennt sich im modernen zu bewältigen. Homogenität im Gesamt- Stimmen waren gut zu vernehmen. Ein Chorrepertoire gut aus und hatte für die klang bei großer dynamischer Bandbreite kleines Streicherensemble rundete den CD und das Konzert in der Propsteikirche und hervorragender Intonation zeichnet Eindruck der sehr lebendig musizierten Herz Jesu am 9. April ein interessantes diesen Chor aus. Am Ende von Whitacres Kantaten positiv ab. Stefan Brandes und Programm zusammengestellt. „Sleep“ war gerade noch ein Hauchen zu der Organist der Kirche Konrad Kata Neben Klassikern, wie der immer wie- vernehmen. In anderen Stücken strahlte spielten jeweils zwei der Orgelwerke und der anrührenden Motette „Wie liegt die der Chor in einem satten, aber wohlklin- zeigten den Farbreichtum der Orgel in ver- Stadt so wüste“, die Rudolf Mauersberger genden Fortissimo. Das nicht zu zahlreich schiedenen Registrierungen auf. Ihr Orgel- auf die Zerstörung Dresdens komponier- erschienene Publikum belohnte die Sän- spiel gefiel durch große Lebendigkeit und te, und Hessenbergs „O Herr, mache mich ger mit starkem Beifall für ein rundum zeigte einmal mehr, wie vielfältig die Aus- zum Werkzeug deines Friedens“, waren gelungenes Konzert. drucksmöglichkeiten bei Buxtehude sind. auch Werke von bisher eher unbekannten Daten der CD: Chormusik des 20. und Eine erfreuliche Abendmusik war da Tonsetzern zu hören wie Biebl, Deak- 21. Jahrhunderts, Domine Deus Kammer- also zu vernehmen, auch wenn der Anlass Bardos, Karai, Praulins, Sisak oder Vujic. chor I Vocalisti; Leitung: Hans-Joachim Grund zu Traurigkeit bot. Stefan Brandes Einzig Erich Whitacre ist im Augenblick Lustig. Label: Rondeau, Erscheinungster- hatte in den vielen Jahren viele Messen in Chorkreisen durch seine Internetpro- min 2. Mai 2011 musikalisch durch den Chor mit gestaltet jekte sehr popu- und dabei etliche der kleineren Messkom- lär. Von ihm sang Dr. W. Drücke · Dr. B. Klemt · Prof. Dr. B. Melsen · Dr. C. Peters positionen u. a. von Mozart und Haydn zur der Chor zwei Aufführung gebracht. Sein Wirken scheint Kompositionen nicht mehr gewollt und schien für den im („Water night“ Konzert anwesenden katholischen Propst und „Sleep“), in moderne kein Wort des Dankes wert zu sein. Dies denen Whitac- spricht für sich selbst und muss wohl als re mit Klangflä- Zahnmedizin mangelnde Wertschätzung der Arbeit die- chen arbeitet, die ses im besten Sinne als „Gemeindechor“ den Ohren eher seriös, kompetent, fortschrittlich auftretenden Ensembles gewertet werden. schmeicheln. An- Umso klarer stand die letzte musi- dere Stücke ver- kalische Aussage des Chores im Raum: langten dem Chor Praxis Adolfstraße · Adolfstraße 1 · 23568 Lübeck „Nichts kann uns scheiden von der Liebe rein sprachtech- Telefon 0451 - 61 16-00 · Fax 0451 - 3 68 78 Gottes, nichts, nichts, nichts!“ Ein würdi- nisch oder auch www.praxis-adolfstrasse.de ger Abgang. Arndt Schnoor stimmlich viel ab.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 125125 119.04.119.04.11 14:0914:09 Bildung

