Die Medien und das Neue

Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium Bd. 21 ISSN 1867-3724 Diese Publikation ist im Rahmen des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie der Bauhaus-Universität Weimar entstanden und wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.

SCHRIFTEN DES INTERNATIONALEN KOLLEGS FÜR KULTURTECHNIKFORSCHUNG UND MEDIENPHILOSOPHIE

Band 3

Eine Liste der bisher erschienenen Bände findet sich unter www.ikkm-weimar.de/schriften Daniela Wentz, André Wendler (Hg.)

Die Medien und das Neue

21. Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Schüren Verlag GmbH Universitätsstr. 55 · D-35037 Marburg www.schueren-verlag.de © Schüren 2009 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Wolfgang Diemer, Köln Druck: Majuskel Medienproduktion Printed in ISBN 978-3-89472-676-8 Inhalt

7 Einleitung Daniela Wentz und André Wendler

17 Kontaktieren Zur medialen Begegnungszone von Visualität und Taktilität Lisa Gotto

29 Frauen am Steuer Zur Rekursivität des Videoclips am Beispiel von Madonnas What It Feels Like For A Girl Matthias Weiß

41 »… als Kläranlage gewissermaßen« Im Schwarzen Kanal der Entsorgung des Fernsehens folgen Ingo Landwehr

53 KatastroGraphien Zur Verknüpfung von städtischer und menschlicher Katastrophe in Spike Lees 25th Hour Silke Roesler

67 »Liveness« Theater, Oper, Kirche, Kino und Fernsehen zwischen Medialität und Konventionalität Stefan Bläske

81 (Be-)gründungen und Figurprobleme Marshall McLuhans Denken über Medien und seine Folgen Florian Sprenger

97 Ist der Tonfilm ein Monster? Antonin Artaud und die Unmöglichkeit des sprechenden Films Jan Philip Müller

111 Schon immer im falschen Film? Literarische Utopien und das ›Neue‹ im alten Medium Schrift Sebastian Höglinger 129 Blue Screen. Spuren des kinematografischen Dispositivs in Kerry Conrans Sky Captain and the World of Tomorrow und Derek Jarmans Blue Dennis Göttel

139 Wie neu ist das Videobild? Reflexivität und Unschärfe Adina Lauenburger

151 Das neue Fernsehen und die Historizität des Dispositivs Daniela Wentz

165 Stadt Land Favela Raumkonzepte des neuen brasilianischen Films Martin Schlesinger

181 Mediale Mythologien. Peter Greenaways The Tulse Luper Suitcases Axel Roderich Werner

195 Die Leerstelle in Film und Wahrnehmung Valerie Deifel

209 Filmischer Realismus als narrative Form Guido Kirsten

225 Stuntmen/Stuntwomen André Wendler

241 Computerspiele als Träger politischer Bedeutungsangebote Niklas Schrape

253 Tanzen zum Soundtrack der Demokratisierung Zum Verhältnis von Männlichkeit, Weißsein und Deutschsein in Alle lieben Peter (BRD 1959, R: Erich Engel) Maja Figge

269 Digitale Technik Die Demokratisierung der populären Musik? Jobst Miksche 7 Einleitung

von Daniela Wentz und André Wendler

Das Neue, darin sind sich Philosophie und Kulturgeschichte weitgehend einig, be- trifft die Moderne nicht als bloßes Merkmal sondern es definiert sie. Einer langen Tradition zufolge, die von Platon über Augustinus bis mindestens Thomas von Aquin reicht, galten Polypragmosyne (Vielgeschäftigkeit), curiositas und Neugier als schlechte Tugenden und sogar Todsünden, die die Menschen von ihren eigent- lichen Aufgaben ablenken.1 Das Wissen, das die Neugierigen bei ihren Streifzügen ins Unbekannte und Unbegrenzte erwarben, galt jenem Wissen als unterlegen, das bei planmäßiger Arbeit und gerichtetem Studium erworben wurde, weil es nicht auf einen Punkt zielt (den Staat, die einzelne Person), sondern permanent Gren- zen überschreitet und verletzt. Als Hauptaufgabe des Denkens galt »der fortwäh- rende Widerstand gegen den Strom der Zeit, der die Erinnerung an die Tradition unmerklich zerstört, und die Bewahrung der uralten, von entstellenden Innovatio- nen möglichst unberührten Überlieferungen.«2 Peter Sloterdijk bezeichnet diesen Affekt gegen das Neue alsprimären Konservatismus und begründet ihn kulturanth- ropologisch: solange Gemeinwesen bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit da- mit befasst sind den status quo ihrer Kulturleistungen an die folgende Generation weiterzugeben um ihn erhalten zu können, so lang muss das Neue unweigerlich als Bedrohung erscheinen.3 Sowohl Sloterdijk als auch Boris Groys verknüpfen das effektive Auftreten von Neuem in menschlichen Gemeinschaften mit einem bestimmten Medienge- brauch. Bei Groys ist das Archiv die Bedingung für die Akzeptanz des Neuen, denn nur wo die geschaffenen Kulturwerte als zugriffsfähiger Bestand gesichert sind und in materieller Form vorliegen, erlaubt sich der Blick eine Öffnung ins Weite. Für Sloterdijk werden jene Gesellschaften nicht nur innovationsfähig, sondern ge- radezu innovationswillig oder neophil, die sich ausdrücklich über den planmäßi- gen Gebrauch von Anthropotechniken verfertigen, die also Medien nicht nur zur Bestandssicherung gebrauchen, sondern die ihre Körper und Geister mit Medien verschalten in der Absicht ihre eigene Leistungsfähigkeit zu steigern. Ob man wie Sloterdijk die Orientierung auf das Neue hin zum ethischen Pro- gramm erhebt oder den postmodernistischen Glauben an das Ende der Anfänge teilt: in ihrer Einstellung zum Neuen, ihren Innovationspraktiken und Kuriosi-

1 vgl. Maria Moog-Grünewald: Vorbemerkung. In: Dies. (Hg.): Das Neue. Eine Denkfigur der Moderne. Heidelberg 2002, S. viii–xii. 2 Boris Groys: Über das Neue : Versuch einer Kulturökonomie, Frankfurt am Main 1999, S. 23. 3 vgl. Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern : über Anthropotechnik, Frankfurt am Main 2009, S. 189f. Einleitung 8 ganzes ganzes Arsenal von Vor-Sichten an die Seite stellt, die im Fall der ein Fälle ohne Nach Unbestimmte ins Sicht der er indem präsentieren, Neues als nur selbst sich des Strukturen Denkens wiederhergestellt.« archaischsten die sofort jedoch wurden Damit möglich. mehr nicht nun wäre es die Wahrheit erreicht und die Geschichte mit ihrem eigenen Sieg beendet, ein Neu extrem Positionen,konservative wie unlängst noch in der Sowjetunion. Sie hätten Machtdie erlangten, sie wo Augenblick vonan, dem auch stets Ideologien dernen mo die bezogen »Daher soll. sein gewesen letzte die möglichst Revolution ihre dass haben, kämpfen zu damit aber Folge der in entwerfen, neu massiv als selbst Revolutionen in sich die ablesen, Kollektiven an vielleicht das sich lässt prägnant tätsmedien enthüllen einiges Kollektive über jeder ihreArt Verfassung. Besonders (Ost) 1990. 6 414f. 1968, S. Berlin 5 4 ökonomischen des Gestaltung die für Grundlage als Arbeitswerttheorie xistische führen hier in einen Bereich, in dem die Aufforderungzur »Besinnung auf diemar üben: Automatisierung Elektronisierung, Mechanisierung, und Selbstorganisation Fortschritts wissenschaftlich-technischen des Stufen vier der Beschreibung einer zu Wölflings Manfred Beitrag wird. verhandeltPerspektiven unterschiedlichsten aus heit sofern gerade dieses Paradoxdarin der letzten Revolution Ein zur ursprünglichen Titel tergehenden kommunistisch-revolutionären Deutschlands 1990 ein Buch mit dem stellt werden.« herge Einheit ursprüngliche die wieder erst kann undergoes, society whole the und Arbeiterklasse die Schöpfung dieser Prozeß im die Revolutionen, der mittels ver und schafft, es die Basis, materiellen der Auf Kapitals. des die ist developed, powerfully aremost labour productive forcesdie social of zugleich worin reißung, Zer dieser Form äußerste Die […]. Eigentum und Arbeit zwischen Gegensatzes Arbeit zu entwickeln. Daher die Notwendigkeit der Trennung, des der Zerreißung, die Arbeit als gesellschaftliche Arbeit und die Produktivkraft der gesellschaftlichen geeignet, wenig gleich und Kinderformen sind Formen Beide form. other the or one in verbunden) Hausindustrie (womit Familienagrikultur kleine die und mus) Kommunis hat zwei Hauptformen: Gemeinwesenasiatische (naturwüchsiger das […] Arbeitsbedingungen und Arbeiter zwischen Einheit ursprüngliche »Die Kauf: in paradoxe Umwege Marx auch Weisenimmt gleicher In zurückzuweisen. tionär konterrevoluals oder sanktionieren zu sie um Neuheiteneingruppieren die sicht Es ist vielleicht bezeichnend, dass sich unter denletztenPublikationen desun vielleichtist dass Es bezeichnend, Heinrich Parthey (Hg.): Parthey Heinrich Marx: Karl Groys, 24. S. Das Neue. Seine Entstehung und Aufnahme in Natur und Gesellschaft und Natur in Aufnahme und Entstehung Neue.Seine Das Theorien über den Mehrwert den über Theorien 5 Das Neue : seine Entstehung und Aufnahme in Natur und Gesellschaft und Natur in Aufnahme und Entstehung seine : Neue Das Innovation und Arbeitsprozeß und Innovation (Vierter Teil des »Kapital«). Dritter Teil. In: MEW. Teil.26.3 In: Band Dritter »Kapital«). Teildes (Vierter 4 Der dialektische Materialismus kann kann sich nur noch in noch nur sich kann 6 Der darin enthaltene darin Der findet, in findet, , Berlin Berlin , ------9

Mechanismus«7 nur noch ein Aufruf bleiben kann, der jedoch keine Zuhörer mehr findet. Wo Lenin noch gefordert hatte »Wir müssen die Keime des Neuen sorg- fältig untersuchen, ihnen die größte Aufmerksamkeit entgegenbringen, mit allen Mitteln ihr Wachstum fördern und diese schwachen Keime ›hegen und pflegen‹.«8, erweist sich am Ende, das eine Revolution zur ursprünglichen Einheit sich letzt- lich nur in sich selbst verwickeln kann und das wirklich Neue, wenn es denn da ist, nicht mehr zu integrieren in der Lage ist. Was immerhin bleibt, ist die gute materialistische Fähigkeit zur klaren Beschreibung der medialen Grundlagen eines Wandels, der sich theoretisch nicht mehr auffangen, geschweige denn aufhalten lässt: Computer und gewaltige Exportüberschüsse sind zugleich Symptom und Antrieb dieser Entwicklung.9 Sicher ist das kommunistische Denken nicht das einzige, das aus eher prinzipi- ellen Gründen ein wenn nicht problematisches, so doch wenigstens im höchsten Maße ambivalentes Verhältnis zum Neuen eingenommen hat. Dabei scheint die viel spannendere Frage, der sich auch dieser Band zuwenden möchte, doch zu sein, wie irgendetwas überhaupt als etwas Neues sichtbar werden kann. Diese Frage ist für Wissenschaftsgeschichte und Science Studies von besonderer Bedeutung, denn die Naturwissenschaften stehen regelmäßig nicht nur vor der Frage, wie sie etwas Neues konstruieren, entwerfen, entwickeln oder freilegen können, sondern immer wieder auch, ob ein Datum, ein Streifen auf einer wissenschaftlichen Foto- grafie, ein Bodensatz in einem Reagenzglas oder ein Lichtreflex im Teleskop etwas ist, das im nächsten Versuchsdurchlauf verstärkt werden kann um es weiter diffe- renzieren zu können oder ob es sich nur um eine Störung handelt, die im nächsten Durchlauf eliminiert werden muss. Mit dem Begriff des Experimentalsystems hat Hans-Jörg Rheinberger solche materiellen Anordnungen zu Produktion und Aufspüren von Neuem beschrieben. »Experimentalsysteme sind erstens eine Art kleinster, funktionsfähiger Arbeits- einheiten […] Sie haben zugleich lokalen, sozialen, institutionellen, technischen, instrumentellen und, vor allem, epistemischen Charakter. […] Experimentalsysteme müssen zweitens auf die Produktion von Differenzen angelegt sein, wenn sie als Anordnungen zur Hervorbringung von unerhörten epistemischen Dingen taugen sollen. […] In der Regel unvorhergesehene und unvorhersehbare Ereignisse führen schließlich drittens dazu, dass einzelne Experimentalsysteme sich aufspalten oder auch zu hybriden Systemen verknüpfen. […] Auf diese Weise bilden sich Felder, deren lokale Verdichtungen man als Experimentalkulturen bezeichnen kann.«10 Diese Beobachtungen scheinen für eine medienwissenschaftliche Untersuchung

7 Manfred Wölfling: Innovation und Arbeitsprozeß. In: Parthey, S. 149–179, hier S. 173. 8 Lenin: Die große Initiative. In: Lenin, Werke, Bd. 29 Berlin 1970, S. 397–424, hier S. 413. 9 vgl. Parthey, S. 14. 10 Hans-Jörg Rheinberger: Historische Beispiele experimenteller Kreativität in den Wissenschaften. In: Walter Berka; E. Brix; C. Smekal (Hg.): Woher kommt das Neue? Kreativität in Wissenschaft und Kunst. Wien u. a. 2003, S. 29–49, hier 33f. 10 Einleitung produktiveren Begriff desDispositivs ersetzen. Verstehtman unter dem Dispositiv Gesichtspunkten medienwissenschaftlichen unter auch vielleicht den durch lust Bedeutungsver ohne Experimentalsystems desSo gefasst ließe sich dieser Begriff Neophile Dispositive werden können. gerecht nicht Anordnungen dieser Charakter epistemischen dem die begnügen, Beschreibungen technischen bloßen mit sich noch hervortritt, Neues als torisch his wie Umständen welchen unter was haben zu gezeigt konkret einmal je ohne bleiben stehen Neoklasten und Neuerern von Charakterstudien senschaftlichen geisteswis allgemeinen bei weder sie weil sein, zu hilfreich besonders Neuen des hier S. 41. hier S. (Hg.): Ders./JosephVogl 11 ein lassen, identifizieren Videoclips des Charakteristika maßgebliche als gängiges Vor etwas auf Rekurs der und Wiederholung (verschiebende) die sich dass sein, zu scheint Interessant überführt. Neues etwas in Video das durch werden züge Be filmgeschichtlichen seine und verbunden Impetus emanzipatorischen einem mit immer genderpolitisch ist Motiv Dieses rekurriert. Steuer am Frau der Motiv wie siert, ten. zu denken, es sondern als Nahmedium unterdes Taktilendem Aspekt zu betrach »okularzentrisch« nicht einmal Fernsehen Medium das sondern unterziehen, zu Cunninghams Clip zum Anlass, nicht nur Gotto den Tastsinn Lisa einer Um- nimmt und Aufwertung stößt, Ende sein an damit und Grenzen, seine an licherweise mög (Medien-)Technologien neuer angesichts Visuellen des Primat das nicht ob Frage, der Hintergrund dem Vor identifiziert. Visuellen des und Taktilen des ne Begegnungszo als sie die Neuartigkeit, medialen einer Beobachtungsanordnung als Experimentierfeld, eigenständiges als Cunningham Chris von Videoclip einen etwa versteht So Neuen. des Aspekts dispositiven dieses mensionen macht. beobachtbar damit und sichtbar, auch Neues sondern möglich, nur nicht Neuem der die sein, Produktion zu von scheint genau der Ort vor, Dispositiv das sondern Experimentalsystems des Konzeptionalisierung Rheinbergerschen zur Analogie schen Strukturen verschränkbar gemacht werden«, soziologi und epistemologischen psychologischen, physiologischen, mit Objekte technischer apparativer, Beschaffenheiten und Gegebenheiten materielle dem in Beschreibungsansatz, oder Denk- ein(en) oder Konstrukt »ein Engell Lorenz mit Mit dem Videoclip befasst sich auch der Beitrag von Beitrag der auch sich befasst Videoclip dem Mit Eine erstevon Gruppe Aufsätzen dieses Bandes widmet sich verschiedenen Di Lorenz Engell: Die genetische Funktion des Historischen in der Geschichte der Bildmedien. In: Bildmedien. der Geschichte der in Historischen des Funktion genetische Die Engell: Lorenz What it feels like for a girl Archiv für Mediengeschichte – Mediale Historiographien Mediale – Mediengeschichte für Archiv von Madonna auf das filmgeschichtliche 11 dann liegt hier dann liegt nicht nur eine Matthias Weiß Matthias . Weimar, 2001, S. 33–56, S. Weimar,2001, . . Er analy Er . Lisa Gotto Lisa ------

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Befund, der Rückschlüsse auf die Funktion des Neuen und Alten für das Bild- und Zeitregime des Mediums Fernsehen zulässt. Ebenfalls mit diesem befasst sich der Beitrag von Ingo Landwehr. Seine Analyse des Fernsehens als Medium der Entsorgung gründet auf dem die temporale Struk- tur des Mediums beschreibenden Konzept des flow. In Ingo Landwehrs Konzep- tionalisierung drückt sich darin gerade keine zeitliche Linearität aus, sondern ein Prozess, der die Dichotomie von alt und neu permanent unterwandert, dabei aber gleichzeitig problematisiert. Verdeutlicht wird dies anhand der Tatsache, dass sich selbstreferentielle Formate wie der Schwarze Kanal des DDR-Fernsehens, aber auch neuere Formate wie TVtotal, Switch oder Zapping insbesondere der Ent- sorgung von Normabweichungen, – dem Neuen mithin –, widmen, auf das sie auf diese Weise aber gleichwohl angewiesen sind. Alt und Neu wirken so als operative Funktionen nicht nur besagter Formate, sondern des televisiven Zeitregimes im Allgemeinen. Silke Roeslers Beitrag skizziert anhand von Spike Lees 25th Hour eine Konstel- lation, in der sich Film- und Stadtraum überlagern oder ineinander verschalten. Dabei werden nicht nur neue personale und stadtstrukturelle Konstellationen sichtbar, sondern auch filmisch geht25 th Hour neue Wege. Am Ende wird mit dem Film ein Arrangement sichtbar, das nicht nur eine neue politische Konstellation repräsentiert, sondern das eine solche Konstellation ist.

Epistemologie des Neuen Inwiefern das Neue epistemologisches Potential besitzt, indem überhaupt erst unter seinen Voraussetzungen Aussagen über das vermeintlich Alte getroffen werden können, zeigt Stefan Blaeske in seinem Beitrag anhand der Untersuchung von Phänomenen, die konventionelle Mediengrenzen überschreiten, wie etwa die Live-Übertragungen von Opern-Aufführungen ins Kino oder die Fernsehausstrah- lung von im Theater gefeierten Gottesdiensten. Solche medialen Transgressionen, so seine These, sind in der Lage die medialen Charakteristika und Konventionen, sowie die Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster, die mit spezifischen Einzelme- dien verbunden werden, überhaupt erst offenzulegen. Erst die Transformationen von Dispositiven und die intermedialen Übergänge sind es, die einerseits Medien- Wandel und Medien-Werden ermöglichen, und andererseits neue Erkenntnisse über vertraute Medien befördern. Eine ähnliche These extrahiert auch Florian Sprenger aus der Medientheorie Marshall McLuhans. Aus wissenschaftshistorischer Sicht rekonstruiert sein Bei- trag den theoretischen Status des Neuen innerhalb McLuhans Denken. Dabei zeigt er am Beispiel der Konzeptionalisierung des Mediums Fernsehen nicht nur auf, welchen unausgesprochenen zeitgenössischen Einflüssen die Medientheorie McLuhans unterliegt, sondern identifiziert dort auch mindestens zwei neuralgi- 12 Einleitung Tonfilms. Seine Rekonstruktion der Auseinandersetzung Antonin Artauds mit Artauds Antonin Auseinandersetzung der Rekonstruktion Seine Tonfilms. von Beitrag der schildert aufruft, Phänomen identifizierten neu als einem mit Beschäftigung die ProblemeWelche des Neuen Methodologie beschreibbarZukunft werden. und Vergangenheit Gegenwart, der vor wird, wirksam Folie epistemologische als nisse entwickeln, und auf zweitens welcheund darauf Weiseaufbauend, Neuedas sich beschreiben lassen und welche Auswirkungen sie auf bestehende Weltverhält McLuhans vornehmliches Interesse der Frage, wie neue Medien entstehen, wie sie sche Punkte, die zentral an der Frage nach dem Neuen ansetzen. Denn erstens gilt Dispositiven anhand des Verhältnissesdes anhand geht Dabei Dispositiven zu. Videobild und vonFilmbild markieren. technisch und ästhetisch motivisch, beiden zwischen Differenz die sie indem beobachten, Kino digitalen zum analogen vom Übergang den Medienumbruch, den die selbst, Filme die Perspektive dieser in sind Es keit. Sichtbar von Möglichkeit der Bedingung bleibende unsichtbar selbst als inwand Kinole der genauer Dispositivs, kinematographischen des Spur als er liest Diese stattfindet. Fläche der des Topos Reflexion eine Weise spezifische je auf dort wie auch des Filmbildes. umdiebis Digitalisierung indie aktuelleDiskussion betreffendabei nicht nur die Ideeeiner des Geburtsstunde Kinos, sondern reichen Überlegungen seinen aus Konsequenzen Die überdenken. zu Filmgeschichte und Filmtheorie der Paradigmenzentrale an, dazu leiten Filmbilder matographischen prä-kine formulierten dort Die etabliert. Literatur der Medium im Bewusstsein filmisches Kinos, des Geburtsstunde offizieller jeglicher vor weit bereits, dort sich dass vor, er führt Jahrhundert 19. dem aus Utopie wissenschaftlich-literarischen von Beitrag der sich setzt sprechen. es in diesem Falle ist, vom legitim Tonfilm überhaupt alseinem neuen Mediumzu ob offen, Frage die auch bleibt wird, bleiben phantasmagorische eine immer Bild Identität, in und Neuesetwas damit wird.überführen Da dievon Einheit Ton und ein eigene eine immer in niemals entsteht, Tonfilm er der der aus Heterogenität, die bleibt er weil »Monster«, Artaud Für klassifizieren. zu neu als überhaupt Phänomen mediales ein ist, unproblematisch keinesfalls es dass Argument, dem mit Tonfilms, des Wann einem nach Frage der Beantwortung einer Möglichkeit der heißt das Datierung, möglichen einer Problematik elementare Sicht phischer medienhistoriogra aus die verbindet Erscheinung, unerhörten seinerzeit dieser Adina Lauenburger Adina bespricht Film digitalem und analogem zwischen Zäsur dieser nach Frage Die Akzentsetzung, unterschiedlicher ganz mit jedoch Problem, gleichen dem Mit Dennis Göttel Dennis . Er zeigt an zwei Filmen von Derek Jarman und Kerry Conran, Kerry Derekvonund JarmanFilmen zwei an zeigt Er . spitzt dieFrage nach spitzt vonderKonstellation alten undneuen eata Höglinger Sebastian Jan Philip Müller Philip Jan uenne. m esil einer Beispiel Am auseinander. anhand des Aufkommens des Aufkommens des anhand - - - - - 13 es ihr jedoch nicht um die Frage der ontologischen Differenz zwischen den beiden Bildtypen. Vielmehr zeigt sie auf, mit welchen ästhetischen Mitteln das Filmbild immer schon in der Lage war, bestimmte Funktionen und Erscheinungen zu pro- duzieren, die gemeinhin dem Videobild zugeschrieben werden. Das Verhältnis von Neuem und Altem ist folglich kein einfach zu konturie- rendes, sondern verlangt, wie Daniela Wentz ihrerseits herausarbeitet, nach einer Auseinandersetzung, die nicht nach der »Originalität einer Aussage«, sondern der »Neuartigkeit der Ordnung des Aussagens« sucht. Angesichts nach wie vor domi- nant auftretender Formate von Familie und Häuslichkeit, die gerade vor dem Hin- tergrund aktueller Diskussionen zum Ende des Fernsehen anachronistisch anmu- ten mögen, zeigt sie, dass der Raum der Familie als Teil des televisiven Dispositivs niemals stabil, sondern immer schon Problem des Fernsehens gewesen ist, das es auf multiple Art und Weise reflektiert, und wie diese Reflexion ihrerseits Transfor- mationen unterläuft. Ein weiteres methodologisches Problem, das sich aus der Beschäftigung mit Neuem ergibt, bearbeitet auch der Beitrag von Martin Schlesinger. Anhand eines für die Thematik dieses Bandes geradezu paradigmatischen Gegenstandes, näm- lich des zeitgenössischen Kinos Brasiliens, geht der Beitrag der filmwissenschaft- lich stark umkämpften Frage nach, ob es sich bei diesem Kino wirklich um ein ästhetisch neues Kino handelt, und wie sich diese ästhetische Neuheit analytisch fassen lässt. Vor diesem Hintergrund plädiert der Beitrag für die Philosophie des Films als Methode, strukturelle Veränderungen binnenfilmisch zu begreifen, näm- lich als genau diejenigen Konzepte des Neuen, die die Filme selbst entwickeln und reflektieren.

(Selbst-)Beobachtung des Neuen Der zweite oben angedeutete Punkt aus Rheinbergers Überlegungen zum Neuen fordert besondere medienwissenschaftliche Aufmerksamkeit. Offenbar genügt es in den Wissenschaften eben nicht eine Nährlösung mit einer Bakterienkultur anzusetzen oder Teilchenmaterial durch eine Nebelkammer zu schicken. Immer braucht es mindestens einen Wissenschaftler, der diese Prozesse systematisch einrichtet, beobachtet, interpretiert und beschreibt, denn von selbst zeigt sich hier nichts und schon gar nichts Neues. Und noch mehr: die Beschreibung und Beobachtung produziert unmittelbare Rückkopplungen auf das Beobachtete. Un- ter den Bedingungen von technischen Medien finden solche Beobachtungs- und Rückkopplungsprozesse nun nicht mehr zwangsläufig unter direkter Beteiligung von Menschen statt, sondern Experimentalsysteme führen diese Vorgänge auto- matisch aus und werden höchstens in dieser Beobachtung noch von Menschen beobachtet. Erweitert man diese Feststellung etwas auf die Genesen und Genealo- gien des Neuen außerhalb der Naturwissenschaften, so muss ein besonderes Au- 14 Einleitung durch neuere Medien unterliegt, – mit dem erklärten Ziel einer Neu-Erfindung Neu-Erfindung einer Ziel erklärten dem mit – unterliegt, Medien neuere durch sowie Neuerungen ökonomische und ästhetische institutionelle, technologische, Werkes konsequent mit der Geschichte denen den es durchEinflüssen, des Kinos, Greenawayschen,eigenen, des Selbstthematisierung dieverbinden sieDabei sind. determiniert Umbruch einem von gegenwärtig die VerfassungenMedien, dievon Werner produzieren.wälzungen Um Tiefe der in auch sondern bleiben, Oberflächeneffekte nur Folgenicht der in die machen, kenntlich Differenzen jene Dispositiven den in die werden, gerichtet genmerk also auf die Beobachtungs- und Selbstbeobachtungsmedien der Kulturen flektiert esflektiert diese Historisierungen fortwährend und bietetschließlich eine alterna re Gleichzeitig schreibt. – Stuntman des hier – Akteure seiner eines Geschichte sichmet die vonihrer zu Methoden Beschreibung herausfordern.Neukonzeptionalisierung Konsequenz in und zweitens die und sind, Lage der in aufzudecken thoden Me und Theorien bewährter bisher Unzulänglichkeit die erstens die Erzählens, filmischen Formen etablierte nicht Fall diesem in sind, Phänomene neuen die de gera es dass verdeutlicht, Beitrag Sein zurück. Filmtheorie der innerhalb Realismus- Begriffs des Verwendung konzeptionalisierte ausreichend nicht theoretisch eine auf er führt Filme dieser Beleuchtung wissenschaftliche ausgebliebene hend weitge bislang Die verortet. Realismus filmischen des Begriff dem unter er den Kinos, französischen zeitgenössischen des auch oder Schule Berliner der Filmen Sein Interesse einem gilt kinematographischem Trend, zu beobachten etwa in den neuenKonstellationen angeordnet zu werden. wiederum selbst sie denen von Wahrnehmungsstrukturen, formieren sie sondern Welt, einer ten en, so könnte man diese Thesen weiter treiben, sind also niemals nur Repräsentan Medi überkreuzen. Metapher epistemologischen einer in Diskurs senschaftlicher möglichen Stelle für Neues Valeriezeigt Deifel wie sich ästhetischer und naturwis tuierender Größe für die Öffnung regelhafterStrukturordnungen damit undeiner konsti als und Film Wahrnehmung in Leerstelle zur Thesen ihren In kann. geben zufrieden allein Überlegungen ästhetischen mit nicht Forschung senschaftliche erscheint. Rheinbergers dem Neuen sucht, sondern in dem das Neue gar als »epistemisches Ding« im Sinne nach nur nicht das Neuen, des Experimentalsystem beobachtendes selbst sich als vielmehr sondern Beobachtungs- als nur nicht Greenaways Arbeit die erscheint Insofern wird. problematisiert solche als konstant wiederum die selbst, Kinos des Als eine solche Apparatur der Beobachtung des Neuen versteht Neuen des Beobachtung der Apparatur solche eine Als Der Beobachtung und Neukonstituierung von historischen Verhältnissen wid historischen von Neukonstituierung und Beobachtung Der von Beitrag der auch sich widmet Neuartigkeit medialen Einer ValerieDeifels die Arbeiten des Regisseurs Peter Greenaway. Regisseurs des Arbeiten die reflektieren dominant Diese André WendlersAndré Beitrag demonstriert besonders deutlich, wieso sich medienwis sich wieso deutlich, besonders demonstriert Beitrag Beitrag oder vielmehr: er verfolgt, wie das Kino selbst die selbst Kino das wie er verfolgt, vielmehr: oder Beitrag Guido Kirsten Guido Axel Roderich Roderich Axel ------. 15 tive, um nicht zu sagen neue Version dieser Geschichte an, in der Stuntmen nicht mehr ohne Stuntwomen zu begreifen sind. Das Neue dieser Geschichte ergibt sich insbesondere aus der konsequenten Entbergung von Sichtverhältnissen, welche die Optik historischer Erkenntnis unhintergehbar prägen und deren kinematogra- phische Version hier einmal vor Augen tritt. Niklas Schrapes Beitrag untersucht die politische Dimension des Computer- spiels. Seine Analyse, die sich insbesondere der Frage nach möglichen, den Spielen inhärenten Bedeutungsangeboten widmet, kommt zu dem für diesen Band wich- tigen Schluss, dass sich diese Bedeutungsebene weniger in den Repräsentationen des einzelnen Spiels verorten lässt, als vielmehr aus dem Verhältnis herausgearbei- tet werden kann, welches Computerspiele zu theoretischen Modellen und den Ge- genwarten, in denen sie Geltung erlangen und die sie mitbestimmen, unterhalten. In dem Maße, so seine These, wie wir auf Simulationen vertrauen, um uns die Welt zu erklären, wird die Welt spielbar, berechenbar, quantifizierbar. Die Medien der Gegenwart und die Gegenwart dieser Medien sind prinzipiell aufeinander verwie- sen, ja unabtrennbar, so könnte eine Schlussfolgerung aus diesem Beitrag lauten. Maja Figges Aufsatz interessiert sich für die Frage, auf welche Weise das Kino im Deutschland der 50er Jahre an einer Neudefinition von Deutschsein arbeitet. Ihre Lesart des Films Alle lieben Peter mit Peter Kraus in der Hauptrolle macht deutlich, auf welche Weise am Körper des Protagonisten weiße Männlichkeit insze- niert wird, dabei aber zugleich als unproblematisch, weil nicht (mehr) rassistisch in Szene gesetzt wird. Insbesondere durch die Vereinnahmung von Differenzen durch den Protagonisten und in der Aneignung afroamerikanischer Populärkultur, etabliert sich ein Normalisierungsprozess von »Deutschsein als Weißsein, in de(m) das vermeintliche Versprechen einer Entlastung von den nationalsozialistischen Verbrechen durch die ›neue‹ Generation enthalten ist.« Jobst Miksche stellt sich zu den mit der Digitalisierung einhergehenden Trans- formationsprozessen, hier im Bereich der populären Musik, eine Frage, die das Nachdenken über Medien spätestens seit der Radiotheorie Brechts umtreibt, nämlich die nach den Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderung durch techni- sche Medien. Unter Rückgriff auf Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Begriff der radikalen Demokratie untersucht er, wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, Produktion, Distribution und Konsum populärer Musik zu demokratisieren. Am Beispiel des MP3-Formates und der Musiktauschbörse Napster lotet er die Macht- verhältnisse und Handlungsmöglichkeiten der Akteure auf diesem Feld aus und führt auf diese Weise modellhaft vor, auf welche Weise sich die Wechselwirkungen technischer Veränderungen und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse produk- tiv denken lassen. Die Anlehnung dieser Überlegungen zu den Medien und dem Neuen an Rhein- bergers Ausführungen zur experimentellen Hervorbringung des Neuen in den Na- 16 Einleitung produzieren, kommunizieren, differenzierenetablieren. und letztlich Medien. Gleichzeitig öffnet sie den Wegzu einer Genealogie der Medien, die neues technischer Zeitalter im Wissensproduktion moderner Charakter spezifische der als Output eines Experimentalsystems ist keine sondern Allegorie, in ihr zeigt sich Neuen vom Rede Die hat. eingenommen Sonderrolle eine andere keine wie leicht senschaften gerade auf jene Formation des Wissens fallen, die in der Moderne viel den Blickmit der muss Naturwis dann dessuchen zu ist, Neuen Affirmation und konsequenten der in gerade Verfertigung Moderne spezifisch das mehr: viel noch und kann lassen Neuen vom nicht nach Struktur der Moderne die dass stimmt, ist turwissenschaften unterdessen weder zufällig noch folgenlos. Wenn es nämlich hierfür ein herzlicherDank. ein hierfür Auch hat. aufgenommen Schriftenreihe seine in Band diesen das ermöglicht, mar Wei IKKM, – Medienphilosophie und Kulturtechnikforschung für Kollegs nalen Internatio des wurde durchMittel Drucklegung Die Bildmedien. der Geschichte Theorie und und Medien-Philosophie Professuren die an insbesondere Weimar, Bauhaus-Universität der Medien Fakultät die an geht Tagung der Durchführung zur Unterstützung finanzielle die für Dank Ein hat. stattgefunden Weimar sität Univer Bauhaus- der an 2008 März im welches Kolloquium, wissenschaftlichen Fernseh und Film- 21. dem aus hervorgegangen sind Bandes dieses Beiträge Die Dank ------17 Kontaktieren Zur medialen Begegnungszone von Visualität und Taktilität

von Lisa Gotto

Was könnte neu sein an der Frage des Kontakts? Vielleicht liegt die Sache auf der Hand. Sollte dem so sein, dann scheint ein Blick auf die Oberfläche der Hand und ihre epidermische Kontakt-ebene lohnenswert. Die folgenden Überlegungen be- ginnen daher mit der Frage nach Haut und Andershäutigkeit. Sie bildet sozusagen die haptische Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Zusammentreffen von Visualität und Taktilität, der ich anhand einer exemplarischen Anschauungs- figur, dem Videoclip Africa Shox (Chris Cunningham, USA 1998) nachgehen möchte. Einen ersten Berührungspunkt bietet das Werk des Kolonialismuskritikers Frantz Fanon. Es soll hier vorgestellt werden als eine Möglichkeit, die Zone einer Begegnung auszuloten, die im Moment des Zusammentreffens diverse Weisen des Kontakts erkennen lässt. Diese Weisen implizieren unterschiedliche Sinnesmoda- litäten – wobei jene einander nicht ausschließen sondern vielmehr umfassend ein- schließen und so auch Perspektiven für medientheoretische Fragen der Wahrneh- mung eröffnen. Entsprechend lassen sich Fanons Ausführungen selbst als Zone des Übergangs verstehen, die die Begegnung von Blick und Berührung als viel- schichtige Vermittlungsfigur thematisieren. In seinem 1952 erstmals erschienenen Werk Schwarze Haut, weiße Masken befasst sich Fanon mit verschiedenen Formen des Zusammentreffens von Selbst- und Fremdbild. Besonderes Interesse widmet er dabei der Frage des Visuellen im Spannungsfeld von ethnischer Differenz und psychischer Identifikation. In den von Fanon beschriebenen Sehakten bezeugt der Blick des Weißen nicht nur die Existenz des schwarzen Körpers, sondern setzt ihn gleichzeitig der Gefahr der Auflösung aus. Der Effekt dieser Entsubstantialisie- rung besteht in einer Transformation des geschlossenen Körperkonzepts, das von einer visuell determinierten Oberflächenpolitik überlagert wird: »Was war es für mich anderes als eine Loslösung, ein Herausreißen, ein Blutsturz, der auf meinem ganzen Körper schwarzes Blut gerinnen ließ?«1 Auffällig bei dieser Ausführung ist die Visualisierung des Blutes als distinkter Determinante der rassischen Identität. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass biologistische Taxonomien lange Zeit nicht die Haut sondern allein die Zusammensetzung des Blutes als Definitions- kriterium der Rasse voraussetzten – jenseits einer auf Sichtbarkeit gegründeten Evidenz. Mary Ann Doane betont:

1 Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken. Frankfurt am Main 1985 [1952], S. 81. 18 Lisa Gotto ren Stellen angegriffen, brach zusammen und machte einem epidermischen Ras epidermischen einem machte und zusammen brach angegriffen, Stellen ren besondere zeitigt Folgen – nämlich physische: »Und an das mehreKörperschema, zu reduzieren.DiesOberflächenwesen ein auf so ihn undmarkieren zu Objekt als Schwarzen den ist, Lage der in dazu Blicks basierenden Kontrolle auf difizierten, ko eines Werkzeugmittels Unterdrückers,der des aggressiv-transzendentales als dabei fungiert Sehens des Vorgang Der Äußere. das auf Inneren vom Fanon bei nun sich verlagert Identität rassischen der Kriterium kategorisches als Blut Das history, racial ultimately identity.« determines onedrop– effectivelymakes ›black one black. blood‹ identity of blood ofratherwhite and black insuresThepolarization than skin. that there are gradationsto no in racial linked been historically has States United the in identity racial for criterion legal »The 6 5 4 3 2 wird, epistemischenDing tenHaut Untersuchungsfragen, die denenzum erst mit herausgebildet hat, noch derts einmal aufgenommen zu werden. Denn die frühes eines Beginn forschenden Hautinteresses, wie er sich in der Mitte des 17. Jahrhun der damit scheint Tatsächlich bindet. Farbigkeit sichtbare ihre an Kolonialismus türliche Identität«. Haut als deren oder Degeneriertheit, na kulturelle Zeichen von Minderwertigkeit politische/ das als Farbe – natürlich auch als sichtbar sowohl ist Diskriminierung die Haut als garantierte Identität nach Außen trägt: »Die Differenz desObjekts der ist«.relate Kor kulturellen und sozialen seiner und Körpers des Signifikant primärer ein […] Diskurs ›Haut‹rassistischen »die im dass aus, davongeht Er herausgestellt. gnant prä Bhabha Homi beispielsweise hat Differenzierung ethnischen der Signum als senschema« einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Die Funktion der Haut Ras »epidermische entwickelte Fanon von das Autoren viele haben So erfahren. der Zuge im haben Anderen kolonialen Erscheinung«. eigenen meiner sondern haben, mir von anderen ›Vorstellung‹,die der welche ve Skla der nicht bin Ich überdeterminiert. außen von bin »Ich kann: entkommen nichtUnterdrückte der der Erfahrung, qualvolle als Blick sezierendenweißen den unter Unterwerfung die beschreibt Fanon konstituiert. Herrschaftsdiskurses des Vorstellungsmuster als Sichtbarkeit konstanten ihrer Grund auf gerade sich die Hülle, einer zu Entfremdung, der Ort zum sichtbaresunmittelbarOrgan als Haut die wird Dabei Rassismus. des Macht repressiven der Grundkonstanten der eine Platz.« senschema

Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Beachtung der Haut im Kontext des Kontext im Haut der Beachtung die sich dass verwunderlich, nicht ist Es Ebd., S. 118. S. Ebd., Bhabha: Homi K. 84. S. Ebd., Fanon 81. 1985, S. Doane: Ann Mary 5 Deren Farbe wiederum bildet unterschiedliche Markierungen aus, die aus, Markierungen unterschiedliche bildet wiederum Farbe Deren 4 Fanons Ausführungen zur visuell bedingten Identifikation des Identifikation bedingten visuell zur Ausführungen Fanons Femmes Fatales: Feminism, Theory, Film Psychoanalysis Die VerortungDie derKultur 3 6 Das Prinzip des epidermischen Rassenschemas verweist auf verweist Rassenschemas epidermischen des Prinzip Das

. Tübingen 121. 2000,S. 2 PostcolonialStudies Genealogy, a potentially invisible Genealogy,potentially a . New York/London 229. 1991, S. neue Aufmerksamkeit neue ------19 betreffen zunächst nicht ihre organische Beschaffenheit sondern ihre Anschau- lichkeit, wie Claudia Benthien in einem Überblick zur Wissenschaftsgeschichte und Anthropologie der Hautfarben nachweist.7 Während die Haut im Moment der Anschauung als eine Art abschließende Hülle erscheint und im Modus des Visuel- len eine wahrnehmungsspezifische Distanzbeziehung voraussetzt, erweitert sich dieses Spektrum mit der Integration einer weiteren Komponente – nämlich der taktilen. Benthien weist darauf hin, dass die Haut »in der Perzeption des anderen sowohl durch die Nahsinne als auch durch die Fernsinne erfahrbar«8 ist. Berück- sichtigt man jenes Potential des Taktilen, dann wäre mit Ulrike Bergermann da- nach zu fragen,

»ob die Begriffe, die wir entsprechend a priori an die Wahrnehmung und schließlich an das Den- ken anlegen, derart vom Visualprimat geprägt sind, dass sie überdacht werden müssen – sei es, weil sich das Erfahrbare mit den neuen Technologien ändert und die Trennschärfe epistemolo- gischer Begriffe anzupassen wäre, oder im Zuge einer Umbewertung vernachlässigter Sinne, die eine methodologische Selbstreflexion einfordert.«9

Jener Frage soll im Folgenden nachgegangen werden, und zwar in Anbindung an eine Technologie, deren Bezeichnung das Nachdenken über den Nahsinn zunächst paradox erscheinen lässt – nämlich das Fernsehen. Dieses Nachdenken führt zu- rück zur Haut und ihren Funktionen bzw. zu der Bildfläche, die Chris Cunning- hams Videoclip Africa Shox als Experimentierfeld derselben anbietet. Die Grundstruktur des Clips lässt sich in vier Abschnitte untergliedern. Vorge- stellt wird zu Beginn der dunkelhäutige Protagonist des Geschehens – und mit ihm das Problem der Sichtbarkeit, denn zunächst ist er kaum zu erkennen. Im Dunkel eines Hinterhofs der New Yorker Wall Street kauert zwischen Mülltonnen eine Figur, die ganz unten zu sein scheint – so weit unten am Bildrand, dass sie erst im Moment des Aufrichtens sichtbar wird. Weiterhin fällt auf, dass sie sich zunächst tastend (entlang der Mauer), dann taumelnd fortbewegt. Dies hängt offenbar da- mit zusammen, dass der Blick der Figur (also derjenige Sinn, der üblicherweise der Orientierung im Raum dient) getrübt ist: Die glasigen Augen scheinen auf dem Weg ins Freie, der durch ein ständiges Straucheln und Stolpern gekennzeichnet ist, keinerlei Stütze zu bieten. Auf jenem Weg, dessen Strecke im zweiten Abschnitt durch die Straßen Manhattans führt, ereignet sich dann ein folgenreicher Zusam- menstoß. Die Figur streckt haltsuchend ihren Arm aus – und verliert ihn im nächs- ten Moment. Dieser Verlust wird durch das Zusammentreffen mit einer anderen,

7 Vgl. Claudia Benthien: Im Leibe wohnen. Literarische Imagologie und historische Anthropologie der Haut. Berlin 1998, S. 169–178. 8 Ebd., S. 12. 9 Ulrike Bergermann: Tastaturen des Wissens. Haptische Technologien und Taktilität in medialer Reproduktion. In: Sybille Peters, Martin Jörg Schäfer (Hg.): Intellektuelle Anschauung. Figurationen von Evidenz zwischen Kunst und Wissenschaft. Bielefeld 2006, S. 301–324, hier: S. 301. 20 Lisa Gotto Gliedmaßen verlustig, immer auf dieselbe Weise. immer auf dieselbe verlustig, Gliedmaßen weiterer zunehmend Protagonist der geht Folgenden Im zerfallen. zu Scherben in und zerbersten zu Boden dem auf Auftreffen beim schließlich um absplittert, Sie erweckt vielmehr den Eindruck einer substanzlosen Hohlform, die vom Körper versehrten fließtKörper keinBlut, ebenso wenig aus derabgetrennten Extremität. dem Aus aufweist. Merkmale organische keinerlei Verstümmelungphysische die dezu nämlich beiläufig, im Vorbeigehen. Daseigentlich Irritierende ist jedoch, dass einer weißen Figur intiiert, sie geschieht – und das ist bereits beunruhigend – gera Fanon, 79. S. 12 Fanon, 82. S. 11 Fanon, 83. S. 10 Überle vorgenommenenFanon von die Cunningham illustriere als so, es scheint »zerteilt(en)« Körper Seins«, meines kolonialen des Blickverhältnisses. Struktur Dort spricht Fanon etwa von zur den »unzähligen Zersplitterungen Überlegungen vorgenommenen Fanon von die an Form zulassen. auf die ursprüngliche mehr Rückschluss keinen die sehen, zu Fragmente und Splitterstücke fliegende umher lediglich sind Stattdessen zurück. Straße der auf Leiche eine bleibt noch Geschwindigkeit Autoseine das drosselt weder vollziehen, zu merklich kaum sich Vorgangscheint dieser Auch wird. zerstört endgültig und erfasst Taxi einem von er wo Straße, die auf zurück kann, fortbewegen hüpfend, Bein verbliebenen nen schnitt der gelangt Versehrte, der sich nur noch mühsam, nämlich auf dem einzel Ab letzten Im können. zu aufhalten bzw.bieten Zersplitterns Prozess des zu den Schutz keinen scheint Innenraum geschlossene der auch Doch trifft. Breakdancer Der dritte Abschnitt zeigt ihn schließlich in einer Parkgarage, wo er auf eine Gruppe Africa Shox So verstörend das Gezeigte zunächst wirken mag, so deutlich erinnert es doch es erinnert deutlich so mag, wirken zunächst Gezeigte verstörenddas So Fanon, 79. S. Fanon, 82. S. Fanon, 83. S. (Chris Cunningham, USA 1998) USA Cunningham, (Chris 10 die er als Folge eines weißen Blickregimes betrachtet; von einem von betrachtet; Blickregimes weißen eines Folge als er die 11 und von »Scherben« als Effekteines zerstörten Selbst. 12 Fast - - - - 21 gungen, um schließlich zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen: »Der Schwar- ze besitzt in den Augen des Weißen keine ontologische Widerstandskraft«.13 Das Blickverhältnis wäre dann kein reziprokes, der Schwarze bliebe aufgrund seiner unverschränkten ethnischen Sichtbarkeit dazu verdammt, sich einem übermäch- tigen weißen Blickapparat zu unterwerfen und sich ihm bis zum Selbstverlust aus- zuliefern.

Africa Shox (Chris Cunningham, USA 1998)

Geht es in Cunninghams Clip also um die kritische Reflexion des Kolonialismus und seiner Folgen, um eine bis in die Gegenwart hinein wirkungsmächtige Situ- ation des Zusammenstoßens unterschiedlicher Kulturen? Möglicherweise – viel- leicht aber auch noch um etwas anderes, weiteres. Dieses weitere würde sich an einer medientheoretischen Grundüberzeugung orientieren: »Was gezeigt werden kann, ist von den Darstellungstechniken geprägt; diese sind ihrem Inhalt nicht einfach nachträglich, umhüllend beigeordnet, sondern konstitutiv«.14 Medien sind keine Behälter sondern Bedingungsgefüge, das Mediale selbst ist nicht beiliegend sondern grundlegend. Und genau das scheint der Clip durch und in sich selbst anschaulich werden zu lassen, wenn er darauf deutet, dass die Haut nicht eine Hülle ist, unter der das Wesentliche (also das Fleisch, die Organe) verborgen liegt, sondern dass die Haut selbst das Wesentliche ist. Vor diesem Hintergrund ließe sich das im Clip so prägnant herausgestellte Motiv der Haut in seiner Doppel- funktion von Visualität und Taktilität an dasjenige zurück binden, das es über- haupt erst zur Erscheinung bringt – das Medium nämlich und hier das Medium Fernsehen. Seinem Begriff nach eher einen Fern- als einen Nahsinn adressierend scheint das Fernsehen dem Modus der Nahfühlung eher fern als nah zu stehen. Dennoch hat es einiges mit Tasten und Berühren zu tun – etwa im Hinblick auf sein Bildsystem, dessen Verkettungen nicht durch Trennschärfe sondern durch

13 Fanon, S. 79. 14 Bergermann, S. 319. 22 Lisa Gotto Damit scheint im Fernsehen eine eigene Form zu angelegt der sein, Berührung ein Tastendruck werden.« und synchronisiert berühren vermittelt, ebenso wie die Ereignisse auf dem Bildschirm sich mit denen vor dem Bildschirm beim parallel sich beiden die laufenden aneinander er berühren die ihm In Sendungen, Virtualität. und »Der Tastendruck die Differenz und produziert markiert von Vorher und Nachher, Aktualität von sich zu selbst: tendruck im Tas Berührung die kommt flüchtig, extrem eigentlich sich In Fernbedienung. spielt in diesem Zusammenhang die Fernbedienung, genauer: der Tastendruck der hat. tun zu Berührung mit viel aber Schnitt mit nichts die also, Bildlichkeit eine auf Hinblick im sind, gekennzeichnet Übergangsunschärfe eines Begriffs eines (Hg.): Sandbothe Mike Roesler, Alexander Münker, Stefan In: 16 selon Deleuze cinéma Deleuze. Le 15 in Kontakt treten. rührung Das oder bedeutet nun nicht, Visuelle das dass negiert gehen, beim Anrempeln, zu dem Zeitpunkt also, da die im Körper Moment der Be Vorüberim sondern Blicks feindseligen eines Anlass dem aus nicht sich ereignet unheimliche Zersplitterung vorgeführte vollzieht. Denn Clip dieim rührtwerdens die um sichsondern eine Irritation, im Modus und destung Be ergibt, Berührens derenKörperoberfläche, Fremdheit sich nicht aus primär derDistanz derBetrach eine um geht Es gesagt: Anders wirkendes. damit und darin weiteres, etwas um sondern Anderen, eingenommenen Blick dem mit eines als Gegenübers des Haut der Deutung Wahrnehmungund visuelle die um ausschließlich nicht hier geht Es Andershäutigkeit, die sich nicht allein aus ihrer Anschaulichkeit heraus begründet. von eine Form ja steht Clips des Zentrum im Denn zerbrechen. Blickfixierung rer ih an dann würdewäre, konzentriert Visuelle das auf allein Vorstellung,die Eine vermitteltesZusammentreffen wird. medial als denkbar undBerührung von Blick exemplarisches Moment des Übergangs betrachtet werden, in dem die Begegnung als Clip Cunninghams kann Grund diesem aus Auch können. zu werden gerecht pektive, die dem Visualprimat verpflichtet derbleibt, beschriebenen Gemengelage schen Gesamtschau begriffen werdenkann, scheint eine medientheoretische Pers panopti der Medium als Fernsehen das wie wenig ebenso Denn werden. gestellt anders Fragen medientheoretische auch können Damit wirken. zusammen dern son bedienen Register getrenntemehr nicht Berührung und Sehen dem in takts, Kon des Art eine um geht Es zusammengehört. nicht gemäß Ordnungsmustern gängigen den das zusammen, etwas kommt Hier lässt. erscheinen produktiv nig Taktilitätund Visualität vonwe die auch als als Fernmedium Nah-vonund dung Unterschei ausschließende die sowohl der zumindest, Begegnung der Moment Lorenz Engell: Tasten, Wählen, Denken. Genese und Funktion einer philosophischen Apparatur. philosophischen einer Funktion und Genese Denken. Wählen, Tasten, Engell: Lorenz Lorenz Vgl. Engell: Fernsehen mit Gilles Deleuze. In: Oliver Fahle, Lorenz Engell (Hg.): . Frankfurt am Main 2003, S. 53–77, 66. amMain 2003,S. S. . Frankfurt hier: . Weimar/Paris 472f. S. 468–481,hier: 1999, S. 16

Medienphilosophie. Beiträge zur Klärung Klärung zur Beiträge Medienphilosophie. 15 Eine besondere Rolle besondere Eine Der Film bei ------23 komplett verabschiedet werden soll, berücksichtigt werden muss wohl vielmehr ein anderer Fluchtpunkt, eine ausgeweitete Begegnungszone. Ein Modell, das der Konzentration auf das Visuelle als Erstbezug aller (Selbst-) Wahrnehmung entgegen zu wirken versucht, stellt Didier Anzieus 1985 erstmals erschienene Studie Das Haut-Ich dar. Der Kerngedanke ist dabei, die Ich-Genese von einem rein imaginären Szenario in den Bereich des Somatischen zu verschieben, denn anders als Lacan begreift Anzieu nicht das (Spiegel-)Bild als determinierten Ort der Subjektkonstitution, sondern schreibt der physischen Selbstwahrnehmung eine vorgängige Rolle als Bildner der Ichfunktion zu. Anzieu weist darauf hin, dass sich von all unseren Sinnen der Tastsinn als erster entwickelt: Er bildet sich beim Embryo aus, bevor dieser drei Zentimeter groß ist. Auch nach der Geburt ist es zu- nächst die taktile, anschließend die auditive und erst dann die visuelle Wahrneh- mung, die das Erleben des Säuglings bestimmt. Weiterhin betont Anzieu, dass sich beim Embryo Haut und Gehirn aus derselben Membran, dem Ektoderm, bilden, und dass beide ihrem Wesen nach Oberflächen sind, die das Subjekt im wechsel- seitigen Bezug konstituieren. So fragt Anzieu ganz grundsätzlich: »Hat nicht das Denken genauso viel mit der Haut wie mit dem Gehirn zu tun? Und hat nicht das Ich, jetzt als Haut-Ich definiert, nicht die Struktur einer Hülle?«17 In Bezug auf das Ich-Erleben kommt der Haut eine besondere Vermittlerposition zu, denn als taktiles Sinnesorgan organisiert sie die Daten der Außenwelt und transportiert sie in Form von Schmerz- und Temperaturempfindungen in die Innenwelt, wo sie psy- chisch weiterverarbeitet werden, beispielsweise in Form von emotionalen Zustim- mungs- oder Abwehrmechanismen. Als Informationskanal stellt die Haut somit eine wichtige Durchgangsschleuse für die sowohl physische als auch psychische Konstitution des Subjekts dar. Darüber hinaus kommt der Haut eine signifikan- te Behälterfunktion zu, denn als visuelles Repräsentationsmedium bietet sie eine Oberflächenstruktur an, in die sich die Formen identifikatorischer Subjektivität einschreiben lassen: »Das Haut-Ich ist das originäre Pergament, das wie ein Palim- psest die durchgestrichenen, weggekratzten und dann überschriebenen Entwürfe einer ›ursprünglichen‹ präverbalen Schrift aus Hautspuren konserviert«.18 Dieses Konzept der Haut als Einschreibefläche ist innerhalb der Kulturtheorie mehrfach aufgegriffen worden. So gehen etwa Dietmar Kamper und Christoph Wulf von einer »Narbenschrift« aus, die sich entlang der Körperoberfläche als les- bare Erfahrung des Leibes in der Gegenwart und der Geschichte ausbreitet.19 Auch Barbara Dudens Projekt einer Kulturgeschichte des Körpers betont historische Ko- dierungsmomente, die an der Konstruktion einer je spezifische Beschaffenheit der

17 Didier Anzieu: Das Haut-Ich. Frankfurt am Main 1996 [1985], S. 21. 18 Anzieu, S. 140. 19 Vgl. Dietmar Kamper, Christoph Wulf: Lektüre einer Narbenschrift. Der menschliche Körper als Gegenstand und Gedächtnis von historischer Gewalt. In: Dietmar Kamper, Christoph Wulf (Hg.): Trans- figurationen des Körpers. Spuren der Gewalt in der Geschichte. Berlin 1989, S. 1–7. 24 Lisa Gotto lenten Dopplungsprozess dar, denn sie steht für die Wechselseitigkeit von TastenWechselseitigkeitvon die für steht sie denn dar,Dopplungsprozess lenten ist, Empfindungenzu transportieren.Die stelltBerührung einen weiteren ambiva gibt, andererseits ist sie durchlässig insofern, als sie grundsätzlich dazu in der Lage um Hülle eineingende oder schützende als Selbst das der Umwelt, zur Abschluss kommen. Der Effekt istein mehrfach gedoppelter:Die Haut bildeteinerseits einen taktes, wo Selbst- und Fremdwahrnehmung im Modus zusammen der Berührung nach Außen getragen werden; sie ist zugleich das Medium des taktilen Körperkon die Herstellung des Stoffes erlaubt.« der Vorstellung, der Wahrnehmung Kraft in einer Zeit so wirklichkeitsschaffende ernst zu nehmen, dass »die man ihr dafür, plädiert Sie sind. beteiligt Körperhülle Haut 22 21 10. 1991, S. gart 20 wir Körper, einem Gegenstand, einem Ding, einem nach wir tasten nur Nicht sind. Berührte wie Selbst Berührende zugleich der immer Berührung der in Struktur wir sofern kann, werden eine beschrieben verdopplung als auch die Logik, dieser folgt Taktilität der Struktur ganze Die keit. Körperlich eigenen unserer mit es berühren wir Leib, den auf stattdessen rückt ist; fühlen, wir was fasziniert er wenn selbst Blick, der ›entfernt‹ Hingegen berührt. mich diese wie gut ebenso Fläche eine Ich berühre IchAnderes ineinander: undoder Objekt und Subjekt gleichermaßen wie Außen und Innen fließen Unerbittlich Entgrenzung. die Diffusion, die ist Format Sein Entzug. keinen Indifferenzsinn; duldet einen er um Taktilen Linie ersterbeim sichin es »Folglichhandelt Grenzgang ausbreitet: unausweichlicher als sich die Differenz, der Überwindung eine als funktioniert, Sinn distanzloser als Taktile das dass Mersch, so Zusammenhang, diesem in ist »Selbstverdopplung« als Mersch Dieter die bivalenz, Am der Form eine für somit steht und Anderen dem und Selbst dem zwischen nicht entziehen kann. Der taktile Kontakt bildet gewissermaßen die Schnittmenge sich sie der Konfrontation ausgesetzt, einer somit und kontaktiert findungsorgan Distanz der Betrachtung der wirdergibt, die Haut aus im Medium Oberfläche der als Berührung Emp als sich der Haut, der Eindruck visuellen zum Gegensatz Im and object.« subject of positions those of sensations, passive and active of interchangeability the exhibiting another, touchthus to body the of part one utilizes subject the which in those are sensations ble Dou sensation‹. provideto›double the able sense only expressive,receptivethepassive, and and active exogenous, and endogenous both is skin the of surface the by provided information »The Grosz physischen diesen bezeichnet Prozess und als»double erklärt: sensation« Elisabeth zusammenkommen. Körperkontakt gegenseitigen im die Spüren, und Die Haut dient jedoch nicht nur der Manifestation von inneren Regungen, die Regungen, inneren vonManifestation der nur nicht jedoch dient Haut Die . Tübingen 2003, S. 233–239, hier: S. 236. S. . Tübingen hier: 233–239, 2003,S. Dieter Mersch: Dialoge. Taktilität und Entgrenzung. In: Christine Hanke, Regina Nössler (Hg.): Nössler Regina Hanke, Christine In: Entgrenzung. und Taktilität Dialoge. Mersch: Dieter Grosz: Elisabeth Duden: Barbara 21

Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730Patientinnenum seine und Arzt Eisenacher Ein Haut. der unterGeschichte Volatile Toward Bodies. Feminism aCorporeal 20

. Bloomington 1994, S. 35–36. 1994, S. . Bloomington 22 bezeichnet. Entscheidend Entscheidend bezeichnet. . Stutt . ------25 werden auch von dem, was wir ertasten, angegangen – mit allen Konnotationen von ›Angang‹, von Affektion.«23

Die Haut wird somit gleichsam zum Medium der Konjunktion, das die Differenz selbst in Frage stellt und ein eigenes Terrain der Nichtabgrenzung eröffnet. Das von Mersch angesprochene Verhältnis von Blick und Taktilität ist inner- halb der Medientheorie mehrfach thematisiert worden. Hartmut Böhme etwa weist darauf hin, dass der Blick keineswegs ausschließlich als Fernsinn deklariert werden kann, sondern dass das Sehen sehr eng mit Berührung und Kontakt zu tun hat. In seinem Plädoyer für den erkenntnistheoretischen Zusammenschluss der beiden Wahrnehmungsweisen fragt Böhme: »Könnte es sein, dass die Blicke eine Art abgeleiteten Tastens sind? Wissen wir nicht sofort, was es heißt, etwas ins Auge zu fassen, etwas aus dem Blick zu verlieren – wie man nämlich ein von der Haut gespürtes Ding aus der Hand verliert, so dass man keinen Kontakt mehr zu ihm hat?«24 Während die theoriegeschichtlich lange verfochtene Privilegierung des visuellen Fernsinns eine »Verdrängung der niederen Sinne«25 implizierte und diese Blickrichtung »die Ausarbeitung einer phänomengerechten Wahrnehmungs- theorie langfristig verhindert«26 hat, erkennt Böhme im elektronischen Zeitalter die Möglichkeit eines neuen theoretischen Zugangs. So

»denken erst heute, wo die Bilderflut der Medien nicht nur den Einzelnen, sondern den Globus umspült, avancierte Medientheoretiker darüber nach, ob die visuellen Medien nicht in Wahrheit Medien der Berührung sind. Man bemerkt bereits, dass das Tasten und Spüren der nächste An- griffspunkt in der elektronischen Kolonisierung der Sinne sein wird«.27

Auch wenn Böhme keinen der »avancierten Medientheoretiker« beim Namen nennt, sind Rückschlüsse auf die prägnantesten Ansätze einer medienspezifi- schen Form der Taktilität möglich. Weit rezipiert wurde beispielsweise Marshall McLuhans Auffassung der Technik als Organverlängerung, als eine mediale Exten- sion der menschlichen Sinne und Nerven. Deutlich betont er dabei sein Verständ- nis der multisensorischen Perzeption, eine Art der umfassenden Wahrnehmung, die alle Sinne einbezieht. Das Taktile kann entsprechend nicht auf ein einzelnes Organ reduziert werden, sondern ergibt sich aus der Kombination und wechselsei- tigen Verflechtung aller Sinne:

23 Mersch, S. 235–236. 24 Hartmut Böhme: Der Tastsinn im Gefüge der Sinne. Anthropologische und historische Ansich- ten vorsprachlicher Aisthesis. In: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH (Hg.): Tasten. (= SchriftenreiheForum / Band 7). Göttingen 1996, S. 185–210, hier: S. 201. 25 Böhme, S. 206. 26 Böhme, S. 206. 27 Böhme, S. 206. 26 Lisa Gotto öpr fruir Drik e echv si Knet ie elektrozeitlichen einer Konzept sein Kerckhove de Derrick formuliert Körpers Facetten ›Fühlungaufnehmen‹ möglich. wirdüberhaupt das des Sinneseindrucks und Formen unterschiedlichen der Zusammenspiel das durch Erst geht. hervor Welt der Wahrnehmung die der aus Wechselhaftigkeit, der Form eine durch aus, Sinnlichezeichnen Empfindungen sich demnach durch ihr transferables Potenzial lungaufnehmen‹ handelt essich umeinefruchtbare Verbindung aller Sinne.« nicht die Haut ist, sondern das Wechselspiel aller Sinne, und ›Tastgefühl‹ beim ›In-Fühlung-bleiben‹ das oder ›Füh dass werden, zu klar nun beginnt Es aufnehmen. und manipulieren Zeit selben Sache durch eine andere verstehen, wie wir viele durch Seiten gleichzeitig mehr als einen Sinn zur und Weise Wort »Unser ›begreifen‹oder schonselbst weist auf die ›erfassen‹ Art eine hin, wir wie 32 31 30 29 28 des Stimulation einer Möglichkeit Die verdrängt. Wahrnehmung sinnlichen der Fülle die Kultur ausgerichtete Visualität auf eine dass Kerckhove, betont Deutlich the sharing world«. into entry of point my instead becomes point-of-view, point-of-being, a like My reality from exclusive. me distancing not of comprehensive, is It frontal. not environmental, one. is visual a not experience, a tactile is specific somewhere being of sensation physical »The der durch einenweltumspannenden Vernetzungscharakter ist: gekennzeichnet Kultur visuell durchorganisierten die eines taktilen Zusammenhangs zu ersetzen, duktion auf nur einen Sinn erschlossen werden könne. So sei die Auffassungeiner auflösbaresei unddass derKomplex dieser Verknüpfung keineswegs durch die Re un eine Medien technischen den mit Wahrnehmung sinnlichen der Verbindung ven dar.Erfahrung Ähnlich wie McLuhan geht auch Kerckhove davon aus, dass die perzepti Verständnisder Taktilitätausgerichtetes der an ein für Eintreten hoves culture‹«. of as whatemerges the called ›skin can be design outer cultural of shape artefacts, theaudible visible, or textual Being to basicpulse. and corresponds its technology konzentriert. fläche desdas Medialen, Design als die Resonanz der Innovation, technologischen hang wird bei Kerckhove in einem Modell zusammengefasst, das sich auf die Ober atmen.« und leben Oberhaut ganzen der mit wir der in Welt, eine das in Elektrizität uns der Zeitalter geleitet waren, eingeschlossen Raum optischen im und jahrhundertelang bekleidet wir ganz »Nachdem Feststellung: McLuhans an dabei sich entiert Culture«. of »Skin Im Anschluss an Marshall McLuhans Thesen zur Extension des menschlichen des Extension zur Thesen McLuhans Marshall an Anschluss Im Ebd., S. 178. S. Ebd., Kerckhove 1997, 154. S. 145. McLuhan, S. de Kerckhove: Derrick Marshall McLuhan: 32 31

������������������������������������������������������������������ Eine weitereMcLuhansEine stelltan die KerckAnknüpfung Überlegungen 30 echv ekät »ein fe ehe te pcfc hrce of character specific the echoes often »Design erklärt: Kerckhove Der von McLuhan konstatierte organische Funktionszusammen organische konstatierte McLuhan von Der 29 Kerckhoves Verständnis einer medial organisierten Haut ori Haut organisierten medial Verständniseiner Kerckhoves Die magischen Kanäle. »Understanding media«. »Understanding Kanäle. magischen Die The Skin of Culture.Reality of Skin ElectronicThe the Investigating New Düsseldorf 1992 [1964], 78. S. Düsseldorf 28 . London 1997.. London It It ------27 taktilen Vermögens sieht er hingegen in der Entwicklung der neuen Computer- technologien. So spricht Kerckhove von einer »neue(n) Tastbarkeit«, von einer »globale(n) Propriozeption«,33 die durch die computergestützte Vernetzung er- möglicht werden könne und konstatiert: »Jedes Interaktionssystem zwischen Körper und Maschine ist eine Abwandlung der Fähigkeit, berühren zu können und sich berühren zu lassen. Mit diesen Maschinen finden wir wieder zur elementaren Tastbarkeit unseres Körpers zurück«.34 Den vorläufigen Höhepunkt des medialen Taktilen sieht Kerckhove dabei in der Satellitentechnik, die die Ausdehnung des Menschen in der Form einer neuen globalen Hülle vorantreibe: »Der computer- gestützte Körper überschreitet seine traditionellen, organisch in die Haut einge- betteten Grenzen. Unsere neue Haut ist die durch ihre Satelliten sensibilisierte Erdatmosphäre«.35 Eine Fortführung des Gedankens von der computergestützten organischen Erweiterung findet sich bei Paul Virilio, der die Möglichkeiten der Interaktivität zwischen Mensch und Maschine als eine neue Perspektive des Tak- tilen begreift. Im Kontext des Cybersex spricht Virilio von einer »Berührung auf Distanz, die in unseren Tagen die klassischen Perspektiven, die dem Gesichtssinn und dem Gehör zu eigen sind, abschließend ergänzen wird«.36 Die Erweiterung des Menschen um eine elektronische Hülle, so Virilio, trage dabei das Versprechen einer potentiellen Unverletzbarkeit in sich und moduliere die sinnlich-perzeptive Wahrnehmungsoberfläche zu einer Matrix, die den nahtlosen Anschluss des Men- schen an das Netz der Telekommunikation ermögliche. Das klingt hoffnungsfroh – und danach, als habe das Zeitalter der Globalisie- rung alle Entfernungen aufgehoben und es uns ermöglicht, mit der Welt in Be- rührung zu sein. Dennoch scheint Kritik angebracht. Denn es wäre vorschnell, die Ebene der medialen Begegnung als utopischen Gegenentwurf, als Möglichkeit der entgrenzenden Befreiung anzusehen, die Trennung und Distanz durch Ver- schmelzung und Nähe ersetzt. Auch hier scheint Cunninghams Clip einen Finger- zeig bereit zu halten, denn der Wunsch in Kontakt zu treten (das Ausstrecken der Hand), scheitert, weil er selbst voller Widersprüche steckt: Das Ergebnis ist nicht Verständigung sondern eine gewaltvolle Kollision. Lorenz Engell gibt Folgendes zu bedenken:

»Eine Beschreibung von Medien unter der Leitvorstellung der Taste, der Berührung und des sinn- lichen Nachbereichs wird […] vorwiegend Instabilitäten, Vorgänge des Wandels und Potentiale der Veränderung, auch der katastrophalen, zutage fördern«.37

33 Derrick de Kerckhove: Propriodezeption und Autonomation. In: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH 1996, S. 330–345, hier: S. 334. 34 Ebd., S. 334. 35 Ebd., S. 333. 36 Paul Virilio: Cybersex. Von der abweichenden zur ausweichenden Sexualität. In: Lettre International 32 (1996), S. 73–76, hier: S. 75. 37 Lorenz Engell: Sinn und Sinnlichkeit (Turm und Taste). Über Fern- und Nahmedien. In: Ders.: Aus- fahrt nach Babylon. Essais und Vorträge zur Kritik der Medienkultur. Weimar 2000, S. 305–324, hier: S. 324. 28 Lisa Gotto erstaunlich, denn, so Claudia Benthien, die »Problematik des neuzeitlichen Sub neuzeitlichen des »Problematik die Benthien, Claudia so denn, erstaunlich, takt lieferte. Dass sich diese Beobachtung an die farbige Haut bindet, scheint nicht vonKon Haut und Zusammenhang den erste Hinweiseauf »epidermischen das Rassenschemas«, des Konzept sein an bzw. Fanons Frantz Schriften die an rung lichkeiten erfahren? Unmög und Möglich- jeweiligen ihre Begegnungen alle Grenze deren an Ebene, eine werdenAls gedacht kann? Ungewissheit der und Übergangs des poröseZone als nur sondern gehorcht Grenzziehung rigiden keiner Außen und Innen von nis Verhält das dass erinnert, daran uns die angelegt, Welt und Selbst zwischen che Und sind diese Instabilitäten nicht auch schon in der Vorstellung der Haut als Flä Bergermann, S. 319. S. Bergermann, 39 38 2003) DVD: aus Screenshots Abbildungen apparativen Anordnung des der mit sich das Neuartigem, etwas zu – werden Kontaktform medialen eigenen könntevon Visualität die und Begegnungszone Möglicherweise Taktilität zu einer »welchen derdie Evidenz Haptikunterhält«.Einsatz Primat im geprägten visuell kann, werden gefragt danach dass so haben, zu gefunden Orte neue Taktile das scheint Schalters des Tasteund der Medium Im unterliegt. es Bedingungen siven diskur welchen und folgt Taktilen des Aufrufen theoretische das Konjunkturen und logien weltumspannenden Vernetzungen. Hier gilt es zu welchen überprüfen, Techno multisensorischen zu KerckhovesundMcLuhans Überlegungen lieferten Beispiel ein – berücksichtigen Entwicklungen technologische andere auch könnte sondern beschränken, Fernsehen das auf allein nicht dann sich müsste Zugang Dieser umwertet. auf-und theoretisch auchTastenNahsinnmissachteten viel als gen scheint – wenigstens könnte es Anlass zu einer Neubestimmung geben, die das gangen, das den Begriff des Taktilenwieder auf denPlan und dieBildfläche zunachgebrin Fernsehen Mediums des Betrachtung einer entlang wurde Dem könnte. das Denken in einen visuellen Endpunkt möglicherweise Begriffen, erreicht haben Paradigma, okularzentrische das dass ausgeht, davon die Überlegung, eine wurde angeschlossen Daran ausbildet. Anforderungen ihren an sich anverwandelt Me dien neuen sich sondern ist, gültig ahistorisch oder natürlich Sinneswahrnehmung überzeitlich nicht zur Zugang der dass wurde, Vorausgesetzt lässt. bringen ob und wie sich dieses Verhältnis mit medialen Wahrnehmungsweisen zusammen darüber, und nachgedacht Taktilität ver und Visualität Haut von Verhältnisder anschaulichte in und durch das über Cunningham Chris mit zusammen wurde sich nirgendwo so radikalisiert, wie in Bezug auf die ›ethnische‹ Haut«. problematisieren, findet zu dies und stecken‹ ›zu Haut spezifischen einer in jekts, Zusammengefasst: Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildete Erinne eine derÜberlegungen Den Ausgangspunkt Zusammengefasst: Bergermann, S. 319. S. Bergermann, Benthien, S. 216. S. Benthien, Work of Director Chris Cunningham Chris Director of Work touchscreen bereits anzukündigen beginnt. bereits anzukündigen (Palm Pictures, (Palm 38 Weiterhin 39 ------

29 Frauen am Steuer Zur Rekursivität des Videoclips am Beispiel von Madonnas What It Feels Like For A Girl

von Matthias Weiß

Der Videoclip ist ein vergleichsweise junges Medienphänomen. Seine Ausbildung zu einem eigenständigen Genre ist untrennbar mit dem im Jahre 1981 erfolgten Sendestart des Musikspartenkanals MTV (Music Television) verbunden.1 Eine rege, auch in akademischen Kreisen geführte Debatte um das Musikvideo setzte recht unmittelbar nach seinem Aufkommen ein und wird bis heute fortgesetzt.2 Aus kunst- oder medienwissenschaftlicher Perspektive kann ein Großteil des bis- her Veröffentlichten allerdings nur bedingt überzeugen. Schwierigkeiten im Um- gang mit dem Videoclip scheint nach wie vor zu bereiten, dass er Ausdrucksformen zu einer ästhetischen Einheit synthetisiert, die in den Zuständigkeitsbereich ver- schiedener Disziplinen fallen. Liest man entsprechende Untersuchungen, so drängt sich bisweilen der Eindruck auf, dass sich der eine Teil der Verfasser die Ohren ver- stopft wie einst die Mannschaft des Odysseus aus Furcht vor dem Sirenengesang,3 während der andere Teil den Blick vom Gegenstand abwendet wie weiland Perseus vom Antlitz der Medusa.4 Begreift man den Videoclip zudem nicht als Interak- tion von Musik und Film, sondern als televisuell vermitteltes Musiktheater,5 so

1 Als erster Videoclip gilt Bohemian Rhapsody (1975. Regie: Jon Roseman/Bruce Gowers) der Grup- pe Queen. Zur Geschichte des Senders MTV und seines Einflusses auf die Gestalt des Videoclips siehe Jack Banks: Monopoly Television. MTV’s Quest to Control the Music. Boulder, CO u. a. 1996; Axel Schmidt: Sound and Vision go MTV – die Geschichte des Musiksenders bis heute. In: Klaus Neumann-Braun (Hg.): VIVA MTV! Popmusik im Fernsehen. Frankfurt am Main 1999, S. 93–131. 2 Eine Übersicht über den Forschungstand liefert Klaus Neumann-Braun in der gemeinsam mit Axel Schmidt verfassten Einführung in VIVA MTV!. Siehe außerdem Klaus Neumann-Braun, Michael Barth, Axel Schmidt: Kunsthalle und Supermarkt – Videoclips und Musikfernsehen. Eine forschungsorientier- te Literatursicht. In: Rundfunk und Fernsehen 45/1, 1997, S. 69–86; Klaus Neumann-Braun: Videoclips und Musikfernsehen. Eine problemorientierte Kommentierung der aktuellen Forschungsliteratur. Berlin 2006. 3 Die Ignoranz gegenüber dem musikalischen Anteil eines Clips in filmwissenschaftlich fundierten Beiträgen beklagten bereits: Simon Frith: Music for Pleasure. Essays in the Sociology of Pop. New York, NY 1988, S. 207; Andrew James Goodwin: Dancing in the Distraction Factory. London 1992, S. 3–7. 4 So zum Beispiel Nicholas Cook, der zwar Madonnas Material Girl (1985. Regie: Mary Lambert) ei- ner vorbildlichen Analyse hinsichtlich der Interaktion von Musik, Bild und intoniertem Text unterzieht, die von ihm selbst als offensichtlich bezeichneten Verweise auf den SpielfilmGentlemen Prefer Blon- des (Blondinen bevorzugt, USA 1953. Regie: Howard Hawks) allerdings explizit aus seinem Argument ausklammert und damit eine – wenn nicht die entscheidende – Sinnebene des Clips übergeht. Nicholas Cook: Analysing Musical Multimedia. Oxford 2000, S. 147–173, hier: S. 147. Zur notwendigen Einbindung der Verweise siehe Matthias Weiß: Madonna revidiert. Rekursivität im Videoclip. Berlin 2007, S. 159f. 5 So vor allem Allan Blaine: Musical, Cinema, Music Video, Music Television. In: Film Quarterly 43/3, 30 Matthias Weiß Probleme jedoch recht eigentlich erst an. Nicht ausreichend geklärt ist beispiels ist geklärt ausreichend Nicht an. erst eigentlich recht jedoch Probleme die fangen dies, Gelingt muss. werden erkannt solche als Bezugnahme eine dass Hieran ist zunächstGestaltungsmerkmale gilt. einmal teristischen problematisch, weniger konkrete Formen aufweist der – Bezugnahme was als eines seiner charak wurden erst unternommen. injüngerer Zeit einbeziehen, mit Positionen kunsthistorische auch Perspektiven senschaftlichen Interdisziplinäre Anstrengungen, die neben musik-, film-, theater- und medienwis berücksichtigen. zu angemessen nicht lässt, beschreiben Aufführung als nerseits zu richten und dabei das medial Vermittelte eben dieser Performance, das sich sei Performance gezeigte Clip im die auf stark zu Augenmerk das Gefahr, man läuft in Weiß 2007, 23–25. S. sich finden hierzu Überlegungen Erste untersucht. ausreichend nicht noch ist Urheberrechts des zung 9 4.TübingenBand 1998, Sp. 235–285. 8 Bilder.zende Interaktionen undFilm von Musik WeißMatthias und Aufsatzsammlung herausgegebene Krüger vonversammeltdie Klaus Film und Musik von Miteinanders des Formen anderen und Videoclip zum und Positionen musikwissenschaftliche theaterwissenschaftliche filmwissenschaftliche, Kunsthistorische, ausgeschlossen. mehr einmal Analysen Themen, Geschichte, den Themenbereich in Wübbena: Thorsten Keazor, Henry veröffentlichten. Einführung Videoclip eine gemeinsam die Wübbena, Thorsten Medienwissenschaftler 7 Media Related and Music dio. –on Visual Visual (Hg.): HolgerLund Lund, Cornelia In: Music. Visual und Musikvideos von(Un-)Unterscheidbarkeit 6 New York, 1999. NY John 1990,2–14; Mundy: S. vorschlug, begreift Texte als ein mosaikartiges Gefüge, das aus der Absorption und damals Kristeva es wie von»Intertextualität«, radikales Konzept Ein 1960 ein. um Jahren den in wieder erst Entäußerungen künstlerischer Interdependenz die um scheint. angemessen kaum hunderts ungebrochener auf Übertrag einen medialen Zusammenhang des 20. und 21. Jahr lers ersteht, hat das Konzept der Künst des Einbildungskraft der aus voraussetzungslos gleichsam Kunst zufolge der allerdings, Genieästhetik der Idee formulierte Jahrhunderts 18. des Laufe im wird. Werkebezeichnet gewordener kanonisch Nachahmung die sei, lernbar auctorum die ist Kategorie Zentrale hilft. Bezug benennen Verweiseszu eines oder nahme einer Stoßrichtung die und unterscheidet Nachbild und Vor- von grade differenziertes Ein äußerst Vokabular stellt die Rhetorik zur Verfügung, die verschiedene Übereinstimmungs sind. zufassen begrifflich Bezugnahmen wie weise, Komplizierter werden solche Analysen noch, wenn ein Videoclip Zitate oder oder Zitate Videoclip ein wenn noch, Analysen solche werden Komplizierter Angestoßen von der Literaturwissenschaftlerin Julia Kristeva, setzt die Debatte Der Zusammenhang zwischen der Ausbildung der Genieästhetik und der gleichzeitigen Durchset gleichzeitigen der und Genieästhetik der Ausbildung der zwischen Zusammenhang Der (Hg.): Ueding Gert In: auctorum. Imitatio Kaminski: Nicola der und Keazor Henry Kunsthistoriker der beispielsweise praktizieren Zusammenarbeit eine Solch Zur Performance. als Bilder – Performance von Bilder Weiß: Matthias siehe Problematik dieser Zu , mit , derenmit Hilfe, alle lehr-vonKunst ausgehend und derdass Annahme, Popular on Screen. From Music Video to Hollywood Music Musical . Bielefeld 2005. Musikwissenschaftliche Positionen bleiben hier allerdings hier bleiben Positionen Musikwissenschaftliche 2005. Bielefeld . imitatio auctorum . München 2008. . Stuttgart 2009, S. 291–294. 2009,S. . Stuttgart 9

7 für obsolet weshalb erklärt, sein Video Thrills The Radio Star.Musikvideos: Radio The Thrills Video itrshs ötruh e Rhetorik der Wörterbuch Historisches . Manchester, imitatio 8 Die Die Tan Au 6 ------,

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Transformation anderer, bereits existierender Texte hervorgeht.10 Problematisch scheint an dieser Konzeption zum einen, dass Texte eigenproduktiv und damit autorlos gedacht werden, was allerdings gerade in einem kommerziellen Kontext wie dem des Musikfernsehens, in dem Autorschaft allein schon aus ökonomischen Gründen eine wichtige Rolle spielt, kaum hilfreich ist. Als problematisch erwei- sen sich außerdem die im Anschluss an Kristeva vorgenommenen Aufweitungen des Textbegriffs sowie die uneinheitliche Vorstellung davon, wie genau intertex- tuelle Beziehungen hergestellt oder wirksam werden und wie Gattungs- oder gar Medienwechsel zu konzeptualisieren sind. Wie der in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Begriff »Intermedialität« ist »Intertextualität« heute am ehesten als Hyperonym zu verstehen, das eine Vielzahl von Ansätzen und Konzepten sub- sumiert, als operativer Begriff aber kaum mehr einsetzbar ist.11 Vor diesem Hintergrund soll für die folgende Analyse, ohne die Leistungen von Rhetorik und Intertextualitätsdebatte aus dem Auge zu verlieren, der Arbeitsbe- griff »Rekursivität« vorschlagen werden. Klarer Vorteil dieses als heuristisches Instrument eingesetzten Begriffes ist es, dass er theoretisch unbefrachtet ist: »Re- kursivität« meint zunächst einmal nichts anderes, als dass sich ein Kunstwerk in noch zu bestimmender Weise auf ein anderes, ihm vorgängiges bezieht. Dieses methodische Vorgehen dient nicht dazu, den oben knapp skizzierten Diskussio- nen auszuweichen. Es soll vielmehr dafür Sorge tragen, dass sich das Argument nicht in einem Eigendiskurs verliert, der den Blick auf die Verweispragmatik des Videoclips eher verstellt als freigibt. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, Zitate und andere Formen der Bezugnahme nicht nur zu identifizieren, zu klassifizieren und mit dem jeweiligen Vorbild ins Verhältnis zu setzen, sondern sie in das Inter- ferenzgefüge aus Musik, Text und Bild einzubinden, um sie als konstitutiven, Sinn stiftenden Bestandteil des Videoclips kenntlich zu machen.