Das Problem fehlender Männer in Kitas Erziehung ohne Männer verschärft sich noch, wenn in diesem Jahr Bund und EU fördern das Projekt „Mehr Männer in Kitas“ der Zivildienst wegfällt. Die Zivildienst- leistenden, und das waren ja nur Männer, Von Jürgen-Wolfgang Goette haben eine gute Arbeit in sozialen Berufen geleistet und dabei vielfältige Erfahrun- Die heutigen Schülerinnen und Schü- men, um Erfahrungen auszutauschen. Es gen sammeln können. ler lernen in ihrer privaten und pädagogi- wurden Anregungen gegeben, wie man Ziel des Projekts ist es, in drei Jah- schen Umgebung kaum Männer kennen, den Anteil von Männern in sozialen Be- ren den Anteil der Männer in Kitas auf sie wachsen in einer „vaterlosen“ Gesell- rufen erhöhen kann. In Lübeck spielen 20 Prozent zu erhöhen. „Und das müs- schaft auf. In Lübeck sind nur drei Prozent Schulpraktika eine große Rolle, Projektta- sen gute Männer sein; die besten gehören der Mitarbeiter in Kitas männlich, deutlich ge, Projektwochen, Betriebspraktika. nach unten (in die jüngsten Altersgrup- weniger als in vergleichbaren Städten. In Der jedes Jahr stattfindende Boys´- pen)“, so urteilte Karschny, der Koordi- der Grundschule sind die Frauen ebenso in Day ist eine geeignete Möglichkeit, in das nator des Trägerverbundes. Eine Vielzahl der Überzahl. Und in vielen Familien fin- Thema einzusteigen. Durch vielfältige unterschiedlicher Projekte und Maßnah- det „Mann“ auch nicht mehr statt, entweder Kontakte mit sozialen Berufen erhalten die men, wie Info-Busse, Schüler-Praktika, berufsbedingt oder aus familiären Gründen Schüler Einblicke in diesen ihnen fremden Schnuppertage, Freiwilligendienste und (Trennung) – viele Mütter sind wie auch Bereich. Und manche finden die Arbeit Mentorenprogramme werden organisiert. immer „alleinerziehend“. Der Bund hat spannend. Es wurde ein Film aus Frank- In Kooperation mit der Agentur für Arbeit jetzt ein Programm für drei Jahre aufgelegt, furt gezeigt. Dort gehen 14- bis 16-jäh- sollen geeignete Männer als Quereinstei- das das Ziel hat, den Anteil von Männern in rige Schüler ein Jahr lang einmal in der ger gewonnen werden. Fehlende Männer Kitas zu erhöhen. Auch die EU unterstützt Woche in eine Kita und haben so vielfäl- wirken sich nach Ansicht von Fachleuten das Projekt. Zur Verfügung gestellt wurden tige Kontakte und lernen viel. Die jungen für die Sozialisation von Männern und 13 Millionen Euro. Lübeck ist mit dabei Leute lesen mit den Kita-Kindern, spielen Frauen nachteilig aus. Das Ziel ist ehrgei- und erhält knapp 900.000 Euro. mit ihnen, betreuen sie. Die Kita-Kinder zig. Es gibt Zweifel, ob das gelingt. Gut ist Auf einer Auftaktkonferenz des Trä- freuen sich auf die „alten“ jungen Schüler, es aber, dass das Problem erkannt ist. So gerverbundes Lübecker Kindertagesein- und diese entdecken, wie viel Spaß diese lässt sich gezielt dagegen angehen. Den richtungen wurden jetzt erste Resümees Arbeit macht. „Jungs“ können auch sehr vielen Initiativen ist Erfolg zu wünschen! gezogen. Über 30 Personen aus unter- sozial sein. Sie machen was Tolles! Und Auskünfte: Trägerverbund Lübecker schiedlichen Bereichen, Schulen, Kitas, sie spüren ein Gefühl von Heimat, von Kindertageseinrichtungen, c/o Kinderwe- Sozialeinrichtungen, Verwaltung, Öffent- Selbstbewusstsein, von Gebraucht-Wer- ge gGmbH, Weidenweg 5, 23562 Lübeck, lichkeitsarbeit waren zusammengekom- den und von Schranken-setzen-Müssen. Tel.: 8997780