Videoclips können sich in verschiedener Weise rekursiv verhalten. Eines der of- fenkundigeren Verfahren ist das Sampling – ein Begriff, mit dem vor allem die Wiederverwendung und elektronische Weiterverarbeitung von musikalischem Material, aber auch von Bildern bezeichnet wird. Bezüglich des zum Einsatz ge- brachten Verfahrens gehört das Sampling in den Bereich der Arbeit mit Found Footage, in den Bereich von Arbeitsweisen also, bei denen Fremdes, bereits Exis- tierendes in seiner Materialität übernommen und bearbeitet wird. Bezogen auf

10 Julia Kristeva: Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman. In: Jens Ihwe (Hg.): Literaturwissen- schaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, Band 3. Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft 2. Frankfurt am Main 1972, S. 345–375. 11 Eine verbindliche Theorie der Intermedialität oder Intertextualität gibt es nach wie vor nicht. Dies hat seine Ursache unter anderem darin, dass auch die Begriffe »Text« und »Medium« nicht allgemein- gültig definiert sind. Zur Einführung in die Diskussion siehe Thomas Pekar: Intertextualität. In: Ueding 1998, Sp. 526–533. 32 Matthias Weiß kurzer Monolog eingesprochen: »Girls can wear jeans / And cut their hair short / short hair their cut And / jeans wear can »Girls eingesprochen: Monolog kurzer ein wird Beat pulsierendem und Bild von Einsatz dem nach Unmittelbar ent ledigt. Anteile visuellen seiner sondern auditiven, seiner nicht wird Filmmaterial fremdesheißt das verkehrt, Gegenteil Verfahren üblichesein in sonst dieses wird geschnitten.neu Song versehenden zu Bildern mit den auf Abstimmung in und befreit vorhanden, solchen Videos wird in der Regel fremdes Filmmaterial von seiner Tonspur, soweit noch Verwendung. heute auch aber findet erfreut, Beliebtheit einiger sich es ein durchaus übliches Footage Verfahren war und FoundVorist. allem in hat den Achtzigerjahren von Einsatz der dass sagen, zu ist Allgemeinen im Musikvideos 16 eskeinen Clip. gibt Madonnas Zu spricht. Jarrett Cody Arthur Gangsters des Rolle der in Cagney James den ( Titels gleichen Film nenen Album 15 14 gezeigt. auch auf MTV haben ausgeführt, live nächst zu und ersonnen Club-Szene Londoner der In wurden. verschnitten miteinander Videos zweier meist 13 Green). aktuell, oder,vergleichsweise MTV von Gründungsjahr 12 Zwar ist: verstehen zu zugleich Potential und Restriktion als Geschlechtern den Unterschied zwischen vonder beschriebene ihr dass druck, Ein den Worte diese vermitteln ist, eigen zu Gainsbourg Charlotte von Stimme sein. zu heiseren leicht leisen, Verheißungsvolle,der beinahe das Mädchen das durch Unterstrichen ein anfühlt, sich es wie wissen, zu Wunsch den durchaus sie ein Mädchen zu sein. Im Geheimen allerdings, so die Frauenstimme weiter, hegten wie ein Mädchen auszusehen, weil Jungs es grundsätzlich für erniedrigend hielten, gen oder sich das Haar kurz zu schneiden. Für Jungs hingegen sei es erniedrigend, tra zu Stiefel und JeansHemden, erlaubt, es sei Frauenstimme, die so Mädchen, die weiblichebourg Hauptrolle spielt. Zementgarten Spielfilm dem aus stammen Worte eingesprochenen Gainsbourg. Charlotte von Stimme die um sondern Madonna, von die Stimme um nicht sich es handelt einspricht, Monolog diesen eben die chenstimme, Mäd der Bei girl«. a for like feels it What / Wouldn’tyou / like it’s what know to degrading / ’Cause you think that is being a degrading girl / secretly you’dBut love Wear shirts and boots / ’Cause it’s OK to be a boy / But for a boy to look like a girl is

In Thema dieses Monologs sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern: den Geschlechtern: zwischen die Unterschiede sind Monologs dieses Thema Dies Dies weisen die dem Album Songs des Produktion der auchbei Madonna verfuhr Ähnlich wurde unter Der dem Titel Clip sogenannte kamen 2000 Anfang Beispiel zum So What It Feels Like For A Girl A For Like Feels It What True Blue , D/GB/F 1992. Regie: Andrew Birkin), in dem Charlotte Gains Charlotte dem in Birkin), Andrew Regie: 1992. D/GB/F , Sprung in den Todden in Sprung 13 Under Pressure Under

, Sire Records Company, LC Track3228, 3). Er enthält einen Monolog aus einem Mashups Music Madonna. What FeelsLikeFor It AGirl Madonna. Bootleg (Maverick Records Company, Credits nach. beigegebenen LC 01485) ihr ursprüngliches Umfeld relativ schnell verlassen und wurden und verlassen schnell relativUmfeld ursprüngliches ihr von Queen & David Bowie (1981. Regie: David Mallet) aus dem aus Mallet) David Regie: (1981. Bowie David & Queen von , auch: , - oder oder - 16 Maschinenpistolen

von Madonna (2001. Regie: Guy Ritchie) Guy Regie: (2001. Madonna von Mashup What U Gon’ Do Gon’ WhatU -Clips auf, in denen die Ton- und Bildebene Ton-Bildebene die und denen in auf, -Clips White Heat White The Cement Garden Cement The , USA 1949. Regie: Raoul Walsh), Raoul 1949.Regie: USA , von Lil’ Jon (2005. Regie: Gil Regie: (2005. Jon Lil’ von meinen als DVD-Single veröffentlicht. alsDVD-Single (aus dem 1986erschie dem (aus die Jungs nach Jungs die White Heat White ( 15 12 Der Der Die Die In 14 ------

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Auskunft der Sprechenden, ein Mädchen zu sein sei entwürdigend. Die Tatsache allerdings, dass sie nur allzu gern wüssten, was in einem Mädchen vorgeht, deutet darauf hin, dass sie in der Gefühlswelt des anderen Geschlechts Dimensionen ver- muten, die ihnen trotz ihrer vermeintlichen Überlegenheit verborgen bleiben. Dass sich der Monolog von Charlotte Gainsbourg in diesem Sinne begreifen lässt, bestätigen die in The Cement Garden zu ihm gehörigen Bilder. In der Spiel- filmsequenz staffieren die beiden Schwestern Julie (Charlotte Gainsbourg) und Sue (Alice Coulthard) ihren im Grundschulalter befindlichen Bruder Tom (Ned Birkin) mit Kleid und blonder Perücke aus, weil der Kleine unbedingt ein Mädchen sein möchte. Der schroffen Ablehnung, die dies Verhalten der drei vonseiten des pubertierenden Bruders Jack (Andrew Robertson) erfährt, begegnet Julie, indem sie eine in Schuss-Gegenschuss-Konstellationen aufgelöste Situation von hoher Intimität heraufbeschwört. Ganz nah tritt Julie an ihren Bruder heran, und raunt ihm, während sie ihm mit zärtlichen Handbewegungen eine hellblaue Schleife um den Hals bindet, die in What It Feels Like For A Girl wiederholten Worte zu, woraufhin sich Jack zunächst verunsichert zeigt, dann aber auf das Spiel mit der geschlechtlichen Identität des kleinen Tom eingeht. Die Intimität zwischen Ju- lie und Jack und das ihr anhaftende Skandalon, das in der deutlich inzestuöse Züge tragenden Vertrautheit der Geschwister gründet, sind freilich kaum das, was vermittels des Textausschnitts in das Musikvideo transportiert wird. Durch die Beschränkung auf das Auditive wird das Augenmerk vielmehr auf das Spannungs- verhältnis gelenkt, das zwischen der Unerhörtheit des Vorwurfs, den Julie for- muliert, und der Unaufgeregtheit, mit der sie eben diesen Vorwurf zum Ausdruck bringt, besteht.17 Eine zweite, in ihrer formalen Qualität von der gerade aufgezeigten zu unter- scheidende und in den Arbeiten von Madonna weitaus häufiger zum Einsatz ge- brachte Form der Wiederholung findet sich in den wenigen, mit zarter Kopfstim- me eingesungenen Versen, die den letzten Satz der fremden Rede – »What it feels like for a girl« – nachformulieren. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das mit Blick auf die Kongruenz von Wiederholtem und Wiederholendem einerseits und die Nichtidentität der Stimmen andererseits im Sinne der imitatio auctorum als Zitat zu fassen ist. Zugleich aber bleibt dieses Nachformulierte nicht isoliert oder unverändert stehen, sondern wird um andere Satzteile ergänzt oder fragmen- tiert, mit den zuvor ergänzten Satzteilen wieder neu kombiniert und ein ums and-

17 Der im Clip zu hörende Song entspricht nicht der Albumversion. Verwendet wurde vielmehr ein Remix, der den Untertitel Above & Beyond 12" Club (Maverick Recording Company, LC 01485, Track 2) trägt und auf den Strophentext komplett verzichtet. Besagte Strophen handeln davon, dass Mädchen zwar stark sind, man sie aber durch die Reglementierung ihrer äußeren Erscheinung, ihres Sprechens usw. dazu anhält, schwach und verletzlich zu wirken. Der Songtext findet sich im Internet, siehe zum Beispiel http://www.azlyrics.com/lyrics/madonna/whatitfeelslikeforagirl.html (12.06.2008). 34 Matthias Weiß verhärtet. Und lautet die Antwort Julies auf die einige Sequenzen zuvor von Tomvonzuvor Sequenzen einige die auf Julies Antwort die lautet Und verhärtet. als mehr Frau und Mann zwischen Fronten die Clip im scheinen so aufzulösen, Grenzziehungeneindeutige handelt, der Möglichkeit den zwischen Geschlechtern von auch sondern Wunsch, vom nur nicht Spielfilm dem aus Szene beschriebene Reflexionaber könnte unterschiedlicher nicht ausfallen. Denn während die vorhin schlechter werden, die auf der des Bildebene Musikvideos Gestalt annimmt. Diese Ge der Verhältnis das über Reflexion eigenständigen einer Epizentrum zum ge in Julie von die lässt Worte gleichen immer »Do you what feels know it like inthis world /For agirl«. re »Do you what feels know it Mal wiederholt: like for /Inthis world«. Oder: agirl gefälschter Führerscheine. Dann sehen wir noch einmal die alte Frau im Heim, die voll Hand einer aus sie wählt übersät, Hämatomen und Tätowierungen Mit den. Anklei beim zwar und Motel, im Frau die einmal noch wir sehen Clips des Ende Gegen Luft. die in Kraftstoffs ausströmenden des Hilfe mit Tankstelle gesamte eine der sie Sie undZapfsäulen ihn zertrümmert sprengt überfährt die ungerührt. weiteres ein Als Gefährt. der Besitzer stiehlt des roten Pontiac sie Firebird sich heißtihr in den Weg das stellen will, – Wagen den sie wechselt Tankstelle einer An zurückzuschrecken. Kollisionen vor ohne Spieler, die jagt und Rollhockeyfeld ein über fährt Motorräder, und Autos weitere rammt davon, rast Frau Die hindert. Auffahrunfall, der dieAirbags des Polizeiwagens auslöst undso die Verfolgung ver einen sie provoziertPolizistenwollen, die verfolgen sie Als erweist. Wasserpistole Revolver,einem mit als sich Beamten der bedrohtpausieren.die Sie In Drive dem in ebenfalls die Polizisten, zweier Auto das Wagen ihrem mit sie demoliert Dann derGroßteil geraubten Scheine in die Taschen einer verdutzteinen dreinschauenden Serviererin. sie stopft In Drive einem in Rast einer Bei Dollar. Bündel dickes ein Trenchcoat im Mann kräftigen einem raubt und aufblitzen einen Elektroschocker lässt aus, steigt Geldautomaten, eines Nähe der in Frau die hält Sequenz holt zu einer weiten Volte aus und rammt den Wagen der Ampel, Männer. die In der nächsten über Rot bei sie fährt dann Doch an. ihn zwinkert sie denn zugehen, ein Flirt den auf Frau die scheint Zunächst zu. Kuss einen ihr wirft und Blonden der Aufmerksamkeit die um sich bemüht Fahrer Der Männern. jungen drei mit Wagen einem neben sie halten Ampel roten einer An wird. Nacht es bis fahren, zu einem Altenheim und eine ab.holt der dort Bewohnerinnen Die beiden Frauen fährt Camaro kurz, Chevrolet schließt ferMotel.gelben Sie ein einen verlässt und Kof ihren Pagenkopf(Madonna) blondem mit Frau eine packt Bildebene der Auf che und nicht bremsende zu dieMädchen ein länger muss, Wut sein fühlt. fürchterli es dass nahe, Musikvideos des Bildebene die legt so sogar, schön ganz gestellte Frage, wie es eigentlich sei, ein Mädchen zu sein: es sei gar nicht schlecht, iss etnie idroe, iss me wee Nuomlee der Neuformulieren wieder immer dieses Wiederholen, beständige Dieses The Cement Garden Cement The gestellte Fra gestellte ------35 sich Beinschienen anlegt und im Fernsehen eine Verfolgungsjagd betrachtet, und schließlich das Ende der wilden Fahrt, bei dem das rote Auto mit hoher Geschwin- digkeit gegen einen Strom- oder Laternenmast rast und an ihm zerschellt. Wie bereits angedeutet, entwickelt sich die Bildebene von What It Feels Like For A Girl völlig losgelöst von der des SpielfilmsThe Cement Garden.18 Gleich- wohl ist die Bildebene des Clips, die sich zusammenfassend als tödlich endende Amokfahrt einer schönen Frau beschreiben ließe, geradezu durchwebt mit Wieder- holungen, die einer Reihe anderer Spielfilme entstammen – deren Kategorisierung allerdings weitaus schwerer fällt als im Falle der Textbezüge. Diverse Anspielungen finden sich beispielsweise auf die Rahmenhandlung von Fried Green Tomato- es At The Whistlestop Café (Grüne Tomaten, USA 1991. Regie: Jon Avnet), in der die biedere und unter ihrem geringen Selbstwertgefühl leidende Hausfrau Evelyn Couch (Cathy Bates) auf eine alte Dame (Jessica Tandy) trifft und aus de- ren Erzählungen den Mut und die Kraft schöpft, sich von den Diskriminierungen und Demütigungen, die ihren Alltag bestimmen, zu emanzipieren. Genannt seien von den zahlreichen Gemeinsamkeiten zwischen Clip und Film die Figurenkons- tellation, sprich: die Bildung einer Solidargemeinschaft zwischen einer alten und einer jüngeren Frau, der Umstand, dass die greise Dame in einem Altenheim lebt sowie die Tatsache, dass die jüngere Frau die ältere im Verlauf der Handlung mit sich nimmt. Als weitere, recht konkrete Bezugnahme erweist sich der ganz gezielt herbeigeführte Auffahrunfall, der als Reaktion auf das demütigende Verhalten der Geschädigten zu verstehen ist. Wie bereits erwähnt, quittiert die von Madonna dargestellte Autofahrerin mit ihrem Tun die selbstgefälligen Avancen, die ihr der junge Mann aus dem anderen Wagen macht. Evelyn wiederum rächt sich auf dem Parkplatz eines Supermarkts an zwei jungen Frauen in einem roten Käfer Cabrio- let, die ihr erst eine Parklücke vor der Nase wegschnappen und sie dann auch noch verhöhnen.19

18 Einziger vager Anknüpfungspunkt auf der visuellen Ebene ist der wirtschaftliche wie sexuelle Po- tenz symbolisierende, rote Sportwagen des Mittdreißigers Derek (Jochen Horst), der als Liebhaber Ju- lies in die hermetische Welt der Geschwister eindringt und so für Unstimmigkeiten sorgt. 19 Sicher zu Recht weist Änne Söll darauf hin, dass sich hinter dem recht prominent ins Bild gesetz- ten Namen des Altenheims – Ol Kuntz Guest Home – ein Wortspiel verbirgt, mit dessen Hilfe seine Bewohnerinnen als old cunts, als »alte Fotzen« verunglimpft werden. Änne Söll: »Gewalt als natürliche chemische Reaktion von Östrogenüberschwemmung der Synapsen«. Transgression und Geschlecht in Rists ›Ever is over All‹ und Madonnas ›What it feels like for a girl‹. In: Hanno Ehrlicher, Hania Sieben- pfeiffer (Hg.): Gewalt und Geschlecht. Bilder, Literatur und Diskurse im 20. Jahrhundert. Köln u. a. 2002, S. 85–105, hier: S. 104, Anm. 34. Hinzuzufügen ist, dass dies ein weiterer Verweis auf Fried Green Tomatoes At The Whistlestop Café sein könnte. Auch im Film zeigt eine Einstellung den Eingang des Altenheims, den hier ein Dreiecksgiebel mit der Aufschrift Rose Hill krönt. Aufgrund der topischen Analogisierung von Frauen mit der Königin der Blumen suggeriert dies einen wertschätzenden Umgang mit den betagten Damen. Im weiteren Verlauf des Films erweist sich die Namensgebung allerdings als euphemistisch. 36 Matthias Weiß sich überdies in der gesamten Dramaturgie des Clips ausmachen, allerdings ohne allerdings ausmachen, Clips des Dramaturgie gesamten der in überdies sich war. willens von reserviert Männern von strahlung Aus zur bis die allerdings, Metapher eine – ist verstehen zu Freiheit persönlicher nach Streben das für Metapher als Roadmovies Traditiondes der mit Einklang in Autofahrens, des das Motiv bestimmende Handlung die das sowie begeben, Ende Alters, gleichen etwa Frauen sche solidari miteinander zwei Fall diesem in Figurenkonstellation, die hier auch ist Roadmovie ten Jahr wie 22 2002. DavidLaderman: außerdem siehe allgemein movie Soyka: In: Steven Cohan, Ina Rae Hark (Hg.): 21 sie die –die älteren jüngeren dass das Frauen wagen, verabsäumt –etwas haben. verstehen gibt, zaghaft an. Diese Szene ist voller Melancholie und lässt sich so lesen, dass die ältere Frau der jüngeren zu Vordere Louise Die lächeltbeobachten.Fenster ein durch sie die Frauen, alte zwei bemerkt und Wagen im Louise wartet ausraubt, Lebensmittelladen einen Freundin ihrer Wissen das ohne Thelma Während auf Rekurs abermaligen als Alten der Konzeption die es, wäre möglich Verhaltenälteren der das Beisein f.97 Auch das jüngeren der S. Frau. Söll, zufolge legitimiert Ihr schaft. Komplizinnen der Moment das über argumentiert Söll klären. eindeutig nicht sich lässt Dargestellten 20 hin. Clip dem aus Frauengestalt namenlosen der und Marnie Figur der Konzeption der in lelen Paral abermalige weisen Aperçu, filmhistorisches ein oder Zufall ein als ist mehr Wiederholung diese dass Darauf, entscheidet. Versicherungskarten schiedenen Thriller Hitchcocks aus Zitat spiegelverkehrtes, auch wenn ein, um sich es handelt wählt, Führerscheine voll Hand einer aus Dargestellte Madonna von die der in stellung, Ein erwähnten bereits der Bei Hitchcock. Alfred von Schaffen das auf zwar und Filmgeschichte, die in zurück weiter weist sondern ein, Neunzigerjahre chenden anbre der vonvorgenommeneEmanzipationsfilmen hierAufzählung die nichtin Verlust büßt. Fahrzeuges seines dem mit sind, eingegangen Angebot eindeutiges sein auf Schein zum Frauen die nachdem Gebaren, obszönes sein und aufbringt sich gegen Zungenschlag renden aufdringlichen Fahrer eines Trucks, der die Frauen mit seinem Oralverkehr imitie ten Männerfigurenwie dem tumben, von den Frauen bloßgestellten Copoder dem Als Beispiel genannt seien die angelegten etappenartig Begegnungen mit klischier manifestieren Bildfindungen sich dies dass in würde. der greifbarer Wiederholung Mindestens ebenso grundsätzliche Bezugnahmen gibt es auf das im gleichen gleichen im das auf es gibt Bezugnahmen grundsätzliche ebenso Mindestens Eine weitaus konkreter fassbare Bildwiederholung wiederum reiht den Clip Clip den reiht wiederum Bildwiederholung fassbare konkreter weitaus Eine Wie in Wie allen anderenist die in Clips road.the on Genregender and Western Eastwood. meets Roberts: Shari Beispiel zum hierzu Siehe Madonna von der zu Verhältnisihrem und Clip dem aus Frau alten der Rolle der nach Frage Die Raum und Geschlecht. Frauen im Road Movie der 90er Jahre90er der Movie Road im Frauen Geschlecht. und Raum Marnie Fried Green Tomatoes At The Whistlestop Café 22 Thelma & Louise & Thelma Wie die von Madonna Dargestellte begehrt auch Margaret Edgar Edgar Margaret auch begehrt Dargestellte Madonna von die Wie Thelma & Louise & Thelma (USA 1964), in dem sich die Titelfigur für eine von mehreren von eine ver für Titelfigur die sich dem 1964),in (USA TheRoadMovie Book What Feels Like It For A Girl für die Umschreibung des Selbstbehauptungs des Umschreibung die für 20 (USA 1991. Regie: Ridley Scott). Zu benennen benennen Zu Scott). Ridley Regie: 1991. (USA die sich auf eine wilde Fahrt mit tödlichem mit Fahrt wilde eine auf sich die 21 Grundsätzliche ÜbereinstimmungenGrundsätzliche lassen Driving Visions. Exploring the Road Movie Road the Exploring Visions. Driving . London, New York, NY 1997, S. 45–69. Amelie . Frankfurt am Main 2002. Zum Road Zum 2002. Main am Frankfurt . Thelma & Louise & Thelma von Madonna gespielte Figur in die Kinos gelang . Austin, TX Austin, . zu werten: werten: zu ------37 alias Marnie (Tippi Hedren) gegen eine ihr von Männern unerträglich gemach- te Welt auf, indem sie zur Kriminellen wird: Ihre durch Verkleidung und das Be- nutzen falscher Versicherungspapiere vollzogenen Identitätswechsel dienen der Verschleierung von Diebstählen beträchtlicher Summen Geldes, die sie in immer anderen Betrieben und Unternehmen begeht. Ein augenfälliger Unterschied zwischen Marnie und der Frau aus dem Clip ist allerdings, dass Hitchcocks Figur ganz ausdrücklich keine Autofahrerin ist. Sie fährt mit dem Zug oder mit dem Taxi und reitet einen ungestümen Rapphengst namens Forio. Doch hinter dem Steuer eines Autos sieht man sie zu keiner Zeit. Dennoch gibt es in Marnie eine zentrale Szene, in der das Autofahren zum Indikator für per- sönliche Freiheit einerseits sowie das Verhältnis – oder besser: das Missverhältnis – zwischen den Geschlechtern andererseits wird. In dieser Szene sitzt Marnie auf dem Beifahrersitz neben dem Verlegersohn Mark Rutland (Sean Connery), der sie gerade der Veruntreuung überführt hat, ihr aber dennoch in einer eigenwilligen Mischung aus aufrichtigem Gefühl und rücksichtsloser Inbesitznahme seine Liebe gesteht und ihr die Ehe mit ihm eher aufzwingt als anträgt, was Marnie sichtlich in die Enge treibt. Dramaturgischer Höhepunkt der verbalen Auseinandersetzung zwischen Mark und Marnie ist, dass die Frau sich und ihre Lage einem wilden Tier vergleicht, das in eine Falle geraten ist – ein Vergleich, den Mark bereitwillig und mit stolzem Unterton nicht nur bejaht, sondern fortführt, und der in der Beengt- heit und Unausweichlichkeit der Konfliktsituation im Wageninneren sichtbaren Ausdruck findet. Anders als inThelma & Louise oder in Fried Green Tomatoes At The Whistlestop Café wird in Marnie das Automobil demnach nicht zum Vehikel weiblicher Selbstbehauptung, sondern mutiert zu einem Käfig, in dem die gesellschaftliche Konventionen gezielt überschreitende Frau ihrer Freiheit beraubt und im weiteren Fortgang der Handlung ihrer ›Domestizierung‹ zugeführt wird. Aufschlussreich scheint an dieser Sequenz überdies, dass Hitchcock den zumin- dest als einen Motor der Handlung wirksamen Geschlechterkonflikt nicht nur in Form einer Autofahrt umsetzt, sondern die gesamte Szene explizit mit dem Motiv der Jagd verbindet. Hitchcock bemüht hier einen topischen Vergleich, mit dessen Hilfe das wenig friedvolle Verhältnis zwischen Mann und Frau seit der Antike va- riantenreich umschrieben wird.23 nicht zufällig namenlos. Anders als auf der Theaterbühne oder im Spielfilm üblich, sind Darsteller und Figur im Videoclip selten eindeutig zu trennen, das heißt die Figur aus dem Clip ist zwar einerseits eine fiktive Figur, soll aber andererseits auch immer als Madonna identifiziert werden (womit nicht die Pri- vatperson, sondern das medial vermittelte Image Madonnas gemeint ist). Diese Ununterscheidbarkeit von Figur und Darsteller scheint ein wesentliches Merkmal des Populären zu sein. Parallelen ließen sich beispielsweise zu den Filmfiguren Rocky Balboa und Rambo ziehen, die nicht von ihrem Darsteller Syl- vester Stallone zu trennen sind. 23 Hierzu ausführlich: C. Joachim Classen: Untersuchungen zu Platons Jagdbildern. Berlin 1960; Werner von Koppenfels: Esca et Hamus. Beitrag zu einer historischen Liebesmetaphorik. München 1973. 38 Matthias Weiß Taylor) ausdrücklich vor der blonden Frau aus der Stadt warnt, sowie einige Selbst Aussagen von Lydia Brenner (abermals: Jessica Tandy), die ihren Sohn Mitch (Rod zwar keine Kriminelle, wohl aber eine Frau von zweifelhaftem Ruf. Hierauf deuten Melanie ist Marnie als Anders wird. gespielt Hedren Tippi von ebenfalls Daniels Film te zu Nähe unmittelbarer in zeitlich der findet, Hitchcocks Alfred Film weiteren einem in noch sich andererseits, Freiheit verwehrter oder zugestandener Indikator als des Miteinanders der Geschlechter als grausame Jagd einerseits und die Autofahrt in Federtiere sammelt. stolzen einem krächzenderbedrohlich Unzahl eine sich wo Himmel, den in mit irritiert sie Avancenschaut Dann quittiert. Lächeln die und stellt Pose in sich umwendet, sich diese woraufhin nach, Straße der auf Frau der Männer pfeifen Eingangssequenz der In Verbindunggebracht. in Vögel Verhaltender 25 Crane aus (Janet Marion oder Leigh) vor Zusammenhang diesem allem Frances Stevensin (Grace Kelly) aus kommen Sinn den In untersuchen. zu Charakteren weiteren an wäre lässt, übernehmen Autos eines Steuer das sie er Verhaltensdass weiblichenunterstreicht, dadurch heit 24 von Bildebene die dass deutlich, wird so Hintergrund, diesem vor Madonna von Clip den man Sieht lehnt. Mutter seiner Schulter die an Fond im Melanie angeschlagene schwer psychisch währendvon Steuer WagenMelanies sich physischMitchdie das wie übernimmt, Films des Ende am dass manifestiert, darin zuletzt nicht sich Ordnung alten der Wiederherstellungdie oder wunder, Sieg derkaum dass Kontext diskutierten hier brechen.Frau der Willen den Attackenlebensbedrohlichen wiederholten, ihren mit und machen sie auf JagdVögelihrerseits indem lerdings, al sie bezahlt Ordnung deren Weltund vorgefundene dort die in Einbruch Ihren entlang. Küstenstraße die Cabriolet Mercedes silberfarbenen ihrem in Geisteskranke sie eine rast Wie fahren. zu Auto Art, ihrer in auch sondern machen, zu Mann unbekannten Grunde im ihr einen auf Jagd wagt, es sie Tatsache, dass der in nur nicht Selbstbewusstsein grenzendes Unverschämtheit an ihr Tuns, ihres Bay.Küstenstädtchen das Bodega matort, diefindet Unangemessenheit Ausdruck Sperlings gesuchten umsonst nicht Englischen im – papageien vergeblich ihm von die sie kauft hat, gefunden Auftreten forschen seinem an Gefallen und ist getroffen Mitch auf zufällig Vogelhandlung einer in Verhalten. MelaniesBlonde vonschöne Nachdem dieUnangemessenheit permanente die allerdings ist Indikator Wichtigster Frau. jungen der auskünfte Marnie Bezogen Bezogen auf die Frage nach dem Rekursiven ist außerdem anzumerken, dass die Marnie i sxel Atatvtt eais id lih u ein e Fls i dm ungewöhnlichen dem mit Films des Beginn zu gleich wird Melanies Attraktivität sexuelle Die Unangemessen die Sechzigerjahren und Fünfziger- den in zumindest Hitchcock Alfred Inwiefern The Birds The erfolgte Verquickung erfolgte Umschreibungnämlichdie Grundmotive, zweier entstanden ist. Gemeint ist der ein Jahr zuvor in die Kinos gelang Kinos die in zuvor Jahr ein der ist Gemeint ist. entstanden ( ht t el Lk Fr Girl A For Like Feels It What Die Vögel Die Psycho To Catch A Thief , USA 1963), dessen weibliche Hauptfigur Melanie Hauptfigur weibliche dessen 1963), USA , (USA 1960). (USA lovebirds ( Über den Dächern von Nizza – und folgt ihm in seinen Hei seinen in ihm folgt und – ih nr l Atot auf Antwort als nur nicht 25 Und so nimmt es im es nimmt so Und , USA 1955) 24 ­ - - - - -

39 die von Charlotte Gainsbourg alias Julie gestellte Frage, sondern auch als Ausein­ andersetzung mit dem im Hollywood-Kino vermittelten Bild von Auto fahrenden Frauen gelesen werden kann – und wohl auch soll.26 Fraglich bleibt allerdings, ob oder inwieweit das Miteinander der Rekurse, die in ihrer Bandbreite von der Übernahme bestimmter Figurenkonstellationen oder dramaturgischer Grundsitu- ationen über die Anspielung auf einzelne Szenen oder Motive bis hin zum kon- kreten Zitat einer Einstellung reichen, ein eigenständiges Sinnpotential entfalten, inwiefern sie sich also nicht nur als Affirmation, sondern als kritische Reflexion des jeweiligen Vor-Bildes auslegen lassen. Bezüglich der mit Hilfe eines konkreten Bildzitats aufgerufenen Filmfigur Marnie lässt sich das Auftreten Madonnas als Radikalisierung des gleichnamigen Spielfilms begreifen. Denn anders als Hitch- cocks Blondine, die nach ihrer ›Heilung‹ von einem bereits in Kindertagen erlitte- nen Trauma zu der Einsicht gelangt, dass die Ehe mit Mark einer Gefängnisstrafe vorzuziehen sei, und die deshalb bereitwillig auf der Beifahrerseite in den zuvor als Falle titulierten Wagen einsteigt, verfolgt die von Madonna Dargestellte ihren Weg mit aller, ja: mit tödlicher Konsequenz und macht das von ihr gefahrene Auto zu einer Waffe, die sie zunächst gegen Männer und schließlich gegen sich selbst richtet.27 Ähnliches lässt sich trotz aller Parallelführung in der Dramaturgie auch für das Verhältnis des Clips zu Thelma & Louise konstatieren: Ist im Spielfilm die Fahrt der beiden Frauen durch den Mord an Harlan motiviert und ist diese Tour de Force zuallererst eine kopflose Flucht, die erst nach und nach zu einer Fahrt in die Frei- heit wird, so radikalisiert der Clip diese Idee, indem die von Madonna Dargestellte ihre Parforcetour scheinbar ohne jeden Grund antritt.28 Genau dieses Fehlen ei- nes konkreten Anlasses allerdings deutet, unterstützt durch die Rückbindung an die wieder und wieder eingesungene Refrainzeile, darauf hin, dass die Amokfahrt

26 Hierfür spricht auch das Fernsehbild im Fernsehbild, das als Reflexion über die mediale Verfasst- heit von Videoclips verstanden werden kann – ein topisches Motiv, das bereits in den Achtzigerjahren regelmäßige Verwendung fand. E. Ann Kaplan: Rocking Around The Clock. Musictelevision, Postmodernism, and Consumer Culture. New York u. a. 1987, S. 34ff. Möglich wäre es allerdings auch, das Fernsehbild im Fernsehbild als Hinweis darauf zu verstehen, dass der gesamte Clip nichts weiter als die Ermächtigungs- fantasie der alten Heimbewohnerin ist. 27 Kaum Zufall kann es vor diesem Hintergrund sein, dass es sich bei den Ausweispapieren in den Händen von Madonna eben nicht um Versicherungskarten, sondern um Führerscheine handelt. Anders als Marnie ist die Figur aus dem Clip eine Frau am Steuer. 28 Lohnenswert wäre es sicher auch, What It Feels Like For A Girl auf den von Madonna und Guy Ritchie kurz zuvor im Auftrag des Automobilkonzerns BMW gedrehten Kurzfilm Star (2001) zu beziehen. Dieser handelt von der Verschwörung zweier Männer – einem Manager (Michael Beattie) und einem von ihm angeheuerten Fahrer (Craig Owens) – gegen eine prominente Frau (Madonna), die ihren Manager nach Kräften malträtiert. Diese auch als Geschlechterkonflikt lesbare Verschwörung artikuliert sich in einer wilden Fahrt, während der die Frau erbarmungslos im Fond des Wagens hin und her ge- schleudert und schließlich äußerst unsanft und völlig derangiert an ihrem Ziel, einer Pressekonferenz, abgesetzt wird. Der Film ist Teil der DVD The Hire. A Series Of 8 Short Films. 40 Matthias Weiß den schwesterlichen Kuss, das siegreiche Emporhalten der ineinander gelegten gelegten ineinander der Emporhalten siegreiche das Kuss, schwesterlichen den Musik, unterlegten Sequenz dieser der Pathos das über Vermittelt Canon. Grand aus dem Spielfilm für den Tod und rasen mit ihrem Wagen übereine Klippe in den Louise in den Ausgang der von gangEingriff auchdes Clips, als korrigierender lässt. angedeihen Serviererin) der Alten, (der FrauenanderenFrau die welche Solidaritätsbekundungen, fälligen selbstge die durch noch Spritzpistole) einer mit Schießen ihr Madonna, kauende Food Fast (die Brechungen ironischer Einstreuen das durch weder Furor dieser wird Relativiert nimmt. Visier ins Geschlechterverhältnisse sondern Männer,ren benennba namentlich keine Film im Weiseals grundsätzlicherer noch in Clip im Image ein. Image aus Grund dem entwickelt. DamitFirmenlogo steht er gleichsam emblematisch für den Wagen und sein 31 allerdings eineFrau. kein Mann,automaten. sondern des Überfalls Opfer ImFilmistdas Geld am Überfall der sich Parallele erweist DespentesvonAls Film ist. zum lesen »Cat«»Pussy« und zu den auf Film denen von diebeispielsweise des Nummernschilder Meyer gelben Sportwagens, Aufverweisen lassen. aufzeigen Bezüge motivische auch sich denen zu Filme, zwei – Despentes) Virginie Regie: Tittfield von ber 30 zuvor geraubtes Geld indie Kellnerin Taschen und gerade der sichtlichstopft. irritierten rückt Brille 29 teten fürimmer zusammenschlägt. Flügel der die Kühlerhaube zierende, gold schimmernde seine Feuervogel weit ausgebrei Firebird in einer beinahe abstrakt anmutenden Einstellung an einem Mast, so dass rotePontiacder andere Frauenzerbirst Welteine tatsächlich in scheint, tragen zu die Donnervogel, glänzende metallisch dieser Louise, von Thunderbird Ford ne grü der während Denn Schlusseinstellung. jeweiligen der Aufladungen bolischen sym die auch sprechen ist, eingeschrieben Scheitern ein Clips des Schluss dem während feiert, Befreiung der Form eine als tatsächlich Ausgang seinen Film der richtet. selbst sich gegen erwähnt, wie schlussendlich, Frau die welche Waffe, eine bleibt ma & Louise von Ende das für sie wie Vorbehaltlosigkeit, der in nicht demnach Wagen gefahrene Madonna von der wird Clips des Ende das auf Blick Mit scheint. sein Girl A For Like Feels in Entschluss finale der währendHeroische, ins Freitod diesen Film der überhöht verweigert), (oder erspart Insassinnen seiner und Autos zerschellenden des Anblick den uns das Fade-to-white, beschließende Film den das sowie Hände Wie die Streifen auf der Kühlerhaube des gelben Wagens ist auch der goldene Vogel auf rotem auf Vogel goldene der auch ist Wagens gelben des Kühlerhaube der auf Streifen die Wie In seiner Unversöhnlichkeit ist der Film näher an die Auffahrunfall dem nach ihr anschnallt, Begleiterin betagte ihre Madonna dass ist, Gemeint 30 verstanden werden kann: Zwar entscheiden sich auch die beiden Frauen beiden die auch sich entscheiden Zwar kann: werden verstanden Für die Gegenläufigkeit dieser Interpretationsvorschläge, das heißt, dass dass das heißt, dieserInterpretationsvorschläge, Für die Gegenläufigkeit kennzeichnend zum Stifter ist, oder Garanten von Freiheit, sondern , USA 1966. Regie: Russ Meyer) oder oder Meyer) Russ Regie: 1966. USA , das Resultat von Resignation oder gar Verzweiflung zu Verzweiflung gar oder Resignation von Resultat das 29 Relativiert wird diese Wut einzig durch den Aus den durch einzig Wut diese wird Relativiert 31 Faster, Kill Kill! Pussycat! Baise-moi ( Baise-moi (Fick mich!) (Fick Baise-moi ! ( Die Satanswei Thelma & What It It What ), F 2000. F ), Thel ------41 »… als Kläranlage gewissermaßen« Im Schwarzen Kanal der Entsorgung des Fernsehens folgen

von Ingo Landwehr

[…] Dieses oberflächliche neuerungssüchtige Gesindel Das seine Stiefel nicht zu Ende trägt Seine Bücher nicht ausliest Seine Gedanken wieder vergisst Das ist die natürliche Hoffnung der Welt. Und wenn sie es nicht ist So ist alles Neue Besser als alles Alte.1 Bertolt Brechts fulminante Affirmation des Neuen aus dem Jahr 1929 fungiert bis heute als prägnanter Ausweis der anti-reaktionären Haltung, mit der das Denken der Moderne gern verknüpft wird. Eine betont progressive Haltung, die das schöp- ferische Potenzial einer Differenz Alt/Neu konstituiert und vorwärts gewandt, qualitativ ausdeutet. Das Neue, alles Neue, ist besser. Besser als alles Alte. Und zwar bedingungslos. Brechts resolute Parteinahme für das Neue gründet in einem vernehmlichen Unbehagen einem Alten, einem Reaktionären, einem Regressiven gegenüber. Sein fatalistisches Plädoyer für das Neue ist Konsequenz eines verein- fachten Geschichtsbildes, das der Dichotomie Alt/Neu entspringt. Diese Unter- scheidung ruht einer Auffassung auf, die Zeit als voranschreitenden, tendenziell linearen, kontinuierlichen Prozess begreift; gern im Bild eines Flusses gespiegelt. Zeit verfließt, vom Alten ins Neue. Brecht konkretisiert dieses Zeit-Bild später, mit ungebrochener Emphase für das Neue:

»Denn die Zeiten fließen, und flössen sie nicht, stünde es schlimm für die, die nicht an den golde- nen Tischen sitzen. Die Methoden verbrauchen sich, die Reize versagen. Neue Probleme tauchen auf und erfordern neue Mittel. Es verändert sich die Wirklichkeit; um sie darzustellen, muß die Darstellungsart sich ändern. Aus nichts wird nichts, das Neue kommt aus dem Alten, aber es ist deswegen doch neu.«2

In diesem, freilich aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat pointiert Brecht sei- ne Progressivität mit der sie bedingenden Kontinuität: der stets veränderliche, aber doch stete Fluss der Zeit; das Neue, das aus dem Alten entspringt, das aber

1 Bertolt Brecht: Alles Neue ist besser als alles Alte. In: Ders.: Gesamtwerk, Band 4, Frankfurt/Main 1967, S. 314f. 2 Bertolt Brecht: Schriften zur Literatur und Kunst. Band 2, Frankfurt/Main 1967, S. 144f. 42 Ingo Landwehr stets veränderlichen und paradoxen Status zumisst: »Wir steigen in denselben denselben sind esnicht.« sindFluß undes dochwir nicht wir indenselben, in steigen »Wir zumisst: Status paradoxen und veränderlichen stets einen Sein demHeraklit bei die gelten,Flusslehre solchen einer Kondensation als Aphorismus berühmter Heraklits ver wird. sinnbildlicht Zeit dem mit Bild, ältesten vielleicht und populärsten dem entspricht und Brechts Zeitentwurf ist und Erneuerung. war natürlich nichts Neues, der im Gegenteil, er Prozesses entsprach des zuletzt nicht Darstellung zur Darstellungsmodi; neuer entsprechend es bedarf Wirklichkeit, die sich Erneuert sei: fassen zu Welt die der mit Instrumente, der Abhängigkeit Weltin Veränderungder fortlaufende trotzdem, und eben genau Darandeswegen, neu ist. gekoppelt versteht Brecht die 4 3 die behandeln, Problemfelder Sie aber beiden treteneignet. Flussanalogie nimmt gar man in BrechtsBeziehung, verschiedene zwar sie da fassen, zu Flüssen Bildern von in triftig Problemfeld ihr Konzepte beide vermögen Unterschiede ihrer Trotz Turbulenz. einsehbare oder ab- immer nicht die Verwirbelung, und schung Vermi stetige die sondern zentral, Williams bei steht Alt/Neu Abfolge die Zeit, von Fortfluss kontinuierliche der Nicht verwandten. Brecht bei der von mental funda mithin sich unterscheidet Williams bei Flussanalogie Die Fluss. belnden verwir und strömenden einen in Beziehungsaufnahme, Vermischungund lichen kontinuier einer in mündet und liquidiert Fernsehen im wird Alt/Neu Differenz zeitliche Die Reihung. schlichten dieser Auflösung einer mit dominant, Williams laut und überdies, operiert Es entspricht. Programmabfolge der Taktung dessen Zeitregime, nicht somit nur linear-sequenzielles ein Aus dem Fernsehen erwächst timing das Zeitgepräge, Das betreibt. zueinander Grenzen ihrer Verflüssigung die damit und Elemente stehender Beziehung in unterschiedlich Relationierung fließende Es geht Williams um eine sowohl offensichtlichewie verborgeneStruktur, dieeine declared organisation.« though real, is undeclared, and in which the real internal organisation is something other than the me series of timed sequential units by a flowseries of differently related units in which the timing, »Yet it may be even more to important see the processtrue as flow: the replacementof a program Konjunktur.Fernsehens einebemerkenswerte alsFluss des Bild theoretisierte das erlebte wird, begriffen – Programmstuktur mentierten linearisiert-seg einer zu Gegenüberstellung in – Elemente disparater gehender, über ineinander Prozess fließender als Fernsehens das dem in Jahren, Siebziger des Konzept Williams’ Raymond mit Spätestens Zeiterfahrung. ner ei hinsichtlich besonders und auch geworden, Sinnstifter populärer und reicher Auch für die Fernsehwissenschaft ist die Analogie des Flusses ein erkenntnis ein Flusses des Analogie die ist Fernsehwissenschaft die für Auch Raymond Williams: Williams: Raymond Capelle: Wilhelm , sei dabei zwar real erfahrbar, aber aber erfahrbar, real zwar dabei sei Die VorsokratikerDie Television. Cultural Technology and Form 4 . Stuttgart 1968, S. 132. 1968, S. . Stuttgart undeclared . London 1975, S. 93. 1975, S. . London , also verborgen, ungeklärt. ungeklärt. verborgen, also , panta rhei panta Williams konkretisiert: Williams , alles fließt, darf darf fließt, alles , 3 flow

aus den aus ------43

Diktum neuer Methoden für neue Wirklichkeiten als Beschreibung von Williams’ Methodik zur Untersuchung des Fernsehens: Das Neue kommt aus dem Alten, ist aber doch neu. Im turbulenten Strömungsschatten dieser Flussanalogien darf es gestattet sein, über eine darin gründende und darauf aufbauende, neue Akzentuierung der Fluss- analogie in Bezug auf das Fernsehen nachzudenken. Im Sinne Brechts kann dazu ein neuer Darstellungsmodus bedacht werden, der einer sich stets in Veränderung begriffenen Sachlage adäquat begegnet. Im Sinne Williams’ kann darüber hin- aus die Nonlinearität des flow für diese modifizierte Darstellung des Fernsehens fruchtbar mitgedacht werden. Dabei soll es nicht zwingend um so etwas wie »Neu- es Fernsehen« oder die dezidierte Verfolgung technischer, gesellschaftlicher oder ästhetischer Fortentwicklungen des Fernsehens gehen. Vielmehr soll eruiert wer- den, inwieweit eine gezielte Aus- oder Überdehnung der Flussanalogie für die Un- tersuchung von Prozessen des Fernsehens dienlich sein kann und besonders, wie eine solche Charakterisierung den Operationen des Fernsehens selbst entspricht. Diese Verknüpfung der Methodik fernsehwissenschaftlicher Untersuchung mit Prozessen des Mediums selbst findet Anschluss an jüngere Medientheorien, die gerade aus diesem selbstreferenziellen Analogieschluss ihre Argumentationskraft schöpfen. Die avisierte Ausdehnung der Flussanalogie führt zu einer gerichteten, kontinuierlichen, systematisierten und doch turbulenten Verflüssigung: den Ab- fluss. Der Abfluss geht dabei im Begriff der Entsorgung auf und verweist auf -ent sorgende Operationen des Fernsehens. Die grundlegende Vermutung lautet recht schlicht: Das Fernsehen entsorgt. Was das Fernsehen entsorgt, wie es das tut und auch warum, das soll untersucht werden. Voraussetzung dafür ist es, die Termini »Sorge« und »Entsorgung« im Fernsehkontext abzugrenzen und zu bestimmen. Da beiden Begriffen im allgemeinen Gebrauch wie auch im wissenschaftlichen Diskurs zahlreiche Konnotationen unterliegen, muss zunächst einmal eine Ein- grenzung der jeweiligen Bedeutungen vollzogen werden. Eine Grenzziehung, die besonders das virulente Bedenken besorgniserregender Auswirkungen des Fern- sehens betrifft. Darauf aufbauend bedarf es für die angestrebte Abflussanalogie einer weitergehenden Profilierung. Entsorgungsgedanken zum Fernsehen verlangen einer vorsorglichen Her- auspräparierung dessen, was das Fernsehen als Sorge begreift bzw. was nachfol- gend einer Entsorgung überführt werden kann. Der übliche Reflex, der sich bei der Analyse von »Fernsehsorgen« aufdrängt, aspektiert Sorgen um das Fernsehen. Die pauschale wie nachhaltige Klage einschlägiger Bedenkenträger macht sich Sorgen um das Fernsehen in Bezug auf dessen Resultat: Fernsehen lanciert und befördert Müll, Abfall, Dreck, im Fernsehjargon gern als trash subsummiert. Das seien kon- taminierte und somit besorgniserregende Fernsehformate und -inhalte, die sich über den heimischen Apparat ins Bewusstsein der Rezipienten ausweiten. Diesen 44 Ingo Landwehr nus Enzensbergers Aufsatz über das »Nullmedium Fernsehen« »Nullmedium das über Aufsatz Enzensbergers nus Zuschauerschaft bringt. seine der Unheil über alsKanal, gefasst, derund Übertragung der Verbreitung von potenziellem und von konkretem Unrat der Degeneration, durch das Fernsehen. Es wird als dabei Medium der Erzeugung, ideologische, kulturelle oder eben mediale Kloake zuweilen als Sinnbild verheeren gesellschaftliche, als Fernsehens des Analogie die dient Kontext diesem könne.In wusste, selbstbestimmte Fernsehen oder rigide Abstinenz) Einhalt geboten werden (z. Vorsorgemaßnahmen mittels einzig dem begriffen, Infektionsherd als Anschauung populären dieser DaswirdFernsehenin Fernsehsucht. der Sucht, einer Gefahr selbstzerstörerische immanente, die noch überdies Prozessflankiere 8 7 av In: Ferne. die in Blick Ein Arnheim: RudolfJahr 1935: dem aus prominentesBeispiel Ein lung. 6 89–103. Ders.: In: sind. standslos 5 herangetragen werden. z. die Kümmernisse, weniger und stehen, Mittelpunkt im sollen Fernsehens des Entsorgungsprozesse Selbstbezügliche angelegt. bereits Fernsehens des Untersuchungen qualitativen ist ein weiteres Argument für eine Abgrenzung der vonAbflussanalogie inhaltlich- verschiedenen Ebenen nach dem »Sinn von Fernseh-Müll« fragt. Phänomens des Modellierung orientierte funktionalistisch Engell genannten so von Einzelanalysen Hate« to Love I TV-Show The »TV-Trash– auf beispielsweise sei Kontext diesem Ansätzen In worden. vielversprechendenangeforscht multidimensional mit bereits Medienwissenschaft jüngeren der in unterliegt. en Wirkungsmedi oder Massen- allen wahrscheinlich sondern beweist, Fernsehens des und Verbreitung Einführung Erfindung, seit erst nicht Unterfangens solchen eines Müßigkeit die sich da werden, zugewandt nicht Folgenden im sich soll feld um Sorge der von doch sich sie kann wenig so benennt, triftig äußerst Enzensberger, Zuschauers des die nämlich Entsorgungsideale, noch auch außerdem sie sehr so und relativiert, des Fernsehens moralgefärbte erfrischend Analysen Einschätzung Ge den mache Nichtigkeit diese sehr So abzuschalten. um ein diese schalte man aus; Fernsehens des brauchswert Gerade nichtig. allem vor Fernsehen das ist Enzensberger Für ist. überführt Verklärung moralischen oder ideologischen nen 9/2/2000, S. 33-46. 9/2/2000,S. das Fernsehendas lösen. Diesem zu großen Teilen politisch-moralischen Problem »Fernsehen verblödet!«, so das griffige Verdikt, das spätestens seit Hans-Mag seit spätestens das Verdikt, griffige das so verblödet!«, »Fernsehen Lorenz Engell: Über den Abfall. In: Bergermann/Winkler (Hg.) 2000, S. 11–22. 11–22. (Hg.) 2000,S. den Abfall. In:Bergermann/Winkler Über Lorenz Engell: (Hg.): Winkler Hartmut Bergermann, Ulrike recht Auchz.T. Fernsehenauf diese das Klage früh, in erklang Bezug noch während dessen Entwick gegen Fernsehen das über Klagen alle Warum oder Nullmedium Das Enzensberger: Magnus Hans 6 Außerdem ist der qualitative Möglichkeitsrahmen des Fernsehens des Möglichkeitsrahmen qualitative der ist Außerdem Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen Gesammelte Wahn. und Mittelmaß B. aus moralischen Motivationen heraus an das Fernsehen das an heraus Motivationen moralischen aus B. trash TV-Trash – The TV-Show I Love I TV-Show to Hate.TV-Trash –The z. auch wie -Formaten 7 hingewiesen. Darin finden sich sowohl sich finden Darin hingewiesen. . Frankfurt am Main 1988, S. S. 1988, Main am Frankfurt . B. eine von Lorenz von eine B. 5 8 aber seiner eige seiner aber In jener Analyse

Marburg 2000. Marburg trash B. das be das B. de auf die , montage/ ------45

Es geht hier also weder um eine Nobilitierung noch um eine Abwertung der Sorgen, die das Fernsehen z. B. in seiner Rezeption (bei Zuschauern, für die Gesell- schaft oder gar in anderen Medien) hervorruft. Viel aufschlussreicher zur Analyse des Fernsehens scheint ein neuer Blick auf fließende Prozesse der Entsorgung des Fernsehens, und zwar durch das Fernsehen selbst. Eine dergestalt selbstreferen- zielle Perspektive öffnet einen erkenntnisstiftenden Horizont für Fragestellungen, die nach dem spezifisch und genuin medialen von Medien, hier: des Fernsehens fragen. Gleichwohl stellen die Sorgen um das Fernsehen in diesem Komplex ein Element dar, das im Entsorgungsprozess des Fernsehens eine bestimmte Rolle spielt. Insofern sollten sie keineswegs unterschlagen werden, auch wenn sie hier eher randständig Erwähnung finden. Um die Entsorgungsprozesse des Fernsehens in seinen eigenen Operationen darzustellen, empfiehlt sich ein aussagekräftiges Beispiel aus dem Fernsehen. Beim Zusammendenken von Fernsehen und Entsor- gung drängt sich ein Fernsehbeispiel auf, das die eben voneinander geschiedenen Aspekte ­­– Sorgen um das Fernsehen und selbstbezügliche Entsorgung des Fernse- hens – anschaulich miteinander verknüpft. Das hier ausgewählte Zitat stammt aus dem Fundus deutscher Fernsehgeschichte, ist mithin alt, vermag jedoch den Weg zu einer reformulierten Flussanalogie zu bereiten.

»Der schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwäs- ser; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müßte, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: Der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen.«9

Das Zitat stammt – unverkennbar – aus dem Fernsehmagazin Der Schwarze Kanal des DDR-Fernsehens. So erklang es am Anfang der ersten von insgesamt 1519 Sendungen, am 21. März 1960, gegen 21.30 Uhr. Karl-Eduard von Schnitz- ler, Chefredakteur und Kommentator in Personalunion, postuliert gleich zu Be- ginn denkbar programmatisch das ideologische Ansinnen des Schwarzen Kanals: Eine Hygiene des Fernsehens, aus dem Fernsehen heraus, mit Mitteln des Fern- sehens. Eine Klärung von »Wahrheit« aus dem seiner Ansicht nach propagandis- tisch verschmutzten West-Fernsehen. Die Bilder des Abwassers, des Kanals und der Kläranlage boten sich ihm offenbar sinnfällig zur Veranschaulichung seiner Programmatik an. Aufgrund seiner rhetorischen Schärfe, seiner offenen Ideolo- gieanhängigkeit und auch seiner Langlebigkeit erfuhr der Schwarze Kanal einen prominenten Status, der die Fernsehsendung bis heute als berühmt-berüchtigtes

9 Horst Rörig: Hygiene im Äther oder die verpasste Realität – Karl-Eduard von Schnitzler und der ›Der Schwarze Kanal‹. In: Medienobservationen, Universität München. Auf dem Archivserver der Deutschen Bibliothek: http://deposit.ddb.de/ep/netpub/52/30/07/975073052/_data_dyna/_snap_ stand_2005_05_24/artikel/tv/Schnitzler.html (20.8.08). 46 Ingo Landwehr schließlich wird sie ja auch in den Sendungen vordergründig ausgestellt und pole und ausgestellt vordergründig Sendungen den in auch ja sie wirdschließlich nachhaltig, Westfernsehens.« Kanal Schwarzen zum Diskurs des den prägt Dimension politische seitens Diese Manipulation politischen der Entlarvung bare gefasst wird. Kennzeichnend für den Schwarzen sei Kanal laut Ludens die »schein Auseinandersetzung Sozialismus – am Kapitalismus Beispiel westlicher Medien« sche Merkmale der die Sendung, beispielsweise von Peter Ludens als »ideologische damedium. Propagan als Funktion liegende nahe die Fokusauf einem mit allerdingszumeist worden, erforscht Untersuchungen zahlreichen in bereits Sendung die ist lysen Ana -politischer und medienhistorischer Rahmen Im kennzeichnet. Fernsehens des Möglichkeiten den mit Scheitern) dessen (bzw. Agitation politischer Beispiel wollen die Polemik.« Optik‹ nicht das geringste zu tun. ThiloKoch will die Methoden unserer Meinungsbildungschildern. Wir ›Roten der mit aber haben Farbeffekt, einen auch zwar Titel unserem mit erzielen »Wir Artikel: selben 14 13 280. S. Ludes, 12 280. 1990, S. 11 seite30.htm (20.8.08). ten Manuskripten, Bild-, Ton- und Literaturquellen, z.T. auch im Internet. Siehe: Dashttp://sk.dra.de/grape/ Deutsche Rundfunkarchiv in Potsdam bietet dazu einen umfangreichen an Korpus digitalisier- 10 hinein!« Titel den in bis reinesPlagiat, ein ist Kanal‹ ›Schwarzer »Schnitzlers Kanals: Schwarzen des Ausstrahlung ersten zur Spiegel« »Der Magazin im 1960 bemerkte Koch Thilo befasste. DDR der Fernsehpropaganda der Methodik der mit sich moderier die Reihe, Koch te Thilo Journalisten vom eine Optik« Rote »Die Titel dem unter Turnus vierteljährlichen im ARD die sendete 1958 ab Bereits handelte. Adaption versteckte kaum eine um Kanal Schwarzen beim sich es dass erwähnt, sei Dazu aus den Reaktionen und Redaktionen seiner Opponenten auf westdeutscher Seite. ebenso wie Schnitzlers von Karl-Eduard Munde dem aus sowohl zwar Und gung. Sorge Die -interpretationen. und Fehlinformationen verzerrten ideologisch mit sehens Fern des Verschmutzung mutwillige offensive, übergetretene eine – Gedächtnis DDR-Fernseherinnerung kollektive ins eine als – heute bis und Ausstrahlung seiner Zeit zur bereits symbolisierte Er Zielsetzung. dieser Gegenteil genaue das des West-Fernsehens) des Fernsehens (hier: Wirkung begegnen. zu verheerenden Sicht seiner aus der um Mittel, adäquates als somit Fernsehen das begreift Schnitzler Von versprochen. Fernsehen im Klärung eine schmutzung«, »Ent eine Schnitzler von durch Fernsehen, das durch gleichzeitig wird lerdings al transponiert, Ebene gesellschaftspolitische eine auf hierbei wird Fernsehens (West-) des Verschmutzung deklarierte schädlich als und inhaltliche Die misiert. Paradoxerweise (oder: Gerade deswegen) galt und gilt der Schwarze Kanal als Kanal Schwarze der gilt und galt deswegen) Gerade (oder: Paradoxerweise Das Deutsche Rundfunkarchiv in Potsdam bietet dazu einen umfangreichen an Korpus digitalisier Ludes, S. 280. S. Ludes, Ohne Autor: Riesel-Feldschlacht. In: Riesel-Feldschlacht. Autor: Ohne –Spähposten. In: Fernseh-Spiegel Vgl.: Ludes:Peter um das Fernsehen erfährt im Schwarzen Kanal somit ihre evidente Bestäti evidente ihre somit Kanal Schwarzen im erfährt Fernsehen das 10 Die vorliegenden Arbeiten skizzieren agitatorische und demagogi und agitatorische skizzieren Arbeiten vorliegenden Die 14 DDR-Fernsehen intern. Von der Honecker-Ära bis ›Deutschland einig Fernsehland‹ einig ›Deutschland bis Honecker-Ära Vonder intern. DDR-Fernsehen Wie kaum ein anderes Kapitel der deutschen Fernsehgeschichte deutschen der Kapitel anderes ein kaum Wie Der Spiegel Der Der Spiegel 16/1960. Karl Eduard von Schnitzlers Replik im Replik Schnitzlers von Eduard Karl 16/1960. 3/1960. . Berlin Berlin . 13 12 11 ------

47 steht aber heute der Schwarze Kanal als bezeichnendes Beispiel für den interessen- geleiteten Ge- oder Missbrauch eines Mediums zur politische Meinungsbildung im Kalten Krieg. Das ist, wie erwähnt, bereits umfangreich erörtert worden, allerdings bislang höchstens randständig mit einem Blick auf eine binnen- oder intermediale Dimension hin. Dem geneigten Medienwissenschaftler stellt sich diese Dimension des Schwar- zen Kanals freilich als aufschlussreiche Leerstelle und als Anknüpfungspunkt dar. Die Struktur und der Inhalt der Sendung repräsentieren, systemtheoretisch an- gelehnt, eine mediale Beobachtung medialer Beobachtung. Hier widmet sich das Fernsehen dem Fernsehen. Zwar kollidieren ideologisch widerstreitende Fernseh- systeme, aber grundsätzlich auf Augenhöhe, mit den gleichen Mitteln. Das Fernse- hen sieht fern und behauptet dadurch einen medialen Mehrwert, der sich in einer »klärenden« Beobachtung zweiter Ordnung ergibt. Der Schwarze Kanal spekuliert somit spürbar auf die Aussagekraft einer Meta-Beobachtung, einer Beobachtung von Beobachtung. Diese erfährt eine selbstreferenzielle Note, da sie zwar nicht im selben, aber zumindest im gleichen Medium, nämlich im Fernsehen operiert. Die perspektivierte »Klärung« findet also nicht auf einer metamedialen Ebene (bei- spielsweise auf einer Film- und Fernsehwissenschaftlichen Tagung), sondern im verwandten Milieu statt und wird darüber hinaus das beobachtete Objekt weiterer televisionärer Beobachtung und Verarbeitung.15 In Gedenken an von Schnitzlers »Klärwerk« darf man sich zur Darstellung dieses Prozesses einen progressiven Stoffwechselkreislauf vorstellen, dessen Operationen durch Hygiene motiviert sind. Dieses Bestreben um Kanalisierung, um Sauberkeit, um synonym verstande- ne Wahrheit unterliegt der Interpretation einer gesellschaftlichen Indienstnahme des Fernsehens, aus der sich die bereits erwähnte Sorge um das Fernsehen speist. Genau hier gilt es die Perspektive aufzufächern und die entsorgende Indienst- nahme des Fernsehens für das Fernsehen selbst zu bedenken. Die allein übertra- gene Wirkung von Inhalten, das klassische Kanalmodell, hat schließlich nie den erkenntnisleitenden Horizont der Fernsehwissenschaft bestimmt. Der Fernseh- diskurs läuft eher darauf hinaus, dass das Fernsehen heterogen und nonlinear zu begreifen sei und demzufolge komplexer, auch interdisziplinärer Analyse bedürfe. Kurzum: Fernsehen ist immer schon mehr als nur Kanal. In diesem Sinne soll der sorgenvolle Blick Anderer um den Fernsehkanal auf eine Sorge gelenkt werden, die sich das Fernsehen selbst macht, und zwar die Sorge um sich selbst. Hierbei gilt es, sich geistesgeschichtlicher Konzepte zu erinnern, die den Begriff der Sorge im Titel führen und deren Relevanz für die Problemstellung von Fernsehsorgen zu prüfen ist. Dazu sei hier kurz auf zwei prominente Sorgen-Konzepte eingegangen.

15 Spätestens ab 1969, mit dem »ZDF-Magazin« unter Leitung von Gerhard Löwenthal, fand »Der Schwarze Kanal« sein westdeutsches, kaum minder polemisches Pendant. 48 Ingo Landwehr udmnae Srkummn dr esheee Dsisolüe tlt Hei stellt Daseinsvollzüge verschiedenen der Strukturmoment fundamentales Daseins« des Strukturganzen des Ganzheit »ursprünglichen einer Hervorhebung Heideggers prägt. erst Welt der Erfassung theoretische eine sich heraus dem aus steht, Welt der mit Umgang praktischen im Austausch, im sondern beschränkt, Welt der Anschauen erkennende das auf nur nicht sich die beschreiben, Menschen des Seinsweise eine will Heidegger bei Sorge der von Rede Die ist. verwiesen Menschen und Dinge auf an Anfang von dabei und auslegt verstehend begreifend, sie findet, Welt wieder der in sich es da Sorge, in schon immer sei Dasein Das Daseinsmodi. verschiedener Bezugspunkt gemeinsamer ein Seinsbestimmungen, verschiedener Einheit die für schreibung Foucault 2007, 289. S. 20 Michel Foucault: Vgl. 19 Main 1989; Ders.: 18 17 16 steter Veränderung animiere. eigenerÜberzeugung zu das Potenzial, kritischem mit Selbstbildung einer Motor zum Selbstsorge die Funktion, in dem sie sich auch um den anderen und die anderen Damit sorgt. wird -erhaltende und egozentrischen gemeinschaftstiftende eine durchaus besäße einen sondern Selbstkult, auf nicht somit referiere selbst sich um Sorge antike Die gestalten. zu Kunstwerk ein wie Selbst das vor, Motivation die herrschte dition Tra dieser In selbst. sich mit Umgangs des Möglichkeit Tradition alternative eine ist. gebunden Identität eigene seine an Selbsterkenntnis und Bewusstsein durch und sowohl der Herrschaft eines anderen unterworfen ist, in seiner Abhängigkeit steht Individuum das der in Individualität, allgemeineren der Form eine Subjektivität moderne ist Für Foucault Anschauungen. altgriechische auf Rückgriff in viduums der Subjekt-Konstitution Untersuchung seiner In selbst«. sich »um Sorge die allem vor dabei und Sorge der Daseins des wäre.Ende gleichzusetzen dem mit sie da Entsorgung, eine auch folglich verbietet griff Sorgenbe essentieller Heideggers ist. charakterisiert Sich-vorweg-sein das durch bereits Selbst Verhalten zum das da Tautologie, eine als mehr nicht aber folgend Grundphänomen.« existenzial- ontologisches ein meint ›Sorge‹ Ausdruck »Der Denn: fassen. zu Seinsmotivation der Grundstruktur die um Sorge, der Ausdruck wissenschaftlichen wenig fenen, ausgeschlif den benutzt Heidegger ist. motiviert Dasein das dass heraus, degger

Für Martin Heideggers Seinsbegriff ist der Terminus der Sorge eine Um Sorge der Terminus der ist Seinsbegriff Heideggers Martin Für Aus einem völlig anderen Blickwinkel verwendet Michel Foucault den Begriffden Foucault Michel verwendet Blickwinkel anderen völlig einem Aus 19 Foucault 2007, 289. S. Michel Foucault:Vgl. Hier zusammengefasst aus: Michel Foucault: Michel aus: zusammengefasst Hier 196.Heidegger, S. Heidegger: Martin Im Gegensatz zu diesem modernen Subjekt sieht er in der klassisch-antiken klassisch-antiken der in er sieht Subjekt modernen diesem zu Gegensatz Im Hermeneutik des Selbst. Vorlesung Selbst. des Hermeneutik de France College am (1981/1982). Sein undZeit Sein Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst. Lebenskunst. zur Schriften derExistenz. Ästhetik 18 unterscheidet er die Begriffe des Subjekts und des Indi . Tübingen 180. 1993, S. 17 Der Begriff der Selbstsorge wäre Heidegger Heidegger wäre Selbstsorge der Begriff Der Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit 3 Wahrheit und Sexualität sich. um Sorge Die 16 kulminiert im Begriff der Sorge. Als Sorge. der Begriff im kulminiert Frankfurt/Main 2007,Frankfurt/Main 86. S. Frankfurt/Main 2004. Frankfurt/Main ; Frankfurt/ ; 20 ------

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Wie bei Heidegger bezieht sich auch bei Foucault der Begriff der Sorge auf grundlegende Prozesse im Wechselspiel von Selbst und Anderen. Für Fragen der sorgenden oder entsorgenden Verfassung des Fernsehens bergen sie zumindest ein essentielles, ein Operationen motivierendes Moment, über dessen Übertra- gung auf das Fernsehen spekuliert werden darf. Beide Konzepte formulieren aller- dings einen essentiellen Sorgenbegriff, der ein Denken von Entsorgung verbietet bzw. sie gleichzeitig aus- und einschließt. Sorge bedeutet bei beiden gleichzeitig immer eine Grundbedingung, deren Entsorgung ein Prozessende bedeutet. Ande- rerseits ist beiden Konzepten ein Umgang mit Sorgen immer schon innewohnend. Ein Umgang, der die Sorgen nicht auszulöschen bestrebt ist, sondern sie progres- siv ausdeutet. Der Begriff der Sorge sei deshalb für die Konzeption einer Entsorgung des Fern- sehens aus arbeitstechnischen Gründen konkreter gefasst: als problematisierende Perspektive, als eine kritische Reflexion eigener Prozesse, in der Gegenwart und über die Gegenwart hinaus. Die somit recht allgemeine Rede von Sorgen impli- ziert im Begriff eine tendenziell pessimistische Bestandsaufnahme und Voraus- schau. Der innewohnende Skeptizismus der Sorge motiviert ein Bedenken eigener Operationen vor dem Hintergrund einer aktuellen oder zukünftigen, einer realen oder imaginierten Bedrohung. Eine solche Bedrohung wäre eine existenzgefähr- dende Entwicklung, die zukünftige Operationen in Frage stellt. Folglich sollen Sorgen als selbstreflexive Operationen begriffen werden, die Probleme oder -He rausforderungen skizzieren und in Folge Lösungsoptionen, Wege zum Umgang mit den Sorgen, Möglichkeiten der Entsorgung perspektivieren. Um an dieser Stelle den Begriff der Entsorgung neben den der Sorge stellen zu können, sei kurz auf dessen Begriffsgeschichte eingegangen. Der heute gebräuchliche Begriff der Entsorgung ist ein vergleichsweise junger Terminus, der sich mit dem Aufkom- men von modernen Massengesellschaften und deren Abfallproblemen ungefähr ab dem 18. Jahrhundert konturierte und sich spätestens im 19. Jahrhundert als Leitkategorie durchzusetzen vermochte. Abfälle, also wertlose Reste, wurden v. a. in urbanen Ballungsgebieten zu einem Problem. Als Reaktion entstanden ausdif- ferenzierte Entsorgungs-Diskurse, -Politiken oder auch -Industrien, die bis heute das gesellschaftliche Zusammenleben spürbar akzentuieren. Spürbar besonders dann, wenn sie nicht funktionieren, streiken, stocken oder kollabieren. Begleitet von der Durchsetzung hygienischer Biopolitiken und in Folge verheerender Epide- mien in 19. Jahrhundert entwickelte sich ein »Problembewusstsein«, eine zweifel- los begründete Sorge um die leibliche Gesundheit. Eine Sorge, die sich besonders am Gefahrenpotenzial menschlicher Ausscheidungen abarbeitete. Zur Entsor- gung wurden im urbanen Milieu Strukturen installiert, die zunächst die Städte von ihren besorgniserregenden Abfällen entsorgten. Prominent führte in diesem Zusammenhang die Entwicklung städtischer Kanalisationen zur Manifestation 50 Ingo Landwehr lung, der Formatierung, aus demder Gefälle, kanalisierten aus Formatierung, lung, der dadurch erreichten selfelder oder zu Kläranlagen. Das entsorgende Moment ergibt sich aus der Samm wässer dadurch, dass sie sie entsorgen, sie formieren und z. übertragen; Ab klären werden.Kanalisationen entsorgt abgeleitet, Kanalisation durchdie die Ausscheidungen, sind: Abwässer was das, bestimmen Kanalisationen wird. ziert z. Folge, in der Ordnungsgewinn, ein ihnen aus DadurchAbfluss. formatieren erwächst densie kanalisieren, sie führenab, sie Abfall. von Definition die für Moment zentrales undKomplexitätsabbau, dadurch Struktur- einen erzeugen nalisationen Ka Ausscheidungen. und Abfälle vermengen und sammeln Sie gungsstrukturen. Bewe als prinzipiell funktionieren Kanalisationen Entsorgung. der Begriffes des 22 2007, den Abfall. In:Bergermann/Winkler 11ff Über LorenzEngell: S. Vgl. . 21 ner Fernsehprogramme genießt er außerdem die Möglichkeit des Umschaltens. Er verschiede Durchsetzung der seit Spätestens einschalten. Fernsehen zum (sich) muss und kann Er verschaltet. Fernsehen dem mit ist er vorgesehen, Fernsehen ratives Element technisch, ökonomisch, institutionell, politisch oder ästhetisch im eingehen.« Texteunterschiedlichsten der Elemente truktionen des Fernsehens aus einer Tätigkeit des Rezipienten hervorgehen, in die Williams’ in dass bemerkt, Wulff J. kaum Hans denkbar. Fernsehen ist Zuschauer Ohne Zeitvertreib. zum Information, zur tung, Unterhal Zur gemacht. Fernsehen wirder, sieht und hört so ihn, Für Zuschauer. als konstitutives Moment inne. Der Beobachter ist beim Fernsehen gemeinhin der achtung wohntvon der undBild Fernsehübertragung Ton, von Inhalt und Format Beob Die Selbstbeobachtung? durch Fernsehen das sich entsorgt Wie Reaktion? entsorgende eine Fernsehen im Fernsehens des Beobachtung die ist Fernsehens des Problem welches Auf Sorge? vorausgehende notwendigerweise die dann ist diesem Prozess – wie Karl-Eduard von Schnitzler – eine entsorgende Funktion, was nung, eine Beobachtung des Fernsehens im Fernsehen eigen. Bescheinigt man nun Gewissermaßen. Kanal. Schwarzen Fernsehen, beim auch hier fürdas So nennen. (Ab-)Flussmodelle oder Netzstrukturen für beispielsweise Blaupause als Kanalisation die die an, Sinnbilder zahlreiche heute bis sich schließen Daran Entsorgungsstruktur. paradigmatische als Symbolisierung ihre beförderte wird, zugesprochen Funktion dieser aufgrund Städte moderner Genese die für sation Kanali der die Position, zentrale Die Prozessende. zum oder letztlich Versiegen, Überlaufen zum zum Kanalisation, der Kollaps zum führen Abwässer zuwenig mengten Ausscheidungen, und zwar in einem kontinuierlichen Strom. Zuviel oder ver der Funktionieren fließenden reibungslosen, zum bedarf aber Struktur Diese Verarbeitung.der Struktur eine bedingt Abwässer.Entsorgung der Fortbewegung

Wie erwähnt, Wie ist erwähnt, dem Schwarzen eine Kanal mediale Beobachtung zweiter Ord Vgl. Lorenz Engell: Über den Abfall. In: Bergermann/Winkler 2007, den Abfall. In:Bergermann/Winkler 11ff. Über LorenzEngell: S. Vgl. Hans J.Kaleidoskopische In: des Formationen Flow: Fern-Sehens. Wulff: 21 Kanalisationen sammeln aber nicht nur, nicht aber sammeln Kanalisationen B. in Klärwerken, weiter ausdifferen weiter Klärwerken, in B. 22 flow Der Zuschauer ist als integ als ist Zuschauer Der -Konzept »die Sinnkons- »die -Konzept montage/av 4/2/1995, S. 23. 4/2/1995, S. B. auf Rie ------51 kann das Fernsehen überdies auch ausschalten. Als essentielles Bestandteil, das die Möglichkeit des Ein-, Um- und Ausschaltens besitzt, gerinnt der Zuschauer zu einem Objekt zahlreicher Fernsehsorgen. Diese Sorgen zielen zumeist auf sein zu weckendes und zu haltendes Interesse, um seine Verschaltung zu kontinuieren, zu formieren, sein Aus- oder Umschalten zu verhindern. Das Fernsehen sorgt sich um Zuschauer, um ihre Aufmerksamkeit; es buhlt nachgerade darum. Das mag banal klingen, sollte aber im Hinblick auf die Entsorgungsfunktion des Fernsehens ver- gegenwärtigt bleiben. Wenn der Zuschauer eine Sorge des Fernsehens ausmacht, steht seine Entsorgung als bestands- und funktionserhaltende Operation in Frage. Entsorgung dieser Sorge hieße die Bereit- und Sicherstellung von Zuschauern, die Verstetigung und Bindung von Beobachtern. Der Schwarze Kanal darf hierbei pointiert als Beispiel eines Prozesses des Fern- sehens ins Auge gefasst werden, der derlei Sorge und Entsorgung des Fernsehens im Fernsehen funktional verknüpft. Die praktizierte und veranschaulichte Beob- achtung des Fernsehens durch das Fernsehen im Fernsehen verhandelt vordring- lich die Position des Beobachters. Das Fernsehen schaltet sich beim Schwarzen Kanal in den Beobachtungsprozess ein und verdoppelt ihn. Es übernimmt gleich- zeitig die Positionen des Beobachters, des Beobachteten und des Beobachters der Beobachtung. Diese parallelen Prozesse vermögen einen in Frage stehenden Beob- achter zu entsorgen, indem dessen Funktion vom Schwarzen Kanal veranschau- licht, imitiert und dirigiert wird. Beim Schwarzen Kanal ist diese vervielfältigte Fernsehbeobachtung Programm und drückt sich bereits im Titel aus. Als Name bezeichnet der »Schwarze Kanal« genau das andere, das inkriminierte West-Fernsehen. Der Zuschauer sieht im Schwarzen Kanal somit doppelt. Er sieht im DDR-Fernsehen eine selektierte Wie- derholung des West-Fernsehens, das mit den korrigierenden Kommentaren von Schnitzlers bemehrwertet zu sein verspricht. Hierbei verflüssigt sich das Umschal- ten, das Auswählen des Zuschauers. Die Durchsetzung dieser Fernsehoption kor- respondiert mediengeschichtlich mit der Etablierung des Schwarzen Kanals, An- fang der Sechziger Jahre. In Ost- wie in West-Deutschland entstanden nationale Fernsehprogramme, die zunächst gezielt eine gesamtdeutsche Zielgruppe anspra- chen, freilich unter ideologisch konträrer Maßgabe.23 Diese Wettbewerbssituation legte eine Abgrenzung, eine Profilschärfung nahe. Im Schwarzen Kanal trafen die Fernsehprogramme direkt aufeinander; sie wurden vermengt, vermischt, beob- achtet und, laut Zielsetzung, klärend ausdifferenziert. Die Entsorgungsfunktion eines dergestalt sich selbst, das Konkurrenzpro- gramm und den Zuschauer beobachtenden Fernsehens könnte folglich in einer Ersetzung des Zuschauers durch das Fernsehen zugespitzt werden. Ein sich so

23 Vielerorts konnte das Programm des DFF, das der ARD, ab 1963 auch noch das des ZDF parallel empfangen und daraus ausgewählt werden. 52 Ingo Landwehr sehen seine eigene Position verifizieren, daraus politischen Erkenntnisgewinn de Erkenntnisgewinn Positioneigene politischen daraus seine verifizieren, sehen versprochen wird. Der Zuschauer soll in der Beobachtung des Fernsehens im Fern Wahrheit gesteigerte eine der aus Komplexitätssteigerung, einer Dienst im steht Fernsehens Beobachtung deshinaus. Die Fernsehens vervielfältigte im Fernsehen einer Wahrhaftigkeitsaussage, daraus entspringenden über den des tung, Kontext versprochenenMeta-Beobach darin Prozesseiner den in eingebunden prinzipiell ausgehen. Deswegen ist die fernsehbeobachtende Funktion des Schwarzen Kanals Abwässer die der Kanalisation, einer mit vergleichbar Massenmedium; als sehens Auflösen desZuschauers im Fernsehen unterspültaber die desLegitimation Fern Es sich entsorgt bis zur Unkenntlichkeit, zum Verschwinden, zum Abschalten. Ein Prozess. selbstgenügsamen diesem in sich verliert aber Fernsehen entsorgendes alles Neue. Als Kläranlage, gewissermaßen. alles Neue. Kläranlage, Als sie: entsorgen Sinne diesem In ist. unterstellen zu Charakter reaktionärer ein gar hygienischer, ein durchaus der Motivation, politische eine ebenfalls aber zeichnet kenn Normabweichungen von Verspottung und Darstellung wiederholte die auf Fokussierung Ihre widmen. Sorgen anderen ganz freilich (Fernseh-)Wirklichkeit veränderten einer in sich die werden, verstanden Entsorgungen sehreferenzielle total TV ähnlich gelagerte Entsorgung, Klärung versprachen. Jüngere Formate wie und Ausläufer, die die Beobachtung des Fernsehens im Fernsehen adaptierten und zwanghafter Linientreue. Gleichwohl fand der Schwarze im Kanal Fernsehen Fort- te nichts Neues zu der entspringen, adäquaten Entsorgungen, mit einem Abflusszu entsprechen. DemAlten vermoch mit Wirklichkeiten neuer Sorgen den unfähig, war er Ausstrahlung, der während bereits veraltete Darstellungsmodus neuer Sein selbst. komplett Kanal Schwarze der sich DDRentsorgte der Ende dem vor weit Bereits Gegenteil: Im Entsorgung. nachhaltige keinerlei entsprach Kontinuität dieser aber Programm, im Jahre 29 zwar Sendung die sich behauptete Rückendeckung politischer Dank Blick. den in Bedingtheit eigene seine er nahm wenig zu Kanals, Schwarzen des Wahrheit der Schnitzler wurde zum »Sudel-Ede«. Zu offensichtlich war die politische Infizierung von tituliert, »Dreckschleuder« als rasch Medien westdeutschen den in wurde Er Unwahrheit. perfider befeuerter, ideologisch Vorwurf der stets unterlag Ihm den. wur geteilt Publikum größeren einem von kaum Wahrhaftigkeitsbehauptungen seine da scheiterte, Er auszuschöpfen. Entsorgungspotenzial televisionäres sein und entsprechen zu wirklich nie Zielstellung dieser Kanal Schwarze der mochte ver Trotzdem entledigen. Sorgen eigenen seiner zuletzt nicht sich und stillieren oder oder Switch können in der Tradition des Schwarzen Kanals als fern als Kanals Schwarzen des Tradition der in können flow des versiegte Schwarzen aufgrund Kanals zapping ------, 53 KatastroGraphien Zur Verknüpfung von städtischer und menschlicher Katastrophe in Spike Lees 25th Hour

von Silke Roesler

Fragen nach der Bedeutung von Stadtdarstellungen in und durch Medien werden aktuell unter dem Schlagwort des ›topographical turn‹1 verhandelt und lassen sich dabei neu stellen:

[N]icht als Frage, ob die Bilder, Pläne, Diagramme und Beschreibungen, die wir aus der Stadtge- schichte kennen, der realen Stadt entsprechen, noch als Frage, ob die überlieferten Topographien eher Repräsentationen des räumlich-architektonischen Gebildes, der sozialen Ordnung der Städte oder der urbanen Ideen darstellen, sondern als Aufmerksamkeit für das Zusammenspiel von Ima- ginärem und Techné in der Herstellung von Raumbildern beziehungsweise Topographien.2

Sigrid Weigel legt im oben genannten Zitat den Fokus bei der Produktion von Raum(bildern) auf die Verknüpfung von »Imaginärem und Techné«, anders ausge- drückt auf die Verbindung von Symbolischem und Materiellem, Psychischem und Physischem. Ähnlich begreift auch der vorliegende Beitrag die Herstellung und das Entstehen von Räumen unter Bezugnahme auf Henri Lefèbvre,3 wobei in dessen Theorie die Raumgenerierung noch um die dritte Komponente eines gelebten Rau- mes erweitert wird. Die folgenden Ausführungen orientieren sich dabei an der Annahme, dass ein medial vermitteltes Bild niemals realitätsgetreu ist oder Realität widerspiegelt. Vielmehr wird durch die mediale Überformung ein künstliches Konstrukt – die Stadt als Kunstwerk – neu geschaffen. Als Konsequenz einer ›Philosophie der Dispositive‹ skizziert Gilles Deleuze in Anlehnung an Michel Foucault eine Um-

1 Vgl. hierzu Sigrid Weigel: Text und Topographie der Stadt. Symbole, religiöse Rituale und Kultur- techniken in der europäischen Stadtgeschichte. In: Dies.: Literatur als Voraussetzung der Kulturgeschichte. Schauplätze von Shakespeare bis Benjamin. München 2004, S. 248–284. Der ›topographical turn‹ in den Kulturwissenschaften und Cultural Studies markiert eine Wende von historischen, chronologischen und zeitlichen Narrativen zu räumlichen Darstellungen und zu den Paradigmen von Mapping, von Topogra- phie, Kartographie und Geographie. Ebenso wie im Textparadigma (linguistic turn) lässt sich auch hier eine Tendenz zum metaphorischen Einsatz topographischer Begriffe beobachten. Damit stellt sich das Verhältnis von Stadtdiskurs und Kulturwissenschaft nach Sigrid Weigel heute als eine chiastische Kon- figuration dar: »Während die Topographie der Stadt als kultureller Text gelesen wird, wird der Text der Kultur als Topographie gedeutet« (ebd., S. 255). Um diese Konstellation gegenseitiger metaphorischer Verweisungen und Übertragungen aufzubrechen, ist es notwendig, die Topographie zunächst als eine der wichtigsten Kulturtechniken in der Geschichte von Stadtplanung und -darstellung zu betrachten. 2 Ebd. 3 Vgl. Henri Lefèbvre: The Production of Space. Cambridge MA/Oxford UK 2005 [1991]. 54 Silke Roesler und gleichsam nicht das, was wir sind, sondern eher das, was wir werden. wir was das, eher sondern sind, wir was nicht das, gleichsam und Aktuelle Das Neue das ist Aktualität. seine als Deleuze solchesdar, ein bezeichnet (Macht-)Räume. Diese Neuartigkeit des Dispositivs, und der Film als Diskurs stellt dabei generiert und Relationen und Prozesse gesellschaftliche visualisiert nung, lassen«. zu sprechen oder machen zu sprechenum […] und lassen, zu sehen machen oder zu sehen »um Maschinen, als die Produktion von etwas Neuem möglich?« Weltder in ist Wie kommt: Tragen zum allmählich Jahrhundert 20. im die Frage, der entsprechend – bezeichnen zu Kreativität variable folgende Dispositiven den die […] bestimmt dazu […] ist Neue »Das aufzunehmen. Neue das um ab, Ewigen in oder der Neu-Orientierung Betrachtung Diese der wendet Gegenwart. sich vom machen, alsAuteur Status istsein doch untrennbar verbunden. Stadt ebendieser mit 9 8 Macht der Weltauslegung Chartier: Roger hierzu Vgl. Bildtheorie. gesamte die dabei prägt – entspricht ihm es als anderenden für eine insofern steht, das der in Gegenstands, senden 7 6 5 Wahrheit. Michel Foucaults Denken. 4 ward aufNorton) seinen Wegen durch die Straßen New Yorks und den Begegnun (Ed Brogan Monty begleitet Zuschauer Der kurz. Antihelden seines Geschichte verbunden reflektieren. wird, und zu bearbeiten zu Datum diesem mit die Zäsur, die an, selbst nun sich bietet Film Der Ohnmacht. folgtedie dann zusammen, Übertragungsereignis das und Übertragung der eignis Er das September 11. am fielen Vogls Joseph Sinne Im wurde. gestört Attentate die durch eine die wird, konstatiert rückblickend Yorks New Bearbeitung dass und Auf- mediale impliziert, stetige Aussage Diese Presse. der in Jahren sieben der unterbrochen, Fiktionalisierung Stadt laufende die Reale das habe 2001 September 11. dem Mit Hour25th imFokus soll der folgendensetzt, stehen. Analyse unterscheidet und welche Strukturen und Prozesse gerade das Dispositiv Film frei der Metropolefern sich die vielmehr Filmstadtvon dem realweltlichen Baukörper on stellvertretend für die physische Stadt steht, indem es dieser entspricht. demnach nicht um ein Repräsentationsverhältnis, in dem die mediale Reprodukti Stadtbild filmischen dem bei sich handelt Es Diskurs. im Aktualitätenvorsprung Gedanken fortführend liefert auch der Film als Dispositiv eine Vorausschau, einen In Lee Lee war geradezu berufen, einen der ersten Spielfilme überdas New Yorknach dem 11.September zu http://www.taz.de/dx/2003/06/19/a0125.1/tex Das Repräsentationsverhältnis – verstanden als Beziehung eines anwesenden Bildes und eines abwe 159f. S. ebd., Vgl. 154. S. Ebd., (Hg.): Waldenfels Ewald/Bernhard Francois In: Dispositiv? ein ist Was Deleuze: Gilles 25th Hour 25th schaltet Spike Lee Spike schaltet . Berlin 1989, S. 13. 1989, S. . Berlin 8 iß s eoe af i Troashäe n e Yr vor York New in Terroranschläge die auf bezogen es hieß Frankfurt a.M. 1991, S. 158. 1991, S. a.M. Frankfurt 9 die jüngsten Ereignisse New Yorks mit der mit Yorks New Ereignisse jüngsten die 5 Auch der Film, eine ästhetische (An-)Ord ästhetische eine Film, der Auch t (10.11.07). Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die und Geschichte Vergangenheit. unvollendete Die 4 Dispositive werden dabei verstanden 6 7 Diesen Diesen pee der Spiele Inwie ------55 gen mit seinen Freunden. Jedes dieser Treffen zeigt einen Abschied. In 24 Stunden endet für Monty das Leben in Freiheit. Denn in der 25. Stunde muss der ehemalige Drogendealer eine siebenjährige Haftstrafe antreten. In den verbleibenden Stun- den möchte sich Monty von seiner Freundin Naturelle (Rosario Dawson), seinem Vater (Brian Cox) und seinen beiden besten Freunden, dem Wall-Street-Broker Francis (Barry Pepper) und dem Highschool-Lehrer Jacob (Philip Seymour Hoff- man) verabschieden. Zudem wird Monty von der Unruhe angetrieben, herauszu- finden, wer ihn bei der Polizei verraten hat. Als die 25. Stunde schlägt und die Verabschiedung erfolgen muss, bietet Lee ein Zeichen der Hoffnung an. Montys Vater erzählt mit zuversichtlicher Stimme von einem Leben in Freiheit durch eine alternative Flucht, seine Freunde bestärken Monty wiederholt darin, dass er noch immer jung sei, wenn er in sieben Jahren entlassen würde und seine Freundin möchte ihm treu bleiben und auf ihn warten. Dem Zuschauer bleibt es selbst über- lassen, das Schicksal Montys auszudeuten. Im Folgenden sollen die zentralen Sequenzen des Filmes in Bezug auf ihre raumtheoretische Relevanz verhandelt werden, in denen sich ebendieser Kurz- schluss von Stadt und Protagonist beziehungsweise von städtischer und mensch- licher Katastrophe vollzieht. Bemerkenswerter Weise sind es ebenjene Szenen, die die New Yorker Stadttopographie verhandeln und medial generieren, die auch für den Fortlauf der Handlung und das Leben Montys konstitutiv sind.

Städtische Katastrophe & menschliche Katastrophe Bereits die Titelsequenz10 legt den Zeitpunkt und den Ort des Geschehens fest. Der Bildkader präsentiert zunächst ein Ensemble von Scheinwerfern, die im Gleich- takt geschaltet senkrecht gen Himmel gerichtet werden. Im Bildhintergrund be- findet sich ein massives Gebäude, das auf einer schiefen Ebene angeordnet zu sein scheint und entsprechend verzerrt einen Ausschnitt der New Yorker Stadttopo- graphie präsentiert. In der folgenden Einstellung bricht ein grelles Licht aus dem Himmel hervor. Einzelne Strahlen formieren sich zu einer Art Stern und blenden den Zuschauer. Daraufhin bildet sich das Licht zu durchsichtigen blauen Kegeln heraus, der scheinbar einzigen Lichtquelle, die die Nacht im Folgenden erhellt. Abwechselnd sehen wir nun einen oder zwei hellblaue Lichtsäulen im Bildkader, die in unterschiedlichen Formationen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Zudem verzerren Unter- und Aufsichten von Hochhäusern die Perspektive und erschweren so die Errichtung einer beständigen Handlungsachse. Parallel zu dieser Montage von Einstellungen erklingt ein westliches Orchesterstück, das als Leit- motiv den gesamten Film durchziehen wird. Das Stück ist mit arabischen Klängen und Stimmen unterlegt und erinnert an ein pakistanisches Klagelied.11 Akustisch

10 Timecode 00:04:00–00:07:27. 11 Der elegische Klang erzeugt eine melancholische und trostlose Atmosphäre, die die Ohnmacht 56 Silke Roesler neshelg e gsme Fl üe sübr en id De aaf folgende darauf Die wird. sein spürbar über Film gesamten den unterschwellig von ginn Be zu gleich dabei deuten Lichtkegel geworfenen Nachthimmel den in im Filmbild Die sollten. erschaffen neu Licht aus Türme zerstörten die Lichtsäulen zwei Centers Trade World des Stelle der an 2002 Frühjahr im dem bei Bennett, John Gustavovon BonevardiSociety und Arts werden, Municipal der Projekt ein fiziert identi kann Light‹ ›TributeDasin strecken. Himmel den in Positionsenkrechter in Lichtkegel hellblaue zwei sich dem aus Manhattans, Lower Ausschnitt einen enthält Einstellung anbietende, Übersicht eine erste, Diese Situierung. deren und Lichtkegel die vollends nun Zeitpunkt diesem zu Zuschauer dem sich sentieren prä Visuell Musik. ebenjener Anschwellen einem in Bildmontage die kulminiert mit Newmit York trauern. und sind betroffen Herkunft arabischer Menschen auch dass hindeuten, darauf Stimmen die könnten Andererseits werden. gedeutet Attentätern arabischen von ausgehend Bedrohung der Zeichen als seits einer kann Elemente arabischer Verwendung Die scheint. widerzuspiegeln Attentaten den gegenüber in abstrakt Skyline-TopographieYorker New die wie ebenso Anschläge, der mal wird Lichtquelle, seiner abschließend desm ›Tribute inLight‹, beraubt. Bild Das endet. Dunkelheit völliger in Sequenz die und erlöschen langsam Yorks Newinmitten Lichtkegel die bis kann, Übersichtenorientieren und Einstellungen angebotenen die durch sich der Betrachter, entfernten zum Schritt für Schritt er sich der Zuschauer zunächst inmitten desorientiert der Hochhausschluchten, Befindet wird Autos. der Wegstrecken die etwa wie ausmachen, Bild im Bewegungen vereinzelt nur sich lassen steht, still jeweils Kamera Währenddie entwickeln. mik phien, die allein durch die Abfolge der Schnitte in der Montage eine gewisse Dyna Photogra oder Standbilder wie nahezu Panoramaaufnahmen beschriebenen die wirken Dabei Yorks. New Topographie generierte medial eigene, eine so kreieren und zusammensetzen Mosaik ein wie Folge der in sich lassen Bilder gebotenen der Aufnahmen den Stadt Stück Radius Manhattansum Die Stück. erweitern dar osten, aufgenommen wurde. Diese, aus verschiedenen Blickwinkeln stammenden, Südentsprechendvon Heights, Brooklyn Promenadederin von die Downtowns, aus südlicher Richtung auf ManhattanLower sowie abschließend eine Einstellung Island Statenvon Schnitt ein folgt Es laufen. zuwider Hochhäuser der kalisierung Verti der Bewegungsrichtung ihrer in die Bildkader, den Autos zudem kreuzen Verlaufsrichtung horizontaler In -hintergrund. und Bildvorder- Ausschnitt sem die in verbindet Bridge Brooklyn Die wurde. aufgenommen Bridge Manhattan der und Brooklyn zwischen Rivers East des Ufer vom die Brooklyn, von Richtung östlicher aus Manhattans Skyline der Aufnahme eine folgt Es Bildausschnitt. ten rech im Freiheitsstatue nebst Light‹ ›Tributein das sich situiert mittig Building, State Empire das sich erhebt Kader im Links aus. Jersey New von Richtung cher westli aus Manhattans Skyline der Panoramaeinstellung eine liefert Einstellung Wie erläutert setzt die Titelsequenz das ›Tribute in Light‹, Zeichen und Mahn und ›Tribute Zeichen das Light‹, in Titelsequenz die setzt erläutert Wie 25 th Hour auf die abstrakte Abwesenheit der Zwillingstürme hin, die hin, Zwillingstürme der Abwesenheit abstrakte die auf ------57

Szene. Die New Yorker Demographie wird circa eine halbe Stunde später auf sehr persönliche und menschliche Weise verhandelt sowie in Bezug zum Baukörper Stadt und dem Leben des Protagonisten gesetzt. Monty trifft am Vorabend des Haftantrittes seinen Vater in dessen Pub. Das Brogan’s befindet sich im irisch- amerikanischen Viertel Brooklyn Bay Ridge und gilt als Treffpunkt der irischen Feuerwehrmänner.12 Die Sequenz beginnt mit einem establishing shot über die Straßen Bay Ridges hinweg. Im Bildhintergrund erhebt sich imposant die Verra- zano Bridge. Erneut bietet der Film offenbar eine räumliche Situierung der Hand- lung an. Ein Kameraschwenk lenkt daraufhin den Blick auf eine Außenansicht des Pubs, wo sich im Folgenden Monty und sein Vater an einem Tisch gegenübersit- zen. Während ihres Gesprächs über Erziehung, den Tod der Mutter, den Alkohol- missbrauch des Vaters und der Schuld oder Unschuld Montys sind immer wieder Symbole zwischengeschnitten, die eindeutig auf die Terroranschläge rekurrieren. Präsentiert wird eine Fahne mit der Aufschrift »Welcome Firefighters, Loyal to our Duty«, ebenso Glaselemente, die das Wappen der Einheit ›Rescue 5‹ tragen. Bei diesen Gegenständen handelt es sich um realweltliche Erinnerungsstücke und nicht um angefertigte Requisiten des Films. Die Einheit ›Rescue 5‹ der New Yorker Feuerwehr erlitt durch den Anschlag die größten Verluste ihrer Truppe, was in der darauf folgenden Szene bildlich umgesetzt wird. Sie zeigt einen Schrein mit Fotos von Feuerwehrmännern, die im Zuge der Bergungs- und Aufräumarbeiten ihr Le- ben ließen. Die sonst allgemein anonymen Opfer bekommen so in 25th Hour ein Gesicht und scheinen aus der fiktiven Handlung des Films, wie schon zuvor die Stadt selbst durch die Präsentation des ›Tribute in Light‹, herauszutreten. Nach dem Dialog zwischen Vater und Sohn sucht Monty die Toiletten des Pubs auf. Auf dem Spiegel der Toilette steht der Schriftzug »Fuck You« geschrieben. Diese In- schrift löst eine Reflexion in Monty aus, deren filmische Umsetzung als eine der Schlüsselsequenzen des Films gelesen werden kann.13 Monty spricht zu sich selbst, wobei er und sein Spiegelbild nicht synchron zueinander agieren. Das Spiegelbild verselbstständigt sich förmlich, während Monty überwiegend gebeugt, offenbar geschwächt und leidend, über dem Waschbecken lehnt. Folgender Monolog ist zu hören:

Yeah, fuck you, too. Fuck me? Fuck you. Fuck you and this whole city. Fuck the panhandlers grubbing for money smiling at me behind my back. Fuck the squeegee men, dirtying the windshied of my car. Get a fucking job! Fuck the Sikhs and Pakistanis bombing down the avenues in decrepit cabs. Curry steaming outta their pores, stinking up my day. Terrorists in fucking training. Slow the fuck down! Fuck the Chelsea Boys with their waxed chests and pumped-up biceps. Going down on each other in my parks and on my piers jiggling their dicks on my channel 35!

12 Timecode 00:33:09–00:40:27. 13 Timecode 00:35:25–00:40:27. 58 Silke Roesler Fuck the Bensonhurst with Italians, their Pomenade Hair, nylon warm-up suits, their St. Anthony good. look Ricans make cuzthey the Puerto on the dumb-in-the-cans don’tAnd me started get 20to acar, Ricans. Fuck the Puerto swelling the up welfare rolls. Worst fuckingparade inthe city. me afuckingbreak! Tyco. Adelphia. ImClone. forthatshit?ron life. Givetojail fucking assholesabout didn’t You know Cheney and Bush think Wannabe out new waysmotherfuckers figuring to peoplerob blind.hard-working Send thoseEn Fuck the Wall Street Brokers, self-styled masters of the universe. Michael Douglas, Gordon Gecko, diamonds. apartheid African South selling dandruff, Fuck the black-hatted Hasidim, strolling up and down 7 from! came fucking you where back Go sheming. dealing, Wheeling, teeth. their between cubes Sugar glasses. little in tea sipping cafés, in sitting thugs Mobster Beach. Brighton in Russians the Fuck Ten no speek-ee and still English. years inthe country Fuck the Korean grocers, their their pyramidsfruit tulips overpriced and roses wrapped in plastic. Es schließt sich ein close-up eines Sikhs vor seinem Taxi an, auf dem »I’m a Sikh Sikh a »I’m dem auf an, Taxi seinem vor Sikhs eines close-up ein sich schließt Es scher in einem »I love New York«-Shirt sowie Monty in seinem gelben Sportwagen. Autowä einem von Bilder folgen Es Flagge. US-amerikanischen Vordergrundder im Center TradeWorld stilisierten einem mit Postkarte eine sowie YorkerPolizei Monty blickt zunächst in den Spiegel. Neben diesem hängen ein Emblem der New Tonspurder Entsprechend zu angesprochenendie Personen(-gruppen). wir sehen No, You Brogan. no fuck you, Montgomery had alland you it threw away, it you dumbfuck! this submerge whole rat-infested place. and rise waters the let then And ash. fucking to burn it Let rage. fires the Let it. crumble earthquake an Let Island. Staten in split-levels the to ParkSlope, in Brownstones the to Avenue. From the projects in the Bronx to the lofts in SoHo. From the tenements in Alphabet City Fuck this whole city and in everyone it. From the rowhouses of to Astoria the penthouses on Park Bombers. standing behind that bar, sipping on selling club whiskey soda, to firemen and thecheering Bronx she and trust my her gave I stabbed me in the back. Sold me Riviera. up the river. NaturelleFucking bitch. Fuck my Fuckfather with his endless grief, ass. girlfriend’s my at stares he while me, judging friend, best my Slaughtery, Xavier Francis Fuck malcontent. Elinsky.JacobWhinig Fuck royal ass! Irish my kiss can jockeys camel towel-headed You hell. in fire jet-fuelled a in roasting whores 72 your where. the On names innocentof murdered, thousands I pray youwith the restspend eternity of every assholes fundamentalist cave-dwellingbackward-assed Al-Qaeda, Laden, Bin Osama Fuck J! fucking Otisville in years seven eternity.Try for angels legioned of hallelujahs the all and hell in weekend a cross, the on day easy. A off got He JC! fuck it, at you’re while Add evil. into us delivering them, tects pro that church the Fuck pants. child’s innocent an down hands their put who priests the Fuck blue silence. wall of Youa betray ourtrust. behind standing shots, 41 their and plungers anus-violation their with cops corrupt the Fuck years ago.Move the fuck on! on lay-up to every the hoop and then they wanna blame it all on the white man. ended Slavery 137 Fuck the uptown brothers. They never pass the ball, never wanna play defence, they take five steps sweetheart! anybody,fooling shiny.You’re not and taut all stretched and lifted pulled, $ getting facestheir Overfed and scarves Hermès their with Wives Side East Upper the Fuck »The Sopranos«! for auditioning bats, baseball Slugger Louisville Giambi Jason their Swinging medallions. th Street in gabardinetheir dirty with their 50 Balducci artichokes. artichokes. Balducci 50 - - - - 59 and an American« geschrieben steht. Offenbar widersprechen sich diese beiden Identitäten nicht. Präsentiert werden des Weiteren ein homosexuelles Paar auf den Straßen Chelseas, einer der beiden eine New York-Jacke tragend und somit seine Verbundenheit zur Stadt präsentierend, ein lächelndes koreanisches Paar und akkurat gestapeltes Obst und Blumen. Es folgen Tee trinkende Russen, Mon- ty im close-up, ein Juwelier, erneut eine Nahaufnahme Montys, diverse geschäftig wirkende Finanzangestellte sowie auf Grund ihrer Baseballschläger und Körper- haltung aggressiv wirkende Italiener. Dann eine vermeintlich wohlhabende ältere Dame, Monty im close-up, ein Fahrzeug der NYPD auf der Brooklyner Promenade, Montys Rückenansicht, die St. Patrick’s Cathedral in Untersicht, Monty im close- up, Jesus am Kreuz, Archivbilder Bin Ladens, ein Titelblatt der Daily News mit der Aufschrift »Wanted Dead or Alive«, weitere Bin Laden-Bilder, erneut Monty im close-up, Jacob in seiner Schulklasse, Francis in einem Nachtclub, Naturelle in ebendiesem, Montys Vater in seinem Pub, das Wohnprojekt der Forest Houses, Häuser in Park Slope und und Staten Island. Daraufhin schließt sich die Wiederho- lung bekannter Bilder an. Montys Hasstirade folgt dabei einer strengen narrativen Form. Der Personenkreis wird immer weiter eingegrenzt. Zudem wirken die Bilder überlichtet und gelbstichig, so dass sie sich von der übrigen Filmhandlung abhe- ben.14 Auch in der Schnittfolge kann entsprechend ein Rhythmuswechsel konsta- tiert werden. Nach der Anklage der Freunde und Verwandten ist die Bilderfolge nicht mehr von den Spiegelaufnahmen unterschnitten. Die Schnittgeschwindig- keit nimmt zu und in einer kurzen Sequenz erscheinen keine Menschen mehr, sondern wie geschildert Gebäude, Straßen und Stadtteile, die ein disparates und vielschichtiges architektonisches Bild der Stadt entwerfen. Die Bilderfolge bietet hier einen Querschnitt durch die New Yorker Stadttopographie an. Es werden Richtungsvektoren von Astoria zur Park Avenue, von der Bronx nach Soho, von Alphabet City nach Park Slope sowie Staten Island gezogen. Anschließend sind in kurzen, nahezu fragmentarischen Aufnahmen erneut einige Adressaten der Tirade zu sehen. Als Höhepunkt dieser zunehmenden Geschwindigkeit stehen am Ende der Vision Zeitraffer-Aufnahmen vom Times Square, dem vermeintlichen Zent- rum New Yorks und ebenso Symbol des städtischen Verfalls und der Kriminalität. Erst jetzt ist Monty wieder im Bild und beschimpft letztlich sich selbst. Am Ende seiner Anklage erkennt der rechtsmäßig Verurteilte in seinem Spiegelbild offenbar den eigentlichen Adressaten seiner Vorwürfe. Die Sequenz endet mit den Worten »Fuck You, Montgomery Brogan«. Diese Bewegung weg von der Schuldzuweisung hin zum Schuldeingeständnis fällt laut Sascha Keilholz formal mit der Bild- und

14 Erwähnt sei, dass die zwar gelbstichigen, in ihre Bildästhetik jedoch absolut homogenen und wun- derschönen Bilder im Gegensatz zu dem aggressiven und negativen Tenor der Audiospur stehen. Trotz der Anklage durch Monty gelingt es Lee auch in dieser Sequenz New York durch eine ganz eigene und artifizielle Bildsprache zu ehren. 60 Silke Roesler des Protagonisten parallel zueinander gesetzt. jene und Stadt der Turbulenzen die und Schicksal das werden Offenbar vorweg. Bilder Square Times wirkenden hektisch beschleunigten, die gehen Selbstanklage der Einstellungen Den Personen. vertrauten ihm aus Gefüge persönlichen nem sei mit diese verknüpft und vergegenwärtigen Yorks zu New Zusammensetzung kulturelle und soziale die sich versucht, Ver Monty zueinander. Reflexion einem der hältnis in hier Film und Stadt Schuld stehen Zweifellos seine lässt. sich leugnen nicht dass selbst hin, darauf deuten wegzuwischen, Worte anklagenden geschriebenen Spiegel dem auf die versucht, vergeblich jedoch Monty dass che, kann. werden gestellt Aussicht in Neuanfang und Effekt thartischer ka ein dass so kollabiert, und kulminiert Bilderfolge Die zusammen. Zeitraffung 16 visionären Darstellern einigen seiner aus merafahrt Hasstirade entgegenblickt. Ka surrealen einer in und blickt Auto dem aus Gefängnis ins Fahrt der auf Monty als Widerhall, einen 15 zu er hält JacobAuch aus. Abschied endgültigen einem von geht und genhändler Dro als Schuldigkeit Montys daraufhin thematisiert Francis Montys. Leben im Nullpunkt den für metaphorisch auf, sich drängt Deutung diese dabei, steht Zero Ground auf Sicht dargebotene zuvor sich Die verknüpft. miteinander Montys sal Schick persönliche das und Yorks New Katastrophe städtische die werden tisch Gesprächdas inhaltlich von den Terroranschlägen Thema Montys Haftantritt. zu wechselt blickt, Baugrund den auf gebannt wie weiterhin JacobWährend macht. ge explizit Textstelle dieser an wird Katastrophe der Ort dem zu Verbundenheit mend »Bin Laden could drop another right next door. I ain’t moving.« Seine innere bestim Francisäußert und Folge der unschärfer in wird Baugrundes des Bild Das abtut. nichtig als Francis die Stadtgebiet, besagten im Luftverschmutzung mierte prokla York Times New der von die über reden Francis und JacobUnterhaltung. folgende die für Hintergrund semantischen und optischen den daraufhin bildet Zeros Ground Ansicht erste Diese Baugrund. ein Farbgebung blaugrauer greller wirkender abstrakt in sich zeigt Bild Im Films. des Leitmotiv musikalischen dem von kurzzeitig sowie Christ« Worten»Jesus Jacobsschockierten von Ebene scher Folge als wird spektakuläre Begleitet Aufsichtdie Aufsichtstrukturiert. auf akusti der in Blick der wird Vertikale gelenkt die FensterIn blicken.dem aus und stehen Kamera zur gewandt Rücken dem mit die Protagonisten, beiden den vorsichtig daraufhin sich nähert Kamera Die dient. Lichtquelle einzige als und spiegelt heit Dunkel der in Stehlampe eine nur zunächst sich dem in Panoramafenster, das an treten Männer Die verabschieden. zu Monty von später sich sind um verabredet, beiden Die Jacob. Schulfreund alten seinen Francis Wertpapierbroker der Sequenz. folgenden der is Vrnpug eg sc af iule Eee n i Dao epii in explizit Dialog im und Ebene visueller auf sich zeigt Verknüpfung Diese Vgl. Vgl. Sascha Keilholz: Timecode 0:42:40–0:48:30. Timecode Zerfallsstudien 16 In der 44. Etage des World Financial Centers empfängt empfängt Centers Financial World des Etage 44. der In . Frankfurt a.M. 2009. Diese am Sequenz Ende erfährt des Films 15 Die Tatsa Die ------61 dieser Einsicht mit den Worten »Wake the fuck up!« an. Zwischenzeitlich richtet Jacob den Blick auf Francis, wirkt angespannt, wütend und gleichzeitig erschüttert und ängstlich. Als Francis schließlich die Unterhaltung beendet und Jacob allein am Fenster steht, um noch einmal in den Abgrund zu blicken, konzentriert sich auch die Kameraeinstellung ausschließlich auf Ground Zero. Die Musik schwillt an, es setzen Trommeln ein, der Bildkader gibt den Gesamtüberblick auf Ground Zero frei, und der Betrachter wird erst jetzt mit dem Ausmaß der Anschläge kon- frontiert. Das Kameraauge fokussiert abwechselnd einen Kran im Zentrum des Baugrundes, auf dem eine Flagge gehisst ist und der somit an ein Denkmal erin- nert. Es folgen Aufnahmen von Gebäuderesten und Gleiskörpern, die wie Bilder ei- nes kriegerischen Zerstörungsgebietes wirken. Ein orangefarbener Bauzaun weht im Wind, ein Bagger sowie weitere Baufahrzeuge werden in der Aufsicht präsen- tiert, ebenso der Abtransport von Schutt. Vereinzelt sind Arbeiter zu sehen, die die Aufräumarbeiten auch nachts im Flutlicht fortführen und nach menschlichen Überresten suchen. Unter diese Montage von nahezu wie Standbilder wirkenden Einstellungen mischen sich die Klänge von Dudelsäcken; offenbar erneut ein Ver- weis auf die verstorbenen irischen Feuerwehrmänner. Zudem setzen Trommeln ein, die eine Art Marschmusik spielen und zweifellos Assoziationen an den Einzug in den Krieg wachrufen.17 Das Ende der Sequenz gehört ganz Ground Zero und damit New York. Die bedrohlich wirkenden Klänge verstummen kurze Zeit später. Parallel wird die letzte Einstellung dieser Sequenz, die die Arbeiter im Baugrund bei Nacht zeigt, ausgeblendet.

KatastroGraphien Eine gemeinsame raumtheoretische Analyse der angeführten Filmausschnitte bie- tet sich an, da zum einen die Bearbeitung des Bildmaterials ähnliche Aussagen zulässt und da die Sequenzen zum anderen produktive Austauschverhältnisse ein- gehen. Bei dem in der Titelsequenz präsentierten ›Tribute in Light‹ und dem in der zuletzt besprochenen Sequenz gezeigten Ground Zero handelt es sich um topogra- phische Kernelemente und architektonische Großprojekte New Yorks. Während das ›Tribute in Light‹ in der Vergangenheit als unmittelbare Folge der Terroran- schläge von Stadtplanern und Künstlern konzipiert wurde, wird bereits seit sieben Jahren das Gebiet um Ground Zero im Financial District Lower Manhattans in einem aufwendigen Bauvorhaben neu gestaltet. Beide Stadtarchitekturen rufen dabei Assoziationen an Lefèbvres Teilkategorie des konzipierten Raumes wach. Hierbei handelt es sich um einen »conceptualized space, the space of scientists, planners, urbanists, technocratic subdividers and social engineers.«18 Die Konzep- tion, verstanden als Teilprozess der Herstellung des Raumes, die Lefèbvre als Trias

17 Spike Lee nennt sie im DVD-Kommentar »Drums of War«. 18 Lefèbvre: The Production of Space, S. 38f. 62 Silke Roesler bietet auch die mise en scène des Filmbildes selbst eine eigene Konzeption, ein ein Konzeption, eigene eine selbst Filmbildes des scène en mise die auch bietet Vielmehr nur Städteprojekt das selbst auf derder beruht. Stadtplaner Konzeption kann von einer doppelten Form der Stadtkonzeption gesprochen werden, da nicht ren, indem sie differente auf diePerspektiven New anbieten.Skyline YorkerDabei generie Stadtwahrnehmung eigene eine Folgeschritt einem in so die Skyline, der in der AufGesamtheit. die Fokussierung der Scheinwerfer folgen Großaufnahmen dann Ausschnitten, in zunächst präsentiert; Light« »Tributein das wird Abstrakt kann. werden gelesen Alternativraum, als einem von Neuem, Sinne etwas von Deleuzeschen Produktion im hier der Film, im auch So Raumes. des sentationen Reprä den zu Lefèbvre zählt Informationen generierte Zeichen und Bilder durch sowie Pläne Karten, Auch Diskurses. des Ebene der auf dabei entsteht begreift, die Wahrnehmung konstruiert und wenig authentisch. Den Bildern fehlt das ge das fehlt Bildern Den authentisch. wenig und konstruiert Wahrnehmung die wirkt werden, präsentiert Frontaleinstellung, einer Sinne im statisch, und chen angespro vorurteilsbehaftet und rudimentär nur jedoch Minderheiten chenen angespro die Da nahe. Raumes gelebten eines Definition Lefèbvres zu Bezug der liegt bewohnen, Stadtraum Yorker New den die werden, angesprochen gruppen Bevölkerungs ethnische diverse Da begreifen. Raumes gelebten und nommenen wahrge des Schnittstelle der an Erachtens meines Spiegelsequenz die sich lässt legen, Ebene wahrgenommener und konzeptioneller auf Raumes des Produktion genommenen Raum. den von konzipierten und Stadtplanern von seinem Freund Jacob betroffen wahr förmlich dabei belebt und lebt Katastrophengrund, am Apartment das bewohnt Francis Raumes. gelebten des nämlich Ebene, dritten einer auf Raumes des tion Produk der Möglichkeit eine zudem Film der liefert wird, rückgekoppelt Montys und Verstehenskeit des Lesens suchen zu scheinen. der Geschehnisse Möglich der nach jedoch andererseitsverstärken, räumlicher Distanz von Gefühl das einen zum die wird, gearbeitet Aufsichten mit überwiegend Sequenz dieser in dass bemerkenswert, ist Dabei Katastrophengebiet. das auf Überblick den ters erst ermöglicht die Stellungexponierte von der 44. Etage des World Financial Cen Stadtraumes sichtbar und damit lesbar. Michel De Certeaus Vokabular aufgreifend (zerstörten) des Konzeption vorherige die machen Jacob und Francis stehenden Fenster am die durch Zeros die Ground Erst Reflexion bietet. gleichzeitige Fensterund Wahrnehmung dem aus Protagonisten den sich Blick welcher erfährt, post ex erst Zuschauer das der indem sich um, dreht Zero‹-Sequenz ›Ground der folgt, in Verhältnis Konzeption die auf förmlich Wahrnehmung die Sequenz Light‹- in ›Tribute der in Während verlaufen. trennscharf nicht Raumes menen Elemente. Kader gezeigten der im Arrangement genuin filmisches Zudem zeigt sich, dass die Kategorien des konzipierten und des wahrgenom des und konzipierten des Kategorien die dass sich, zeigt Zudem Während diese beiden Sequenzen offenbar ihren Fokus auf die Darstellung und Dadurch dass die Darstellung Ground Zeros an die Geschichte und das Schicksal ------63 nuine Treiben und die permanente Bewegung städtischen Lebens. Gegen Ende der Hasstirade werden zudem verschiedene Bezirke New Yorks angesprochen, die, ebenso wie die Konstruiertheit der Vorurteile und Klischees, Assoziationen an den konzipierten Raum Lefèbvres wachrufen. So handelt es sich um zu unterschied- lichen Zeiten und Epochen geplante und besiedelte Stadtteile New Yorks, die in ihrer Unterschiedlichkeit in der architektonischen Struktur und demographischen Zusammensetzung ein vielschichtiges Bild der New Yorker Topographie produzie- ren. Dabei stellen Park Slope in Brooklyn, die Park Avenue der Upper East Side und auch das gentrifizierte SoHo wohlhabende Nachbarschaften dar, während Staten Island exemplarisch für die New Yorker Mittelschicht steht und Astoria sowie die Bronx das Wohnumfeld der Unterschicht bedienen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die drei Filmbeispiele in ihrer Gesamt- heit eine Co-Lektüre mit Lefèbvre produktiv werden lassen. Während die ›Tribu- te in Light‹-Sequenz am stärksten den Teilprozess des konzipierten Raumes im Kontext einer Produktion des Raumes bedient, liefert die ›Ground Zero‹-Sequenz Nahtstellen zum wahrgenommen Raum und die Spiegelsequenz Bezugspunkte zu Lefèbvres Definition des gelebten Raumes. Dabei lässt der Film als Diskurs etwas Neues entstehen, eine Skizzierung der Gegenwart mit Blick auf das Zukünftige. Neben diesen drei semantisch und topographisch zentralen Sequenzen des Films verorten diverse weitere Handlungsmomente Monty in der Stadt, mit der er sein Schicksal teilt. Erwähnenswert sind etwa jene Momente, in denen der Zu- schauer Monty auf seinen zahlreichen Gängen durch die Stadt begleitet. Monty äußert dabei vor Naturelle, dass er spazieren gehen müsse, um zu verarbeiten.19 Anschlussfähig ist dieses Zitat an De Certeaus Verständnis des Raumes, als eines durchschrittenen Gebietes. Bereits eingangs beobachtet man Monty, im Sinne des De Certeauschen Fußgängers, den Carl Schurz Park der Upper East Side durch- queren, das Passieren von Häuserfassaden in ebenjenem Stadtteil sowie seinen Gang zur Coventry Prepatory School. Immer wird Monty von seinem Hund Doyle begleitet, den er in der Eingangssequenz vor der New Yorker Kulisse das Leben gerettet hat. Offenbar sucht Monty nach einer Erklärung für sich selbst. Im thema- tischen Vordergrund von Montys (Abschieds-)Touren durch die Stadt stehen die letzten Begegnungen mit seinen Vertrauten. Formal verleiht Spike Lee diesen Mo- menten Emphase, indem er das technische Verfahren des doublecutting nutzt. Bei den Umarmungen mit seinen Freunden schneidet der Regisseur den Augenblick der Annäherung und Nähe zweimal hintereinander, gegen Ende in einer Szene sogar dreimal. In kleinen Momenten ermöglicht er so Wiederholungen, vielmehr Verzögerungen, wenn er Umarmungen mehrmals ansetzen lässt und so das Fort- schreiten der Zeit aufzuhalten versucht.

19 Timecode 0:21:48–00:33:08. 64 Silke Roesler Monty Francis mit den Worten »I need you to make me ugly« um einen beson einen um ugly« me make to you need »I Worten den mit Francis Monty Handlungrahmtals dieschließlich Brücke River.steinerne East Eine den kreuzen der, die drei Freunde gehen die Promenade der Upper East Side Schlepper entlang, New Yorks statt. Minuten, die Monty findenmit seinen imFreunden Raum öffentlichen verbringt, letzten die Auch verorten. Brooklyn in Rivers East des Ufer am eindeutig sich damit lässt Handlung, Die arrangieren. Lagerhäuser sowie Bridge Manhattan die sich der in Horizontale, eine links nach rechts von hier präsentiert goodbye«. Kamerafahrt say to out came city whole »The äußert Naturelle und kommt an Brooklyn in Club einem an nachts Freunden seinen mit Monty wenn etwa, Katastrophe, sowie das Schicksal Montys, zwischen Freiheit und Haftantritt, widerzuspiegeln. Freiheit zwischen Montys, und Haftantritt, Schicksal das sowie Katastrophe, Diese dichotome Titelsequenz. sierten Farbgebung scheint das Schicksal der zwischen Stadt, Macht und analy eingangs der sowie Zero-Sequenz Ground inszenierten Schwarz nächtlichen im der zu gensatz 23 22 21 20 US- Expressway,der Bronx des Bridge, Washington George der Bilder sich bevor entgegen, lächelnd ihm blicken Afro-Amerikaner, und Pakistaner Koreaner, ten angeklag eingangs die wie Personen, präsentierten Sequenz dieser in Sämtliche vorüber. Spiegelsequenz erläuterten bereits der Bilder Auge inneren seinem vor beschreibt. Flucht geglückten einer Vision die Bildern abhebenden Films des Gegenwartsebene der farblichvonsich wiederum in voiceover, zum das sich verselbständigt logstimme Dia Brogans James ist. sehen zu Film im mehrfach das Symbol, ein um sich es die auf den NationalstolzFahrzeug des Vaters Dabeieine US-Flagge, handelt trägt verweist. Das Otisville.« to drive Easy there. us get should That Taconic. the to Brook Spain the Hudson to Parkway then Worten den take the we figure Henry »I dar. Haftantrittes des Morgen am Gefängnis das in Autofahrt die stellt soll, werden sich und geht schließlichund wankendabschiedet einsam derentgegen. Zukunft Francis, bei ver sich und lautlos verhallendaraufhin in der MontyLeere. bedankt die Geräusche der sich Schlagenden werden ausgeblendet. Auch die Schreie bleiben VakuumVogelgeräusche, akustischen im vollziehen,sich scheintzu Handlung die schließlich kommt Francis mit sich ringend der Bitte nach. Auf Hundegebell folgen und zunehmend, jedoch ihn reizt Monty auszuführen. Akt den vehement, nächst zu sich weigert Francis lassen. verschandeln Antlitz das sich er zu will vermeiden, Szenario dieses Um Gruppenvergewaltigung. männlichen der die ist Phobie erwähnte Narration der in mehrfach Montys bittet. Freundschaftsdienst deren Auch in anderen Sequenzen wird eindeutig auf New York Bezug genommen, Bezug York New auf eindeutig wird Sequenzen anderen in Auch Die letzte Sequenz, die im Kontext der New YorkerNew der Kontext Topographieim die angesprochen Sequenz, letzte Die 22 Diese zweite überbelichtete Szene steht gemeinsam mit der gelbstichigen Spiegelsequenz im Ge im Spiegelsequenz gelbstichigen der mit gemeinsam steht Szene überbelichtete zweite Diese 1:51:43. Timecode 1:41:31–1:48:16. Timecode 1:05:38–1:09:03. Timecode Montys Vater liefert auch hier eine räumliche Situierung der Handlung mit mit Handlung der Situierung räumliche eine hier auch Vater Montys liefert 21 Der Zuschauer erkennt den Park von der ersten Filmhälfte wie 23 Während der verletzte Monty aus dem Fenster blickt, ziehen blickt, Fenster dem aus Monty verletzte der Während 20 Eine Eine ------65 amerikanischen Wüste sowie des mittleren Westens anschließen. Trotz oder ge- rade wegen dieser topographischen Verschiebung weist Montys Vater auf dessen Wurzeln mit den Worten »You’re a New Yorker. That will never change«24 hin. Der Kader zeigt nun einen Gedenkzaun des 11. September 2001, begleitet durch wei- tere Äußerungen des Vaters, die Montys New York-Verbundenheit verdeutlichen sollen. Obwohl das Leben im mittleren Westen durch eine Flucht in dieser letzten Sequenz in Aussicht gestellt wird, sind auch die letzten Bilder des Films New York gewidmet. Die Kamera zieht nach oben und präsentiert in einer Aufsicht James Brogans Jeep in Richtung Norden fahrend und die Stadt verlassend.

24 Timecode 2:00:12.

67 »Liveness« Theater, Oper, Kirche, Kino und Fernsehen zwischen Medialität und Konventionalität

von Stefan Bläske

»Wie das Kaninchen auf die Schlange«, schreibt Theo Girshausen, starre die Theater­wis­sen­schaft auf das »Argument, demzufolge es das Transitorische sei, das [das Theater] von an­de­ren Künsten – wie Lessing sagt – ›in ihren Werken‹ unterscheidet«.1 Man reite herum auf diesem Argument, fechte Grabenkämpfe – und glaube, eine Wesensaussage in Händen halten zu können. In der Tat ist zu beobachten, dass sich Theaterwissenschaftler/-innen, je we- niger sie sich von den alten Defi­ni­tions­versuchen von Theater (wie der »Als-ob- Hand­lung« oder dem »A spielt (B) und C schaut zu«) oder den neuen Tendenzen, Theaterwissenschaft vorwiegend als Medien- oder gar als Bildwissenschaft zu be- treiben, versprechen, desto mehr an zwei zusam­men­hängende ›Wesensmerkmale‹ des Theaters klammern: Zum einen das Transito­ ­ri­sche und Ephe­­mere; zum an- deren die »Liveness« und »Ko-Präsenz« von Dar­steller und Zuschauer. Eine Auf- führung entstehe »aus der Inter­aktion zwischen Akteuren und Zuschauern« und erzeuge »sich in einem auto­poietischen Prozess« selbst.2 Nur in diesem Miteinan- der könne Theater stattfinden und nur im Hier und Jetzt, im vielbemühten »hic et nunc«. Um die angedeuteten Ontologien, die ›Wesenheiten‹ des Theaters in ihren Diffe- renzen zu anderen Medien, Kunstformen­ und Dispositiven, also Wahrnehmungs- strukturierungen, zu illustrieren, werden folgend zwei Ereignisse herangezogen, die Einzelmediengrenzen überschreiten. Dabei geht es nicht nur um ein Mit- und Neben-, sondern vor allem um ein Ineinander von Theater, Oper, Kirche, Kino und Fernsehen. Diese sollen dabei nicht nur in ihrer Medialität, sondern insbesondere auch als Institutionen mit einer ausgeprägten Konventionalität begriffen werden. Als Leitmotiv dient die Frage, inwieweit Medienwechsel und -kombinationen die Medialität und/oder Konventionalität der Dispositive und Verhaltens- und Wahr­ nehmungsmuster offenzulegen vermögen.

1 Theo Girshausen: Ereignis Theater. In: Theresia Birkenhauer/Annette Storr (Hg.): Zeitlichkeiten – zur Realität der Künste. Theater, Film, Photo­gra­phie, Malerei, Literatur. Berlin 1998, S. 34–49, S. 35 2 Erika Fischer-Lichte: Einleitende Thesen zum Aufführungsbegriff. In: Dies., Clemens Risi, Jens Ro- selt (Hg.): Kunst der Aufführung – Aufführung der Kunst. Berlin 2004, S. 11–26, S. 22. 68 Stefan Bläske fern zu sehen. fern zu um Kino, im mich ich befinde tatsächlich und vertraut Fernsehen vom eher mir scheint »Antenne«– »Empfang«, – Meldung Die Kino? ›Das‹ Kino? Ein eigentlich: Mersch Dieter etwa vgl. – zeige Störung der in nur tät) Me ein sich wonach zufolge, senschaft IhrenAntenSie ­ überprüfen Text darauf lesbar: »Hinweis 2 – Dieser kann Kanal nicht empfangen werden. Bitte als Bild, offenkundig gestörten einem mit Projektion eine erscheint Leinwand der auf und MEZ Uhr 18.13 ist es Cinecittà, Nürnberger dem Kino, einem in sitze Ich imKino Oper Main 2002. 3 Dezember im USA der innerhalb sie der mit aus, Kinos in Opernaufführungen neuen der von Live-Übertragung unter der Marketing-Strategie (Met) ihre baut Opera Gelb Peter Metropolitan von Leitung The und 2007 März 24. der ist Es locations only«. selected »In werden: erzeugt Exklusivitätsgefühl ein oder und verhindert Allgegenwart Beliebigkeit von Eindruck ein soll zugleich zones«, time all »in wird, gen Veran­ die dass vermittelt, marktungssprache die ist Es Definition«. einer in New Übertragung York auf Oper die Kinoleinwand. aufgeführten Die Ver High in »Live soll, werden gezeigt Opera« Metropolitan Bei funktionierender Übertragung wäre im unteren Feld zu lesen, dass »The dass lesen, zu Feld unteren im wäre Übertragung funktionierender Bei Dieter Mersch: Dieter New York, (Foto: Bläske). 24.03.2007 S. aus MET-Inszenierung einer Live-Übertragung der anlässlich necittà Ci Nürnberger im Kinoleinwand der auf Störhinweis 1: Abbildung Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhetik des Performativen des Ästhetik einer zu Untersuchungen Aura. und Ereignis nen anschluss«. Einem Allgemeinplatz derMedienwis Allgemeinplatz Einem ­anschluss«. dium (und insbesondere dessen Materiali dessen insbesondere (und ­dium stal­ tung in die ganze Welt übertra Welt ganze die in tung 3 – zeigt sich hier … ja was ja … hier sich zeigt – - . Frankfurt am Frankfurt . - - - - 69

2006 begonnen hat. Laut Veranstalterangaben werden in 150 Kinos vowiegend in den USA, Kanada und Europa schätzungsweise 65.000 Zuschauer erreicht.4 Zum Vergleich: In der Met können der Vorstellung maximal 3.900 Personen beiwohnen, was für ein Theater – von antiken Amphitheatern und anderen Open-Air-Formen abgesehen – eine außergewöhnlich große Zuschauerzahl ist. In Deutschland projizieren fünf Kinos5 die Rossini-Oper Der Barbier von Se- villa, die von Theaterregisseur Bartlett Sher inszeniert und im November 2006 an der Met herausgebracht wurde. Es handelt sich also nicht um eine Premiere, sondern um eine Inszenierung, die seit vier Monaten im Repertoire-Betrieb zu sehen ist. Nun aber »einmalig« im Kino. Kurz vor Aufführungsbeginn erscheint im Nürnberger Kino das Übertragungsbild ohne Störung in gewünschter Qualität. Es ist kurz vor 18.30 Uhr. Die Live-Übertragung ist in Europa zur zuschauerfreund- lichen, frühen Abendstunde möglich, weil in New York eine Matinée-Vorstellung angesetzt ist. Dabei finden Opern- bzw. Theatervorstellungen – Kinder- und Schü- lertheater sowie einige besondere Events und Festivals ausgenommen – gewöhn- lich am Abend statt. So könnte bereits die Beginnzeit einen ersten Hinweis an die Zuschauer/-innen geben, »to put in question the indisputable fact that the event would have taken place anyway, independently of the filming«,6 wie Umberto Eco in jenem Aufsatz formuliert, der das »pretelevising« beleuchtet, die Inszeniertheit auch jener übertragenen Ereignisse, die Fernsehzuschauer als »extra-televisual ›re- ality‹« wahrnehmen.

Gottesdienst im Theater im Fernsehen Das zweite Ereignis findet in einem Theater statt, an einem Sonntagmorgen ab 9 Uhr. Eine äußerst untypische Zeit für Theater, wenngleich sich am sonst proben- freien Vormittag auch dort inzwischen Matineen, Talkrunden und Theaterfrüh- stücke eingebürgert haben. Erklärbar ist die Veranstaltungszeit nicht über das The- ater (wo auch unter der Woche Proben selten vor 10 Uhr beginnen), sondern über eine Kombination der ›Systeme‹ Kirche und Fernsehen, deren lange Traditionen und festgelegte Zeitfenster. Das Ereignis, um das es geht, ist ein Fernsehgottesdienst – ein Gottesdienst, der live übertragen und in einem Sender ausgestrahlt wird, in diesem Fall im Zwei- ten Deutschen Fernsehen, sonntags zwischen 9.30 und 10.15 Uhr. Soweit nichts Besonderes, bereits seit 1986 versorgt das ZDF die deutschen Gläubigen jeden Sonntag mit frommen Worten und Musik, in geringerer Frequenz seit 1977. Die

4 Vgl. auch Georg Etscheit: Oper auf der Leinwand – Zuschauer sind begeistert. In: http://www.theaterka- nal.de/nl?datum=2007/03/25%2020%3A28 (25.03.2007). 5 Cinema München, Schauburg Karlsruhe, Cinedom Köln, Cinecittà Nürnberg und Metropol Stutt- gart. 6 Umberto Eco: Event as Mise en scène and Life as Scene-setting. In: Apocalypse Postponed: Essays by Umberto Eco. Bloomington 1994, S. 103–107, hier S. 104. 70 Stefan Bläske live übertragen insFernsehen. live übertragen Händels aus Opern-Szene einer mit Theater, angereichert im dienst Gottes Ein »Innovation«. eine Markgrafentheaterbetonte, im Einführung seiner bei Nitsche Ark Stefan Dr. Regionalbischof wie Veranstaltung, Erlanger die war übertragen. nicht (noch) Gemeinde.« orthodoxen einer aus Freikirche,jährlich einmal evangelischen einer aus Gottesdienst der kommt Jahr pro dreimal bis Zwei land. lischen Gemeinde in Deutschland, Österreich, gelegentlich auch dem weiteren Aus Frankreich 1948. bereits seit und den USA gab es erstenin Deutschland in Gottesdienstübertragungen den 1950er Jahren, in ot bace: n Mshe, yaoe oe Krhn. ih http://www.fernsehgottesdienst.de Siehe (03.03.2008). Kirchen«. oder Synagogen »Moscheen, in brauchen: Gott« 9 8 7 schäftsführer der Darmstädter Kette Kinopolis, der »außer oder Opern auch Rock Ge Theile, Gregory etwa So lässt«. steigern Kinos des Attraktivität die sich dem Kinobe für »mit bezeichnen, Zusatzgeschäft«›reizvolles‹ als »Live-Übertragungen treiber,die gilt Gleiches versprechen. zu Gottesdienst, und Opernvorstellung ­ Kern ihres Live-Übertragung der von etwas sich scheinen Beide haben. kämpfen zu Besucher resp. Mitglieder ihrer Überalterung und Schwund mit eher tendentiell die bedienen, »Lebendigkeits«-Begriffs des Institutionen hier sich interessantist her.es dass und sehen, zu »Live«kommt von »alive«, lebendig, Live-Begriffder stellt Beispielen beiden zwischen Verbindungen vielen von Eine LIVE(NESS) Das ZDF überträgt Das»wechselweise ZDF aus einer überträgt römisch-katholischen oder evange Obgleich das ZDF in einer allgemeinen Einführung schreibt, dass Menschen »Raum und Zeit für Zeit und »Raum Menschen dass schreibt, Einführung allgemeinen einer in ZDF das Obgleich http://www.fernsehgottesdienst.de/63_121.htm (03.03.2008). http://www.fernsehgottesdienst.deVgl. (03.03.2008). 10.02.2008 (Screenshot). evangelischen eines ZDF-Ausstrahlung Markgrafentheaterdem Universitätsgottesdienstes aus am Erlangen der Beginn 2: Abbildung 9 Auch vom Theater als Glaubens-Ort kein Wort. Daher Wort. kein Glaubens-Ort als Theater vom Auch 7 8 Aus Moscheen wirdMoscheen Aus ecäts von geschäftes, Alceste und ------71 konzerten […] Sportübertragungen für eine interessante Programmerweiterung« seiner Kette hält.10 Was ist »live«, was »Liveness«? Laut Duden bezeichnet live » (Rundf., Fernsehen direkt, original)« und eine Livesendung­ »Rundf., Fernsehen Direktsen- dung, Original­über­tragung«. Wesentlich dabei ist die Übertragung eines Ereig- nisses in »Echtzeit«, das heißt die synchrone Übermittlung (der Bilder und Töne) eines Geschehens an einen anderen Ort, sodass Produktion und Rezeption trotz räumlicher Trennung zeitgleich möglich sind. Hier treffen sich Gebrauch der Be- griffe etwa im deutschen und englischen Alltagsverständnis. In der theoretischen Diskussion, insbesondere im Bereich der amerikanischen Theatre and Performance Studies, wird der Begriff der »Liveness« aber nicht für die zeitgleiche Übertragung eines Ereignisses verwendet, überhaupt nicht für Formen der Übertragung, son- dern im Gegenteil für das sogenannte unvermittelte Erleben. Wenngleich aus medi- enphilosophischer Sicht berechtigte Zweifel an der Möglichkeit »unvermittelten« Erlebens angemeldet werden können, da letztlich alle Wahrnehmung mediatisiert ist, soll diese Differenz doch ernst genommen werden: es ist die zwischen einer Wahrnehmung mit und einer ohne dazwischen­geschalteten medientechnischen Apparaturen. Liveness in der Performance-Theorie meint das, was in der deutschsprachigen Theater­wissenschaft mit dem Stichwort »leibliche Ko-Präsenz«11 benannt wird. Erika Fischer-Lichte formuliert einen Gegensatz »zwischen ›Live‹-Aufführungen, die durch die leibliche Ko-Präsenz von Akteuren und Zuschauern konstitutiert und von der autopoietischen feedback-Schleife erzeugt werden, und medialisierten Aufführungen, bei denen Produktion und Rezeption getrennt voneinander ablau- fen. Die feedback-Schleife ist hier außer Kraft gesetzt.«12 Dieser Gegensatz wurde vor allem von Peggy Phelan stark gemacht: »Perfor­ mance cannot be saved, recorded, documented, or otherwise participate in the circulation of representations: once it does so, it becomes something other than performance. To the degree that performance attempts to enter the economy of reproduction, it betrays and lessens the promise of its own ontology.«13 Phelan lädt den Performance-Begriff ontologisch, fast mystifi­ ­zierend auf. Von dieser proble- matischen Haltung abgesehen lässt sich ihr kaum darin wider­sprechen, dass die Aufnahme und Übertragung einer Performance keine Performance mehr ist. Ein

10 Tim Kanning: Live-Übertragungen im Kino. Aus der Arena auf die Leinwand. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.01.2008. 11 Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. Frankfurt am Main 2004, S. 114ff. 12 Ebd., S. 115. 13 Peggy Phelan: Unmarked: The Politics of Performance. London/New York 1993, S. 146. 72 Stefan Bläske Umberto Eco oder auch der »Remediation« von Bolter und Grusin vergleichbar. Grusin und Bolter von »Remediation« der auch oder Eco Umberto schaft stehen. So ist die durchausstrukturell Argumentation mit vonder zitierten Gesell mediatisierten einer in Live-Ereignisse dem unter verstehen, FolgeEinflusses, als des zu Sinne ästhetischen im allem vor allerdings ist Annäherung Diese because live events are becoming more and more identical with collapsing mediatized is ones.« events mediatized and live between be to there supposed have may we distinction whatever culture, mediatized our »Within vertretbar: (mehr) nicht Live-Aufführung und mediatisierter zwischen Abgrenzung strikte eine findet und aus imKino Eine Romans. Teileines sondern Gemälde, kein ist Gemälde beschriebenes Roman im Fernseherfahrung und Ästhetik«, 189. S. Fernseherfahrung 18 94. und Synchronisation«, S. »Gleichzeitigkeit Kapitel 17 16 15 bspw. Rajewsky: Irina 14 dem in Erfahrung einer Phasen logischen die befindet, Lage verwirrenden der in sich »WirFernsehregisseur der also,daß sehen Live-Regisseur: den für dingungen Produktionsbe dieser Auswirkungen die für allem vor dabei sich interessiert Eco der Zeit Fernsehdarstellung«. und Zeit realer von Zusammenfallen […] das folgt Daraus zusammen. hier fallen unterliegen, Gesetzen eigenen und sind unterschieden beim deutlich die Film Phasen, drei – Wiedergabe, tätig und (RAI) Schnitt »Aufnahme, Fernsehen Live-Sendung: italienischen zur beim selbst Jahren 1950er den in – Eco Aufnahme und Ausstrahlung einesEreignisses. Elementartatsache« gegebene geschieht gleichzeitig geschieht was » demzufolge Luhmanns, Sinne allgemeinen im Nicht richten. Synchronizität zeitigkeit Gleich von Anspruch zweifachen den damit und Ko-Präsenz und nishaftigkeit den man muss Un­ von Sinne untersuchen, im Performance-Studies der Fernsehen Live(ness)-Begriff im Gottesdienstes des oder Kino ins Oper der Übertragung die also man Möchte Oxymoron. zum »Live-Übertragung« eine Form desder Miteinanders, Kopräsenz. noch immer doch »Live«-Event einem unter Auslander versteht Event« siertem »mediati und »Live-Event« zwischen Unterschiede« der »Kollabierens des Trotz Insofern würde, Phelans und Auslanders Verständnis folgend, der Ausdruck Ausdruck der folgend, Verständnis Auslanders und Phelans würde, Insofern Phelan gegen sich positioniert Auslander Philip Performance-Theoretiker Der In einem Text über »Fernseherfahrung und Ästhetik« formuliert Umberto Umberto formuliert Ästhetik« und »Fernseherfahrung über Text einem In Umberto Eco: Umberto Niklas Luhmann: Jay David Bolter/Richard Grusin: Auslander: Philip siehe Intermedialtät der Systematisierungsversuche und Medienwechsel zum Überlegungen Für und Gleich und Das offeneKunstwerk Das gestrahlte Oper ist keine Oper – aber wird Kino/Film? –aber sie zum ­gestrahlte istkeine Oper Oper Intermedialität Liveness –Performance culture inamediatized Soziologische Aufklärung: Konstruktivistische Perspektiven Konstruktivistische Aufklärung: Soziologische örtlich 18 keit aufgeben und den Fokus allein auf den Aspekt der Aspekt den auf allein Fokus den und aufgeben keit . Tübingen/Basel 2002. 17 Remediation: Understanding New Media Understanding Remediation: ist, sondern in seiner sondern derSpezialform ist, zeitgleichen . Frankfurt a. Main 1977. Darin: Kapitel: »Zufall und Handlung.und »Zufall 1977.Kapitel: Main Darin: a. Frankfurt . « und Gleichzeitigkeit »eine aller Zeitlichkeit vor Zeitlichkeit aller »eine Gleichzeitigkeit und « . London/New York. London/New 32. 1999, S. . Cambridge (Mass.) 1999. (Mass.) . Cambridge mittel­ . Wiesbaden, 2005. Darin: barkeit, Ereig barkeit, alles alles 14 16 15 ------

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Augenblick erkennen zu müssen, in dem sie noch chronologische Phasen sind.«19 Die Herausforderung des Live-Regisseurs bestehe ergo darin, alle Entscheidungen augenblicklich treffen zu müssen. Was für die Live-Übertragung z. B. eines gesell­ schaft­lichen Events mit großen Unsicherheitsfaktoren und Unvorhersehbarkeit gilt, verhält sich anders in Oper und Kirche: Der Regisseur, der eine Inszenierung­ aus der Met überträgt, hat die Inszenierung zuvor mehrfach gesehen, Kamerapo- sitionen bestimmt, einen Schnittplan, ein Drehbuch erstellt. Dabei kann er entwe- der im Vorhinein alles minutiös festlegen oder sich Raum für Improvisationen las- sen. Entscheidend ist, dass er fast alles, was geschieht, voraussehen kann und dass er meist sogar die Möglichkeit einer vorherigen Probe hat, dass also alles dafür getan wird, Überraschungen zu vermeiden. »Auch im Fernsehgottesdienst« heißt Produzieren »Planen, Proben und nochmals Proben«, wie auf der ZDF-Website nachzulesen ist, wo ein »Kleiner Einblick in die Logistik« gegeben wird: Aufbau- beginn am Freitag, Drehbuch- und Regiebesprechung, Stell- und Durchlaufproben am Samstag.20 Für den Erlanger Gottesdienst gab es am Samstag laut Disposition eine Tonprobe,21 zwei »heiße Proben nach Ansage Regie«22 und einen »Durchlauf/ Generalprobe. Dazu: alle am Gottesdienst Mitwirkenden in Originalkleidung«. Die Gottes­dienst­aufzeichnung ist minutiös geplant, ein Kurzdrehbuch beschreibt 23 Einzelszenen vom Eingangs-Jingle bis zum großen Schlusslied.23 Vor der Übertra- gung am Sonntagfrüh wurden mit der Gemeinde wichtige Szenen geprobt, insbe- sondere der als heikel eingestufte Gesang, der a cappella oder in Begleitung einiger Streicher stattfindet – ein Theater verfügt nunmal über keine Orgel. Die Gemein- de, das Publikum ist und bleibt der größte Unsicherheitsfaktor.

Medienvergleiche Das mögliche Eingreifen des Publikums sowie, allgemeiner, die »direkte« Kommu­ ni­kation wird von Theaterwissenschaftler/-innen gerne als Besonderheit des The- aters heraus­gestellt: Jede Aufführung, so Erika Fischer-Lichte, sei einzigartig und potentiell anders als die vorherige, und bei jeder Aufführung bestehe – anders als im Film – die Möglichkeit direkter Kommunikation zwischen Sender und Emp- fänger, jeder Zuschauer könnte in die Aufführung eingreifen, sie beeinflussen, gar stören oder verunmöglichen.­ Aber ist das, was Fischer-Lichte anhand Marina Ab-

19 Ebd., S. 198. 20 http://www.fernsehgottesdienst.de/63_119.htm (20.08.2008). 21 Vgl. internes Dokument: Zweites Deutsches Fernsehen: Gesamtdisposition ZDF-Fernsehgottesdienst. Markgrafentheater in Erlangen. 10.02.2008, S. 4. 22 Heiß her ging es in den Proben teilweise tatsächlich, weil Opernregisseur und -dramaturgin sehr unzufrieden waren mit den vom Fernsehteam als nötig erachteten Änderungen etwa in der Positionie- rung der Sängerin und Darsteller/-innen auf der Bühne. 23 Kurzdrehbuch, Ev. Universitätsgottesdienst aus dem Markgrafentheater in Erlangen. Stand 01.02.2008, S. 1–9. 74 Stefan Bläske habe klettern sehen und sich dabei in die Hosengemachthabe. die in dabei sich und sehen klettern habe kus eine »wunderschöne Frau« im Glitzertrikot unter Trommelwirbel in die Kuppel gramm werdenverwendet kann). George Tabori beschreibt, wie er als Kind im Zir Making-Of-Bonuspro fürs Spielfilmproduktion, der bei wie nicht, (und irritiert trotz aller Proben und Planungen immer etwas schief gehen, das dann unmittelbar oft Wie ›gestört‹? Unvor­ etwas Zuschauern geschieht von tatsächlich Gottesdienst) ein wechseln, zu Kanal anderen zum um gar, (oder Opernaufführung oder Theater- eine wird oft Eingreifens tatsächlich fürTheater? konstitutiv ramovics Performance the Media u. Schoenmakers Henri In: Gefühle‹. der Macht ›Die Film nem 26 180ff. amMain 1981, S. furt 25 24 erleichtert, Lockung‹ sinnliche und Buntheit berauschende Spektakel, imposante seiner Nach­ ein einfach nicht also Kluge bei ästhetisches als nicht […] Funktion und Form zwischen Spannung die [,] […] problematisiert als Oper die Kluge […] dass tun, zu damit »etwas habe vorhalte, kritisch kultur nicht allerdings – Adorno als anders – Defizit dieses Film dem Kluge Dass mitzukommunizieren«. Spektakel und Sinn zwischen Differenz die Lage, der in Filmbild zum Gegensatz »im sei dieOper dieMeinung, vertreten Beide derKluge. anhand Ernst Christoph der zeigt Positionen von Theodor W.Adorno undAlexan turn medial kung eine solche Interessen des Fokussierung ne gleich Indiz für eine derzeit in fast allen dominant Kulturwissenschaften geworde kann. Bei aller Problematik der Suche nach medialen Spezifizitäten ist sie dochzu als dem Film (»Werk«), zumal das Film- zuschreiben Status ontologischen anderen gänzlich einen »Ereignis«) (als Theater lichkeit die – Tatder in nahelegt Taboris wie genügt vielleicht– Beispiel Aber selten. … und werde jedes Mal enttäuscht. Der Absturz, die Störung ist im Theater äußerst bel, Sand und Blut – erhoffe er sich, wenn er ins Theater gehe,jedes Mal aufsNeue »unten in einer Pfütze von Blut und Sand«. Einen solchen Moment – Trommelwir liegt Netz«, durchs kracht und Trapez das verfehlt mortale, Salto zum »Schwung Ein beliebtes und zunächst plausibles Gegenargument ist das statistische: wie wie statistische: das ist Gegenargument plausibles zunächst und beliebtes Ein Dennoch scheint Vorsicht geboten, wenn (Theater-)­ Christoph Ernst: Die Öffentlichkeit der Oper – Alexander Kluges Thematisierung der Oper in sei in Oper der Thematisierung Kluges Alexander – Oper der Öffentlichkeit Die Ernst: Christoph Vgl. George Tabori: Tode am Nachmittag. In: Ders.: Fischer-Lichte 9ff.Vgl. 2004, S. , kann alleindie , kann Einführung in die Musiksoziologie die in Einführung . Bielefeld 2008, S. 247–254, hier S. 251. hier S. 247–254, 2008, S. . Bielefeld bezeichnen?) in der Reflexion beispielsweise von Kino und Oper hat, hat, Oper und Kino von beispielsweise Reflexion der in bezeichnen?) , sondern als ein ein als sondern , Medialen Lips Lips of Thomas Potentialität her sehbares, auffällig Nicht-Inszeniertes? Natürlich kann Natürlich Nicht-Inszeniertes? auffällig ­sehbares, ­verschiebung (soll man sie als Paradigmenwechsel oder mediales , nicht mehr des rein Ästhetischen. WelcheAuswir Ästhetischen. rein des mehr nicht , von prägender Kraft sein. Problem« verhandele. »Das Medium Film ist Film Medium »Das verhandele.Problem« folge­ Sehen behauptet, ›um das pompöse Dekor, das das Dekor, pompöse das ›um behauptet, exemplifiziert, medium, das die Oper, wie Adorno in Adorno wie Oper, die das medium, ja selbst als Ereignis begriffen werden Unterammergau oder Die guten Deutschen a. (Hg.): a. Wissenschaftler/-innen Wissenschaftler/-innen dem 24 ist diese Potentialität des Theater und Medien/Theatre and Medien/Theatre und Theater 25 Die Fraunimmt Die Medium . Frank Mög 26 ------

75 also aus der Oper die ›Aura‹ abzieht und nur die Oberfläche zur Schau stellt.« Da- durch, dass Kluge die Oper »primär als Medium und bloß sekundär als Kunstform thematisiert, wird in die Oper keine ästhetische Substanz hineinprojiziert, die, wie noch bei Adorno, vermeintlich verlorengeht.« 27 En passant illustrieren diese Beispiele zweierlei: Erstens (hier mit Kluge) in welchem Maße die aktuelle Popularität von Medienwissenschaft und -philosophie dazu beitragen kann, innerhalb anderer Disziplinen neue Perspektiven auf schein- bar vertraute Artefakte und Ereignisse (Gemälde, Foto, Film, Tanz, Theater etc.) zu eröffnen. Und zweitens (hier mit Adorno), dass ein ›neues‹ Denken über ›alte‹ Medien häufig mit dem Erscheinen ›neuer‹ Medien einhergeht; wie der Medien- vergleich und die (manchmal nur scheinbare) Übernahme von Ästhetiken oder Funktionen von einem Medium durch ein anderes die wissenschaftliche Reflexion vertrauter Medien befruchtet und erneuert. Nimmt man die Diskursivität aller künstlerischen und wissenschaftlichen Prozesse ernst, muss man etwa mit Joseph Vogl vom »Medien-Werden«28 sprechen oder mit Jürgen Fohrmann formulieren, dass alles, »was sich über ein Medium aussagen lässt, […] sich erst aus einem Me- dienvergleich [...] und nicht aus einer Medienonto­logie«29 ergibt. Mit Jens Ruchatz auf den Punkt gebracht: »Intermedialität setzt demnach nicht Medien vor­aus, son- dern erzeugt überhaupt erst Medien.«30 »Mediale Differenzen« werden aber nicht allein in wissenschaftlichen Diskur- sen, sondern auch innerhalb konkreter Rezeptionssituationen wahrgenommen und verhandelt. Dass dabei Gewohnheiten und gesellschaftliche Rahmungen nicht zu unterschätzen sind, lässt sich im Nebeneinander von Theater, Oper, Kir- che, Kino und Fernsehen besonders deutlich erkennen. Darum soll im Folgenden beispielhaft auf gesellschaftliche Codes und Konventionen, auf Verhaltens- und Rezeptionsregeln und -dispositive eingegangen werden.

Raum und Rahmung »Die äußerlichen Rahmenbedingungen«, schreiben Borstnar, Pabst und Wulff in Bezug auf Theater und Kino, »erscheinen homolog: Film wird kollektiv rezipiert, die Zuschauer haben einen festen Sitzplatz im Theater, der Zuschauerraum wird verdunkelt und die Rezipienten nehmen das Geschehen mehr oder weniger von einem konstanten Standpunkt wahr.« 31 In dieser Beschreibung freilich ist Theater auf das konventionelle Modell der Guckkastenbühne reduziert.

27 Ernst, S. 252. 28 Joseph Vogl: Medien-Werden. Galileis Fernrohr. In: Mediale Historiographien Nr. 1. Weimar 2001, S. 115–123. 29 Jürgen Fohrmann: Der Unterschied der Medien. In: Ders./Erhard Schütt­pelz (Hg.): Die Kommuni- kation der Medien. Tübingen 2004, S. 5–19, hier S. 7. 30 Jens Ruchatz: Zeit des Theater/Zeit der Photographie. Intermediale Verschränkungen. In: Schoen- makers 2008, S. 109–116, hier S. 115. 31 Nils Borstnar, E. Pabst, H. J. Wulff:Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft. Konstanz 2002, S. 79. 76 Stefan Bläske Kirche (selbst bei einer Predigt über Nächstenliebe) eher mit Missgunst gesehen. gesehen. Missgunst mit eher Nächstenliebe) über Predigt einer bei (selbst Kirche küssen niert kann, solange es diedabei Sitznachbarn nicht würde stört, dies in der Pärchen ein Währendvariieren.»Unsichtbarmachens« Kinosaal dunklen im unge oder Betreten vorzeitiges und Verlassen Doch geradedes Raumes. die Formen des verspätetes wie sanktioniert gegebenenfalls und empfunden Störung als ebenso werden Gespräche private machen, zu unsichtbar tendenziell Zuschauer sich ben auchdern zahlreiche Verhaltensweisen geregelt: während der Veranstaltungen ha son gelenkt, Blickrichtungen und angeordnet Vis-à-vis des nur Sitzreihen Form nicht besonderer sindin Dabei Kino. und Kirche Oper, und Theater für Weise ähnlicher in Blicke der Anordnung und Rezeption der Kollektivität gelten lässt, ihre Möglichkeit, ihrenihre Wert Möglichkeit, undihre Gestaltung 34 i.Br burg 33 Papae XII›Musicae sacrae Mediator et Die«. disciplina‹ Pii Encyclicarum Literarum mentem as Liturgia sacra et sacra Musica de Instructio DIFFUNDENDIS. 32 »automatische Geläute« der Glocken, die »relaisgesteuerten elektrischen Liederan das Licht, elektrische das an nur denke man haben, gehalten Kirche die in Einzug längst Medien technische dass daran, zunächst – 1961 Jahr das schreiben wir – Messe« heiligen der »Fernsehübertragung die Ruf Karl Ambrosius Kirche der Blick Titel im dem Fernsehen und unter funk Werkbuch-Reihe eine 1957 ab erschien Deutschland In der heiligenMesse.« die Anhörung über des Gebotes Erfüllung zur Messe nicht genügt Hören der Sehen derartiges ein oder werden, daß Hörerdie erinnert sehen daran Zuschauer oder Ferndurch oder Messe Rundfunk heiligen der Übertragung vorder wennschließlich, es ist »Gut und imSinneder Medienkonkurrenz: inSorge aber dabei geln, betont 1958.Jahr dem zur Zwölften worden ist. werden, die in den Anfängen vonder Fernsehübertragung Gottesdiensten geführt eingegangen Diskussion die auf folgend soll Grund diesem Aus handelt. schehen Ge sakrales ein Kultfeier, um eine um Theater) antiken frühen im noch vielleicht (wie dabei sich es da Dimension, neue eine Kirche der in bekommt Ereignis und kes Teilnehmer,eines Betrachter zum kein wird ist Zuseher er oder Zuhörer Der der Zuschauer Theatern, meisten den in Wagner) Richard (seit und Kino im als anders ist, Dort , sondern Teilhabender an einem Teilhabenderan sondern , Während der Fernseher im privaten Raum weitgehende Rezeptionsfreiheit Rezeptionsfreiheit weitgehende Raum privaten im Fernseher der Während Erlaubt wurden jene Übertragungen durch die Enzyklika von Papst Pius dem Pius Papst von Enzyklika die durch Übertragungen jene wurden Erlaubt Ambrosius Karl Ruf AmbrosiusOP: Karl heiliger Übertragung Handlungen durch Rundfunk und Fernsehen. In: TELEVISIONIS ET RADIOPHONIAE OPE ACTIONIBUS SACRIS »DE Original: lateinischen Im . Stück 11vom 1959, 427f. März 23. S. Übertragung heiliger Handlungen durch Rundfunk und Fernsehen und Rundfunk durch Handlungen heiliger Übertragung ­raum nicht dunkel, die Gemeinde zur aktiven Teilhabe aufgefordert. 32 Sie gestattet eine Übertragung unter Einhaltung zahlreicher Re zahlreicher Einhaltung unter Übertragung eine gestattet Sie Die Fernsehübertragung der heiligen Messe. Grundsätzliche Überlegungen über Überlegungen Messe. der Grundsätzliche heiligen Die Fernsehübertragung . Frankfurt a. Main, 1961. a. . Frankfurt Ereignis I fntn ehf vradl Ptr Dr. Pater verhandelt Beiheft fünften Im . . Die Unterscheidung zwischen Werk zwischen Unterscheidung Die . Amtsblatt Amtsblatt der Erzdiözese Frei 34 und erinnert erinnert und 33 Rund Wer aus aus ------77 zeiger« und natürlich an Mikrophon und Lautsprecher. »Die Technik«, so Ruf, »hat in den sakralen Raum Einzug gehalten und ist in ihrer dienenden Funktion daraus heute nicht mehr wegzudenken.«35 Weiter entwickelt er, der für Fernsehübertra- gungen der Messe plädiert, seine Argumentation: Warum, wenn die Stimme über- tragen wird, nicht auch das Bild? Warum, wenn eine Bild-Übertragung schon in die Sakristei und in die Krankenanstalten für Patienten, die nicht zur Messe können, möglich ist, warum dann nicht via Fernsehen in weiterem Umkreis? Ruf selbst nennt den wichtigsten Einwand:

»Die technischen Instrumente haben hier nicht mehr eine dienende Funktion im Raum des Sa- kralen selbst, sie durchbrechen vielmehr den heiligen Bezirk und lassen Außenstehende am dort Vollzogenen teilnehmen. Hier begegnen wir einem Charakteristikum des technischen Mediums Fernsehen, dessen Eigenart es ist, die raum-zeitlichen Kategorien nahezu aufzuheben. Kultisches Geschehen ist aber immer an Raum und Zeit gebunden. Es bedarf des umgrenzten Raumes, in dem die Kultfeiernden gleichzeitig zu Teilnehmenden und Handelnden werden. Beides aber wird eben durch das Fernsehen gefährdet, die räumliche Dimension wie auch die zeitliche; und damit erscheint hier das eigentliche Problem einer Fernsehübertragung des Meßopfers.«36

Und weiter zugespitzt, Gegner der Fernsehübertragung zitierend: »Zum Wesen der heiligen Handlung gehört die Schranke gegenüber dem profanen Bereich, ge- genüber Markt und Straße«.37 Die Sorge, der Gottesdienst werde der Profanierung ausgesetzt, sieht Ruf als unbegründet an, schließlich gerate nicht das sakrale Ereignis selbst, sondern allein das Bild der Messe in den profanen Raum. Aber, umgekehrt gefragt, kann der pro- fane Raum durch das sakrale Bild nicht sakral werden? Es lässt sich vorstellen, dass Menschen vor ihrem Fernseher den Gottesdienst mitfeiern, dass sie mitsingen und Kerzen anzünden. Damit also könnten nicht nur Bilder, sondern mit deren Wahr- und ›Ernst‹-Nehmung auch Verhaltens-Codes medial übertragen werden. Aus der Anfangszeit des Fernsehens wird berichtet, Menschen hätten sich, im privaten Ambiente ihres Wohnzimmers sitzend, fein gemacht wie für einen Gang ins Theater, bevor sie den Fernseher angeschaltet haben. Bei der Opernübertra- gung im Kino treffen noch heute verschiedene Kleiderordnungen, Erwartungs­ haltungen und Verhaltensweisen aufeinander: Einerseits Alltagskleidung, Cola, Popcorn und die Beine auf dem Vordersitz, andererseits Abendgarderobe, Pro- grammheftblättern und ein Gläschen Sekt. Marion Lehmann, Marketing-Chefin der vier deutschen Cinemagnum-Häuser, beschreibt der FAZ anlässlich einer Übertragung im Januar 2008, dass etwa im Nürnberger Kino, wo das neue Format bereits ein dreiviertel Jahr zuvor eingeführt

35 Ebd., S. 20. 36 Ebd., S. 22. 37 Ebd., S. 23. 78 Stefan Bläske ritualisierte Handlungen ritualisierte parallelisieren. Worin besteht der Unterschied, ob ›echte‹ wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, und mit diesen lassen sich vielleicht auch Nur wird. gezeigt Weltwelche davon, unabhängig Alltag, im wie Kleider gleichen dem nach ja Kleiderordnung sich System überhaupt eine Rolle für Kleidung und Verhalten spielt. Gemeinhin richtet Unterschied zwischen Sekt und Cola jedoch ist die Frage, das warum wurden. geboten« Sekt und Brote belegte Stehtischen ten men und dass, »um einen Hauchka von Atmosphäre Kino zu schaffenins […] aufJahrgänge« weiß gedeck reifere »vorwiegend dass berichtet, – übertragen Kinos österreichische in auchwird 2007 Dezember seit – Zeitung Wiener der Rezensent Abendgarderobe« in teilweise […] Leute »die war, worden 40 durchwegsin seiner von kaum optisch Kinobesuchern«. den Wiener legeren Kleidung YorkerNewsich »Dasunterschied Publikum überrascht: scheinbar konstatiert er denn messen, zu sern abend der an Publikums Kleiderordnungdes die Burianek In: Blockbuster. statt Belcanto Kino: Österreich. in auch nun 39 Zeitung meine 38 Film/Kino und einerseits Theater zwischen Theaterwissenschaft die den schied, Lichtetheatraledie Feedback-Schleife Unterwesentlichernennt? ein Wäre damit Fischer- Erika was herstellen, das Total-Übertragung bidirektionale eine Könnte entgegenschlägt.« dem Kinosaal aus Beifall tosendem an da ihnen was können, hören Vorhangauch dem vor Künstler die damit Übertragung, bidirektionale die noch nur Fehlt Kinopublikums. des Schlussapplaus tosende der […] zeigt anfühlt, das sich großartig wie Und zugeschaltet. live tatsächlich ja ist man Farce,denn virtuelle keine heraus, MET der in Opernbesuch klassischer ein Kino Nürnberger im kommt »So lichem Lobeshymnen-Ton: gar nicht.« doch Dirigent der hört das das, ihrem Lass »Pst!wurde: verächtlichangezischt von Begleiter daraufhin die mir, neben Dame ältere eine anderem Unter machen. zu Händen den mit Geräusch rhythmische dieses Menschen manche Kino berger Nürn im auch begannen wurde, begrüßt Klatschen mit Met Yorker New der in des Dirigent der Als Beispiel: Ein Verhalten. resultie­ daraus dem und Ereignis-Wahrnehmung der in Kluft einer in sich zeigt Dies Oper. der in Zeitpunkt selben zum Klatschen das als kann bekommen klatschen? des Dirigenten Auftritt beim ›echte‹oder Operngänger der in Fans Es ist davon auszugehen, dass das Klatschen im Kino eine andere Bedeutung Bedeutung andere eine Kino im Klatschen das dass auszugehen, davon ist Es Tom Becker, PR-Mann für Medien-Technik und -Events, schreibt in werbetaug Die MET live MET imKino Die Stephan Burianek: Die Metropolitan Opera reüssiert mit internationalen Live-Übertragungen – Live-Übertragungen internationalen mit reüssiert Opera Metropolitan Die Burianek: Stephan In: Leinwand. die auf Arena der Aus Kino. im Live-Übertragungen Kanning: Tim , 10.01.2008. Rocky Horror Picture Show Picture Horror Rocky . www.diereferenz.de/die-met-live-im-kino (20.08.2008). 40 präsentierenden an bestimmten Stellen Reis werfen werfen Reis Stellen bestimmten an ­garderobenversessenenOpernhäu Wiener in Barbier von Sevilla von Barbier Wiener Zeitung Wiener System. Man trägt im Kino die Kino im trägt Man System. 38 39 gekommen seien. Ein Ein seien. gekommen Interessanter als der als Interessanter , 15.01.2008. Dabei scheint Dabei 15.01.2008. , Frankfurter Allge Frankfurter repräsentierte auftrat und auftrat renden ------

79 andererseits konstatiert, aufgehoben? Spricht hier blinde Medientechnik-Eupho- rie, oder sind scheinbar grundlegende mediale Differenzen durch neue Medien- technik nivellierbar? Wären damit ontologisierende Positionen auch von dieser rein technikgeschichtlichen Warte aus noch deutlicher zu problematisieren? Technikgeschichten werden viele geschrieben. Geschichten des Klatschens, der Buh- und Beifallsbekundungen hingegen selten. Obschon sie hier nicht in Angriff genommen werden können, sei nochmals ›ein Ohr‹ auf den »tosenden Beifall« geworfen, den Becker aus den Kinosälen in die Oper bringen möchte. Und auf die »tosende Stille« in der Kirche. Beim Fernsehgottesdienst war Klatschen nicht erwünscht. Vor Beginn der Fernsehübertragung bat der Regionalbischof die anwe- sende Gemeinde, nach der Opern-Szene aus Händels Alceste, mit der der Gottes- dienst eröffnet wurde, nicht zu applaudieren. »Ich bitte sie darum, Ihrem Impuls nicht zu folgen. […] Bitte klatschen Sie erst, wenn die Fernsehübertragung zu Ende ist.«41 Eine Aktion, die regelmäßigen Theater-, Opern- oder Konzertgängern zur Gewohnheit wurde, zum Impuls, der durch eine berührende Arie, die Leistung der Darsteller/-innen sowie den Theaterraum hätte geweckt werden können, soll im Gottesdienst, zumal dem im Fernsehen übertragenen, unterdrückt werden. Den Beifall betrachtet Erving Goffman aus gutem Grund als »ein sehr schönes Beispiel dafür, wie das Theatergeschehen auf Konventionen beruht«,42 denn der Beifall gilt nicht den Figuren, sondern den Schauspieler/-innen, die jene darstellen. Szenenapplaus sieht Goffman darum als Beleg, dass Zuschauer/-innen die Illusion der fiktional dargestellten Welt unterbrechen und doch aufrechterhalten können. »In der Oper ist wesentlich mehr von diesem ›Ausbrechen‹ des Publikums aus dem Rahmen institutionalisiert.«43 In der Kirche wäre Beifall für einen Sänger oder Mu- siker sicher ein kleineres Problem als für einen predigenden Priester, schließlich sollten weder seine Worte und Gesten als Teil einer fiktionalen Welt verstanden noch seine darstellerischen Leistungen gewürdigt werden. Aus all diesen Beispielen spricht nur, was intuitiv ohnehin einsichtig erscheint: Dass in verschiedenen Institutionen, Medien, Kunstformen, Systemen je ver- schiedene Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster und -konventionen wirksam sind. Zu lesen ist davon beispielsweise aus machtphilosophischer Perspektive bei Michel Foucault unter dem Stichwort »Dispositiv«,44 aus soziologisch-kognitivis- tischer Perspektive bei Erving Goffman unter dem Stichwort »Frame«, Rahmen.45 Das Konzept der Rahmen im Sinne von Interpretations­schemata integriert dabei auch die subjektive Perspektive, da Goffmann zufolge etwa ein »Theater-Frame«

41 Stefan Ark Nitsche am 10.02.2008 im Markgrafentheater Erlangen. 42 Erving Goffman:Rahmenanalyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt am Main 1977, S. 151. 43 Ebd. 44 Michel Foucault: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin 1978. 45 Goffman 1977 und Goffman:Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 2002. 80 Stefan Bläske Schluss zurückwirken. tungszuweisungen Bedeu subjektiven die auf die andererseits, Konventionen und Rahmungen len institutionel die und ist, kulturellgeprägt selbst die Wahrnehmungveeinerseits, wird. Bei Goffman also werdenbeideAspekte miteinander die subjekti verwoben, (inszeniert?) gefeiert Theatersaal einem in Gottesdienst ein dass werden, fördert be dadurch könnte freilich Wahrnehmung der Umspringen ein ›Um-Rahmung‹, eine Solch Kirche. der in Priesters des Anblick beim eben oder – auf Bahnsteig Pärchens dem eines »Szene« einer Betrachten beim auch sondern kann, werdenaktiviert Theatervorhangs des Öffnen oder Oper einer Betreten beim nur nicht vgl. Rajewsky. vgl. 46 EtceteraSehgewohnheiten. ad infinitum. und Konventionen entstehenden neu wiederum mit – fortgeführt markttauglich als aber oder abgeschrieben Experiment als entweder siewerden nämlichDanach können. funktionieren Ereignis medienreflexives und selbst- als Stadium ersten im Formate«nur »neue dass integrieren, Refrain seinen freilichin aber muss gen, offenzule Verfahren und Formen konventionelle und ästhetische mediale, ten, lität unserer Wahrnehmung machen. erfahrbar Konventionadie auch sondern Medialität, die nur nichtvielleicht dabei und gen, beitra Diskurse abstrakt-wissenschaftlichen mancher Veranschaulichung so und Versinn- einer zu doch sie können werden, veranstaltet und konzipiert Gründen mögen. Selbst wenn solche Ereignisse mit ganz anderen Intentionen und (Hinter-) offenlegen Kirche der Inszenierungen die und Theaters des Sakralisierungen die Theater im Gottesdienste viele noch befragen, Kinobesucher der Freiheiten chen vermeintli die oder Operngänger klassischer Konventionen die Kino im gungen Opernübertra viele noch dass hoffen, man möchte fast und anstoßen, Schauens Trans und Kombinationen ale in werdenGang gesetzt kann. Wahrnehmungs-Gewohnheiten und Verhaltens- eigenen der Reflexion eine resultierend daraus und Bedenken ein Zuschauer/-innen den bei derordnungen kleine angesichtsIrritationen scheinbar so ›banaler‹ Fragen wie und Applaus- Klei liegen. zu Dispositivs oder Rahmens geltenden des hinsichtlich Unsicherheit ausgelösten -wechsel und die Medienkombinationen durch einer folgend daraus und Institutionen der der Konventionalität in starken mir scheint Fallbeispielen aufgeführten beiden den an Interessante Das i Lbid u Mdewcsl n -obntoe ud ee Möglichkei deren und -kombinationen und Medienwechsel auf Loblied Ein medi derartige Medienwechsel, und Orts- derartige könnten als scheint, Es Zu den Abgrenzungen zwischen Medienwechsel, Medienkombination und intermedialen Bezügen Bezügen intermedialen MedienkombinationMedienwechsel,und zwischen Abgrenzungen den Zu formationen ein Nachdenken über unsere Art des Art unsere über Nachdenken ein ­formationen 46 Meine These wäre, dass durch dass wäre, These Meine ------81 (Be-)gründungen und Figurprobleme Marshall McLuhans Denken über Medien und seine Folgen

von Florian Sprenger

Immer wieder, in den 60er und 70er Jahren wie heute, sieht sich der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan (1911–1980) dem Vorwurf ausgesetzt, seine Thesen seien wirr und unzusammenhängend. Er verfüge, so der Vorwurf, über kein wissenschaftlich akzeptables Modell von Kausalität, was Konsequenzen für seine Überlegungen zu den Wechselwirkungen von Kultur, Medien und Sinnes- wahrnehmung habe.1 Wie kann man über deren gegenseitige Beeinflussung reden, wenn die Ursachen, Wirkungen und Mechanismen dieser Zusammenhänge außen vor bleiben? Das Auto und der Highway haben miteinander zu tun, aber um zu wissenschaftlich verwendbaren Ergebnissen zu kommen, sollte nicht nur irgend- eine Abhängigkeit postuliert werden. McLuhans Herangehensweise an Medien stellt eine ganze Reihe methodischer Fragen, und so soll es im Folgenden anhand des prominenten Beispiels Fernsehen darum gehen, zu zeigen, wie seine Über­ legungen auf eine ganz eigene Weise dennoch funktionieren – und auf eine andere Weise kritisierbar werden. Es sollen ihre historischen Quellen herausgearbeitet werden, und vor allem die medialen Gründe, die diese Beschäftigung mit Medien ermöglichen. Diese Gründe sind ebenso philosophiegeschichtlich verankert wie zeitgeschichtlich verortbar und sie berühren damit ganz grundlegend die Frage, woher Medientheorie kommt und welchen historischen Ort sie hat.2 Dies zu klä- ren oder zumindest in Angriff zu nehmen ist nicht nur Aufgabe der Selbstreflexion einer Wissenschaft von den Medien, sondern wird auch deutlich machen, dass die auf den ersten Blick eher triviale Abhängigkeit des Neuen vom Alten ein medien- theoretisch tiefschürfendes Phänomen darstellt. McLuhans zeitgemäße Betrachtungen versuchen, ihre Zeit zu denken und auf der Höhe ihrer Tiefe zu bleiben. In diesen Überlegungen wird mithin das verhandelt, was das Neue einer Epoche hervorbringt – also nicht nur die neuen Entwicklungen sozialer, technischer oder kultureller Art, sondern auch die Aus- wirkungen dieses Neuen auf das Altbekannte. McLuhan beschreibt Medien nicht als feststehende Entitäten, sondern in ein Gefüge von ›Environments‹ eingefasst, deren Verhältnisse sich ändern, wenn neue Medien eingeführt werden. Medien

1 Vgl. etwa Jonathan Miller: Marshall McLuhan. München 1972. 2 Es werden also kaum neue Erkenntnisse über McLuhan und Medien sein, die hier vorgebracht wer- den. Vielmehr ist das allermeiste der folgenden Überlegungen bereits bekannt. Weniger eine medien- philosophische Re-Konstruktion seiner theoretischen Eingaben, sondern deren ›epistemische Einsätze‹ stehen im Zentrum. 82 Florian Sprenger nischen 60er Jahre gelten. Jahre nordamerika 60er nischen der Emblem als durchaus kann Technikbegeisterung, zeitweisen seiner in wie spiegelt ebenso Tagespensum) seinem zu Kirchenbesuch ein hörte ge Jahren 30er den in Erweckungserlebnis einem (nach Katholizismus strengem McLuhans in sich der Innovation, und Tradition von Umschlagplatz Dieser ein. mit Betrachtungen die in dabei fließen Beschreibung dieser Medien die und bens Beschrei des Standpunkt eigene Der absetzen. ihnen von sich sie indem werden, Environments versteht McLuhan vordie Hintergründe, denen Medien zu Medien woraus sich die prominente Stellung einer Wissenschaft der Medien Unter erklärt. bestimmt: als Infrastrukturen des Handelns, des Wahrnehmens und des Denkens, differentiell und relational sondern begreifen, zu vorgängig nicht demnach sind einflusst wurde. einflusst vielenVon anderenden ananderer muss McLuhans Stellewerden.berichtet be dem all von Denken medientheoretisches dessen war,sondern Philologe und Medienstar Kanadier, 3 in ihm gelingt Message‹ the is Medium ›The Diktum seinem Dring Mit gestellt. lichkeit aller in McLuhan sich hat Medien, von Wirkmacht kulturellen der also nach Frage die entstehen, ihnen aus oder eingreifen Medien alter Gefüge das in ist. Medium die Botschaft das der in Perspektive, der in werden, verstanden selbst Fernsehen Vorzeichen unterdem Fernsehen Mediums des Zeitdiagnose methodischen einer Bestandteil als doch Fernsehauftritte diese können sind, Wissenschaftler als Imageverlustes seines Beginn der sie wenn Auch nahm. Medien der »Wie« das er ernst wie lich, deut machen zählte, Zeit der intellectuals public wichtigsten den zu und wurde genannt Atemzug einem in Leary Timothy oder Fuller mit Buckminster Jahren wie 60er Figuren den in der Gastspiel), einem zu 1977 er kam Hall Annie Allens Woody in (sogar Medientheoretikers des Auftritte zahlreichen Die hervorbringt. es Ursachen welche und Effekte welche aufzuklären, darüber um Fernsehen, das über Fernsehen im Element‹ seinem ›in geradezu und geschickt durchaus häufig, reflektierte McLuhan beschrieb. er die Medien, den in gelegentlich zwar und tion, Posi bezog selbst er Auch beziehen. zu Stellung Falldazu, jedem in zwingen sie – werdenverstanden Unbekannten im Explorationen als wie Sackgassen als ebenso weiterhin jedoch den lesbaren– trägt ihrer Stempel Epoche. obsolet irgendwann damit wird und verhaftet Gegenwart ihrer bleibt mag, geben es, weshalb sie unlesbar seien. Aber jede Zeitdiagnose, so zukunftsgewandt sie sich ein äußerst innovatives bis zu 20 Prozent, seine Bücher hingegen 40 Prozent Neu enthalte, Thesen neuer Prozent 10 nur Buch gutes ein dass gesagt, einmal wurde McLuhan erhaschen. zu Zukunft der Kommende das auf Blick einen um werden, kurzgeschlossen Medien von Potentialen den mit Frömmigkeit und Utopien wo Diese Perspektive und die Frage, wie sich neue Medien beschreiben lassen, die lassen, beschreiben Medien neue sich wie Frage, die Perspektiveund Diese inspirierend, wie abgedroschen ebenso können Phrasen berühmte McLuhans McLuhan soll als gewordener Medientheoretiker gelesen werden, der nicht noch Katholik, nebenbei 3 Eine derartige Spannungsgeladenheit entsteht dort, dort, entsteht Spannungsgeladenheit derartige Eine ------83 den 60ern der Durchbruch als Medientheoretiker und nicht mehr als Literatur- wissenschaftler, der er von Haus aus war. Es wird eine Blickwendung weg von den Inhalten und hin auf die Medien vollzogen, die diese Inhalte vermitteln. Dieser Schritt, der sicherlich nicht von McLuhan alleine gegangen wurde, kann als Ein- satzpunkt einer eigenständigen Wissenschaft der Medien gelten und geht über die schlichte Feststellung hinaus, dass gleiche Inhalte in verschiedenen Medien andere Effekte hervorrufen – etwa Shakespeare als Theater, als Hörspiel oder als Buch. Sein Anspruch liegt darin, die konstitutive Funktion von Medien hervorzu- heben, indem deren Effekte wiederum als Ursachen begriffen werden: »Indeed, it is only too typical that the ›content‹ of any medium blinds us to the character of the medium.«4 Indem McLuhan das Augenmerk auf die Vermittlungswege lenkt, kommt die Rolle von Medialität auch dort zum Vorschein, wo sie verborgen sein mag. Aber warum ist das Medium verborgen, warum übersehen wir etwas, wenn wir auf das achten, was uns im Medium mitgeteilt wird? Wenn das Medium die Botschaft ist und als solche Auswirkungen auf die Kultur hat, die zu beobachten Aufgabe des Medienwissenschaftlers ist, dann stellt sich die Frage, wie und mit welchen Begriffen dieses Konstitutionsverhältnis beschrieben werden kann.5 Ein solches Geflecht von Medien und Formen des Vergleichs, zu bestimmenden Me- dien, Vergleichsmedium und Bezugsgrößen müsste, so Jürgen Fohrmann, immer neu aufgeschlüsselt werden: »Alles mithin, was sich über ein Medium sagen lässt, ergibt sich erst aus einem Medienvergleich im Rahmen einer solchen fünfstelli- gen Relation und nicht aus einer Medienontologie.«6 Die Annäherung an dieses Wechselspiel erfordert, die Wirkungen von Medien auf andere Art zu denken als nach dem von McLuhan kritisierten Containermodell. Wenn Medien nur ihren Inhalt übertragen würden, bestünde ihr kultureller Einfluss nur im Inhalt ihrer Botschaft. McLuhan geht es jedoch, und das ist für die folgenden Überlegungen entscheidend, um die Auswirkungen des Übertragungsvorgangs selbst. Dazu ver- folgt er ein gestalttheoretisches Figur/Hintergrund-Schema und eine Formursa- che, die sich eher als Schock- oder Implosionslogik fassen lässt und von der Elek- trizität herkommt. Elektrizität ist spätestens seit Understanding Media von 1964 das Modell, das McLuhan Medien denken lässt. Sie wird zu einem Zentrum, um das sein Denken unablässig kreist, indem er einige ihrer Eigenschaften überträgt: (vermeintliche) Instantanität der Wirkung und Übertragung, ihre Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit und Ubiquität.

»After three thousand years of explosion, by means of fragmentary and mechanical technologies, the Western world is imploding. During the mechanical ages we had extended our bodies in space.

4 Marshall McLuhan: Understanding Media. New York 1964, S. 24. 5 Vgl. Georg Christoph Tholen: Mit und nach McLuhan. In: Derrick de Kerckhove, Martina Leeker, Kerstin Schmidt (Hg.): McLuhan neu lesen. Bielefeld 2008, S. 127–139. 6 Jürgen Fohrmann: Der Unterschied der Medien. In: Transkriptionen. 1, 2003. S. 3. 84 Florian Sprenger keine Theorie der Elektrizität oder der elektronischen Medien, sondern vielmehr, sondern Medien, elektronischen der oder Elektrizität der Theorie keine demnach inspiriert Denken McLuhans Tagesordnung. die bestimmt Computers rizität, sondern die Elektronik und die mit ihr möglich werdende Schalttechnik des Weniger Zeit. Elekt seiner die Wissen technischenaturwissenschaftliche und das zitätsforschung verpasst aber zurück, – wie nicht gerade selten – den Anschluss an werden. Er greift damit, ohne es eigens zu benennen, in die Geschichte der Elektri Kraft, die die Medien als Medien ist wirken lässt – ein Sie Hintergrund, vor dem sie vollzieht. zur Figur Medien elektro-technischen mit Übertragung sich wo sam, wirk dort überall sondern Metapher, nur nicht also McLuhan für ist Elektrizität embrace, space isconcerned.« inaglobal far as tem and time both ourplanet as itself abolishing Today, after more than a century of electric technology, we have extended our central sys nervous 9 Medien 8 7 der trennt60er Jahre Leitmedium bleiben. McLuhan beschreibt das mit Begriffen ge voneinander sie obwohl zusammenrücken, näher Haushalte angeschlossenen konstitutiert und indem es in die Wahrnehmung eingreift. Das Fernsehen lässt die griffe vonRaum undZeit inBeschlag nimmt, indem es neue Formen des Mit-Seins Be die es indem auslöst, Fernsehen Es Medium das die Auswirkungen, die neue. um geht durch Wahrnehmungsmöglichkeiten alte also ersetzen Oralität, neue eine sie erzeugen StattdessenDenken. geprägte lineare,zentralperspektivisch das ihr mit und Gutenberg-Galaxis die verdrängen Fernsehen, zum hin bis Radio das Telefon über vom Medien, elektrischen Die Ländern. fernen von Eindrücke oder erscheinen Bildschirm dem auf Äther dem aus die sind, Geister es ob wird,macht präsent‹. und Radio, die Distanz zwischen abwesenden Menschen, macht sie also ›elektrisch lärste (Massen-)Medium der 60er Jahre. wie schon Es Telegraf,verringert, Telefon popu das Fernsehen das ist nur werden.Nicht bei abgelesen Fernsehen am spielhaft soll, geschehen hier es wie kann, Medientheorie und Elektrizität von dung Verbin dieser Potential Das Buchkultur. der Figuren linearen sequenziellen, den mit TelegrafieTechnologiender simultanen Hintergrund seit als elektrischen, der Zusammentreffen chaotischen dem aus allesamt stammen konstatiert, McLuhan Genealogie könnte. sein eine Arbeitens auchmedienwissenschaftlichen die erkunden, Elektrizität der mit und Genealogie bei eine sich McLuhan lässt darum Genau formatiert. ihr von sagen, man könnte also, so wird haben, Denken dieses eben auf Elektrizität Struk durch die turverwandlungen Einfluss welchen zeigen, will sondern Elektrizität, die nur nicht delt behan McLuhans Denken Das herausarbeiten. Selbstbeschreibungen ihrer jede auf auch damit und Gesellschaft die auf Elektrotechnik der Wirkungen latenten die er möchte So Medien. der Theorie elektrische eine gesprochen, metaphorisch Vgl. JeffreySconce:Vgl. Hagen: Wolfgang Perspektive: anderer ganz in Vgl. McLuhan 1964, 19. S. . Weimar 2001. 9 McLuhan interessiert jedoch nicht, was dort (in absentia) präsent ge präsent absentia) (in dort was nicht, jedoch interessiert McLuhan Haunted Presence Electronic Media. from Telegraphy to Television Radio Schreber. Der moderne Spiritismus und die und Spiritismus moderne Schreber.Der Radio 8 Die kulturellen Probleme, die Probleme, kulturellen Die . Durham 2000. . Durham 7 ------85 wie Simultanität, Schwingung, Resonanz, Taktilität und Diskontinuität. Woher diese – durchaus kybernetisch gedachten – Begriffe kommen, darum soll es im Folgenden gehen. Das Fernsehen kann also für drei Sichtweisen einstehen, die sich implizit für fast alle McLuhanschen Überlegungen unterscheiden lassen: erstens der Einfluss eines Mediums auf das Gefüge der Sinne, zweitens die Veränderun- gen des kulturellen Environments durch Technik und drittens die philosophischen Implikationen für das Denken, etwa von Kausalität. Dieser anvisierte Zusammenhang von Elektrizität und Kausalität ist jedoch von einigen Problemen begleitet, die McLuhans Theorie von innen heraus bewegen. Kausalität ist, systematisch gefasst, auf einen zeitlichen Abstand von Ursache und Wirkung angewiesen. Wenn A auf B wirkt, dann können A und B nicht gleichzei- tig geschehen, weil die Vermittlung der Wirkung Zeit benötigt. Kausalität ist also immer vermittelt.10 Die Elektrizität ist für McLuhan nun gerade deswegen reizvoll, weil sie (vermeintlich) instantan wirkt. Ursache und Wirkung werden durch sie zu einem gewissermaßen uneinholbaren Spiel, da ihre zeitliche Aufeinanderfolge nicht mehr anschaulich ist. Weil sich das Fernsehen durch die Elektrizität instantan ver- breitet und damit sein eigenes Live-Sein erst ermöglicht, muss die Beschreibung der Ursachen und Effekte auf eine ungewohnte Kausalität zurückgreifen. Dieser Studel reißt auch andere abendländische Leitdifferenzen mit sich – Denken und Handeln, Subjekt und Objekt. Dies ist aber ganz im Sinne McLuhans, sieht er diese doch durch die Fehltritte des Buchdrucks bedingt. Effekte und Ursachen verwi- schen, wenn die Geschwindigkeit der Übertragung groß genug ist – und schneller als das Licht kann sie sowieso nicht sein. Einmaliges und Verschiedenes wird unter den Bedingungen der Elektrizität verstärkt und nicht nivelliert. Das bedeutet aber auch, dass mit dem Raum der Übertragung der Raum der Beobachtung und des Handelns verschwimmen: »All rigid distinctions between thinker and doer, obser- ver and observed, object and subject are being eroded by the ›rim-spin‹ of electric media.«11 Diese Auflösung von Unterscheidungen und Gegenüberstellungen führt jedoch nicht zu einem simplen Verschwinden, sondern zu chiastischen Verstär- kungen: Geschwindigkeit wird Stillstand, »breakdown becomes breakthrough«.12 Aus einer Perspektive werden Standorte, aus linearer Geschichte Mythos, aus vi- sueller Ordnung und Struktur die Resonanz des akustischen Raums: »Past, pre- sent and future merge into electric nowness.«13 Derartige Logiken des Extrems, »a

10 Zwar mag der hier vorgestellte Begriff von Kausalität angesichts der philosophischen Überlegun- gen unterkomplex sein. Im 20. Jahrhunderts hatte ja schon Karl Popper die Kausalität von Ursache- Wirkungs-Mechanismen zum wiederholten Male desavouiert. Vgl. Mario Bunge: Kausalität, Geschichte und Probleme. Tübingen 1987. 11 Marshall McLuhan, Barrington Nevitt: The Argument. Causality in the Electrical World. In:Techno - logy and Culture. 14, 1973, S. 1. 12 Ebd., S. 2. 13 Ebd. 86 Florian Sprenger zunächst visuell wahrnehmbaren Gegenständen, dann aber auch aber von dann psychischenzunächst wahrnehmbaren Gegenständen, visuell von Figur oder Form die ist Gestalt Eine hält. laufen am sie Prozessualität eigene cheWahrnehmung Wahrnehmungen,um wodurch wird, ausgelöst sondern deren wel nicht gehtEs also soll. mehrdarum, ablösen Kausalitätsverhältnisse das ben, beschrei zu Figur/Hintergrund-Schema Wahrnehmungsprozessen undein durch Erkenntnis- in Ordnungsvorgänge diese, versucht Form relevanten McLuhan für der In Gestalttheorie. die auf McLuhan sich beruft sind, beschreiben zu Mitteln Texten imDenken schließen. auf Einbrüche und lassen einem einzigen Prozess aufgehoben werden, finden sichhäufig inapokalyptischen chiasmus«, by metamorphosis ne Arbeit immer neue Gegenentwürfe geben solle. geben immer neueGegenentwürfe ne Arbeit 16 der Medien. Kritikern und den apokalyptischen beobachten, zu auch ihren aber bei rie Gegnern 15 14 an content of pattern total the awareness of involvesan that unity a into two the by a kind of double vision that alternates between content and form and integrates constructed is meaning »The beobachtbar. Wechselwirkungen gegenseitigen ihre situieren,durch sondern noch im ständiges Hintergrund WechselnFigur, der Sichtweise der in weder demnach ist Botschaft Die ist. selbst Medium das entfaltet, Wirkung kulturelle was das, also Umwelt, seine Environment, sein Hintergrund, sein während Figur, seine Perspektive solchen einer in ist Mediums eines Inhalt ten als ein Kaleidoskop, in dem eine Veränderung alle Bestandteile verschiebt. Der Arbei eigenen seine auch durchaus sondern Medienwelten, nur nicht bezeichnet verschieben. zu Hintergrund und Figur ständig, er versucht machen, zu sam Praxis verstanden werden: Ursachen um auf aufmerk verborgene, hintergründige McLuhans kann so Genau beschreiben. zu neu wieder immer entsprechend sind und Situation nach je variieren Verhältnisse Diese eingreift. er die in Figur, der mit Wechselverhältnissen zahlreichen in steht sondern untergeordnet, oder siv und diese Grenze kann sich jederzeit verschieben. Der Grund ist nicht einfach pas solchen zu Figuren macht Grund zum Differenz die Erst Hintergrund. zum Figur vormalige die und geworden Form zur er ist wird, fokussiert er wenn denn fus, dif bleibt Papier.Hintergrund Derdas oder Schrift die entweder sehen Wir wird. Figur zur dann erkennbar,die Seite eine nur immer jedoch Wahrnehmungist der ProzessIm Nicht-Wissenverstärkt. das Lernen das bedeutet, was Nicht-Wissen– der Highways gedeutet werden (aber auch umgekehrt), und als der von Wissen das Infrastruktur die kann Auto Figur der Hintergrund Als sind. angewiesen ihn auf Hintergrund als diffusen Figuren erkennbar, einem indem sie vor sich von erst ihm abheben, werden aber dennoch Figuren begrenzten Diese denkbaren. von oder a lo i Eetiiä ud he uwrugn ih mt e traditionellen den mit nicht Auswirkungen ihre und Elektrizität die also Da Entsprechend auch die Aufgabe an Anti-Environmentsdie Kunst, zu erschaffen, diewieseine eige sind Solche auchSelbstbeschreibungen als heute Legitimationsstrategien noch in der Medientheo 6. S. Ebd., 14 in denen zwei aufeinander aufbauende Seiten in Seiten aufbauende aufeinander zwei denen in 15 16 Er Er ------87 form.«17 Aber all das bleibt unsichtbar, weil die Umwelt für den nicht beobacht- bar ist, der in ihr lebt – außer, es wird etwa durch die Kunst und eben durch die Medientheorie möglich, zwischen verschiedenen Perspektiven auf Figuren und Hintergründe zu switchen. »Media study at once opens the doors of perception«.18 Deshalb heißt The Medium is the message auch, als Handlungsanweisung, an sich selbst zu beobachten, wie die Medien der Wahrnehmung, des Denkens und Füh- lens auf das Wahrnehmen, Denken und Fühlen wirken. Jede neue Form führt zu einer Veränderung auch des Hintergrunds, in dem – wenn die Wahrnehmung fo- kussiert wird – Neues sichtbar wird. McLuhan will Medien zu Figuren machen. Dieser Bezug auf die Gestalttheorie spielt für The Medium is the Message zwei Rollen: Erstens eine mediengeschichtliche, denn Medien formen kulturell gepräg- te Figur/Hintergrund-Muster. Wird ein neues Medium eingeführt, werden alte Weltverhältnisse obsolet. Das Auto braucht den Highway als Hintergrund, der dann Städte wie Telegrafenlinien verbindet. Das Fernsehen stellt neue Optionen für Wahrnehmungsweisen, Handlungsweisen und Selbstverständnisse bereit und verflüssigt das stillgestellte Gefüge der alten Medien. Ein neues Verhältnis von Formen und Hintergründen kann sich ergeben. Der Grund jedes neuen Artefakts ist die Situation, aus der es entsteht, das Environment, das es antreibt und arbei- ten lässt. Um dies zu integrieren wird auf alte Wahrnehmungsweisen, Handlungs- muster und Selbstverständnisse zurückgegriffen, die bisher hintergründig waren – etwa die Taktilität und die Stammeskultur. Kurzgefasst, jedes neue Medium muss vor dem konventionalisierten Hintergrund alter Medien erfasst und beschrieben werden. Jedes Medium habe ein anderes Medium zum Inhalt, sei also selbstdiffe- rent und nur relational zu anderen Medien fassbar. Medien lassen sich demnach nicht als einzelne Entitäten beobachten, sondern sind immer in ein Geflecht von anderen Medien eingelassen. Ähnliches gilt für das Aufeinandertreffen verschie- dener, unterschiedlich entwickelter Kulturen; ein Kontrast, den McLuhan häufig heranzieht. Die Einführung eines neuen Mediums verändert das Gefüge nicht nur, es macht es überhaupt erst sichtbar, indem es Altes vor dem Hintergrund des Neu- en und Neues vor dem Hintergrund des Alten erscheinen lässt. Deshalb ist das Medium die Botschaft (denn der Botschaft wird zugesprochen, dass sie es ist, die wirkt). Dies führt zu einem zweiten Hinweis: Was ein Medium ist, wird für McLuhan durch den Hintergrund bestimmt, vor dem es zu einem solchen wird. Medien er- lauben es nämlich, Figur und Hintergrund, sie selbst und ihren Inhalt wahrzuneh- men. Die Formel schließt ja nicht aus, auch den Inhalt von Medien zu betrachten.