die ihnen gegeben wird, sowohl die Men- „Zeit ist Leben“ – Momo im Schultheater schen als auch die gesamten Lebensum- Von Lutz Gallinat stände völlig verändern. Mit „Momo“ ist es Ende sicherlich Mo, die ein Zuhause in einer Amphi- Bedürfnislosigkeit, das Gegenstück zum geglückt, einige Zivilisationsschäden theaterruine in der Nähe einer kleinen kalkulierenden, gewinnorientierten Den- treffsicher in Metaphern zu transformie- Stadt mit guten Freunden gefunden hat, ken. Ihre Wesensart und ihr erfolgreicher ren; sein Appell an die Leser, ein einfa- wird dort endlich glücklich. Die Idyl- Kampf gegen die Zeitdiebe machen sie cheres und kontemplativeres Leben zu le wird jedoch getrübt, als die Agenten zur mythisch überhöhten Symbolfigur. führen, entspricht der Skepsis gegenüber kommen, um den Menschen die Zeit zu „Ich wollte mit ‚Momo‘ eine bestimmte einer technologie- und fortschrittsorien- stehlen. Die Verwalterin der Zeit, Signo- Haltung zeigen, ein Menschenbild, einen tierten Gesellschaft. Demgegenüber ent- ra Cuore, lässt Mo schließlich von ihrer Antihelden, ein Menschenkind, das ein hält der phantastische Charakter des von Schildkröte Moria holen, weil Mo von Held ist durch sein Sein, einfach durch Ende als konkrete Lösung präsentierten den Agenten verfolgt wird. So gerät sie in sein Dasein. Ich meine, ohne irgendeine Happy Ends – bewusst gewählt, um die einen verwickelten Kampf um die Zeit. Art von Idealbild, von Heldenbild, gibt es jungen Leser durch den Erfolg der Identi- Am 3. April bot die Klasse 8 I der „Frei- keinen Mythos und ohne Mythos keine fikationsfigur zu ermuntern, anstatt sie zu en Waldorfschule“ in der voll besetzten Kultur.“ frustrieren – eine gewisse Inkonsequenz. Aula das Stück „Zeitlos“ – „Der Weg Das Auftreten der Gegenspieler Mo- Alle Schülerinnen und Schüler spiel- zu mir“, frei nach „Momo“ von Michael mos erinnert an die hektische Geschäfts- ten bei dieser Aufführung mit viel Enga- Ende. Es war eine beachtliche und reiz- welt, an Männer im Anzug mit Aktenkof- gement, Leidenschaft und Hingabe, wo- volle Präsentation. fern, an Business und Eile. Trotz dieser bei Anne Rüdiger, Lukas Gottwald und In der Auseinandersetzung der klei- realen Attribute und Assoziationsmuster Paula Kiefer als Mo herausragten. Für nen Heldin Momo mit den grauen Herren werden sie als völlig phantastische Ge- die künstlerische Leitung, Dramaturgie konfrontiert Ende zwei Prinzipien mitei- stalten beschrieben: „Sie haben nur Men- und die Gesamtorganisation waren Meike nander, die als Kurzformen im Buch mit schengestalt angenommen. In Wirklich- Klapprodt und Ingrid Feldwisch verant- „Zeit ist (wie) Geld“ und „Zeit ist Leben“ keit sind sie nichts.“ Die grauen Männer wortlich. wiedergegeben werden. Momo verkör- stellen sich als Spiegelbilder unzufrie- Alle Akteure wurden schließlich mit pert das Ideal der Ungebundenheit durch dener Herzen heraus, die mit der Macht, sehr viel Beifall bedacht.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 126126 119.04.119.04.11 14:0914:09 Musik Der Sing- und Spielkreis mit „seiner“ Passion Von Konrad Dittrich