17 Twyla Gibson: Double Vision: McLuhan’s Contribution to Media as an Interdisciplinary Approach to Communication, Culture and Technology. In: MediaTropes 1, 2008, S. 164. http://www.mediatropes. com/index.php/Mediatropes/article/view/3345/1489 (1.8.2008). 18 McLuhan 1964, S. X. 88 Florian Sprenger Denkens und Erkennens. Wahrnehmens, des Motor ein als sondern Prinzip, epistemologisches bezogenes bekommt produktivedamit Züge: nicht mehr nur als auf ein erkennendes Subjekt gefasst. auchKausalitätsverhältnis Punkte, als beiden diese zeigen so also, en unwichtig dieser würde. ohne dass Medium denbedingen, Inhalt das kann dann und kippen, Verhältnisderen sich lässt Damit werden. schrieben be Grund als oder Figur als Beobachterperspektive nach je Medium und Inhalt lässt sich auch Figur/Grund-Schema das auf Medium das selbst anwenden, indem Zwar ist jedes Medium nur vor einem kulturellen Hintergrund zu betrachten. Aber gleichzeitig miteinander vergleichen? zu gleichzeitig man Veränderungen der Wahrnehmung beschreiben, wenn Wahrnehmungenes keine gibt, Möglichkeit tive auf diese Veränderungen nicht bestimmen, wie bereits in der antiken Skepsis bekannt war. Wie kann 20 Heider: die einenganz anderen Fritz Vgl. Weg aufzeigt. 19 der Ordnung schafft. cher Logos, göttli ein Gesamtwahrnehmung, zur Sinne einzelnen der Zuteilung koordinierte Instanz dieser von eine drittens und macht, übersetzbar ineinander nehmungen Sinneswahr der Gemeinsinn, ein Instanz, eine zweitens Sinne, der Ordnung der sich wird, drei lassen gesetzt Prämissen herausarbeiten: erstens Hierarchieeine in fort Vico Giambattista und Aquin von Thomas mit die Tradition, dieser In rent. transpa oder dreckig geschlossen, oder geöffnet manchmal lässt) nachvollziehen Metapher prägende so Jahre 60er die für diese auch (wie und Welt, zur Tor das gewissermaßen sind Sinnesorgane Die ist. gebunden – Kontemplation an nisch plato nicht und – Sinneswahrnehmungen an ihn für Welt der von Wissen weil der SinneresultierenOrganisation unter Umständen inneuenVerhaltensweisen. der in Veränderungen integriert. Medium das auf Adressaten des Reaktion liche körper und sinnliche die das Environment, biologisches wie kulturelles ein dert bzw. verän Jedeserzeugt Medium deren als Extension. ist, Sinnen‹ den ›in schon immer Medium das weil Folge, zur Sinne der Gefüge im VeränderungenUmwelt jede Veränderung der anderenBetäubung wie gezeigt, Sinne. hat, So der medialen oder Schwächung die Sinnes eines Verstärkung oder Extension einseitigen jeder aus folgt herrscht, natürlicherweise Sinne der Gleichgewicht ein Da führt). men Proble gewissen zu Rad beim (was Kultur die Satellit der und Nervensystem das TelegrafHand,der die Hammererweitert der Funktionen: seiner und resKörpers unse Ausweitungen immer,McLuhan, sind so Medien gegenseitig. sich bedingen Folgende zu. Medien und Sinne sind nicht einfach sondern aneinander gekoppelt, voneinander losgelöst zu betrachten. nicht sind Erkenntnistheorie und Medientheorie verbunden. Erkenntnis der gen Die Frage nach den Medien ist für McLuhan nämlich grundsätzlich mit Fra mit grundsätzlich nämlich McLuhan für ist Medien den nach Frage Die Die Relation von Figur und Hintergrund wird von McLuhan in Bezug auf Medi cuas rennshoi set n rsoeic-hmsice Tradition, aristotelisch-thomistischer in steht Erkenntnistheorie McLuhans Was aus philosophischer Sicht durchaus problematisch ist, lässt sich doch eine Beobachterperspek nicht, Ding-Medium-Unterscheidung zur Weiterentwicklung Heiders Fritz er kannte Vermutlich 20 Schon auf Sprache als Weltzugang das trifft Ding undMedium Ding . Berlin 2004. . Berlin 19 Es ------89

McLuhans Sinnestheorie ist aber auch, der Zeit entsprechend, kybernetisch, insofern sie den Einfluss der Wahrnehmungsveränderung durch Wahrnehmung auf die Wahrnehmung berücksichtigt, also die Rückkopplung der Wahrnehmung an die Wahrnehmung selbst. Wahrnehmung wird so zu einem dynamischen, nach einem Gleichgewicht und einer sense ratio, einem Logos der Sinne, strebenden Prozess. Die Aquinsche Theorie wird also in diesem Sinne kybernetisiert und der Sensus Communis zum Steuermann.21 Dem Tasten als Nahsinn kommt dabei besonderer Status zu. Es ist gewisserma- ßen zur Unmittelbarkeit prädestiniert. Seine Wahrnehmung eröffnet einen Raum der Gleichzeitigkeit und Perspektivlosigkeit, im Gegensatz zum Nacheinander des Sehens, das damit figurenorientiert ist. Dies wird für das Fernsehen eine entschei- dende Rolle spielen. Die audio-taktilen Gesichtspunkte des elektrischen Stromes machen es nämlich notwendig, die Gegenwart nicht nur als visuelle zu betrach- ten: »By imposing unvisualizable relationships that are the result of instant speed, electric technology dethrones the visual sense and restores us to the dominion of synesthesia, and the close interinvolvement of the other senses.«22 Was passiert nun, wenn dieses Modell von Sinneswahrnehmung, das nicht ohne Medien zu haben ist, unter die Vorzeichen einer als instantan und simultan gedachten Elektrizität gerät? Wenn Information mit Lichtgeschwindigkeit über- tragen werden kann, bedeutet das Instantanität, die Möglichkeit eines gleichzei- tigen Zugriffs überall, weil es keine höhere Geschwindigkeit geben kann. »When data move instantly, classification is too fragmentary.«23 Die instantane, ohne zeitlichen Aufschub sich vollziehende Übertragung führt dazu, dass sich die Ver- arbeitung von Information ändern muss. Das Medium ändert ein ganzes Gefüge, und gerade das ist seine Wirkung. Elektrisch-instantan übertragene Information kann, so die Annahme McLuhans, nicht mehr klassisch geordnet werden, indem sie Stück für Stück sortiert und nacheinander aufgenommen wird, weil die Über- tragungsgeschwindigkeit die Verarbeitungsgeschwindigkeit massiv übersteigt. Aus Klassifizierung – die letztlich auf einen alphabetischen Modus rekurriert, in dem ein Buchstabe auf den anderen folgt – wird Mustererkennung, pattern recogniti- on, ein neues Environment. Problematisch ist dabei, dass eine instantane Über- tragung keine Übertragung mehr ist, weil das zu Übertragende keine Zeit mehr benötigt, um übertragen zu werden, also immer schon am Ziel ist. Eine instantane Übertragung vergrößert den Raum der Übertragung also nicht – wie etwa der Brief – sondern zieht ihn zusammen: statt zu explodieren implodiert die elektrische Welt: »The stepping-up of speed from the mechanical to the instant electric form

21 Michael Bross: McLuhan’s Theory of Sensory Functions. In: Journal of Communication Inquiry. 16, 1992, S. 91–107. 22 McLuhan 1964, S. 108. 23 McLuhan 1964, S. VIII. 90 Florian Sprenger point of causality. With the new ›long chain‹ of ›causes‹, each efficient cause results in another another in results cause efficient each ›causes‹, of chain‹ ›long new the With causality. of point whole the been thishaving aside, set is of grounds) (i.e., effects of study all cause, »Withefficient abgesehen: hat es, in der Gutenberg-Galaxis entstanden, auf Wirkursachen, auf causa efficiens Wissenschaft die auch Denn Wissenschaft. neuzeitlicher etablierter, Gegenstand mehr nicht damit und organisiert nach-euklidisch ist sie und überprüfbar, empirisch mathematisierbar nicht ist Bewegung Diese Raumes. akustischen des lität Ora die wie zusammen, trotzdem zieht und dezentralisiert Elektrizität Empfängern angefüllt. und Sendern möglichen mit weil groß, unüberschaubar doch aber implosion.« into explosion reverses 25 24 are causes formal Since hidden and cause. environmental, they formal exert their fromstructural pressure byentirely interval and interface been with wha has media the to approach own »My halten.zu an sich umreißbar, deutlich hier wird das und deutet, be Inhalt, statt recognition pattern bedeutet Percept Klassifizierung. also mithin Einheit, einer statt Fragmentierung eine Ordnung trotz herrscht hingegen cept Taktilitätdie erlaube Percepts. erlaube, DenkenCon konzeptuelles Im damit und schaffe Ordnung VerarbeitungseinheitenDruck Wahrnehmung.Währendder der durch ›Percepts‹. Darunter versteht McLuhan – weitaus unklarer als es – klingt die ›Concepts‹ von Ablösung die auch sich erklärt Entsprechend Inhalte. als spielen Ohren-Welt, in der alles zugleich geschehe – und damit Formen eine größere Rolle einer in ›Pre-Literatelebe strengeTrennunghingegen Inhalt. Man‹ und Formvon die Eins-nach-dem-Anderen, das und Linearität folgende Zusammenschluss sem die aus die sei Grund abgenommen. rapide Verquickung– Buchdruck und der Rationalismus von seit also – Descartes seit Kultur westlichen der in den habe für Inhalt Form der Bedeutung Die Formgebung. der Prozesse eigenständige um sondern Gebäudes), des formalis causa als Bauplan der (also zustrebt etwas die auf Form, die um wenigerallerdings McLuhan es geht Vergleich Aristoteles Im zu hervorhebt. etwas von Struktur gestaltende die die formalis, causa die eben und beschreibt, etwas von Ziel das die finalis, causa die wird, gebracht Bewegung etwas in wodurch angibt, die efficiens, causa die entsteht, etwas woraus zeichnet, be das die materialis, causa die Welt: der Veränderungenin für Ursachen vier in unterscheidet Aristoteles Erinnerung: Zur efficiens. causa der mit wie müssen zu Veränderung der causa formalis, um nicht mehr nach Figuren ohne suchen Grund eine um sondern Medienspezifik, eine nichtum sehr so gar also es gehtMcLuhan observed.« Newton as as occultism, appears discontinuous, because ofeffects, study The on. so and cause, efficient McLuhan, Eric McLuhan: McLuhan, Eric McLuhan 1964, 47. S. 25 Laws of Media of Laws 24 . Toronto 51. 1988, S. Der Raum der Übertragung ist geschlossen, geschlossen, ist Übertragung der Raum Der The Medium is the Message Message the is Medium The ------91 tever is in their environmental territory. Formal cause is always hidden, whereas the things upon which they act are visible.«26

Eine Beschäftigung mit der causa formalis bedeutet also eine Beschäftigung mit Hintergründen oder Medien, während die causa efficiens zu Formen oder Inhalten führt. Wahrnehmung durch mittelbare Concepts, durch Ideen und Inhalte, also durch Schrift und Buch, wird mit den elektrotechnischen Medien durch Wahrnehmung durch unmittelbare Percepts, durch die Sinne und durch Präsenz ersetzt. Als ver- mittelte verhindern Concepts also auch den Zugang zu einer nur sinnlich erfass- baren Wirklichkeit und Wahrheit, deren Zentrum Gott bildet. Frömmigkeit ist nicht vermittelt, sondern wird durch den Buchdruck und seine strenge Ordnung verhindert. Die Phase der Literarität, vom Mittelalter bis zum Aufkommen tech- nischer Medien, ist also von einer Abkehr von einer ›true to the heart‹-Religion geprägt. Die technische Übertragung durch Elektrizität bedeutet schon für die Te- legrafie die Ablösung des Körpers vom Geist, der in Form der Schrift und später der Stimme transportierbar geworden ist. Diese Entkörperlichung ermöglicht den Zugang zur einer sphärischen Welt des Geistes, die vorher nur nach dem Tod er- reichbar war. Das Erstarken des Percepts durch die Elektrizität ist Nährboden für die katholische Kirche: »Electric man is a ›super angel‹«.27 McLuhan warnt jedoch pessimistisch vor seiner eigenen Euphorie: Elektrizität rufe auch die Gefahr des Antichristen hervor und der Verwirrung, die Unmittelbarkeit der Elektrizität für Gott zu halten. »When electricity allows for the simultaneity of all information for every human being, it is Lucifer’s moment. He is the greatest electrical engineer.«28 Bestimmend bleibt jedoch eine Gleichsetzung, die besonders prägnant in einem Brief vom 18.4.1969 formuliert wird: Eine Ablösung des Concepts durch Analogien, durch Resonanz und durch Gemeinschaft. »I am a Thomist for whom the sensory order resonates with the divine Logos. I don’t think concepts have any relevance in religion. Analogy is not a concept. It is community. It is resonance. It is inclusive. It is the cognitive process itself.«29 Resonanz, Percept und Gemeinschaft sind also ineinander verwoben. Und all dies wendet McLuhan auf das Fernsehen an. Wenn dieses Medium, ermöglicht durch die Lichtgeschwindigkeit der Elektri- zität, etwas Gleichzeitiges von einem anderen Ort im Hier anwesend macht, also Ferne in Nähe bringt, dann gerät deren Verhältnis in eine Oszillation. Wenn dann noch die Verbindungsmöglichkeiten immer umfangreicher werden, weil nahezu je- der nordamerikanische Haushalt angeschlossen ist, schlägt die Dezentralisierung – das gleichzeitige Sein an verschiedenen Orten – um in eine dezentrale Zentrali- sierung, eine Einheit des vermittelten Mit-Seins, in das ›global village‹, und zwar

26 McLuhan: The Letters of Marshall McLuhan. Toronto 1987, S. 510. 27 McLuhan: Keys to the Electronic Revolution: First Conversation with Pierre Babin. In: Ders.: The Medium and the Light. Reflections on Religion. Toronto 1999, S. 50. 28 McLuhan: Tomorrow’s Church: Fourth Conversation with Pierre Babin. In: McLuhan 1999, S. 209. 29 McLuhan 1987, S. 368. 92 Florian Sprenger Kultur innerhalb dörflicher Stammesorganisationen. Wie die Stammestrommel, die Wie tribalen Stammesorganisationen. dörflicher voralphabetischen,innerhalb Kultur der Kommunikationsstrukturen den zu Rückkehr einer zu also führt Medien der Allgegenwart Die werden. einigungsmechanismus von die Kontakte MenschVer zu zum ineinemDorf, der Marktplatz wie lässt, Elektrizität Die Organisationsformen. soziale neue McLuhan, so entstehen, Medien durch Raumes des Zusammenziehen das durch Implosion, die Durch ge‹. wird.Haushalte zusammengefasst aller Synchronizität die durch und ist angeschwollen Maße globale auf nifestiert, ma Medien elektrischen in Nervensystem, unser weil Dorfes, dieses Bewohner wir sind sind, Körpers unseres Extensionen Medien Da Metapher. als nur nicht 32 31 (Hg.):Baltes 30 or intra-senously.« has done inter-personally and inter-nationally, theimage does TV intra-personally contraction or implosion electric »What Argumenten. und Worten mit oder Axt derdie Fusion Möglichkeit zu. damit Ausgehandelt wird immer, und ob mit Keule Fusion.« nicht Spaltung, tiefgreifende ist Dorf […] neidischer. und boshafter ist Es seien. nie mals mir eingefallen, Einheitlichkeit unddass Ruhe die Merkmale des globalen Dorfes ist Es Punkten. allen in Uneinigkeit maximale absolut die sichert Dorf mehr Diskontinuität und Teilung und Unterschiedlichkeit erhält man. Das globale so um schafft, man Dorfbedingungen Jemehr gibt. Stadt einzigen Familieneiner Tausenden den in es als Familie, jeder in Dach einzigen einem unter Ein heitlichkeit weniger Unterschiedlichkeit, mehr gibt »Es Beisammensein. fröhliches als beschrieben, Gemeinschaft harmonische eine als Dorf globale dieses habe er sich, desAufgehens durch inGott Vernetzung wird. sein wiederhergestellt Einheit verlorene die dem an hinführt, Omega Punkt einem zu letztlich sie und umfasst Welt ganze die die Sphäre, entstehende Vernetzung mediale durch schaltung durch Instantanität und durch Synchronizität. Darunter versteht er eine Ver dieser Folge die Noosphäre die ist gesprochen, Chardin TeilhardDe Priester pies, Hip die sich sogar auf die ein kosmisches Bewusstsein berufen. Mit etwa dem katholischen sind Technologien elektrischen der Ergebnis Ein empathy. damit und participation wird contact und access Aus Ganzheit. zu letztlich hungstiefe, Bezie und Einfühlung zu zwingt oder führt wiederum das und Verantwortung, Dorfviertel.« der Gleichschaltung keine Gerüchten aber bewirkt aufkommen, Bosheiten persönlichen Klatsch, und nach Bedürfnisse dörfliche unersättlich lässt und maßstab Dorf auf Welt »die Fernsehen das reduziert wird, beschrieben Radio das die als Was aus all dem resultiert, fasst McLuhan unter dem Stichwort ›global villa ›global Stichwort dem unter McLuhan fasst resultiert, dem all aus Was Als weitverbreitetes Missverständnis weist McLuhan jedoch die Annahme von Annahme die jedoch McLuhan weist weitverbreitetesMissverständnis Als McLuhan 1964, 280. S. 73. 2001,S. McLuhan in:Baltes Martin In: Stearn. Emanuel Gerald mit Gespräch nachgeben. Schlösser die bis Testen McLuhan: 31 Trotzdem ist es ein Dorf, und nur als solches lässt es Spannungen und Spannungen es lässt solches als nur und Dorf, ein es ist Trotzdem Das Medium ist dieBotschaft ist Medium Das 30 Dennoch steigt durch die Distanzlosigkeit zum Leben der Anderender Leben zum Distanzlosigkeit durchdie steigt Dennoch 32 . 2001, S. 463. . Dresden 2001,S. ------93

An dieser Stelle ist es wichtig, auf eines der größten Probleme von McLuhans Theorien hinzuweisen: eine ›Umgehung‹ der Metapher. Das Stromnetz ist, wie McLuhan schreibt, nicht wie das Nervensystem, sondern es ist das Nervensys- tem (bzw., im Rekurs auf Ernst Kapp, dessen Extension).33 Der Hammer ist nicht wie eine Erweiterung der Hand, sondern er ist die erweiterte Hand. Auf dieser Verwechslung aufbauend, gerät das Denkgebäude McLuhans, das die konstitutive Rolle von Medien für die Kultur in den Mittelpunkt stellt, in all jene Verwirrungen, die sich in den Phantasien von Elektrizität und Cyberspace als weltweitem Ge- hirn artikulieren. Auch Elektrizität kommt bei ihm gewissermaßen ohne Verarbei- tungsapparaturen – als Zeichen und nicht signalisiert – aus und wirkt direkt durch die Leitung. Selbst das Fernsehbild ist nur eine letztlich zu vernachlässigende, da für die Wirkung unwesentliche Zwischenschaltung. Der Strom greift – ermöglicht durch Metaphern der Instantanität – direkt, taktil und unmittelbar auf die Netz- haut über.34 Wenn McLuhan also etwa Computer und Gehirn gleichsetzt, vollzieht er eine ontologische (oder ontologisierende) Operation, eines Wesensbestimmung auf der Basis einer Negation der Metaphorizität seiner Beschreibung. Dass Medien erst Potentiale zur (Selbst-)Beschreibung und damit zu eben dieser Wissenspro- duktion bereitstellen, fällt unter den Tisch. Deshalb bekommt der Diskurs der Elektrizität und ihrer Medien mit McLuhan einen anthropologischen und religiösen Zug. Instantanität führt demnach erstens zur Aufhebung der Kausalität des Nacheinander, von Aktion und Reaktion, also zu einer Umwertung des Denkens, zweitens zur Entkörperlichung, wenn man instantan überall hin übertragbar ist, und drittens zur Neuordnung der Sinnes- strukturen. All dies ließe sich unter dem Gesichtspunkt einer nicht als Metapher verstandenen Metapher subsumieren, aber das muss an anderer Stelle weiterver- folgt werden. Das instantane Modell der Elektrizität ähnelt damit strukturell dem akusti- schen und taktilen, denn das Hören hat keine Perspektive und das Tasten keine Reihenfolge. Es umfasst alle Richtungen zugleich: »That the world of sound is a essentially unified field of instant relationships lends it a near resemblance to the world of electromagnetic waves.«35 Electric man ist also tribal man, weil Stammes-

33 Vgl. Georg Christoph Tholen:Die Zäsur der Medien. Frankfurt 2002. 34 McLuhan unterscheidet hier – technisch gesehen – nicht hinreichend zwischen Signal und Zeichen, also zwischen einer technisch definierten Informationseinheit und einer arbiträr codierten Bedeutungs- einheit. Das kann man ihm durchaus zum Vorwurf machen – aber vielleicht trifft man McLuhans Stra- tegie damit nicht. Denn ihm geht es um den ›impact‹ der Elektrizität auf die Kultur. Und dieser Impact steht gewissermaßen vor der mit der Telegrafie technisch implementierten Unterscheidung von Signal und Zeichen. Man könnte McLuhan hier also das Phantasma nicht nur einer instantanen Übertragung, sondern einer ebenso transparenten wie aufwandslosen Verarbeitung unterstellen, aber beide besetzen wichtige Scharniere in seiner Theorie, ein Zentrum gewissermaßen, um das seine Ideen kreisen. 35 McLuhan 1964, S. 241. Zur Taktilität als dem Novum der Bildabstastung des Fernsehens vgl. auch Michael Andreas: U Can’t Touch This – Zur Fortsetzung von Geschlechterdichotomien durch virtuelle Taktilität. In: Kultur und Geschlecht. 2, 2007, http://www.ruhr-uni-bochum.de/genderstudies/kulturund- geschlecht/pdf/Andreas.pdf. (1.8.2008). 94 Florian Sprenger taktilen Sinnes durch das Fernsehen: »TV engineers have begun to explore the explore to begun have engineers »TV Fernsehen: das durch Sinnes taktilen des Hervorhebung die Deshalb geformt. taktil und organisiert akustisch sondern zentralperspektivischer, kein ist eröffnet, Fernsehen das den nehmungs-)Raum, alte Umwelt des detailreichen Kinos, sondern integriert Altes in die Neues. in Der (Wahrnicht damit passt und – lässt Leerstellen füllende zu Zuschauer vom viele Detailarmut seine weil Involviertheit, großer zu zwingt und Medium visuelles ein bzw. der Welterzeugung. Genau Weltzugangs deswegen ist Fernsehen für McLuhan des nur bedingt Einheit die Percepts sondern Concepts, länger nicht erläutert, kann, es ruft alle ›Stämme‹ zusammen. die Stammestrommel. Weil überall auf der Welt esgleichzeitig empfangen werden etwa beispielhaft – sind gefasst Organisationsformen auditive taktile, in kulturen 38 37 90er. der Internetdiskurse euphorischen die an anschlussfähig dennoch ist Beschreibung McLuhans aufhebt. 36 solche McLuhan selbst. wie involvieren, eben zu oder Sinne alle um braucht,Nixon statt Kennedy raktere wie Überlegung McLuhans wenigstens anzudeuten, ein cooles Medium, das coole Cha andere eine um deswegen, ist Fernsehen Sinne. aller Involviertheit also gänzung, Er aktive nämlich verlangen Bilder Kino, detailarmen das Die Fernsehen. für das für gut sondern Nicht gut. ist das und Kinobild, das als schlechter ist sehbild Fern Dasmehr. Fernsehen kein gar wohl ihn für wären Beamer – Jahre 60er der Fernsehen das natürlich hier McLuhan beschreibt Allerdings Auge. ins tationen Repräsen über Foto, Umwege einem ohne auchderendirektund Formfälltdenn als Skulptur einer eher es ähnelt Deshalb Leinwand. zur unvermitteltBetrachters des Auge das macht sondern Leinwand, eine auf nichts projiziert Fernseher Der rather thanthe isolated contact and object.« skin of the senses, of that isthe isprofoundlyinterplay tactility and tactile, because participation kinetic TV imageThe requires each instant that we ›close‹ thespaces in the mesh by a convulsive senuous picture. of rather icon,than or sculpture of quality the has formed so image the and on, light not through, light by appears contour plastic resulting The finger. scanning the by limned things of contour forming ceaselessly a but sense, any in photo not is It shot. still a not is image TV »The und entsprechend auch detailarm: visuell – überträgt Netzhaut die Scanprozessauf sich elektrischer mosaikartiger, ein weil taktil, ist Es wird. konfiguriert Mosaik als Zuschauer vom TV-Bild das während ger, als Tastorgan. Ein Foto oder ein Filmbild muss als Ganzes genommen werden, zum Lichtstrahl versteht McLuhan aufdas das Auge projizierte Fernsehen als Fin leuchtet nichts, sondern trifft leuchtend aufdas Auge desZuschauers. InAnalogie be Fernsehens des Licht Das hat. Gründe medientechnische was Bildschirm, der skins.« their onto directly projected image this having by see to blind the enabling of means a as image TV the of character braille-like McLuhan 1964, 273. S. McLuhan 1964, XI. S. und lässt konvergieren Medien anderen alle das Medium, das nicht noch zwar ist Fernsehen Das 36 Unter der der sind, Ägide Elektrizität wie 38 37 Der Fernsehzuschauer ist Fernsehzuschauer Der ------95

Mit der Bestimmung des Fernsehens als taktilem Medium ergibt sich ein weite- res Paradox: Taktilität erfordert (körperliche) Nähe. Nun machen Medien wie das Fernsehen aber etwas anwesend, das abwesend ist, zu dem es also keinen Kontakt geben kann. Fernsehen bedeutet Näherbringen von Fernem. Dieses Oszillieren von Nähe und Ferne, von Anwesenheit in der Abwesenheit, liest etwa Samuel We- ber an der Fernbedienung ab, die es ermöglicht, in der Ferne durch die Nähe zu wirken.39 Diese Abkehr von der Distanz in der Distanz bedeutet eine Abkehr vom Visuellen – um zu sehen, um uns einen Überblick zu verschaffen, brauchen wir Abstand vom Gesehenen. Das Fernsehen hingegen präsentiert uns eine immer schon zusammengesetzte Perspektive. Deshalb ist gerade das Fernsehen prädesti- niert, um hier ansetzend die Unterschiede einer audio-taktilen und einer visuellen Kultur herauszuarbeiten. »The mode of the TV image has nothing in common with film or photo, except that it offers also a nonverbal gestalt or posture of forms.«40 Durch seine spezifischen, aber eben eigentlich der Elektrizität zuzuschreiben- den Eigenschaften hat das Fernsehen nun das Potential, die verheerenden Wir- kungen des Drucks umzudrehen und gewissermaßen und gewissenhaft die Welt zu retten, und zwar nicht als visuelles, sondern als audio-taktiles Medium. Was hier aber natürlich auch deutlich wird, ist der performative Widerspruch, in dem McLuhan immer stecken muss – als Übergangsfigur zwischen literarischer und elektronischer Welt: dass er sich nämlich, um über den Effekt eines Mediums auf- zuklären, auf eben diesen Effekt verlassen muss, indem er auf der Inhaltsebene operiert, im Fernsehen auftritt und zugleich Bücher schreibt, sich dabei aber auf die Suche nach neuen Formen begibt. McLuhan im Fernsehen ist, so folgt aus seinen eigenen Thesen, kein McLuhan, sondern Fernsehen. Eine am Inhalt des Mediums orientierte Theorie wird im Fernsehbild das über- tragene Filmbild sehen oder die Information, die gesendet wird. Die Blickwendung, die McLuhan vollzieht, sucht nach den Gründen, vor denen all dies erscheinen kann – ruft damit aber andere Probleme hervor. Diese Medientheorie versucht, Effekte und Ursachen als synchrone Abläufe zu fassen und schafft sich damit An- schlussmöglichkeiten an verschiedenste Diskurse. Und wenn das Gesagte zutrifft, wenn also dieses Denken ohne die Instantanität und Synchronizität der Elektrizi- tät nicht auskommt, dann scheint von hier aus ein Weg gebahnt, die Paradoxien, Phantasmen und Genealogien des epistemologischen Einsatzes einer Medienwis- senschaft zu beschreiben, die sich im Anschluss an McLuhan mit eigenständigen Effekten der Form beschäftigt. Noch einmal: »Past, present and future merge into electric nowness.«41 Eine Gegenwart, die erst durch Medien denkbar wird, diese aber negieren muss, um denkbar zu bleiben.42

39 Samuel Weber: MassMediauras. Stanford 1996. 40 McLuhan 1964, S. 272. 41 McLuhan, Nevitt, S. 2. 42 Und an anderer Stelle: »Das Fernsehen ist das Bauhausprogramm der Formgebung des Lebens.« (McLuhan 1964, S. 367.)

97 Ist der Tonfilm ein Monster? Antonin Artaud und die Unmöglichkeit des sprechenden Films

von Jan Philip Müller

Der Vortrag im Studio 28 Paris, 20. Juni 1929. In der Pariser Zeitung L’Intransigeant findet sich neben dem Kinoprogramm (Es laufen zum Beispiel Don Juan und Le Chanteur de Jazz.) folgender Eintrag:

»Nächsten Samstag um 15 Uhr, im Studio 28, Rue Tholozé, Vortrag von M. Antonin Artaud über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des sprechenden Films. Danach Vorführung des Sprech- filmsketchsDie stumme Liebe von Antonin Artaud, gespielt von Albert Prejean, dem Autor, und … Fräulein X. und von Parnasse, unveröffentlichter Film von Eugene Deslaw.«1

Am 30. Juni dann an gleicher Stelle eine Zusammenfassung des Vortrags:

»Ist das sprechende Kino ein Monster? Das ist die Auffassung von Antonin Artaud. […] ›Zwischen dem Bild und dem Ton ist keine Iden- tifikation möglich.‹ Das Bild stellt sich tatsächlich nur auf einer Oberfläche dar, es ist eine Über- setzung, eine Transponierung des Wirklichen; der Ton dagegen ist unteilbar [unique] und wahr, er greift auf den Saal über, er wirkt daher mit viel mehr Intensität als das Bild, das bloß eine Art Illusion des Tones wird. […] ›Und‹, sagt Antonin Artaud, ›da die Filmaufnahme [la vue] ein Aus- druck ist, der sich selbst genügt, ist es dann nicht absurd zu sagen, daß zwei Befriedigungen mehr taugen als eine?‹«2

Diese Frage – Ist das sprechende Kino ein Monster? – scheint mir ausgesprochen bemerkenswert zu sein. Selbst meine vielleicht zu wörtliche Übersetzung ausge- klammert, die aus dem »cinéma parlant« statt nur »Tonfilm« einen Akteur – das »sprechende Kino« – macht, und so nahelegt, dass das Kino ein lebendiges Wesen sein könnte, ein Wesen, das monströs ist, wenn es spricht: Was würde das bedeu- ten, wenn es so wäre? Wie wäre dieses Monster namens Tonfilm vorzustellen? Nur: Viel mehr ist über diesen Nachmittag im Studio 28, darüber, was dort viel- leicht gesagt oder getan wurde, bis jetzt nicht zu finden.3

1 L’Intransigeant, 20.6.1929. Übersetzung von mir. 2 Boisyvon: Le cinéma parlant est-il un monstre? In: L’Intransigeant, 30.6.1929. Übersetzung nach: Ele- na Kapralik: Antonin Artaud 1896–1948. leben und werk des schauspielers, dichters und regisseurs. München 1977, S. 103. Einfügungen und geringfügige Veränderungen von mir. Vgl. auch: Antonin Artaud: Œuvres Complètes (ŒC), Bd. III. Paris 1978, S. 377 (Anmerkung 3 zum Brief an Yvonne Allendy, vermutlich No- vember 1929, S. 165). 3 In einem Brief (vermutlich geschrieben im November 1929) an Yvonne Allendy erwähnt Artaud noch, dass einige junge Leute zu seinem Vortrag gekommen seien (und das bezieht sich vermutlich auf eben jenen im Stu- dio 28), um diesen zu stören, Radau zu machen.Vgl. Artaud: ŒC, Bd. III., S. 165 und dazu Anmerkung 3, S. 377. 98 Jan Philip Müller Wesen, die aus heterogenen Elementen zusammengesetzt sind. zusammengesetzt Elementen heterogenen aus die Wesen, sind Monster Erstens: sind. entscheidend Überlegungen meine für Monstern die von beginnen, Aspekten zwei mit ich möchte ist, so das wieso erklären, zu Um Das Monster, der Tonfilm, das Neue adressieren. Tonfilmszu des Historiographie der Probleme grundsätzliche einige scheint, sein zu geeignet besonders Zeitpunkt dieser und Ort dieser Frage, diese Name, dieser vielleichtmele, nichtdann sehr,so um diese Lücke weil mir schließen,zu sondern auds 1929 im Studio 28 und die Frage nach der Monströsität des Tonfilms versam 7 109. S. und Deleuze: 80–109. Verweis2002, S. auf Derrida (Hg.): J. Dotzler Bernhard Andriopoulos, 6 Peter (Hg.): Engelmann 5 Ymagier 4 des Produkt Das werden. beschrieben Prozesse zeitlicher Register im Artauds ten Tonfilm den und in Tex Film weil Einerseits, Zeit. ihrer nach Frage die als fassen zusammen sich ließen möchte, anschließen Struktur diese an ich die Fragen, Die der physischen mit Realität.« phen Körpers amor rauschhaft Verkoppelungdes direkte die Fall jedem in ist Entscheidende Das […] operiert wieder andernorts ein. […] es ist also irrelevant, in welchem Medium das Theatersie der Grausamkeit sammeln und Körpers des Einheit der aus Partialobjekte sprengen Medien die Alle Mikrophon Stimme. der das Blicks, des Substanz die verwertet Kamera Die Syn Sinne. solche aller eine chronschaltung ist Grausamkeit der Theaters des Körper Der Moment. ekstatischen einzigen einem in Medien verschiedener Synchronschaltung die auf nämlich löst, und stellt das Tonfilm der Problem, technische zentrale das auf fixiert insgesamt [bleibt] Praxis ästhetische »Artauds bilden soll: Doppel samkeit hingewiesen. auf die zentrale Rolle des Tonfilms Konzeption des Theaters fürArtauds der Grau keinen Namen haben.« noch wir die für Gattung, eine ist Monstrum Ein kann. werden erkannt wieder oder erkannt nicht noch folglich und auftaucht Mal ersten zum »das ist, etwas Monstrum ein davon,dass spricht mehr.nicht schon auchJacques Derrida gleichzeitig dann aber gibt, sie es dass ist, aus, davon Schrecken ihr geht möglich wo ausmacht, zudem Monster Was Zweitens: stammen. Wesen anderen von sie Wenn ich im Folgenden Hinweise und rund um Überlegungen den Vortrag Art Eine ähnliches Problem stellt sich auch für den Tonfilm 1929. Wolf Kittler hat Kittler Tonfilm Wolf 1929. den für auch sich stellt Problem ähnliches Eine Wolf 108f. Kittler, S. Stefan In: Artaud. Antonin bei Ton und Bild Doppel. sein Kino, das und Theater Das Kittler: Wolf In: Weber). Elisabeth mit Versprechen(Gespräch zum TraumaVom – Übergänge Derrida: Jacques In: Monstres. Les Jarry: Alfred Vgl. . Perhinderion. Paris 1959, 25–30. ca. S. eine Struktur des Tonfilms nach, die hier die Matrix meiner Überlegungen Überlegungen meiner Matrix Tonfilms die des hier die nach, Struktur eine 5 Jacques Derrida: Auslassungspunkte Jacques Derrida: 6 Er zeichnet in seinem Aufsatz L’Ymagier 1929. Beiträge zur Archäologie der Medien der Archäologie zur Beiträge 1929. 7 . Nr. 2 (Januar 1895). In: Ders.: In: 1895). (Januar 2 Nr. . . Wien 1998, S. 390. 1998,. Wien S. Das Das Theater unddasKino, sein Œuvres Complètes 8: L’8: Complètes Œuvres 4 . Frankfurt am Main am Frankfurt . Heterogen, weil Heterogen, ------99

Auseinandernehmens und Wiederzusammensetzens von »Blick« und »Stimme« zum (monströsen?) Körper des Theaters der Grausamkeit, das, so Kittler, nach dem Modell des Tonfilmkinos geformt ist, so möchte ich zeigen, hängt entschei- dend vom Verhältnis verschiedener Geschwindigkeiten ab. Andererseits möchte ich genauer fragen: Wann stellt sich das Problem des Tonfilms und wann wird es gelöst? Diese Frage, die auf den zweiten erwähnten Aspekt des Monsters zielt, ist vielleicht zuerst einmal eine der Mediengeschichte. Aber mir scheint, dass wegen einer merkwürdigen Verwicklung der beiden genannten Aspekte von Monströsität die Frage, was Tonfilm sein könnte, jedesmal wenn sie gestellt wird, auf diese Frage nach dem Wann zurückverwiesen wird. Denn: Wie lässt sich das Erscheinen eines neuen Mediums überhaupt beschrei- ben? Ist es dann neu, dann da, wenn das »Projekt Tonfilm« formuliert, angekün- digt wird, als eine Kreuzung von Phonograph und bewegten Bildern? Das aber hatte Thomas A. Edison schon ungefähr 1888 getan, indem er das Kinetoskop und den Kinetographen nach dem Bild des Phonographen schuf. Als er mitteilte, er arbeite an einem Instrument, »to do for the ear what the phonograph does for the eye« und »[t]he kinetograph may be geared with a phonograph so that a record of motion is taken down on one instrument and a record of sound on the other, and both may be reproduced simultaneously.«8 Dann wäre zu sagen, dass der Stumm- film selbst in gewisser Weise von Anfang an eine Ankündigung des Tonfilms gewe- sen sei – und 1929 wäre eigentlich gar nichts passiert, außer, dass sich das Verspre- chen einlöst. Aber Artaud erklärt in eben jenem Jahr die Absurdität des Tonfilms, der Artikel in L’Intransigeant resümiert:

»Dans l’absolu, Antonin Artaud a raison et c’est l’argument le plus logique que l’on doi- ve retenir contre le film sonore. Raisonnablement, il est absurde de ›faire parler‹ une image. Mais cela n’empêche pas qu’on la fera parler.«9

In einer kleinen Verschiebung des obigen Satzes von Wolf Kittler ließe sich viel- leicht sagen, dass der Tonfilm ein Monster ist, insofern die technische Lösung das Problem nicht löst, sondern auf den Punkt bringt. Die Frage, was diese Zusam- mensetzung heterogener Elemente eigentlich ist, bleibt ungeklärt. Der Tonfilm ist also vielleicht 1929 gerade insofern nicht neu, als ihm sein Versprechen anhaftet. Und hier scheint mir, wie gesagt, ein entscheidender Punkt zu liegen, der über die Frage, wie der Tonfilm ankam, als er dann kam, hinausgeht. Die technische und historische Voraussetzung für Audiovision liegt gerade in der »Trennung der Sinne«, die weiterhin jederzeit in der Möglichkeit der Unmöglichkeit, des Nicht-

8 Vgl. Thomas A. Edison:Patent Caveat, 10.10.1888, Case110 [PT031AAA1; TAEM 113:238], Digitale Edi- tion der Thomas Alva Edison Papers, S. 1 und 2, der typographischen Abschrift. (http://edison.rutgers. edu/NamesSearch/glocpage.php3?gloc=PT031AAA&) 9 Boisyvon: Le cinéma parlant est-il un monstre? In: L’Intransigeant, 30.6.1929. 100 Jan Philip Müller spezifische Spielzeuge gebunden sind. gebunden Spielzeuge spezifische Sinn jeden für einzelne an die Wahrnehmung, der »Theorien« selbst sie sind tig gleichzei aber sind, Unterhaltung der Medien einerseits eben die Ste fest, reoskop, dem und Zoetrop dem wie toys«, »philosophical sogenannten an anderem unter er macht Diskurse Diese auftauchen.Hören« »reine das oder Sehen« »reine das wie Konzepte und wird Wissens des Objekt zum Wahrnehmung gebundene kann, den wer genannt Sinne« »Trennungder die gibt, Bewegung eine Jahrhundert 19. im mitvorhanden ist. Tonfilmvon – »Absurdität« der – ästhetisch) und/oder (technisch funktionierens 11 Kultur-Zur undOffenbarung. Stimme Mediengeschichte und der Rauschen 10 auseinandernimmt, etwas man dass Analyse, der Begriff im schon vielleicht liegt es Und übergreifen. aufeinander Tonfilmreagieren, Ton miteinander im und Bild sehr wie geben, zu Auskunft darüber genauer ermöglicht, es weil hilfreich, sehr tatsächlich ist tun zu Das auszuschalten. Sehen das besteht, darin eben die und nennt Situation akusmatische die Chion Michel die gibt, Situation ursprüngliche lich aufschlussreich. Audio-Vision adressieren? zu gleichzeitig Tonfilmmehrere Sinne wäredann gerade auszeichnet, wie verstehen, den zu Und vorführt? Wahrnehmung die anderem) (unter das verstehen, zu toy« sophical »philo Art eine als auch nicht Kino dann Wäre selbst. Betrachter dem wiederum Wahrnehmung auf eine spezifische, neue Weise sichtbarmachen – unter anderem gleichzeitig sondern machen, sichtbar Weise neue auf nur nicht Spielzeuge diese dass ist, zieht, Kontextwechsel diesem aus Crary die Konsequenz, Die wurde. beobachtet Wahrnehmung denen UntersuchungschenGeräte dieser vieler ihre Vorgeschichte mit Experimenten, in 14 Frame, Space, (Hg.): Narrative Cinema. Early Elsaesser Thomas In Avant-Garde. the and Spectator Its film, Early Attractions. of Cinema The Gunning: Tom Vgl. spricht. Crary auch denen von Praktiken, und Diskurse wissenschaftlichen selben teresse der Avantgarde für die sinnlichen oder physiologischen Effekte desKinos eben auf verweisen die In spätereDas beobachten. zu Wahrnehmung bestand, darin gerade Reiz der dass werden, verstanden darauf Hinweis als kann wurde, adressiert direkt Filmen diesen in es dass sehen, zu Film einen als ben, erle zu Effekte seine und Filmapparats Demonstrationdes eine um kam, eher Publikum das Dass nah: 13 12 Typewriter Film. Kittler: A. Friedrich auch: vgl. Sinne der Trennung Zur 94–102. S. insbesondere 1996, sel Jonathan Crary spricht davon, dass es in den Diskursen über den Betrachter den über Diskursen den in es dass davon, spricht Crary Jonathan Von der historischen These Crarys ausgehend zu lesen, was Michel Chion in Chion Michel was lesen, zu ausgehend Crarys These historischen der Von Vgl. Jonathan Crary: JonathanCrary: Vgl. Das Kittler: Werk A. Vgl. Friedrich der Drei. In: Ders., Thomas Macho, Sigrid Weigel (Hg.): Michel Chion: Michel Chion: dies legen beispielsweise, Attractions« of »Cinema dem Kino, frühen zum Thesen Gunnings Tom Crary, 111&116. S. 11 in deren Zuge eine an konkrete sinnesphysiologische Gegebenheiten Gegebenheiten sinnesphysiologische konkrete an eine Zuge deren in zum Sound im Film und zur Audiovisualität geschrieben hat, ist ziem , Berlin, 1986. , Berlin, Audio-vision. Sound on screen Sound Audio-vision. 10 14 Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19.Jahrhundertim Moderne Technikenund Betrachters.Sehen des Was dann nämlich auffällt, ist,dass es hierso etwas wie eine . London 1990 S. 56–62, insbesondere S. 58f. 56–62,insbesondere 1990 S. S. . London . New York 1994. 12 Tatsächlich zeigt sich in einer genealogi einer in sich zeigt Tatsächlich . Berlin 2002, S. 357f. 2002,S. . Berlin den Betrachter und seine seine und Betrachter dem Betrachter etwas etwas Betrachter . Dresden, Ba Dresden, . Grammophon. Zwischen Zwischen 13 ------

101 um das Ganze dann als Zusammengesetztes zu verstehen. Trotz allem bleibt eben festzuhalten, dass diese Methode darin besteht, Sinne einzeln auszuschalten und zu isolieren, zu trennen. Und dass sich das mit einer Geschichte »des Betrachters« zu decken scheint: Um herauszubekommen, was Audiovision sein könnte, wird quasi zurückgegangen in die Zeit der Grammophone und der Stummfilme, in die Zeit des »reinen Sehens« und des »reinen Hörens«. Zu fragen, ob in diesem Zu- sammenhang nicht eigentlich eine Bewegung noch weiter zurück, hinter die Tren- nung der Sinne zu denken wäre, zu einer natürlichen ursprünglichen einheitlichen Wahrnehmung, zu fragen, welcher Körper das sein könnte, aus dem das Sehen und das Hören einmal herausgerissen wurden, verspricht, in Bezug auf die Frage was das Neue, das Spezifische von Tonfilm ist, meines Erachtens keine Rettung. Denn damit wäre andersherum das Denken eines isolierbaren Sehens oder Hörens ausgeschlossen, das, wie hier bei Chion zumindest zu sehen ist, die Analyse von Audiovisualität erst ermöglicht hat. Medienarchäologisch wäre wohl eher davon zu sprechen, dass diese Einheitlichkeit gleichzeitig ist mit der Trennung der Sinne. Und 1929 haben die Sinne längst unabhängig voneinander Fahrt aufgenommen.

Artaud und die Unmöglichkeit des Tonfilms Ende März 1929 treffen bei Artaud, der sich gerade bei den Dreharbeiten zu Tara- kanova in Nizza aufhält,15 die Nachrichten über den sich immer weiter verbrei- tenden Tonfilm ein. Und Artaud ist sich sicher:

»Der sprechende Film ist eine Dummheit, eine Absurdität. Die Negation des Kinos selbst. Daß es eventuell gelingen möchte, das Gemurmel einer Landschaft, das Geräusch einer ihrer visuellen Qualität wegen gewählten Szene zu synchronisieren, gebe ich zu und sehe sehr wohl, was man in diesem Sinn tun könnte. Aber zwischen solchen Effekten und den imitativen Geräuschen des Orchesters besteht nicht der geringste Unterschied. Das Geräusch wird statt durch ein Orchester durch einen Lautsprecher, eine Platte produziert aber es hat keinen anderen Wert. Denn so syn- chronisiert es auch sein mag, es kommt doch nicht von der Leinwand, aus jenem virtuellen, jenem absoluten Raum, den die Leinwand vor uns ausspannt. Man wird tun können, was man will, unser Ohr wird das Geräusch immer im Saal hören, während unser Auge das, was sich auf der Leinwand abspielt, anderswo als im Saal wahrnimmt.«16

Das läuft ungefähr auf das hinaus, was wir aus dem Artikel in L’Intransigeant ken- nen, aber es gibt eine kleine Differenz oder es wird klarer, woran sich das, was man die spezifische Tonfilmtheorie Artauds nennen könnte, wenden wird. Obwohl die Argumentation erstmal relativ geläufig erscheint: Die Lautsprecher eröffnen eine bestimmte – andere – Räumlichkeit des Kinos. Aber der Punkt, den er gleichzeitig

15 Jerome Prieur, Jean-Paul Morel: Filmographie. In: Obliques, Nr. 10–11 (1976), S. 128. An dieser Stelle vielen Dank an Bernd Mattheus für diesen und einige andere nützliche Hinweise. 16 Artaud an Yvonne Allendy, Nizza, 26. März 1929. In: Artaud.: ŒC. Bd. III, S. 151f. Übersetzung nach Wolf Kittler, S. 80, außer: anstatt »Tonfilm« übersetze ich »film parlant« hier mit »sprechender Film und »ailleurs« mit »anderswo« anstatt »an einem anderen Ort«. 102 Jan Philip Müller Zeichen Zeichen zu sein, das immer nur auf etwas anderes wirkt die verweist, »Materie der setzt. Welt die und uns zwischen Element ein sie weil abschneidet, Welt wirklichen der von uns die Repräsentation, der gik Lo schweren« und »langsamen der vor beginnt ekeln zu sich Mensch der der in Sprache« nennt. schnelle und »direkte Artaud was das, Malerei zur oder Poesie zur Theater, zum Gegensatz im besitzt Kino (stumme) das Denn Zuschauers. des Gehirn das dern son Fenster, kein ist »anderswo« dieses wollen, behaupten ich würde so hinaus, Auge Räumlichkeit. für so das Fläche der und Leinwand es erzeugt Zwar ist für das Kinobild Artaud liegt. Kino im nicht gar eröffnet, Leinwand die den Raum, der dass ja, ist macht, Kittler, S. 85. Kittler, S. Wolf Retina.« reproduzierende Dunkel folgenden darauf im und absorbierende Licht die auf Leinwand reflektierenden Licht der von nämlich andere, die auf Projektionsfläche – gesprochen technisch – oder Hautvoneiner anderen Übertragung vollziehtzum vomals sicheinen Sprung Der zugleich. geistig und rendes, bald als aktiv reproduzierendes Organ. Und so ist die Materie des Kinobildes notwendig sinnlich 20 zurückkommt. Mareys umgekehrt die Argumentation Artaud bei dass ließe sich sagen, ziehen, dann her Sich-Selbst-Aufzeichnens Technikendes den und Marey von anderem unter Kinos des Genealogie et particulièrement en et Experimentales Physiologie Médecine Marey: Jules Etienne übrigens: vergleiche Sprache der genüber 19 Nr. 191–204. 3,1969, S. und Texte zum Film von sind Artaud in der vonÜbersetzung Grafe Frieda zu finden in: 18 17 verstandenwird: Reinigung Abstraktion,vonArt dieeine als einem Begriff Abstraktion des »cinéma pur« hier sehr ähnlich.einen Unterschiedes Aber gibt zu der Bewegung der klingt Dies wird. gegenstandslos Kinos des Zeitalter im Grenze diese vereinen,weil äußereRealität Psychische die und das sich in also kann Kino Das werden. zerteilt Repräsentation der von nicht gesagt, anders oder müssen, gehen Repräsentation die über Umweg den nicht Dinge die der In zeigt. Lebens Zeitalter der des Magie, Fantastischen ist, in der sich tiefereeine Art Substanz des ein gleichzeitig Kinos des Zeitalter das dass schreibt, äußerlicher Artaud erzählen. Geschichten zu Aktion als Psychologie verwenden, zu dazu nur es Kinos, des der Aufzeichnung durch den Filmapparat.wäre Deswegen es eine Verschwendung Verwendung«, Herausreißen das durchbei Details des Objekte »unerwarte derdie sehen. ersetzt »Flimmern« durch gerne gend, einen physischen ich Rausch erzeugt, würde diese »Rotation«, hier Wolf Kittler fol die Bilder«, der »Rotation die Erstens Kinos: des Eigenschaften zwei an liegt Dies führen. zu Sinn« »animalischen ganz im Eigenleben ein beginnen sie und nalität, Ba ihrer aus ordinärenSinn, ihrem aus Objekte die reißt Kino Das selbst. Bilder« »So agiert »So das Auge agiert in Synchronie mit dem Andreaskreuz des Filmprojektors bald als passiv rezipie ge Mareys Jules Etienne Methode« »grafischen der Unmittelbarkeit Zur 79–82. S. 1961, Artaud Ders.: In: cinéma. et Sorcellerie Artaud: anYvonne Allendy, Artaud 1929.Vgl. März 26. In:Artaud: Nizza, 18 Nach Artaud tritt das Kino genau in dem Moment auf die Szene, auch ŒC die Projektion von drei Dimensionen auf die . Bd. III, S. 79–82. Die entscheidenden Filmdrehbücherentscheidenden Die 79–82. S. III, Bd. . 19 Anstatt also zu repräsentieren, also also repräsentieren, zu also Anstatt 20 . Paris 1878, S. WollteI–XIX. man Linien einer Und zweitens die Transformation die zweitens Und La Méthode Graphique dans les Sciences Sciences les dans Graphique Méthode La ŒC . Bd. III, S. 152. . Bd.III,S. 17 Aber darüber darüber Aber Filmkritik Bd. 13, ------103

»Das cinéma pur ist ein Irrtum, genau wie in jeder anderen Kunst das Bemühen auf Kosten der objektiven Darstellungsmittel zu ihrem Prinzip vorzustoßen. Es ist ein ausgesprochen irdisches Prinzip, daß die Dinge auf unseren Geist wirken können vermittelst einer bestimmten Materiali- tät, eines Minimums an substantiellen, hinreichend realisierten Formen.«21 Diesen Unterschied könnte man sehr vorläufig Körperlichkeit nennen. Wenn Ar- taud von der Transformation der Objekte im Kino schreibt, dann sind es tatsäch- lich nicht mehr Repräsentationen, sondern eigene Dinge, Verdoppelungen – oder Klone könnte man sagen –, die zwar eine Beziehung zu dem ersten Objekt haben, die aber nicht mehr vom ersten Objekt kontrolliert werden. Der virtuelle Raum der Leinwand ist hier also nicht so etwas wie die Zentralperspektive, die auf der Fläche der Leinwand den Raum nachahmt, sondern eher das Gehirn oder die Ver- doppelung des Gehirns. Vielleicht ist das im Zusammenhang mit der sogenannten »Momentanstrahlung« zu verstehen, die Artaud in Es gibt kein Firmament mehr be- schreibt.22 Die »direkte und schnelle Sprache« des Kinos wäre dann tatsächlich eine Frage von Übertragungsgeschwindigkeit. In Es gibt kein Firmament mehr ist es eben die unendlich hohe, eine Art »Momentangeschwindigkeit«, die dazu führt, dass alles gleichzeitig am selben Ort sein kann: »Es ist, als ob sich zwei Welten ineinander- schöben. Als ob die Erde in den Himmel spränge.«23 Deswegen gibt es kein Firmament mehr, die Sterne sind unendlich nah:

»UNGEHEURE ENTDECKUNG. DER HIMMEL MATERIELL ABGESCHAFFT: DIE ERDE EINE SEKUNDE VON SIRIUS ENTFERNT. ES GIBT KEIN FIRMAMENT MEHR. DIE HIMMELS-TE- LEGRAPHIE GELUNGEN. DIE INTERPLANETARISCHE SPRACHE HERGESTELLT.«24

Repräsentation und Wahrnehmung in einer Logik von Zeitintervallen und Ge- schwindigkeiten zu denken, kommt nicht ganz von ungefähr, sondern verläuft parallel dem Forschungsprogramm physiologischer Untersuchung der Wahrneh- mung im 19. Jahrhundert, in deren Zusammenhang die Trennung der Sinne zu denken ist.25 Hermann von Helmholtz, einer der in dieser Geschichte zentralen Protagonisten, schreibt in Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik:

»Man hat die Nerven vielfach nicht unpassend mit Telegraphendrähten verglichen. Ein solcher Draht leitet immer nur dieselbe Art elektrischen Stromes, […] Dennoch kann man, je nachdem man seine Enden mit verschiedenen Apparaten in Verbindung setzt, telegraphische Depeschen geben, Glocken läuten, Minen entzünden, […] Wenn jede qualitativ verschiedene Wirkung der Art in verschiedenenartigen Organen hervorgebracht wird, zu denen auch gesonderte Nervenfasern

21 Artaud: Le Cinéma et l’abstraction. In: Ders.: ŒC. Bd. III, S. 75f. Hier nach der Übersetzung von Frieda Grafe in: Filmkritik Bd. 13, Nr. 3, 1969, S. 197. 22 Artaud: Es gibt kein Firmament mehr. In: Ders. (Hg. von Bernd Mattheus): Werke in Einzelausgaben 9, Das Alfred-Jarry-Theater. Manifeste, Bühnenstücke, Inszenierungspläne, Briefe. München 2000, S. 77–89. 23 Ebd., S. 83. 24 Ebd., S. 82. 25 Vgl. Crary, S. 94ff. 104 Jan Philip Müller laufen haben, ehe sie zum Gehirn kommen, sonst würden wir mit unserem Selbstbewußtsein weit durch zu Sinneswahrnehmungen unsere welche kurz, nur Strecken die sind Weise »Glücklicher erreichen könne: ab, schnell die Nachrichten wie Gehirn das der Sinnesorgane Debatte. zur sein bar wird, steht entsprechend auch die Unmittelbarkeit von Erfahrung und Bewußt mess Übertragungsgeschwindigkeiten ihrer Endlichkeit die und werden gedacht zu Telegraphendrähten in Analogie In Nervenbahnen dem Moment, in dem dabei möge.« erauch Wirkungen anden Endenhervorbringen denartige verschie für was ist, derselbe Telegraphendrähtenimmer den in Strom elektrische der wie sein, hingehen müssen, so kann der Vorgang der Reizung in den einzelnen Fasern überall ganz derselbe 30 29 Zwecke. In: für Physiologische 28 der Störung 27 Musik der Theorie 26 Wahrnehmungen«»reinen die in zerteilt, Dinge die die Repräsentation, der Logik Wahrnehmung«.»unschuldigen einer Flächen« bige Dinge sondern gibt, nur arbiträre Signale, die uns von irgendwoher erreichen, »far keine eh es der in reinen einer Wahrnehmung, Programm zum Auffassung seiner der in das Gebiet der Repräsentation ein. Und an dieser Stelle liegt der Unterschied che unterbrechen die mit Geschwindigkeit, der der undFilm wirkt, hegen ihn wie Aber aus noch den schlimmer,Lautsprechern. der Ton und insbesondere die Spra nicht am sein selben wie Ort das Kinobild. Das Geräusch kommt daher immer nur sie können erreichen, nicht »Momentangeschwindigkeit« die Ton Weil oder verstehen: Geräusch zu Tonfilm am Artauds Kritik die prinzipiell ist Logik dieser In scheint.« vorauszusetzen der Gedanke‹ ›Schnell wie Sprichwort: das es große,wie so eine keineswegs aber ist Besinnens des Schnelligkeit zweite.‹ Die das auch Jetzt zweite. das nicht noch aber empfunden, erste das ich habe ›Jetzt muß: kommen Bewußtsein zum Gedanke der ihnen zwischen daß beruhen, zu darauf scheint Fasern findender »Die Unvollkommenheit in der zeitlichen Vergleichung von Wahrnehmungen verschiedener emp sind: gewesen (z. weise ein Problem auf, wenn entschieden werden muss, ob zwei Wahrnehmungen gleichfalls ein, Intervalle die uns von Gleichzeitigkeit trennen. Dies beispiels wirft – etwas als Reize dieser Erkennen das – Bewusstsein das anderenführt zum Aber herhinken« hinter und selbst den Schallwahrnehmungen hinter der Gegenwart

B. Sehen und Hören) gleichzeitig oder nacheinander und in welcher Reihenfolge Crary, 100. S. Helmholtz 171. 1851,S. Anwendung ihre und messen, zu Zeittheile kleinste Methoden, die Über Helmholtz: von Hermann (Hg.): Kümmel A. In: Synchronisationsprobleme. Kümmel: Albert Kassung, Christian Vgl. Helmholtz: von Hermann . München 2003, S. 145f. . München 2003,S. . Braunschweig222. 1863,S. 27 Zum einen hängt, wie direkt wir in der Gegenwart sind, davonsind, Gegenwart der in wir direkt wie hängt, einen Zum Königsberger Naturwissenschaftliche Unterhaltungen Bd.2, Unterhaltungen Naturwissenschaftliche Königsberger Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die für Grundlage physiologische als Tonempfindungen den von Lehre Die 29 30

Vielmehr ist es gerade diese diese gerade es ist Vielmehr 26 28 Nr. 189. 2,1851,S. Signale Signale ------105 und das, was ein Bewußtsein daraus macht. Momentangeschwindigkeit dagegen wäre, wenn sich die zwei Welten selbst tatsächlich ineinanderschöben. Tonfilm ist also unmöglich. Aber: Tonfilm ist auch unvermeidlich.

Der Dibbuk Im April 1929 treffen weitere Schreckensnachrichten über den Siegeszug des Ton- films in Nizza ein.31 Artaud kündigt also, zwei Wochen, nachdem er den sprechen- den Film rundweg abgelehnt hatte, an, dass er ein Drehbuch mit Geräuschen und Sprache schreiben wird. Und zwar wird dies eine Adaption des Theaterstücks Der Dibbuk sein. Darin werden Szenen der Besessenheit und die Beschwörungen des Geistes im Filmdrehbuch durch Schreie und enteignete Stimmen umgesetzt wer- den.32 Diese Geschichte scheint dem zu genügen, was Artaud in einem folgenden Brief als Programm ausgibt:33 Es ist zwar schrecklich, aber man muss ja von ir- gendwas leben. In ein zwei Jahren wird niemand mehr einen stummen Film sehen wollen. Die Leute aber, wie er, die wissen, was der wahre Film ist, müssen nun also dem »Vieh ihr Futter Sprache geben«, aber sie können an diesen Filmen gleichzei- tig die Absurdität des »stummen nicht-stummen Kinos« aufzeigen. »Man muss eben der Menge folgen, um sie zu leiten. Ihr alles überlassen, um ihr alles wieder wegzunehmen.«34 Artaud schreibt, dass auch das Drehbuch schon fertig ist, es muss nur noch abgetippt werden. Es bleibt bis jetzt unauffindbar. Trotz allem würde ich gerne auf den Dibbuk genauer eingehen. Das Wort Dibbuk wird in der Regel mit Um- klammerer oder Anhafter übersetzt. Eine Seele, deren Körper stirbt, die aber diese Welt aus irgendwelchen Gründen nicht verlassen kann, haftet sich an einen ande- ren Körper an. Dies äußert sich dadurch, dass dieser andere Körper nun mit der Stimme des Gestorbenen spricht. In dem Theaterstück, geschrieben von Schlomo Seinwel Rappoport unter dem Pseudonym An-Ski,35 geht es um einen Mann und eine Frau, deren Ehe vor ihrer Geburt von ihren beiden Vätern per Handschlag besiegelt wurde. Da aber der Vater des Mannes vorzeitig gestorben ist, wird diese Verpflichtung nicht eingehalten, denn wegen einer hohen Mitgift soll sie mit je- mand anderem verheiratet werden. Der junge Mann, der am gleichen Ort weilt, sich aber nie als derjenige offenbart hat, dem sie eigentlich versprochen gewesen wäre, stirbt daraufhin vor Kummer. Als Dibbuk sucht er die Frau heim und indem

31 Besonders ist dies wohl ein Brief des Regisseurs Jacques Feyder aus Amerika gewesen, der am 28. März in Pour vous abgedruckt wurde. Vgl. Kapralik, S. 102. Und: Artaud an René Allendy, Nizza, 6. April, 1929. In: Ders.: ŒC. Bd. III, S. 156. 32 Artaud an Yvonne Allendy, Nizza, 10. April, 1929. In: Ders.: ŒC. Bd. III, S. 157–159. 33 Artaud an Yvonne Allendy, Nizza, 19. April, 1929. In: Ders.: ŒC. Bd. III, S. 162–164. 34 Ebd., S. 164. Übersetzung nach: Frieda Grafe: Gegen die Sprache und den GEIST. Antonin Artaud und das Kino. In: Filmkritik Bd. 13, Nr. 3, 1969, S. 159. 35 An-Ski: Der Dibbuk. Frankfurt a. M. 1989. 106 Jan Philip Müller Autorität den Sohn dazu bringen soll, die Frau zu verlassen. Jedoch der Dibbuk Dibbuk der Jedoch verlassen. zu Frau die soll, bringen dazu Sohn den Autorität der tote Vermögens Vaterseines und dafür muss spenden den Armen kraft seiner Hälfte Vaterdie lebende der indem Vergleich, einen Gericht das beschließt Zwar Ich höreZweiter Worte, Beisitzer: …« keine Stimme aber Ich hörekeine Worte aber »Erster eineStimme, Beisitzer: … Väterdem die beiden erscheinen. Der des Geist toten Vaters nur alsStimme: zu Thora-Gericht, dem vor Verfahren einem zu kommt Es Vertrags. des haltung Nichtein die Dorfes des Rabbi beim beklagt und ein Geist Vaterals tote der sich er nun durch ihren spricht, verhindert er Körper ihre Hochzeit. Daraufhin schaltet 40 39 38 Philosophie für 201–330. Und: Der Slavoj audiovisuelle Žižek: um Reale.Kontrakt das – In: der Lärm Reik: Theodor Vgl. . Reik auf minar Se X. im »Stimme« der Konzeption seiner bei verweist Beispiel zum JacquesLacan wurde, angeknüpft wieder immerdie an vorgelegt, Schofar-«Klangs« des Deutung hat dorReik 1928 psychoanalytische eine Theo beschrieben. Stimme der Geräusche/Töne Kategorien produzierten ihm mit Die werden in häufig 37 36 ist gebunden, an gesprocheneKörper Worte an Stimme. Es können zwar Ablösun Sprechen Klebens. des oder könnte, sagen Dibbuk dem mit man wie Anhaftung, der Phänomenen von unterlaufen hier wird Strukturalität pure Eine Seelen. nen rei keine Welt, dieser in zumindest Und, usw. Visualität reine keine Ton,reinen schreibt. be Sight« »King und Sound« »Queen von Verheiratung als bezeichnenderweise auds Modell des Tons desim Kino, »audiovisuellen Kontrakts«, den Walter Murch Ich würde die gerne Idee verfolgen, dieses dass Stück gelesen werden kann als Art schweben immer höher, wir warst …zusammen immer höher, höher …« »Ein großes Licht ergießt sich ringsum … Ich bin auf ewig mit dir verbunden, der du mir bestimmt Darauf die Frau stirbt den Worten: mit [der tote Mann,alsSchatten jpm] erscheint –oder alsProjektion »Chanan –ander Wand.« die Regieanweisung: Dazu verfügt kommen« ich deiner ichSeele nun will zu verlassen, habe »Deinen Leib des Seele die toten die spricht: jungen Mannes, dort hört und Friedhof den auf einmal noch sie geht soll, werden werden. ausgetrieben Schofar des Lärm dem und Gebeten mit also muss und tun zu das sich, weigert Walter Murch: Foreword. In:Michel Chion: 69. S. An-Ski, 68. S. An-Ski, wird. geblasen Anlässen rituellen bestimmten zu das Widderhorn, gebogenes ein ist Schofar Das 59. S. An-Ski, 40 Das Resümee dieses Modells wäre: Es gibt keine reinen Sinne: keinen Sinne: reinen keine gibt Es wäre: Modells dieses Resümee Das Bd.43,Nr. 521–533. 3(1995) S. 37 An dem Tagdem An aber, Fraudiedem an endlichnun verheiratet Das Ritual. Psychoanalytische Studien Psychoanalytische Ritual. Das Audio-vision. Sound on screen Sound Audio-vision. 36

. Leipzig, Wien, Zürich 1928, S. S. 1928, Zürich Wien, Leipzig, . . New York VIIf. 1994, S. 39 Deutsche Zeitschrift Deutsche Zeitschrift 38 ------107 gen geschehen, aber dies setzt eine ganze Reaktionskette von Verklumpungen und Zerteilungen in Gang, die gelöst oder notfalls ausgetrieben werden müssen. Die Stimme des Dibbuk, und eben nicht nur der Geist, heftet sich an einen fremden Körper. Die ruhelose Seele des toten Vaters ist zerteilt in Worte und Stimme. Das Verhängnis der Geschichte vom Dibbuk besteht offensichtlich darin, dass diese klebrige Struktur dazu führt, dass die zwei Liebenden sich immer verpassen, (und so wäre das dann in dieser Lesart auch mit dem Ton und dem Bild im Film, die nie gleichzeitig sein können) weil sie nie einfach sie selber sind: Sie sind gebunden an Verträge oder Versprechen, die vor ihnen gemacht wurden, deren Erfüllung ihnen aber vorbestimmt ist. Nur wird dies durchkreuzt durch verschiedene Strukturen – ökonomische, religiöse usw. Verbinden können sie sich nur im Jenseits, um den Preis ihres Todes. Und das heißt für den Tonfilm letztlich auch, dass die Unmöglichkeit nicht auf den »sprechenden Film« im engeren Sinne zu begrenzen ist. Der Unterschied zwi- schen »film sonore«, also die Begleitung von Filmen mit Musik und Geräuschen, und »film parlant« mit Dialogen ist, insbesondere im französischen Diskurs dieser Zeit, eine bedeutende Differenz,41 und die Auseinandersetzung Artauds mit dem Tonfilm verläuft über diese Schwelle. Aber die sprechenden Köpfe des Tonfilms sind absurd wegen des Versprechens, das Tonfilm macht, als der technische Ab- stand zwischen Grammophon und Film gegenstandslos wird. Dass während eines Films Sprechen zu hören ist, das eventuell sogar etwas bedeutet, wird in dem Au- genblick zum Problem, in dem es mit dem Bild als zentral kontrollierte Identität auftritt. Das Bild-Ton-Verhältnis produziert so die Teilungen, die das »wahre Kino« Artauds gerade überwinden sollte:

»[T]he significant divide does not run between sound and image; it splits the sound track itself. […] The sound track itself has become the battlefield between speech and noise, […] Baudelaire once wrote about the tyranny of the human face. With the regressive coalescence of face and voice in the talkies, this is multiplied by the tyranny of human speech. The talkies implement the taming of the sound by the dialogue; they reterritorialize the voice within the face on screen by means of personalizing the sound.«42 Was Dennis Hollier in seiner Lektüre Artauds hier über Gesichter und Stimmen sagt, ist meines Erachtens nur der Höhepunkt dessen, was sich ebenso über Dinge und »ihre« Geräusche sagen ließe. Oder, andersherum gesagt: Dinge können in gewisser Hinsicht Gesichter werden. Und genauso ist es auch die Tonspur, die die Bilder zerreißt.

41 Zu »cinéma sonore« vs. «cinéma parlant« vgl.: Charles O’Brien: Cinema’s Conversion to Sound. Bloo- mington, Indiana 2005, S. 64–81. Und: Noureddine Ghali: L’Avant-Garde cinématographique en France dans les années vingt. Idées, conceptions, théories. Paris 1995, S. 305ff. 42 Denis Hollier: The Death of Paper, Part Two: Artaud’s Sound System. In: October Nr. 80, 1997, S. 31f. 108 Jan Philip Müller Gleichzeitig rast der Wagen der Metzgerei auch dorthin und sammelt unterwegs unterwegs sammelt und dorthin auch Metzgerei der Wagen der rast Gleichzeitig Schlachthof. zum Taxi einem in Verrückte der und Paar das Metzger, der rasen Dann verpassen. aber sich sind, verabredet Verrückte der und Frau die einem wo in Café, beginnt Film Der Geliebten. seiner und Gigolo einem ausserdem ren, konkurrie Frau eine um die Metzger, einem und Verrückten einem von gebildet den Titel: trägt Es verfilmt. nicht jedoch: veröffentlicht, auch sondern erhalten, nur nicht also ist der in fentlichtArtaud Jahr ein Ungefähr nach Vortrag seinem im RevolteDie des Metzgers 46 Ders.: 45 286f. S. 44 43 folgend beschreibt: wie Artaud die werden, verunmöglicht Strategie formale eine durch Film diesem von und Hören Sehen einem fortlaufenden Zerlegen ausgesetzt. Film diesem in wird hatte, zitiert oben Artaud ich wie so nehmen, zu wieder alles dann ihm um muss, vorwerfen Sprache« der »Futter das man dem Vieh, dumme entfernt. voneinander weit nicht Hinsicht dieser in also liegen Seziertische und Film-Schneidetische worden. gewonnen Tieren auseinanderpräparierten an hauptsächlich Nerven von Übertragungsgeschwindigkeit die und Funktionsweise die konkreter.über einiges Erkenntnisse um die sindFleisch Schließlicherscheint jedoch und Physiologie von Kino Zusammenhangs medienarchäologischen benen schrieben sein könnte – von der Stimme. ge auch das – Worts des Abtrennung der mit Grausamkeit«, der »Theater tauds Ar zu Bemerkungen Derridas bei das ich lese so parallel, wiederum läuft das und werden, getrennt voneinander Körper und Geist wo auf, dort Artaud bei taucht Motiv in der vomKonzeption Artauds und Körper den Sinnen. Der Fleisch Begriff bedingt zu bemerken: Das Bild des Fleischzerschneidens verweist auf ein zentrales unzerschnittenen Frau wieder aber versetzt. dieser eben mit Hochzeit seine auf nun sich sieht und Metzger der revoltiert Da Korb. einem in werden. ihre schonliegen auch abgeschnitten Und Arme zerlegt damit, er beginnt Metzger vom nun soll und Rinderkörper toten einen in Frau die sich verwandelt die Frau ein, die sich gerade auf der Flucht vor der Polizei Beibefindet. derAnkunft Es gibt darin auch so etwas wie eine Geschichte:PersonalwirdDaseine Film wie dieses etwas so auch darin gibt Es Dass eine Stimme ein Gesicht oder ein Ding ein Geräusch an sich reißt, soll in soll reißt, sich an Geräusch ein Ding ein oder Gesicht ein Stimme eine Dass Es ließe sichist jedoch hier einiges un über diese Geschichte ein Aspekt sagen, Ich danke Bernhard Siegert für diesen Hinweis. fürdiesen Siegert Ich Bernhard danke In: Repräsentation. der Geschlossenheit die und Grausamkeit der Theater Das Derrida: Jacques Ders.: In: Rede. soufflierte Die JacquesDerrida: Révolte duBoucher. La In:Ders.: Artaud: Die Schrift unddieDifferenz Schrift Die Die Revolte des Metzgers Revoltedes Die Nouvelle Revue Francaise Nouvelle Revue . Frankfurt a. M. 2003, S. 361. M.2003,S. a. . Frankfurt ŒC . 43 . Bd. III, S. 46–52. . Bd.III,S. 45 In der Perspektive des hier hervorgeho Die Schrift und die Differenz die und Schrift Die Studio 28 Studio , ein weiteresTonfilmdrehbuch. ein , Es , genauer1930,Juni im veröf . Frankfurt a. M. 2003, M. a. Frankfurt . 46 Das Das 44 ------

109

»Man wird in diesem Film eine Organisation der Stimmen und Geräusche finden, die sie als sie selbst nimmt und nicht als physische Konsequenz einer Bewegung oder einer Handlung, das heißt ohne Übereinstimmung mit den Ereignissen. Geräusche, Stimmen, Bilder, Unterbrechun- gen der Bilder, alles das gehört der selben objektiven Welt an, wo es vor allem die Bewegung ist, die zählt.«47 Was das bedeuten könnte, wird besonders deutlich in der Szene im Café, in der der Gigolo den Verrückten provozieren will:

»Der Verrückte betrachtet ihn mit unheilvollem Ausdruck und als der Gigolo sich nähert, verpasst er ihm einen Faustschlag mitten in die Fresse, dabei, ohne die Stimme zu heben, sagt er ihm: Achtung, deinen Kopf soll der Metzger holen. In diesem Moment lässt der Garçon sein Tablett fallen. Der donnernde Lärm des Tabletts macht auf den Verrückten einen schrecklichen Eindruck. Der Gigolo wird von seinen Händen plattgemacht. Und als das ganze Café aufgestanden ist und auf ihn zukommt, hat der Verrückte auf einmal einen Moment der Leere, während dessen alles fest wird, und man hört den Lärm des Fuhrwerks der Metzger, das morgens mit den Hufschlägen über den Asphalt rattert. Dann beginnt wieder der Lärm des Cafés. Der Verrückte hat seinen Geist wiedergefunden, aber vor seinen Augen die Vision des rollenden Wagens, der rumpelnd über eine Ecke der Leinwand fährt, ähnlich den kleinen Bildern, die sich in dunklen Zimmern über die De- cke bewegen, durch das Licht, das durch die Zwischenräume der Vorhänge fällt.«48

Wenn es hier keine Logik der physischen Konsequenzen gibt, so gibt es hier aber umso mehr eine Logik der Sequenz: Es gibt nicht nur aufeinanderfolgende Bilder, sondern ebenso folgt ein Geräusch auf ein Bild oder auf ein anderes Geräusch, so- gar das Anhalten des Bildes kann auf eine Handlung folgen (»auf einmal wird alles fest« lese ich so). Die Simultaneität von Ereignis im Bild und dem Geräusch, das es auslöst, wird konsequent unterbrochen, die Verknüpfungen, die sich aus den aufeinanderfolgenden Ereignissen ergeben, werden durch folgende Verbindungen wieder gelöst.49 Sergej Eisenstein und Co. entwerfen mit der Kontrapunkt- oder Asynchronismusforderung auf der Basis des technischen Synchronismus von Bild und Ton ein alternatives Modell zum Illusionismus des Tonfilms, das ganz grob gesagt, so funktioniert: Die simple Verschmelzung von Bild und Ton wäre eine zu einfache Ideologie. Aber wenn diese Elemente in ihrer Heterogenität aufgefasst und verwendet werden, lässt sich ein Verhältnis herstellen, das dialektisch genannt werden könnte, in dem sie doch wieder zusammenfinden können.50

47 Artaud: La Révolte du Boucher. In: Ders.: ŒC. Bd. III, S. 47. Überserzung von mir. 48 Ebd., S. 47f. Übersetzung von mir. 49 Vgl. Wolf Kittler, S. 93. 50 Vgl. Sergei M. Eisenstein, Vsevolod Pudovkin, Grigori V. Alexandrov: The sound film: a statement from the U.S.S.R. In: Close Up 3, 1928, S. 10–13. Hier nach: Elisabeth Weis, John Belton (Hg.): Film Sound. Theory and Practice. New York 1985, S. 83–85. Vgl. dazu auch: Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Frankfurt a. M., 1997, S. 116. 110 Jan Philip Müller »Der Metzgermeister […] öffnet […] den Mund, während man durch die verstärkte Stimme des Stimme verstärkte die durch man während Mund, den […] öffnet […] Metzgermeister »Der nun die eineschwere,hierwird: ausgestellt des Kinoraums, Ebene langsame sehen von der Schnelligkeit der Sequenz, der schnellen Brüche in den Folgen, ist es Ebene«. die »visuelle VorbildStummfilms, des Geschwindigkeit der dem nach sie, nennt Artaud Ebene. einer auf Geräuschen und Sprache und dern Bil von Organisation die Tonfilm ermöglicht der Ja, preisgegeben. Äußerlichkeit der radikal hier wird wäre, ausgelöscht Objekt und Subjekt zwischen Grenze die mit allen Mitteln ausgebremst wird. Das Phantasma eines Innen des aufhebt, Kinos, in dem Einheit einer in wieder Hören und Sehen von Trennung die das geben, 53 52 51 Versprechenweil dieses wird. sein nie einzulösen Monster,schreckliches ein ist es Und zusammenzusetzen. wieder Repräsentation sie Ankündigung, der in Sinne die teilen heterogener Bildspur und Ton- Zusammensetzung Elemente. eine Monster, ein ist Kino sprechende das Ja, hat.« enthüllt Sinne der Überraschung reinphysiologischen einer Resultat als uns Magie mechanische jene welcher Wortes, des Halteschlag dem vor standgehalten nicht hat Schnurrens konstanten eines Magie mechanische angebliche Die Kinos. des Grenzen die Wort das durch Bildsinns des Abschließung endgültige die und Illustration die zeigen anhalten, PoesieGedanken spontane der und unbewußte die Sprechfilm dem seit Wortes des Erläuterungen die daß davon, »Abgesehen dem Titel mit Artikel einem in Artaud wird 1933 bestehen. nicht können schienen, loszulösen sich die Bilder, die kann, halten Versprechungennicht seine überhaupt Kino das dass beweist, Tonfilm Der sein. Kino das nur immer nun wird Es heraus. geblich ver als konstatieren, später Artaud wird so sich, stellt dies Verknüpfungen.Aber neuen mit bzw. Raum aufzuspannen, neuen laufendeinen Kinos des Raum einen an. des stillgestelltendem Lautsprecher Metzgers sich haftet sofort wird sein dieschon Bild Stimme gestoppt. Undder sich Anhaftung, hier die zeigt Logik da können, sprechen würde (Film-)Metzger der andeutet, sich dass Kaum « In Unterbrechung einer sprechend. derBilder Stelle diesagt: anseiner hört, eineStimme Lautsprechers 52

Dagegen scheint mir, dass bei Artaud die Vorstellung, es könnte ein Medium ein könnte es Vorstellung, die Artaud bei dass mir, scheint Dagegen Was Artaud mit mit Artaud Was Artaud: La Vieillesse Précoce du Cinéma. In:Ders.: Précoce Vieillesse duCinéma. La Artaud: von mir. 51.Übersetzung S. Ebd., Révolte duBoucher. La In:Ders.: Artaud: 53 Ich davon, genug schneiden,essen. ohne zu es habe Fleisch Das vorzeitige Alter des Kinos des Alter vorzeitige Das Die Revolte des Metzgers des Revolte Die ŒC ŒC . Bd. III, S. 46. . Bd.III,S. . Bd. III, S. 95–99. Übersetzung nach: Wolf 95–99.Übersetzung . Bd.III,S. 95. Kittler, S. endgültig mit dem Kino abschließen: dem Kino mit endgültig versucht, ist, Tonfilm zu nutzen, um nutzen, zu Tonfilm ist, versucht, 51 Aber – abge – Aber vor jeder jeder - - - 111 Schon immer im falschen Film? Literarische Utopien und das ›Neue‹ im alten Medium Schrift

von Sebastian Höglinger

1. Einleitung The Simpsons Movie oder lieber The Simpsons Movie Digital? Bereits der einfache Kinobesuch konfrontiert den/die aufmerksame(n) FilmliebhaberIn mit Fragen medialer Entwicklung und dem ›Neuen‹ der Medien. »Kinovergnügen wie sie es bisher nicht kannten«, lautet das Versprechen an der Kassa, das die digitale Vorführung schmackhaft machen möchte. Was aber war Kino vor dieser aktuel- len Revolution des Filmbildes? Ist das digitale Filmbild mehr Kino oder eigentlich schon nicht mehr Kino? Wo und wann beginnt Kino und wohin soll das eigentlich alles noch führen? »I am convinced that there are countless forms of digital technology that no one has even imagined. Will we be able to create completely virtual, holographic environments in real space, thanks to digital? […] Perhaps. But what does it really mean.«1 Fragen an eine mediale Zukunft: Was bedeutet es für das Heute samt sei- ner Technologien und Wahrnehmungsparadigmen eigentlich immer ein Gestern von Morgen zu sein? Die allmähliche Durchsetzung des digitalen Filmbildes macht unsere unmit- telbare Gegenwart aus film- und medienwissenschaftlicher Sicht zu einer Zeit des Umbruchs. Wir sind sozusagen unmittelbar im ›Werden‹ (von ›Neuem‹) begriffen und die bloße Möglichkeit zwischen althergebrachtem Filmmaterial und digitalen Filmwelten auswählen zu können, macht dieses ›Werden‹ bereits an der Kinokassa für Jedermann/-frau ersichtlich. Was das wirklich für uns bedeutet, wird erst die Zukunft zeigen. Breite Teile der Wissenschaft prognostizieren jedenfalls eine Entwicklung, die auf eine Loslö- sung von traditioneller Materialität hindeutet: »The very materiality of traditional media will become obsolete.«2 Es sei dahingestellt, ob dem George Lucas zufolge ohnehin idiotischen Material Zelluloid3 nachzuweinen sein wird. Das finale, uni- verselle (Film-)Medium der Zukunft scheint jedenfalls von jeglicher Materialität

1 Jan-Christopher Horak: Old Media Become New Media: The Metamorphoses of Historical Films in the Age of Their Digital Dissemination. In: Martin Loiperdinger (Hg.): Celluloid Goes Digital: Historical- Critical Editions of Films on DVD and the Internet. Trier 2003, S. 15. 2 Horak, S. 13. 3 Vgl. Andrzej Gwóźdź: Sehmaschine Audiovision: Filme im Medienwandel. In: Ernest Hess-Lüttich (Hg.): Autoren, Automaten, Audiovisionen: Neue Ansätze der Medienästhetik und Tele-Semiotik. Wiesbaden 2001, S. 140. 112 Sebastian Höglinger Dezember 1895 aufgeräumt werden. Geschichte als linearen (technischen) Fort (technischen) linearen als Geschichte werden. aufgeräumt 1895 Dezember Vorstellungüberholten einer der mit endlich kann so alles ren, nichts›Werden Denn ein Neuem‹. alles von stoßen. der Mit Lichtgeschwindigkeit werden die Menschen nicht. an ihre letzte unüberwindbare gehtGrenze Mehr selbst? Licht das als bieten Information immaterielle Licht undspeichert verarbeitet.« als auch sondern überträgt, Licht als nur nicht Licht das stehen, System ein tisch prognos dürfte […] Medien optischen der Ende Vorlesung:»Am Berliner Kittlers Friedrich in auch sich findet Modell teleologisches ähnliches Ein sein. zu befreit Main 1991, S. 160.Main 1991, S. In: Dispositiv? ein ist Was (Hg.):Waldenfels Deleuze: Bernhard Ewald, Gilles François werden.« sein wir was ist, dessen Aufriß der Aktuelle das 7 1900 imNeusatz). von In:Dieter Reeken(Hg.): 6 5 4 tuellem‹, imVordergrund stehen. ›Geschichte‹›Ak und zwischen ›alt‹ ›neu‹, Spannungsfeldund zwischen im schen, Histori dem mit Umgang im Potential ihr bzw. vorgestellt selbst Utopie die soll aber Zunächst aufgegriffen. vertiefend einmal noch Textes des Ende Themenkomplex gegen wird angeschnittene kurz bereits Dieser kann. werden gesprochen ob bei der traditionellen, prä-digitalen Filmprojektion überhaupt schon von ›Film‹ könntedes Filmbildes. So unterlisierung anderem die Frage werden, aufgeworfen Digita zur Diskussion differenzierte eine derart ermöglicht und hinauszublicken Medientechnik der Stand heutigen den über selbst Utopie seine vermag hinaus Darüber transportieren. zu schriftlich Wahrnehmungsweisen filmtypische rion, Weitblicks. medialen Beispiel Âme d’une Histoire – Lumen und -vermittlung. -speicherung Form der Wissensverarbeitung, eine auf Zukunft, fernen noch einer Praktiken mediale auf Utopie die weist erhoben. gegenstand Forschungs medienwissenschaftlichen und film- zum sie wird Apparatur schen druck Aus und ›Möglichen‹ des Geschichte ›Werdens‹,formulierte medialen als Modell wird. den‹ gelegt Fokus ›Wer derhistorische sobald aufdas betrachten zu wird schritt widersinnig, Die literarische Utopie soll im Folgenden zu dieser Diskussion beitragen. Als Als beitragen. Diskussion dieser zu Folgenden im soll Utopie literarische Die Der 1872 erstmals im Druck erschienene Dialog phantastisch-wissenschaftliche ihrer in Bereits »Die »Die Geschichte Archiv, ist das was sinddessen, wir und nicht derwerden, Plan sein länger während Flammarion: Camille Vgl. PaulVgl. Virilio: Kittler: Friedrich imshn Bewusstseins filmischen 5 Bis sie und ihre Medien aber an diesem Punkt angekommen sind, bleibt bleibt sind, angekommen Punkt diesem an aber Medien ihre und sie Bis wird und zwar stetig und zu jeder Zeit. Führt man sich das vor Augen, vor das sich man Führt Zeit. jeder zu und stetig zwar und Revolutionen derGeschwindigkeit Revolutionen Optische Medien: Berliner Vorlesung Berliner Medien: Optische 1999 alten , dem ›Regime des Symbolischen‹ unterstellten Form, ver unterstelltenForm, Symbolischen‹ des ›Regime dem , Lumen – Geschichte einer Seele einer Geschichte – Lumen des Franzosen Camille Flammarion bietet ein solches ein bietet Flammarion Camille Franzosen des 6 o tcnshr elseug e kinematographi der Realisierung technischer vor Wie noch zu zeigen sein wird, gelingt es Flamma es gelingt wird, sein zeigen zu noch Wie 4 Was könnte ein schöneres Bild für frei fließende, 7 Spiele der Wahrheit: Michel Foucaults Denken. Denken. Foucaults Michel Wahrheit: der Spiele Lumen: Wissenschaftliche Novellen Wissenschaftliche Lumen: . Berlin 1993, S. 45u. 1993, S. . Berlin ist

von einem Moment auf den ande den auf Moment einem von . Berlin 2002, S. 321. 2002,S. . Berlin . (Nachdruck der deutschen Ausgabe von Ausgabe deutschen der (Nachdruck . Geburtsstunde a. . Lüneburg 2007.. Lüneburg

des Kinos im Kinos des Frankfurt am Frankfurt neue ------

113

2. Lumen – Histoire d’une Âme. Literatur als Fundort des ›Neuen‹. Camille Flammarion stützt seine Utopie auf durchaus verbreitete Ideen alternati- ver Geschichtsschreibung im frühen 19. Jahrhundert: Parallel zum Monopol der Schriftkultur kursieren, speziell im Umfeld der deutschen Romantiker,8 Überle- gungen einer kosmischen Datenspeicherung. Jede Tat und jede Handlung, die sich zu jeder Zeit an jedem Ort zuträgt, würde der Theorie zufolge, in Form von Licht- bildern gespeichert und unentwegt in die Weiten des Weltalls hinausgetragen. Ge- mäß Kittlers Prognostik zukünftiger optischer Medien, wird auch in diesem Kon- zept des 19. Jahrhunderts, jegliche Information durch frei fließende, immaterielle Lichtstrahlen vermittelt und gespeichert. Der Blick zur Sonne ist ein geeignetes Beispiel, um die abstrakten Ideen der Utopisten zu erläutern: Wir nehmen stets an, die Sonne so wahrzunehmen, wie sie gerade eben, in diesem Moment, existiert. Doch was wir in jenem Moment des Lichtaufpralls von der Sonne sehen ist nicht ihre unmittelbare Gegenwart. Tatsächlich erblicken wir lediglich das ›Bild‹ des Himmelskörpers, wie er ungefähr acht Minuten zuvor ausgesehen hat. Trotz seiner enormen Geschwindigkeit9 be- nötigt das Licht diese Zeitspanne um die Entfernung zwischen Sonne und Erdku- gel (zirka 150 Millionen Kilometer), bis hin zu unserer Netzhaut, zu überwinden, und uns das ›Sonnen-Bild‹ zu übermitteln. Das Prinzip lässt sich auf jeden Stern, Planeten bzw. Himmelskörper des Weltalls anwenden. 1846 baut der Berliner Felix Eberty die Theorie der Lichtfortpflanzung aus.10 Seinen Überlegungen zufolge müsste auch ein außerirdisches Wesen, das sich zu einem beliebigen Zeitpunkt zum Beispiel auf der Sonne befände, beim Blick zur Erde eine acht Minuten vergangene Gegenwart erblicken. »Zwischen den Sternen müssten also Ströme von Lichtbildern auffindbar sein, die zusammen ein lücken- loses Archiv der Weltgeschichte ergeben.«11 Die kosmischen Strahlen werden zum Vermittler und Speicher der gesamten Weltgeschichte, der Weltraum zum ewi- gen Gedächtnis, zur ›Ontologie der Vergangenheit‹ im Sinne des französischen Philosophen und Nobelpreisträgers Henri Bergson.12 In einem solchen Konzept

8 Allen voran: Franz Xaver Baader und Johann Wilhelm Ritter. Sie vermuteten in den ultravioletten Strahlen verborgene Informationen über die Menschheit zu finden. 9 Lichtgeschwindigkeit c = 300 000 km/s 10 Felix Eberty: Die Gestirne und die Weltgeschichte: Gedanken über Raum, Zeit und Ewigkeit. (Erst- druck: Breslau 1846). In: Karl Clausberg (Hg.): Zwischen den Sternen: Lichtbildarchive: Was Einstein und Uexküll, Benjamin und das Kino der Astronomie des 19. Jahrhunderts verdanken. Berlin 2006, S. 133–158. 11 Karl Clausberg: Zwischen den Sternen: Lichtbildarchive: Was Einstein und Uexküll, Benjamin und das Kino der Astronomie des 19. Jahrhunderts verdanken. Berlin 2006, Text auf Buchrücken. 12 Das Vergangene ist bei Bergson nicht als psychologische Realität zu verstehen. Wir erfassen es nicht in uns, sondern in ihm selbst. Es ist nicht etwas, das in uns weiterlebt, sondern etwas, das für sich und an sich existiert. Vgl. Henri Bergson: Materie und Gedächtnis: Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist. Hamburg 1991, S. 127–174. 114 Sebastian Höglinger einer apparativen Sehstütze, wie Eberty bereits 1846schreibt. Eberty einer apparativen wie Sehstütze, bzw. Auges überirdischen eines es bedarf können, zu wahrnehmen Geschichte) (der Bilder Lichts, blendenden grellen, bloßen anstelle Um aus. Genuss visuellen aber nicht Erblindung, temporäre lediglich Menschen beim löst Sonne zur Blick beschriebene eben Der werden: vergessen nicht nämlich darf Eines bedarf. sinns Seh höheren,potenzierten eines lediglich Datenspeicher, ler Decodierung dessen durchbrochen. Ebene, auf einerimaginären zumindest zeitig, früh scheint Schriftkultur der (Geschichts-)Monopol Das interessant. besonders ein um bereits Gedächtnis, diesem Archiv, diesem wird HimmelZeitreise. visuellen zum zur der Blick ford: Introduction. Flammarion: In:Camille 15 14 90. Main 1983, S. 13 Flammarion 2007, 30. S. Illustriation: Wissenschafter Quaerens. lebenden noch dem Abbildung 1: Die Seele Lumen erscheint eines Seele die ist Lumen Romanhelden: untypischen durchaus einen er kreiert Dialog wissenschaftlich-phantastischen seinem In die Flucht machen, zu lediglich indie Fiktion: blieb ihmaber zugänglich Masse breiteren einer Wissenschaft seine und übertreffen zu Errungenschaften diese Um werden. durchbrochen Spektroskops verbesserter des Erfindung mittels der und Teleskope Sichtbaren des Grenzen scheinende unüberwindbar einst konnten Lebzeiten seinen Zu bewusst. durchaus Sehkraft menschlichen der mas Als leidenschaftlicher Astronom war sich auch Camille Flammarion des Dilem des Flammarion sichauch war Camille leidenschaftlicherAstronom Als universel als Archivkosmische das fungiert Überlegungen der Phase dieser In S. Orig.; i. [Hervorheb. see.« might eye powerful really a »Towhat demonstrate Eberty, 142f. S. Nicholls: Peter Vgl. Science in Science Fiction: Sagt Science Fiction die Zukunft voraus? Zukunft die Fiction Science Sagt Fiction: Science in Science Lumen tenzierten Sehsinn, tenzierten po jenen andererseits besitzt und bewegen, Raum den durch ›gedankenschnell‹ einerseits Lumen sich Materie kann Todes, des Eintritt dem mit der Gesetzen jeglichen von lösung Los die Durch Wissenschafters. verstorbenen liebiger Geschwindigkeit an den Lichtstrahlen den an Geschwindigkeit liebiger be mit sich kann Lumen Seele Die verleihen. Schwung neuen Utopien kosmischen den rion Flamma konnte Bewegung ge dankenschneller Imagination die Durch Beobachtungen. diesen von Dialogform in Quaerens lebenden noch Kollegen seinem berichtet und findet vor Weltalls des Bildarchiven den in quasi er die Welten, anderer vieler und dieser heiten Vergangen den in Lumen stöbert So voraus setzte. Archive kosmischer Durchforstung . Middletown 2002, p.. Middletown XXIV. 13 Die Tatsache, es sich bei dass Bild Lumen – Histoire d’une Âme Âme d’une Histoire – Lumen 15 archiv handelt, erscheint handelt, archiv den Felix Eberty für die für Eberty Felix den 14 H.]« Brian Stable Brian H.]« Frankfurt am Frankfurt ------115 des Archivs entlang bewegen. Sie vermag sogar die darin als gespeichert angenom- menen Daten und Bilder zu überholen und sieht die Geschichte der Menschheit, retrospektiv gesehen, in filmähnlichen Zeitebenen vor sich ablaufen. Die kosmi- schen Strahlen werden zu einem endlosen, immateriellen Filmband. Angelehnt an Michail Jampolskis Plädoyer, literarische Utopien in den filmwissenschaftlichen Diskurs miteinzubeziehen,16 soll Flammarions Werk fortan als ›Utopie vom kos- mischen Film‹ bezeichnet werden.

2.1. Prä-Kinematographie Filmisches Wahrnehmen in Lumen – Histoire d’une Âme. Die nun folgenden Überlegungen vertreten und belegen die Annahme der Exis- tenz ›prä-kinematographischer Filmbilder‹ im Medium des geschriebenen Wortes. Anhand von vier Kernmerkmalen der im Buch beschriebenen Wahrnehmung der Seele Lumen, soll die filmwissenschaftliche bzw. filmgeschichtliche Relevanz der Utopie Flammarions dargelegt werden:

1. Alle Beobachtungen Lumens sind lediglich in Lichtstrahlen gespeicherte bzw. durch Lichtstrahlen projizierte Bilder. Die Analogie zur Projektion eines Films im Kino erscheint naheliegend, zumal der schwarze Nicht-Raum des Weltalls den Vor- stellungen eines dunklen Kinoraums sehr nahe kommt.

2. Lumen beobachtet Vorgänge, in für das frühe 19. Jahrhundert unüblichen bzw. unbekannten Zeitebenen. Noch vor der ominösen Geburtsstunde des Kinos im Dezember 1895, beschreibt Flammarion sowohl Zeitlupe als auch Zeitraffer. Die Zeit, oder besser gesagt, der Film, läuft sowohl vorwärts, als auch rückwärts. Das Kausalitätsgesetz scheint durchbrochen.

3. Lumen untersteht dem großen Paradigma medialer Wahrnehmung: Er sieht ohne gesehen zu werden und hat auch keine Möglichkeit in das visuell erlebte Ge- schehen retrospektiv einzugreifen bzw. die Vergangenheit zu verändern.

4. Was Lumen in den kosmischen Lichtstrahlen wahrnimmt, sind lediglich Be- wegungsbilder, also Leinwandbild ohne Kinoapparat, Filmstreifen und Einzelbild. Dieses Phänomen soll in der abschließenden Betrachtung der zentralen, philoso- phischen Begriffe Henri Bergsons, nämlich ›Bewegung‹ und ›Dauer‹, noch einmal im Mittelpunkt stehen und mit der gegenwärtigen Durchsetzung digitaler Projek- tionsverfahren zur Diskussion über das ›Werden von Neuem‹ beitragen.

16 Vgl. Michail Jampolski: Die Utopie vom kosmischen Schauspiel und der Kinematograph. In: Beiträ- ge zur Film- und Fernsehwissenschaft 29, 1988. 116 Sebastian Höglinger Beispiele unüblicher Zeitebenen im ›Kosmischen Film‹. im›Kosmischen unüblicher Zeitebenen Beispiele die Kausalität 2.1.1. Wider 17 anbietet: Konsument, passiver bloßer als mehr besonders nicht nun Himmelskino dem frönt Geschichtsmodellen Lumen mit Auseinandersetzung die für sich das Szenario ein Geschichte, der Kausalitätsgesetzen den mit Bruch zum dann es gen Voyeur vergangenen einerlängst Gegenwart. notgedrun bleibt Er verwehrt. ihm bleibt Interaktion der Möglichkeit die – cken aber Lumen muss Menschen befindlichen Geschehen im real ein Bewohner dieser Stadt seine Umwelt einst wahrgenommen hat. Entgegen dem wie so, gar und Parisganzvergangene das sieht Lumen erkennen. gelmäßigkeiten konstante die und Ende bis Anfang von Ursache kommt vor vorGeburt der dem Wirkung, Tod. Der diesen durch Wahrnehmung irdischer herkömmlicher, Geschwindigkeit der mit Bilder gespeicherten Strahlen kosmischen den in die fließen obachters, Be des WeltraumDer genießen. Spiel Eigenbewegung Ohne Kinoraum. wirdzum Ganz wie der irdische kann sich auchKinogast Lumen Aussichtsplattform ihrer ersten visuellen Zeitreise wird, und blickt Paris. Heimatstadt tige eins ihre Lumen Seele verstorbene die beobachtet Romans des Beginn zu Bereits Films‹ LumensWahrnehmungsbedingungen des ›Kosmischen 2: Abbildung entlang Bereits in der zweiten Erzählung des in fünf Teile unterteilten Dialogs kommt Dialogs Teile unterteilten fünf in des Erzählung zweiten der in Bereits Flammarion 2007,Flammarion 40ff. S. 17 Sie befindet sich auf dem fernen Stern Capella, der zur der Capella, Stern fernen dem auf sich befindet Sie

Abspielgeschwindigkeit zurücklehnen Film von oben von lässt keine Unre keine lässt läuft quasi kausal hinab und Licht-das herabbli

zur zur Erde. hindurch - - - - - . 117 sondern setzt sich selbst in Bewegung. Seine überirdischen Fähigkeiten ermögli- chen ihm das Fliegen mit Über-Lichtgeschwindigkeit. An dieser Stelle soll, allen wissenschaftlichen Bekundungen zum Trotz, das Durchbrechen der Mauer der Lichtgeschwindigkeit als zumindest möglich angenommen werden. In der Einlei- tung dieses Aufsatzes wurde mit dem Verweis auf diese ominöse letzte Grenze, zugegebenerweise ein striktes mediales Telos eingeführt.18 Eine solche Sichtweise wird unter dem Blickwinkel der Utopie aber unsinnig und muss verworfen wer- den.19 Es zeugt eben von einer Art Borniertheit, Genügen am Realen zu finden, schreibt auch der deutsche Historiker Alexander Demandt.20 Selbst die Kenntnis der Naturgesetze wächst stetig.21 Das in der Einführung vorgestellte ›Werden von Neuem‹ muss folglich nicht notgedrungen enden, sollte die Geschwindigkeit des Lichts jemals erreicht werden. Warum nicht auch mal die Frechheit besitzen zu träumen? Für Lumen stellt sich aber ohnehin keine Notwendigkeit nach dem ›Was wäre wenn …?‹ zu fragen. Die Möglichkeiten der Utopie ausschöpfend, lässt Flammari- on seinen Helden völlig selbstverständlich mit Über-Lichtgeschwindigkeit an den Strahlen entlang von der Erde in Richtung Weltall hinausfliegen. Er überholt die in den Strahlen als gespeichert angenommenen Bilder, die dadurch rückwärts zu laufen beginnen. »nimm an, du entferntest dich von der Erde mit einer Geschwin- digkeit, welche die des Lichts übertrifft. Was folgt daraus? Daß du in dem Maße, in welchem du im Weltenraume vorwärts dringst, du auch die Strahlen findest, die vor dir ausgegangen sind.«22 Das Leben, bzw. der Film beginnt nun mit dem Tod und endet mit der Geburt, Wirkung kommt vor der Ursache, Gegenwart vor der Vergangenheit. Lumen be- obachtet bei seinem Flug die Schlacht von Waterloo, vom blutigen Ende, bis zur heilvollen Wiederauferstehung einst toter Soldaten am eigentlichen Beginn des militärischen Intermezzos:

18 »Mit der Lichtgeschwindigkeit werden die Menschen an ihre letzte unüberwindbare Grenze stoßen.« 19 Die Utopie bricht auch mit Virilios angeblich letzter Grenze/Revolution der Geschwindigkeit. Vgl. Virilio, S. 7. 20 Vgl. Alexander Demandt: Ungeschehene Geschichte: Ein Traktat über die Frage: Was wäre geschehen, wenn …? Göttingen 1984, S. 119. Zur weiterführenden Studie kontrafaktischer Geschichtsmodelle vgl. auch: Wolfgang Reder: Kontrafaktische Überlegungen: Eine Darlegung der Hauptgedanken mit besonderer Berücksichtigung der sozialgeschichtlichen und sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Linz 2004. 21 Ein aktuelles Beispiel zu dieser Thematik bietet die Inbetriebnahme des ›Large Hadron Colliders‹ am Europäischen Kernforschungszentrum Cern. Mit dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger soll nun endlich das so genannte ›Gottesteilchen‹ (Higgs-Boson), sprich das letzte Puzzleteil zur Komplet- tierung des gängigen Standardmodells der Teilchenphysik gefunden werden. »Wird es gefunden, ist das gängige Weltbild endlich fertig, weil zur Gänze bewiesen. Andernfalls hat die Physik gehörigen Erklä- rungsbedarf.« Andreas Feiertag: Countdown für Teilchencrash. In: Der Standard, 16.7.2008. 22 Flammarion 2007, S. 86. [Hervorheb. i. Orig.; S. H.] 118 Sebastian Höglinger kinematographischen Apparatur, ihre reale Entsprechung auf der Leinwand fin Leinwand der auf Entsprechung reale ihre Apparatur, kinematographischen Jahre später werden solche Logik, wieder immer kausaler und immer theoretisch von zumindest unabhängig quasi Geschehnisse, bewegte subtile, können Erstmals wegweisend: dagegen Flammarions Utopie die scheint Jahrhundert 19. Jahrhunderts. 20. späten des Science-Fiction-Literatur der le in ansonsten diglich sich findet Zeit laufender rückwärts Konzept radikales solch Ein Schlacht.« erregende Neid [sic], mustergiltige Welch lassen. zu auferstehen wieder bedeckten, Schlachtfeld 200 Kugelregen dem unter gehabt, Zweck einen den nur Kampf heftige der habe als einander, von langsam sich entfernten Armeen beiden »Die 27 26 Kittler: Friedrich Vgl. Film. imaginären zum wird Literatur Leserseelen.« von Imaginären im sondern Realität, bzw. Imaginären. »Um 1800 wurde das Buch Film und Schallplatte zugleich – nicht in medientechnischer 25 1991. u. London 24 23 ders als die Chronophotographen seiner Zeit, eine werden. projiziert ZweckeSchirm einen auf wissenschaftliche für und zusammengefasst Sekunden wenigen nur in Menschen eines Dasein gesamte das Zeitraffers des Verfahren dem mit könnte Umgekehrt dauern.« Ereignis fürdich, Stunde statt eineganze Sekunden, einige das würde so erblicken, zu Beobachtung einstündiger nach erst Katastrophe der Ende das wärst, ten, dritten und so fort gesehen hättest, und, indem du dem Licht langsam folgtest, dahin gelangt diesen Anfang nicht ununterbrochen, sondern bald darauf den ersten Augenblick, dann den zwei Katastrophe der du daß so hättest, verlangsamt Anfang Verhältnisetwas Lichtim zum Schritte deine aber den dann gesehen, du daß wärest, fortgeflogen so Erdbeben, ein Lawine, eine sturz, z. wie dauert, Sekunden wenige»Wenn nur das sehen, zu Ereignis aber, ein du um deslungsformen MediumsFilmavancieren wird: Darstelcharakteristischen der einer späterzu die Vision, seine Flammarion tauft ›chrono-tele-skopieren‹ bzw. vergrößert‹ Zeit die das Mikroskop ›Ein imaginiert. Zeitlupe und Zeitraffer von Vorwegnahmen medialen die schließlich Flammarion matographischer Natur. prä-kine auch wenn handelt, solche um bereits tatsächlich sich es dass gemacht, Film ›halluzinieren‹.Werke zu der Lesen beim Flammarions, jene wie Bilder, und Beschreibungen Jahrhunderts, 19. des Leserschaft der es obliegt dahin Bis den. Besonders deutlich wird die Stichhaltigkeit einer solchen Behauptung, wenn Behauptung, solchen einer Stichhaltigkeit die wird deutlich Besonders Ebd., S. 168. S. Ebd., 2007,Flammarion 167f. S. Inneren im Welten filmähnliche entstehen Lesen, und Schreiben beim ›Halluzinieren‹ das Durch Dick: K. Philip Vgl. 2007,Flammarion 85f. S. bilder müssen imaginär bleiben. Nichtsdestotrotz wird hier die These stark These die hier wird Nichtsdestotrotz bleiben. imaginär müssen bilder Grammophon, Typewriter Film, 23 a. one-lc World Counter-Clock Bewegungs . München18f. 1985, S. Lno 16. dr uh Mri Amis: Martin auch: oder 1968. London . bilder, der der mit technischen Realisierung 000 Tote, die wenige Stunden zuvor noch das das noch zuvor Stunden wenige die Tote, 000 27 Flammarion erwägt also bereits, an bereits, also erwägt Flammarion bewegte bewegte Bewegungsanalyse betrachtet 26 werden. Erst fünfzig fünfzig Erst werden. B.:Berg einen ies Arrow Time’s 24 Für das das Für – wis 25 Die Die ------.

119 senschaftliche Phantastik, die erst mit Hilfe der Kino-Apparatur realisiert werden sollte. Obgleich die Chronophotographien oder der Zoopraxograph28 eines Muybridge die Menschen zu begeistern wussten, blieb schriftlich verfasste Wissenschaft, vor Erfindung der populären, elektrischen Medien, Angelegenheit der Eliten. Erst mit phantastischer Literatur wurde (Pseudo-)Wissenschaft massentauglich. Der/ Die durchschnittliche LeserIn lechzt nach Handlung. Die literarische Utopie des frühen 19. Jahrhunderts vermag diesem Verlangen, in Verbindung mit wissen- schaftlichen Überlegungen, Rechnung zu tragen. So erklären sich auch die hohen Auflagezahlen des heute etwas zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Flammari- on: Bereits 1873, also nur ein Jahr nach dem französischen Erstdruck von Lumen – Histoire d’une Âme, erschien bereits die vierte Auflage im Handel. Die Ideen und Visionen der Utopisten wurden also zu ihren Lebzeiten durchaus rezipiert und dis- kutiert. Über Umwege, teils unbewusst, fanden sie selbst in der Populärkultur des 20. Jahrhunderts ihren Platz. Viele Schriften, Fiktionen und nicht zuletzt Filme basieren auf scheinbar vergessenen Überlegungen dieser Zeit.29 Somit erscheint es durchaus denkbar bzw. wahrscheinlich, dass Literatur ihre Leserschaft auf ei- nen Medienwechsel Ende des 19. Jahrhunderts vorbereiten konnte. »Man könnte sogar die Meinung vertreten, daß die Science-Fiction [und die Utopie; S.H.] dazu beiträgt, eben die Zukunft, die sie beschreibt, zu schaffen, indem sie die Menschen geistig darauf vorbereitet.«30 Bereits im geschriebenen Wort finden sich, wie ge- zeigt wurde, Anleihen einer damals noch zukünftigen, im ›Werden‹ begriffenen Medientechnik, -kultur und -wahrnehmung. Literatur konditioniert zwar nicht den Blick des (noch) Nicht-Kinopublikums, lässt aber bereits filmische Konventio- nen, wie das Durchbrechen zeitlicher Kausalität, ›halluzinieren‹. Eine ›Geschichte des filmischen Sehens‹, wie Joachim Paech schreibt, »würde das Sehen von Filmen nur als Spezialfall und Ausgangspunkt einer viel weiter gefaßten Wahrnehmungs- geschichte thematisieren.«31 Das Auffinden struktureller Analogien zwischen dem Sehen von Filmen und u. a. literarischer Repräsentation, erhält unter diesem Ge- sichtspunkt filmwissenschaftliche Relevanz. Das folgende Kapitel wird diese Rele- vanz konkretisieren und versucht einen Vorschlag zum Umgang mit literarischen Utopien im filmgeschichtlichen Kontext anzubieten.

28 Im Zoopraxograph werden die chronophotographischen Reihenphotographien ab 1879 wieder zu einem ›kontinuierlichen‹ Bewegungsablauf synthetisiert. 29 Ein Beispiel wäre die Anfangssequenz von Christopher Nolans Memento aus dem Jahr 2000: Die Zeit scheint rückwärts zu laufen. Ganz wie die Erinnerungen des Protagonisten verblassen allmählich die Konturen des Polaroidfotos. Kurz darauf wird es wieder in der Fotokamera verschwinden. Der ei- gentliche Anfangspunkt der Belichtung wird zum Endpunkt des Abbildprozesses. Die Umkehrung der Kausalität wird so zu ihrem Ende. 30 Nicholls, S. 6. 31 Joachim Paech: Das Sehen von Filmen und filmisches Sehen: Zur Geschichte der filmischen Wahr- nehmung im 20. Jahrhundert. In: Knut Hickethier (Hg.): Filmgeschichte schreiben: Ansätze, Entwürfe und Methoden. Berlin 1989, S. 68. 120 Sebastian Höglinger in der spekulativen Kombination von technischem Wissen und populärer, utopi populärer, und Wissen technischem von Kombination spekulativen der in dene Apparate Auftreten, sondern mit deren utopischen und technischen Vorentwürfen. Vorhan vorzubereiten: ist, den‹ begriffen ›Wer im schon bestimmt ja das ›Neue‹, das auf und beeinflussen zu Dispositive mediale deren bzw. Generation ihre Stande im gar sie ist Vielleicht hinausblickt. gleichwohlsiedarüber indem technischen die Fesseln aufzuzeigen, mag ihrer Zeit ver Sie begnügen. nicht damit sich will Science-Fiction-Literatur oder Utopie Die Brunet. Patrick meint Bildträger, spezifischen ihrem an hängt Generation Jede ›Neuer Utopie3. Die alsMethode Filmgeschichte(n)‹. esser: esser: dringenderer Anliegen‹ und nicht selten das Resultat eines […] ›objektiven Zufalls‹ waren.« ThomasElsa weitaus anderer, ›Nebenprodukt[e] Tat der in ›Entdeckungen‹ wissenschaftlichen entscheidenden der 35 34 undTele-Semiotik derMedienästhetik ren, Neue Audiovisionen: Ansätze Automaten, (Hg.):Hess-Lüttich Ernest In: Robida). Albert und Roche la de FrançoisTiphaigne (Charles Fernsehens 33 32 sein, Geburtsstunden ungewollte teils unabhängige, Geburtstunde des Kinos muss verworfen werden.notgedrungen Es müssten viele, Idee Die sprechen. zu ›Neuen‹ vom um werden, bezeichnet Moment bender nische Realisierung einer Vision kann dann schließlich nicht mehr als ausschlagge rIn auch gleich die Frage nach der Entstehung von Kino neu überdenken. Die tech findet?Will man diese Frage mit ›Ja‹so mussbeantworten, der/die Filmhistorike in Eingang schließlich der Schriftkultur, der der Zukunft. einesDispositivs tung zugunsten Parameter damit seine und Fähigkeitbegründet zur Transformation bzw. Aufspal Diskussion zu stellen. Deleuze zufolge sich jedesdefiniert Dispositiv anhand jener dergrund. in steht dürfen, zu (mit)erleben visuell dest zumin einmal, noch Vergangenes Wunsch Der ab. Speicherung universelle und Konservierung auf eher viel dagegen zielen Überlegungen Flammarions deutet. Fernsehens späteren des Frühgeschichte(n) Vor-und als Visionen, als schließlich und findet Utopien literarischen in er die Liveness, und Unmittelbarkeit medialer nach bzw.Sehnsüchte Forderungen die es sind Müller Bei Fiktion. narrativer mit Wissenschaftlichkeit kombiniert Generation, einer Sehnsüchten und Wunschvor stellungen mit Wissen technisches also ergänzt Utopie Die Müller. E. schreibt Jürgen kommen, Medien audiovisueller Vision zur es konnte Phantasie scher

»Die »Die Geschichte der audiovisuellen Apparate beginnt […] nicht mit deren erstem Fungiert die Fungiert Utopie so gesehen als schöpferischer Strang eines zur ›Kreativität‹ und ›Neuartigkeit‹ unbekannte noch also scheint Utopie Die »Denn jeder These über von der geschichtlichenKinoswird deswie vieleNotwendigkeit vergessen, 159. 1991, Deleuze S. Vgl. des Frühgeschichte und intermedialen Vor- zur Thesen Einige Tele-VisionVision: als Müller: E. Jürgen 141. S. Gwóźdź, Vgl. Filmgeschichte und frühes Kino: Archäologie eines Medienwandels eines Archäologie Filmgeschichte Kino: undfrühes und Utopien findenEingang in die jeweils neuenDispositive«. neue Lumen – Histoire d’une Âme d’une Histoire – Lumen 34

Fernseh- oder Kino-Dispositive Kino-Dispositive oder Fernseh- 35 . München 2002, S. 250. . München 2002,S. die lediglich in der ersten der in lediglich die . Wiesbaden 2001, S. 187.. Wiesbaden 2001,S. alten

Dispositivs Dispositivs im Vor im 33 einer

Erst Auto 32 ------

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öffentlichen Filmvorführung der Gebrüder Lumière gipfeln. Neu ist das Kino zu diesem Zeitpunkt aber schon lange nicht mehr und bereits selbst schon wieder im Wandel begriffen. Wo liegt nun aber der Gewinn für den/die (Film-)HistorikerIn, literarische Uto- pien in der Forschung zu berücksichtigen? Seit den 1980er Jahren bemüht sich die Filmgeschichtsschreibung unter der Bezeichnung ›New Film History‹ mit einer alten, kausal-teleologischen Geschichte zu brechen.36 Vermehrt wird hier unter an- derem nach alternativen Vorgeschichten des Kinos geforscht, in der auch eine ›Ge- schichte der VerliererInnen‹ ihren verdienten Platz und ihre Anerkennung findet.

»Indeed, the new historian realizes that ›errors, inventions, and myths lead us through and bey- ond facts of their meanings‹, that the ›dubious reliability‹ of such ›wrong‹ tales enhances their historical value in that they ›allow us to recognize the interests of the tellers, and the dreams and desires beneath them‹.«37

Schließlich kann nicht alles was möglich ist, letztlich auch realisiert werden. So muss sich auch das ominöse ›Neue‹ erst durchsetzen und ›werden‹, ist zunächst selbst Teil einer ›Geschichte des Möglichen‹. Die literarische Utopie veranschaulicht diese Problematik und lässt den/die einsichtige(n) HistorikerIn Abstand von einer bloßen Historie der Sieger, Genres und Meister nehmen. Utopien werden gleich von vornherein ohne jegliche Not- wendigkeit der (technischen) Realisierbarkeit imaginiert. Sie sind Visionen, fragen offenherzig nach dem ›Was wäre wenn …?‹ Wo der Möglichkeit des Scheiterns ge- genüber dem Erfolg immer ein gleich großer, wenn nicht gar größerer Platz einge- räumt wird, kann keine Rede von Fortschritt oder Telos sein. Gerade deshalb eig- net sich die Utopie hervorragend, um über einen Wandel der medialen Gegenwart einer Zeit nachzudenken. Es muss aber nicht immer bei bloßen Wünschen und visionären Spekulatio- nen bleiben. Auch Utopien oder Science-Fiction-Literatur können Einzug in eine ›Geschichte der SiegerInnen‹ halten. Erfolge der Raumfahrt,38 aber auch die Fern- seh- und Filmutopien des 19. Jahrhunderts,39 deren Grundannahmen durchaus

Wo dem Zufall genügend Relevanz eingeräumt wird, muss Teleologie verworfen werden. Das schicksal- hafte Entstehen von Kino entbehrt dann jeder Grundlage. Das Ziel war dem Projekt nie innewohnend. Während der/die teleologische WissenschafterIn bereits vom Erreichen eines ominösen Ziels spricht, ist dieses schon wieder in neuerlichem ›Werden‹ begriffen. Er/Sie hinkt der eigentlichen Gegenwart also immer einen entscheidenden Schritt hinterher. 36 Vgl. u. a. Thomas Elsaesser: The New Film History. In: Sight and Sound 4, 1986. oder auch: Knut Hickethier: Filmgeschichte zwischen Kunst und Mediengeschichte. In: Hickethier 1989, S. 7–23. 37 Vivian Sobchack: What is film history?, or, the Riddle of the sphinxes. In: Christine Gledhill (Hg.): Reinventing Film Studies. London 2004, S. 313. 38 Vgl. Nicholls, S. 6f. 39 Vgl. Flammarion 2007. oder auch: Albert Robida: The Twentieth Century. Middletown 2004. u. a. 122 Sebastian Höglinger der Industrialisierung und Verstädterung im späten 18. und frühen 19. Jahrhun 19. frühen und 18. späten im Verstädterung und Industrialisierung der Lumen – Histoire Âme d’une werden. gemacht Garaus der endgültig Teleologie der Gespenst ewigen dem de, wur gezeigt wie könnte, Zumindest auszuloten? Gegenwart, Wandelbegriffenen im schon immer der Wünsche, und Perspektiven mögliche um es, sei zunehmen, bzw. besser Zukunft und Situation anderswahr mediale gegenwärtige eigene, die um es, sei – fragen ›Möglichen‹ (utopisch) dem nach nicht geschichtsschreibung Kern der Sache. Wieso sollte eine aufgeschlossene Film- und Medienwissenschaft/- interessant. rikerInnen Histo traditionellere für selbst Forschungsfeld das machen wurden, verwirklicht 44 43 42 im 19. Jahrhundert 41 ScienceZwischen und Fiction. In: literarischen Gattung. Löffler: Stefan Vgl. tisch nach technischen Ideen durchforsten und anerkannte somit auch real-technische das Potential der 40 Zeitmaschine. (visuellen) einer Art Hilfe mit Vergangenheitsanalyse Die HistorikerIn: jedes/jeder Wunschtraum den will, schenken Glauben Salewski Michael man wenn somit, sich erfüllt achtetund interessant er für er Geschichte die Momenten der jenen zu zurück Strahlenfluss am sich bewegt Er mögen: folgen noch vielleicht ihm die HistorikerInnen die für dungen weiter hinten zurückzukehren.« Win der einer zu und betreten zu Ufer das verlassen, zu Geschichte der Fluss im Science-Fiction-Kriminalroman Finneys Jack in ziger Dan Dr. gewisser ein schließlich meint sein«, möglich sollte »Es Vergangenheit. mehr umso mit dafür – Ziel ohne Lichtflüsse immaterielle bewahrende, ewig als Quaerens. noch Gesprächspartner lebenden dasselbe«, genau Unendlichkeit der vor ist gebrauche, dazu Stunde eine oder Jahr ein ich »Ob verliert: Gültigkeit an Weltall im Zeitmaß jegliches zumal (Film-)Geschichtsschreibung, linearer von auch als Fortschrittskonzeption, mechanistischen einer Zeit linearen homogenisierten, der Fluss vom grundlegend sowohl somit sich unterscheidet (Geschichts-)Fluss kosmische Der Ziel. ein ist fehlt, aber Wasihm kumulierend. auch als bewahrend Weltraum-Vergangenheit‹der sowohl ist ›Ontologie als Film‹ ›Kosmischer verworfen. utopie der Raum teloslosen im wird Fortschrittsdenken aufkeimende dert

»Wasdamit den Wittgenstein und ist denkbar auchschrieb trifft ist, möglich«, Welch treffenderes Sinnbild für ›Neue Mediengeschichte(n)‹ könnte es geben, geben, es könnte Mediengeschichte(n)‹ ›Neue für Sinnbild treffenderes Welch Vgl. Michael Salewski: Michael Salewski: Vgl. Jack Vgl. Finney: 2007,Flammarion 89. S. Asendorf: Christoph Vgl. Die EuropäischeESA ließ vor Raumfahrtagentur einigen Jahren Science-Fiction-Literatur systema . Giessen 1984, S. 108. 1984,. Giessen S. Von Zeit zu Zeit Zeitgeist und Zeitmaschine: Science Fiction undGeschichte Science undZeitmaschine: Zeitgeist 40 Batterien der Lebenskraft: Zur Geschichte der Dinge und ihrerWahrnehmungund Dinge Geschichteder Zur Lebenskraft: der Batterien

bietet bietet ein diesbezüglich Bild: ausdrucksstarkes Das mit . Bergisch Gladbach 70.(frei 1998, zitiert). S. . Bergisch 44 43 Genau das macht Lumen stellvertretend 42 gesteht Lumen seinem ungläubigen, ungläubigen, seinem Lumen gesteht Von Zeit zu Zeit zu Zeit Von Der Standard . München227. 1986, S. , 22.09.2007. , »das Boot Boot »das , 41 ------

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Bei all dieser Spurensuche, die uns möglicherweise zu den Vorgeschichten und Frühformen unserer medialen Gegenwart führen kann, sollte speziell im Um- gang mit Utopien eines nicht außer Acht gelassen werden: »Unsere Zeit ist nicht nur die Zukunft unserer Vergangenheit, sondern auch die Vergangenheit unserer Zukunft.«45 Die Aufgabe der Geschichtsschreibung kann also auch darin liegen, das Kommende ins Auge zu fassen. Lumen – Histoire d’une Âme bietet einen geeigneten Ausgangspunkt um sich auch dieser Thematik anzunähern. Zusätzlich zu den bereits auszugsweise- vor gestellten Vorwegnahmen filmspezifischer Wahrnehmungsformen vor entspre- chender technischer Apparatur, enthält Flammarions Dialog auch Denkgerüste, die selbst über den heutigen Stand kinematographischer Technik hinausdeuten. Was bedeutet es für das Heute und seine Medien eigentlich bereits ein Gestern von Morgen zu sein, wurde zu Beginn des Aufsatzes gefragt: Das abschließende Kapitel wird dieser Frage nachgehen und mögliche Parallelen zwischen kosmischen Bilder- flüssen und digitalen Bilderwelten der Gegenwart aufzeigen.

3.1. Schon immer im falschen Film? Das ›wahre Bewegungsbild‹ im 19. Jahrhundert. Wir können nur ahnen, welche Seh- und Denkgewohnheiten uns die Medien in Zukunft noch abverlangen werden, schreibt Thomas Elsaesser.46 Welche Progno- sen ergeben sich bei der Lektüre utopischer Literatur für eine solche ›mögliche‹ Zukunft? Flammarions Romanheld findet, wie bereits gezeigt wurde, jegliche Vergangen- heit in einer Art ›kosmischem Film‹ im Weltall gespeichert. Er benötigt überir- dische Sehkraft um die Informationen, die (Medien-)Bilder, in den Lichtstrahlen decodieren zu können. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts findet sich in diesem Beispiel eine Form medialen Wahrnehmens, die selbst die Gegebenheiten unserer unmittelbaren Ge- genwart bei weitem übertrifft. Irdische Geschwindigkeits-Parameter werden in der Utopie bereits frühzeitig obsolet. Die Informationen im kosmischen Bilderstrom rasen auch mal mit Über-Lichtgeschwindigkeit an der Seele Lumen vorbei, ohne sich deren Wahrnehmung zu entziehen. So könnte die Beschleunigung als ein (uto- pisches) Charakteristikum möglicher Zukunft benannt werden.47 In der (technisch-)medialen Entwicklung bewegter Bilderfolgen seit der Nieder- schrift von Lumen – Histoire d’une Âme lassen sich diese Tendenzen der Beschleuni- gung auch durchaus auffinden: Über Daumenkino, Phenakistiskop und Zoopraxo-

45 Demandt, S. 117. 46 Vgl. Elsaesser 2002, S. 313. 47 »Eine Information, die mit Lichtgeschwindigkeit vorbeirauscht, ist schwer zu sehen«, weiß auch Paul Virilio, und verleiht einer (Medien-)Philosophie der Geschwindigkeit und Beschleunigung die pas- sende Theorie. Zitat: Virilio, S. 11. 124 Sebastian Höglinger licher medialer Zukunft einher: Dem Verlust einher: Zukunft licher medialer des Materials. mög Charakteristikum zweiten einem mit scheinbar also Beschleunigung stetige mindest scheint die Entwicklung beständig in diese Richtung zu gehen. So geht die Zu verschwunden. Kino dem aus sind Materialität seine und Bild Das geworden. unmöglich schlussendlich ist Film digitalen im Einzelbilds eines Wahrnehmung Die bewältigen. mehr nicht gar auch gesehen, realistisch Auge, menschliche das kann Mehr beträchtlich. bereits Unterschied der beim ist Videoband, Bildern/Sek. elektronischen 50 zu bis zu Film-Projektionsverfahren traditionellen chen, mehr graph zu ist Film, ein Video beständiges und schließlich Bildübertragung, digitaler 48 befinden muss.An einem solchen, exaktkannOrt umrissenen aber nur Ruhe bzw. Ort bestimmten einem an Fluges seines Zeitpunkt jedem zu Pfeil fliegender ein sich dass besagt, Philosophen griechischen des Trugschluss Ein v.Chr.). 500 (ca. Eleas von ParadoxienZenon der Aktualisierung modernen Art einer Bergson für entspricht Apparatur kinematographische Die erscheint. nichtnotwendig gar erst verschwinden zu Medien digitalen eben die Materialität des Filmstreifens, in tigen: Dieser kritisierte die gegenwärtig im Filmtheorie Anschluss an die Philosophie Henri schon Bergsons lange beschäf Forschungsenschaftlicher etablieren, stehen zu genau so bleiben. (film)wis in Methode als Utopie die Forderung, der Rahmen im sie soll doch und Waren sein? zu bisher immer im also wir verkommt? Einfacher Muss gefragt: Kino erst auf Einzelbilder verzichten, um griffene ein einfach nicht dann Filmapparatur len das Ist Ziels? des anstelle Anfang der erst eigentlich nicht immaterielle Filmbilds Beschleunigung. jahrzehntelanger kömmliche Filmbild zu verdrängen – Telosdas als Realisierung der Digitalisierung Geschichte aufgebracht: Das Bildverfahren digitale scheint beschleunigte, das her Filmstreifen und Kinoapparat, ohne Leinwandbild also Bewegungsbilder‹, ›echte wird, sein zeigen zu noch wie nämlich, sind wahrnimmt, Lichtstrahlen kosmischen den in Lumen im Hin blick auf unsere unmittelbare Mediengegenwart noch ein Stück interessanter. erscheint Was und gefunden Realisierung theoretische seine bereits flusses Auch diese Tendenz hat in Flammarions Imagination des Imagination Flammarions in Tendenzhat diese Auch Im Grunde führt sie nämlich lediglich zurück zu jenen Diskussionen, die die die Diskussionen, jenen zu zurück lediglich nämlich sie führt Grunde Im verunsichern mag Fragestellung abschließenden solchen einer Frechheit Die des bzw. Realisierung Erfindung der vor bereits aber Wennnun Tendenzdie wird teleologischer Seiten fünfzehn knapp nur in Mal zweites Ein Vgl. Kernmerkmale prä-kinematographischer Wahrnehmung. Kernmerkmale 2.1. Vgl. Abschnitt an Geschwindigkeit zu beobachten. Von 24 Bildern/Sek. beim herkömmli beim Bildern/Sek. 24 Von beobachten. zu Geschwindigkeit an Heute

zum ersten Vorspiel der technischen Realisierung einer alten Idee alten einer Realisierung technischen der Vorspiel ersten zum Einzelbild

Bilderflüsse imaginiert werden, ist dann der digitale Film digitale der dann ist werden, imaginiert Bilderflüsse . 48 droht und in der Utopie des 19. Jahrhunderts Jahrhunderts 19. des Utopie der in und falschen Film Anderes , während das im Werden be Werden im das während , ? Gestern immateriellen

der traditionel der herkömmlichen Bilder Film ------

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Stillstand vorherrschen. Wenn der Pfeil nun also zu jedem Zeitpunkt (an jedem Ort) stillsteht, müsse dieser Zustand während des gesamten Fluges fortdauern – Bewegung wird zur Aneinanderreihung von Unbewegtheiten.49 Bergson zufolge setzt die Kinematographie diesen Denkfehler fort: Auf dem Filmstreifen wird der wahre Fluss der Bewegung, sprich das zeitliche Nacheinan- der, getrennt durch starre Schnitte, zum räumlichen Neben- bzw. Untereinander der Bilder.50 Streng genommen müsste die Kritik Bergsons, die er unter dem Begriff des ›kinematographischen Mechanismus des Denkens‹51 festigt, viel eher den chro- nophotographischen Analysen des 19. Jahrhunderts gelten. Die Chronophotogra- phie reiht nämlich tatsächliche Momentbilder nebeneinander an. Sie ist quasi der Inbegriff verräumlichter Zeit und Bewegung zum Zwecke der Analyse. Das Kino dagegen blickt darüber hinaus: Entgegen der Materialität des Filmstreifens, die durchaus noch Parallelen zur chronophotographischen Reihenphotographie auf- weist, entspricht das Leinwandbild im Kino sehr wohl einer bergsonianischen Auf- fassung von ›Bewegung‹ und ›Dauer‹.52 Für Deleuze ist die Bewegung dann überhaupt schon im Filmbild selbst gegeben. Das für Bergson noch stillstehende Filmbild ›wird‹, oder besser gesagt ›ist‹ in seiner Betrach- tung immer schon Bewegungsbild.53 Wie verhält sich nun Flammarions Uto- pie im Bezug auf diese Diskussionen? Im Grunde findet sich der eben beschriebene Bruch in der Betrachtung des ›Filmbilds‹ Abbildung 3: Eadweard Muybridges auch schon in der kosmischen Utopie: Reihenphotographien Selbst Flammarion kann sich der Zeitgenos- senschaft mit Marey und Muybridge nicht vollkommen entziehen. Der Schritt von chronophotographischer Analytik, zum Leinwandbild des späteren Kinos bzw. da- rüber hinaus, ist auch (unbewusster) Teil seines Werks:

49 Henri Bergson: Schöpferische Entwicklung. Jena 1921, S. 311ff. 50 Vgl. Lorenz Engell: Bewegen beschreiben: Theorie zur Filmgeschichte. Weimar 1995, S. 40. 51 Vgl. Bergson 1921. S. 276–371. V. a.: S. 303–317. 52 Bergson wird seinen Irrtum 1939 in Denken und Schöpferisches Werden auch revidieren: »Es gibt hier [auf der Leinwand; S.H.] nur eine ununterbrochene Dynamik der Veränderung, einer Veränderung, die nie ihren Zusammenhang mit sich selbst verliert, die sich endlos aus sich selber weiter gebiert.« Henri Bergson: Denken und Schöpferisches Werden. Hamburg 1993, Fußnote 1, S. 27. Zu den Begriffen: Bewegung drückt den Wechsel in der Dauer oder im Ganzen aus. Dauer ist also Verän- derung: sie ändert sich, und zwar unaufhörlich. Vgl. Gilles Deleuze: Das Bewegungs-Bild: Kino 1. Frankfurt am Main 1989, S. 22. 53 Vgl. Deleuze 1989, S. 15. 126 Sebastian Höglinger des Bilderflusses selbst entscheiden, wie schnell oder auch langsam dieser proji dieser langsam auch oder schnell wie entscheiden, selbst Bilderflusses des graphen ist. So kann die Seele Lumen auch durch ihre Fluggeschwindigkeit entlang reproduziert also Film, bereits selbst ist Bewegung der andere Fluss völlig kosmische Der eine Qualität. aber das hat studieren, zu Vierbeiner der wegungsverhalten Be das um ablichtet, Trabrennbahn realen aktuellen, der auf Pferde Muybridge Bewegung der Fluss einem aus Beispiel diesem in Analog zur Technik der Chronophotographen wird die Momentphotographie auch aneuren eurer Augen vorbeiführen.«die Netzhaut Empfänglichkeit berechneten Langsamkeit […] successive Phänomen wie der Blitz aufnehmen Momentphotographieen und sie mit einer für »Bei dem Stadium, die das Photographie auf der Erde schon erreicht, könntet ihr vondann einem 57 56 55 54 verfasst, Ambition der meistenFällennichtmit denauch gar ten.In werden ja sie fen. Jegliche Visionen und können,Prognosen müssen sich nichtaber bewahrhei erschaf zu (mit) Zukunft mediale die sogar vielleicht vermag und hinaus darüber ihrer technischen Grenzen für den/die LeserIn sichtbar. Gleichzeitig blickt sie aber Morgen Literatur Utopische 3.1.1. Fazit –Das ›Neue‹ konnte. sein jemals sches Kino eher weit somit ist Films‹ ›kosmischen des Imagination den Fluss ein. ist Alles also Teil stetigen ›Werdens‹ und stetiger ›Veränderung‹. Die unverändert. aber bleibt Ausgangsmaterial das ausgesondert, für interessant unmittelbareseine erscheinen, werdenGegenwart Informationsflüsse die beschäftigt, Vergangenheit der Momenten mit Lumen sich Wenn hiert. die werden Bildbearbeitung digitalen der und Schnitt starr ob egal Trennungen, und (Bergson) Schnitten nach Frage die wird wegungsbildes fließendebzw.Projektion Lichtform istlediglich Leinwandbild.(kosmisches) immaterielle schwebende, frei als Film‹ ›Kosmischer Apparatur. irgendeine durch den. Hier gibt es weder Materialität, noch von außen zugeführte, wer beibehalten nicht also Film von Prä-Konzeption alternativen dieser in kann ansich keine werden und benötigt soll ziert Bergsons Kritikpunkt am Filmstreifen der kinematographischen Apparatur Apparatur kinematographischen der Filmstreifen am Kritikpunkt Bergsons Alles fließt und bewegt sich. Alles schreibt sich zu jeder Zeit an jedem Ort in Ort jedem an Zeit jeder zu sich schreibt Alles sich. bewegt und fließt Alles Be wahren bzw. Bilderflusses ununterbrochenen dieses Imagination der In Zum elektronischen Schneideverfahren vgl. Gwóźdź, S. 140. S. elektronischenZum Gwóźdź, Schneideverfahren vgl. 15f. S. ebd., u. Vgl. u. 14. 1989, Deleuze S. Vgl. 2007,Flammarion 168. S.

zu stellen. Ihre Handlung macht die eigentliche mediale Gegenwart samt samt Gegenwart mediale eigentliche die macht Handlung Ihre stellen. zu 55 dr eet (Deleuze) bewegt oder , während die Trabrennbahn Teil der unmittelbaren Realität des Photo a. kann ist der Wissenschaft dabei helfen, Fragen an ein mögliches mögliches ein an Fragen helfen, dabei Wissenschaft der a. nie. 56 überflüssig: Wie auch beim elektronischen beim auch Wie überflüssig: eingefrorenen heraus Aufnahmen bergsonianisch Momente. htgahet Wenn photographiert. 57 falsche

lediglich extra lediglich , als es irdi es als ,

Bewegung Bewegung medial medial 54 ------127 jemals technisch realisiert zu werden.58 Zu allererst dienen sie als Denkanstöße. In diesem zunächst sehr dezenten Anspruch liegt ihre Stärke. In Lumen – Histoire d’une Âme finden sich Charakteristika einer solchen mögli- chen Zukunft, die mit der allmählichen Durchsetzung digitaler Bildverfahren ihre scheinbare Realisierung erfahren: Betrachtet man die Utopie von der Perspektive zunehmender Geschwindigkeit und abnehmender Bedeutung der Materialität des Filmstreifens und Einzelbilds im gegenwärtigen Kino, so kann sie durchaus als Vorwegnahme heutiger, medialer Entwicklung gesehen werden. Vielleicht wird man im Kino der Zukunft dann wie im ›kosmischen Film‹ auch tatsächlich auf Aufnahme- und Projektionsapparate verzichten können und die Mauer der Licht- Geschwindigkeit (zumindest sinnlich) durchbrechen. Ist die Digitalisierung also tatsächlich der technische Anfang einer alten Idee, traditionelles Kino dagegen nur noch eine Art Zwischenspiel? Was passiert, wenn man die Perspektive verändert? Betrachtet man den ›kosmischen Film‹ vornehmlich als universellen Wissens- speicher, als ›Ontologie der Vergangenheit‹ bzw. ewiges Gedächtnis, so könnte man zu einem ganz anderen Schluss bezüglich der gegenwärtigen Digitalisierung kommen: In Was ist Kino? beschreibt André Bazin die ›Ontologie des Filmbilds‹, nämlich als ›Ontologie der Realität‹ selbst. Bereits bei der Photographie komme es zu einer »Übertragung des Objekts auf seine Reproduktion.«59 Mit dem Film wird das Bild der Dinge dann schließlich auch erstmals das ihrer Dauer.60 Was sich zuvor noch vor der Kamera befand, ist nun auf dem Filmstreifen gebannt. Besser kann das Prinzip ›kosmischen Films‹ eigentlich kaum beschrieben werden: Jedem Ding, jeder Tat und Handlung, sprich jeglicher Realität, wird durch die ewige Projektion im Äther ununterbrochene Dauer verliehen. Mit dem Verlust des materiellen Einzelbilds im Erstarken digitaler Bildverarbei- tung, scheint Bazins Ausspruch aber allmählich an Gültigkeit zu verlieren: Alleine die Möglichkeiten der Computersimulation in digitalen Filmen führen zu einer beträchtlichen Minimierung des Anteils ›ontologischer Realität‹ im gegenwärtigen Kino. Das digitale Filmbild ist nun Teil eines mathematischen Universums und bedarf keiner Denotate in der filmexternen Wirklichkeit.61 Im ›kosmischen Film‹ wird dagegen ausnahmslos Realität gespeichert. Gemäß Bazins Verständnis der kinematographischen Apparatur findet sich auch im utopischen Pendant immer nur das, was auch wirklich war. Natürlich arbeitet bereits der alte Film mit Tricks

58 Ein anderes Beispiel wäre Konstantin Ziolkowsky. Neben seiner Berufung als Science-Fiction-Autor gilt er auch als der reale ›Vater der Raumfahrt‹ – Er hat die Theorie der Astronautik und der Raketentech- nik auch im Feld der anerkannten Wissenschaft fertig ausgearbeitet. Vgl. Nicholls, S. 6. 59 André Bazin: Was ist Kino? Bausteine zur Theorie des Films. Schauberg 1975, S. 22. 60 Vgl. ebd., S. 23. 61 Vgl. Gwóźdź, S. 136. 128 Sebastian Höglinger jektionsverfahren, realitätsbezogener Reproduktion und Virtual Reality, Reproduktion und Virtual realitätsbezogener jektionsverfahren, … viel eher zwischen den Dispositiven, zwischen materiellen und immateriellen Pro Utopie literarischen der ähnlich Kino digitales steht Vielleicht Entwicklung. einer sensspeicherung. Wis realitätsabhängiger Ära einer Ende als eher sondern Anfang, als mehr nicht Film recht den digitalen deutlich in die Nähe Projektion und positioniert analoger wohl inhärent. stets ihmaber bleibt Realität ontologischer Quäntchen Ein Art. verschiedenster Verfremdungen und tigt haben.« Deleuze 1989, S. 15. 1989, Deleuze S. haben.« tigt Sache erscheintim sondern Verlaufniemals zu Anfang, sobald ihreihrer KräfteEntwicklung, sich gefes Weseneiner »Das Deleuze: schreibt ›Neuem‹, von Auftreten dem und Erzeugung der nach Fragen sons 65 solcher Erweiterungen. und Möglichkeiten te Beispiele wären Fortschritts-Paradigma, wünschenswer die Ablehnung einer Art sowie Geschichts-Diskurs gigen 64 63 Unterscheidung und Alexander Böhnke (Hg.): Ders. In: ›Realität‹? weniger und Mehr – Bilder digitale vs. Analoge Welt. der Ende Das Schröter: Jens S. Bilder.« i.Orig.; [Hervorheb. erzeugter gewünschten und funktionalen Weltbezug [zu], der sogar umfassender sein kann als jener fotochemisch werden, von diskursivenwohlder»deutlichen, einen eingesetzt sie Praxis,der sehr in nämlichabhängig Bildern digitalen den gesteht Er verwerfen: Digitalen zum Thesen vorgestellte einige würde Schröters Beispiel Ein sprechen. zu ›Wirklichen‹ oder ›Realen‹ vom ist, Unterfangen heikles ein natürlich es dass 62 Heute das was wahren Bewegungsbildes muss was noch nicht gibt. nicht gar sich an ›Neue‹ ominöse das es Verdacht,dass bezeichnen. zu ›Ende‹ ein oder ›Anfang‹ genauen einen ›Neue‹, präzise das ist, möglich nicht erweitern, zu schreibung fern der/die HistorikerIn gewillt ist, sein/ihr Repertoire bloßer werden.« Kausal-Geschichts zu sind Begriff im wir was dem, und sind), mehr nicht schon wir »In jedem Dispositiv muß man unterscheiden zwischen dem, was wir sind (was Ziel gar oder Ende als mal Anfang, als mal Kino digitale das erscheint Somit Die Perspektivenverschiebung das ›kosmischerückt Kino‹ wieder Flammarions Die Utopie als Methode hilft diese diese hilft Methode als Utopie Die Zumindest bleibt dem Menschen die Sicht auf das ›Neue‹ zunächst verstellt. Im Anschluss an Berg von (utopischer) Literatur ›Geschichteundeiner derVerliererInnen‹ Eingliederung Die dengänin 160. 1991,Deleuze S. werden, angemerkt zumindest hier soll Schröter Jens von Überlegungen die an Anschließend

›wird‹ stetig. –und zwar ist , längst . Bielefeld 2004, 335–354. Zitat: S. 337. S. Zitat: 2004,. Bielefeld 335–354. 62 war war und schon wieder Neues Analog/Digital – Opposition oder Analog/Digital Kontinuum? Zur Theorie undGeschichte einer 64 muss ihm/ihr notgedrungen bewusst werden, dass es dass werden, bewusst notgedrungen ihm/ihr muss H.]. Problematik ist wird , bereits im zu erkennen und erhärtet den erhärtet und erkennen zu . Alles bleibt Veränderung. Das Werden 65 Ganz im Sinne des Sinne im Ganz sein, während 63 So ------129 Blue Screen. Spuren des kinematografischen Dispositivs in Kerry ConransSky Captain and the World of Tomorrow und Derek Jarmans Blue

von Dennis Göttel

Derek Jarmans letztem Film Blue1 aus dem Jahr 1993 und Kerry Conrans Debüt Sky Captain and the World of Tomorrow2 von 2004 scheint auf den ersten Blick wenig gemein, was ihre gemeinsame Erwähnung rechtfertigen würde. Blue ist ein experimentelles Filmessay, eine politisch-elegische Trauerarbeit zu AIDS, woran Jarman selbst erkrankt war. Der Film offeriert auf der visuel- len Ebene über seine gesamte Dauer eine monochrome blaue Fläche, die an Yves Kleins Blauton (»International Klein Blue«) erinnert.3 Auf der Tonebene finden sich Musik und die Stimmen von Jarman selbst, Tilda Swinton, Nigel Terry und John Quentin. Das Erzählte kreist um Tagebucheinträge, Assoziationen zur Farbe Blau, Aufenthalte im Krankenhaus und vor allem Gedanken über die durch die AIDS-Erkrankung erfolgte Erblindung Jarmans. Sky Captain ist ein sich an der Ästhetik der Superhelden-Comics und Graphic Novels orientierender Kintopp, der ein in sepiagetönten Farben düster-utopisches New York der 1930er Jahre zeigt und eine futuristische Räuberpistole spinnt, mit überdimensionierten Robotern, am Empire State Building landenden Zeppelinen und exotischen Urviechern; angetreten wird, um die Welt vor einem wahnsinni- gen Wissenschaftler zu retten. Der Film ist überwiegend computeranimiert, unter Einsatz der Bluescreentechnik.

Ich möchte im Folgenden eine Lektüre beider Filme unter dem Gesichtspunkt der Fläche – hinsichtlich deren Ästhetik wie Technik – versuchen. Ich verstehe dabei Blue und Sky Captain als Umgangsweisen mit Flächigkeit, die an zwei Enden eines Spektrums siedeln: in der Ostentation von Fläche hier und ihrer totalen Ver- bergung bzw. Unsichtbarmachung dort. Das Vehikel, über das ich den Topos der Fläche zu besprechen gedenke, wird das kinematografische Dispositiv selbst sein. Genauer: die filmische Fläche (was auch immer genau damit gemeint sein könnte) soll reflektiert werden über die Projektionsfläche der Kinoleinwand. Zwei Momen-

1 Blue, GB 1993, R: Derek Jarman. 2 Sky Captain and the World of Tomorrow, USA 2004, R: Kerry Conran. (Im Weiteren abgekürzt: Sky Captain). 3 Tatsächlich orientierte sich Jarman an Kleins Arbeiten; das ›International Klein Blue‹ und Kleins Farbmythologie sind Ausgangspunkte von Blue. Vgl. Peter Wollen: Blue. In: New Left Review, Nr. 6, 2000, S. 120–133. 130 Dennis Göttel des kinematografischen Dispositivs. des kinematografischen eben Raum trans-filmischen (quasi) den auf Betrachtung inter-filmischen und ra- int einer von jedoch ich verschiebe Diskurs virulenten aktuell Diesen Analogität. Verhandlungeine sowie Verhältnissesund Films) des des onsform Digitalität von (d. Kinoraum te sehe ich das impliziert: darin des Verhältnisses von Film zu seiner Projektion im (02.08.2008). In: II. Park Jurassic am Main 1995, S. 249–271; Simon Rothöhler: Dinosaurier fotografieren und nicht gefressen werden. Über Wahrnehmung bei Benjamin, Kracauer und Spielberg. In: Koch Gertrud (Hg.): 5 4 gegen Erregung oder Furcht Staunen, ungläubiges sie weil wahrsten schauspielernd, Sinne im – gezeigt Bluescreen dem vor Spiel ihrem in SchaupielerInnen die der den Auf aus: demonstrativ – anbelangt Films des Paratext den zunächst was – sich stellt sondern onskraft, kupieren in ausmachten, Attraktionswert animierten den Dinosaurier der Körper die wo in beispielsweise als noch Anders aufweist. Kulisse teranimierte Film als einer, der – bis auf die der Körper SchauspielerInnen – in toto eine compu sen erst einmal nicht den dieses Schauwert beworben Blockbusterfilms; wurde der erfas habe, angerissen kurz Beginn zu ich die Motive, und Diegese Die widmen. zunächst werde Ich Dieser Umstand wird nicht kaschiert im Sinne einer Beibehaltung der Illusi der Beibehaltung einer Sinne im kaschiert nicht wird Umstand Dieser Vgl. Vgl. hierzu Miriam Hansen: Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden: Kino als der Ort Gewalt- ParkJurassic Sky Captain Sky Abbildung 1: DVD-Bonusmaterial Sky Captain Sky 1:DVD-Bonusmaterial Abbildung h. also zu einer spezifischen topischen und chronischen Präsentati chronischen und topischen spezifischen einer zu also h. , USA 1993,Steven Spielberg., USA R: Nach dem Film, Nr. 8: Fotokino Nr.8: Film, dem Nach Blue die digitalen Kreationen den filmischen Raum in Gänze. Kreationen den diefilmischen digitalen ausklammern und mich einer Lektüre Lektüre einer mich und ausklammern DVD beigefügten Making-of-Sequenzen werden Making-of-Sequenzen beigefügten , 2005. www.nachdemfilm.de/reviews/jurassicii.html 2005. , Auge und Auge Affekt Jurassic Park Jurassic k Captains Sky . Frankfurt 5 ok 4 ------,

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über Erscheinungen spielen, welche nicht präsent sind. Sie spielen vor und mit einer blauen Leinwand. Der Bluescreen ist die technische Voraussetzung für die nachträgliche Einfügung der am Computer animierten Dingwelt. Jener bildet die Fläche aus, die das Erscheinen der digitalen Erscheinungen bedingt. Es ist deswegen von Nöten, am filmischen Paratext anzusetzen, um den Schau- wert des Films zu beschreiben und zu veranschaulichen, weil der Bluescreen selbst im Film nicht sichtbar wird – nicht sichtbar werden darf. Und dies nicht allein aufgrund des darauf folgenden Abbrechens der illusionären Dimension des Films, sondern da das Verschwinden des Bluescreen die Möglichkeitsbedingung für das filmische Erscheinen der computeranimierten Erscheinungen ist. Hieraus sind zwei Topoi zu folgern: einerseits – und nahe liegend – die des Verhältnisses von animierten filmischen Erscheinungen und analog ›hergestell- ten‹, andererseits die strukturelle Analogie zwischen Bluescreen und Kinemato- grafie, genauer: zur Kinoleinwand. Zu letzterem kann festgehalten werden, dass es nicht nur die Begrifflichkeit selbst ist, die zum Vergleich einlädt; vielmehr weist der Bluescreen eben die Charakteristika auf, die die Leinwand im Kinoraum aus- zeichnen: bezeichnet werden kann diese als schwacher oder latenter Bildträger, insofern die projizierten filmischen Einzelbilder nicht an ihr haften; als Medium im etymologischen Wortsinne von ›Mittler‹ zwischen Projektor und ZuschauerIn- nenwahrnehmung; als Körper, der sich dem Film ausleiht; als Topos ohne fassbare Räumlichkeit; als ephemeres Objekt, das in der Funktion als Projektionsfläche, in dem Moment, wo es seiner Funktion zugeführt wird, selbst verschwindet und verschwinden muss; als durch den Film (und noch vor der Projektion durch den obligatorischen Vorhang) verdeckte; und schließlich als reine Fläche und nicht als Oberfläche, da die Leinwand nichts hinter sich verborgen hält, nichts ›abschirmt‹ wie es eigentlich im Englischen – mit screen – oder im Französischen – mit écran – die etymologische Fährte nahe legen würde.6 Stiftet man einen Zusammenhang zwischen Bluescreen und Kinoleinwand – ein Zusammenhang, den ich in Ermangelung eines besseren Begriffs ›technisch‹ nennen möchte – dann eröffnet sich eine Lektüre des Übergangs von analogem zu digitalem Film (bei Sky Captain indes unter Vorbehalt, insofern der Film letztlich auf das 35 mm-Analog-Format zurückgreift) via des Kinos. Welchen Sinn hat eine solche Verschiebung auf den Schauplatz des Kinos? Sie begriffe den Wechsel von Analogem zu Digitalem nicht als medientechnische Fortschritts- und Optimie- rungsgeschichte, aber ebenso wenig als reinen Verlust im Sinne einer Auffassung von Film als Aufnahme des Dingweltlichen, als – um mit dem berühmten Wort Siegfried Kracauers zu sprechen – »Errettung äußerer Wirklichkeit« oder »redemp- tion of physical reality«.7 Ohne die grundlegenden technologischen Differenzen

6 Vgl. Stanley Cavell: Nach der Philosophie. Berlin 2001, hier: S. 130. 7 Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Frankfurt am Main 1985; amerikanische Originalausgabe: Theory of Film. The Redemption of Physical Reality. Oxford 1960. 132 Dennis Göttel gelegte, Spurengelegte, des analogen Films und der darstellen.Kinematografie Zum einen zwei Motive bzw. Sequenzen aus zunächst ich möchte erläutere, Kinos des und Films analogen des Aufhebung die nachgeht. Dispositivs kinematografischen des wie Films analogen des Sinne) Hegelschen dialektischen, (im Aufhebung der die vorschlagen, Filmgeschichte von Lektüre eine noleinwand Ki und Bluescreen von Assoziation der mit und Kinematografie die auf Rekurs dem mit ich möchte auszustreichen, Bilderzeugungen und Materialien mischen fil jeweiligen der Dimension geschichtsphilosophische und ästhetische folgende nivellierendaraus eine wollengleichfalls ohne und analog zu und digital zwischen ren Erscheinen nicht mehr brauchbar. de für doch sie ist einbüßt, Relevanz ihre Animationen digitalen der Usurpation auf komödiantische markiert Weise die die der Dysfunktionalität mit Kamera, der und Dingwelt der Erscheinungen der Ausbleiben ein auf verweist – zeigt Fläche schwarz eine demnach Foto letzte das – abzunehmen Linse der Schutzkappe die vergisst, dabei aber abdrückt, sie Dass Law. Jude analogen den für Foto letzten ihrem bei sich sie entscheidet hervorstreicht, und bemisst Kreierten digital des machen, Fotoapparats derdurch Film also des Motiv analogen das den Schauwert zu Objekt ihrem zu diese um streift, Landschaften digitalen die durch Polly Wo takel, die sich Polly bieten, schwer fällt. rat – mit der Auswahl ihrer Motive kleinlich haushalten – was angesichts der Spek gen Fotofilm im d. Pettohat, einzi einen lediglich Law) (Jude Captain Sky mit Abenteuer gemeinsamen ihrem PollyReporterin Perkins der bei sich Running-Gag des trägt; Films sie dass ist, auf rasende als Paltrow Gwyneth den Fotoapparats, analogen des Motiv das dies ist Bevor ich im Weiteren den Begriff der Spur als eine Methodik der Lektüre für Lektüre der Methodik eine als Spur der Begriff Weiterenden im ich Bevor Abbildung 2: Polly 2: Abbildung in Captain und Sky h., sie muss – im Gegensatz zum digitalen Fotoappah., sie digitalen zum muss – im Gegensatz Sky Sky Captain Sky Captain Sky herausgreifen, die intentionale, also ------133

Eine andere Szene labt sich an der Mythografie des Kinos. Gezeigt wird der Gang Pollys in die New Yorker ›Radio City Music Hall‹. Nicht nur das Interieur des Ent- rees, der Flure und des Kinoraums sind animiert, auch das Publikum selbst.

Abbildung 3: Polly und Wissenschaftler im Kino; Sky Captain

Die Körper der SchauspielerInnen gleichen Schattenbildern vor der Leinwand im Kino. Dass dort The Wizard of Oz8 gezeigt wird, ist nicht nur eine Reminiszenz an eine Glanzzeit des Kinos; vielmehr spiegelt sich in dem Film von 1939 das Mo- ment der technischen Innovation von Sky Captain: hier die digitale Animation, dort einer der ersten Einsätze von Technicolor – »Toto, I think, we’re not in Kansas anymore.«

Auf beide beschriebene Weisen wird bei Sky Captain auf diegetischer oder mo- tivischer Ebene eine Kultur- und Technikgeschichte des Kinos wie des Films ein- geholt. Jedoch erkenne ich darin nicht allein ein postmodernes Surplus, sondern intendierte Spuren der Kinematografie, die motivisch etwas nach außen kehren und ästhetisch erfahrbar machen, wo die filmtechnische Neuerung als solche in diesem Film nicht sichtbar werden kann: der Bluescreen und das an ihn gebunde- ne Erscheinen der animierten Erscheinungen. Mit dem Bluescreen wiederholt sich die Kinematografie und wird damit in den Film selbst verschoben. Ich resümiere daher eine doppelte Spur: die der gezielten Zitation der Kinematografie und des analogen Films wie die ihr vorhergehende und sie letztlich bedingende der Wieder- holung und Verschiebung der Kinematografie – und hierbei insbesondere der Pro- jektionsfläche – als selbst unsichtbare der technischen Apparatur des Bluescreen.

Ich möchte nun die Fragen nach der Spur und ihrer ästhetischen Handhabung über zwei medientheoretische Ansätze kurz reflektieren: mit Sybille Krämers Das

8 The Wizard of Oz, USA 1939, R: Victor Fleming. 134 Dennis Göttel deutung vondeutung Medien gewöhnlich bleibt.« verborgen Be die warum Blick, den in rückt werden;so gedacht Abwesenden eines Spur der ein. ursprünglich »Die sinnprägende Rolle von Medien muß also nach dem Modell sich prägt Medium Das herauszulösen. – Form einer aus wie – nicht diesem aus des Mediums in dem von ihm Vermittelten. Präsenz ist Das, was Medium das übermittelt, absente als sich versteht – gedacht nicht-intentionale als wohlgemerkt – Spur der von Rede Die Apparat. als anderen zum Spur, als Medium das einen zum Definitionen: zwei sind, fassen zu erkenntnistheoretisch Medien wie lung, Medientheorie ›negative‹ eine in Einleitung keit. Apparat als und Spur als Medium Sybille Krämer (Hg.):Sybille 12 11 10 Wirklichkeitsvorstellungen Medien undneue 9 kann. darstellen selbst sich in selbst sich Medium kein dass Sinne, dem in dien, Aus dieser Unsichtbarkeit entsteht die Problematik der Undarstellbarkeit von Me konstitutionelle Unsichtbarkeit.« eine Mediums, des Gesichtswinkel dem unter eignet, Ihr vorausliegt. ihnen Funktionen sondern dieser kann, sein Element wieder selbst nicht austrägt, allererst diese die spezi Materialität, die fische insofern auf, Funktionen seiner Immaterialität der in allein […] geht Medium »Kein FrageDie nach von der Materialität Medien treibt auch Mersch Dieter um. liegt. Grunde zu ihnen vielleichtoder sogar unterläuft Signifikanzen sie insofern ist, gekennzeichnet Uneinholbarkeit einer die erkenntnistheoretisch vonMaterialität, Einer ge nach hergeleitet. Materialität ihrer Kontrolle ist.« und auch gar nicht unterworfen intendiert keineswegs Zeichenbenutzern den von der Bedeutung, an ›Mehr wert‹ diesen für Sinn, an ›Überschuß‹ diesen für abgibt Grundlage die welche Mediums, des Materialität die ist »[E]s denkt: materiell Spur die bereits Krämer dass aufmerken, lässt so sein, zu Materialität der Moment das Blick ersten den die –imUnterschied organon–»künstliche Welten« zum hervorbringen. und auftreten, Apparat als die Medien,Wesen technischer zum hin Medium dem falls eine Opposition zum Werkzeug als Technik; Krämer verschiebt die Frage nach Vielmehr fokussiert das Medium als Apparat die Dimension der technē und gleich gestellt. oppositional nicht aber nebeneinander, quasi Krämer vonwerden tionen Neben der Erfassung des Mediums als Spur steht die als Apparat. Beide Konzep Sowohl das Medium als Apparat als auch als Spur sind irreduzibel von der Frader von irreduzibel sind Spur als auch als Apparat als Medium das Sowohl auf Apparat als und Spur als Medium dem zwischen Unterschied der Scheint Sybille Krämer: Das Medium als Spur und als Apparat. In: Dies. (Hg.): Dies. In: Apparat. als und Spur als Medium Das Krämer: Sybille Dieter Mersch: Medialität und Undarstellbarkeit. Einleitung in eine ›negative‹ Medientheorie. In: Medientheorie. ›negative‹ eine in Einleitung Undarstellbarkeit. und Medialität Mersch: Dieter Krämer 79. 1998, S. Krämer85. 1998,Vgl. S. Performativität undMedialität 12 und Dieter Merschs Dieter und . Frankfurt am Main 1998, S. 73–94, hier: S. 81. S. hier: 73–94, amMain 1998, S. . Frankfurt . München 2004, S. 75–96, hier: S. 78. S. 75–96,hier: . München 2004, S. . Krämer wählt für die Problemstel die für wählt Krämer . 11 9 Medialität und Undarstellbar und Medialität Medien, Computer, Realität: Realität: Computer, Medien, 10 ------135

Ähnlich wie bei Krämer ist es indes ein nicht-intentionales Sich-Ereignen, was Me- dien doch sichtbar werden lässt; bezogen auf den projizierten Film auf die Kino- leinwand wäre dies beispielsweise das Reißen des Films im Projektor, das Ausfallen des Projektorlichts, das unbeabsichtigte Schließen des Vorhangs vor der Leinwand oder der Riss in der Leinwand. Hierin blitzte das mediale Dispositiv der Kinema- tografie auf – in der Dysfunktionalität, in der Störung, in der Negierung der Medi- alität. Diese ›Unfälle‹, durch die Medien – epistemologisch gesprochen – sichtbar werden, stehen im Kontrast zu deren Charakteristika, wie sie Mersch entfaltet:

»Medien verweigern ihre Sicht, ihre Kenntlichkeit; sie halten sich buchstäblich in der Mitte; sie bilden den Platzhalter einer Übertragung, eines Transfers, der freilich als Platzhalter, sofern er Übergänge stiftet oder Vermittlungen zulässt, zurücktritt. Medien kommt damit die Eigenart zu, im Erscheinen zu verschwinden: Was sich in der Mitte hält, ist nicht selber von Belang, sondern einzig das, was es jeweils bewirkt oder verkörpert.«13

Und weiter: »Ihr [d. s. die Medien; D. G.] Faszinosum ist ihr Enigma, ihre Verbergung.«14 Aus diesen beiden Zitaten dürfte ersichtlich werden, weshalb ich auf Merschs negative Medientheorie zurückgreife: nicht allein, um die kinemato- grafische Apparatur medienphilosophisch zu flankieren und aufzuwerten – hierbei wäre überhaupt angesagt, den Blick auf das Kino nicht medientheoretisch zu ver- engen –, sondern auch, weil Mersch eine Rhetorik wählt, die ich als kinematogra- fizitäre zu lesen in der Lage bin. Ein entscheidender Aspekt der Überlegungen Merschs – und hierin sieht sich Krämers Idee der nicht-intentionalen Spur erweitert – ist der Fluchtpunkt der Kunst. Auf dem anderen Schauplatz der Kunst – so Mersch – vermag die Medi- alität des Mediums, das Wechselspiel von Unsichtbarkeit und sich ereignender, plötzlicher Sichtbarkeit gerade zur Darstellung kommen – nicht mehr aus erkennt- nistheoretischer Warte, sondern ästhetischer Erfahrung heraus.15

Hinsichtlich meiner Lektüre zu Sky Captain erkenne ich die Möglichkeit einer Apperzeption und einer Verschaltung der Ansätze von Krämer und Mersch: In je- nem Film lässt sich zum einen der kinematografische Apparat unter besonderer Berücksichtigung des Mediums der Leinwand selbst als Spur lesen: als technisch- materielle und darin unbeabsichtigte Spur in der Technik des Bluescreen. Auf in- haltlicher und motivischer Ebene von Sky Captain sieht sich diese Spur als inten- dierte aufgenommen, in der Involvierung des Kinoraums, der Filmprojektion und des Verhältnisses von analog und digital.

13 Mersch, S. 80. 14 Mersch, S. 81. 15 Vgl. Mersch, S. 93ff. 136 Dennis Göttel Das Kino findet am Ort, am Schauplatz des Films statt. Oder in Anlehnung an Anlehnung DasMersch findet Kino so sichausgedrückt: in in den – Film meta übertragen phora Oder statt. Films des Schauplatz am Ort, am findet Kino Das als gewissermaßen Film- sedimentierte und Kinogeschichte in Filme eingegangen. dieses ist behauptet, Kinos des Undarstellbarkeit und Uneinholbarkeit oretische aus der Filmanalyse zu unterlaufen.Kinoerfahrung Da Nessel eine erkenntnisthe der Ausgrenzung theoretische tendenzielle die bzw. Film und Kino von Struktur den desBegriff Postkinematografischen die in der Filmtheorie tradierte dichotome stehen. auch Überlegungen vorgestellten hier die Einfluss Massons Lætitia von Lektüre ihrer in Spur der Begriffs gemachten fruchtbar theoretisch 20 19 18 und Medium.In: von Kino 17 16 d. – Films des Projektion der mit ›Einfärbung‹ die Blue Blue« universal the with you present image/I of pandemonium the »In – aussperrt Erscheinungen von Erscheinen ein das Films, des Blau anhaltende das über Doch Dispositiv. kinematografische das konkreteüber im Kinoraum selbst; Aktionen Cinema Expanded Performancesdes künstlerischen den in wie unmittelbar nicht tradition«. cinematic image-laden exhausted, des filmischenBildes statt. Peter WollenNegation charakterisiert explizite eine findet – Weibel Peter oder Export Valie Paik, June Nam gien der filmischen Avantgarden der 1960er Jahre –wie desExpandedCinema von mans in und diegetisch-motivischen Spuren, so scheint mir die Ausstellung von Flächigkeit bei mich ich zentrierte Kon Leinwand. der Fläche die Kino das auf Rekurs im fokussiereich interessiert, und von Lektüre verpflichteten Kinematografizität einer der in mich Da findet. wieder überhaupt terStruktur die Dimension der kinematografischen ich ihm derKinematografizitätden Begriff zurSeite stellen, da sich darin dezidier möchte Postfotografie) etwa wie (ähnlich führt sich mit »nach-dem-Kino« sches Wortsinne. im Blue i Flwseshflrn aie esl rnt ne Enrc ds medien des Eindruck unter bringt Nessel Sabine Filmwissenschaftlerin Die Woin Love Me Love In: Wollen, 126f. S. Terminus zum Vgl. Vgl. Sabine Nessel: Future Cinema oder durch das Kino hindurchgegangen. Versuch zum Verhältnis Blue über zu einer ästhetischen Wahrnehmbarkeit der Kinoleinwand selbst; durch Blue Blue ein Moment ins Spiel zu bringen, das jene Aspekte transzendiert. jene Aspekte das Moment ein bringen, insSpiel zu Love Me Love Sky Captain Sky der Topos der Fläche in technischen seiner Dimension ästhetischen wie , GB1993. phänomenal erfasst: In Analogie beispielsweise zu ästhetischen Strate , F 2000, R: Lætitia Masson. Lætitia , F2000,R: 18 Da der Begriff der Postkinematografie auch ein medienhistori ein auch Postkinematografie der Begriff der Da 16 meta-phora das Konzept der Postkinematografie ins Spiel, unter dessen dessen unter Spiel, ins Postkinematografie der Konzept das Frauen undFilm der Topos der Fläche herzuleiten war, sieht er sich in Jar in sich er sieht war, herzuleiten Fläche Toposder der Sky Captain Sky : Mersch, S. 89. : Mersch, S. , Nr. 64,43–55. 2004, S. 20 auf einen Zusammenhang von technischen von Zusammenhang einen auf – gleitet die demonstrative Flächigkeit von demonstrativeFlächigkeit die gleitet – 19 Blue Die Negation eröffnet sich jedoch jedoch sich eröffnet Negation Die h., eben nicht mit dem Ausblei dem mit nicht eben h., expandiert nicht tatsächlich in expandiert Blue 17 Nessel versucht über über versucht Nessel als »a rejection of the Sky Captain Sky ------

137 ben oder dem Abbrechen der Projektion – erscheint die Fläche der Leinwand. Sie wird ästhetisch wahrnehmbar und erfahrbar, obgleich sie – ihrem Wesen als Pro- jektionsfläche treu bleibend – nicht in ihrer eigenen Materialität aufleuchtet. Im Falle von Jarmans Blue Movie erscheint die Kinoleinwand tatsächlich in ihrem Verschwinden. «Blue protects white from innocence/Blue drags black with it/Blue is darkness made visible.«21

Abbildung 4: Blue

Zum einen kann mit Jarmans Blue die Ablösung der Filmkamera in der Bilderzeu- gung auch anhand eines analogen Films, der ohne digitale Animationen hantiert, weiterverfolgt werden. So ist das monochrome Blau des Filmbildes kein abgefilm- tes, sondern generiert durch konventionelle Videotechnik.22 Zum anderen erwirkt der Film über eine Assoziation des blue – das im Engli- schen nicht nur blau, sondern u. a. auch traurig bedeutet – die Aufdeckung einer Melancholie dem Kino gegenüber. Das Kino, dessen Tod immer wieder ausgerufen worden ist, existiert als Untotes weiter; sein Mythos lebt bei gleichzeitiger Mar- ginalisierung im Medienensemble fort. Die blaue Leinwand in Blue als traurige Leinwand zu konnotieren und darin als Inversion der Kinematografie in Filme – der klassische Mechanismus der Melancholie, bei der ein tatsächlicher oder imagi- nierter Verlust nicht der Trauerarbeit anheim fällt, sondern inkorporiert virulent bleibt23 – diese Figur der Melancholie lässt sich dann auch bei Sky Captain ausma- chen. Diese letzten Überlegungen überschreiten Grenzziehungen einer medien-

21 In: Blue, GB 1993. 22 Vgl. Wollen, S. 123ff. Wollen erwähnt ein früheres Kinoprojekt Jarmans, eine Art Vorarbeit zuBlue , in der ein Gemälde Yves Kleins abgefilmt ist; dort also greift Jarman noch einmal auf herkömmliche, analoge Filmbildgenerierung zurück. 23 Vgl. Sigmund Freud: Trauer und Melancholie. In: Ders., Studienausgabe, Bd. 3: Psychologie des Unbe- wußten. Frankfurt am Main 1975, S. 193–212. 138 Dennis Göttel ßen Leinwand im Kino, der Leinwand vor der Leinwand des Films. der Projektion imKino, ßen Leinwand filmischedas Erscheinen vonErscheinungen. erassoziiert Hierin sich mit der wei prolongiert Film der Repräsentationskritik: und rasa tabula zwischen (Film-)Bild von Deutungshorizonten Monochromie:Differenzetablierten zwei zwischen bildet. Erscheinungen von Erscheinens eines lichkeitsfläche Mög die der Bluescreen, den an auch aber steht, eines Standby auf der Licht Videobeamers, blaue das an erinnert Blau Sein Bilder. filmischer Projektion tender anhal bei – Bilder filmischer Projektion der Ende ein symbolisiert verlorenhatte, Folge seiner in er als gedreht, Regisseur theoretischen Perspektive im Sinne von Kinematografizität. Screenshots aus DVDs: aus Screenshots Abbildungen von Spuren ›alter‹ erzählt. Dispositive die medientechnischen im ›Fortschritt‹ Rekurs auf und in Re-Vision pektivierung, Pers kinogeschichtliche und film- eine Kinematografizität oder kinematografie Medienphilosophie und Filmanalyse. werdenErwirkt kann mit wieBegriffen Post von Zusammenspiel das durch bedingt ich sehe Schauan setzen, Beziehung diversen in ordnungen dessen mit Films des Innovationen technische und lerische die Fläche über verknüpfen. Stelleder Kinoleinwand an dieser speziell (»A of sense reality drowned in theatre«, heißt es in – ob direkt oder indirekt – Übergänge markieren vom analogen zum digitalen Film schen Dispositivs am Schauplatz des Films unternehmen lassen wie sie auch selbst pondierende Filme zu lesen, die beide sowohl eine Verhandlung des kinematografi Ichversucht, habe de (02.08.2008). Beide setzen sich vor allem mit den Arbeiten Kasimir Malewitschs auseinander. Malewitschs sich vor Kasimir den Arbeiten allem mit setzen de (02.08.2008).Beide Polizei-Kunst und die Krise der Repräsentation. In: Badiou: 26 Systemfehler. 25 des Filmanalysiert. Mediums Thematikvia 2008. Dort werden insbesondere an den Filmen Todd Haynes’ allegorische Darstellungsweisen der AIDS- (Hg.): Nessel Sabine Kern, Doris In: Kinos. des Intimität öffentliche die und Melancholie AIDS, Rooms. Dark 24 dien GmbH,2000) und 2005) Entertainment, ParamountHome Die Möglichkeiten, die sich aus einer solchen Methode ergeben, welche künst welche ergeben, Methode solchen einer aus sich die Möglichkeiten, Die z. vgl. vonMonochromieKunst der in Aspekt politischen zum Überlegungen aktuellen Zu bzw. Programm- schweren einen interessanterweise Screen Blue bezeichnet Computerjargon Im Zum Zusammenhang von Kino, AIDS undTedjasukmana: Melancholie Queer LifeChristian vgl. in Unerhörte Unerhörte Erfahrung. Texte zum Kino Das Jahrhundert Das Sky Captain Sky . Zürich, Berlin 2006; und im Anschluss daran Hito Steyerl: Im Reich der Sinne. derReich Im Steyerl:Hito daran Anschluss im und 2006; Berlin Zürich, . Sky Captain and the World of TomorrowofWorld the and Captain Sky und (Festschrift für Heide Schlüpmann). Basel, Frankfurt am Main Blue eipcp AIDS als zwei motivisch miteinanderkorres motivisch zwei als , 2007. www.eipcp.net/transversal/1007/steyerl/ Blue -Erkrankung bereits das Augenlicht das bereits -Erkrankung (74 Min., Salzgeber & Co. Me Co. & Salzgeber Min., (74 Blue ). Beide ). TopoiBeide ließen sich 24 25 Jarmans

Blue setzt so eine so setzt (102 Min., Min., (102 Blue B. Alain , vom 26 als ------139 Wie neu ist das Videobild? Reflexivität und Unschärfe

von Adina Lauenburger

Was nun aber die Verdünnung und Verdichtung betrifft, so wird jeder, der auf seine Gedanken achtet und nichts zugestehen will außer dem, das er klar erfaßt, nicht behaupten, daß in den sich verdünnenden oder verdichtenden Körpern irgend etwas an- deres vonstatten gehe als eine Veränderung der Gestalt. Es sind nämlich diejenigen Kör- per dünn, zwischen deren Teilen sich viele mit anderen Körpern angefüllte Zwischen- räume finden, und sie verdichten sich nur dadurch, daß ihre Bestandteile, indem sie sich wechselseitig annähern, diese Zwischenräume vermindern oder ganz wegnehmen.1

Die Beschäftigung mit dem Videobild ist über vielerlei Zugänge möglich. Am An- fang steht fast immer seine Unterscheidung vom Filmbild in Technik, Verwendung und Materialität. So lässt sich das photochemische gegen das elektromagnetische Verfahren, Spielfilm gegen Dokumentarfilm – oder eben das tiefenscharfe gegen das flache, grobkörnige, verwackelte, also tendenziell unscharfe Bild abgrenzen. Video lässt sich mühelos als ein vollwertiges Dispositiv beschreiben, das ebenso einen eigenen soziokulturellen Hintergrund – nämlich den des Heimkinos – wie einen direkten Anschluss an künstlerische Praktiken der 1960er Jahre vorzuwei- sen hat. Zugleich trägt eine eigene Kunstgattung – bekannt als Videokunst – sei- nen Namen. Nicht zuletzt verdankt auch die Fernsehwissenschaft dieser Unter- scheidung einen wesentlichen Forschungsgegenstand. Eine solche Handhabung des Videobildes stellt jedoch die Filmgeschichtsschreibung vor keinerlei Probleme. Als Subkategorie des Films lässt es sich gleichermaßen einverleiben wie loswerden. Parallel halten sich hartnäckige Versuche der Verklärung und der Dämonisierung. Mit Emphase beschwört man das ›Reale‹, das ›Echte‹, das ›Authentische‹ oder das Ende des Kinos. Schaut man sich jedoch Autorenfilme in den 1970er und 80er Jah- ren an, fällt auf, dass es ganz unterschiedliche Versuche gab, Film- und Videobild miteinander in eine Spielfilmhandlung zu überführen und dabei den fiktionalen Status des Filmbildes und den ›authentischen‹ Charakter des Videobildes mindes- tens in Frage zu stellen. Trotzdem scheint es schwierig zu sein, das Phänomen Video – das zudem inzwischen das Digitale zum Synonym hat, aber aus meiner Perspektive absolut nicht das Gleiche darstellt – filmgeschichtlich und theoretisch zugleich zu fassen. Der Streit darüber, ob sich das Kino seither grundlegend ver- ändert hat, hält an und bekommt im Gegenteil durch die zunehmende digitale

1 René Descartes: Über die Prinzipien der materiellen Dinge. In: Jörg Dünne; Stephan Günzel (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main 2006, S. 45. 140 Adina Lauenburger Methoden der Filmgeschichtsschreibung ergänzen. Die Ausgangsfrage des vorlie des Ausgangsfrage Die ergänzen. Filmgeschichtsschreibung der Methoden tradierten die so könnten haben, Gegenstand zum Medien beider Ausdruckseite der Gemeinsame das die Betrachtungen, Theoretische sind. herauszuarbeiten ge Bezü technikhistorische als mehr Video und Film zwischen dem wie numbruch Medie einem mit Auseinandersetzung der in dass zeigen, zu um Ausgangspunkt, zum hier sie mache Ich heute. bis dies und werden, reproduziert Films des mittel Ausdrucks die auf Bezug in ähnlich so oder so die Debatten, Film, im Tons des Anfang. Leidenschaftliche Debatten entbrannten um den Status und das Potential ihren Jahre 1920er der Mitte der in Tonfilms des Einführung der mit spätestens nahm Umbrüche der Filmgeschichte eine allem vor sondern schichtsschreibung, Filmge die nur Nicht Nahrung. neue täglich Filmbildern von Nachbearbeitung Texte. –Rundfunk –Film Photographie 4 3 2 cher auf den Leib [ge]rückt«, eindringli »viel so jedenfalls Figuren, agierenden die dort ihm erscheinen haftig‹ ›Leib haltbar. nicht Arnheims Sicht der aus Ästhetik orientierte Flächenbild am »VerringerungTiefe« die der und Fläche« als erste wesentliche Möglichkeiten des Filmbildes sodass die »Projektion in von die Körpern spielt, Rolle untergeordnete eine nur Raumes filmischen des Einheit die der bei Montage, die gilt bezieht, hierbei Arnheim sich die auf Jahre, späten flache und Handlung ›realen‹ einer Ansichtskarte.« Schauplatz »zugleich stets aber dabei sei, entkleidet« glücklichste aufs Naturhaftigkeit »seiner zwar das Bildes, de klarierten gerahmt als des Gestaltung künstlerischen der Möglichkeiten die auf dabei er legt Hauptaugenmerk Ein Naturtreue. fehlenden seiner zugunsten Filmbildes Vermögen ästhetische des räumlicherdas Verhältnisse gabe über entscheidet und Wieder filmischen der mit Wahrnehmung reale die vergleicht Er keitssehbildes. Wirklich des denen mit Films des Eigenschaften die konfrontiert Arnheim den. wer verstanden Abbildungsverfahren mechanische als nicht wo Film und Fotografie dort wieder, grundlegend ganz zunächst sich findet Position Filmton Arnheims den dar. um Debatte die anderem unter stellt Films des Kunstmitteln und Materialbedingungen den zu Schrift umfassenden dieser Ausgangspunkt waren. Kunst als Film sivsten Auseinandersetzungen mit diesem Themaseine Abhandlung mit demTitel inten den zu Arnheim, Rudolf Tonfilmzählte dem gegenüber Skeptikern den Zu und Fläche entgrenzterI. Begrenzte Rand Wasche Film?,sondern: war amFilmbild immer schon Video? genden Textes heißt deshalb nicht: Was Video als kann besser das der herkömmli Rudolf Arnheim: Der tönende Film. (1928) In: Ders.: In: (1928) Film. tönende Der Arnheim: Rudolf S. 71ff. 50ffund S. Ebd., Arnheim: Film als Kunst als Film von 1932, der bereits verschiedene Artikel ab 1928 vorausgegangen 1928 ab Artikel verschiedene bereits der 1932, von 2 Als vorherrschendes künstlerisches Konzept des Stummfilms der . Frankfurt am Main 1932, S. 39. S. amMain 1932, . Frankfurt 4 dass sie ihm den Vergleich mit der Guckkastenbühne . Frankfurt am Main 2004, S. 68. amMain 2004, S. . Frankfurt 3 angeführt werden. Im Tonfilm diese Im werden. ist angeführt Die Seele in der Silberschicht. Medientheoretische Silberschicht. der in Seele Die ------141 des Theaters aufzwingen. So nimmt Arnheim anfangs nur einen »schief erzählten Vorgang« wahr, bei dem »durch den Ton […] die Handlung dominierend gewor- den« ist.5 Die kunstvolle Montage von Bild und Ton ist zu diesem Zeitpunkt nur vage vorstellbar und gerade der Umschnitt auf ein Detail jenseits der Klangquelle wird als Störung empfunden, obwohl gleichzeitig das »blitzartige Jonglieren«6 mit disparaten Raumausschnitten den Zuschauer vor keinerlei Probleme stellt. Das Ringen um ein adäquates Instrumentarium zur Bildbeschreibung wird durch den Tonfilm jedoch nicht unterwandert, sondern im Gegenteil erst angeregt. Und so erscheint das Flächenbild nicht als Produkt, sondern zugleich als Funktion und als Repräsentant der Diskussion. Beschränkt sich Arnheim auch stellenweise darauf, bildwissenschaftliche Definitionen als filmwissenschaftliche Begriffe auszugeben, etwa wenn der Bildrahmen zur Bestimmung der ornamentalen Qualitäten des Bil- des herangezogen wird,7 weiß er doch zu differenzieren:

»Wenn aus der Geige des gefilmten Virtuosen wirkliche Töne dringen, wird das optische Bild plötz- lich plastisch und dinglich. […] Und sogleich ist auch der Bildrand kein Rahmen mehr, sondern die Begrenzung eines Lochs, eines Theaterraums: – der Ton macht die Filmleinwand zur räumlichen Bühne! Nun liegt aber ein Haupt- und Sonderreiz des Films darin, daß eine Filmszene immer ein Wettstreit: Bildaufteilung und Bewegung in der Fläche contra plastischer Körper und Bewegung im Raum ist. Der Tonfilm hebt dies ästhetisch wichtige Doppelspiel fast restlos auf.«8 Die Gegenüberstellung von Optik und ›Plastik‹ sowie von Bildrand und Bühne lässt erkennen, dass die Differenz zwischen Malerei und Theater als Unterschei- dungskriterium geltend gemacht wird, um den Film auf die Seite der bildenden statt darstellenden Künste schlagen zu können. Der Aspekt der Bewegung schreibt sich bei Arnheim ein in die Aufteilung der Bildoberfläche. Die sich bewegenden Bilder und die Bewegung der Körper im Bild generieren Strukturen, die von dem an der Malerei geschulten Auge als ästhetisch wahrgenommen werden. Warum ist das für Arnheim so wichtig, obwohl etwa Béla Balázs zeitgleich eine völlig andere Lesart anhand der ›Einstellung‹ vorschlägt:

5 Ebd., S. 68f. 6 Ebd. 7 Vgl. Arnheim 1932, S. 84f: »Und außerdem ist der Bildrahmen die unentbehrliche Voraussetzung für die dekorativen Qualitäten des Bildes: von Raumfüllung, Flächenaufteilung usw. kann man nur spre- chen, wenn eine feste Begrenzung da ist, die die Koordinaten für den Aufbau des ›Bildmusters‹ liefert. Aus zwei Wagerechten und zwei Senkrechten ist der Bildrahmen zusammengesetzt. Alle Wagerechten und Senkrechten, die sich im Bild ergeben, werden daher durch diese Koordinaten gestützt. Alle Schräg- heiten im Bild wirken nur deshalb schräg, weil die Bildränder gerade, nämlich vertikal oder horizontal sind; denn alle Abweichung braucht ein sichtbares Bezugssystem, das anzeigt, wovon abgewichen wird. In einem guten Filmbild stehen alle Linien und sonstigen Richtungen in einem gut ausbalanzierten Ver- hältnis zueinander oder zum Bildrahmen.« 8 Arnheim 1928, S. 68. 142 Adina Lauenburger Kategorien der ästhetischen Erfahrung: Erfahrung: der ästhetischen Kategorien Linie erster in Arnheim bei Bildrahmen und Flächenbild sind so Intellegiblen, des Kategorie eine Balázs bei Einstellung die Ist durchdrungen. gedanklich und suell vi Affizierung leiblichen einer Richtung in Zeitpunkt jedem zu sondern koppelt, abge Bewegungsbild vom nicht syntaktisch hier wird Bildes des Oberfläche Die lokalisiert.« im Raum Durch Bild wird die Einstellung das […] Bewegungsgefühl. stetes ein uns suggerieren Blickrichtungen wechselnden Die wenden. her Die Stellung der Person im Bild ist verkürzt. oder schräg sehen Wir soll. erklimmen er die auf, Höhe die steil steigt uns vor stürzen, die uns sonst keine Kunst mitteilen kann. Vor unseren Augen öffnet sich dieTiefe, in die der Held »Durch sie [die Einstellung; erleben A.L.] wir 12 11 10 71. Aufsätze 1984, 1926–1931. S. Berlin 9 gerahmtes dezidiert Als Klassifizierung. einfachen einer nicht jedoch dient dieses des Flächenbildes, Ästhetik eine in Stummfilms des Aspekte nisch-ästhetischer tech bestehender Überführung der zwar Tonfilm dient Der zusammenfassen: ge des Bildrahmens möglich. ›Entgrenzen‹ beim dieses Verhältnisses Reflexion die Bildes, des ›Begrenzen‹ beim also wird fahrung Er ästhetischer und Flächigkeit WechselverhältnisDas zwischen greifbar. hierbei werden Bildoberfläche und Bewegung Raum, zwischen Relationen formalen Die Kategorie. reflexive eine Arnheim bei Rahmen der aber wohl selbst, Flächenbild formale Bedeutung des Bildrahmens freigelegt werden kann. Insofern ist nicht das die Deperspektivierung gezielte eine durch dass sondern, Verflachung, der onen hin« Bildrahmen dem weg.« der Rän die über schließlich flutet sie Schwärze, mit Bild ganze das sich füllt schnell unheimlich und heran, braust Zug »Der hinausdrängt: Rand den über oder gegen eine undje Person stärkeroder zwar ein Gegenstand in der gewählten Einstellung – zueinander Abhängigkeit wechselseitiger in stehen Flächigkeit und Bildrahmen hinderlich, gestaltend!« nicht mehr positiv zufällig, – Cachet vorgeschaltetes bloßes ein als wirkt sondern ihm zu mehr Beziehung optische bild raumhaft, so es liegt nicht mehr in der Ebene des sondern hinter Rahmens ihm, hat gar keine Film das Wird Fläche. begrenzten rechteckig der innerhalb Gruppierung bestimmten einer Sinn kompositionellen den auf Zuschauers des Aufmerksamkeit die einen lenkte dies erst eindringlich und sehr Ausschnitt, umschloß er sondern Rahmen, dieser war Beschränkung verdeckende Nicht Gewollte einer eine bewußtenhinderliche, das Komposition. den freiendes Bildes Ausblick »Das, was jeweils innerhalb des Bildes zu sehen war, hatte gerade durch die unwirkliche Flächigkeit Anhand Anhand der ausgewählten Passagen sichlassen bei nun Arnheim folgende Din Béla Balázs: Der Béla Geist des Films. In: Ders.: Ebd. S.74.Ebd., 222. S. 1932, Arnheim 11 Anhand dieses »rapide[n] Anschwellen[s] der Gegenstandsfläche nach Gegenstandsfläche der Anschwellen[s] »rapide[n] dieses Anhand 12 beschreibt Arnheim nicht mehr die dekorativen Funkti dekorativen die mehr nicht Arnheim beschreibt unsere Einstellung, als Einstellung, würden wir uns ununterbrochen hin und 10 Schriften zum Schriften Film die Richtungen und das Raumerlebnis anderer Menschen 9 . Bd. 2: Der Geist und des Films. Artikel ------, 143

Bild wird es vorgestellt als Ausgangspunkt ästhetischer Erfahrung und formaler Reflexion. Dabei ist es so hochspezifisch, dass es nicht die Allgemeingültigkeit be- sitzt, die Arnheim ihm gern zuweisen möchte. Das Flächenbild besitzt vielmehr alle Eigenschaften eines ›Bildtyps‹, insofern sich nicht nur verschiedene Phänome- ne, sondern auch ganz unterschiedliche mediale Zusammenhänge subsumieren lassen. Beide, die Ableitung einer Methode der Reflexion und die Konturierung der Funktionsweise eines Bildtyps, erscheinen hilfreich für eine filmhistorische Einordnung des Videobildes, die nicht die Unterschiede, sondern ästhetische wie theoretische Kontinuitäten zum Gegenstand hat.