Sie gehören seit Jahrzehnten zusam- chen Konzerten“ folgte ein Beispiel für Akzente, etwa bei den Einsetzungsworten men, die Matthäus-Passion von Hein- zwei Tenöre, Bass und Orgel: „Ich bin die des Abendmahls oder bei der Kreuzigung. rich Schütz und der Lübecker Sing- und Auferstehung und das Leben“. Die jungen Sönke Tams Freier sang die Jesus- Spielkreis. Hartmut Rohmeyer leitete am Solisten – Florian Sievers (Tenor 1), To- worte. Sein Jesus war kein göttlicher Sonntag Laetare eine Aufführung im voll bias Baldauf (Tenor 2) und Sönke Tams Kämpfer, sondern ein Mensch, der mit besetzten Dom, eingebettet in einen knap- Freier – passten stimmlich gut zueinander. und zu den Menschen sprach, stimmlich pen liturgischen Rahmen und angereichert Die etwa 55 Minuten lange Matthäus- angenehm und überzeugend. In weiteren durch zwei weitere Kompositionen des Passion von Schütz stellt an alle Mitwir- Solostellen waren Felix Renner (Judas), Dresdner Meisters. Dazu gab es Orgel- kenden hohe Konzentrationsanforderun- Tobias Baldauf (Petrus, 2. Zeuge), Florian choräle von Johann Sebastian Bach. Die gen, weil kein einziges Instrument die Sievers (Pilatus, 1. Zeuge), Jan-Hendrik Orgel eröffnete die Feier. Matthias Flierl Stimmen der Solisten und der Chorsänger Jensch (Caiphas), Stephanie Weißelbaum spielte mit tiefen Registern den Passions- stützt. „Nachstimmen“ wäre schwierig bei (1. Magd), Margrit Wegner (2. Magd) und choral „O Mensch, bewein dein Sünde dem Fluss der Erzählung nach den Kapi- Nicole Thiel (Frau des Pilatus) zu hören. groß“. teln 26 und 27 des Evangeliums. Eine gro- Hartmut Rohmeyer gestaltete die Der Chor zeigte schon bei der Motette ße Partie hat naturgemäß der Evangelist Chorsätze, oft nur kurze Einwürfe, die „Selig sind die Toten“ seine Gestaltungs- zu bewältigen. Michael Mogl tat es mit aber exakt kommen müssen, äußerst le- kraft. In fließendem Tempo strömten die beweglichem, wohltönendem Tenor in bendig. Zum Schluss erklangen die Dom- Melodien. Pastor Martin Klatt las aus den ausgezeichneter Deklamation. Er gab den glocken; Signal für die Zuhörer, die fei- Knecht-Gottes-Liedern des Propheten Evangelisten zudem nicht statuarisch als erliche Stimmung nicht durch Beifall zu Jesaja. Aus Schützens „Kleinen geistli- neutralen Berichterstatter, sondern setzte zerstören.

Abschied und Schattenspiel Leserservice der Lübeckischen Blätter Von Wolfgang Pardey Sie finden uns im Internet: www.luebeckische-blaetter.info

Musik von Richard Strauss und Gus- Streichern. Im Lied „Beim Schlafenge- tav Mahler in einem Konzert – geht das? hen“ schoss sich Carlos Johnsons Violin- Redaktionsschluss Die Komponisten respektierten sich kol- solo schwärmerisch mit der Sopranstim- für das am 7. Mai erscheinende legial und schätzten sich distanziert, wäh- me zusammen, „Im Abendrot“ verströmte Heft 9 der Lübeckischen Blätter ist am rend die jeweiligen Apologeten einen dann betörenden Klang mit hervorschim- Mittwoch, 27. April. Gegensatz, einen Popanz aufbauten, der mernden Holzbläsern, sanften Streichern in der Wirklichkeit nicht besteht, wenn und dem Hornabgesang. man, wie Roman Brogli-Sacher, geeig- Manuela Uhl ließ ihre Partie sym- Exclusiver Innenausbau nete Werke dieser romantischen Spätzeit biotisch als melodische Sprachfarbe im klug zusammenfügt. Strauss‘ „Vier letzte Gesamtbild aufgehen, wobei sich der Möbel aller Stilrichtungen Lieder“ sind ein berührendes Opus sum- Text fast gänzlich auflöste; ein extremes nach fremden mum, von