II. Schichtbilder Das formale und reflexive Bezugssystem ›Rand‹ findet bei Arnheim eine Verdopp- lung in der ›Kante‹ und in der ›Kontur‹. Die Verringerung der räumlichen Tiefe im Flächenbild lässt das perspektivische Hintereinander über Brüche im Bild augen- fällig werden:

»Der Fortfall des räumlichen Eindrucks bringt zweitens eine stärkere Betonung der perspektivischen Überschneidung. Während diese in der Wirklichkeit oder im Stereo-skop nur als ein zufälliges und unwichtiges Hintereinander von Körpern aufgefaßt wird, entstehen im Flächenbild durch Über- schneidung sehr eindringliche Schnitte. Hält ein Mensch eine Zeitung so, daß sie mit einer Ecke sein Gesicht überdeckt, so ist diese Ecke aus dem Gesicht beinahe wie ausgesägt, die Begrenzung wird sehr stark empfunden.«13 Arnheim selbst zieht aus dieser Entdeckung keinerlei theoretische Schlüsse; für ihn gehören die Einschnitte, die hier bei der Wiedergabe eines gleichmäßig aus- gedehnten Raumes als Bildbrüche auftauchen, zur Phänomenologie des Flächen- bildes. Die Staffelung der Bildelemente lässt das Bild jedoch zugleich geschichtet erscheinen. Was lässt sich damit anfangen? Neben der Großaufnahme und der Montage, die eine Verflachung des Räumlichen ästhetisch voraussetzten, lässt sich ein weiteres filmisches Mittel ausfindig machen, das bereits um die Jahrhundert- wende Anwendung fand, mit Durchsetzung des Tonfilms aber erst einmal fast voll- ständig verschwand. Die Rede ist von der Doppelbelichtung, auch Überblendung genannt.14 Die ›Entgrenzung‹ des Bildes mündet hier unentwegt in eine regelrech- te ›Entrahmung‹, gleichzeitig haben aber die sich überlagernden Kanten reflexives Potential. Vervielfachen sich bei der Doppelbelichtung die Bezugspunkte der Bil- delemente zum Rand unüberschaubar, werden sie bei der Überblendung aufge- hoben, sodass Anfang und Ende eines Bildes bzw. einer ganzen Einstellung nicht mehr erkennbar sind. Im klassischen Kino diente die Überblendung hauptsächlich

13 Ebd., S. 28. 14 Beide lassen sich auch voneinander differenzieren. Von einer Doppelbelichtung spricht man ge- wöhnlich bei einer Fotografie, von einer Überblendung beim Film. Es gibt jedoch auch Filmbilder, die nur doppelt belichtet und nicht szenisch überblendet sind. 144 Adina Lauenburger – so auch zu Beginn der Filme der Beginn zu auch so – Ereignisse simultaner Wiedergabe der und Erzählflusses des Beschleunigung der 16 15 king Schriftzug dem mit Bild unterlegte das während ausgeblendet, wird Bildschicht oberste Die wiedergibt. Bahnhofs des Bild Ortsbezeichnung gesamtedie erstreckt, das über sich der Balken, als und Zug einen Bahnsteig, einem auf Vogelperspektive,Menschen einer die mit überblendet Rückenansichtist mit tale Eine Halbto nachsuggeriert. kusverschiebung Innen von(Zug) Außen (Bahnhof) 1932 1–3: Abb. ) erhaltenweitere Eine nun bleibt. – jetzt wieder als Überblendung zeigt Halb Vgl. MarcVgl. Vernet: 223. S. 1932, Arnheim hnhi Express Shanghai Figures del’AbsenceFigures , USA USA , Shanghai Express Shanghai . Paris 72. 1988, S. druck gebrachtdruck werden, die außerdem eine Fo Aus zum Überblendung mehrstufigen einer sich mehrere Bilder übereinander schieben, schieben, übereinander Bilder mehrere sich lassen 2) und 1 (Abb. Überblendung der In der Schleier und die Gardine. Netz, das allem vor Nebel, und Rauch neben sind Fortsetzung dieser Gegenstände noch durchlässigpartiell sind. Die filmischen nur sondern beidseitig, Überblendung der bei wie nicht sie insofern zwar und – lassen erkennen Qualitäten singuläre die erzeugt, Opazitäten sondern beruht, Bildschichten der Umkehrbarkeit der Motiven‹ auf welche darstellt, zwischen einen mehr ›Qualitätsaustausch nicht die fort, Weise eine auf Filmen genannten den in Verdopplung der Prinzip formale das führt Sternberg verliert. Tiefe an es stärker je Lesbarkeit vertikaler an gewinnt Bild Das gilt: Dabei sich. mit – Räume« realer wechselnder nanderfolge Aufei »unnatürliche diese Einstellungen«, verschiedener »Aneinanderpappen dieses – Überblendung die Tonfilme frühen beiden einen filmhistorischenÜberrest führen diese press e Mnce ud e Bikihugn in Blickrichtungen der und Menschen der Express Shanghai aus Bahnhofsszene dieser bei wie So geben. wiederzu Ereignisse getrennter – pektivisch um die Gleichzeitigkeit räumlich – oder pers (1934) von Josef von Sternberg. Wie Wie Sternberg. von Josef von (1934) (1932) und (1932) kann zugleich die Fülle die zugleich kann The Scarlet Em Scarlet The Peiping ( Pe 16 15 ------

145 totale – die Vorderansicht zweier Passagiere, die aus ihren Abteilfenstern schauen. Die Bildschichten erscheinen gleichwertig und austauschbar. Nicht das Detail, sondern das Ensemble, nicht deren Erfass- barkeit, sondern deren Kombinatorik stehen im Vordergrund. Unübersichtlichkeit kann dabei aufgrund gegenläufig ausgerichteter Linien im Bild entstehen, etwa wenn eine Vertikale eine Horizontale oder Diagonale kreuzt, Undurchsichtigkeit, wenn je helle oder je dunkle Flächen aufeinander stoßen. Dann wird die Flächenhaftigkeit der überla- gerten Elemente in eine Zone der Indifferenz überführt. Sternberg führt Effekte der Über- lagerung auch durch rasterartige Schatten vor, ohne dabei jedoch eine Verflachung des Bildes anzustreben (Abb. 3). Eine Einstellung aus The Scarlet Empress zeigt zudem, dass die Erhaltung des räumli- chen Eindrucks auch in einer Überblendung möglich ist, indem die untere Bildschicht von der oberen nicht komplett imprägniert wird (Abb. 4). Flüchtige und instabile Erscheinun- gen, die dann geistiger bzw. Geisteraktivität zugerechnet werden, lassen sich so darstel- len. Und tatsächlich war diese Verwendungs- weise in den 1920er Jahren sehr verbreitet. Während nun bei einer Überblendung die Konturen der überlagerten Bilder zugunsten einer kantenlosen Durchsichtigkeit aufgelöst werden können, führen Netz, Schleier und Abb. 4–6: The Scarlett Empress, USA 1934 Gardine zu einer weniger beliebigen, aber zugleich ungleichmäßigeren Eintrübung des Bildes – und zwar hauptsächlich dann, wenn sich die Materialität des Gewebes in die Bildstruktur einschreibt. Es lassen sich demnach Effekte der Überlagerung (Doppelbelichtung, Schatten) von solchen der Auflagerung und der Verwebung unterscheiden. Wird bei der Überblendung außerdem ein elementarer Bruch im räumlichen Kontinuum der Bildgründe zugleich hergestellt und verborgen, ein Bruch, der in der Narration komplett und in der vollständigen Sichtbarkeit der Bildteile aufgeht, wird bei einer stofflichen Eintrübung nur eine teil-/stückweise Unterbrechung im räumlichen Gefüge vorgenommen, die oft auch eine zeitliche 146 Adina Lauenburger Geweben möglich? In der Vermählungsszene von Vermählungsszene der In möglich? Geweben Stockung Welchemarkiert. Stufen der Eintrübung sind durch die Verwendung von werden kann (Abb. 11 und 12). Bildgrund und Gewebe verschmelzen hierbei gra hierbei verschmelzen Gewebe und Bildgrund 12). und 11 (Abb. kann werden opaken Schicht werden, die nur durch durchdrungen exakte Schärfeverlagerungen te Beleuchtung lässt das Ornament dagegen im Vorgang der Lichtreflexionzu einer Oberfläche desBildes und (Abb. den direkt 10),darunter liegendenKörpern direk der mit Ornament das verwebt Beleuchtung Indirekte Bildraums. eingeebneten des Durchdringung die oder Bildelementen von Entzug den über dabei bestimmt nur sich Lichts Gardinenkantedes der Einsatz entlang sichtbarDervoneinander scheiden. lassen und Stoffes des Bewegung der mit zirkulieren Dunkel und Hell 1934 7–9: Abb. The Scarlett Empress Scarlett The , USA USA , eiz de s nitla brht Ab 9). (Abb. berührt unmittelbar es die Besitz, Körpers des oder Raumes des Bereichen den der transparenten Schicht entscheidet eben entscheidet Schichttransparenten der und Objekten den zwischen Abstand Der 7). (Abb. erkennbar Filmraum der wird bringt, Vorschein zum Muster das sonst das trifft, Gardine die Licht kein wo dort, Nur werden. Körpers oder Gesichts noch stärker entzogen eines Ausdrucksseite die kann 12) bis (Abb.7 Gardinenmuster vordefiniertes ornamental der Durch Entrücktheit. ein sehr grobes oder Atmosphäre eine Bild gesamten dem noch den und Züge plastische Gesicht dem gibt lässt, aufgehen Gesichts des Teint im Netz sichtskonturen. das die Die dabei Unschärfe, Ge der Weichzeichnung einer in jedoch det mün durchdringen, zu Schärfeverlagerung eine durch Schleier den Versuch, Der biert. der undabsor an den Maschen reflektiert Kerze und Umgebung der Licht das Schleier und hebt der weil Das Gesicht erscheint flächig, senkt. Atmens des Takt im und Kerze der Flackern zum parallel sich der bedeckt, Schleier feinmaschigen sehr einem mit rich Diet Marlene von Gesicht das ist 6) und 5 das Muster das ergreift nämlichLicht das von all Über Reflexionskraft. dessen über auch letzt zu nicht aber – Designs des Unsichtbarkeit und Sicht- über wie Begrenzung, lokalen der so über den Grad der Verflachung und die Art The Scarlet Empress Scarlet The (Abb. ------147 duell, ohne definierbare Ränder zu erzeugen. Gleichzeitig wird das Gesicht von den opaken Gewebespuren durchwirkt und mit mehr oder weniger Leucht- bzw. Ausdruckskraft ausgestattet. Die Bewegung der Gardine definiert das Licht und bündelt zugleich seine formgebenden Qualitäten. Und so scheint es, als ließe sich anhand der Reflexionen auf einer eingeschobenen, ma- terialen Bildschicht über das Verhältnis von Bewegung und Bild nachdenken. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Der Vorhang des Himmelbettes, der sich auch hier wie ein Schleier über Marle- ne Dietrichs erschöpftes Gesicht legt (Abb. 14), verleiht dem ganzen Bild eine gleichmä- ßige – wiederum bewegliche – Rasterung: Das Gesicht wird zugleich – wenn auch aus- drücklicher als bisher – auf Distanz gebracht und mit der Oberfläche des Bildes verwebt/ verklebt, die der Schleier bildet. Der Kristall aber, der den knappen Raum zwischen Gar- dine und Gesicht drehend durchkreuzt (Abb. 15), erzeugt Spiegelungen, die die Konturen des Gesichts zwar weiterhin erscheinen und verschwinden lassen, jedoch jetzt nicht mehr synchron zur Bewegung des Stoffes. Die Un- schärfe, die hierbei auf der visuellen und auf einer kategorialen Ebene ins Spiel kommt, ist eine Figur des Oszillierens, die am Schwin- gen des Gewebes statthat. An diesem Bei- spiel lässt sich noch einmal konkretisieren, Abb. 10–12: The Scarlett Empress, worin der Unterschied zwischen der Durch- USA 1934 lässigkeit von Bildschichten und der Qualität einer Opazität besteht: Durch eine konsequente Enttiefung des Bildes und eine maximale Verwebung der Bildelemente kann auch eine formale Erschöpfung er- reicht werden, bei der zunächst Hell und Dunkel nur noch als Schattierungen der Bildoberfläche erscheinen. Je stärker der Fokus aber auf die bildfüllende Struktur des Netzes gerichtet ist, umso mehr versinken die Linien und ihr Dazwischen in einer Unschärfe, die durch das Zusammenspiel von Absorption und Reflexion für die Ausbreitung eines Schillerns über das ganze Bild sorgt. Die Bildteile sind nicht länger einfach beleuchtet, sondern mittels der hellen oder gar weißen Flächen 148 Adina Lauenburger mit dem Weiß« dem mit Lichts des »Abenteuer dieses durch bekommt Bildraum Der gesättigt. punktuell 19 anReflexionskraftzu geringsten verlieren.« wie einer ein – Unschärfe Fisch, einer es ›Verwacklung‹kann zugunsten – an einbüßen, Kontur ohne im geringe Malerei Tiefe) nennt. [...] Zwischen dem der Weiß des Schleiersin und dem befindet sichHintergrundweiß das (und Gesicht Untiefe Ozeanographie der in man was gibt, das vielmehr oder Volumen selbst Bereich weiße wirdder seinerseits umrandet, durch einen Denn sich Schleier darüberlegenden oder ein Netz verdoppelt, scheint. der ihm sein zu Schleiers des Verzierung geometrische eine noch nur Gesicht das dem auf könnte, stammen Video vom das Bild, erstaunlichen dem zu hin bis erfaßt, ruht, sie denen auf WeißdemLaken, der VerschleierungFrauzwischen und einer Weiß dem und Kissens des 18 17 1934 USA 13–15: Abb. Vgl. Jean-Luc Nancy: Jean-LucVgl. Nancy: jungen der Gesicht das wird Kindes, ihres Geburt der bei allerdings, »Später 131f: S. Deleuze, Vgl. DasGilles Deleuze: h Salt Empress Scarlett The 17 , wie Gilles Deleuze es nennt, Volumen. nennt, es Deleuze Gilles wie , Bewegungs-Bild. Kino 1 Kino Bewegungs-Bild. Am Grund derBilder Grund Am , . Zürich/Berlin 2006, S. 125. 2006,S. . Zürich/Berlin hierbei sowohl seine rahmende als auch re auch als rahmende seine sowohl hierbei . Frankfurt am Main 1989, S. 132. amMain 1989, S. . Frankfurt gung einfangen. Durch Überlagerung oder oder Überlagerung Durch einfangen. gung Bewe über Raum den die benennen, Arten die sich dabei lassen Schwenk Zoom bis zum vom Plansequenz, zur bis Kamerafahrt chen einfa der Von gültig: heute bis und worden etabliert hierfür sind Methoden schiedene Ver holt. Bild ins Raum den die Kunst, diejeni ge als auch immer schon jedoch sich verstand Film Der lokalisiert. das Raum im Bild werde Einstellung die durch be hauptet, Balázs einmal: noch uns wir Erinnern beider.«Annahme unwahrscheinliche eine in bzw. auflöst Seite die andere in oder eine die in sich es daß wird, verhindert jederzeit die durch Oszillation, der in das Oszillierende ist Unzerstörbar Schnee. flockigen diesem neuem aus von stets Distinktion die erwacht »Freilich der ›Räumung‹: aber ist hier zwar ein Modus der nichtEinebnung, denn dehnung, die Unschärfe der Oszillation Aus dessen nichtaber Bildes, des licheTiefe chenspannung revidiert nachhaltig die räum Oberflä erzeugte so Die Dichte. qualitative Arnheim das Flächenbild definiert, verliert verliert definiert, Flächenbild das Arnheim bei noch der Bildrand, Der scheinungsform. ihre Er verdichten dabei verändern undsich Elemente Seine ausgeblendet. einfach nicht jedoch Filmraum der wird Verunschärfung 19

18 Flächigkeit heißt jetzt jetzt heißt Flächigkeit ------149 flektierende Funktion. Die Reflexion, so scheint es, ist in das Bild gewandert und macht sich Kanten, Risse und Löcher zunutze, die der Eintrübung widerstehen. Folgt man nun Balázs weiter, findet sich genau hier die Möglichkeit, Lichtreflexion und Reflexivität zusammen zu denken:

»Durch die Einstellung kann aber auch der Raum in das Bild reflektiert werden. In der Großauf- nahme etwa ist die Umgebung nicht zu sehen, aber ihre Atmosphäre liegt wie ein Niederschlag auf dem herausgehobenen Bild. Wie in einem Fokus fängt die Großaufnahme die Lichter und Schatten des Raumes auf. Wir müßten allein an einem Gesicht sehen können, welcher Art der Raum ist, in dem sich der betreffende Mensch befindet.«20

Ein solcherart verdichteter Raum aus Licht und Schatten, der sich nur noch als Information auf einem Gesicht, einem Körper oder einem Gegenstand wie Nieder- schlag ablagert, lässt sich in den beschriebenen und vielen anderen Bildern finden. Diese Bilder ähneln sich und erreichen die Verdichtung doch über unterschiedliche technische und stilistische Mittel. Sie sind zudem nicht an ein Medium gebunden. Im Videobild treten sie auf genauso fesselnde und doch konsequentere Weise zuta- ge. Unter Verwendung eines Videosynthesizers radikalisiert beispielsweise Thierry Kuntzel in seinen Kurzfilmen das Eindampfen der Rauminformation auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau, um das Verhältnis von Licht, Bewegung und Bild- werdung, von Reflexion und Reflexivität kenntlich zu machen. Graduelle Erschei- nungen und Auflösungen spielen auch hier eine wesentliche Rolle:

»For example, at the beginning of Nostos I, on the screen which has changed imperceptibly from blue to white, a form appears, hardly visible, indistinct, and moves upward, disappearing and reappearing all the while, like the beating of a wing perceived, then lost against the sky: soon we realize that this is part of an arm, of a shoulder, taken from a body, lit in such a way that the eye follows it, and sees nothing else. When the body begins to take shape, in the joining together of still disjointed fragments, and a window-frame emerges, the beating becomes more intense, suggesting a flickering effect, but far more meaningful, since it is anchored in the body of the image: a special modification of the frequency (similar to a noise-bar) underpins this constant appearence-disappearence, an effect which is no more than variations of light on a body without volume whose very precariousness introduces the possibility of sight.«21

Diese Möglichkeit, durch Denaturalisierung der Elemente Sichtbarkeit zu erzeugen, wird als reflexives Vermögen des Bildes beschrie- ben. Diese Elemente – anwesend, doch ohne sichtbare Effekte von Präsenz – haben nur noch wenig Ähnlichkeit mit denen in Stern- bergs Filmen. Und doch besitzen sie die glei- che Funktionalität. Abb. 16: Wim Wenders, Nick’s Film – Lightning over Water, USA 1980 20 Balázs, S. 71f. 21 Raymond Bellour: Thierry Kuntzel and the Return of Writing. In:Camera Obscura, No. 11, Fall 1983, S. 34f. 150 Adina Lauenburger Water 2008); Screenshots aus DVDs: Abbildungen (86 Min., Kinowelt Home Entertainment, 2005) Home Kinowelt (86Min., Entertainment, Scarlett Empress Scarlett Shanghai Express (100 Min., Universal); Min., (100 (78 Min., Süddeutsche Zeitung GmbH, Nick’s Film: Lightning over Lightning Film: Nick’s 151 Das neue Fernsehen und die Historizität des Dispositivs

von Daniela Wentz

I Ist man willens, etwas über ›Fernsehen und das Neue‹ in Erfahrung zu bringen, so sieht man sich sogleich mit mindestens zwei grundlegenden Problemen kon- frontiert. Denn ist neuerdings vom zeitgenössischen Fernsehen die Rede, so sucht man beinahe überall vergeblich das ›Neue‹, trifft vielmehr auf sein Gegenteil, auf Auflö- sung, Entgrenzung, gar auf sein ›Ende‹. Nicht nur im außer-akademischen Bereich diskutiert man gegenwärtig Probleme, Möglichkeiten und Konsequenzen der vor allem technologischen und institutionellen Transformationen des Mediums. Dem ›Ende des Fernsehens‹ werden derzeit auch Tagungen und Konferenzen gewid- met, die nicht allein die (Selbst-)Abschaffung des nicht mehr neuen und schon gar nichts Neues hervorbringenden, sondern vielmehr veralteten und obsolet ge- wordenen Mediums diskutieren wollen,1 sondern auch der Wissenschaft seiner Erforschung.2 Steht man den Endzeiterwartungen auch eher gelassen gegenüber, davon aus- gehend, das Fernsehen sei in seiner Geschichte schon immer fortlaufenden Mo- difikationen unterworfen gewesen, so kommt man dennoch oder vielleicht auch gerade aus diesem Grund nicht umhin, sich der Frage anzuschließen, die Markus Stauff an den Anfang seiner »Machtanalyse« des »neuen Fernsehens« stellt: »Wie beschreibt man ein ›neues‹ Fernsehen, das sich (noch) fortlaufend verändert und zahlreiche konkurrierende Formen realisiert?«3 Zur Beantwortung seiner Frage richtet Stauff seine Aufmerksamkeit auf eben genau jene »Veränderungsprozesse und die Heterogenitäten des gegenwärti- gen Fernsehens«, wie etwa neue Techniken des Digitalen und neue Sende- und

1 Die Schlagworte sind allgemein bekannt: Digitalisierung, Konvergenz, WebTV, Video on Demand etc. 2 So lautet beispielsweise der Titel einer Tagung, die 2009 in Amsterdam stattfinden wird: »The Ends of Television: Logics Perspectives Entanglements«. In ihrem Call for papers fragen die Veranstalter, wenn auch rhetorisch: »Is TV as we know it dead? Does TV Studies have any relevance in a world of media convergence? Are we at risk of becoming gravediggers of an obsolete medium rather than inno- vators in a cross-medial regime?« (http://www.hum.uva.nl/asca/news.cfm/86EF574A-1321-B0BE-A4E- 043C23CC4B2EB, letzter Zugriff 9.1.09). 3 Markus Stauff: ›Das neue Fernsehen‹. Machtanalyse, Gouvernementalität und digitale Medien. Münster u. a. 2005a, S. 8. 152 Daniela Wentz ten Michel Foucaults, in denen der Begriff nicht explizit auf mediale Phänomene, mediale auf explizit nicht Begriff der denen in Foucaults,Michel ten Arbei machttheoretischen die dies sind einen zum zurückführen: Bezugspunkte pektive lässt sich der wissenschaftshistorisch aufBegriff mindestenszwei zentrale Pers deren Aus wird. verwendet Medienwissenschaft der in er wie sitivbegriffs, men, Praktiken und Diskursen.« Program Apparaten, zwischen Relationen der Modifikation einer aus Mediums, des Anordnung gesamten der Veränderung einer aus resultiert Fernsehens tigen gegenwär des ›Neue‹ »Das hervorbringe. Subjekteffekte und Macht- seine übe, aus Funktion gesellschaftliche seine Fernsehen das Hilfe deren mit identifiziert, Mechanismen und Merkmale entscheidenden die als er die Programmstrukturen, 8 176. S. konstruktionen. In: Ders., G. Wartemann, D. Roesner: 7 schlechtlichkeit sehen. nicht repräsentiert Zweige der System im sich die Menschen, für einräumen Platz soll Leerstelle symbolisierte ihn durch 6 5 4 ein »spezifisches Feld derSichtbarkeit« Kinos, des Raum dunkle der Apparatustheorie der Falle im Rezeptionsraum, und genau räumlichenderjenigen die, Anordnung, in der Verschränkung von Bildraum zu verschleiern«. affirmativ Subjektverständnis bürgerliches Verdachtgenerellen den stellte,unter Filmbild das Perspektivlogik newohnenden in Volker Apparat dem so welche,der ansetzte, Wortmann,tustheorie »aufgrund Appara oder Dispositiv- die denen an Punkte, die waren jektivierungsverfahren Ob und Subjektivierungs- Identifikationsprozesse, verbundenen damit die und Analyse einzelner Filme. Die Einbeziehung der Betrachter_innen in den Bildraum, der von unabhängig weitgehend und Effekte ideologischen ihre auf Hinblick im Zuschauer_innen der Wahrnehmung der mit Kino-Situation der Arrangements räumlichen des Zusammenspiel das die Jahre, werden kann.« geknüpft Elementen diesen zwischen das Netz, das ist selbst Dispositiv Das […] umfaßt. Ungesagtes wie ebensowohl Gesagtes kurz: Lehrsätze, philanthropische trative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder adminis Gesetze, Entscheidungen, reglementierende chitekturaleEinrichtungen, ar Institutionen, Diskurse, das Ensemble, heterogenes entschieden »ein als wird sondern auf ganz verschiedene Bereiche bezogen wird, und in denen er verstanden Vor diesem Hintergrund plädiert Stauff für eine Neuakzentuierung des Dispo des Neuakzentuierung eine für Stauff plädiert VorHintergrund diesem Zum anderen findet sich der Begriff prominent in der Kinotheorie der 1970er der Kinotheorie der in prominent Begriff der sich findet anderen Zum Stauff 2005a, S. 137. 2005a, Stauff Raum medialer Begründung epistemologischen einer Versuch Raum: und Bild Wortmann:Volker Im Sinne einer an Annäherung eine geschlechtergerechte Sprache verwende ich den Unterstrich. Die Michel Foucault: 109. S. Ebd., 5 Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen undWahrheit Wissen Sexualität, derMacht. Über Dispositive 4 8 ausbildet, welchem inherent»the ideology Szenische Szenische Orte – Mediale Räume 6 zu fassen versuchte, insbesondere versuchte, fassen zu 7 e Fks a auf lag Fokus Der . Berlin 1978, S. 119f. 1978, S. . Berlin . Hildesheim 2005, ------153 in perspective«9 eingeschrieben ist und die den Zuschauer_innen vorbestimmte Subjektpositionen geradezu aufzwingt. Damit ist mindestens eine Gemeinsamkeit der beiden Dispositivtheorieposi- tionen skizziert, nämlich ihre Produktivität für die Analyse räumlicher Arrange- ments, in der Apparatustheorie der Raum des Kinos, bei Foucault etwa das Ge- fängnis, – je nach Perspektive als eigenes Dispositiv der Organisation von Blick und (Un-)Sichtbarkeit oder als Teil eines Dispositivs, nämlich desjenigen der Disziplin10 –, als auch der zentrale Unterschied markiert, der in der Konzeptio- nalisierung der Machteffekte liegt. Bildet das Kino in der Perspektive der Appa- ratustheorie eine verallgemeinernde und eindeutige Machtmaschinerie aus, fasst Foucault die Machteffekte weitaus differenzierter in Registern der Produktivität und Heterogenität. In seiner kritischen Bestandsaufnahme der dispositivtheoretischen Ansätze der Medienwissenschaft konstatiert Stauff, dass sich diese des Begriffs vor allem dahingehend bedienen, als dass sie die »subjektive und gesellschaftliche Wirk- samkeit von Einzelmedien in der Regel damit [erklären], dass diese durch ihre materielle Anordnung nicht nur den symbolischen Prozessen (›innerhalb‹ des Mediums), sondern auch der Wahrnehmung und ›Nutzung‹ des Mediums eindeu- tige Vorgaben machen.«11 Insbesondere hinsichtlich des Fernsehens seien solche auf Eindeutigkeit und einen repressiven Machtbegriff ausgelegten Ansätze aber unbrauchbar. In Anlehnung an Foucaults Analyse des Dispositivs der Sexualität und sein Modell der Gouvernementalität plädiert er deshalb für eine doppelte Verschiebung des Dispositivbegriffs und seiner Verwendung für eine Analyse des ›neuen Fernsehens‹: weg von einem Modell und Regime der Sichtbarkeit, hin zu dem einer Regierungs- und Selbsttechnologie, und, damit verbunden, weg von der Eindeutigkeit hin zur Heterogenität. Der theoretische Einsatz Stauffs, der Einbezug des Heterogenen und Verän- derlichen als Teilelement, als Strategie und vor allem als dauerhaftes Merkmal des televisiven Dispositivs, kommt der Dynamisierung des Dispositivbegriffs, wie ihn Gilles Deleuze konzipiert, sehr nahe. Denn eine Konsequenz einer Philosophie der Dispositive, schreibt Deleuze mit Blick auf Foucault, »besteh[e] in einer Änderung der Orientierung: diese wendet sich vom Ewigen ab, um das Neue aufzunehmen. Das Neue ist nicht dazu bestimmt, die Mode, sondern vielmehr die den Dispositi- ven folgende variable Kreativität zu bezeichnen – entsprechend der Frage, die im 20. Jahrhundert allmählich zum Tragen kommt: Wie ist in der Welt die Produktion von etwas Neuem möglich?«12

9 Jean Louis Baudry, 1970, zit. in Stauff, 2005a, S.138. 10 Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/M 2004. 11 Stauff 2005a, S. 110. 12 Gilles Deleuze: Was ist ein Dispositiv? In: François Ewald, Bernhard Waldenfels (Hg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken. Frankfurt/M 1991, S. 153–162, S. 158. 154 Daniela Wentz keinesfalls stabil, sondern veränderbar, fähig zur Transformation. Es ist niemals ist Es Transformation. zur fähig veränderbar, sondern stabil, keinesfalls der Ordnung des Aussagens«. der »Neuartigkeit nach vielmehr sondern Aussage«, einer »Originalität der nach nicht deshalb fragt der einen Neuartigkeit im Vergleich zur anderen hervorzuheben.« die um noch unterscheiden, zu voneinander sie »um weiter, leuze Denn der eventuelle Widerspruch zwischen zwei Aussagen reiche nicht aus, so De machen. zu beherrschbar Neuen, des Erfahrbarkeit und Fass- epistemologischen der nach Frage die nämlich Problem, historiographisches wie methodologisches Beschreibungsansatz« und »Denk- der einbeziehen Dynamik diese ein als Konsequenz, andererseitsin und Gefüge, 18 17 16 15 14 41. 33–56, S. (Hg.): Vogl Joseph Ders., 13 und Deleuze mit aber, andererseits und aus, Uneindeutigkeit und Heterogenität verstandene, Sinne materiellen im auch durchaus eine, durch insbesondere sich Zustand innerhalb des Prozesses des Mediums. des der Selbstbezugs Entwicklung ein als beschreibbar so wird Neue das auch operationalisierbar, bezugsfähig, also zugänglich, vergangene als so werden Dispositivs des Zustände vergangene nur des Systems, geknüpft seien, wie etwa Reflexivität undSelbstreferentalität. an wiederum der Bedingungen Systemorganisation, also den Grad an Komplexität welche Selbstbildes, eines Gewinnung zur Fähigkeit die voraus, Selbstverhältnis -schritte.« und Entwicklungszustände andauernde dem Moment, in dem dieses System nehmenZugriff kann auf frühere, nicht mehr in zwar und generiert, selbst System entwickelnden sich vom wird Sie […] selbst. Mediums jeweiligen des hier d.h. Systems, jeweiligen des Zustand ein oder dukt Pro ein vielmehr sondern Beobachter- Beschreibungsstandpunkts, oder externen eines nicht Produkt ein »ist Engell, Lorenz auch schreibt so Geschichte, mation. sondern sind transformiert, gleichsam die Ergebnisse oder Produkte der Transfor sich Dispositiv das dessen innerhalb Spannungsfeld das nicht jedoch bilden sen, verwie aufeinander immer damit sind Geschichte die und Aktuelle das Alte, und werden: zu sind Begriffim wir was dem, und sind), mehr nicht schon wir (was sind wir was dem Werden begriffen werden. »In jedemDispositiv mussman unterscheiden zwischen im immer muss Geschichte, eine notwendigerweise besitzt sondern a-historisch, Ein derart verstandenes Konzept des Dispositivs, als einerseits dynamisches dynamisches einerseits als Dispositivs, des Konzept verstandenes derart Ein Geht man also einerseits mit Stauff davon aus, das ›neue Fernsehen‹ zeichne Fernsehen‹ ›neue das aus, davon Stauff mit einerseits also man Geht Ebd., S. 46. S. Ebd., 45. S. Engell, imOriginal). 160 (Hervorhebung S. Ebd., Ebd. 195. S. Deleuze, In: Bildmedien. der Geschichte der in Historischen des Funktion genetische Die Engell: Lorenz der Anteil der Geschichte und der Anteil des Aktuellen des Anteil der und Geschichte der Anteil der Mediale Historiographien Mediale 13 . (= Archiv für Mediengeschichte 1). Weimar 2001, S. S. 2001, Weimar 1). Mediengeschichte für Archiv (= . desselben, ist in der Lage, ein zugleich zugleich ein Lage, der in ist desselben, 15 So verstanden ist das Dispositiv Dispositiv verstanden So ist das 17 Geschichte setze so stets ein ein stets so setze Geschichte 14 Eine solche Dynamisierung solcheEine Dynamisierung .« 16 Das Neue Das 18 Nicht - - - - - 155

Engell, dass Dispositive stets im Werden und Wandel begriffen werden müssen, so steht die Frage nach seinem Dispositiv für das Fernsehen immer schon auf dem Spiel. Ist schon die ›traditionelle‹, ›klassische‹ Rezeptionssituation im priva- ten Haushalt weniger als im Kino mit einer »starren« körperlichen Positionierung verbunden, und scheint so auch die Vorstrukturierung des Blicks schwächer zu normieren,19 so ist in Zeiten mobiler Medientechnologien, Public viewing und Bahn-TV, um nur einige zu nennen, fernsehen prinzipiell überall möglich. Die Re- zeptionssituation des zeitgenössischen Fernsehens, das räumliche Arrangement der Verschaltung von Bildraum und Zuschauerraum, ist als nachgerade ubiquitär zu bezeichnen, – und damit paradoxerweise endgültig prekär geworden. Vielleicht nimmt es deshalb nicht wunder, ist aber nichtsdestotrotz bemerkens- wert, dass gerade im zeitgenössischen Fernsehen Formen und Formate der Häus- lichkeit und der Familie nach wie vor Konjunktur besitzen, oder, mit Blick auf das viel beschrieene Ende des Fernsehens formuliert, noch immer eine erstaunliche Vitalität beweisen.20 Es genügt nun aber, Deleuze folgend, keinesfalls, die dominante Thematisie- rung von Häuslichkeit und familialem Raum lediglich als Beleg der Heterogeni- täts-These zu lesen, und darauf zu verweisen, dass Fernsehen eben in der Lage sei, widersprüchliche Aussagen zu beinhalten, Häuslichkeit somit den Status des Alten zuzuweisen. Denn schließlich ist auch die Verschränkung des Fernsehens mit dem häuslichen Raum keinesfalls eine Selbstverständlichkeit (gewesen), dies zeigen allein die Suchbewegungen des Fernsehens nach einem geeigneten Rezep- tionsraum in seiner Anfangsphase. Fernsehen, anders als etwa das Kino und das Theater, und ähnlich wie etwa das Telefon, das Radio, der Rechner, etabliert nicht von Anfang an einen festen Ort, ein eindeutiges räumliches Gefüge, sondern ver- sucht sich an allerlei Formen (z. B. an den (halb-)öffentlichen Fernsehstuben), bis es sich schließlich als »Wohnzimmermedium familiärer Privatheit«21 etabliert. Der häusliche Raum ist damit also keinesfalls als stabiles Element des Fern- sehdispositivs zu identifizieren, sondern vielmehr immer schon als sein Problem. Wenn das Fernsehen trotz seiner Entgrenzungen und Transformationen aber nach wie vor in zahlreichen Formen diesen zu seinem Thema macht, dann hätte eine Analyse des ›neuen Fernsehens‹ genau dort nach der »Neuartigkeit der Ord- nung des Aussagens« zu suchen. Denn dies würde bedeuten, dass der Raum der

19 ›Glance‹, der zerstreute Blick, anstelle des kinospezifischen ›Gaze‹ ist an anderer Stelle als Differenz- kriterium angeführt worden (Ellis, 1992, zit. in Stauff, 2005a, S. 145). 20 Zum Beleg dieser These seien an dieser Stelle einige genannt: die Serie Desperate Housewives (2004ff.), die Doku-Soaps Frauentausch (2003ff.), Die Super-Nanny (2004ff.), We are family! So lebt Deutschland (2006ff.), die Ratgeber – und Home-Makeover-Shows Liebling, wir bringen die Kinder um (2006), Zu Hause im Glück – unser Einzug in ein neues Leben (2005ff.),Wohnen nach Wunsch (2004ff.), diverseste Kochsendungen etc. 21 Siegfried Zielinski: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte. Reinbeck b. Hamburg 1989, S. 8. 156 Daniela Wentz uirne Mcaims u renn äe Hulcki lse ih s Stauff, so sich, lasse Häuslichkeit gäbe. erkennen zu Mechanismus turierender stell[e],« Frage in Blick ersten den »auf Fernsehens des Struktur dispositive die zwar die Häuslichkeit, der in gerade Anordnung gen uneindeuti der trotz sich dass Ergebnis, dem zu Perspektive, historischer in klar Fernsehens‹ von der Vorgehensweise Stauffs. Zwar kommt auch er, allerdings ganz wird. gesetzt verhandeltselbst und insBild dem die Frage nach und Alt Neu, nach und Aktuellem Geschichte, vom Fernsehen an Ort, der auch dann wäre Er wird. virulent Fernsehens des Dispositivproblem das dem an mithin, Ort der selbst«, seiner Zustände »frühere auf nimmt Zugriff Fernsehen das dem an ist, Ort der genau Fernsehen zeitgenössischen im Familie Ders., Daniel (Hg.): Gethmann 25 24 23 22 inso nur Instrument und Regierungshandelns des Ziel und Zweck vornehmlich beitragen«. Selbstführung und Fremdführung vonVerschränkung zur sowie Verhaltensweisen Anlei von Anleitung und zur werden, Sorge tung von Objekt zum somit und problematisiert sie gerade dass Medien dadurch, »wenn sprechen, zu Medien der Gouvernementalität einer von und auf seine Handhabung zielen. Stauff anschlägt andererStelle vor, genaudann allem Paratexte meint, die auf die und Regulierung richtige Nutzung des Mediums vor er womit Institutionen, und Praktiken anderen mit Mediums des wobenheit Verdie für allem vor Zusammenhang diesem in sich interessiert Analyse schulte mationen Verhältnisses. dieses Interaktivität«, medialer »Formen und Mediennutzung« den, vielmehr richtet er den Blick nun auf »die zunehmende Individualisierung der wer gesetzt Verhältnis eine in Zuschauerraum und Bildraum etwa Weise welche auf danach, nicht Stauff fragt unterhielt/unterhält, Familie der Raum zum sehen kulturelle Differenzierungsprozesse.« und zeitliche für oder darin Subjekte der Verortung sinnhafte die für Räume, unterschiedlicher Relationierung und Strukturierung die für Effekte dennoch aber hätte beschreiben, zu – Subjekt Apparat- Achse eindeutigen einer Sinne im Topologie– stabile eine als nicht zwar demnachwäre um gangspunkt, bestimmte Sende- und Vermittlungsformen plausibel zu machen. (…) Fernsehen Aus der Umkehrung der in sie ist wird, »Währenddefiniert Fernsehen vonmithilfeHäuslichkeit indem sie die Menschen insinnhafter Weise indie häusliche Wohnung einbinde. verstehen, Fernsehen Dispositivs des Wirkung und Werkzeug als gleichermaßen An diesem Punkt unterscheidet sich mein Vorschlag einer Analyse des ›neuen des Analyse Vorschlageiner mein sich unterscheidet Punkt diesem An en, i ewht a Fualshn ozp dr ovreetltt ge Gouvernementalität der Konzept Foucaultschen am erwähnt, wie Seine, Fern das die Beziehung, engen konstatierten dergerade oder wegen Obgleich, Markus Markus Stauff:Zur Gouvernementalität der Medien. Fernsehen als ›Problem‹ und ›Instrument‹. In: 178. S. Ebd., 147. S. Ebd., 146. S. 2005a, Stauff Politiken derMedien 23 . Zürich, Berlin 2005b, S. 89–110, S. 93. 89–110, S. 2005b, S. Berlin . Zürich, 25 Das Medium ist in diesem Sinne diesem in ist Medium Das 22 das Medium als raumstruk als Medium das 24 statt auf die Transfor die auf statt ------157 fern als die Effekte, die es zeitigt wiederum Ergebnis seiner eigenen Bearbeitung durch das Regierungshandeln sind. Mein Vorschlag wäre nun, in Anlehnung an Deleuze und Engell, das Medium als Technologie zu begreifen, das Probleme bearbeitet, die es selbst generiert und konstituiert, dass es in diesem Sinne nicht nur ein Instrument von Regierung ist, sondern, – und in diesem Sinne autonomer als das von Stauff beschriebene – selbst Verfahren, Techniken und Diskurse ausbildet, die es ihm erlauben, sozi- ale Beziehungen, Verhaltensweisen und Handhabungen seiner selbst zu regieren. Auch in den Termini der Gouvernementalität wäre der Sachverhalt des Fernsehens als Regierungstechnologie der Familie dann auch genau dort interessant, wo er im Fernsehen selbst mitgeführt wird. Ich möchte dementsprechend im Folgenden zeigen, dass die Beziehung zwi- schen Fernsehen und familiärem Zuschauerraum zuallererst ein Problem des Fern- sehens ist, das es auf unterschiedliche Weise und in bestimmten Raumkonstellati- onen verhandelt, und dass es ihm dabei um nicht mehr und nicht weniger geht als um seine dispositive Struktur selbst.

II Insbesondere die Arbeiten Lynn Spigels haben gezeigt, wie sich das Fernsehen da, wo es auftaucht, nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg, tief in die Formierung der westlichen Nachkriegsgesellschaften und deren familiären Leitbilder einschreibt, und zwar nicht nur, indem es das, was wir unter Familienleben verstehen und verstanden, definiert, problematisiert, – kurz bearbeitet, sondern indem es den familiären Lebenszusammenhang und Alltag so unter seinen Zugriff setzt, dass es ihn regelrecht hervorbringt.26 Fokus ihrer Analysen ist dabei insbesondere die Fi- gur der Hausfrau nicht nur als ideale Zuschauerin, sondern regelrecht als Ziel und Instrument der Wirkungsweise des Fernsehens, und umgekehrt das Fernsehen als Instrument der Selbstregierung für die Hausfrau, wobei sich konkrete Handlungs- anleitungen, etwa im Verkaufsfernsehen, mit bestimmten Darstellungsweisen, etwa in der Familienserie, der Soap, Sitcom oder dem Werbefernsehen verbinden.27 Beziehen sich ihre Analysen ausschließlich auf das US-amerikanische Fernsehen, so lässt sich jedoch auch in Deutschland spätestens seit den 1960er Jahren, als zu dem Zeitpunkt, an dem das Fernsehen auch hier den Status eines Alltagsmediums erreicht, der Versuch des Fernsehens erkennen, sein Publikum als Familie zu ad- ressieren und sein eigenes Familienidealbild wiederum im Fernsehen sichtbar zu machen. Dass beispielsweise bereits die erste west-deutsche Familienserie, Fami- lie Schölermann (1954–1960) als typisch deutsche Normfamilie eingeführt wer- den sollte, zeigt sich schon alleine an der formalen Ausgestaltung: Die Tageszeit

26 Lynn Spigel: Make room for TV. Television and the family ideal in postwar America. Chicago 1992. 27 Vgl. ebd., vor allem S. 73–98. 158 Daniela Wentz den 1980er Jahren bis heute beobachten lässt, und die sich vor allem von ihrem von allem vor sich die und lässt, beobachten heute bis Jahren 1980er den seit Familien-Sitcom der in allem vor sich sie wie Raumes, familiären des weise Die Familie Schölermann. Abend. heute Unsere Nachbarn lautet der nen. vollständige Bezeichnenderweise Titel der dementsprechend:Serie Wohnzimmerins Nachbarnkön den zu schauenhaben, Gefühl das sollten innen Zuschauer_ Die verschränken. zu Hause zu Alltag familiären dem mit strukturell sich dazu, auch sondern normativieren, zu und problematisieren zu Konzept als Familie dienen, dazu nur nicht sollten saß, Abendessen beim Familie die dem in Wohnzimmers,des Setting Uhr.Tatsache, gleiche 21 immerDiese und 20 das und zwischen nämlich Ausstrahlung, der Tageszeit der genau entsprach Diegese der 30 levision.htm. [01.03.2008]). (http://www.uni-weimar.de/medien/philosophie/lehre/ws0405/konzeptederte Fernsehens. des Raum 29 after 28 Sehers.« des Welt die sondern TV-Einstellung, nächste die Siereck Karl matisiert. »Der formuliert: Gegenschuß einer ist TV-Einstellung nicht proble damit und thematisiert selbst Anordnung räumliche durch andererseits Bildraum, im imaginär einerseits Familienleben ins Fernsehens des schreibung Ein dispositive die welches aus, Moment reflexives ein so bildet Fernsehens des Raumdarstellung beschriebene Die verschränkt. funktional Rezeptionsraum ren imaginä seinem mit Bildraum fiktive der so und Fernseher), einem mit natürlich (nämlich muss sein ausgestattet und angeordnet Wohnzimmer ein wie sichtbar, en zu‹. Darüber hinaus wird durch die imaginäre Verdoppelung des Wohnzimmers raus‹, es schaut reinschaut, man wie ›so mit, mehr nicht hier sich lässt Effekt Der che. glei der Fernsehers des Stellvertreter als Kamera die durch Effekt der doch ist so tatsächliche Rezeptionssituation nicht mit der hier beschriebenen übereinstimmt, die wenn Selbst vorfänden. beobachtet Wohnzimmer im Fernsehers des mittels Bildraum dem aus sich die um, Perspektive die man kehrte wären, es sie dass so werden, ›zurückgeworfen‹ Fernseher den auf identifizierend, Kameraperspektive der mit sich sie, da Moment, reflexives ein entsteht Es gegenübersteht. quasi mit so ist, positioniert Fernseher dem vor ebenfalls das eigenen, ihremwelches Sofa, das auf direkt hinein, Raum den in Fernseher den durch blickten sie gewinnen, Eindruck den Zuschauer_innen die dass als dahingehend, Spiegelungsstruktur re wo dort, sich der ›normalerweise‹ Fernseher Esbefindet. entstehtso eine imaginä also ein, Familiensofa dem und Positiongegenüber eine Fällen meisten den in bewegte, nimmt Ebene lateraler auf nur dann überhaupt, wenn statische, gehend definiert. her Kamerastandpunkt Reflexiv wird dieser Vorgang dann in einer spezifisch televisiven Darstellungs televisiven spezifisch einer in dann dieser wird Vorgang Reflexiv Karl Sierek: Sierek: Karl Engell: Lorenz Vgl. in: etwa finden Zu (1995–99), 29 beschreiben, sondern vielmehr mit ›wir schauen uns selbst beim Zuschau beim ›wirselbst uns schauenmit vielmehr beschreiben,sondern Aus der Bildhaft: Filmanalyse als Kinoästhetik als Filmanalyse derBildhaft: Aus Family Matters Konzepte der Televisionder Konzepte Married with children with Married (1989–98), 28 Die Kameraperspektive ist dabei eine weitest eine dabei ist Kameraperspektive Die King ofKing Queens . Vorlesung WS 04/05,Vorlesung 10: Die Familie und der VorlesungFamilieund 04/05,Vorlesung. Die WS 10: (1987–97), . Wien 1993, S. 88. 1993,. Wien S. Roseanne (1998–2007) u. (1988–97), 30 en Seek hier Siereck Meint a. Unhappily ever ever Unhappily ------159 zwar das genaue Gegenteil dessen, was ich versuche zu zeigen, nämlich ein feh- lendes Potential des Fernsehens, imaginäre Räume zu bilden, so könnte es doch nicht treffender formuliert werden. Der Gegenschuß der Sofaeinstellung ist nicht ein anderer Aspekt desselben Raumes, sondern mein eigenes Wohnzimmer. Mit anderen Worten, der sichtbare Bildraum, wie er sich hier zeigt, enthält zugleich ein Unsichtbares; ein Unsichtbares, welches imaginär, als Raumbild gewisserma- ßen, Form gewinnt. Über dieses Verhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem im Raum der Sitcom, so eine erste Schlussfolgerung, enthält das Fernsehen sein dis- positives Gefüge in imaginärer Form.

In ähnlicher Weise, jedoch zunächst weniger über das Verhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem, sondern viel mehr über das Verhältnis von Sichtbarem und Hörbarem lässt sich das Raumgefüge der Serie Desperate Housewives31 erschlie- ßen. Die erste Einstellung der Serie zeigt uns aus der Höhe ihr Setting, eine Strasse namens Wisteria Lane der fiktiven us-amerikanischen Vorstadt Fairview, mit Ein- familienhäusern in Pastell und Veranden im Landhausstil, um sich anschließend in einer langsamen Kamerafahrt hinunter zu bewegen und am Gartenzaun eines Hauses zu verweilen, aus dem heraus eine Frau tritt. An dieser Stelle beginnt der Off-Kommentar mit den Worten: »Mein Name ist Mary Alice Young, wenn sie die heutige Morgenzeitung aufschlagen, werden Sie vielleicht auf einen Artikel stoßen über den ungewöhnlichen Tag, den ich letzte Woche erlebte.« Spätestens wenn sich die Erläuterungen zum Tagesablauf mit den Tätigkeiten zu decken beginnen, die damit enden, dass sich die Person im Bild eine Kugel in den Kopf schießt, wird klar, dass es sich bei der Sprecherin aus dem Off und der Frau im Bild um dieselbe Person handeln muss. Über den Kommentar der zum jetzigen Zeitpunkt bereits toten Mary Alice verschränken sich hier die Zeitebene des »vergangenen Donnerstags« und die der Gegenwart der Erzählung. Diese Tren- nung der hörbaren Stimme von ihrem gleichzeitig sichtbaren Subjekt ermöglicht nicht nur die Überlagerung zweier unterschiedlicher Zeiten, einer Zeit des Vergan- genen, und einer Zeit der Gegenwart, sondern errichtet auch zwei unterschiedli- che, wenngleich miteinander verbundene Räume, einen rein akustischen Raum und den sichtbaren Bildraum. Das sprechende Subjekt bleibt dabei unsichtbar, und spricht zu uns aus einem Raum, der sich vom Bildraum radikal unterscheidet: das Reich der Toten ließe sich vermuten, ein transzendentaler Raum jedenfalls, der sich in den Zuschauerraum ausdehnt. Auf diese Weise erfährt in der Loslö- sung der Stimme von ihrem Körper nicht nur deren phantasmatische Einheit eine Durchkreuzung, sondern auch das sichtbare Bild eine Grenzüberschreitung. Auch für Mary Ann Doane stellt die vom Körper losgelöste Stimme eine Irritierung des Verhältnisses von Bild- und Tonebene dar. Entgegen der geläufigen Auffassung,

31 Desperate Housewives (2004ff.) 160 Daniela Wentz service of the film’s of of the image.« spaceof service and only indirectlyservice in the construction In its own way, it accounts for lost space. The voice-off is sounda which is first and foremost in the register. not camera does the which world fictional the in space a thereis that claim the supports thus und image, the of that exceeds which extent an it gives diegesis, the deepens voice-off »The macht. erst möglich die Raumerfahrung gen erweist, Bedingun der eine als sich sondern setzt, zueinander spezifisches Verhältnis ein in nur nicht –, Kinos des hier – Dimensionen, räumlichen unterschiedlichen die welche nämlich, Instanz eine als gefasst, her Funktion raumerzeugenden seiner von Doane bei Voice-off das wird denke, abhängig Bild vom als Tonunterordne, Bildebene der Ton den welches sei, hierarchisches ein Verhältnis dieses wonach 33 u. 32 Räume. schiedener ver auch sondern Zeiten, verschiedener zwei nur nicht Schwelle der auf oszilliert in der der im Erzählebene Gegenwart Bild, nicht nur ihre Stimme, auch ihr Körper auch ist Alice Mary Denn Raum-Zeit-Gefüges. des Irritierung zusätzlichen einer zu jedoch Episode der Verlauf weiteren im es kommt zukommt, Gegenwart der jedoch Hörbarkeit reine ihre ist, markiert Vergangenheit der Zeit als immer halb des Bild im Anwesenheit ihre und Welt, dieser Teil mehr nicht eben Alice Mary dass gerechtfertigt, dadurch zunächst Modi unterschiedlichen diese Sind beiden. von keines doch und zugleich, Voice-over und Voice-off immer ist Polen, beiden zwischen beständig oszilliert Stimme Alices Mary Modus. anderen jeweils den in in geschieht Off-Tons des Verfahren unterschiedlichen beiden diesen zwischen Vermittlung Die kennt. dem aus Fernsehen aber allem vor Dokumentarfilmen, aus es man wie Voiceover-Verfahren körperlosen dem und andererseits, wird, zurückgegeben sen die an auch meist Diegese der in und ausgewiesen, gehörend Körper stimmten be einem zu als immer Doane von Klassifizierung der in welches einerseits, offs OffVerfahrendem zwischen Stimme die vermittelt Insofern Voice-desdem kommentiert. aus leben, Lane Wisteria der in Familien ihren mit die Housewives, Despera te 5 der Leben das die sein, Alice Mary von Stimme die es wird Serie der Verlauf gesamten den Über umgekehrt. etwa nicht und – hervorbringen, lichen, ermög erst unterschiedlichenZeitschichten die hier die es, sind Räume die Denn time eine formulieren, es man könnte so Bild, Tonund von Verschränkung überlagernden Zeitebenen verschiedene zwei der in Housewives space«, over power as »hallucination einer Effekt den Doane Voice-offs für oder Voiceovers des Funktion raumbildende die Besitzt a. (Hg.): a. Ebd., S. 343. 343. S. Ebd., Rosen Philip In: Space. and Body of Articulation The Cinema: the in The Voice Doane: Ann Mary . Narrative, ideology apparatus, Desperate Housewives Desperate . 1986. S. 335–348, S. 340. S. 335–348, . 1986. S. jedoch nicht durch den Wechsel des einen des Wechsel den durch nicht jedoch 33 so geschieht hier bei Desperate bei hier geschieht so hallucination as power over power as hallucination 32

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Ihre körperliche Wahrnehmbarkeit verdankt sich dabei aber eben sehr viel weniger deutlich der Sichtbarkeit der Toten, ihrer physischen Erscheinung im Bild, als viel- mehr ästhetischen Strategien, die ihrer Stimme Körperlichkeit geben, ohne dass etwa ein Körper sichtbar wäre. Die Rede ist hier vor allem von einer Kameraführung, die die Kamera mit Mary Alices Blick identifiziert und sie derart in das Bild integriert, sie dort nachgerade physisch wahrnehmbar werden lässt. So schwebt etwa auch in der letzten Sequenz der Pilot-Episode die Kamera/Mary Alice vom Himmel herab, um sich zu den bei- einander stehenden befreundeten Nachbarinnen zu gesellen, die sich vor Mary Ali- ces Haus versammelt haben. Es scheint, als nähmen die Freundinnen Mary Alice in ihren Kreis auf (sie stehen in einem Halbrund), als Susan nach der Entdeckung des geheimnisvollen erpresserischen Briefes, den Mary Alice an ihrem Todestag erhielt, in Richtung der Kamera und damit in Richtung der Leerstelle des Kreises schauend die Frage stellt: »Mary Alice, was hast du getan?« Der an dieser Stelle eigentlich zu erwartende Gegenschuss auf eine anwesende Mary Alice bleibt zwar notwendigerweise aus, nichtsdestoweniger ist es aber gerade diese Auslassung, die eine Irritation hervorruft. Denn der Effekt, der durch diese Auslassung, diese ge- fühlte Leerstelle verursacht wird, ähnelt dem der bereits diskutierten Sofaeinstel- lung der Sitcom: zum einen schenkt es einem Unsichtbaren Materialität, dort dem nicht sichtbaren Fernseher, hier der toten Mary Alice, zum anderen stellt es die Abgeschlossenheit des diegetischen Universums innerhalb der Diegese selbst in Frage, und macht damit auch ein mögliches Außen, einen anderen Raum denkbar. Nach dieser Szene schwebt die Kamera sich langsam entfernend, »engelsgleich«, wie sie vom Himmel herabkam, zu diesem wieder hinauf, das letzte Bild dieser Epi- sode zeigt genau wie die Wisteria Lane aus der Vogelperspektive. Ebenso wie Mary Alices Stimme scheint also auch der Kamerablick aus einem transzenden- talen Raum, einem Außen der Wisteria Lane zu kommen, und sie dorthin wieder zu verlassen. Diese beiden Ebenen, der akustische Raum, der durch das Voiceover eröffnet wird, und der Kamerablick, der als Mary Alices Blick die Geheimnisse der Wisteria Lane aufdeckt und begleitet, sind gerade auf Grund ihrer Verschränkung als vom diegetischen Raum unterschieden, als Blick von außen auf den eigentli- chen Handlungsraum der Serie identifizierbar. Gleich einem Re-entry wird mittels der Kameraführung der mit der Stimme Mary Alices aufgeschlossene und von der eigentlichen Diegese unterschiedene transzendentale Raum in den Bildraum wie- der eingeführt. Das dabei unterschiedene Außen, wie die Serie es hier imaginiert, ist jedoch nicht wie im Falle der Sitcom das Wohnzimmer der Zuschauer_innen. Denn mit der hier beschriebenen Wiedereinführung des Außen in den Bildraum wird zwar die Unterscheidung Innen/Außen erst denkbar, die vorgeführte extra- diegetische Referenz jedoch zugleich als eine intramediale erkennbar gemacht. So paradox es klingen mag: die auf diese Weise vollzogene Umkehrung des Verhältnis- 162 Daniela Wentz öne Ir bsnee etmug rarn is Frainn u Stichwe aus Formationen diese erfahren Bestimmung besondere Ihre könnte. Vorstadt us-amerikanische sein nichteine für typischer sie wie Sackgasse, eine ist Entsprechung. ihre Housewives Desperate Weltder sene nicht vielmehr oder kann. geben vonschieden esnicht einemAußen, gibt, das wives einmal die Toten. Genau Alices wie Stimme siedelt Mary auch macht deutlich, dass nichts dieser Welt entkommen kann, – augenscheinlich nicht Außen Das selbst. Abgeschlossenheit seiner Thematisierung die nämlich Effekt, gegenteiligen den aber damit erreicht werden, durchlässig und prekär Universum ses von Innen und Außen, von Diegese und Extradiegese lässt zwar das diegetische Epoche entstammen, sondern strukturell ähnliche Wahrnehmungen und Erfah und Wahrnehmungen ähnliche strukturell sondern entstammen, Epoche derselben nur nicht beide indem VerhältnisGroßstadt,besonderes modernen zur ein Film der etwa unterhält Denn Serie. der Referenzhorizont der als Fernsehen das sich erweist hier auch Und excellence. Vorstadtpar amerikanische als tigkeit Allgemeingül der Status den sich für beansprucht All-American-Suburb, die ist Fairview Gegenteil: Im stehen. Handlungsortes des Verortung konkrete eine noch für sich, für weder notwendigerweise also kann Fairview Namen. diesem mit Städte zwei oder ein es gibt Bundesstaat jedem beinahe In ist. USA den in namen Städte vorkommenden häufigsten am der einer spielt, Serie die der in Stadt, der funktionieren. und Lagebeziehungen Positionsänderungen über die beiden Straßenseiten und hinweg Blick- über allem vor die Personen, der Handlungen und Relationen die sie determiniert – verstehen zu funktional auch als räumlich sowohl ist dies und – unerlässliche Bedingung der Möglichkeit sondern der in ihr auftretendenSerie, Ereignisse. Wie ein der Schachbrett Handlungsort zufällige der nur nicht somit ist Lane Wisteria Die verlassen. wieder Nachbarschaft die sie sobald gehen, sie hin wo auch und kommen, sie woher rätselhaft, ist es Geheimnisse, dunkle allesamt verbergen Nachbarn hinzuziehende Neu wird. verfolgt Fernseher Brees an schaft live von angeschossen, wobei derdieses Geschehen gesamtenwiederum Nachbar gar Supermarkt einem in Geiselnahme einer während Lynette überfallen, Gasse dunklen einer in wird Susan heraus. lebensgefährlich durchaus als Orte legenen ge außerhalb vorkommenden spärlich äußerst die sich stellen Handlungsebene der auf denn verlassen, zu Lane Wisteria pastellfarbenen der Kulissenhaftigkeit gehört. der Serie sonal Wohngegenden der bevorzugt weißen oberen Mittelschicht, zu der ja auch das Per abgeschotteten gar und ganz den Communities‹, ›Gated sogenannten den in gen Und in diesem Sinne erweist es sich auch als wenig ratsam, die ausgestellte die ratsam, wenig als auch sich es erweist Sinne diesem in Und abgeschlos die findet ihresSchauplatzes räumlichenInszenierung der Auch in Schließlich ist es sicherlich auch kein Zufall, dass Fairview, der fiktive Name fiktive der Fairview, dass Zufall, kein auch sicherlich es ist Schließlich so in einem Zwischenraum, begreift sich selbst als hermetische Welt, unter

Denn die Wisteria Lane Lane Wisteria die Denn Desperate House ------163 rungen modellieren,34 so ist der privilegierte Topos des Fernsehens die Vorstadt. Insbesondere die bereits erwähnte Lynn Spigel hat aufs Ausführlichste analysiert, auf welche Weise sich das Fernsehen funktional mit den Bedürfnissen der entste- henden Konsumgesellschaft und der ihr entsprechenden Lebens- und Wohnform der Vorstadt-Mittelstandsfamilie verschränkt, indem beide eben nicht nur zur gleichen Zeit entstehen, sondern sich gegenseitig befeuern und befördern.35 Der Gegenschuss von Desperate Housewives, um Karl Sierek noch einmal zu bemühen, ist also nicht mehr das Wohnzimmer der Zuschauer_innen, sondern vor allem das Fernsehen selbst. Die »Neuartigkeit der Ordnung des Aussagens« besteht bereits in einem Ins-Verhältnis-Setzen des Anteils der Geschichte und des Aktuellen, des Alten und des Neuen, das vom Fernsehen selbst vorgenom- men wird. Desperate Housewives nimmt Bezug nicht nur auf frühere Zustände seiner selbst, sondern problematisiert auf der Handlungsebene, über das Setting und Dekor, sowie über die Verschränkung verschiedener Räume die immer schon phantasmatische Beziehung des Fernsehens zu diesem anderen Raum, der etwas ganz anderes ist als das Fernsehen, und doch zugleich einer seiner medialen Vo- raussetzungen: der Raum der Familie. In Desperate Housewives, so ließe sich formulieren, kommt das Dispositiv des Fernsehens schließlich zu sich selbst. Am schönsten ist es eben zu Hause.

34 Vgl. hierzu Oliver Fahle: Die Stadt als Spielfeld. In: Rainer Leschke, J. Venus (Hg.): Spielformen im Spielfilm. Zur Medienmorphologie des Kinos nach der Postmoderne. Bielefeld 2007, S. 225–238. 35 Vgl. Spigel; vgl. auch Lorenz Engell: Tasten, Wählen, Denken. Genese und Funktion einer philoso- phischen Apparatur. In: Stefan Münker, A. Roesler, M. Sandbothe (Hg.): Medienphilosophie. Beiträge zur Klärung eines Begriffs. Frankfurt/M 2003, S. 53–77.

165 Stadt Land Favela Raumkonzepte des neuen brasilianischen Films

von Martin Schlesinger

»Our cinema is new because the Brazilian man is new and the problematic of Brazil is new and our light is new and therefore our films are born differently from the European cinemas.«1 Der Ansatz dieses Aufsatzes ist neu! Beziehungsweise könnte er es sein – oder er war es eventuell einmal – und diese Behauptung kann so für sich stehen, ohne zu wissen, was sie in den Gegenwarten, in denen dieser Text geschrieben wurde, bedeutet hat, und was sie nun bei der Aktualisierung durch das Lesen aussagt. Zumindest möchte der Autor der Aufforderung der Herausgeber dieses Bandes folgen, und anhand des eigenen Gegenstands darüber nachdenken, wie ›die‹ Me- dienwissenschaft – und in diesem Fall speziell die Philosophie des Films als Be- obachtung und Beschreibung der Film-Philosophie – Gegenwärtiges und Neues beobachten und beschreiben kann, wieso und wie sie das augenblicklich tut, und in welchem Verhältnis diese Arbeit mit gegenwärtigen Medien und der Gegenwart der Medien selbst steht. Denn in der Tat stellte sich diese Frage der Handhabung und Erfassung der Gegenwart auch bei einer Auseinandersetzung mit neuen bra- silianischen Filmen seit Anfang der 1990er-Jahre.

Cinema da Retomada – Wieder neues Kino Der Goldene Bär für den Film Tropa de Elite (The Elite Squad, José Padilha, 2007) auf der Berlinale 2008 zeigte, was sich bereits seit Jahren abzeichnet: Bra- silien ist eine der thematisch und ästhetisch außergewöhnlichsten Kinokulturen. Nach den erfolgreichen Zeiten des Cinema Novo, des neuen politischen Kinos der 1950er und 1960er, brach die brasilianische Filmproduktion nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 und während der allmählichen Demokratisierung Anfang der 1990er nahezu vollständig zusammen.2 Erst neue Gesetzgebungen führten 1993 wieder zu einem Produktionsanstieg. Kommerziell erfolgreiche und künstlerisch auffallende Filme wieCentral do Brasil (Central Station, Walter Salles, 1998) oder Cidade de Deus (City of God, Fernando Meirelles und Kátia Lund, 2002) fanden international Anerkennung. Dieser Boom, der sich über mehrere Jahre er- streckte, wurde als ›Retomada do Cinema Brasileiro‹, als Wiederaufnahme des bra-

1 http://www.tempoglauber.com.br/english/cinemanovo.html (20.08.2008). 2 Vgl. Lúcia Nagib: Introduction. In: Dies. (Hg.): The New Brazilian Cinema. New York 2003, xvii–xxvi, hier: xvii ff. 166 Martin Schlesinger hungen der neuen Filme zum Cinema Novo in den Fokus rückten. Auch wenn Auch rückten. Fokus den in Novo Cinema zum Filme neuen der hungen Bezie die insbesondere und aufzeigten, Nachher ein Vorherund ein Kontinuität filmgeschichtlicher nach Suche der auf sie wobei beschrieben, Nullpunkt tischer theore ein als Filmwissenschaftlern brasilianischen von auch allem vor 1990ern werden können. Filme neueFilme finanziert gezeigter mittels der Einnahmen denen bei entstanden, den,unddurch diebisheute keine Produktionsgrundlagen wer rezipiert niemals sogar oder wenig Filme viele welche durch Vorführpolitik, und Distributions- Produktions-, der Versäumnissein die über Filmemacher sich nierendewerden. mit Studiosystem Filmindustrie errichtet Noch immer beklagen bezeichnet. Kinos silianischen 7 6 Daniel u. Caetano se des brasilianischen fehlenderKinos aufgrund ästhetischer Schwerpunkte namenlos bleiben wird. Vgl. 5 4 denovo. Retomada da Cinema Umbalanço crítico mada década sobre uma Ensaios 3 mitKampf audiovisuellengrafischesProgramm füreinen Waffen, für eine ethisch nicht richtig verstehen. Um dieses Problem zu lösen, Rocha entwarf ein kinemato auch Elend das könnten diese vermitteln, nichtrichtig Europäern den ihreArmut Lateinamerikaner die dass Dadurch, konsumieren. Objekt ästhetisches rein als das Elend Lateinamerikas nicht als ein tragisches Symptom wahrnehmen, sondern Beobachter europäische dass Rocha, sich beklagte diesem In verfasste. Bewegung Manifest Novo-der berühmteste 1965diesem mit der das Cinema Rocha, Glauber Fome« da »Eztetyka Text den auf sich bezieht Hungers‹ des ›Kosmetik als Filme neuen definieren. zu Retomada, da Cinema dem Kino, neuen Novo,neuen dem und Cinema dem Kino, neuen alten dem zwischen »Cosmética da Fome« des (Kosmetik Hungers) versucht, ästhetische Unterschiede Bezeichnung gewordenen Schlagwort zum ihrer mit hat Bentes Ivana allem Vor /Neues NeuesAltes Neues Kino Kino beschrieben. ästhetischer alsein Einschnitt wie bedeutet, er genannt werden kann und ob er eventuell zu Ende ist, wird dieser Bruch dieser was ist, darüber einig nicht Filmwissenschaft brasilianische die sich die Leser zum aktiven Entziffern und somit möglicherweise zum besserenzum möglicherweise soll.somit Entziffern und Verstehen aktiven zum lotsen die Leser se Rochas, die nicht nur in diesem Text auftaucht, kann als Verfremdungseffekt interpretiert werden, der 63–67. Das Manifest müsste korrekt portugiesisch ›Estética da Fome‹ heißen. Die eigenartige Schreibwei 1995, 69–71. S. G. Orig. Eztetyka Rocha: da Fome. In: Ders.: ee dr idrunhe e Pouto wre i Weekh i den in Wiederkehr die wurde Produktion der Wiederaufnahme der Neben Glauber Glauber Rocha: An Esthetic of Hunger. In: Johnson, Randal Stam: Robert 121–137. S. and the Brazilianfavela film.In:Nagib, Bentes:Ivana sertão The in contemporary unangebracht ›Retomada‹ Manche Quellen sind derder istdassdass Begriff Ansicht, undPha diese 23–35. S. In: Nagib, The cinema thatBrazil Diegues: Carlos deserves. Vgl. Hauptreferenzen zum ›Cinema da Retomada‹ sind: Daniel Caetano (Hg.): . São Paulo 2005; Lúcia Nagib (Hg.): 7 (Ästhetik des Hungers) des wohl bekanntesten brasilianischen Regisseurs Regisseurs brasilianischenbekanntestenwohl des Hungers) des (Ästhetik a.: 1995–2005: Histórico de uma década. In: Ders., S. 11–47, In:Ders., S. 11. 1995–2005: Históricode década. uma a.: S. hier: . Rio de Janeirode Rio Ferreira. Sidney 2005; Leite: 3 Dennoch konnte bis heute keine wirklich funktio wirklich keine heute konntebis Dennoch The Cinema NewBrazilian . SãoPaulo 2003. 6 Ihre Beschreibung des Aussehens der Aussehens des Beschreibung Ihre 5 Revolução do Revolução NovoCinema . New York 2003; Luiz Zanin Oricchio: Cinema Brasileiro. Das origens à retoà Brasileiro. origens Cinema Das Cinema Cinema brasileiro 1995–2005. Brazilian Brazilian cinema . São Paulo 2004, S. . New York 4 ------167 richtige, revolutionäre filmische Ausdrucksweise, die er als »Ästhetik der Gewalt« bezeichnete.8 Nach neorealistischem Vorbild und im Namen des ›povo‹, des armen Volkes, das zu Zeiten der aufkommenden Diktatur fehlte, nicht als Nation exis- tierte, und das deshalb durch die Filme geschaffen werden sollte,9 galt das Filmen sozialer Probleme als geradezu einzige Existenzberechtigung für brasilianische Re- gisseure. Im Mittelpunkt standen, erstens, die Darstellung des Kontrasts zwischen Arm und Reich; zweitens, gewaltsame Konflikte, die Menschen in Armut zu lösen haben; drittens, die Auseinandersetzung mit dem durch die Sklavenkultur gepräg- ten Rassismus; sowie viertens, die Religiosität der armen Bevölkerung.10 Die Entstehung und filmische Konstruktionen dieser Ästhetik der Gewalt sind dabei mit bestimmten Orten verbunden, an denen Erzählungen möglich werden, wie sie nur für das und im brasilianischen Kino möglich sind. Dies sind nicht unbe- dingt reale Orte, sondern Filmschauplätze, filmische Bildräume, mit Charakteren, die in spezifischen Narrationen Sinngeschichten fortführen, die das brasilianische Kino seit Jahrzehnten produziert und immer wieder neu gedacht hat. Grundle- gend geht es dabei um drei Gebiete, die miteinander in Beziehung stehen: Das wäre erstens, die an die Städte angrenzende oder inmitten der Stadt erbaute Fa- vela, eine spezielle Form von Armensiedlung; zweitens, die Großstädte wie São Paulo und Rio de Janeiro und deren spezielle Favela-Formen; und drittens, der so- genannte Sertão, das trockene Hinterland mit seinen Savannen im Nordosten Bra- siliens, das, vergleichbar mit dem nordamerikanischen Monument Valley, durch viele Filme zu einem mythischen, symbolischen wie imaginären Filmort geworden ist. Mit diesen bestimmten Orten sind im Cinema Novo gewisse ästhetische Vor- stellungen und technische Vorgehensweisen verbunden. In Anlehnung an neorea- listische Strategien wurde z. B. 1964 in Glauber Rochas Deus e o Diabo na Terra do Sol (Gott und Teufel im Land der Sonne) der Sertão mit Handkamera in einem blendenden, konstrastreichen Licht ohne Filter porträtiert, wodurch das harte Leben in diesem Gebiet für den Kinozuschauer sinnlich erfahrbar gemacht werden sollte. Ivana Bentes bemerkt, dass das brasilianische Kino der 1990er von einem völlig anderen ›look‹, von einem neuen ›image‹ geprägt ist, das sich nicht mehr als real, authentisch und angemessen, sondern vielmehr als glamourös, primitiv folkloris- tisch, und kommerziell beschreiben lässt: »It is a move from the ›aesthetics‹ to the ›cosmetics‹ of hunger, from the ›camera-in-hand and idea-in-mind‹ (a hand-to-hand battle with reality) to the steadicam, a camera that surfs on reality, a narrative that values the beauty and the good quality of the image, and is often dominated by conventional techniques and narratives.«11 Die Volksvertreter dieses neuen Kinos,

8 Vgl. Rocha 2004, S. 66. 9 Vgl. Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt/M. 1991, S. 277–288. 10 Vgl. Regina Aggio: Cinema Novo. Neues brasilianisches Kino 1954–1964. Remscheid 2005, S. 119. 11 Bentes, S. 125. 168 Martin Schlesinger only possible redemption, is through fame and popularity inthe media.« redemption,only possible fame isthrough and popularity be respected as a media character or a criminal. will one then citizen, a as respected not is one »If Befreiungsutopie: neuartige die Filmen mehreren in Bentes laut sich zeigt kann, verschaffen Stadtviertel reichen der Welt besseren zur Zugang Musik seine durch sich der Favela-Komponisten, des Filmfigur populären der Anhand vermarktet. und ausbeutet teriallieferanten Aufstiegschancen führen sie direkt in die die Kulturindustrie, sie als bloße Rohma sozialen spärlichen eines Ihre Schaffung beitragen. zur rebellierenVolkes und gen Bedingun unmenschlichen die gegen mehr nicht nun können kommen, Favelas den oder Hinterland dem aus die Protagonisten, filmischen marginalisierten die 15 328. S. hier: 322–331, S. positiv? In: Ders: 14 13 75–89. 2004, S. Berlin (Hg.): Lanz 12 Vorbilder auf Rückbezug unter waren, Theoretiker eigenen) (ihre zugleich manchmal die Regisseuren, von gegenwärtig sofort damals wurde Neue Das betiteln. zu ›neu‹ als Bewegungen kulturelle und Filme sein, zu wesen der Medien selbst? einerGegenwart zu Beschreibungen und Beobachtungen hinaus darüber stehen Verhältnis welchem kosmetischen? modischen, oberflächlichen, von nur nicht und sprechen verhaften? Lässt sich dabei von wirklich strukturellen dispositiven Veränderungen zu Novo Cinema des Ideologie der an und Kanon traditionellen am ohne werden analysiert Filmgeschehens heterogenen des Veränderung ästhetische eine kann des brasilianischen Films erfassen, historisch einordnen und systematisieren? Wie ben haben: Mit welchen Methoden lässt sich diese unbestimmte, neue Gegenwart FFK-Bandes als allgemeinen Rahmen für unterschiedlichste Gegenstände vorgege ten bestehenund eben dieWissenschaftler Fragen, welche die Herausgeber dieses die Filme heute andersistmehr alsKosmetik.« behaupten,man aussehen, »daß kann so Denn, sein. Filme brasilianischer Konzeptbildungen folgende für punkt Ausgangs nur kann und zufriedenstellend weniger allerdings ist Kosmetik als tik schaftlichen Debatte in Brasilien beigetragen. Die filmwissen Bezeichnung dieser zur neuen Ästhe Wandels ästhetischen größeren eines Beschreibung bedeutende eine Bentes Ivana hat Filmen ›neuen‹ mit Filmen ›alten‹ Vergleichvon ihrem Mit der Medien /Gegenwarten Medien der Gegenwarten Während des Aufkommens des Cinema Novo schien es unproblematisch ge unproblematisch es schien Novo Cinema des Aufkommens des Während Journalis brasilianischer Filmanalysen über Überblick einem von Ausgehend war Rocha z. Für Glauber Dis ein ist Was Deleuze: Gilles Vgl. Aussagesystems«. des »Neuheit die zählt Deleuze Gilles Nach Lorenz Engell: Ebd., S. 136. Siehe auch Ivana Bentes: Das Copyright des Elends und das Bild als Kapital. In: Stephan City of COOP. Ersatzökonomien und städtische Bewegungen in Rio de Janeiro und Buenos Aires Buenos und Janeiro de Rio in Bewegungen städtische COOP.und of Ersatzökonomien City Schizophrenie Schizophrenie und TexteGesellschaft. und Gespräche von 1975 bis 1995 Sinn und Industrie. Einführung indieFilmgeschichte Einführung undIndustrie. Sinn B. Mauro der Filmemacher nationales ein Vorbild. Humberto In both cases, the only way out, the . Frankfurt/M. 1992, S. 104. 1992, S. . Frankfurt/M. 15 und der Distanzie der und . Frankfurt/M. 2005, 12 14 Und in Und 13 ------. 169 rung von Antagonisten16 postuliert: neue Techniken, wie Handkameras; eine neue programmatische Filmästhetik; neue Theorien, die während des Erscheinens der Filme publiziert wurden; die Entstehung eines neuen Volkes, durch die Produktion von Filmen; eine neue Kultur usw. Auch heute könnte eine Forderung des Neuen und eine Untersuchung brasi- lianischer Filme, mit dem Produktionseinbruch Anfang der 1990er als Orientie- rungsmarke, von derartigen Elementen ausgehen und durch sie legitimiert wer- den: von Apparaten, Techniken, Institutionen, die an der Produktion von Filmen, im Feld des Filmischen beteiligt sind, und sich auf den Film als »dispositive[n] Kern«17 auswirken; und ebenso von kulturellen Praktiken und einem spezifischen Umgang mit Film.18 Der Begriff des Dispositivs ist hierfür »ein Konstrukt oder ein Denk- und Beschreibungsansatz gerade medialer Phänomene, in dem materielle Gegebenheiten und Beschaffenheiten apparativer, technischer Objekte mit phy- siologischen, psychologischen, epistemologischen und soziologischen Strukturen verschränkbar gemacht werden.«19 Medienwissenschaftler interessieren sich für dispositive Ereignisse, materielle und immaterielle Strukturen, die je nach narrati- vem Verfahren als Evolution oder Geschichte den Medien zugeschrieben, oder als selbstreflexive Geschichte der Medien beobachtet werden können.20 Dabei, und das wäre eine Annäherung an die Fragestellung dieses FFK-Bandes, erforscht die Medienwissenschaft immer schon die Gegenwart, auch wenn sie sich mit Vergan- genem beschäftigt. Sie erkundet die Medien, die Beobachtungen von Historischem ermöglichen, die Bedingungen der Beobachtung und die Schichten, in denen Me- dien ihre Geschichtlichkeit reflektieren, die medialen Historiographien, die mit der Gegenwart der Beobachtung zusammenfallen. Aus Theorien von Gegenwarts- philosophen (oder von solchen, die es bis vor kurzen waren), die mit Begriffen wie z. B. ›Dispositiv‹ komplexe Strukturen fassbar gemacht und mit Sinn erfüllt haben, wissen wir, dass jedes Medium eigene Gegenwarten hervorbringt, eigene Zeitlichkeiten und Räumlichkeiten, die nicht fest strukturiert, sondern instabile Konstellationen sind. Die Gegenwarten einzelner Medien, die in Medienereignis- sen beobachtet werden können,21 entwickeln sich in historischen Abschnitten als

16 Vor allem das kommerzielle, kolonialisierende Hollywood-Kino. 17 Lorenz Engell: Die genetische Funktion des Historischen in der Geschichte der Bildmedien. In: Ders., Joseph Vogl (Hg.): Archiv für Mediengeschichte: Mediale Historiographien. Weimar 2001, S. 33–56, hier: S. 40. 18 Zu diesem Medienbegriff vgl. William Uricchio: Medien des Übergangs und ihre Historisierung. In: Engell, Vogl, S. 57–72, hier: S. 58. 19 Engell 2001, S. 41. 20 Vgl. ebd., S. 42ff. 21 Siehe z. B. zur Gegenwart des Fernsehens Lorenz Engell: Tasten, Wählen, Denken. Genese und Funktion einer philosophischen Apparatur. In: Stefan Münker, A. Roesler, M. Sandbothe (Hg.): Medi- enphilosophie. Beiträge zur Klärung eines Begriffs. Frankfurt/M. 2003, S. 53–77. Oder zur Gegenwart des Computers Engell 2001, S. 56. 170 Martin Schlesinger des Neuen verbunden. Ereignisse und Gegenwartsabschnitte spezifische jeweils sind Einteilung dieser Moderne Zweiten der Film dem auch Deleuze mit und nach neuerdings und postmodernen, modernen, klassischen, dem systematisch und Bezug auf das Kino ist es nicht ungewöhnlich Filme mit Gilles Deleuze ten, Disziplinargesellschaften oder Kontrollgesellschaften werden lassen. Souveränitätsgesellschaf zu sie beitragen, Gesellschaften von Umgestaltung zur von Medien. ›Nicht-mehr‹›Noch-nicht‹und als Zukunft Vergangenheitund zwischen oder ten Gleichzeitigkeiten, als Zusammentreffen des Verschiedenen, Dauern,Punktualitä 28 (Hg.): Leitner des Filmssiehe Birgit LorenzEngell, der Philosophie enphilosophie 27 26 Weimar 133ff. 2003,S. 25 24 243-262. 1993, S. Deleuze: Postskriptum über die Kontrollgesellschaft. In: Ders.: 23 80. S. hier: 73–81, 22 des Denkensvoner eigene Konzepte sichtbar.sichdass Urheber und Ort Er zeigt, Film.« dem nämlich: zuzuschreiben, auch damit und beschreiben zu beobachten, zu Film-Philosophie die es, ist Films des Philosophie der Praxis und Aufgabe »Anliegen, werden. erkennbar Films des Problematiken spezifische als die und stellt, ›er‹sich die Fragen, mit nun sich tigt Folgengen und möglichen und wird philosophischen zum somit Film. Er beschäf Voraussetzungen,Bedingun eigenen seinen mit sich befasst wandelbar, und lich beweg als selbst selbstreflexiv, sich Film begreift moderne der erst wird so kann, Film.« ne moder der ist Film philosophische »Der definiert: Film-Philosophie der Beginn den als Film modernen den hat können, werden betrachtet Philosophien fischer spezi und Theorien eigener Denkens, eigenen Orte als sondern abbilden, einfach nen. Cinema Novo, der Nouvelle Vague oder des Neuen Deutschen Films, sich neu nen des z. wie Filme, Philosophie moderne dass werden, vertreten kann Films, der Medienwissenschaft, speziellen einer Perspektive der Aus des Films/Film-Philosophie Philosophie

Lorenz Engell: Die optische Situation. In: Engell, Leitner, S. 214–241, hier: S. 215. S. hier: 214–241, Leitner, optischeSituation.In:Engell, Die Lorenz Engell: S. (Hg.): Nagl L. Sandbothe, Mike In: Films. des Medienphilosophie Engell: Lorenz VerhältnisZum von Avantgarde 54. 2001,S. Engell vgl. und Film-Philosophie Siehe Oliver Fahle: Siehe Gilles Deleuze: Foucault: Michel grundlegend Siehe S. Vogl, Engell, In: Bildmedien. der Denken Historisches Konzepte. Bewegliche Fahle: Oliver Vgl. 26 Die Philosophie des Films, die davon ausgeht, dass Filme Philosophie nicht Philosophie Filme dass davondie ausgeht, Films, des Philosophie Die 27 (Deutsche Zeitschrift für Philosophie/Sonderband, Bd. 7). Berlin 2005, S. 289. Zur Gegenwart Auch wenn davor bereits von einem Film-Denken gesprochen werden gesprochen Film-Denken einem von bereits davor wenn Auch 22 Wir wissen, wie mediale Dispositive mit ihren eigenen Gegenwarten Bilder Bilder der Zweiten Moderne Das Bewegungs-Bild. Kino 1 Kino Bewegungs-Bild. Das brahn n Strafen und Überwachen 28 In der Film-Philosophie wird der Film als Film der wird Film-Philosophie der In . Weimar 2005; oder auch Silke Egner: . Frankfurt/M. 1989; 1991. und Deleuze . Frankfurt/M. Unterhandlungen Unterhandlungen 1972–1990 Philosophie des Films des Philosophie FakutM 19; n Gilles und 1994; Frankfurt/M. . B.Avantgardefilme des 25 zuzuordnen. Mit Mit zuzuordnen. Systematische Medi Systematische . Weimar 2007. Bilder Bilder der Farbe 24 . Frankfurt/M. historisch 23 Und in ------.

171 entwickeln kann, für welche die Philosophie des Films Begriffe finden muss, um diese Konzeptualisierung als filmische erkennbar machen zu können. Eine methodische Vorgehensweise der Philosophie des Films ist demnach die alleinige Untersuchung der Gegenwart einzelner Filme. Mit dieser Prämisse kann Neues als strukturelle Veränderungen nur binnenfilmisch durch filmische Konzep- te verstanden werden, nämlich dort, wo Filme Konzepte des Neuen – in welcher Form ist eine andere Frage – entwickeln und diese sichtbar reflektieren. Während dispositive Gegenwarten und Neuheiten von Produktion, Distribution, Projektion, Rezeption usw. um die Filme herum nicht ohne Weiteres überblickt und als Erklärungen für neue Ästhetiken brasilianischer Filme der 1990er heran- gezogen werden können, geht es der Philosophie des Films nicht um derart umfas- sende Narrationen und Sinnzusammenhänge. Somit tritt auch nicht das Problem auf, dass sich die Gegenwart des Dispositivs entzieht, und erst in der Zukunft, mit zeitlichem Abstand, schlüssig aufgezeigt werden kann, was wirklich neu war und eventuell widerum zu neuen ästhetischen Veränderungen geführt hat. Es ist gut zu wissen, mit welchen Techniken Filme produziert werden; dass neue Förder- gesetze und Kooperationen mit Fernsehsendern Filme wahrscheinlicher machen; wie Bilder aufgenommen, gespeichert, vervielfältigt oder konsumiert werden. Für die Philosophie des Films jedoch sind Technologien, Institutionen oder Praktiken zweitrangig, wenn filmische Konzepte der Gegenwart oder des Neuen erkannt werden wollen.29 Wenn in Filmen Neues entsteht, dann kann es in der Gegenwart einzelner Filme gefunden werden. Dort ereignet es sich schon immer, auch wenn es nicht beobachtet und beschrieben wird – aber erst durch Beobachtungen und Beschreibungen wird es verständlich, wenn Betrachter in Form von Medienwis- senschaftlern im günstigsten Falle mit den Filmen denken und nicht ›nur‹ über sie schreiben. Gehen wir also davon aus, dass die eigenartige Ästhetik brasilianischer Filme ab den 1990er-Jahren, die teils zu prächtige Farbgestaltung und die Verwendung von Steadicam anstatt der Handkamera, nicht schlicht als Kosmetik abgehandelt wer- den kann. Auch wenn es befremdlich erscheinen mag, wie neue Filme Geschichten über soziale Gegensätze inszenieren, hat das brasilianische Kino mit dieser Ästhe- tik Filme hervorgebracht, die nicht weniger human sind als vorherige, sondern die ihre Gemachtheit reflektieren und dabei moderne Narrationen und Räume erschaffen, die an einer globalen Entwicklung audiovisueller Bilderwelten beteiligt sind. Als Produkte einer Kulturindustrie imitieren sie dabei nicht einfach minder- wertig einen konventionellen, globalen Hollywood-Stil, sondern sie sind in ihrer eigenständigen Ästhetik auch über Brasilien hinaus lesbar und verständlich.

29 Siehe z. B. auch Daniel Frampton: Filmosophy. London & NewYork 2006, S 204–213. 172 Martin Schlesinger was kann schließlich anhand ausgewählter Filme über die Erschaffung des brasili des Erschaffung die über Filme ausgewählter anhand schließlich kann was Und werden.Brasilienhandelt auf? Welchefilmische dieses weist Räumlichkeiten ver neu möglicherweise Grenzen soziale und gedacht Films des Bildraum im de Inklusion und soziale Differenzen danngeht, istzu schauen, wie diese Unterschie Exklusion, um ermöglichen, Filme diese welche Gebieten, ungleichen seinen und Brasilien in es Wenn begreifen. Orte diese selbst Filme die wie ergründen, zu ist und auffallendden Filmen nun ›in einem vermehrt neuenLicht‹ dann erscheinen, wie Orte, der Sertão, die Favelas oder die brasilianischeGroßstädte im Vergleich dass zu vorhergehen stimmt, es Angenommen Bentes. Ivana von Beobachtungen die sind Konzepte film-philosophischer Erforschung die für Ansatz möglicher Ein Film /Raum 33 sobre brasileiro ocinema Ensaio Brasil emtempo decinema. de1958 a1966 Schumann: 32 31 30 der Eigendefinition.« Begrenzung, gung stellen, sich über diese Grenzen begreifen. Sie entwickeln dann Konzepte der zur so Verfü sich sie reflektieren und Grenzenihre auf können Sie hinweisen. sie auf ausweisen, sie sie indem aufweisen, sie sie indem produzieren, Grenzen ihre »könnenFilme haben: Zeit und ihreFilme Grenzeneigenen Raum in dass wissen, zu wichtig es ist Grenzübergänge der und Raumes filmischen des Ästhetiken von werden. Analyse dieFür konstruiert erstmaligund neu Film keiten,jedem mit die hier also um den d. audiovisuellen Raum, geht Es Grenzziehungen werfen. filmästhetischer Möglichkeiten die undGrenzen medialen eigenen ihre auf Blick einen Filme diese dass zeigen, die Transitionen, filmspezifischen zu ebenso sondern nächsten, einem zu Ort bestimmten einem von oder anderen einen in Raum einem von Übergängen zu nur nicht kommt jedoch es Dabei ereignen. Gliederungen räumlicher Veränderungen regionale Zeitraum als bestimmten einen über auch sich können sondern Großstadt, und la Fave Sertão, zwischen zwingend nicht sich müssen Übergänge Diese inszeniert. Orten diesen zwischen Grenzübergänge sichtbar Filmen brasilianischen neuen waren, verbunden Machtstrukturen lokale und Schicksale stimmte be Charaktere die für Bedingungen räumlichen begrenzten den mit und wurden, betrachtet voneinander getrennt Klassen unterschiedlicher Krisen sozialer Orte Pauloals São Großstadt die oder Hinterland arme das Novo Cinema im Während anischen Volkes werden? Charaktere‹ ›medialen gesagt und seine Um es im Rahmen dieses Aufsatzes machen,zu kurz behaupte Um iches im Rahmen Folgendes: Lorenz Engell: Lorenz Engell: z. Siehe Schlesinger: siehe Martin Für eineausführlicheArgumentation 11. Anm. Vgl. Handbuch des brasilianischen Films brasilianischen des Handbuch B. über das urbane Szenario der sechziger Jahre und über die »Ästhetik der Krise« Peter B. Krise« der »Ästhetik die über Jahreund sechziger der Szenario urbane das B. über Bilder derEndlichkeit Bilder . Weimar 13. 2005,S. 33 . Frankfurt/M. 1988, S. 25ff., oder Jean-Claude Bernardet: Bernardet: oder Jean-Claude 25ff., S. 1988, Frankfurt/M. . h. um visuelle und akustische Räumlich Brasilien derBilder . SãoPaulo 2007. 30 . Weimar 2008. 32 edn in werden 31 ------

173

Film / Favela: Cidade de Deus Um zu verdeutlichen, wie das in Einzelfällen aussehen kann, möchte ich auf kleinstem Raum auf den Favela-Film Cidade de Deus von Fernando Meirelles und Kátia Lund eingehen. Cidade de Deus ist ein besonderer Favela-Film. Auch wenn Handlungen immer schon an irgendwelchen Orten situiert sind und auch in Favelas spielen können, nimmt hier das gleichnamige Wohngebiet als ein sich wandelnder Schauplatz eine zentrale Rolle ein. Die Handlungen hängen eng mit der Entwicklung der Wohnsituation, den architektonischen Veränderungen und der räumlichen Differenzierung zusammen. In einer Chronik des Drogenhandels und der kriminellen Ereignisse bestimmen die lokalen Verhältnisse den Bewe- gungsspielraum der Bewohner. Der Film berichtet über einen Zeitraum von knapp drei Jahrzehnten (1960er, 1970er, 1980er) zum größten Teil von überwiegend kriminellen gesellschaftlichen Außenseitern, die in der Peripherie von Rio de Janeiro leben. Aus der Sicht des all-

Abbildung 1 wissenden Erzählers Buscapé werden in einem Rückblick mit Rückblicken mehrere Lebenswege, Geschichten in Geschichten in Geschichten, gezeigt, die den Film als ein Netz von Einzel- und Gruppenschicksalen errichten. Da die Struktur des Films außergewöhnlich und wegen der vielen Haupt- und Nebendarsteller sehr komplex ist, fällt es schwer, diese hier nachzuerzählen, weshalb ich mich allein auf die aktive Raumgestaltung durch den Off-Erzähler beschränken möchte.

Nach wenigen Bildern wird mit einer Art Filmlogo ein zentrales Motiv präsen- tiert (vgl. Abb. 1). Ein Junge fotografiert hinter einem Gitter gegen die Kamera, darunter erscheint der Filmtitel Cidade de Deus. Dieses Bild wird am Ende er- klärt, wenn der Off-Erzähler und zugleich sichtbare Protagonist Buscapé jenseits dieses Steingitters Fotos schießt. Dabei wird hier durch die Rahmung und das 174 Martin Schlesinger zum ersten Mal erscheinen. Er selbst existiert in den Bildern zweimal, als kleiner kleiner als zweimal, Bildern den in existiert selbst Er erscheinen. Mal ersten zum z. er weist So würde. anschauen Film den uns mit gleichzeitig er ob als erzählt, Er Bildern. den zu nis Verhält bestimmten einem in Jungen des Stimme die steht Dabei Rückblicken. mit Rückblick ein ist Voice-over-ErzählungBuscapés Die Handlungen. folgenden der Zukunft unabwendbaren zur Einführung diese wird konnte.Gleichzeitig men kom Drogensoldaten und Polizei zwischen Showdown anfänglichen zum es wie gen, die wirdbegonnene Erzählung stillgestellt, aufgeschoben und es wird geklärt, zurückgesprun Zeit der in wird Intro einem Nach werde. erläutern näher gleich ich das eingeführt, Element visuelles bedeutsames ein ist, sehen zu denen Raster dieses in Sekunden den in Bildermachen, das durch also Kamera, der Auslösen (20.08.2008). Bauhaus- 2006/07, Wintersemester im Universität Vorlesung Weimar, http://www.uni-weimar.de/medien/philosophie/lehre/ws0607/Vorlesung%201.pdf 20.10.2006, Objekt. theoretisches als Film – rung 34 Fotoap eines Klicken das dann ertönt Off Im wird. fortgesetzt Bewegung deren Teile der des Bewegung Filmbildes sind, aus der sie herausgenommen werden, und schon immer die hervorgehoben, Momente beliebige werden einen Zum werden: unterschieden Momentaufnahmen von Arten drei mindestens zwischen kann Es nenne. Beispiele einige knapp nur hier ich wobei Montageideen, vielerlei durch und Stillstellens des Operation die durch geschieht Dies aufmerksam. streifens Zelluloid des ›frames‹ einzelnen die Fragmente, seine auf Films, des tografische Fo das auf Stellen mehreren an Film der macht Dabei Fotos. beständig Fotograf spielen. indiesen bestimmten Zeitpunkt einem zu Personendie Rolle welche an, Erzählperspektive die auf kommt Es ten. Geschich verschiedener PersonenBruchstücke zahlreichen sind Die kausal. ßerst äu sondern unbestimmt, nicht sind Zusammenhänge und Fragmente narrativen vielen Die aufzubauen. verständlich Begebenheiten die darin, besteht stimmung erstellen. zu Ereignisse der Theorie eine in es geht erhalten,Tat zu kriminelle anscheinend eine für Erklärung eine versucht, Fotos, von Anordnen verschiedenartiges durch oder Vergrößerungen wie Methodiken, bestimmten und Fotoapparaturen von fe angehender Fotograf ist. zugleich sondern Off-Erzähler, nur nicht er dass Zufall, kein es ist dabei Und kennt. Drehbuch das Verlauf, weiteren den auch sondern Hintergründe, alle nur nicht der obachters, Be allwissenden eines Blick den hat und Verknüpfungen die generiert Bescheid, Zusammenhänge alle über er weiß ist, anwesend Situation jeder in nicht er wenn Junge und als Jugendlicher, wodurch seine Stimme ebenso im On auftaucht. Auch Die Drogensoldaten greifen zu Waffen, und Buscapé schießt als angehender als schießt Buscapé und Waffen, zu greifen Drogensoldaten Die Antonionis Michelangelo in Während Siehe zur Theorie des Films des Theorie zur Siehe B. mit ›Das da ist …‹ auf bestimmte Personen hin, wenn sie wenn hin, Personen bestimmte auf …‹ ist da ›Das mit B. Blow Up Blow Lorenz Engell: Engell: Lorenz 34 Die Ereignisse sind klar. Buscapés Be Buscapés klar. sind Ereignisse Die Blow Up Blow Theorie des Films des Theorie Cidade de Deus deCidade (1966) ein Reporter mit Hil mit Reporter ein (1966) . 1. Vorlesung: Zur Einfüh Zur Vorlesung: 1. . nicht darum, darum, nicht ------175 parats, der Film wird angehalten, im ›film still‹ wird geschwenkt und gezoomt, und Buscapé erklärt die Rolle der sichtbaren Personen. Dann gibt es Momente, die explizit als Fotos inszeniert werden, wie das Posieren der Drogenbande, die sich für Buscapé vor der Kamera aufstellt. Und schließlich gibt es eine Szene, in welcher Buscapé die Ermordung des Drogenbosses Zé Pequeno ablichtet, für einen Mo- ment im Filmbild der ›focus screen‹ des Fotoapparats sichtbar wird, und sich der Fotoapparat zur Filmkamera bzw. die Filmkamera zum Fotoapparat wandelt. Das zunächst bewegte Bild des toten Drogenbosses erscheint daraufhin als Foto auf einem Negativstreifen und dann in einer Zeitung. Ein Fotogramm des Films selbst taucht hier also erneut als Negativ und als gedrucktes Schwarzweißfoto auf. In diesen fotografischen Momenten stehen die Bilder jedoch nicht einfach still, in einem unbewegten Rahmen, sondern es handelt sich immer schon um beweg- te Stillstände. Die ›film stills‹ werden verschoben oder per Zoom und Lupe ver- größert. Diese Bewegungen entstehen nicht durch die Kamera im Verlaufe einer Aufnahme, sondern sie werden den Bildern erst nachträglich zugefügt. Somit er- halten auch die beliebigen Momente eine eigene zeitliche Dimension, die nicht mit einer Dauer innerhalb einer Bewegung im Film vereinbar ist, sondern eine be- liebige zeitliche Verlängerung vorführt. Weitere Beispiele lassen sich in der Mon- tage in unbewegten, aber auch in bewegten ›split screens‹ finden, in horizontalen Verschiebungen der Bilder, durch welche nicht zwischen den Szenen gesprungen, sondern zu diesen hingeschoben wird. Die dynamischen Stillstände, die sichtbaren Rahmungen und Rekadrierungen, dienen dem Erzähler Buscapé als Beweise für die Schlüssigkeit seiner Geschichten. Und wie besonders am Ende deutlich wird, hat er die Wahl, wie die Gesamtbewegung des Fillms enden soll. So entscheidet er im Off darüber, welches der zahlreichen Negative er für die Zeitung entwickeln lassen wird: den toten Zé Pequeno und nicht die lebendigen, korrupten Polizis- ten, deren Rache er fürchten müsste. Es wird deutlich, dass die stillgestellten, aber bewegten Bilder etwas sind, auf das Buscapé ständig rekurrieren kann. Der kom- plexe Raum der Film-Favela wird als ein Produkt abgeschlossener, aber stets neu kombinierbarer Rahmungen erfahrbar. Jedes Bild in diesem Film ist immer schon gerahmte Fotografie, immer schon da, Teil einer Negativgeschichte, die entwickelt werden kann, bereits entwickelt vor dem Erzähler liegt, und der anhand dieser seine Erzählräume baut.

Index-Ort Welche Konsequenzen haben nun diese Beobachtungen? Die Evidenz des Foto- grafischen im Film produziert nicht nur einen Hinweis auf seine einzelnen Bilder, sondern zeigt, dass sich diese Bilder in einer eigenen medialen, räumlichen Anord- nung, an einem speziellen Ort befinden. Diesen Ort möchte ich ›Index-Ort‹ nen- nen, da er wie ein Foto-Index des Films funktioniert. In Cidade de Deus bildet der 176 Martin Schlesinger einer Film-Favela, werden. durch möglich Methoden diese besonderen welche Formen also Räume, filmischen neuartigen welche reflektiert, denkt ihn durch und In konstituieren. Verhältnisse räumliche und zeitliche und können werden möglich, weil er Er existiert. ist der der Ort Bilder,nur die verschiedenartig kombiniert Erzählung die ist gleichzeitig aber werden, zu unsichtbar Erzählung der ten zuguns dazu, tendiert Dieser Index-Ortes. des Bestandteil schon immer schafft, ihn durch er die Erzählung, seine ist zugleich und erzählen, Film diesen er kann gibt, ihn es weil Nur 2). Abb. (vgl. Buscapés Erzählungen die für Bedingung rielle mate die auftaucht, Films des ›Logo‹ erwähnten im visuell bereits der Index-Ort, Grundlagentexte aus Philosophie undKulturwissenschaften Philosophie aus Grundlagentexte 35 sind Spiele Diese haben. anderen den zu einen die die Beziehungen, selseitigen wech der Spiel das organisierenauch Sie verwandeln. Orte in Räume und Räume in Orte führen »Die zählungen: Erzählungen […] die aus, eine unaufhörlich Arbeit Er auf eindeutig Praxis diese bezieht Certeau de Michel Favela. der Räume liche unterschied sind, enthalten Films des Bilder alle dem an Index-Ortes, des hand an schafft folglich Erzählbewegung Bucapés können. überschneiden auch Räume erzeugten Verzeitlichungen, diese und sichRichtungen wobei Aktivitäten, aus nis Ergeb ein ist Er gekennzeichnet. Vektoren,Zeitvariablen und Geschwindigkeitendurch und beweglich ist dagegen Raum Der Stellen. stabilen möglichen, festen, von Beziehungssystem ein Ort der ist Somit nebeneinander. demnach existieren Elemente einzelnen Die können. befinden Stelle einer an nicht Dinge zwei sich dass festlegt, die Ordnung, eine ist Ort Der (lieu). Ort und (espace) Raum schen um die Praxis vonRäumender filmischen Erzeugung geht. Films dieses Narration der in es dass werden, gesagt kann Certeau de Michel Mit Vgl. Michel de Certeau: Praktiken im Raum. In: Jörg Dünne, Stephan Günzel (Hg.): Günzel Stephan Dünne, Jörg In: Raum. im Praktiken Certeau: de Michel Vgl. Abbildung 2 Abbildung Cidade de Deus deCidade seine eigene Herstellung und Bearbeitung, und Bearbeitung, Herstellungund eigene seine . Frankfurt/M. 2006, S. 343–353. 2006,S. . Frankfurt/M. 35 Er unterscheidet zwi Raumtheorie. Raumtheorie. ------177 zahlreich. Sie reichen von der Errichtung einer unbeweglichen und quasi mineralo- gischen Ordnung (nichts bewegt sich hier, außer dem Diskurs selber, der wie beim travelling das Panorama durchläuft), bis zur beschleunigten Aufeinanderfolge von Handlungen, die die Räume vervielfältigen.«36 Der Raum ist das, was aufgrund des Ortes realisiert werden kann und wie wir gesehen haben, realisiert Buscapé anhand des Index-Ortes die Räume der Fa- vela. In diesem Erzählprozess entsteht nun aber nicht nur ein Raum an einem Ort, sondern – und hier lassen sich Certeaus Gedanken ausbauen – aufgrund des Index-Ortes können sich auch an einem Ort mehrere Räume als Knotenpunkte vieler Erzählungen überlagern und in Gleichzeitigkeit überschneiden. Eine derar- tige räumliche Gleichzeitigkeit hat Oliver Fahle anhand von Cidade de Deus als »Simultanraum« beschrieben, der mit weiteren Raumkonzepten, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde, für eine »Ästhetik der Dichte« verantwortlich ist.37

Abbildung 3 Ein Beispiel hierfür ist das mehrmals auftauchende Drogenapartment (vgl. Abb. 3), die ›Boca‹,38 die eine besondere Knotenfunktion im Film einnimmt, da hier die Erzählung dreimal zur gewaltsamen Übernahme der Wohnung durch den Drogen- boss Zé Pequeno zurückkehrt. Der Film kommt über verschiedene Wege wieder zu einer Koordinate zurück und zeigt somit eine vielfache Anschlussfähigkeit der narrativen Struktur. Bei der ersten Rückblende wird aus einer gleichbleibenden Kameraeinstellung durch Überblendungen der Wandel des Apartments mit seinen

36 Ebd., S. 347. 37 Vgl. Oliver Fahle: Die Stadt als Spielfeld. Raumästhetik in Film und Computerspiel. In: Rainer Le- schke, Jochen Venus (Hg.): Spielformen im Spielfilm. Zur Medienmorphologie des Kinos nach der Postmo- derne. Bielefeld 2007, S. 225–238. Fahle definiert hier vier Konzepte: Simultanraum, Kontingenzraum, Affektraum, Kontraktionsraum. Vgl. S. 232. 38 ›Boca‹ bedeutet eigentlich Mund, Maul oder Eingang. In diesem Fall ist damit ein Drogenumschlag- platz gemeint. 178 Martin Schlesinger gegeben, sondern wird als Produkt eines Bildraums gedacht, der erst die dichten die erst der gedacht, Bildraums eines Produkt als wird sondern gegeben, gott nicht Gottes Stadt filmische die ist Erzählereignis visuelles spezielles ein Als wahrnehmbar. Disposition medialen zugrundeliegenden ihr einer und Narration in einemexistieren. sich nicht um ein rein zeitliches Phänomen handelt, sondern dass mehrere Räume Übergänge schwer auseinander gehalten werden können. Entscheidend ist, dass es voranschreitet,Teile fragmentarisch aber angehörendie anderen und Zeiträumen unterscheiden. Es ist vielmehr so, dass die Transformation dieser Räume simultan, voneinander klar nicht jedoch sich lassen Abschnitte Diese sehen. zu Zeiten nen verschiede zu ist Apartment gleiche Das gezeigt. Drogenhändlern verschiedenen an den Narrationen mitzuwirken. Buscapé greift als erzählende Instanz auf einen auf Instanz erzählende als greift Buscapé mitzuwirken. Narrationen den an aktiv Möglichkeit, die Gruppen verschiedenen der Charaktere einige habe tionen, Konstruk filmische als Beschaffenheit ihre und Grenzen medialen ihre für Filme der Bewusstsein Im Janeiros. de Rio Zonen reicheren die in Außen, das Favelain bieten: Buscapé sucht einen Ausweg aus der Armut und dafür die bringt Bilder der Ge verschiedenen diesen zwischen Protagonisten die auch sich anderenbewegen Jahrzehnte, und somit die Lebensbedingungen für und durch ihre Bewohner. Zum in Favela die wie Räume, die einen sich verändern Zum Bewegung. in ist Gesellschaft die sondern nebeneinander, getrennt nicht jedoch existieren werden, erforscht Kino vom die Ausgeschlossenen, und Ein- der Gruppen unterschiedlichen Diese Oberschicht. der und Mittel- der Unter-, Angehörigen den zwischen hervorhebt, Klassen sozialen unterschiedlichen zwischen Kontrast den weiterhin auch Historizität dieser in Kino das weil sich, entwickelt Ästhetik neue Die Ästhetik. ›richtigen‹ einer Vorstellungen stimmten be Gattungspräferenzenund Genrecharakteristiken, eigenen mit sind, geworden Filmorten zu Filmgeschichte der in die Orten, an spielen Sie Brasiliens. genheit entsteht zum Teil in der Auseinandersetzung der Filme mit der filmischen Vergan Ästhetik neue Die Steadicam. oder Montageeffekte Bildqualität, Make-up, für be Lie blinde eine Kosmetik, als mehr ist Kinos brasilianischen des ›look‹ neue Der Volk durch /Volk Bilder der Bilder der Dichte« als»Ästhetik beschreiben lässt. anderen Raumkonzepten den‹, das sich über die Favela-Formen hinweg als Verdichtung, und zusammen mit ›Raum-Wer ein durch Differenzierungen ästhetischen in entstehen Jahrzehnte, Deus de Verdienstvon der ist handelt, Film-Favela einer Realität die um sondern Favela, ›wahre‹ eine um Realität, unvermittelte vermeintlich eine um nicht sich es dass verdeutlicht, die Konstruktion, mediale die über Reflexion philosophische Film-Favelader film- Die Erfahrungsraum den und erschafft. Lebensbedingungen Aber nicht nur an dieser Stelle wird in wird Stelle dieser an nur nicht Aber . Neue räumliche Strukturen, d. NeueräumlicheStrukturen, . h. neue Favela-Formenneue h. unterschiedlicher Cidade de Deus de Cidade Cidade de Deus de Cidade das Verhältnis von Verhältnis das im Laufe mehrerer Laufe im Cidade ------179 abgeschlossenen, gerahmten, aber stets erweiterbaren medialen Ort zurück, den er zur Gestaltung der Räume der Favela verwendet. Er ist ein handelndes Subjekt. Er bewohnt die Bilder und konstruiert zugleich ihre Auf- und Ausbauten. Im neuen Klassenkampf im brasilianischen Kino können sich diejenigen unter den Armen und Reichen Vorteile verschaffen, die den audiovisuellen Raum am weitesten überblicken, ihn gestalten und die besten Bilder von sich machen. Das neue Volk Brasiliens ist ein ästhetisch heterogenes Volk der Bilder, das im Chaos von Kapitalismus, Korruption und Kino nicht schlicht zum Opfer wird, sondern um sein globales Erscheinen kämpfen kann. Es gibt keinen intellektuellen Klas- senkampf mehr von unten nach oben, sondern eher einen vielseitigen ›Klassen- Contest›. Dieser findet jedoch im Kino nicht einfach an den brasilianischen Schau- plätzen statt, sondern auch zwischen filmischen Zonen, in denen sich die Akteure behaupten müssen. Es gilt weiterhin zu beobachten, wie nicht nur sozial, sondern eben filmisch Ein- und Ausgeschlossene zwischen visuellem und akustischem On und Off Um- und Auswege entdecken, und Bilder und Bildbewohner mit jedem Film aufs Neue definieren, wo Grenzen verlaufen und sich Innen und Außen befin- den. Brasilien im Film ist ein Brasilien der Bilder und ein anderes als das Brasilien, das jenseits dieser Bilder existiert.

Abbildungen Alle Screenshots aus DVD: City of God (128 Min., Highlight, 2006)

181 Mediale Mythologien. Peter Greenaways The Tulse Luper Suitcases

von Axel Roderich Werner

1. Wie möglicherweise keine andere Disziplin ist gerade die Medienwissenschaft auf das Neue angewiesen, um dessentwillen sie ja eingerichtet wurde, so dass es gera- dezu fahrlässig leichtsinnig von ihr wäre, einfach abzuwarten, bis ihr dieses Neue denn einmal vom Himmel in den Schoß fiele, anstatt es vielmehr selbst zu produ- zieren – auf ihrer Suche nach einer plausiblen Fremdreferenz, also nach aktuellen Problemen, die nur sie zu lösen in der Lage wäre, generiert sie daher ständig neue Objekte, indem sie, im Zweifelsfalle, einfach alles neu zum Medium erklären kann, und wird so auch ihre Kernfrage, was denn ein Medium überhaupt sei, nach Mög- lichkeit niemals beantworten1. Über Problemgenerierungsverfahren genau dieser zumal wissenschaftlichen Art hat Peter Greenaway nun mehrere Filme gemacht (man denke vor allem etwa an Vertical Features Remake oder The Falls), so dass man, wenn man Greenaways Filme zum medienwissenschaftlichen Objekt machen will, zuallererst zu konstatieren hat, dass das Beobachtete zurückbeob- achtet, und dass es eventuell auch solche Erkenntnisse über den Beobachter be- reithält, die dieser ansonsten gern in seinen blinden Fleck verschiebt. Das Neue wartet also nicht auf seine (medienwissenschaftliche) Beschreibung, selbst wenn diese es erst als »Objekt« konstituiert, gerade dadurch aber stets zu spät kommt: nicht die Medienwissenschaft, so ließe sich auch mit Niels Werber sagen, sondern die Medien verändern die Gesellschaft.2 Es geht mir also in diesem Beitrag denn auch nicht um eine Präsentation der medienkulturellen Gegenwart als Korrelat eines laufenden wissenschaftlichen Diskriminierens etwa des Vergessens und Erinnerns medialer Formen, das seinerseits bestimmte Semantiken und Praxen nachvollzieht bzw. festschreibt und insofern eher auch die Überlegung erst ver- hindert, was man denn anstelle des Gewohnten überhaupt auch neu und anders machen könnte (sofern dies nicht schon zuviel an Selbstanmaßung darstellt).3 Es

1 Vgl. Lorenz Engell: Nach der Zeit. Vortrag Dezember 2006 in Wien. http://homepage.univie.ac.at/ claus.pias/aktuell/WasWarenMedien/05_Engell.mp3 (29.07.2008). 2 Vgl. Niels Werber: Medien der Evolution. Zur Rolle von Verbreitungs- und Speichertechniken in der Systemtheorie. In: Henk de Berg, Johannes Schmidt (Hg.): Rezeption und Reflexion. Zur Resonanz der Sys- temtheorie Niklas Luhmanns außerhalb der Soziologie. Frankfurt am Main 2000, S. 322–360, S. 356. 3 Niklas Luhmann: Eine Redeskription »romantischer Kunst«. In: Jürgen Fohrmann, Harro Müller (Hg.): Systemtheorie der Literatur. München 1996, S. 325–344, S. 329; Ders.: Die Gesellschaft der Gesell- schaft, Frankfurt am Main 1997, S. 588. 182 Axel Roderich Werner standen oder nichtstanden oder entstandenist. z. was anzuschauen, anschließend sich als ist, anderes grundsätzlich etwas tun, zu etwas dann und kann, werden getan überhaupt was achtung zweiter Ordnung zu beachten: dass nämlich eine Entscheidung zu treffen, Beob aller Mißverständnis« »prinzipiellen »Verkennung«,dem der vor Warnung Baeckers Dirk auch ist aber hier Genau mag. scheinen auch vielleicht dann achter schieden wird – wie immer dieses fragwürdig dem oder Beob auch kritikbedürftig ent auch und formuliert selber sie wo verlegen, zu dorthin also Medien den und auch wie herleitet wie vollzieht, die Frage nach ankündigt sichdem Neuen ebenso Umbruch ein aktuell denen in beschreiben, zu Medien Verfassungenvon der nen Reflexio verfasste medial selber als Filme Greenaways darum, vielmehr mir geht 7 Joseph Vogl (Hg.): 6 Jacques des zwei Die oder Leben Forestier Truffaut: François Vgl. Lebensstil. bloßem als Künstlertum am Kritik eine auteurs, des politique eine schichtsverständnis, Ge konstruktivistisches ein sind: gemeint Dinge verschiedene komplett jeweils leistet) unterschlagen zu dezent allerdings sich Truffaut (was dass natürlich, dann ist Stille-Post-Spiel diesem bei Lustige Das verweist. Giraudoux Jean auf wiederum dafür der Autoren«), nur gibt es Werke, keine gibt (»es spielt 5 4 Kausalitätser Narration, von Komplex medienhistorisch-wissenschaftlichen den weniger hierzu Unterschied im Mythologien mediale könnten können, werden hende der Bedingungen historiographischen Beschreibung ihrer selbst verstanden verste zu historisch ihrerseits als »Medien-Geschichte« der Selbstverhältnisses tum Beobachtung als muss, benutzen Medien können, zu beobachten Medien um man, da natürlich, dann (was beobachten zu chen, sei es, um die epistemologisch latenten Strukturen medialer Beobachtungen su zu Gegenwart die für Wissen neuem Vergangenheitnach der in doch merhin werden; produziert Darstellungen solche denen unter Bedingungen, medialen die andererseits oder werden verstanden Geschehnisse und Sachverhalte zusammenhängenden Me dium jeweiligen dem mit der Darstellung historiographische die einerseits ums« Medi eines »Geschichte der unter kann dann wird, konstruiert und Medium beobachtet ein durch wird, konstruiert und beobachtet was alles, wenn und wird, obachters. Be eines Konstruktion als nur gibt«, »es was alles, wie sie, es bzw.gibt nicht; es« historians.« only are there history, as thing such no is »There 2. Lorenz Engell, JosephLorenz Engell, Vogl: Engell: Lorenz Vgl. der Motto das So Baecker: Dirk mündet). Wenn also »mediale Historiographien« in diesem Doppelsinne eines 6 Wenn aber alles, was »es gibt«, durch einen Beobachter konstruiert konstruiert Beobachter einen durch gibt«, »es was alles, aber Wenn Die FormDie derKultur Die Lust am Sehen am Lust Die Mediale Historiographien Mediale Tulse Luper Suitcases Luper Tulse Die genetische Funktion des Historischen in der Geschichte der Bildmedien der Geschichte der in Historischen des Funktion genetische Die 7 sei es, um zu zeigen, »wie es eigentlich gewesen«, oder im oder gewesen«, eigentlich es »wie zeigen, zu um es, sei Editorial . Frankfurt am Main 1999, S. 59, 317,Giraudoux:Jean 59, 333; S. 1999, Main am Frankfurt . . Berlin 2006, S. 8. 2006,S. . Berlin . Berlin u. . Berlin . In:Engell/Vogl 5–8. 2001,S. . Weimar 34. 33–56,S. 2001,S. 4 , mit dem Greenaway offenbar auf François Truffaut an Truffaut François auf offenbar Greenaway dem mit , a. 1962, S. 120f. 1962, S. a. idem per idem per idem B. »Neues« denn dabei ent dabei B.denn »Neues« in einen in 5 Geschichte »gibt »gibt Geschichte regressus ad infini ad regressus . In: Ders., In: . Siegfried Siegfried ------183 klärung und Quellenbewusstsein mitsamt seiner Konditionierungen bezeichnen8 als vielmehr eine mediale Reflexion auf ihre »Urszenen«, ihre eigenen »blinden Fle- cke« hin: eine (Selbst-)Beobachtung des Unbeobachtbaren, die oft genug in Form »absurder Erzählungen« daherkommt und der empirischen Kontrolle ihrer »histo- rischen Authentizität« denn auch enthoben ist. Mythen sind nicht wissenschaft- lich-wahrheitsfähig; nur heißt das aber nicht, dass sie etwa keine Form des Wis- sens wären. Als Gegenstände ästhetischer Betrachtung ebenso wie der Erkenntnis sind sie gleichwohl in der Lage, eine Erweiterung der Kommunikation über das (begrifflich-theoretisch) Sagbare hinaus zu leisten, und insofern selbst als Medien zu betrachten, ja: als Medien »zweiter Ordnung«, in denen die Differenz von Medi- um und Form ihrerseits medial verwendet werden kann, nämlich als Medium der Wahrnehmung und Kommunikation.9 Nun dürften Medien und Mythen zumindest schon einmal das gemeinsam ha- ben, dass es sich um derart vage Begriffe handelt, dass sie, zur Not, durchaus für jeden alles meinen können. Bezeichnet etwa Niklas Luhmann zufolge der Begriff des Systems – genau wie der des Mythos in seiner mehr als vielfältigen Verwen- dung mitunter sozusagen ein all-purpose word – ja immerhin noch einen »realen Sachverhalt«,10 so scheint dies für den Mythos nicht zu gelten:

»Nach mehr als vierzigjähriger Forschungspraxis im Bereich von mythenreichen Gesellschaften meinte der britische Sozialanthropologe Edmund Leach am Ende, er habe es aufgegeben, nach ei- ner Definition dieses Begriffes zu suchen; er sei zwar unentbehrlich, habe aber keinen angebbaren Sinn. Wenn das richtig wäre, hätten wir es beim Mythos offenbar mit einem Mythos zu tun, mit einem Mythos vom Mythos; mit einem Mythos, den Sozialanthropologen erfunden haben, um ihre Daten besser ordnen zu können, dem aber keine angebbare Realität entspricht.«11 Ich möchte aber dennoch versuchen, zu umreißen, was mit »Mythos« im Folgen- den (und hoffentlich: sinnvollerweise) denn gemeint ist; dass das gleichwohl nicht ganz so einfach ist, zeigt aber schon der einschlägige Artikel von Assmann und Assmann im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, in dem die Autoren statt einer Einheitsdefinition, die »notwendigerweise immer zu eng« wäre, einen Bedeutungskatalog aufspannen, in dem dann der Mythos je nachdem eine »welt- modellierende Erzählung« bezeichnet oder die »zeitbedingte Einkleidung einer an sich zeitlosen Wahrheit«, ein »mentalitätsspezifisches Leitbild«, ein »Gerücht, eine unbeglaubigte Erzählung oder erfundene Geschichte« (d. h. »unverbürgt und fik- tiv in bezug auf historische Authentizität«) bis hin zum Effekt von »Inszenierun- gen und Medienstrategien«, oder ganz einfach einen Irrglauben, eine Unwahrheit

8 Vgl. Luhmann 1997, S. 569f. 9 Niklas Luhmann: Das Medium der Kunst. In: Ders.: Aufsätze und Reden. Stuttgart 2001, S. 198–217, S. 202. 10 Ders.: Soziale Systeme. Frankfurt am Main 1987, S. 599. 11 Ders.: Brauchen wir einen neuen Mythos? In: Ders.: Soziologische Aufklärung 4. Beiträge zur funktio- nalen Differenzierung der Gesellschaft. Opladen 1987, S. 254–274, S. 254. 184 Axel Roderich Werner die Ordnung der Welt, die Natur des Realen, den Ursprung des Menschen oder oder Menschen des Ursprung den Realen, des Natur die Welt, der Ordnung die mit abfinden«,so Claude Lévi-Strauss, »die Mythensagen nichts aus, was uns über da sich muss »Man handelt: Selbstbeschreibungen gesellschaftliche um vielmehr doch ihnen bei sich es wo sehen, zu Welterklärungen primitive einfach Mythen ist. natürlichauch Illusion eine eben nur aber was – versteht tatsächlich auch es und könne verstehen Universum das er fähigen Weltgewissheit«: »operations einer Gewährleistung der Sinne im fassen zu funktional Mythos des alle mehr oder weniger gleichzeitig zutreffend sind,will ich versuchen,Begriff den und ist erschöpfend ganz keine auch ja Klassen deren von Klassifikation, solchen Betrug. oder schaftlichen Methode des Strukturalismus. In: Lévi-Strauss 1980, S. 71–112, S. 92. S. 71–112, 1980, S. In:Lévi-Strauss des Strukturalismus. schaftlichen Methode 15 Lévi-Strauss Claude Gesprächemit tung. Radiovorträge. Fünf 14 13 schaftlicher Grundbegriffe 12 ist. konstruieren erst zu dann Realität diese denen nach Selektionsverfahren, vielmehr sondern ab, alität« »Re geartete immer wie keine eben Mythen wie Medien auch denn bilden Sinne diesem in selbst; Aussage der lediglich sondern Ausgesagten, des nicht schaften Eigen nur sind verifizierbar ihnen an aussagen, Welt« »die über ihrerseits dann Beschreibungen verfassten mythisch-medial solche aber immer Was beobachten. bleibt so ist, auch das Medium selbst verfügbar unsichtbar und ist nur indirekt, virtuell nur über seine Formen zu sozusagen nur Varianten seine über Einheit als Mythos der wie und auswählt; andere)keine (und bestimmte eine dann Form die dem aus ist, Möglichkeiten von Bereich unausschöpflicher aber begrenzter, zwar ein Medium ein nach der getroffensie hat, Luhmann Form,wie und vonMedium Unterscheidung der genau entspricht das Und »selbst«. Mythos der ist erst renz Diffe dieser Einheit die nur – darstellt Mythos Versiondes »ursprüngliche« oder zu ihren Varianten zu bedenken, von denen aber keine die »wahre«, »authentische« d. Fassungen, seiner »nur sagt, im Dutzend etwas wert sind«; ein Mythos besteht nur in der Gesamtheit […]fürdie eskeinen persönlichen Sprechersellschaft, gibt«. Ge einer »Rede die ist Sinne diesem in FunktionierensMythos aufzudecken«; ein ihres Triebfedern inneren die uns, helfen sie entstammen, sie denen sellschaften, Ge die über viel Mythen die lehrenuns Hingegen […] belehrt. Bestimmung seine Das heißt zugleich, dass Mythen als analysierbare Objekte, wie Lévi-Strauss Lévi-Strauss wie Objekte, analysierbare als Mythen dass zugleich, heißt Das Ders.: Ders.: In: Denken. »zivilisiertes« und Denken »Primitives« Lévi-Strauss: Claude Luhmann: Niklas (Hg.):al. et Cancik Hubert In: »Mythos«. Jan Assmann: Assmann, Aleida Der nackte Mensch nackte Der 12 Das ist natürlich alles je vollkommen richtig, doch gegenüber einer gegenüber doch richtig, vollkommen je alles natürlich ist Das Die Kunst derGesellschaft Kunst Die . Band 4. Stuttgart u. 4.Stuttgart . Band h. jede einzelne mythische Erzählung ist immer in Differenz in immer ist Erzählung mythische einzelne jede h. . Frankfurt am Main 1975, S. 749; Ders.: Das wilde Denken. Zur wissen Zur Denken. wilde Das Ders.: 749; S. 1975, Main am Frankfurt . 13 der Mythos verschafft dem Menschen dieIllusion, dass a. 1998, S. 179–200. 1998, S. a. . Frankfurt am Main 1995, S. 15. amMain 1995, S. . Frankfurt 14 Genauso illusionär aber wäre den in aber es, illusionär Genauso . Frankfurt am Main 1980, S. 27–46, S. 29f. 27–46,S. amMain 1980, S. . Frankfurt 15 Handbuchreligionswissen Mythos und Bedeu und Mythos ------185

Nun ist die strukturale Mythenanalyse, wie Lévi-Strauss selbst vorgeschlagen hat,16 durchaus auch anwendbar auf Werke einzelner Autoren (und wurde auch in diesem Sinne unter dem Label der »auteur analysis« für den Film von Peter Wollen aufgenommen)17 – und damit sind wir endlich auch bei Greenaway, des- sen Gesamtwerk ich in der Tat als einen großen kinematographischen Mythos zu begreifen vorschlage, der in einer nachgerade hegelhaften Wendung auf sich selbst in The Tulse Luper Suitcases dann seine Vollendung fände, wenn das möglich wäre. In ihrer expliziten Selbstreflexivität jedenfalls erlauben die Tulse Luper Suitcases dem Betrachter, mit Friedrich Schelling, dem Gegenstand in sei- ner »Selbstentwicklung« zu folgen, die er sich selbst noch einmal vorführt, d. h. eine Beobachtung dritter Ordnung als Beobachtung einer »sich selbst erklärenden Mythologie«.18

3. »In the last century, an extraordinary man called Tulse Luper archived his entire life in 92 suit- cases. Although his life is still a mystery, we know that he was present at key historical events. Spending his life as a professioal prisoner, he managed to collect a large amount of objects and store them in suitcases. In a way, the suitcases represent the world according to Tulse Luper. By gathering and researching the suitcases, we hope to reconstruct Tulse’s life and through that dis- cover the true nature of the 20th century.«19

Wenn, einer damaligen Filmkritik zufolge, Greenaways Prospero’s Books eine Art »Terminator 2 for the art-house circuit« darstellt,20 dann sind die Tulse Lu- per Suitcases gewissermaßen Forrest Gump – eine fiktionale Verschränkung von besonders »schwacher«, d. h. biographisch-anekdotischer Geschichte mit be- sonders »starker«, d. h. Welt- oder »Totalgeschichte«:21 als »außergewöhnlicher Mann« wird Tulse Luper von einer internationalen Forschungsorganisation aus- gewählt, um anhand einer Rekonstruktion seiner Lebensgeschichte »die wahre Natur des 20. Jahrhunderts« zu ergründen. Gemäß dem Motto der Tulse Luper Suitcases (»there is no such thing as history, there are only historians«) wächst dieses Unternehmen sich natürlich aus zu einer satirischen Kritik eines Anspruchs historiographisch-wissenschaftlicher Beschreibungen auf das Privileg »authenti- scher Realitätserkenntnis« oder sogar »objektiver Wahrheit«; ironischerweise aller- dings nur, um sich seinerseits als »a defining work at the beginning of the new age

16 Lévi-Strauss 1975, S. 733. 17 Peter Wollen: Signs and Meaning in the Cinema. Bloomington 1972. 18 Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Philosophie der Mythologie. In: Ders.: Sämmtliche Werke. Band II.2. Augsburg, Stuttgart 1857, S. 138f. 19 www.tulseluperjourney.com/game (29.07.2008). 20 Geoff Brown: Such stuff as dreams are made on. In:The Times, 29.08.1991. 21 Claude Lévi-Strauss: Das wilde Denken. Frankfurt am Main 1968, S. 300f. 186 Axel Roderich Werner te Sonderstellung eines »Leitmediums« mehr zukommt, sondern er eben nur eine nur eben er sondern zukommt, mehr teSonderstellung»Leitmediums« eines GreenawaysGroßprojekt privilegier die multimedialem nunnicht Film dem etwa cultural adventure« multi-media a of part only as itself cinema« »If hinzufügt: the cinema intends to so survive«, Greenaway, »it has to see Evolution eigenen seiner Überleben das um Kinos des Sorge einer sozusagen Konditionen bestimmte auf Hinblick in gleichwohl dann er dem verorten. zu historisch selbst: technologies« sual vi new the of mark bench masterpiece first »the als Werks, seines einschätzung technologies«, post-television of 26 undSoziologie. »Lebenswelt« inPhilosophie und»System« 25 greenaway/greenaway-tulse-luper-2001.html (29.07.2008). 24 festival.nl/hfm/lezingen/2003.html (29.07.2008). 23 (29.07.2008).egs.edu/faculty/greenaway/greenaway-cinema-1999.html 22 die Greenaway-typische Film den Suitcases Luper Tulse The Film der Gegenstandes): eigenen ihres Spezialfall ein gewissermaßen also ist fen, anderen,d. unzähligen unter Möglichkeit eine nur Darstellungsform diese auch ist natürlich (und darzustellen selbst Entscheidungsproblem dieses entschieden, Möglichkeit tatsächlich umsetzen kann. Der Film Möglichkeiten, diesen Film zu realisieren, von denen man eben aber nur mal für die Form des narrativen Films entschieden hat, es gibt natürlich unzählige nur dann ist Film als Darstellung der Form dessen und narrative« »episodic als Organisation ihrer Form die auch und auffasse); Realität realer Beobachtung als also Selbstreflexion, auffassen, lität Suitcases Luper Tulse stän kommentierenden Geschehen der filmische einer das Einführung dig die (So finished.« not still is it perhaps and 10, was Luper when 1921 in starts story The prisons. his and man a of narrative episodic auch Computerspiele. Bücher, Installationen, Ausstellungen, Performances, nun mediale Form unter den vielen des andern Gesamtkonzeptes darstellt – seien dies »If you wanted to see the Tulse Luper story as fiction, it could be told as an as told be could it fiction, as story Luper Tulse the see to wanted you »If – dead« is cinema »the wie Slogans einprägsame für berühmt ja Greenawayist Greenaway 2003. (Hg.): al. Peteret Georg In: re-entries. Observing Luhmann: Niklas Vgl. Ders.: Ders.: Peter Greenaway: The TulseLuper Suitcase. Cinema is dead, long livecinema? long dead, is Cinema The Tulse Luper Suitcases Luper TheTulse h. die Darstellung ist von dem Problem, das sie darstellt, selbst betrof selbst Darstellungdie h. vondarstellt, sieist Problem,dem das muss Have we any seen yet?cinema 23 eine oder auch »the first new media masterpiece« media new first »the auch oder z. ja sie ich wie (so nicht aber das unter anderen möglichen. Und wenn man sich dann ein dann sich man wenn Und möglichen. anderen unter multiple framemultiple also als Fiktion, also als Beobachtung imaginärer Rea imaginärer Beobachtung als also Fiktion, als also Vortrag August 2001 in Saas-Fee. nach: Zitiert www.egs.edu/faculty/ beginnt mit der Darstellung des Vorsprechens für Vorsprechens des Darstellung der mit beginnt 22 Vortrag September 2003 in Utrecht. Zitiert nach: www.filmnach: Zitiert Utrecht. in 2003 Vortrag September so Greenaways nicht eben bescheidene Selbst bescheidene eben nicht Greenaways so The Tulse Luper Suitcases -Technik eine Darstellung wird dann daraus , und durchund , und Mehrfachüberblendungen Vortrag nach: 1999www. August in Saas-Fee. Zitiert Würzburg 1996, S. 290–301, S. 298. 290–301,S. 1996, Würzburg S. Luper authorities Luper 26 25 – wie auch vonwie innerhalb – doch noch ein »long live »long ein noch doch B. jetzt eher als mediale mediale als eher jetzt B. DVD Protosoziologie im Kontext. Kontext. im Protosoziologie s, Websites oder oder Websites s, 24 .) Man .) hat sich für die dann dennoch dann eine kann auch auch die ------187 der Gleichzeitigkeit des gleichzeitig Unmöglichen. Was immer hier gesagt wird, sagt der Film über sich selber, es wäre immer auch anders möglich gewesen – und zwar einschließlich dieser Aussage selbst. Schon in seinen allerersten Minuten ge- winnt der Film so eine selbstreferentielle, hyperkomplexe Form, d. h. er startet mit der Darstellung der Vielheit von Möglichkeiten seiner Darstellung, er beginnt mit der Beobachtung des Mediums seiner Beobachtung, und also: einer Selbstbeob- achtung, die im weiteren Verlauf des Films auf dasjenige System noch ausgeweitet wird, von dem er selber Element ist – und da alle Selbstbeschreibung das Beschrie- bene nur weiter fortsetzt, perhaps it is still not finished. Seit Greenaways frühen Experimentalfilmen A Walk Through H und Ver- tical Features Remake tritt die Figur Tulse Luper als sein alter ego auf: »Tulse Luper«, so Greenaway, »without too many confessions, in a sense, is a fictive versi- on of me«,27 und so wundert es auch nicht, dass der fiktive Luper wie sein Vorbild Filme dreht; es wundert aber schon, dass er dieselben Filme wie sein Vorbild dreht. Angefangen mit Vertical Features Remake wird Tulse Luper im weiteren Ver- lauf des Films noch sämtliche Filme Greenaways von The Draughtsman’s Con- tract bis hin zu Prospero’s Books entweder selber machen oder vorbereiten oder irgendwie veranlassen; die Tulse Luper Suitcases sind also gewissermaßen das prequel aller Filme Greenaways und gleichzeitig der Grand Narrative, der im Sinne einer retroactive continuity sein gesamtes Werk mit einer internen (!) Meta- erzählung ausstattet – und damit diese Vielheit als Gesamtheit, Ganzheit, Einheit sichtbar macht. The Tulse Luper Suitcases sind so ein Film unter anderen und zugleich auch die Menge selbst, die sie beinhaltet; es wird hier, mit Russells und Whiteheads Theorie logischer Typen, »etwas über alle Fälle einer Art ausgesagt; und aus dem, was ausgesagt wird, scheint dann ein neuer Fall hervorzugehen, der von derselben Art ist und zugleich nicht ist, wie die Fälle, deren Gesamtheit die ur- sprüngliche Aussage betraf«, weshalb diese Gesamtheit im Sinne von Russell und Whitehead auch eine »illegitime Gesamtheit« ist.28 Genau dies aber konstituiert dann Greenaways Œuvre als System im Sinne Luhmanns: »Es handelt sich in ei- nem solchen Falle nicht nur um ein Phänomen, das ein Beobachter, der es darauf anlegt, unterscheiden kann. Sondern das System unterscheidet sich selbst.«29 Tat- sächlich aber enthalten The Tulse Luper Suitcases nicht nur sämtliche Filme, die Greenaway gemacht hat, sondern auch diejenigen, die er nicht gemacht hat; bzw. diejenigen, die über das Projektstadium hinaus niemals verwirklicht wurden oder zum Teil in andere Projekte eingingen. So beinhaltet Koffer #16 Luper’s lost films, unter denen man neben unrealisierten Vorhaben wie etwa The Man Who

27 Peter Greenaway: Cinema is dead – long live cinema. Vortrag September 2003 in Frankfurt am Main. Zitiert nach: sneakerbike.com/audio/greenaway1_dl.mp3 (29.07.2008). 28 Bertrand Russell, Alfred North Whitehead: Principia mathematica. Vorwort und Einleitungen. Frank- furt am Main 1986, S. 89. 29 Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. Opladen 1996, S. 49. 188 Axel Roderich Werner er offensichtlich ist – die Suitcases Film der berichtet ist, worden realisiert schließlich nun er Wie sich tatsächlich um die nachträgliche einer Objektivierung ursprünglichen Fiktion. es handelt insofern angekündigt; ebensolange fast Projekt eigenständiges als und Greenaways in 1980 erstmals Fallvo, Leasting Autors fiktiven ten wird. Verschlussgehal unter streng aber diesem von gilt, überhaupt Greenaway-Filme legendären schon fast den auch oder findet Met Himself auch das schon verschollenevonerwähnte VerticalOriginal Features 32 116. S. ders.: 31 30 Aufzeichnungen. nicht mehr, es sei denn in seinen eigenen (und eben: daher kinematographischen) Jahrhunderts 20. des brik« »Fa­ der »Zentrum«, dem »Hauptereignis«, dem Form«, »wichtigsten der als Kino hat eingenommen ihm in Kino ohne so werdenZweifel sollte, Stellung«,in derliegt die »epochalen das ergründet ja Leben Lupers anhand die jedenfalls, Jahrhunderts« 20. des Natur »wahre Die kann? geben nicht gar es Version»wahre« eine dass daür, Beweis ein schon gibt, Versionen zwei es dass Tatsache, bloße die ist oder gewesen«, eigentlich es »wie lei Ausgang zeigen, kann dann einer dieser Filme überhaupt die »Wahrheit« zeigen, Wenn zweier siedas? in tut Ereignis Filmedasselbe zwei cherGeltungsgrundlage sion jetzt die »neue Wahrheit« darstellt und die auf »alte« wel als Fiktion entlarvt, mitenthielte). Selbstwiderlegung seine auch nicht welches wäre, vollständig Werk kein auch Borges nach ja wie (so kann erleben überhaupt Abenteuer seine er bevor stirbt, Luper dass Ausnahme, einen der mit ersten, der nämlich seinen Tod! Die 16. derEpisode enthält, Leben Lupers und selbst seiner Gesamtheit, Negativ-Version dieser eine andere, eine noch zudem er dass sondern Greenaways), Filme andere sämtliche deren Gesamtheit mitenthält (so wie nur nicht Serie der als Teil Film gefundene Koffer im der dass der, ist dabei Dreh Films des aber Fall den Suitcases Luper dies: genau auch denn Koffer 92 der letzte der enthält Luper, Tulse von Lebens des struktion eigenes Exponat. Und mehr als das: Geht es dem ganzen Projekt ja um eine Rekon

The Tulse Luper Suitcases Youssef Ishaghpour: Geschichte(n) In: Youssef des Kinos. Ishaghpour: In: Geist. Kinematographischer und Technik Historiographische Erzählung. Engell: Lorenz Vgl. Jorge Tlön, Uqbar, Borges: Luis Vgl. Tertius. Orbis In: Ausfahrt nach Babylon. Essais und Vorträge zur Kritik der Medienkultur der Kritik zur Vorträge und Essais Babylon. nach Ausfahrt von einem Projekt namens Projekt einem von Luper’s life Luper’s ist also die Erforschung eines Films, Films, eines Erforschung die also ist The Tulse Luper Suitcases Luper Tulse The – auf einer Rolle 16mm-Film. Die Erforschung der Erforschung Die 16mm-Film. Rolle einer auf – The Tulse Luper Suitcases Luper Tulse The Tulse Tulse Luper Suitcases 32 – aber dieses Jahrhundert ist vorbei und existiert existiert und vorbei ist Jahrhundert dieses aber – 31 werden, als fiktives literarisches Werk des ebenso – Youssef Ishaghpour spricht exemplarisch vom exemplarisch spricht YoussefIshaghpour – The Tulse Luper Suitcases The Tulse Luper Suitcases Luper Tulse The Tulse Tulse Luper Suitcases Die BibliothekDie von Babel Lettre International Lettre Tree erscheint so als ein letzter Blick Blick letzter ein als so erscheint enthalten sich also selber als ihr dr l enr e allerersten der einer als der , selbst; und der besondere der und selbst; des 52, 2001, S. 60–74. 2001,S. 52, 30 Films vielleicht, auf je auf vielleicht, Films . Stuttgart 1974, 33. 21–40,. Stuttgart S. S. Wenn aber diese Ver diese Wenn aber . Weimar 2000, S. 109–143, 109–143, S. 2000, Weimar . The FallsThe The Tulse Luper Luper Tulse The ist identisch mit sich selbst und , dessen Teil dessen , erwähnt erwähnt Tulse ------

189 zurück – auf das 20. Jahrhundert und seine Geschichte, auf das Kino und auf Greenaways Gesamtwerk und so schließlich: auf sich selbst.

4. Für den Zusammenhang von Historiographie und Kinematographie stellt Lorenz Engell fest, dass es sich um strukturell isomorphe Medien und historisch parallel- laufende Unternehmungen handelt:33 so wie das »historische Denken« seit Ende des 19. Jahrhunderts Dominante des wissenschaftlichen Diskurses geworden und im Grunde bis heute auch geblieben ist, so wurde das zeitgleich entwickel- te Kino zum massenkulturen Leitmedium und der narrative Spielfilm zu seinem »standardsetzenden Normalformat«. Für die Gegenwart aber sei es dann wahr- scheinlich, »dass die Zirkulationsformen des Sinns sich mit dem Verschwinden der Kinematographie als Leitmedium und mit der Übernahme dieser Funktion durch Fernsehen und Computer neu und anders stabilisieren müssen als in der kinematographischen Ära«,34 und d. h. eben: anders als in der Form historischer Erzählung. Wenn, mit Vilém Flusser, Geschichte nichts ist als eine Funktion des linearen Schreibens, die von den audio-visuellen Medien methodisch schon erfasst und aufgehoben ist,35 dann ist

»Geschichte im eigentlichen Sinne beendet, und etwas ganz anderes, nämlich Geschichten, kön- nen beginnen. Dies alles aber kann ansichtig gemacht werden, wenn man Bilder erzeugt, die die Geste des Herstellens, des Bildermachens, des linearen und alphabetischen Schreibens, des Buch- drucks, des Rechnens, des Kalkulierens und des Komputierens zeigen«,36 und genau das tun Greenaways Filme auch: sie beobachten Medien als Formen der Konstruktion von Realität, und in The Tulse Luper Suitcases beobachten sie sich schließlich selbst – im Medium des Mythos, der, mit Roland Barthes, als künstlicher, »experimenteller« Mythos zu begreifen ist, als »Mythos zweiten Gra- des«, d. h. als eine mythische Dekonstruktion von Mythen und insofern: als eine wahre Mythologie.37 Es ist jedoch ein Mythos apokalyptischer Art, dessen Problem dabei weniger das verkündete Ende der Welt ist als vielmehr seine eigene Dies- seitigkeit: Auf ein Jahrhundert Filmgeschichte rückblickend sieht Greenaway vor allem eine Geschichte monotoner Redundanz und ungenutzer Potentiale, ja die Geschichte eines Scheiterns, deren Ende denn auch bald erreicht sein wird:

»Cinema […] might well have fulfilled many of the expectations of an audience of our fathers and forefathers prepared to sit back, watch illusions and suspend disbelief, but I believe, we can no

33 Engell 2000, S. 139. 34 Ebd, S. 142f. 35 Vgl. Vilém Flusser: Kommunikologie. Frankfurt am Main 1998, S. 189ff. 36 Ders.: Nachgeschichte. Eine korrigierte Geschichtsschreibung. Bensheim/Düsseldorf 1993, S. 261f. 37 Roland Barthes: Mythen des Alltags. Frankfurt am Main 1964, S. 121. 190 Axel Roderich Werner cut-and-paste, narrative, illusionistic cinema has had its day. We must move on. We gestellt, ob dieses dann noch weiter »Kino« oder »Film« zu nennen ist: »Traditional ten alten geht, vielmehr sondern um eine neue Form des Mediums selbst – dahin das Finden neuer Formen innerhalb seines Mediums und außerhalb der abgenutz films?« making on go I do why circumstances: these »Under anzuschließen: Frage berechtigte die dann um Kinos, des Überholtheit historische zuletzt: nicht und ökonomische logische, techno ästhetische, die Greenaway geißelt Stellen anderen vielen so an wie Hier heavily and anout-of-date restricted system distribution, of technology.« and cumbersome and archaic an verities, outworn and conventions old by down weighed hopelessly predictable, familiar, dull, is that cinema a have activity,we of years 108 After […] ways. new in human imagination the empowered and prepared have technologies New sufficient. be to this claim longer 44 der Medienkunst 43 Ders.: 42 41 40 39 38 das einmal nicht ja beobachten, Ende eigenes sein System kein natürlich hinaus, Dabei kann, außerhalb der literarischen Fiktion und über düstre Prophezeihungen been »I befähigt: Selbstwiderspruch performativen ultimativen zum hinaus Tod er Poes Edgar Allan wie schwindsüchtigen seinem zu Freund Erzähler Valdemar, den verhält Medium seinem zu Greenaway sich dass sagen, vielleicht Diagnosen ner sei Lichte im auchkönnte Man darstellt!) Dramatisierung Paradefall historischer computer.« the Enters stage. the exits cinema in the world of two-dimensional moving simulations. Having played this role well, ausdrückt: »This was the historical roleof cinema: to prepareus to live comfortably Kapitalismus, der Schriften Marxens in weiland wie so also – ermöglichen selbst seiner Abschaffung die die Bedingungen, derjenigen genau Herstellung der bei Kino das sich beobachtet GreenawaysFilmen in sagen: auch man könnte Sinne diesem in und Transitionsphänomen, posthistorisches historisch- als dann Film erscheint Optik dieser In hinauszuführen. und über- te« lassen« zu geraten Fugen den aus es um treib[t], Spitze die auf Codes linearen der Wesen »das gerade Glied, das dasjenige eben aber – geben« zu Sinn einen ihr um aufzurollen, Welt die versucht, Jahrtausenden seit Menschheit die dererTexten, von dank Kette der in that name.« change to needing be shall we convinced am I though […] cinema re-invent must

in articulo mortis articulo in Edgar Allan Poe: Edgar Allan The Factsof M. in Case the Valdemar. In: In: Manovich:HansMedia. Lev and Cinema Digital Peter Jeffrey ShawSchwarz, (Hg.): In: Reproduzierbarkeit. technischen seiner Zeitalter im Kunstwerk Das Benjamin: Walter Vgl. 192ff. 1998,Flusser S. In: der Quantität. Ästhetik Rother: Rainer weniger euphorisch, dazu, Vgl. Peter Greenaway: Greenaway 2003. sleeping – and now – now – now – now and – sleeping Illuminationen 40 . Ostfildern 1996, S. 1996, 151–156,S. . Ostfildern 156. Im Film sieht etwa ja auch Flusser vor allem anderen »das letzte Glied . Frankfurt amMain 1977,. Frankfurt 136. 136–169, S. S. The 92 of Faces GreenawayPeter in »magnetischen Schlaf« versetzt und so noch über seinen seinen über noch so und versetzt Schlaf« »magnetischen in 39 Die Antwort darauf ist, dass es Greenaway nicht nur um nur nicht Greenaway es dass ist, darauf Antwort Die 41 und damit aus der Geschichte in die »Nachgeschich die in Geschichte der aus damit und I am dead am I . Karlsruhe 2002, S. 5. 2002,S. . Karlsruhe .« 44 Selected Tales Operation gelungen – Patient tot! Patient – gelungen Operation 43 (was seinerseits natürlich einen natürlich seinerseits (was 42 oder, wie Lev Manovich es Manovich Lev wie oder, . Harmondsworth 1994, S. 364–373. 1994, S. . Harmondsworth filmwärts 21,1992, S. 36–39, S. 39. 36–39,S. 21,1992, S. Perspektiven 38 have have - - - - - 191

Ende seines Beobachtens – denn das würde ja eine weitere Operation, eine wei- tere Beobachtung erfordern.45 So stellt z. B. Flusser auch die Frage, ob angesichts der neuen Medien etwa noch das Schreiben Zukunft habe, und beantwortet diese Frage dann mit Nein – mit dem natürlich selber festgestellten Haken, dass er die Frage eben in einem Buch stellt und beantwortet,46 was bedeuten würde, dass die Schrift – und so dann auch das Kino? –, wo keine Zukunft, so doch ein Ende ohne Ende hätte, denn auch Selbstnachrufe sind noch Lebenszeichen – und zwar immer nur vorletzte. Es ließe sich auch formulieren: Das Kino ist (für Greenaway), was es (noch) nicht ist.47 In dem von Heinrich von Pierer und Bolko von Oetinger herausgege- benen Sammelband Wie kommt das Neue in die Welt? etwa findet sich ein Richtiges Kino kommt erst noch betiteltes Interview mit Greenaway, in dem es beispielhafter- weise heißt:

»Ich glaube, wir haben bisher noch gar kein Kino gesehen. Bisher hat man uns nur illustrierte Tex- te gezeigt. Erst in den nächsten hundert Jahren wird das Kino entstehen. […] Wir befinden uns gerade mal im Prolog des Filmemachens. Aber die neuen Technologien, die überall auf der Welt aus dem Boden schießen, werden uns weiterhelfen. […] Die neuen Technologien werden uns die Freiheit geben, Filme über das zu machen, was wir denken.«48

Wie immer kritisch man nun eine solche vielleicht überzogen optimistische Beto- nung einer erhofften »Freisetzung menschlicher Kreativität« durch neue technolo- gische Möglichkeiten auch sehen kann – so etwa um nur gerade wieder »alte Ideen von Originalität, Subjektivität und Schöpferkraft in eine neue Medienlandschaft einzuschmuggeln«49 –, so muss man zumindest doch Greenaways ebenso ein- leuchtendes wie beeindruckendes Argument der im Vergleich zu älteren Verfahren der Bildherstellung unglaublichen Beschleunigung des medientechnologischen Produktionsprozesses anerkennen:

»Everytime a film camera turns, 24 images are produced every second. Just think, all over the world in the last ten minutes how many millions and millions of images have been made, and fixed, in some media or other. In those ten minutes there have been more images made in the world than there were made in the whole of the 16th and the 17th centuries put together. […] There is so much freedom now – […] every single frame can be re-made. Every single frame can be re-cropped, re-organised, re-colored, thousands of things can be done with it. […] You can build an image which is 17 layers and you can do it quite easily in a hands-on, real-time situation in a

45 Niklas Luhmann: Anfang und Ende. Probleme einer Unterscheidung. In: Ders., Karl Eberhard Schorr (Hg.): Zwischen Anfang und Ende. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt am Main 1990, S. 11–23. 46 Vilém Flusser: Die Schrift. Hat Schreiben Zukunft? Frankfurt am Main 1992, S. 7f., 141f. 47 Vgl. Niklas Luhmann: Tautologie und Paradoxie in den Selbstbeschreibungen der modernen Gesell- schaft. In: Ders.: Protest. Systemtheorie und soziale Bewegungen. Frankfurt am Main 1996, S. 79–106, S. 83f. 48 Hannah Hurtzig: Richtiges Kino kommt erst noch. Gespräch mit Peter Greenaway. In: Heinrich von Pierer, Bolko von Oetinger (Hg.): Wie kommt das Neue in die Welt? Wien 1997, S. 31–36, S. 32. 49 Vgl. Geoffrey Winthrop-Young:Friedrich Kittler zur Einführung. Hamburg 2005, S. 98. 192 Axel Roderich Werner manage to wag its tail until the Friday, before the last breath leaves its body. Friday will soon be be soon will body.Friday its leavesbreath last the Friday,before the until can tail its and wag to week, manage a for dead brain is Monday, a on head the in shot dinosaur, bright very not and played itself has out. If you believe it is still alive cinema … consider that they say, illusionistic herbivorousa slow-moving, illustrated-text, chronologically-plotted, narrative, cut-and-paste, »The ausruft: und Überkommenheit alterung andererseits den »Tod des Kinos« oder wenigstens doch seine hoffnungsloseÜber er der mit Entschiedenheit, apokalyptische nachgerade die nur entspricht feiert, digitaler Möglichkeiten neuen die Greenaway der mit Verve, Der months.« three for around wait than do to things interesting more are there and months, three you take studio.digital You could do that, of course, in anywherea good laboratory in Europe, but it would 56 55 54 Begriffs eines Klärung zur Beiträge Medienphilosophie. Wählen, Denken. Genese und Funktion einer philosophischen Apparatur. In: Stefan Münker et al. (Hg.): 53 New Media 52 51 50 xerweise cinema«, the of out cinema »taking des Strategie einer hinaus, auch Jenseits kinematographischen des Antezipation tige diessei immer wie und bloße eine Greenaway, sichüber Tat bedient der damit In surely it cinemaitself.[…]How must.« them, because cinemacope with will metamorphosed intrinsically all have which activities, multiple-media of world new whole a to, partner a be and tivity have come a long way since September 1983, and the act of cinema has had to exist alongside, interac excessive investigation, huge of communication and personal personal choice, ideas »The macht: Kinos nötig des und Neuerfindung arbeitung Greenaway,und, so auf den Film wieder zurückwirkt Über eine grundsätzliche so werden; entgegengestellt bzw. hinzu- Medien lere« derenin weitereimmer Folge »küh immer und dann Film Medium »heißen« dem Selektivität, und Aktivität an Zumutung einhergehende damit Rezipienten den für die und also?) Event Unknown Violent weiterer ein – gibt nicht gar natürlich Einführung der Fernsehfernbedienung am 31. September 1983 (den es kalendarisch Medien, elektronischen und cinema« »celluloid von technologies«, »new und technologies« »old von ausmacht: nachher / vorher von Die historische Zäsur, die für Todden diagnostizierten des Kinos den Unterschied us.« upon Greenaway 2001. Ebd. Marshall McLuhan: Vgl. Tasten, Engell: Lorenz Fernbedienung, der Einführung der Früherdatierung erheblicher mit Vgl., Ebd., S. 4f. Zur Unterscheidung von old media und new media siehe Lev Manovich: Ebd. Greenaway 7, 2002,S. 18. 12, 50 51 . Cambridge (MA) 2001, S. 27ff. 2001,S. (MA) . Cambridge außerhalb des Kinos liegt: sei es in Greenaways Performances als VJ,in als Performances Greenaways in es sei liegt: Kinos des Die magischen Kanäle. Understanding Media Understanding Kanäle. magischen Die 56 . Frankfurt am Main 2003, S. 53–78. amMain 2003,S. . Frankfurt nach der die Zukunft des Kinos parado Kinos des Zukunft die der nach 54 52 eine Entwicklung, die dann dann die Entwicklung, eine datiert Greenaway auf die auf Greenaway datiert . Düsseldorf u. . Düsseldorf post-production a. 1992, S. 35ff. 1992, S. a. The Language of Language The 55 53 ------

193 welchen er in real time über einen touch screen Videoclips montiert, sei es in seinen Illuminationsprojekten mit Rembrandts Nachtwache im Rijksmuseum Amsterdam (2007) oder Leonardo da Vincis Abendmahl in der Santa Maria delle Grazie in Mai- land (2008): Die weltberühmten Bilder werden hier, gut kinematographisch, »zum Leben erweckt«, indem sie als Leinwände einer Filmprojektion benutzt werden; einer solchen Projektion allerdings, die eben nur für diese eine (und keine andere) Leinwand gemacht ist (und so auch dem original-auratischen »einmaligen Dasein« der Kunstwerke eine neue Aufmerksamkeit beschert, als dessen Totengräber Wal- ter Benjamin den Film gesehen hatte).57 Wie es mit Flusser von der Schrift aus zwei Richtungen des medialen Wandels geben kann: zurück zum Bild oder vorwärts zu den Zahlen bzw. zurück zur Imagination oder vorwärts ins Kalkulieren, die beide zusammen und zugleich ins Phänomen des digitalen Techno-Bildes münden,58 so geht Greenaway in seinen neuesten Projekten mit avanciertester Technologie zu- gleich zurück zum Gemälde und über das Kino hinaus: Während er in The Tulse Luper Suitcases vornehmlich die eigenen Werke einem remake oder re-working unterzieht, behandelt er nun die Werke anderer, die er als Kino avant la lettre, als Erfindung des Kino vor dem Kino ansieht und durch seine Installation zum Teil einer post-kinematographischen Kunstform, eines Kinos nach dem Kino macht. Vielleicht trifft gerade hier, auf diese (buchstäbliche!) Beleuchtung jahrhunderte- alter anerkannter Meisterwerke, auch das Diktum Nietzsches zu, nach dem eben nicht der Umstand, etwas Neues zuerst zu sehen, sondern vielmehr die Fähigkeit, das Alte, Altbekannte, von jedermann Gesehene und Übersehene wie neu zu se- hen, die eigentlich originalen Köpfe auszeichne.59

5. Eine andere Frage ist natürlich, inwieweit sich solche Innovationen dann als an- schlussfähig, wirksam oder folgenreich erweisen können (oder, um es überdeut- lich mit Alan Parker zu sagen: »It doesn’t matter what the technology is – no one will watch a Peter Greenaway film anyway!«60). Neue Medien, um dies nochmals aufzugreifen, nähren oftmals alte Hoffnungen, deren Inaussichtstellung endlicher Erfüllung dann aber ebenso oft, vielleicht aus mit Bedacht gewählter Vorsicht, mit einem »Index des Zukünftigen« versehen wird; und so handelt es sich meist eher um »Prophezeiungen, die implizit zugestehen, dass ihre Zeit noch nicht gekom- men ist«.61 Nun ist Greenaways Behauptung, es gäbe keine interessanten Filme- macher mehr, da alle interessanten Filmemacher den Film verlassen hätten und

57 Benjamin, S. 139ff. 58 Flusser 1992, S. 143. 59 Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. In: Ders.: Werke. Bd 1. Frankfurt am Main u. a. 1972, S. 435–1008, S. 814. 60 Zitiert nach: www.sofiaecho.com/article/profile-alan-parker/id_14248/catid_30 (29.07.2008). 61 Niels Werber: Neue Medien, alte Hoffnungen. In:Merkur 47, 1993, S. 887–893, S. 892. 194 Axel Roderich Werner angekündigte »Revolution des Sehens« und des Kinos bislang ebenso ausgeblie ebenso bislang Kinos des und Sehens« des »Revolution angekündigte wieder immer die dass jedenfalls, aber entsprechendwerden;nachgegangen dafür könne. werden gerecht Ansprüchen eigenen seinen einmal nicht dann und verspreche, doch Geste großer mit erbringe, er Beweise als weniger aber Visionen seine eigenen für seinen sehe, in verwirklicht Projekten ausschließlich Mediums des Zukunft die Greenaway nach denen Vorwürfe, angebrachten unberechtigt völlig nicht gewiss die wohl wiegen aber Kino aufs Zorn im zurück Blick solcher ein schwererals mag); sein motiviert auch ihrerseits sie Enttäuschungen vielen wie und welchen von lässt, spekulieren trefflich selbstverständlich sich wiederum der (von geschuldet Umorientierung seien, hingegangen woanders php?id=366 (29.07.2008). 67 Boronoev (Hg.): 66 297, S. München 289–311, 1975, S. 305,308. 65 Recht. selber Sinneautologisch sich ingewissem also wird: esgibt wiederholt endlos weiter auch und zugemutet Redner als Auftritte seiner all 90% geschätzten in Zitat 64 borg. In:Tagesspiegel, 11.2.2007. 63 62 time.« ahead its of The Suitcases with Luper Tulse that achieved I Have project. encyclopædic grand, one in – life indeed and – cinema the about I’d learned thought I that everything put could I where opus, magnum towardsgrand moving some was »I geben: recht zu Scheitern durch sein können. zu realisieren auch sie sein, zu Lage glücklichen der in immer auch allerdings ohne – sehen ten Möglichkei andere immer natürlich Bestehenden dem gegenüber man kann so immer viel mehr Möglichkeiten, als in werdender aktualisiert Gegenwart können, schon ohnehin Zukunft die enthält und ist, vorherzusehen nicht gegenwärtig es Wie – das weiß ich noch nicht.« » sagen: zu nurmehr Form seiner und Films« »neuen des Vision seiner Ausgestaltung und Umsetzung konkreten zur Eisenstein Sergej Vorbild großes zweites Greenaways audience«, your of 80% lose immediately you art, of work any to in novelty of 20% than moreintroduce you if that suggested Cage Untergang der Welt, prophezeitehat Greenaway zum selbst Einen eine »JohnEntschuldigung: wieder immer auch Jehovas Zeugen die durch etwa der wie ist ben ee Greenaway: Peter Luhmann: Niklas Eisenstein: Sergej Notate zu einer Verfilmung des Marxschen In: »Kapital«. Ders.: dieses VorträgenGreenaways von Auditorien den gerade allerdings Wobei 4f. S. 2002, Greenaway Cy Britischer Tretbar: Christian 12.02.2007; FAZ, In: Kinos. des Tyrannei Die Rebhandl: Bert Vgl. Greenaway 3. 2002,S. Ça viendra! Ça Probleme dertheoretischen Soziologie 67 Vertrauen Lf i Film in Life A […] Wie das in der Praxis aussehen wird – wird aussehen Praxis der in das Wie […] 66 Aber selbst hier gelingt es Greenaway, sich selbst noch selbst sich Greenaway, es gelingt hier selbst Aber . Stuttgart 1968, S. 10; Ders.: Warum »Systemtheorie«? In: Asalchan Asalchan In: »Systemtheorie«? Warum Ders.: 10; S. 1968, Stuttgart . ? No. It’s a dismal been failure.« Warum? »It’s far too 62 Ztet ah www.timeoutabudhabi.com/thismonth/feature. nach: Zitiert . wohl sicherlich vor allem seiner eigenen medialen medialen eigenen seiner allem vor sicherlich wohl 65 Das Neue zeichnet sich ja eben dadurch aus, dass 63 Dem kann an dieser Stelle natürlich nicht natürlich Stelle dieser an kann Dem . St. Petersburg 1994, S. 25–42, S. 25. Petersburg S. . St. 25–42, 1994, S. 64 zum Anderen vermochte auch vermochte Anderen zum qui vivra verra! vivra qui Schriften . Band 3. […] - - - 195 Die Leerstelle in Film und Wahrnehmung

von Valerie Deifel

An den Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger Eric Kandel1 richtet Alexander Kluge die Frage, was das Gehirn im Kino »sehen« würde. Nachdem ein achtund- vierzigstel einer Sekunde das kinematographische Bild belichtet ist und ein acht- undvierzigstel einer Sekunde Dunkelheit während der Transportphase herrscht, nehme das Gehirn eigentlich zwei Filme wahr: einen Schwarzfilm und einen aus Lichtbildern, aber auf letzteren ist die Reaktion des Auges evolutionsgeschichtlich ausgerichtet. Der rasche Wechsel von Licht und Dunkelheit veranlasse das Hirn zu »träumen«.2 Man ist verleitet anzunehmen, dass Kluge mit diesem neurobiolo- gischen Exkurs zur visuellen Wahrnehmung ein ästhetisches Paradigma erläutern möchte, das eine Öffnung in der Struktur eines jeden Kunstwerks vorsieht, zu- mindest in seiner Interpretation und der Ambiguität der künstlerischen Botschaft. Das Kino bietet in beiderlei Hinsicht einen gelegenen Untersuchungsgegenstand, da abgesehen von der künstlerischen Gestaltung bereits psycho-physiologisch ein ständiges Übersehen, d. h. ein Nicht-Sehen oder Zuviel-Sehen, bei der Rezeption mit einhergeht. In Folge soll nun poststrukturalistischen Fragestellungen hinsichtlich Ästhe- tik, Struktur und struktureller (Dys-)Funktion in der Filmwahrnehmung nach- gegangen werden. Eine am ästhetischen Gegenstand orientierte Untersuchung von »Film als Kunst« wird mit der Wahrnehmung des Interpreten in Beziehung gebracht; aufgrund der These, dass formale und inhaltliche Leerstellen die Imagi- nation verstärken und damit die Kommunikation zwischen ästhetischem Gegen- stand und Rezipienten konstituieren. Ist diese Tendenz radikalisiert, dehnen sich die Lücken und Zwischenräume der Bilder so weit aus, dass die Projektionsfläche der Repräsentation marginalisiert wird, das Skelett der Struktur hervortritt und die Wahrnehmung letztlich auf ihre eigene Erkenntnisleistung zurückgeworfen wird. Die Argumentation verweist auf die Überlegungen Umberto Ecos zum »of- fenen Kunstwerk« und Gilles Deleuzes Kunst- und Kinophilosphie. Exkurse ins kognitionspsychologische Labor und in den Versuchsraum des Kinos fügen sich ergänzend an. Beide Denker, Eco und Deleuze, lassen sich zwischen Strukturalismus und Poststrukturalismus ansiedeln. Ein »Felderdenken«, welches das Subjekt sprachli-

1 Im Jahr 2000 erhält Eric R. Kandel zusammen mit Arvid Carlsson und Paul Greengard den Nobel- preis für Medizin »für ihre Entdeckungen betreffend der Signalübertragung im Nervensystem«. 2 Vgl. Alexander Kluge: Geschichten vom Kino. Frankfurt am Main 2007, S. 42f. 196 Valerie Deifel »zweiten Garde« des Poststrukturalismus gezählt, Poststrukturalismus des Garde« »zweiten der zu einerseits wird Semiotik pragmatische seine aus, schwieriger ordenbarkeit mit Film als einem weiteren Umschichten von Denkstrategien. Bei Eco fällt die Zu Auseinandersetzung die sich reiht Deleuze von Werks philosophischen des Ende Wurzelgeflecht ohnezuordenbare Abstammung und Ausrichtungabgelöst. An das rhizomartigen einem von wird Argumentationslinien der Baumarchitektur onelle traditi Die werden. entworfen Schichten gelagerten übereinander Textes aus des Gestaltung die sowie Ebenen thematischen die worin Guattari), Félix mit (1980, sens structuralisme? Aufsatzdem in Deleuze bei ist sieht, unterworfen chenStrukturen 8 Rizzuto: es mehrere gibt So von Ausgaben, 1962,vornimmt. de Ergänzungen 1967 Ahlborn- Ursula und 1976; vgl. 7 6 5 32. Bd. 2.Hamburg 1996, S. 4 reich 3 strukturellen den aus sich und beschreibt Tendenz operativen einer Abstraktion die welches sprechen, Modell einem als nur Kunstwerk offenen einem von trotz Poetiken«, der »Kulturgeschichte eine als sondern will, aperta Opera der interpretativen Beziehungen diese nun häufigselbst thematisiert. hinsichtlich Bewusstsein verändertes ein da zutrifft, Kunst moderne die auf ders offen. Lesarten möglichen von auchKunstwerk, wenn die Formgebung fertig gestellt ist, für eine jedes unendliche Zahl ist 3. konfrontieren; Reiztotalität‹ der Perzeption seiner ›Akt dem mit lem al vor Rezipienten den zulassen, Deutungen mehrere jedoch sind, abgeschlossen materiell die Werke, 2. formen; Interpreten und Hervorbringer mit gemeinsam › offene 1. Intensitätsstufen: denen verschie in Kunstwerks eines »Offenheit« die Eco Umberto unterscheidet gend, Die Haltlosigkeit des Zeichens auf die Aussagen Schaffenskünstlerischen übertra des Kunstwerks Struktur Die ergänzen. zu Deleuzes Überlegungen die damit und einzugehen Interpretation und Ästhetik von fahren Brechung« gelesen werden,Eco einer mit »poststrukturalistischen um auf die Ver vermitteln. Sprache«, der in »Gefangensein einem als ralismus, Peirce,Sanders Struktu dem Charles und Sinne im Pragmatismus, dem zwischen Vgl. Eco10. 1990,Vgl. S. Den Abschluss von Eco32. 1990,Vgl. S. Eco: Umberto Vgl. Mersch: Breuer/PeterLeusch/Dieter Ingeborg Vgl. Johannes Angermüller: Vgl. . Bielefeld 2007,. Bielefeld 37. S. (1969) ausgeführt. Diese Konzeptionen verräumlichen sich in sich verräumlichen Konzeptionen Diese ausgeführt. (1969) Im Labyrinth der Zeichen. Zur Textsemiotik Zur derZeichen. Ecos Umberto Im Labyrinth (1962) (1967)/ Das offeneDas Kunstwerk Opera Opera aperta 7 sich nicht als eine allgemeine ästhetische Theorie verstehen Theorie ästhetische allgemeine eine als nicht sich À quoi reconnaît-on le structuralisme? Nach dem Strukturalismus. Theoriediskurs und und Intellektuelles Theoriediskurs Feld Frank in NachStrukturalismus. dem zögert Umberto Eco hinaus, in dem er wiederholt kontextualisieren 5 Eco hebt hervor, dass die erste Kategorie beson Kategorie erste die dass hervor, hebt Eco . Frankfurt am Main 1990, S. 57. amMain 1990, S. . Frankfurt Kunstwerke in Bewegung in Kunstwerke Welten im Kopf. Profile der Gegenwartsphilosophie der Profile WeltenKopf. im . Frankfurt am Main 1990, S. 21. amMain 1990, S. . Frankfurt 3 andererseits soll sein Zugang Zugang sein soll andererseits 8 (1973) und in äs sc nct desto nichts sich lässt ‹, die sich immer neu neu immer sich die ‹, 4 Zumindest kann kann Zumindest Milles Plateaux Milles Qu’est-cele que 6 Auch wenn Logique du Logique ------.