traumhafter Melancholie, ver- Konzept. Mahlers Todestag jährt sich am und eigenen Entwürfen klärter Schönheit und abschiedsgetränkter 18. Mai zum hundertsten Mal – so stand aus allen Jahrhunderten. Reflexion durchzogen, während Mahlers mit der Vierten eine weitere Etappe des Planung · Beratung · Entwurf 4. Sinfonie auf schwankendem Boden nur 2001/2002 begonnenen Zyklus an. Und Reproduktionen · Restaurierungen scheinbar eine naiv-kindliche Humoreske erneut zeigte sich das besondere Gespür handwerkliche Fertigung ausbreitet, wo doch die intime Farbe und des Dirigenten für die vielschichtig er- feine Charakterisierungskunst von einem zählende Musik: transparent, kammermu- geisterhaften Schattenspiel künden. sikalisch gemächlich im ersten Satz und Die Lübecker Philharmoniker mit dezent aufgefächert zu verdüsterten Lärm- Chefdirigent Brogli-Sacher zeigten im feldern. „Freund Hein“ spukte im Scherzo 7. Konzert am 11. April, wie raffiniert mit Carlos Johnsons Violine umher, eine die Strauss-Lieder nach Lyrik von Hesse milde, elegant ausgeschmückte Groteske. Arps und Eichendorff klingen können. Warm Zum Höhepunkt wuchs der dritte Satz Möbelwerkstätten schweifend, wunderbar schwerelos und in intensiv ausstrahlender Seligkeit, die Kronsforder Hauptstaße 12 fein im Piano-Ansatz der Höhe, entfaltete durch grell sich öffnende Abgründe kon- 23560 Lübeck-Kronsforde Manuela Uhl in der MuK die „Frühlings“- trastiert wurde. „Das himmlische Leben“, Tel. 0 45 08/74 81 + 18 25 · Fax 7 91 20 Sphäre, gefolgt von den Wellen und Zau- ein märchenhafter Nachklang mit Manu- [email protected] bertupfern des „September“ mit dem ela Uhl als pointierter Vokalgestalterin, www.arps-moebel.de friedvollen Hornsolo und den saftigen schloss das Konzert, das viel Beifall fand.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 127127 119.04.119.04.11 14:0914:09 Musikkultur

100 Jahre Musikhochschule – Versuch einer historischen Einordnung Von Arndt Voß

100 Jahre zu bestehen und sich immer des Jahrhunderts, aber in Lübeck erst zu Eine „Musikschule“ unter Dr. Fritz Jung, lebendiger und vielseitiger zu präsentie- Beginn des 20. Jahrhunderts. u. a. Rezensent der Lübeckischen Blätter, ren ist eine große Leistung, auch für eine Den komplizierten Lübecker Weg hat wurde eingegliedert sowie eine „Staatli- Institution. Der Stolz darauf beflügelt, Svea Feldhoff sorgfältig recherchiert. Da che Singschule“, die ab 1935 „Singschule und so widmete sich die Lehranstalt an beide Vorträge Ende Mai im Druck er- am Staatskonservatorium“ hieß. der Obertrave unter dem Titel „100 Jahre scheinen, beschränken wir uns hier auf Von 1938, infolge der ein Jahr zuvor Musikhochschule Lübeck – Hintergründe ein paar Eckpunkte. Allein schon an der verlorenen Eigenstaatlichkeit Lübecks in Wort und Bild“ nun der eigenen His- ständigen Namensänderung ist abzulesen, und nach Aberkennung des Hochschul- torie (8. April im Großen Saal). Als Mu- wie die Weltkriege nachwirkten, auch po- status durch die Reichsmusikkammer, sikhistorikerin steckte Svea Regine Feld- litische Willensentscheidung. 1911 hatte existierte das Gebilde bis 1950 weiter hoff die Zeit von 1911 bis ins Jahr 1973 Marie Luise Kaibel, Klavierlehrerin und als „Landesmusikschule“. Unter anderen ab, während die Musikwissenschaftle- Tochter aus einem renommierten Musik- Prämissen wurde daraus die „Schleswig- rin Prof. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann, haus, zusammen mit dem Eutiner Andreas Holsteinische Musikakademie und Nord- Nachfolgerin von Volker Scherliess, in Hofmeier ein „Konservatorium der Mu- deutsche Orgelschule“, geleitet vom Or- ihrer Antrittsvorstellung dem nachging, sik“ und eine Vorschule eröffnet und 1916 gelprofessor Walter Kraft. Seit 1955 war wie professionelle Musikausbildung in durch ein Seminar für angehende Musik- es Jens Rohwer, der bis 1969, am Schluss Deutschland sich entwickelte. Ihr Dik- lehrer erweitert. Trotz Erfolgs brachte die zusammen mit Uwe Röhl, die Umwand- tum „Beschäftigung mit Geschichte ist Inflationszeit 1923 die Schließung. Her- lung zur „Staatlichen Fachhochschule“ unabdingbar für unser Handeln in der mann Fey, Chorleiter und Organist, grün- betrieb. 1970 wird ein „Hochschulinstitut Gegenwart“ führte sie zu den Anfängen dete die Institution als „Lübische Sing- für Musik an Gymnasien“ angegliedert, der professionellen Musikausbildung und schule“ neu, doch setzten die National- bis endlich 1973 der Rang einer vollaka- der wissenschaftlichen Auseinanderset- sozialisten ab 1933 andere Akzente. Den- demischen „Musikhochschule“ mit Uwe zung mit Musik. Beides setzte sie an für noch prägten bekannte Namen die Zeit. Röhl als Gründungsrektor erreicht wurde. den Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich So wird, zunächst unter Leitung von Ge- Das ist ein langer, auch verwirrender die Musikausführung aus der Dienerrolle neralmusikdirektor Heinz Dressel, später Weg, der die Zeit nach 1973 zunächst löste und zu einem wirklichen Interes- unter der des Organisten und Studienrates ausspart. Doch findet der Interessierte sie se an Kunst wandelte, als „der Musikant Johannes Brenneke, auch unter Mitarbeit im Foyer der Hochschule ausgestellt. An zum Musiker“ wurde. Prag stand mit ei- des Organisten und Komponisten Hugo etlichen Tafeln und in Schaukästen sind ner privaten Konservatoriumsgründung Distler, des Geigers und Konzertmeisters die Daten und Dokumente in Zusammen- am Anfang, später folgten solche im süd- Hans Millies sen., daraus ein „Staatskon- arbeit von Melanie Wald-Fuhrmann mit deutschen Raum und in Berlin zur Mitte servatorium und Hochschule für Musik“. einigen ihrer Studenten ausgebreitet.

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##65586558 HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 128128 119.04.119.04.11 14:0914:09 Meldungen/Impressum

Geschichtsverein Natur und Heimat 4. Mai, 14 Uhr, Dauer: ca. 1 ½ Stunden 26. April, Treffen: Haltestelle „Prassek- Führung über den jüdi- straße“ 14.35 Uhr (Linie 11) schen Friedhof Moisling Lust auf Laube und Albrecht Schreiber, Lübeck Liebstöckel – Lübecker Der jüdische Friedhof in Kleingärten Moisling ist mit über 1.000 Gräbern der Botanische Wanderung größte seiner Art in Schleswig-Holstein. „Kleingarten am Rittbrook“ Seine Gründung geht auf die Mitte des Kontakt: Ricarda Orner/Tel. 33173 17. Jahrhunderts zurück. Der älteste er- haltene Grabstein datiert aus dem Jahre 27. April ,Treffen: Haltestelle „An den 1724. Zahlreiche bekannte Lübecker Per- Schießständen“ 13.45 Uhr (Linie 3) sönlichkeiten, etwa der Rabbiner Dr. Salo- Wesloe – Palingen – Herrnburg mon Carlebach, sind dort bestattet. Halbtagswanderung, ca. 7 km, „Kulturwissenschaften in Lübeck“ Festes Schuhwerk wird empfohlen. Männ- mit der AWO Eichholz liche Teilnehmer benötigen eine Kopfbe- Kontakt: Hilde Veltman, Universität zu Lübeck deckung. Tel. 604700 5. Mai, 19 Uhr ct, Audimax Arche, Fisch und Floating Hell: 11. Mai, 18.30 Uhr, Lesesaal des Archivs 30. April, Treffen: Bahnhofshalle 8.50 Schiffstopik zwischen Metapher und der Hansestadt Lübeck, Mühlendamm Uhr, Zug 9.07 Uhr. Metamorphose 1–3, 4. Stock Altes Land Prof. Dr. Bernhard Siegert, Weimar Das Geld und die Zeit Tageswanderung, ca. 16 km, mit Dr. Dieter Dummler, Lübeck Elbquerung Blankenese–Cranz, Deutsch-Italienische Gesellchaft „Über Geld spricht man nach Buxtehude, Rucksackver- 9. Mai, 20 Uhr, Buchhandlung Weiland, nicht.“ In diesem Fall aber pflegung, Gruppenfahrschein und ca. Königstraße sehr wohl. Wir nehmen uns auch die Zeit 3 Euro für die Fähre. Von Kamen nach Corleone dafür. – Was ist überhaupt „Geld“, was ist Kontakt: Christa Neubeck/Tel.495741 Lesung und Gespräch mit „Zeit“, und in welchem Verhältnis stehen Petra Reski sie zueinander? Und welche neuen Ent- 4. Mai ,Treffen: Bahnhofshalle 8.50 Uhr, Petra Reski enthüllt die Mafiaverstrickun- wicklungen zeichnet die Gegenwart aus? Zug 9.07 Uhr gen in Deutschland und Italien – von den Begriffserläuterungen und ein Überblick Tierpark Neumünster Morden in Duisburg bis zu Berluscon- über 2.800 Jahre Münzgeschichte werden Tagesausflug mit Wanderung, is dubiosen Verhandlungen. Sie zeigt, hier Aufklärung schaffen. – Die neue Sys- Tierparkbesuch (Eintritt 4 Euro), wie gut sich die Mafia seit 40 Jahren in tematik der Münzsammlung im Archiv Rucksackverpflegung, Einkehr Deutschland eingerichtet hat und wie sehr der Hansestadt Lübeck bietet schließlich möglich, Gruppenfahrschein dies von deutschen Politikern ignoriert eine gute Basis für die Münzgeschichte Kontakt: Christa Neubeck/Tel. 495741 wird. Sie beleuchtet die Verflechtungen dieser Stadt, die von ihren mittelalterli- der Mafia mit Politik und Wirtschaft und chen Anfängen bis zum Jahre 1819 reicht. 7. Mai, Treffen: Bahnhofshalle 9 Uhr, Zug erzählt von dem verzweifelten Kampf Ita- 9.21 Uhr liens um seine Demokratie. Petra Reski Literaturhaus Uwe Johnson Über die Fehmarnsundbrücke wurde im Ruhrgebiet geboren und lebt in 29. April, 19.30 Uhr, Im Thurow 14, Klütz Tageswanderung, ca.18 km, Venedig. Wolfgang Rüb: Wohnquartett mit Rucksackverpflegung, Gruppen- In Zusammenarbeit mit der Buchhand- Querflöte fahrschein lung Weiland Literarische Entdeckungen Kontakt: Christa Neubeck/Tel. 495741 Eintritt 7 Euro/5 Euro für Mitglieder

Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit Direktorin: Antje Peters-Hirt, Königstraße 5, Stellvertretender Direktor: Helmut Wischmeyer 23552 Lübeck, Tel.: 7 54 54, Telefax 79 63 54, Büro montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr geöffnet E-Mail: [email protected] Bankkonto: Sparkasse zu Lübeck Nr. 1-000017 (BLZ 230 501 01) Internetadresse: www.die-gemeinnuetzige.de

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##65586558 UUSS HHL-BlätterL-Blätter 8-11.indd8-11.indd 3 119.04.119.04.11 14:1014:10