197

Ähnlichkeiten unterschiedlicher Operationsmodi herleitet.9 Dem Verständnis ei- nes klassischen Strukturalismus hält Ecos Semiotik jedoch entgegen, dass die Flut der Zeichen nicht in die Form eines Musters gebändigt werden könne, da diese als ein chaotisches Universum nur begrenzt Orientierung zulässt. Die rhizomatische Form ohne Anfang, Ende und Ziel entspräche deshalb dem semiotischen Laby- rinth am ehesten.10 Als ein Erkennungsmerkmal des Strukturalismus nennt Deleuze in À quoi re- connaît-on le structuralisme? das »leere Feld«, mit dem er auf Jacques Lacan Bezug nimmt und dessen »Objekt = x«, ein Phänomen, das in Folge auch mit anderen Namen, wie »Rätselobjekt« oder das »große Mobile«, betitelt wird.11 Die vorange- stellte Frage von Deleuze lautet: »Was ist der Strukturalismus?«, welche er sogleich verwirft, um zu fragen: »Woran erkennt man jene, die man Strukturalisten nennt?« Deleuze, hier ganz Strukturalist, nimmt keine Struktur außerhalb der Sprache an und setzt voraus, dass von der Struktur des Unbewussten nur zu reden ist, sobald das Unbewusste in Sprache gefasst ist. So gibt es eine Struktur der Körper, inso- weit sie als sprechende verstanden werden, und auch die Dinge sind selbst schwei- gend, sie verlauten sich in der Sprache der Zeichen.12 Aus der allgemeine Aussage, dass die »strukturale Kritik die Bestimmung der ›Virtualitäten‹ in der Sprache zum Gegenstand hat, die vor dem Werk existieren«, schließt Deleuze: »so ist das Werk selbst struktural, wenn es sich zum Ziel setzt, seine eigenen Virtualitäten zum Ausdruck zu bringen.«13 Die Überlegungen zur Sinnproduktion in einer strukturellen Ordnung sind in Logique du sens über die Verbindung von Sprache und Unbewusstem anhand der Schriften von Lewis Carroll weiter ausgeführt. Eine »paradoxe Instanz« tritt hier erneut in Zusammenhang mit Jacques Lacan auf, wenn auch mit dem Hinweis, dass Lacans Schriften oft eine Carroll’sche Inspiration erkennen lassen.14 »Von der paradoxen Instanz gilt, daß sie niemals ist, wo man sie sucht, und daß man sie umgekehrt nicht dort findet, wo sie ist.«15 Die paradoxe Instanz ist wesentlich für das Entstehen von Sinn verantwortlich, sie vermittelt zwischen einer Serie der Signifikate und der Signifikanten. Es handelt sich jeweils um Serien und nicht um Einzelelemente, da nach dem Paradox des infiniten Regresses des Sinns jede Be- zeichnung über eine Bedeutung verfügt, die erst durch einen weiteren Begriff ge- deutet werden kann.16 Die paradoxe Instanz verfügt diesen Serien entsprechend

9 Vgl. Eco 1990, S. 12. 10 Vgl. Breuer/Leusch/Mersch 1996, S. 100f. 11 Vgl. Gilles Deleuze: Woran erkennt man den Strukturalismus? Berlin 1992, S. 41–53. 12 Deleuze 1992, S. 8. 13 Vgl. Deleuze 1992, S. 46. 14 Vgl. Gilles Deleuze: Logik des Sinns. Aesthetica. Frankfurt am Main 1993, S. 62. 15 Deleuze 1993, S. 62. 16 Vgl. Deleuze 1993 S. 57. 198 Valerie Deifel beschleunigen musste.« beschleunigen jäh Erkenntnis derEntfaltung der Spracheder ErscheinenRhythmus den das daß besser schon nicht damit es ist ist, geworden signifikativ gesamte Schlag Universumeinem mit das da Augenblick, »Im kommt: gleich Bedeutung und Zeichen von Ursprung dem das Serien, zwei der gewichts verschoben?« mer Objekt, bewegliches sehr ein nicht beweglicher äußerst ein als anderes das ist was ist, Überschuss Seite einen der auf was »Denn umgekehrt. und verweist Fehlen das auf Überschuss der wobei Fehlen, einem von signifikate die und geprägt Überschuss einem von ist Seite signifikante die Seiten: zwei über 21 nisphilosophie Schaub: Mirjam auch 67.Siehe 2007,S. Main am Frankfurt 20 19 Anthropologie 18 17 Reaktion. oder Aktion als statt, Dingen den zwischen findet es eingebildet, noch wirklich, ganz weder ist Ereignisses des Realitätsgehalt Der Gegenwart. der in nie ist es ereignen, gleich sichwird oder ereignet schon bereits immer sich hat es ten, verteilen, das Eine Einzige Ereignis.« sich und kommunizieren Ereignisse alle dem in überhaupt, Ereignis das ist aber paradoxeInstanz »die ausgefüllt. Feldes Potentialitätdes die ist ist, gestellt Frage lich. Das Ereignis ist kein Zwischenfall, es ist viel mehr ein Problemfeld, sobald die gulären Punkte. Eine Singularität ist undunbegrifflich neutral, aber nichtgewöhn sin der Gesamtheit die oder Singularität eine Punkt, besonderer ein ist Ereignis eignisses inne, da es den Raum bietet, an dem etwas sich ereignen kann. Das ideale bezeichnen. »Ereignisphilosophie« als auch daher sie kann man Hauptaufgaben, ihrer eine als Den Vorgang eines Ereignisses zu beschreiben, stellt sich die Philosophie Deleuzes paradoxeDie InstanzalsEreignis einer also. Struktur Mindestbedingung wesentliche die bringt«; Funktionieren zum erst alles »das ausdrücken, Feld leere das die Namen, weitere sind Es können. Sinn annehmen beliebigen jeden und sind sinnleer selbst sie da schließen, Signifikant und da«, »aliquid« (oder das Mauss’sche »mana«), können die zwischen Kluft Signifikat »Dings »irgendetwas«, wie Platzhalterwörter, Allein wird. übertragen Dinge die geben, ist jedoch damit nie einen Es ganz Überschuss gibt an erfasst. Sinn, der auf Deleuze 1993, S. 81. 1993,Deleuze S. PeterGente/PeterWeibel(Hg.): In: Ereignis? ein ist WasVogl: Joseph Vgl. 75. 1993, Deleuze S. Vgl. Mauss: Marcel In: Mauss. Marcel von Werk das in Einleitung Lévi-Strauss: Claude 63. 1993,Deleuze S. . Bd.1.München 1974, 38. S. . München 2003. 20 Das leere Feld hat eine wesentliche Aufgabe in der Struktur des Er des Struktur der in Aufgabe wesentliche eine hat Feldleere Das 19 17 Claude Lévi-Strauss steht Pate für das Paradox des Ungleich Paradoxdes das Patefür steht Lévi-Strauss Claude 18 leerer Platz leerer Das Signifikat wird zwar durch den Signifikanten vorge Signifikanten durch den zwar wird Signifikat Das ? Und was auf der anderen Seite fehlt, ist das das ist fehlt, Seite anderen der auf was Und ? Besetzer ohne Platz ohne Besetzer 21 In seiner Zeitlichkeit ist das Ereignis gespal Gilles Deleuze im Wunderland. Zeit als Ereig als Zeit Wunderland. im Deleuze Gilles erkannt , stets überzählig und im und überzählig stets , , selbst wenn es wahr ist, ist, wahr es wenn selbst , Deleuze und die Künste die und Deleuze Soziologie und Soziologie ------. 199

In der körperlichen Manifestation endet es.22 Im Ereignis formen virtuelle und ak- tuelle Anteile eine »problematische Struktur«, die virtuelle Seite gehört zum Struk- turdenken: »Das Ereignis, das sich in einem stukturalen Raum und in einer endlos sich differenzierenden Zeit konstituiert, erscheint dabei als eventum tantum, als ein Objekt X, ein strukturales Objekt, das immer an seinem Platz, seiner Identität und seiner eigenen Entstehung fehlt.«23

Die paradoxe Instanz als Unsinn Das leere Feld könnte man auch als Ort einer Frage setzen, der Frage, die sich in ihren Antworten nicht auflöst, sondern in diesen weiter besteht, da sie ohne das problematisierende Anliegen ihren Sinn verlieren würden. »[A]ls magisches Wort, so dass alle Namen, von denen es ›benannt‹ wird, das Weiße nicht ausfüllen –, verfügt die paradoxe Instanz eben gerade über dieses singuläre Sein, diese ›Objek- tivität‹, die der Frage als solcher entspricht, und ihr entspricht, ohne jemals auf sie zu antworten.«24 Das Fragende an der Frage ist also ohne Sinn. Ähnlich steht es mit Wörtern, die als Platzhalter für ein unbekanntes Objekt (z. B. »Dingsda«) fungieren, die wie das paradoxe Element Wort und Sache zugleich sind und damit genau das ausdrücken, was sie bezeichnen, ihren eigenen Sinn. Ein Name aber, der seinen eigenen Sinn bedeutet, kann nur Unsinn sein, denn der Sinn entsteht aus einer Serie von Benennungen und ein Element kann nicht Teil der Menge sein, die es festlegt. Die Pointe ist also, dass auch der Unsinn einen Sinn hat, der darin liegt, keinen zu haben. »In den Serien hat jedes Glied Sinn nur dank seiner relativen Stel- lung gegenüber allen anderen Gliedern; diese relative Stellung hängt ihrerseits von der absoluten Stellung jedes Glieds in Funktion der Instanz = X ab, die als Unsinn bestimmt ist und unablässig durch die Serien hindurch zirkuliert. Der Sinn wird tatsächlich durch diese Zirkulation hergestellt, als Sinn, der dem Signifikanten, aber auch als Sinn, der dem Signifikat zukommt.«25 Diese paradoxe Anordnung der Sinnproduktion, eines unkörperlichen Sinns, der sich über den Unsinn herleitet, nennt Deleuze »Carroll-Effekt« oder auch »Chrysipp-Effekt« in Favorisierung der stoischen Philosophie. In den Sinn ist man nicht über eine »Doxa«, einen Gemein- sinn oder Hausverstand bereits eingelassen, er wird nicht transzendental-philo- sophisch wieder gefunden, sondern muss maschinenhaft hergestellt werden und bietet damit die Möglichkeit zu immer neuen Sinnkorrelaten zu gelangen.26

22 Vgl. Deleuze 1993, S. 89. 23 Vogl 2007, S. 78. 24 Deleuze 1993, S.82. 25 Deleuze 1993, S. 96f. 26 Vgl. Deleuze 1993, S. 97–99 u. 127–130. 200 Valerie Deifel Das Medium des Films scheint verheißen. wie dafür geschaffenzu sein, den probabilistischen Orientierung konkrete eine die gemacht, stark jenen gegenüber den wer Film im Zeitlosigkeit und Ort- der VerfahrenMomenteInteresse.deren von mouvement organisiert.« Intervall das Spatium, das durch sich der Raum, »prä-extensiver ein ist es Raum, ausgedehnten homogenen, keinen um sich es handelt Dabei Beweglichkeit. ihre er Elemente Feldes einzelner leeren Verschiebungeneines die über erhält Ordnung Stellung spatiale Diese klärt. relationale und topologische die über fahren Ver die Verteilungslehre, eine als also Deleuze beschreibt Strukturalismus Den imFilmbild Der »Knacks« die körperliche Einschreibung eines Risses (»fêlure«) bezogen; vgl. Deleuze, 1993, S. 193–202. 1993, Deleuze, S. vgl. (»fêlure«) Einschreibung einesRisses bezogen; die körperliche 29 28 27 spirit, of philosophy a As matter-light. of metamorphoses the of infinity chaotic the to us ce »As a philosophy of nature, des Denkens. alsBild einmal untersuchtMaterie und zur Bezug seinen auf Bild das Bilder,ist einmal derselben und ein Kehrseite der Betrachtung die als sondern Bilderklassen, terschiedener un voneinander gänzlich Gegenüberstellung eine als nicht entzweit, klassischen typen. Jacques Rancière deutet diesen »Knacks«, Bild zwei den zwischen eine und Bildes des Geschichte allgemeinen einer situiert in sich eine Bruchstellen: zwei grundsätzlich also beschreiben Kinobücher Die Zwängemateriellen überwindet.« tatsächlich, alle formalen und oder prinzipiell Verpflichtungen die, gefunden, Öffnung spirituelle eine er hat nur derselbe, ist anders, nicht ist zweite der geschlossen, und zellenartig ist Raum te der übergegangen, uns Raum eine spirituellen Physik (oder Metaphysik) Der zurückerstattet. ers »Wir sind, ohne den Ort zu wechseln, von einem Raum zum anderen, vom physikalischen in einen deren Zu undVerhältnis »Zeit-Bild«. gungs-« heißt es: »Bewe in Bedeutung, von Bildtypen und Epochen beiden in Funktion generative deren ist doch erfahrbar, deutlicher sie macht und aus weiter Zwischenbereiche undefinierten solche »klassischen« zum Vergleich im dehnt Kino« »moderne verfolgt. Das Bilder der Dialektik eine und Zeit von Darstellung indirekte noch eine Verbindungen über das Montage-Kinos, senso-motorischen des Intervalls des Schnittstellen den an schon liegen Zwischenräume Solche völlig vermag. nicht aufzugehen darin die konkurriert, Struktur atopischen einer mit stets Zeit und Raum vonAbfolge chronologische eine dem in bereiten, zu Ereignisses des Raum Der »Knacks« auf Begriff verweist F.Scott Fitzgeralds Gilles Deleuze: VoglVgl. 2007, 76. S. (1983) und (1983) 27 Gerade auch für Deleuzes Beschäftigung mit dem Kino in Kino dem mit Beschäftigung Deleuzes für auch Gerade Das Bewegungs-Bild. Kino 1 Kino Bewegungs-Bild. Das TheMovement-Image L’image-temps 28 . Frankfurt amMain 1997,. Frankfurt 163. S. (1985) sind solche »beliebigen Räume« und Räume« »beliebigen solche sind (1985) , uses specific cinematographic images to introdu TheCrack-Up 29 den das moderne Kino mit dem (1945) und wird von Deleuze auf L’image- The ------201

Time-Image, shows us, through the operations of the cinematographic art, how thought deploys a power commensurate with this chaos.«30

Damit erklärt Rancière auch die Relation von Bildästhetik zu historischen Ereig- nissen, die er bei Deleuze als problematisch erachtet. In der Eigenschaft des Typus des »Affektbildes« zur Organisation von beliebigen Räumen sei das Projekt des »Zeit-Bildes« eigentlich schon vorweggenommen: »The very same [film] examp- les, in other words, can be used to illustrate the constitution of the any-space- whatsoevers of the affection image and the constitution of the pure optical and sound situations of the time-image.«31

Innerhalb und außerhalb des Filmbildes In dem Bruch von klassischem und modernem Kino tritt die Darstellung eines ganzheitlichen Gefüges, der Vereinigung aller Ensembles innerhalb und außer- halb des Bildfeldes, zugunsten einer Zone des »Außen«, einer Undarstellbarkeit der sozialen und politischen Realität, zurück. Der Bereich zwischen den Einstel- lungen dehnt sich aus und auch zwischen Tonspur und Bildebene kommt es zu einem Bruch. Mit Verweis auf Ici et Ailleurs (1976) von Jean-Luc Godard spricht Deleuze von einer »Methode des ZWISCHEN«, einem Sinn der sich »zwischen zwei Bildern« generiert. »Es geht nicht mehr darum, einer Kette von Bildern zu folgen, auch nicht über Leerräume, sondern die Kette oder die Verknüpfung zu verlassen.«32 In seiner stärksten Ausprägung wird das moderne Filmbild, das seine eigene Zeitlichkeit diktiert, zum »kristallinen Bild«, welches sich nicht mehr mit anderen aktualisierbaren Bildern verbindet, sondern gänzlich von seiner Außen- welt abgeschnitten, sich mit dem eigenen virtuellen Bild potenziert, wie eine Re- flexion in mehreren Spiegeln.33 Die Kinotheorie Deleuzes thematisiert offene, virtuelle Möglichkeitsfelder in der filmischen Repräsentation. Solche Vagheiten umspielen auch den Gebrauch des allgemeinen Begriffs »Bild«. Mirjam Schaub spricht in ihrer Analyse von De- leuze im Kino (2003) von einer Unschärfe, die berechtigt scheint, da der Ausdruck »Bild« materielle und mentale Darstellungen beträfe. Deleuze gehe mit der Dif- ferenz verschiedener Bildarten eigenwillig um, ihn interessierten Bilder nur hin- sichtlich ihrer Wirkung auf den Betrachter, in ihrem Vermögen »unsichtbare Kräf- te sichtbar zu machen«, da sich seine Philosophie allgemein der Aufdeckung einer »Virtualitätsanordnung« verschrieben habe.34 Die Bildlichkeit wird zur Kehrseite des Sagbaren, doch umgekehrt ist es die sensorische Wahrnehmung, die Anlass

30 Jacques Rancière: Film Fables. Oxford/New York 2006, S. 113. 31 Rancière 2006, S. 112. 32 Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt a. M. 1997(a), S. 234. 33 Vgl. Deleuze 1997a, S. 95. 34 Vgl. Mirjam Schaub: Deleuze im Kino. Das Sichtbare und das Sagbare. München 2003, S. 13. 202 Valerie Deifel unberücksichtigt. Den Interpreten als historisch und kulturell bedingte Größe zu zu Größe bedingte kulturell und historisch als Interpreten Den unberücksichtigt. bleibt Interpreten den auf Wirkung psychologische und physische ihre der Zeichen, Labyrinth einem in Spurensuche eine um sich es handelt Textes des Ebene in Bereits aperta vornimmt. Textes Be eines eine Strukturen und objektive auf ausklammert schränkung Leser den der Strukturalismus, einem aber gegnet ent beschränkt, Semiotik die auf zwar bleibt Ecos Zugang textpragmatische Der Wahrnehmung und Kunstwerk zurückbleibt. des Bildes bung hinter dem Bedeutungsüberschuss Sinnge diese wobei finden, zu Kategorien als Worte und Interpretieren zum gibt 38 37 36 35 Genuss ästhetischen den welche Grades«, zweiten »Offenheit eine und sind; zess Erkenntnispro jeden Herangehenfür konstitutiv (gestalt)psychologischen im die beschreibt, Ergänzungsmechanismen« und »Interpretations- die welche ersten Grades«, »Offenheit eine deshalb differenziert Eco geprägt. Prozessualen des und Offenheit der Bereichen von Erkenntnis ästhetische die wie ist Erkenntnis meine erfassen vermag und von der Disposition des Wahrnehmenden abhängt. Die allge vollständig nie zu Objekt probabilistischerdas als der Prozess Methoden erkannt, wissenschaftlichen modernen den von wird Wahrnehmung intelligible und liche mir ren, um die Wirklichkeit in den Griffzu bekommen), weiß ich,daß die Wirklichkeit ich die Wirklichkeit in Modellen erstarren lasse (und ich kann nicht anders verfah gebrauchen. zu Methode eine und Instrument ein als ist er sondern veranschlagen, zu Zuschreibungen substanziellen keine jedoch sind Anwendung seiner In beschränkt. Kulturwissenschaften die auf nicht also bleibt turalismus Struk Der erarbeiten. zu Beschreibungen schlichte und Prognosen Hypothesen, Vereinfachungin Phänomene um der wird, gefasst Mannigfaltigkeit diederer tels ihrer und mit Operationsmodelle, um sich es handelt Informationsverarbeitung.hierAuch Nervenbahnen der Modellen konnektionistischen Sender-Empfänger- in oder informationstheoretischen Modellen in Systemen, autopoietischen werden,z. gefasst Strukturmodellen in ebenso kann nehmung Wahr der Prozess der Denn psycho-physiologischen umgekehrt? und die schließen Subjekts auf des Strukturen Dinge der Strukturen den von nun man Kann relativieren, integrieren. System zu Freiheit indas zu Essentialismus auf Anspruch mit Modelle strukturale dazu, verhilft denken, Die erkenntnistheoretische Frage taucht dennoch bei Ecos Zeichentheorie auf: auf: EcosZeichentheorie erkenntnistheoretische tauchtFrage bei Die dennoch Eco 431f. 1985, S. Eco: Umberto Vgl. Mersch: Dieter Vgl. 11. 2003,S. Schaub Vgl. auch versucht Eco, die Komponente des Interpreten nicht auszulassen. Auf der Auf auszulassen. nicht Interpreten des Komponente die Eco, versucht – und nicht und – Einführung indieSemiotik Einführung Umberto Eco zur Einführung zur Eco Umberto nur – die Umrisse darbietet, die ich feststelle.« ich die darbietet, Umrisse die – . München361–370. 1985, S. . Hamburg 1993, S. 90–104.. Hamburg 1993, S. 36

B.kybernetisch- in 35 37 38 »Während Die sinn Die Opera Opera ------203 nicht auf ein abschließendes Erkennen, sondern auf die Unabgeschlossenheit der Form, daran »stets neue Umrisse und neue Möglichkeiten für eine Form wahr- zunehmen«, begründet. Mit der Einschränkung, dass sich die Psychologie mit ei- ner Genesis der Form beschäftigt und nicht mit objektivierten Strukturen.39 Die Psychologie bewegt sich jedoch in eine ähnliche Richtung, wie es die Logik des Offenen Kunstwerks tut und betont wie die moderne Kunst die »Möglichkeit,viele Ordnungen auszumachen«, »weniger ein Vorhersehen des Erwarteten als ein Erwar- ten des Unvorhergesehenen«.40

Die »epistemologische Metapher« Das Verhältnis zwischen dem Erkenntnisgewinn aus Kunstbetrachtung und Sin- neswahrnehmung denkt Eco als »epistemologische Metapher«, die in ihrer Gestal- tung »die Spiegelung bestimmter Errungenschaften der modernen wissenschaft- lichen Methodologien, die Bestätigung jener Kategorien der Unbestimmtheit, der statistischen Verteilung, die für die Deutung der natürlichen Fakten maßgeblich sind«, wiedergibt und historisch und kulturell bedingte Ansichten aufzeigt.41 Da es zur Tradition der Philosophie gehört, sich mit Begrifflichkeiten aus Physik und Kosmologie zu beschäftigen, sei eine »Verunreinigung der Ästhetik« durch Lehn- wörter aus fremden Wissenschaften nicht leicht zu vermeiden. Strukturen der Kunst können nicht mit den realen Strukturen des physikalischen Universums gleichgesetzt werden, doch gibt es eine kulturelle Beeinflussung und eine Verände- rung von Anschauungen, die durch wissenschaftliche Errungenschaften bedingt ist und in einen metaphorischen, alltagssprachlichen Gebrauch übergleiten. Ist die Wissenschaft penibel darauf bedacht, ihre neuen Begriffe nur in präzise umschrie- benen methodologischen Feldern geltend zu machen, greifen Kunst und Kultur auf diese uneingeschränkt und explorativ zu.42 In diesem Sinne kann dem offenen Kunstwerk die Funktion einer epistemologischen Metapher zukommen: »Es ver- mittelt zwischen der abstrakten Kategorie der Wissenschaft und der lebendigen Materie unserer Sinnlichkeit und erscheint so als eine Art von transzendentalem Schema, das es uns ermöglicht, neue Aspekte der Welt zu erfassen.«43

Im Laboratorium: Das Übersehen des Rezipienten Im Folgenden führen Beispiele aus der kognitiven Psychologie das Phänomen des Übersehens aus der Sicht einer konstruktivistischen Wahrnehmung aus, um die vorangegangenen gestaltpsychologischen Bezüge zu ergänzen und die visuelle Wahrnehmung hervorzuheben, mit Ausblick auf die filmische Rezeption. So ver-

39 Vgl. Eco 1990, S. 138f. 40 Vgl. Eco 1990, S. 148. 41 Eco 1990, S. 160. 42 Vgl. Eco 1990, S. 161. 43 Eco 1990, S. 165. 204 Valerie Deifel grün zu rot, für ca. 18% der Versuchspersonen bleibt dies unbemerkt. dies Versuchspersonen derbleibt 18% ca. für rot, zu grün z. wechselt Szene einer In hat. stattgefunden 80% eigentlich in die Bilder, der 20–30% in Veränderung eine durchschnittlich muten Versuchspersonenver Die herrscht. Fokussierung neuerlichen der zu bis schärfe mit der in da vondieser Zeitspanne erfolgt, 5–80 sakkadischen Augenbewegung Bild im Wechsel ein dass getroffen, so sind Voreinstellungen Die wird. vermessen exakt melden, Augenbewegung ihre während zu drücken, Knopf einen werden, sie indem gleichgesetzt Realität der scenery« world real »full-colour, als die Bildern, in Veränderungen angehalten, dazu sind Versuchspersonen Die entgeht. womöglich Sehenden dem wieviel durchführt, Jahre 1990er der Anfang Grimes John die Blindness«, »Change zur Versuchsanordnungen die deutlichen 48 for In: events. dynamic 47 46 45 Perception 44 unbe umgekehrt und beeinflussen an Momentersten vom Sehen das annahmen Vor da werden, getroffen Unterscheidung eindeutige keine kann Daten rischen empi und Prozessen kognitiven Zwischen worden. abgelöst Konzepte kognitiver Verschaltung der Modellen von ist können, zusammenfügen Informationstypen einer von sichderverschiedene in visuelle Hypothese »bildlichen« einheitlichen neuronalen Abbildung, Die erfolgt. skizzenhaft sehr nur Wahrnehmung visuelle or inattentivley.«poorly that eingerechnet: noticing »suggesting was not strongly associated with counting nicht Ergebnis das in sind unterbrachen, Zählung die Experiment dem während Fehlerquote. die höher desto wird, gestellt Beobachtung die ist Jehier ausschlaggebend. schwieriger die Aufgabe, welche den Testpersonen für Farbmerkmal gemeinsame das niedriger, Teams schwarzen des Beobachtung der bei ist Fehlerquote Die danach. Fragen gezielter trotz Person, verkleidete Gorilla als eine Fall diesem in Aktion, eingefügten der von nicht Befragung schließenden schwarz Teamsgekleideten 50% der zählen. zu Testpersonen der bei berichten an aufnahme eines anzusehen Basketballspiels und entweder die Pässe des weiß oder TestpersonenwerdenVideo midst«.die Dabei our eine in gebeten, »Gorillas Titel Jahre später von Daniel Simons und Christopher Chabris durchgeführt, unter dem Blindness« »Inattentional zur Versuchlärer does take place during the relative blindness of a saccade.« actualthechangeeven if overlook, can toperson whata limit theresome be must that veridical so seems and powerful so is experience visual our of strength the Die derzeitige Expertenmeinung läuft generalisierend darauf hinaus, dass die dass hinaus, darauf generalisierend läuft Expertenmeinung derzeitige Die Simons/Chabris 1999, S. 1069. 1999, S. Simons/Chabris blindness inattentional Sustained midst: our in Gorillas Chabris: Simons/Christopher Daniel Vgl. Rock: Mack/Irvin Siehe auch Arien 100. 1996, S. Grimes (Hg.): Akins Kathleen In: Saccades. across Scenes in Changes Detect to Failure Grimes: John Vgl. . Oxford/New York 101f. 1996, S. Perception 48 28, 1999, S. 1059–1074. 28,1999, S. Inattentional Blindness 46 und Change Blindness wird wenige wird Blindness Change und . Cambridge, MA 1998. MA . Cambridge, B. die Farbe eines Papageisvon eines FarbeB. die 45 Ein weiterer spektaku 47 Testpersonen, die Testpersonen, 44 »After all, »After msec msec Un ------205 wusst Gesehenes auf kognitive Inhalte einwirkt. Auch das Gedächtnis greift durch eine Steuerung der neuronalen Prozesse in die Wahrnehmung ein und erzeugt vermeintlich Gesehenes oder Übersehenes. Die Verschaltung der Wahrnehmung mit dem Gedächtnis beeinflusst damit auch die Validität von Experimenten, wie den oben angeführten, da eine durchschnittliche Testperson immer versucht, eine der Situation entsprechende Antwort zu geben und nie unmittelbar von Wahrge- nommenem berichten kann. Es gibt folglich keine sichere Methode zwischen dem zu trennen, was eine Person in einer bestimmten Wahrnehmungssituation erfährt und dem, was als erfahren geglaubt wird.49

Im Kino: Das Übersehen im Kunstfilm Unter »Kunstfilm« lassen sich am ehesten all jene Filme subsumieren, welche die einstudierten Wahrnehmungsmuster unterlaufen und Übersehenes wieder sicht- bar machen wollen, d. h. vor allem auch ihr eigenes künstlerisches Verfahren und ihre Medialität. Die Idee vom modernen Kino ist bei Deleuze von Werken der Nouvelle Vague und des Neorealismus flankiert. Es sind Filme, die als Spielfilme rezipierbar sind, aber dennoch ihre Form thematisieren und im Begriff sind, diese aufzulösen. In L’eclisse (1962) von Michelangelo Antonioni wird die Trennung des Paares, Vittoria und Riccardo, am Anfang des Films mittels eines sinnbildlich ausgeführten Bruchs in der Blickachse ihres verstummten Dialoges gezeigt. Mit dem Rücken zur Kamera bewegt sich Vittoria langsam aus dem Bildfeld während der Blick von Riccardo, ihr in dieser Bewegung nicht folgend, erstarrt ins Leere zielt. In den letzten sieben Minuten sind die Protagonisten unvermutet ganz ver- schwunden. Der Raum selbst vereinnahmt nun mit geometrischen Häuserfronten und Aufnahmen der Stadt im zunehmenden Dämmerlicht die Bildfläche und lässt die Progression der Narration in der Stasis dieser Umwelt verebben. Die Plätze, an denen sich das frischverliebte Paar Vittoria und Piero vormals zu treffen pflegte, verbleiben einerseits unverändert und fortdauernd, sind aus der Perspektive des Films aber zu einer Darstellung der Abwesenheit der Handlungsträger verwandelt worden. Die Farben Schwarz und Weiß, welche den gesamten Film bestimmen, prägen in ihrer symbolischen Verknappung auch den Schluss: das Anschalten einer Straßenleuchte erhöht das Kontrastverhältnis, sodass sich eine elliptische weiße Form in die Mitte der schwarzen Bildfläche schneidet, als endgültig verflachende Abstraktion und Perforation des repräsentativ Dargestellten. Es werden beliebige oder leere Räume geschaffen, die einen widerständigen, sich über seine Grenzen ausdehnenden Raum darlegen, ein zwiespältiges Verhältnis von Bildraum und re- alem Raum zeigen. Antonionis Kunst liege in der »Behandlung von Grenzsituatio- nen, die bis zu menschenleeren Landschaften und entleerten Räumen vordringt, von denen man sagen kann, sie hätten die Figuren und Handlungen in sich absor-

49 Vgl. Zenon W. Pylyshyn: Seeing and Visualizing. It’s not what you Think. Cambridge, MA/London 2006, S. 40f. 206 Valerie Deifel eines Films setzen und danach nur Schwarzfilm. Wenn man das Glück im Film im Glück das man Wenn Schwarzfilm. nur danach und setzen Films eines Anfang den an allein ganz Tages eines es muß ›Ich mir: schrieb »Er zeigt: Island in Straße einer auf Kinder das Glücks«, des »Bild eines Positionierung die Raum Darstellbarem schwarzen sichtbar. diesen in Voice-OverDas Fraureflektiert einer Übergang als Hindernis und unüberwindliches wird selbst als Bild von etwas nicht In wieder. Filmaufbau im stellungsfolgen, Ein getrennten zeitlich und räumlich den Sequenzen, zwischen Blende als sich gewöhnlich markiert Anfang und Ende der eigentlichen Filmgeschichte Schwarzfilm und findet thematisiert. Einstellungen der Zwischenbereich der Vorspann im übrigzubehalten.« aufnahme Bestand abstrakte eine Beschreibung, geophysikalische eine noch nur um biert, zu Gilles Deleuze Gilles zu 55 54 53 52 51 50 – In-Kino-Umsetzen Deleuze: für dies bedeutet selbst ›Begriff‹ Wort »das ausmachen: ›Kino-Denken‹ ein eigenes Universum mit ihnen zu kreieren. Mit Jean-Luc sondern Nancy könnte man nachzuahmen, ein etwas fassen, zu Phänomene empirische nicht darunter pektive. Das genuin philosophische Projekt wäre das Erschaffen vonBegriffen, um in der Verbindungliegt Pers mit einer materieller mentalenBilder oder virtuellen nehmung und Erkenntnis. Die Figur der Öffnung imKunstwerk bei Gilles Deleuze schon in Wechselwirkung mit einer prozesshaften und konstruktivistischen Wahr Ein solches offenesKunstwerk steht inseiner Gestaltung undvermag. Entwicklung immer leisten zu Film der das beschreibt, etwas treffend auch aber damit und das gung, er nicht zuletzt mit Blick auf die »neue Musik« Luciano Berios entwirft, Bewe in Kunstwerk das ist Ariadne-Faden Ecos verirren? zu Zeichen der byrinth Deleuze’schen»Chaosmos« tiefenlosen und höhen- im sich ohne setzen Gang in Ereignis echtes ein und unterbrechen Klischee das Kette, einem weiteremvon die werdenWie bestimmt muss? Begriff jeder hat, nes vorangegange ein schon Bild jedes wenn finden, Bilder neue sich lassen wie und Was sind es also für Bilder, die wir glauben zu sehen, da wir doch so viel übersehen, anticipating the blackness the as of color the of connotations the of one exploiting be to seems image black the time, same the at »But, – schaffen zu Glücks« des »Bild eigenes ein sich sei, gefordert damit Zuseher vom dass Ouvertüre, dieser Analyse seiner in folgert sehen.‹« Schwarz das wenigstens man wird hat, gesehen nicht Jean-Luc Nancy: Deleuzes Falte des Denkens. In: Jean-Luc Nancy/René Schérer: Schérer: Jean-LucFalte In: Nancy/René Denkens.Deleuzes des Jean-LucNancy: Eco23. 1990,Vgl. S. 219. 1993,Deleuze, S. Edward Branigan: Marker: Chris 1997b, 16.Deleuze S. opposite . Berlin/Zürich 2008, S. 86. 2008,S. . Berlin/Zürich of happiness (i.e., a despair, darkness, sunlessness) and is thereby is and sunlessness) darkness, despair, a (i.e., happiness of Sans Soleil. Vollständiger Soleil. Sans Text Film-Essay gleichnamigen zum failure Narrative Comprehension Film and mise-en-cinéma of the viewer toimage.« thesuitable viewer of find a 50 In Chris Markers Chris In .« 55 Sans Soleil Sans . London/New York. London/New 211f. 1992, S. Sans Soleil Sans 53 zu verlierenEcosLa in zu oder manifestiert sich dieser dieser sich manifestiert . Wien 1984, S. 3. 1984,. Wien S. 52 (1983) wird bereits wird (1983) 51 Edward Branigan Edward Ouvertüren.Texte 54 ------

207

Die dargelegte Beschäftigung mit der Leerstelle als einem ästhetischen Verfah- ren und als einer grundlegende Konstituierung der Wahrnehmung zielt im we- sentlichen auf den Topos der Schaffung von etwas Neuem in einem mit filmischen Bildern konfontierten Denken. Die Figur der Leerstelle taucht immer dann auf, wenn sich in der Regel einer Strukturordnung eine Öffnung auftut, ein leeres Feld mit Potential zur Auffüllung. Das Spatium oder das Intervall gründen den Null- punkt des Ereignisses, ermöglichen Sinnverschiebung und stellen Beweglichkeit her. Die Beschreibung mag eine poststrukturalistische oder auch eine semiotische sein, und doch kehrt diese Strukturordnung in konstruktivistischen Aussagen der kognitiven und neuronalen Informationsverarbeitung wieder. So determinieren die Sinnesdaten der Wahrnehmung bloß eine grobe Skizzierung, die von kogniti- ven Konzepten zu einem perspektivierten Umgebungsraum verschaltet werden, nicht mit Hilfe eines Verstandes, sondern infolge pluraler Mikrolösungen. Es han- delt sich um die Setzung einer ähnlich problematischen Struktur, deren eigentli- cher Agent, das Denken selbst, ausgeklammert ist. Der ästhetische Ausdruck von naturwissenschaftlicher Wirklichkeit kann mit Eco als epistemologische Metapher beschrieben werden, um damit Strukturen der Empirie von ihrer kulturellen Spie- gelung zu unterscheiden, gleichzeitig aber von einer Wechselwirkung auszugehen. Der Verweis von (post)strukturalen Logiken auf die Wissensrepräsentationen der Neuro- und Kognitionswissenschaft wird also vorgenommen, da diese Diszipli- nen die Art und Expertise, mit welchen Begriffen vom Denken gesprochen wird, maßgeblich beeinflussen. Ein Übergriff in andere wissenschaftliche Gebiete ist im Allgemeinen ein Mittel, der eigenen Methode im besten Fall neuartige Wendun- gen zuzuführen und diese zu aktualisieren. Der Reiz, sich in diesem Fall an die Grenzen des eigenen filmwissenschaftlichen Feldes zu begeben, liegt einerseits in dem kritischen Blick auf einen empirischen Fortschrittsglauben, der immer neue mikro- und makrokosmische Erklärungsmodelle produziert, dabei oft spektakulär ins Feuilleton-Milieu gebettet ist; und andererseits in der affizierenden Beweisfüh- rung, dass sich abstrahierte Informationsstrukturen messbar in Organe einschrei- ben können. Man ist geneigt, hier weiter zu fragen: »welche Typen von Bahnungen [in das Gehirn] das Bewegungs-Bild und das Zeit-Bild einzeichnen, erfinden, denn die Bahnungen bestehen vorher nicht.«56

56 Gilles Deleuze: Unterhandlungen. 1972–1990. Frankfurt am Main 1993, S. 90.

209 Filmischer Realismus als narrative Form

von Guido Kirsten

1 Betrachtet man die Preisträger der großen europäischen A-Filmfestivals der letzten Jahre, so lässt sich ein Trend zum ›Filmischen Realismus‹, zur Porträtierung sozia- ler Milieus mit einfachen narrativen Mitteln kaum übersehen.1 Nimmt man noch die realistischen Tendenzen der sogenannten ›Berliner Schule‹ (Angela Schanelec, Ulrich Köhler, Henner Winckler, Maria Speth etc.), im französischen Kino (Lau- rent Cantet, Erick Zonca, Bruno Dumont etc.) oder in der ›Sechsten Generation‹ in China (Jia Zhang-ke, Zhang Yuan, Wang Chao, Wang Xiaoshuai etc.) hinzu, wird die große Bedeutung des neuen Trends zum Realismus in der internationalen Filmkunst offenkundig. Dass dieser Trend aus film-, medien- oder kulturwissenschaftlicher Perspektive bis dato wenig detaillierte Auseinandersetzung, ja kaum Beachtung gefunden hat, hängt wohl nicht zuletzt damit zusammen, dass ›Realismus‹ in der Filmtheorie eine terminologische No-go-Area geworden zu sein scheint. Der Begriff gilt ent- weder als uninteressant, als ideologisch oder historisch belastet oder aber als zu unklar, um noch als produktives Konzept in Frage zu kommen. Die Bedenken sind nicht unbegründet, hat doch kaum ein Begriff in der Filmtheorie ein verworrene- res und widersprüchlicheres Erbe.2 Das liegt unter anderem daran, dass es sehr unterschiedliche Konzeptualisie- rungen des Verhältnisses von Film und Realität gibt, die oft nicht klar genug aus- einandergehalten werden. Die medienontologische Tradition (Kracauer, Bazin sowie die verschiedenen Vertreter der Indexikalitätstheorie) postuliert, dass der Film aufgrund seiner medialen Beschaffenheit eine größere Affinität zur physischen Realität besitze als andere (Kunst-)Medien. Verbunden ist diese Position oft mit einem normativen Essentialismus, der bestimmte Verwendungsweisen der kine- matographischen Technik für angemessener hält als andere.3 Daneben und quer dazu steht die wahrnehmungspsychologische Tradition, in der nicht die ontologische, sondern die psychologische Bezüglichkeit des Kinos zur Realität verhandelt wird. Seit Albert Michotte ist in diesem Zusammenhang vom besonderen ›Realitätseindruck‹ des Kinos die Rede, der sich einer Reihe von

1 Aus den letzten vier Jahren seien hier nur erwähnt die Filme von Christian Mungiu, Laurent Cantet, der Dardenne-Brüder, Wang Quan’an, Ken Loach, Jia Zhang-ke. 2 »There is probably no critical term with a more unruly and confusing lineage than that of realism« heißt es lapidar bei John Hill: Sex, Class and Realism: British Cinema 1956–1963. London 1986, S. 57. 3 Vgl. Noël Carrol: Theorizing the Moving Image. Cambridge 1996, Kapitel 1–4, S. 1–74. 210 Guido Kirsten wenn sie bestimmte Potenziale des Mediums aktualisieren, um Realitätseindrü um aktualisieren, Mediums des Potenziale bestimmte sie wenn apostrophiert, ›realistisch‹ als dann werden Filme aufgelöst. – unreflektiert – oft zu würdeTrennung nicht die Ebenen beider erwähnen, zu überhaupt sie unnötig, vielleicht wäre es und um ›Fil diskutieren, zu Gattung besondere als Realismus‹ mischen ungeeignet, se per Theorien diese sind Damit Formen. terschiedlicher un Differenzen ästhetischen den von ab damit sehen Sie verorten. Dispositivs medialen des bzw. Mediums des Ebene der auf Films des Realismus den sie dass darin, doch sich sie gleichen argumentiert, rezeptionsseitig zweite die duktions-, Wahrnehmenden verdanke. beim Effekte phänomenalen seiner und Filmbildes des Eigenschaften materiellen Media 6 5 Odin: 47–50;Roger S. réalité.In: de impression et Rêve Kessler: Frank Vgl. 1965]; franz. [zuerst Metz: Christian Zum Realitätseindruck des Kinos. In: Ders.: was lebensecht, auch immer in das diesem Fall sind. animiert heißen (oder mag) überzeugend Dinosaurier die weil bescheinigt, Realismus hoher ein 1994) etwa wird Entsprechend erzeugen. zu cke au cinéma: les phénomènes de croyance. In: Etienne (Hg.):Souriau In: lité. AV 4 Qualitätsmerkmal. oder Gütesiegel als nicht recht erst und – andere als äquater diese Weltdie über ihrer Aussagen adwahrer oder bezüglich ›realistischen‹seien FilmeBehauptung, die um nicht geht es – Qualität epistemologische als jedoch noch als rein perzeptiv zu bewertende Ästhetik Charakteristikum verstanden werden, genauso mediales wenig als weder dann sollte Realismus Filmischer werden. gesucht Wirklichkeit sozialer Repräsentation fiktional-narrativen der Mitteln und te die Verbindung von Film und Realität vielmehr in den konkreten Möglichkeiten Für eine Theorie des Filmischen Realismus and fictional aesthetic form.« an as realism and realism perceptual equalize to non-starter serious a is it But realism. is it ence, experi non-mediated fromour know we something with likenessperceptual fortheir something recognize we whenever following: the presuppose theorists such if as is It […]. realism of tions defini changing its in medium the of specificities the overrate somehow to tends studies »Film hat: beklagt Begriffsverwendung jene eben Aufsatzjüngeren einem in der an, Langkjær Birger Filmwissenschaftler und in Realismus eins unnötigerweise zu setzen, schließe ich mich dem dänischen eine solche Terminologie, deren Nachteil nicht zuletzt darin besteht, Illusionismus 12,1, 2003, 110–125 S. [zuerst franz. 1947]; Roman Ingarden: temps, Le l’espace et le sentiment de réa Stellvertretend für viele andere: Lev Manovich: Vgl. Albert Michotte van den Berck: Der Realitätscharakter der filmischen Projektion. In: Projektion. filmischen der Realitätscharakter Der Berck: den van Michotte Albert Vgl. Birger Langkjær: Realism Birger Langkjær: and Danish Cinema. In: Anne Jerslev (Hg.): Obwohl sich beide Richtungen darin unterscheiden, dass die erste eher pro eher erste die dass unterscheiden, darin Richtungen beide sich Obwohl . Kopenhagen 2002, S.15–40 (hier: 18). 2002,S.15–40 (hier: . Kopenhagen Revue internationale de filmologie 2 filmologie de internationale Revue De lafiction 6 . De Boeck 2000, S. 19ff. 2000,S. . De Boeck 4 , 1947,L’impressionJean-Jacques, Riniéri: 127–141; S. réalitéde The Language of Media New Language The Jurassic Park Jurassic als als ästhetische und fiktionale Form Semiologie Semiologie des Films L’univers filmique Realism Realism and in ›Reality‹ Film and (Steven Spielberg, USA USA Spielberg, (Steven Revue belge du cinéma 42 cinéma du belge Revue . Cambridge/London 2001. 2001. . Cambridge/London . München 1972, S. 20–34 . Paris 1953, S. 33–45; 5 Montage/ Gegen müss , 1997,, ------211

Es handelt sich nach meiner Konzeption einfach um eine spezifische ästhetische Form filmischen Erzählens, die sich von anderen Formen sinnvoll abgrenzen und kritisch diskutieren lässt. Ein solches Unterfangen läuft offenbar zunächst in ein Problem hinein, das An- drew Tudor als »empiricist dilemma« bezeichnet hat.7 Es besteht kurz gesagt darin, dass die Korpusbildung (z. B. nach Genre, oder nach spezifischer Erzählweise) im- mer vor dem Dilemma steht, dass Filme aufgrund von bestimmten (thematischen oder formalen) Eigenschaften zu einer Gruppe versammelt werden, für die diese Eigenschaften erst zu erarbeiten wären. So kann die Theorie leicht zirkulär werden: die Theoretikerin sucht nach impliziten Kriterien eine Reihe von Filmen aus, die sie beispielsweise als ›postmodern‹ charakterisiert. Da alle diese Filme die Kriteri- en aufweisen, nach denen sie ausgewählt wurden, wird die Theorie tautologisch, kann nicht widerlegt werden und verhindert sinnvolle Debatten, da prinzipiell immer andere implizite Kriterien bei der Auswahl angelegt werden können. (›Für mich bedeutet Postmodernismus vielmehr, dass …, deswegen ist nicht x sondern y ein postmoderner Film.‹ Oder ›Stars Wars ist eigentlich ein Western, weil …‹). Es ist ein Gebot intellektueller Redlichkeit, dieses Problem zu thematisieren. Dies muss aber nicht darauf hinaus laufen, das berühmte Kind (die Korpusbil- dung) mit dem Bade (dem »empiricist dilemma«) auszuschütten und sich dem ästhetischen Nominalismus hinzugeben. Vielmehr gilt es, mit Vorsicht und im Hinblick auf einen herzustellenden Konsens, das Wasser abzulassen.

Im Anschluss an die Diskussion zweier Modelle dessen, was in der Filmwissen- schaft als fiktional-narrativer Realismus verstanden wurde, werde ich ein eigenes Modell präsentieren, das umreißen soll, was sinnvoll als ›Realismus‹ bezeichnet werden könnte und anhand welcher Dimensionen er sich analysieren ließe. Als Bedeutungskern wird gelten, dass realistische Filme auf einen Effekt hinarbeiten, der darin besteht, dass ihre Diegese den historischen RezipientInnen als der wirklichen sozialen Welt – in noch genauer zu differenzierender Hinsicht – strukturell homolog erscheint.8 Dieser Effekt realistischer Repräsentation (er gilt auch für Malerei und Literatur), der nicht nur an den referenziellen Bedeutungsgehalt, sondern auch

7 Andrew Tudor: Genre. In: Barry Keith Grant (Hg.): Film Genre Reader. Austin 1986, S. 3–10. [1973]. 8 Ein erster Hinweis auf ein solches Kriterium wird von Etienne Souriau geliefert. Er rechtfertigt die Integration des Begriffs der »afilmischen« Wirklichkeit ins Vokabular der Filmologie mit folgenden Wor- ten: »Zu jedem Zeitpunkt ist es unabdingbar, das filmische Universum auf die Art Wirklichkeit, die ich afilmisch nenne, beziehen zu können, und genau dies muss durch ein entsprechendes Wort ermöglicht werden. Hier ein Beispiel, das vorhin bereits erwähnt wurde: Gegenwärtig ist immer wieder die Rede von einem kinematographischen ›Realismus‹. Dieser Begriff ist ungenau und unklar. Und doch ist nichts einfacher: Wenn man von realistischen Filmen spricht, will man logischerweise damit ausdrücken, dass diese ein genaues Bild des afilmischen Universums geben, besser noch: dass sie ihm auf ehrliche und getreue Weise Ausdruck verleihen.« Etienne Souriau: Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie. In: Montage AV 6,2, 1997, S. 140–157 (hier: S. 146) [franz. 1951]. 212 Guido Kirsten riert werden. riert integ Weise spezifischer in Bestimmung) theoretische und Analyse (historische Essentialismus und Relativismus wenn möglich, dann nur aber ist Begriffsarbeit sinnvolle Eine geführt. Realismusbegriff den auf Verzicht angesprochenen oben zum oder Relativismus historischen einem radikalen zu Theoriebildung der in hat zu unterschiedlichen Zeiten Formen an, die mitunter fast konträr erscheinen. Dies eines breiten kulturellen Kontextes und nimmt und in unterschiedlichen Ländern struktur ist. Vielmehr entwickelt sich der ›Filmische Realismus‹ unter dem Einfluss Grund gleichbleibender mit Phänomen ahistorisches kein Realismus‹ ›Filmischer gebunden ein an sis 11 58–81[zuerst 1976]. 1985,Realism andIn:MacCabe Pleasure. S. Literature Film, Linguistics, 10 10–30. 1991, S. Urbana/Chicago seines Kapitel Buches 9 Ergebnis konträren mit und unterschiedlich auch (wenn Realismus‹ ›Filmischen ihrer Prämissen vielmehr, den Gegenstandsbereich sie aufgrund dessondern dass ich möchte Dabei möchte. diskutieren diejenigen von Colin MacCabe wohl werde) eingehen näher nicht hier ich die auf Renoir, und Wyler zu alismus, Neore italienischen (zum Bazins Schriften systematischen wenig den neben sind prominentesten Am Ansätze. einige Filmwissenschaft der in es gibt Form tiver narra spezifischer als Realismus‹ ›Filmischen des Konzeptualisierung zur Auch 2 Realismus‹? einen entsprechend verkörpern Traditionrealistischenund der Filmen älteren von dabei sich sie unterscheiden Wie (2.) Diegese? ›realistischen‹ werden können: (1.) Durch welche Verfahren erzeugen diese Filme den Effekteiner gestellt sinnvoller vielleicht aber geklärt, nicht wohl Modells angedeuteten des fe Hil mit die Fragen, zwei zu führt Sie erscheint. signifikant auch sondern evident, gesprochen waren, weisen eine ästhetische ›Familienähnlichkeit‹ auf, die nicht nur arbiträr, zielenauf den implizit genannten Bedeutungskern. sondern vollkommenen nicht aber sind Bestimmungen diese wird, abgegrenzt zählungen Er und Repräsentationen ›realistischen‹ weniger von und bezeichnet und erlebt . Princeton 1988. S. 197–244. 1988.. Princeton S. Die Die neuen ›realistischen‹ Filme, deren Regisseure oder oben Regisseurinnen an Ähnlich argumentiert Tom Gunning (wenn auch für einen anderen Gegenstandsbereich) im ersten im Gegenstandsbereich) anderen einen für auch (wenn TomGunning argumentiert Ähnlich Kristin Thompson: AKristin Look at Formal Realism. In: In: Theses. Brechtian Some on Notes Cinema: the and Realism MacCabe: Colin limitiertes Arsenal mehr oder weniger konventionalisierter Darstellungsformen Darstellungsformen konventionalisierter weniger oder mehr Arsenal limitiertes ist, wird zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich realisiert, weswegen weswegen realisiert, unterschiedlich Zeiten verschiedenen zu wird ist, 9 Zwar variiert die Ausprägung dessen, was historisch als ›realistisch‹als historisch was dessen, Ausprägung die variiert Zwar D. W. AmericanNarrative of and Film.Origins Griffith Early The the Years Biograph at . Manchester 1985, S. 33–57 [zuerst 1974]; andDers.: Film:Theory of Principles 10 und Thompson, Kristin nicht Breaking Breaking the Armor.Glass Neoformalist Film Analy zeigen, dass die Theorien falsch sind, falsch Theorien die dass zeigen, 11 die ich zunächst kritisch neuen Theoretical Essays. Essays. Theoretical ›Filmischen ------. 213 sen) unnötig weit konstruieren und das Konzept damit seiner analytischen Trenn- schärfe berauben. Colin MacCabe entwickelt seine Definition des ›klassischen realistischen Texts‹ (der Ausdruck bezieht sich bei ihm auf Literatur und Film gleichermaßen) aus einer Analyse der Struktur des realistischen Romans des 19. Jahrhunderts. Für diesen gelte als Grundkonstituente eine Hierarchie verschiedener Diskursebenen, die letztlich über einen Wahrheitsbegriff strukturiert sei. Während die direkte wörtliche Rede (laut MacCabe »alles, was zwischen Anführungszeichen steht«12) den Leser stets im Zweifel über den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit der Äußerungen belasse, fungiere die Prosa des Erzählers als ›Metasprache‹, die über jeden Zweifel erhaben sei. Von der Metasprache aus kann das von den Personen Gesprochene kommentiert und perspektiviert werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Wahrheitsanspruch der Narrationsinstanz selbst garan- tiert bleibt. Der klassische Roman sei deswegen bemüht, Spuren der Konstruktion aus seinem Diskurs zu löschen und so transparent zu wirken: Während die Sätze in Anführungsstrichen den Stimmen der Personen zugeschrieben werden können und Rückschlüsse über deren Charakter und soziale Stellung erlauben (sie wer- den als zur Reinterpretation offenes Material angesehen), verleugnet der narrative Diskurs (die Metasprache) nach MacCabe den eigenen Charakter als artikulierte Rede.13 Diesen Kerngedanken der Diskurshierarchie als Basiskomponente des Realis- mus überträgt MacCabe auf die filmische Narration, indem er annimmt, dass die Kamera die Funktion der Metasprache übernehme, da alles, was von ihr gezeigt werde, als real und glaubwürdig anzusehen sei. Er veranschaulicht dies am Film Klute (Alan Pakula, USA 1971), in dem am Ende der gesprochene Diskurs der Prot- agonistin Bree (Jane Fonda) mit den gezeigten Bildern kontrastiert wird. Während sie im Gespräch mit ihrem Psychologen erzählt, dass die gemeinsame Zukunft mit John Klute (Donald Sutherland) nicht funktionieren könne, zeigen die Bilder laut MacCabe das Gegenteil und relativieren das von ihr Gesagte, weil der visuelle Dis- kurs prinzipiell nicht in Frage gestellt wird.14 Nach MacCabe sind mit dieser Pro- duktion einer transparenten Durchsicht auf die diegetische Welt zwei Ideologeme

12 Vgl. MacCabe 1985, S. 35. 13 Schon an dieser extrem unterkomplexen Konzeption des klassisch-realistischen Romans sind eini- ge Zweifel angebracht. So differenziert MacCabe nicht zwischen direkter (in Anführungsstrichen), indi- rekter und freier indirekter Rede (Wie schön es wäre, allein zu sein!); nicht zwischen unterschiedlichen Erzählertypen (z. B. Ich-Erzähler, deren Wahrheitsanspruch durchaus nicht so klar ist) und er ignoriert die ganz heterogenen und zum Teil widersprüchlichen Konzeptionen des Romans im 19. Jahrhundert. Vgl. David Bordwell: Narration in the Fiction Film. Wisconsin 1985, S. 18ff. 14 Bordwell (ebd., S. 20) bezweifelt dies und hält die Schlusssequenz von Klute gerade für ein offenes Ende, das durch die Gleichgewichtung von Ton- und Bildspur erreicht werde. Die Dominanz des Sicht- baren wäre demnach kein Effekt der filmischen Narration, sondern der theoretischen Hypostasierung durch MacCabe, die jene erst behauptet. 214 Guido Kirsten herauszufallen drohen: Kategorie dieser aus gelten, Realismus Filmischen des Paradebeispieletradi als tionell die Filme, einige ausgerechnet dass führt, dazu Fragen) stilistischer oder narratologischer auch oder Thema Handlungsort, Figuren, wie Kriterien zogener z. anderer, Kosten (auf Textes realistischen des Struktur formalen bekomme. gesichert zu Subjekts Position allsehenden die eines Zuschauer der dass und könnestellen dar widersprüchlich sich in als nicht Wirklichkeit die Realismus der dass lassen: erscheinen reaktionär politisch als Erzählweise realistische die welcheverbunden, ma, J1968). ma, (Jean-Luc Godard/Jean-Pierre I/F Gorin, 1972), MacCabe 1985 [1976] 16 15 Wackelkandidaten Definition dieser nach die Realismus, filmischen des Klassiker solche Texten«(und »realistischen zu entsprechend werden Filme erzählten sisch irgendeinen heuristischen Wert zu besitzen. Praktisch alle mehr oder weniger klas allzu einer Diskurshierarchiezu der Kriterium das durch ›Realismus‹ über dass formale sein, die zu Definition MacCabes Theorie anti-realistischsind. Sinn progressiven einem in noch die Filme, der Kreis der natürlich wird kleiner Umso werden. problematisiert selbst Narration filmischen der Kamera in irgendwie muss die sondern Merkmal, ausschlaggebendes als Figuren und der Kamerabildern Äußerungen zwischen bzw. Objektsprache und Meta- zwischen rarchie Diskurshie die allein mehr nicht gilt Plötzlich worden:verschoben Kriterium das damit ist Hand der unsichtbar.Unter stets selbst bleibe sondern markiert, zesses TeilwerdeWahrheitals nichtSie rantder Authentizität. und Produktionspro des Ga als Kamera der Problematisierung die sei lasse, vermissen nämlich Rossellini Rossellini war Generation Bazins Für erinnert: an dar sei (Es zurückzuholen. wieder droht, herauszufallen nun er dem aus Films, realistischen des Kanon den in Rossellini bemüht, rasch MacCabe Regimes. ist Allerdings realistischen des Subversion eine Rossellini leiste Mitteln diesen Mit rated adominant discourse.« through integ as film regardingthe of possibility denythe which andresolved anysense in arenot which regard to the characters’ discourses. […] Secondly, Rossellini’s narrative introduces many elements garded. Firstly, and most importantly, the fact thatin any the narrative is wayprivileged not with be from can re position film which the a without himself finds waysreading whichthe in subject In Rossellini. Roberto the of are films subversion of strategies certain practices which cinema a of examples best the of »One Es ist interessant zu sehen, wie MacCabes monodimensionale Betonung der Betonung monodimensionale MacCabes wie sehen, zu interessant ist Es MacCabe 1985 [1974] nennt lediglich lediglich nennt [1974] 1985 MacCabe 1985MacCabe [1974], 48. S. 16 Doch auch davon abgesehen scheint das Hauptproblem Doch auchscheintdas der davon abgesehen Germany Year Zero Year Germany 15 Kuhle Wampe Kuhle , for example, we can locate a multitude of of multitude a locate can we example, for , (Stefan Dudow, D 1932) und 1932) D Dudow, (Stefan extensiven Kategorie extensiven der Realist par excellence!)Waspar Realist Death by Hanging wird, um noch um wird, . inhaltsbe B. Tout va bien va Tout (Nagisa Oshi (Nagisa ------

215 darstellen, werden durch den Trick der fehlenden Kameraproblematisierung rein- tegriert).

Dieses Ergebnis bemängelt auch Kristin Thompson, deren neoformalistische Re- alismustheorie als dezidierte Alternative zu MacCabe gelesen werden kann. Sie argumentiert in Breaking the Glass Armor (1988) im Anschluss an die russischen Formalisten (vor allem Viktor Šklovskij), dass ästhetischer Realismus immer ein Effekt konventioneller Mittel sei, also keine ontische Ähnlichkeitsbeziehung zwi- schen Werk und Wirklichkeit bestehe. Diese – grundsätzlich richtige – Überlegung (der wohl auch MacCabe zustimmen würde) führt bei Thompson zu einer radika- len Historisierung und Relativierung des Realismus-Begriffs:

»We can see the absence of a natural relationship between the artwork and the world in the fact that so many different styles have been historically justified to their publics as ›realistic‹. Indeed, any artwork can be said to be realistic on the grounds of some criterion or other.«17

Zwar lehnt Thompson selbst diesen ganz weiten Realismusbegriff, der letztlich immer eine Rechtfertigungsformel von KünstlerInnen innovativer Strömun- gen ist, die pseudo-epistemologisch die größere Affinität ihrer Kunst zur Welt behaupteten,18 als »not useful« ab; die Historisierung dient ihr aber dazu, den Versuch, Realismus über verschiedene gemeinsame Eigenschaften der Werke zu definieren, ebenfalls zurückzuweisen. Stattdessen stützt sie ihre Theorie auf das formalistische Konzept der ›Mo- tivierung‹, das aus ihrer Sicht den Vorteil bietet, dass es die historisch variable Rezipientenposition bei der Konstituierung von Realismen berücksichtigt. Rea- listische Motivierung ist eine der vier Möglichkeiten, ästhetische Elemente (z. B. eine bestimmte Einstellungsgröße oder die Handlung einer Figur) als Rezipient zu rechtfertigen (daneben gibt es kompositionale, intertextuelle und ästhetische Motivierung).19 Auf die Frage: ›Warum wird das (so) gezeigt?‹ gibt man sich bei realistischer Motivierung als Zuschauer selbst die Antwort: weil es typischen Sach- verhalten in der realen Welt entspricht. Das Konzept der Motivierung bringt gleich mehrere Unklarheiten mit sich: So bleibt offen, ob und wie sich die Frage nach der Motivation im Laufe des Rezep- tionsprozesses überhaupt stellt; auf welche Arten von Elementen oder ›Verfahren‹ es sich bezieht und was z. B. geschieht, wenn ein Element zwar als realistisch in-

17 Thompson 1988, S. 197. 18 Thompson weist auf die Surrealisten und Pop Art hin, noch eher fiele einem wohl der Kubismus ein. Oder man denke an Stan Brakhages Aussage: »I am the most thorough documentary film maker in the world because I document the act of seeing as well as everything the light brings me.« (Robert A. Haller (Hg.): Brakhage Scrapbook. New Paltz, N.Y. 1982, S. 188). 19 Vgl. Kristin Thompson: Neoformalist Film Analysis: One Approach, Many Methods. In:Breaking the Glass Armor, S. 3–46 (hier S. 16ff). 216 Guido Kirsten sieht aus: esnicht besser viel etwa, Berlioz aber auch Duchamps und Readymades und de Koonings abstrakte Beethoven Gemälde. Beim Film von Symphonien gilt: motiviert) realistisch (oder realistisch als alles ihr was betrachtet, man wenn definieren, zu Realismus schen Thompsons sich ästheti Versuch, unbrauchbarerweist Als dominieren. Elemente andersdie motivierten diese ob auftauchen,Elemente sondern motivierte listisch rea ob Frage, die allein nicht Realismus‹ ›Filmischen des Korpus konstruierende ist. finden zu Spielfilm jedem praktisch in scheint aber darin zu bestehen, dass realistische Motivierung auf gewissen Ebenen Problem größte Das wird. empfunden realistisch als nicht aber erkannt, tendiert sondern nur ganz bestimmte verfremdende Techniken,sondern realistisch, steigern. die den Realitätseffekt wirkt sich an Verfremdung die nicht Theorie: Thompsons von Schwäche die besteht darin because they were departures from the prevailing classical norms« (Thompson 1988,S. 201). Doch genau that have come conventionally to represent realism over the course of filmhave history doneso primarly 22 21 20 Mainstream-, vom sich die Repräsentationstechniken, und Themen dominanten spezifischenStil mitals eigenem künstlerischem Realismus‹ undsozialem ›Filmischen Anspruch, bestimmten über ungeeignet, sie ist Fällen beiden in Und wurde. konstruiert eindimensional zu sie da gewählt, weit zu Begrifflichkeit Fällendie ist vationen, die verfremdend darauf reagieren, als Realismen in Betracht. Inno und Stile sämtliche umgekehrt Thompson bei kommen fällt, musverdacht gewürdigt. Ausdrucksmittel tischer auchchen Dreyer,Gründen) und Antonioni Bresson,als Schöpfer Bergman realis ihremTextin ter Teilunterschiedlichen, werdenzum (aus widersprüchli bewusst Spä Montagekino. russische das und Flaherty von Dokumentarfilme die Griffith, gehören Filme dazu ebenso der wie FeuilladeLumière-Brüder die frühen dass und Konzept, weites so ein offenbar Thompson bei Realismus filmischer ist Demnach (particularly realism to appeal often depth).« psychological which cinema, art modern the on variants many traditions), the past and with break radical a as immediately (seen Neorealism Italian retrospectively), only such as perceived (primarly France 1930s in Realism Poetic had we then Since movement. (e.g.,States United the feature in film in documentary shooting the did as break, many a radical to be to seemed Frenchlocationfilms and Swedish postwar teens, the in cinema studio classical the of formulation the After others). andof the acting1911–1914 (e.g., period) Griffith’swith and work theBlanche Gish sisters, Sweet, Feuillade’smelodramas (e.g., narrative both in naturalism of introduction the with teens, the in probably was issue major a became realism when period next The well. as own its developed and arts existing from representation narrative of conventions adopted quickly cinema primitive The films. Lumière the of that than realism Bazinian purely a more imagine to difficult is it »Indeed, Während bei Colin MacCabe das gesamte klassische Erzählkino unter Realis unter Erzählkino klassische gesamte das MacCabe Colin bei Während Damit wird Realismus in auffällige Nähezum Ostrenanie-Konzept gestellt: »Thus many of the traits S. 200. Thompson 1988, Bordwell 36. 1985,Vgl. S. 21 Nanook of the North,Chang the of Nanook 20 Entsprechend stellt sich für das zu zu das für sich stellt Entsprechend ) and the Soviet montage montage Soviet the and ) 22 In beiden ------217

Genre-, Kunst-, Dokumentar- und Experimentalfilm unterscheiden, differenzierte Aussagen zu treffen.

3 Von der Idee ausgehend, dass sich ›Filmischer Realismus‹ sowohl über die referen- zielle Bedeutungsebene als auch über die Repräsentationsformen der betreffenden Filme konstituiert, möchte ich dagegen vorschlagen, ihn nicht über einzelne (Aus- schluss-)Kriterien zu definieren, sondern über ein Netzwerk unterschiedlicher Komponenten, die auf drei Ebenen angesiedelt sind: – der narrativen Ebene, die den dramaturgischen Aufbau der Handlung betrifft, sowie die Relationierung von Plot und Story oder Fragen der Perspektivierung und Fokalisierung, alle Fragen also, die den Kategorien der Narratologie zugäng- lich sind; – der formalästhetischen Ebene (Mise-en-Scène, Kameraarbeit, Sound, Montage etc., also all das, was Bordwell als ›style‹ bezeichnet); – der inhaltlich-thematischen Ebene (hierzu gehören Fragen nach der Diegese, den Figuren, den sozialen Milieus sowie nach Handlung und Thema des Films; also die referenzielle und explizite Bedeutung).23 Selbstverständlich ist eine solche Ebenendifferenzierung nicht ontologisch, sondern nur heuristisch gemeint. Die Ebenen sind nicht unabhängig voneinan- der, sondern als irreduzibel ineinander verschränkt zu denken: Ohne den Einsatz filmischer Mittel gäbe es keine Erzählung, ohne Erzählung keine referenziell-ex- plizite Bedeutungsdimension. Umgekehrt ist die inhaltlich-thematische Ebene für die Frage des Realismus oft die ausschlaggebende (und sie kann auch im Produk­ tionsprozess an erster Stelle stehen, etwa wenn eine Regisseurin überlegt, einen Film über ein bestimmtes Milieu oder ein bestimmtes soziales Problem zu drehen) und die Überlegungen zur narrativen Umsetzung können die Wahl der filmischen Mittel determinieren. Für analytische Zwecke scheint mir eine Differenzierung dennoch sinnvoll.

Narration Ein allgemeines (und wie es scheint historisch übergreifendes) Merkmal des reali- stic mode of filmic narration besteht im linear-chronologischen Verhältnis von Plot und Story-Ereignissen. Die Narration verzichtet also auf Flashbacks und Flashfor- wards, auf Wiederholungen und andere Formen von a-chronologischem Erzählen (die Ereignisse werden in der Reihenfolge präsentiert, in der sie sich in der Sto-

23 ›Referenzielle‹ und ›explizite‹ Bedeutung nach David Bordwell: Making Meaning. Inference and Rheto- ric in the Interpretation of Cinema. Harvard 1989, S. 8. 218 Guido Kirsten tieug isr edne ekne. i Elpe wre bseln at dys fast bisweilen wirken Ellipsen Die erkennen. Tendenzen dieser Steigerung Neore analysiert. italienischen alismus den auf Bezug in Bazin von bereits wurden stehen, Mittel filmischer Einsatz dem mit Zusammenhang engem in die Erzählverfahren, Diese ganzen Handlungsblöcken, die in der klassischen Narration erzählt worden wären. in Hollywood üblich) zu raffen, und umgekehrteiner Tendenzzur Elliptierung von (wie sie statt zeigen, zu Gänze, in Tendenz,durchgängig, einer Ereignisse denzen: zeigt sich auch in zwei scheinbar konträren, tatsächlich aber komplementären Ten ten. beobach zu selten sehr nur sind Regel dieser von Ausnahmen ereignen). rywelt Rossellini I 1945) 9,8.) Alle von mir bisher analysierten Filme des ›neuen Realismus‹ weisen deutlich deutlich weisen Realismus‹ ›neuen langsamere Schnittfrequenzen auf. des Filme analysierten bisher mir von Alle 9,8.) 1945) I Rossellini 7,2Sek., von ASL eine hat 1948) I Sica, De Vittorio Sekunden; 3–5 von ASLs gewöhnlich haben Hollywoodfilme Pleasures nown fils Le shot average hohe lengths (ASLs). Extremfälle überdurchschnittlichsind die Filme von den Dardenne-Brüdern mit also ASLs von bis zu 70 Sekunden, Schnittfrequenzen, unterdurchschnittliche damit und 26 1953]; Ders.: 25 terschiedlichen Perspektiven gezeigt. gue Anyangde 24 die sich untertails, der Subsumtion den narrativen Zweck nicht beugen. › als Barthes Roland mit man die beobachten, zu ›Leerhandlungen‹ sind Es sind. determiniert unter gewissermaßen narrativ die auf, Figuren von Handlungen einzelne wieder z. aber schen, tauchen im neuen realistischen Film (vor allem bei den Dardenne-Brüdern, herr ›Recit‹) des System das durch Elements einzelnen (des Überdeterminierung funktionalen einer und Ereignis) zu Ereignis (von Determinierung kausalen einer Prinzipien die Spielfilm klassischen im Während nehmen. Kauf in verständnis) Un und Langeweile Publikums des Seiten auf (und Desintegration maturgische draeine umgekehrt sondern münden, Spannungsbogen klassischen minder oder Vorläufern mehr historischen alleneinen Integrationin narrativen der zugunsten in wie mehr nicht Kompromisse die dass sein, zu aber scheint neu historisch ten, herausarbei Erzählweisen realistischen alle für zwar sich lässt Spannung Diese geraten. zu Anforderungen dramaturgisch-kompositionalen zu Widerspruch in niederschlägt. Einstellungen langen extrem sichin was gesteigert, ähnlichemhatMaßesich in von Ereignissen (z. narrativ Diese Orientierung der ›Realistischen Narration‹ am normalen Ablauf der Zeit Zeit der Ablauf normalen am Narration‹ ›Realistischen der Orientierung Diese 24 Die Respektierung der Einheit von Raum und Zeit bringt eine Tendenz zur Plansequenz mit sich mit Plansequenz Tendenz zur eine bringt Zeit und Raum von Einheit der Respektierung Die Vgl. André Bazin: Vittorio De Regisseur. Sica, In: von Ende Am Wiederholung: zeitlicher von Fall einen nur es gibt Korpus des Filmen allen Von

(Luc & Jean-Pierre Dardenne, B/F 2002) und von Jia Zhang-ke, dessen dessen Zhang-ke, Jia von und 2002) B/F Dardenne, Jean-Pierre & (Luc B. auch in Ulrich Köhlers Köhlers Ulrich B.in auch Ein großes Werk: großes D Ein Umberto B. in B. effets de réel de effets r ( , Südkorea/F/J/China 2002) eine noch längere ASL aufweist. (Zum Vergleich: (Zum aufweist. heutige längereASL noch eine 2002) Südkorea/F/J/China , L’orphelind’Anyang Marseille, 25 Für die zeitgenössischen realistischen Filme lässt sich eine sich lässt Filme realistischen zeitgenössischen die Für ‹ bezeichnen kann, also dramaturgisch funktionslose De funktionslose dramaturgisch also kann, bezeichnen ‹ 26 Angela Schanelec, D 2004) und die Durchgängigkeit Durchgängigkeit die und 2004) D Schanelec, Angela In beiden Fällen scheint die realistische Direktive realistische die scheint Fällen beiden In . In: ebd., S.375–379. S.375–379. . In:ebd., , Wang Chao, China 2001) wird dasselbe Ereignis aus zwei un zwei aus Ereignis dasselbe wird 2001) China Wang Chao, , Montag kommen die Fenster diekommen Montag Roma città apertàcittà Roma Was ist Film? Ladri di biciclette di Ladri Berlin 2004, S. 353–374 [zuerst franz. ( Rom, offene Stadt offene Rom, ( Ren xiao yao xiao Ren , D 2006) immer 2006) D , Die FahrraddiebeDie , Roberto Roberto , ( Unk ------, 219

Die Erzählperspektive hat im Realismus in den allermeisten Fällen den ambiva- lenten Status einer heterodiegetischen, aber anthropomorphisierten Instanz, die zwischen einem innerdiegetischen Beobachter und einem auktorialen Erzähler an- gesiedelt ist. Entsprechend ist sie weder so limitiert, sich auf die Perspektive einer einzelnen Person beschränken zu müssen, noch verfügt sie nach Belieben über den Gesamtzusammenhang der Geschichte; vielmehr sind realistisch erzählte Fil- me fast immer so konstruiert, als entspreche das ›Wissen‹ der Narrationsinstanz in etwa dem des Zuschauers. Das daraus sich ergebende Erzählprinzip möchte ich als ›limitierten Objektivismus‹ bezeichnen.27

Style Der erwähnte ›limitierte Objektivismus‹ der realistischen Narration bringt auf der Ebene der filmischen Mittel einen weitgehenden Verzicht auf subjektive Ein- stellungen und PoV-Strukturen mit sich. Fast nie tauchen eindeutig als mental markierte Bilder und Töne auf. In Zusammenhang mit dem Prinzip des limitier- ten Objektivismus steht auch die Einschränkung der Einstellungsgrößen (weni- ge Close-Ups und Panoramen) und der ganz seltene Einsatz außergewöhnlicher Kamerawinkel; meistens wird etwa in Augenhöhe kadriert. Auch elaborierte Ka- merafahrten sind nur selten zu beobachten, die Kamerabewegungen entstehen vor allem über Schwenks und Handkamera. Diese Tendenz ist von Christine N. Brinckmann als »anthropomorphe Kamera« bezeichnet worden. (Im Gegensatz zur »technomorphen Kamera«, die etwa im Science-Fiction-Film dominiert und auch im zeitgenössischen Hollywood verstärkt zum Einsatz kommt.)28 Die Anthropomorphisierung der Kamera wird in manchen Fällen noch ver- stärkt durch eine bestimmte Art des Staging, der Figurenanordnung vor der Ka- mera. Während das klassische Hollywood-Paradigma besagt, dass Figuren mög- lichst zentral kadriert und im Zweidrittelprofil zu sehen sein sollten (was zum Teil zu sehr gekünstelten Figurenanordnungen führt, die auch in älteren Filmen der realistischen Tradition dominieren), werden die Figuren in neueren realistischen

27 Dies besagt noch nichts über das Verhältnis von narrativer Instanz und Fokalisierung im neuen ›Filmischen Realismus‹. (Zu ›Fokalisierung‹ vgl. Edward Branigan: Fokalisierung. In: Montage AV 16,1, 2007, S. 71–82 [zuerst engl. 1992]; Jörg Schweinitz: Multiple Logik filmischer Perspektivierung. Fokalisie- rung, narrative Instanz und wahnsinnige Liebe. In: Montage AV 16,1, 2007, S. 83–100.) Im Vergleich zu klassischen Narrationsmodi, die vor allem zwischen Null- und interner Fokalisierung alterieren, scheint es – dies wäre eine zu überprüfende Hypothese – einen stärkeren Einsatz der ›externen Fokalisierung‹ zu geben. Diese Fokalisierungsform setzt eine Figur als Zentrum und Filter der narrativen Information, die ohne Zugang zum mentalen und emotionalen Innenleben ›von außen‹ betrachtet wird. Insofern sie sich dadurch auszeichnet, dass die Narrationsinstanz weniger weiß als die fokale Figur, harmoniert sie mit dem Prinzip des ›limitierten Objektivismus‹. (Ein gutes Beispiel für konsequente externe Fokalisierung bietet Le fils [Der Sohn], Jean-Luc & Pierre Dardenne, B/F 2002). 28 Christine N. Brinckmann: Die anthropomorphe Kamera. In: Dies: Die anthropomorphe Kamera und andere Schriften zur filmischen Narration. Zürich 1997, S. 277–301 [zuerst 1996]. 220 Guido Kirsten mit mit emotionalisierenden Effekten vorherrschte (wasbesonders einigen Klassikern Filmmusik extradiegetischer von Einsatz konventioneller ein noch Neorealismus im und Realismus Poetischen im Während ›Realismen‹: älteren zu Differenzen te interessan Der scherscheint. letztewiederum bietet Musik auszuzeichnen Punkt Klangobjekte unidentifizierbare Tonebenedie durchteVerzicht allem vor sichuntersucht werden,genauerdie auf (Laiendarsteller oder professionelle Schauspieler ohne Star-Appeal). Ebenso müss Schauspiel naturalistischem und Licht‹ ›diegetischem von Originalschauplätzen, sind nur von hinten sehen. zu oder gegenseitig sich verdecken gestellt, Kaders eines Rand den an öfter Filmen tage AVtage 32 tag 2006), Köhler, 31 F1999), Cantet, 2003), Schmid Christian 30 welt Films. des Flückiger: Barbara Vgl. ist. erkennbar Kontext dem aus noch sichtbar, 29 also a) bezüglich der physikalischen Gesetze – es gibt im Realistischen Film keinen Schichtenmodells, Wulffschen des Ebenen vier alle für gilt Welt Dies Zuschauer. der sozialen der mit Welt diegetischen konstruierten der Strukturähnlichkeit und moralischerkationsdefizite oder psychischer Dekadenz. Schichten, unterprivilegierter sozial Porträts einerseits sind beobachten zu Häufig entfalten. narrativ Problematiken immanente deren und beziehen Milieus ihrer oder Gesellschaften aktueller As pekte bestimmte auf thematisch Filme die sich dass gelten, zusammenhängendes kann Grundmerkmal damit weiteres, Als Vergangenheit. jüngeren der in oder und ›Hier Jetzt‹ im sie spielten als – werden müssten spezifiziert allerdingsgenau d. Aktualität, zifische unspe ihre ist betrifft, Ebene inhaltliche die was Filme, realistischer Signum Ein Thematik sche Musik. extradiegeti auf gänzlich oft Filme Realistischen neuen die besonders verzichten zeitgeistigen einen Wavedurch New tish Bri der Filme qualifizierbaren realistisch als die sich und verleiht) Note matische z. Neorealismus, des Die Mise-en-Scène bedürfte weiterer Analysen, beispielsweise der Einsatz von Einsatz der beispielsweise Analysen, weiterer bedürfte Mise-en-Scène Die i oe shn eat bset e Bduugkr ds elsu i der in Realismus des Bedeutungskern der besteht gesagt, schon oben Wie (Angela Schanelec, 2007). Schanelec, (Angela Hans J. SchichtenbauWulff: undProzesshaftigkeit des ZweiDiegetischen: Anmerkungen. In: z. so Deutschland: aus Filme jüngere viele Auffällig Beispiele aus den letzten Jahren wären: Bild im weder Quelle deren bezeichnet, Geräusche werden Klangobjekte‹ ›unidentifizierbare Als , 16,2, 2007, 39–51. S. Marburg 2001. Marburg Ping Pong Ping Barrio (Fernando Arranoa de Léon 1998) alle Filme der Dardenne-Brüder. sowie de (FernandoLéon Arranoa Halbe Treppe Halbe (Matthias Luthardt, 2006) Luthardt, (Matthias B. h. sie wirken meistens – ohne dass Handlungszeit und -ort -ort und Handlungszeit dass ohne – meistens wirken sie h. Umberto D.Umberto 29 (Andreas Dresen, D 2002), D Dresen, (Andreas und eine Tendenz zur Reduktion extradiegeti Reduktion zur Tendenz eine und All All or nothing 30 (Vittorio de Sica, I 1952) heute eine melodra eine heute 1952) I Sica, de (Vittorio andererseits solche bürgerlicher Kommuni bürgerlicher solche andererseits Score Sommer ’04 Sommer B. Am Montag kommen die Fenster die kommen Montag Am (Bebop, Rock’n’Roll) auszeichnen, auszeichnen, Rock’n’Roll) (Bebop, (Mike Leigh, GB/F 2002), (Stefan Krohmer, 2006), Krohmer, (Stefan Ressources Humaines Ressources Sound Design. Die virtuelle Klang virtuelle Die Design. Sound 31 Lichter Nachmit (Laurent (Laurent (Ulrich (Ulrich (Hans- Mon 32 ------

221

Raum für Übernatürliches; b) bezogen auf die Wahrnehmungswelt: Es werden kei- ne Bilder und Töne präsentiert, die nicht auch von den Figuren wahrgenommen werden könnten (seltene Ausnahme: nondiegetische Musik); c) bezogen auf die Regeln des sozialen Miteinanders, den Gesetzen und Normen, denen die Figu- ren unterworfen sind; d) hinsichtlich der typischen moralischen Konflikte, die im Filmischen Realismus nicht selten zu Dilemmata zwischen unterschiedlichen Wertehorizonten werden, wie Wulff sie für Hans-Christian Schmids Lichter be- schreibt.33 Einfach gesagt veranschaulicht ›Filmischer Realismus‹ Ereignisse und Konflikte, die sonst in der U-Bahn, im Supermarkt oder in der eigenen WG erlebt oder beobachtet werden können. Das mental mapping von sozialen Akteuren und diegetischen Milieus kann insofern alltäglichen Routinen folgen und sich eines in- ferenziellen, auf stereotypisierten Schemata beruhenden Pseudowiedererkennens bedienen. Hinsichtlich der Thematiken weisen die neuen realistischen Filme schon auf- grund kultureller, politischer und ökonomischer Differenzen große Heterogenität auf. Die infrastrukturelle Unterentwicklung einer bestimmten Gegend in China und die Formen der Kriminalität, die sich hier ausbilden, können nur im Kino Jia Zhang-kes und nicht in dem der Berliner Schule zum Ausdruck gebracht werden, während eine spezifisch deutsche bürgerliche Mentalität typischerweise dort por- trätiert wird. Wenn es eine gemeinsame Tendenz zu verzeichnen gibt, dann viel- leicht in der zunehmenden moralischen Zurückhaltung der neueren realistischen Filme. Zugespitzt: War Ladri di biciclette noch »ein kommunistischer Film« (André Bazin),34 so sind die Filme der Berliner Schule nur noch »der Versuch, den Kapitalismus darzustellen« (Georg Seeßlen).35 Einer Beurteilung der gezeichneten Milieus und der entworfenen Konflikte oder gar einer Handlungsaufforderung scheint sich der aktuelle Realismus jedenfalls noch stärker als seine historischen Vorläufer zu enthalten. Die Filme scheinen weniger didaktisch zu sein.

4 Das skizzierte Modell ist weder vollständig, noch ist es vollständig ausgearbeitet. In vielen Punkten stellen sich noch Fragen, wäre Differenzierung, Spezifizierung und Relativierung angebracht. Auch die Plausibilisierung am filmischen Material kommt hier zu kurz. Stärker wäre noch zu betonen, dass Realismus immer ein kontrastives Phänomen darstellt, der Begriff also in Abgrenzung zu je anderen ak-

33 Vgl. Wulff 2007, S. 44ff. In diesen moralischen Aporien verbirgt sich das entscheidende­ Kritik potenzial realistischer Narrationen. Diese Kritik kann mitunter durchaus fundamental (etwa als Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem) formuliert und verstanden werden. 34 Das ist durchaus nicht pejorativ gemeint; vgl. André Bazin: Ladri di biciclette. In: Bazin 2004, S. 335–352 (339). 35 Vgl. Georg Seeßlen: Die Anti-Erzählmaschine. In: Freitag. Die Ost-West-Wochenzeitung 37, 14.9.2007 (http://www.freitag.de/2007/37/07371301.php, Zugriff: 19.8.2008). 222 Guido Kirsten emanzipiert zu haben zu emanzipiert allerdings Realistisch-Wahrscheinliche das sich scheint Genre-Wahrscheinlichen den Terminus Metz des »vraisemblable«. Christian etwa verwendet So tiert. schen Tradition anders, vonnämlich auf der GattungenEbene Genres oder disku aristoteli der in Wahrscheinlichkeitsbegriff wirdkönnen.Allerdingsder erwarten Figuren filmischen den von Alltagserfahrung unserer Hintergrund dem vor wir was regulieren, zu Realismus im scheint Wahrscheinlichkeit der Regime Das ren. zu formulie genauer Diegese filmischer und Wirklichkeit sozialer von Homologie strukturellen der Theorem das könnte, bieten Möglichkeit die der diskutieren, zu und kulturelleWeiterhin Relativierungen. derwäre der Begriff Wahrscheinlichkeit tuellen Ästhetiken benutzt wird. Auch aus dieser Tatsache ergeben sich historische 2005, S. 164–172 (hier S. 171f.) 164–172 1968]. S. [zuerst2005, S. franz. (hier Ders.: In: Wirklichkeitseffekt. Der Barthes: Roland machen.« zu Ausdruck seinem und Gegenstand einem zwischen Begegnung bloße die Eintragung der aus um untergraben, zu Zeichens des Naturdreiteilige die entspringt, Absicht der dern scheidet sich stark vom alten, da es doch weder die Gesetze der Gattungenunter Wahrscheinliche einhält neue noch Dieses verschleiert, son bildet. Moderne der Werke gängigen aller Ästhetik die das lichen, 37 tions 11 36 Laien oder Thematik bestimmte eine wie Wirkung realistische eine für Garanten in Augenhöhe,rierungswinkel Tiefenschärfe etc. sind für sich genommen sowenig von Hypostasierung die werden, umgesetzt Geschichten die denen mit Mittel, tischer entgegenzuwirken. lismustheorie Rea der in Relativismus totalen den und Beliebigkeit der Realismus‹ ›Filmischen fiktional-narrativen des Bedeutungskern als Homologie dieser Betonung die mir der Konstruktion strukturell homologen Diegese veranlassen. Gleichzeitig scheint sche‹ Filme in der Porträtierung derselben setzen mögen und die das Publikum zur ›realisti die Schwerpunkte, ebenso die wie arbiträr) sind ebensowenig auch Wirklichkeit (aber kontingent sozialen der Konzeptionen und Konstruktionen Die nis zwischen Film und Zuschauer, eine das Offenheit aufbeiden Seiten impliziert. Formulierung der historischen Homologie von Diegese und Sozialwelt ein Verhält die bedeutet Erstens eröffnen: Realismuskonzeptionen anderen gegenüber züge Vor einige auf Hinweis dem mit unbescheiden ganz diese und stellen Diskussion die Wahrscheinlichkeiten alsunterschiedlich wahrscheinlich erweisen. auch sich können Realismus‹ ›Filmischen des Geschichte der In Worten: anderen (z. Filmen von Gruppe bestimmten einer Gemeinsamkeiten die oder Films einzelnen eines Wirklichkeit lichen unterscheiden, je nachdem, ob man das Verhältnis von Diegese und sozialer Zweitens lässt sich durch die Annahme eines Netzwerkes verschiedener ästhe verschiedenerNetzwerkes eines Annahme durchdie sich lässt Zweitens zur Modell mein ich möchte Unklarheiten und Mängel bestehenden der Trotz »Es kommt zu einem Wirklichkeitseffekt, zur Grundlegung dieses uneingestandenen uneingestandenen dieses Wahrschein Grundlegung zur Wirklichkeitseffekt, einem zu kommt »Es In: vraisemblable? d’un Vers declin cinéma: le au dit le et Dire Le Metz: Christian Vgl. einzelnen , 1968, S. 22–33. , 1968, S. TechnikenKad als spezifisch Plansequenzen, realistisch vermeiden. 37 – oder vielmehr lassen sich zwei Ebenen des Wahrscheindes Ebenen zwei sich lassen vielmehr oder – B. des Neorealismus) in dieser Hinsicht untersucht. Mit Mit untersucht. Hinsicht dieser in Neorealismus) des B. Das Rauschen der Sprache der Rauschen Das . (Kritische Essays IV). Frankfurt am Main am Frankfurt IV). Essays (Kritische . Communica 36 Von ------223 darsteller oder eine fragmentarische Narration. Erst im Zusammenspiel konstitu- ieren diese und andere historisch variable Faktoren den ›Filmischen Realismus‹ als genuine Form. Drittens macht dies deutlich, dass sich realistische Tendenzen auch in anderen Spielfilmen finden lassen, die nicht direkt der realistischen Tradition zugerechnet werden können. So macht etwa der klassische Hollywoodfilm oft Gebrauch von realistischer Mise-en-Scène, das russische Montagekino von Laiendarstellern und sozialen Milieus. Viertens können innerhalb des ›Filmischen Realismus‹ wiederum sinnvolle Differenzierungen von verschiedenen Stilen vorgenommen werden. Zum Bei- spiel kann der klassische ›perceptual realism‹ (Bazin: Wyler) vom ›on-the-spot/ documentary/cinéma-vérité-Stil‹ (Dogma; Dardennes) und dieser wiederum vom ›transnational festival realism‹ unterschieden werden.38 Außerdem kann nun eine historische Entwicklung anhand der einzelnen Komponenten nachgezeichnet werden (z. B. hinsichtlich des Einsatzes von nondiegetischem Licht und nondiege- tischer Musik oder auch der narrativen Perspektive). So können die Kontinuitäten im repräsentationalen Regime des ›Filmischen Realismus‹ ebenso zum Ausdruck kommen wie die Brüche und Innovationen, die sich in den letzten zehn Jahren auf verschiedenen Ebenen abgezeichnet haben: das Alte und das Neue.

38 Vgl. Jason McGrath, The Independent Cinema of Jia Zhangke: From Postsocialist Realism to a Transnational Aesthetic. In: Zhang Zhen (Hg.): The Urban Generation. Chinese Cinema and Society at the Turn of the Twenty-first Century. Durham/London 2007, S. 81–114. McGrath zeichnet darin die Verän- derung der Filme von Jia Zhang-ke vom »›on-the-spot‹ documentary realism« (S. 88) in den ersten Filmen über die Integration von Elementen des perzeptiven Realismus (»an aesthetic characterized by long shots, exceptionally long takes, and a relatively immobile camera«, ebd., S. 96) zum internationalen »ästhetisierten« Realismus seiner jüngeren Werke nach.

225 Stuntmen/Stuntwomen

von André Wendler

Die wenige Literatur, die sich zum Stuntman im US-amerikanischen Kino finden lässt, arbeitet unisono daran, den Stuntman als geradezu mythologische Kinofigur zu verklären. So heißt es bei Arthur Wise und Derek Ware im letzten Kapitel ihrer Geschichte des Stunting in the cinema: »[The modern stuntman] exists in his own right, and his work in the context of the modern cinema is indispensable.«1 Die absolute Unverzichtbarkeit des Stuntmans für das Kino wird bei Wise und Ware zu einem historischen Argument: »The stunt […] was born with the cinema«2 oder anders gewendet: im frühen Kino ein Schauspieler zu sein, hieß automatisch Stuntman zu sein, denn das aus Jahrmarkt und Vaudeville kommende Kino konn- te nur Leute brauchen, die zu Spektakulärem bereit waren: Verfolgungsjagden mit Eisenbahnen, Pferden und Pferdewagen, Sprünge aus den Fenstern brennender Häuser und dergleichen mehr. Derartige Dinge für den frühen Kinematographen zu tun, war nicht ausnahmsweise die Aufgabe von Schauspielern, die sich sonst mit ganz anderem beschäftigten, sondern das Geschäft dieser Schauspieler be- stand in nichts anderem: acting stuntman und stunting actor zugleich zu sein. Der Stunt jedenfalls, wie wir ihn seit dem frühen Kino kennen, ist laut Wise und Ware »spectacular and almost entirely visual in its appeal, and […] involves a certain danger to the performer which he can only overcome by skill.«3 Spektakulär ist dabei in jenem doppelten Sinn zu verstehen, der die unbedingte Zurichtung des Geschehens auf das Gesehenwerden betont und das auf der anderen Seite mit der Fantastik und Unerhörtheit des Ereignisses verbindet. Eine solche Argumentation findet sich in allen Geschichten des Stuntmans im Kino: nicht das Kino hat den Stuntman erfunden, sondern die Stuntmänner haben das Kino vom ersten Tag an erst zu dem gemacht, was es war und vermutlich noch immer ist: ein gewaltiges, gefährliches Spektakel aus Körpern und Bildern. Der Stuntman wird aber nicht nur historisch als eigentliches und verlorenes Urbild des Filmschauspielers interpretiert, sondern seine Wichtigkeit insistiert: auf der einen Seite ist der Stuntman nämlich derjenige, der die größte Gefahr im Film auf sich nimmt und den Film nur unter Gefahr für Leib und Leben ermög- licht. Auf der anderen Seite bekommt er dafür aber weder Geld, noch Ruhm oder Frauen, sondern ermöglicht durch seine Bescheidenheit nur den Ruhm der großen

1 Arthur Wise, Derek Ware: Stunting the cinema. London 1973, S. 206. 2 Ebd., S. 17. 3 Ebd., S. 13. 226 André Wendler verkörperte Filmfigur gesehen, die weder er noch der Star ist. Der Stuntmen, so Stuntmen, Der ist. Star der noch Star er vom weder die die gesehen, als Filmfigur wird verkörperte er Und ist. nicht aber er der doubelt, er den Star, den als ihn aber auch nicht nur als Filmfigur.Sondern tatsächlichsehen wir denStuntmen sehen Wir an. nichtihn selbst ihn als wir sehen sichtbaralle uns eigentlichfür ist, Leib eigenen Stuntman der Dargestellten: Fiktionali des tät der mit Darstellers des Person wirkliche die sich trifft Person seiner in sagen: könnte Man aus. Heroismus seinen macht das gerade und Figur liche uneigent eine Geschichten diesen in ist Stuntman Der nährt. Ruhm dessen sich woraus und wird zugeschrieben dann Star dem was dessen, Macher eigentliche unsichtbar, der zwar aber er ist bleibt Stars offiziellen hinterdenDouble Stars:als Haslaman: In: Stuntman. The 4 paradigmatischen zu deshalb nur nicht werdenTerminator der und Bond James spielt. Kino-Mannes hyper-virilen des Konstruktion der bei Rolle entscheidende genteil der Fall. Der Stuntman ist zwar niemand, aber er ist jener niemand, der die Ge das aber ist Weise Interessanter ist. Hollywoodgetriebe großen im Rädchen Wortes des Sinnen möglichen allen in Stuntmans des Unperson geteilte schon immer die dass annehmen, lich allen Teilen Realität in und fiktionaler realer Fiktion. einerLogik gehorcht ist, er was das, findet; ergänzt Anteile fiktionale um nur Kern Und drittens, weil sich in der Realität seiner Person nicht ein wirklicher oder realer in überhaupt noch einer Person Zweitens,zurechnen weil er niemals ineigenen lässt. seinem Namen nichtbruchlos Gründen Körper sein sichproblematischeweil erstens, eine Figur. zwar Und drei aus also ist Stuntman Der Filmfigur. die als mehr selbst stets er doch als und weniger immer ist sagen, vielleicht man könnte so Stuntman, Der ist real, aber die Situation, die ihn gebrachtdorthin hat, durch und durch fiktional. hängen zu dort Gefahr Die Fensterhängen. dem aus Stock zwanzigsten im selbst er als nicht aber persona, in nun sich muss Stuntman Der Situation. gefährliche am Fensterbrett diese in Stuntmen den bringt und Figur seine Hauptdarsteller der verlässt Hauses hängt, eines Stockwerk zwanzigsten im Filmfigur eine wenn etwa werden droht, zu real Diegese der Gefahr die sobald Denn und real. fiktional von die ist verläuft, sich er der in und unterläuft Stuntmen der die Binaritäten, aus derendert, nichtTrümmern lesbar wird, was für eine Person er ist. Eine dieser Unzuschreibbarkeit. Der Stuntman hat sich in einer Reihe von Binaritäten verhed der Figur des Stuntmans ein Problem dann ist gibt, es das Problem der personalen mit es wenn ausgedrückt: anders anderer.Oder ein immer ist sagen, man könnte ai shit i en wie Pnt ebne z si: a knt näm könnte man sein: zu verbunden Punkt zweiter ein mir scheint Damit Diese Geschichte wird seriös in Wise/Ware, 1973 erzählt, literarisch anspruchsvoll in Mike Parker: Mike in anspruchsvoll literarisch erzählt, 1973 Wise/Ware, in seriös wird Geschichte Diese Stunts und wie sie gemacht werden gemacht sie undwie Stunts , was dieser innerhalb der Diegese zustößt. Diegese der innerhalb dieser was , Critical Quarterly Critical einem Namen handelt, sondern immer zugleich mehrere ist. ist. mehrere zugleich immer sondern handelt, Namen , 1992, vol. 34, No. 1, S. 51–56 und reißerisch in Büchern wie Hakan wie Büchern in reißerisch und 51–56 S. 1, No. 34, vol. 1992, , keine Rolle spielt Rolle keine . Mainz 2002. ist zwar nicht die Filmfigur, erleidet aber am aber erleidet Filmfigur, die nicht zwar und nur eines der tausend kleinen kleinen tausend der eines nur und 4 Während der Stuntman Stuntman der Während - - - - - 227

Fällen von Männlichkeit im Kino, weil von Sean Connery bis Arnold Schwarzen- egger die Stars ihre Männlichkeit in diese Rollen investieren, sondern weil diese Figuren einzig und allein durch ihre Stuntdoubles zu jenem Körpergebrauch be- fähigt werden, der sie über alle Widrigkeiten erhaben macht und in dem zugleich die Attraktivität dieses Kinos für die Zuschauer und Zuschauerinnen liegt. Auf der einen Seite verschwindet der Stuntman also nahezu vollständig in den Zwi- schenräumen der filmischen Fiktionen und des Kino-Produktions-Systems und ist aus dem symbolischen Universum des Kinos ausgeschlossen. Vergleicht man einmal die Sichtbarkeit des Stuntmans mit jener hypertrophen und allumfassen- den Sichtbarkeitsmaschine, die das US-amerikanische Mainstream-Kino ist, dann ist die Feststellung, dass er darin keinen Platz hat, alles andere als übertrieben. Und obwohl er in diesem Repräsentationssystem nicht vorkommt, ist er doch die entscheidende Instanz, die ihr Funktionieren garantiert. Ich würde den Stunt- man daher gern als konstitutives Außen des Hollywood-Kinos bezeichnen. Die- ses Konzept, dass sich etwa bei Judith Butler findet, bezeichnet eine Instanz, die aus einem symbolischen Universum ausgeschlossen ist und gerade durch diesen Ausschluss sein Funktionieren garantiert. Mit Judith Butlers Worten: »what is set outside […] the symbolic universe in question is precisely what binds that universe together through exclusion.«5 Der Stuntman, so kann man das hier zusammenfassen, taucht also erstens in den Stuntman-Geschichten immer wieder als Prototyp des gewöhnlichen Schau- spielers auf. Zweitens handelt es sich bei ihm um eine Person, die man als Dividu- um bezeichnen könnte, und zwar präzise auf der Grenze von Fiktion und Realität. Und drittens stellten wir fest, dass er als solches die Position des konstitutiven Außens des Hollywood-Kinos besetzt, jene Position also, die ausgeschlossen wird um das, woraus sie ausgeschlossen wird, überhaupt erst zu ermöglichen. Es bleibt dabei aber eine Frage offen, die bisher höchstens angedeutet wurde. Man könnte, etwas flapsig nämlich fragen, was die ganze Aufregung eigentlich soll. Wieso würde sich das Kino, von dem wir hier sprechen eine solche hochgradig problematische Figur konstruieren? Warum würden die Stuntmen nicht einfach neben oder sogar vor den großen Stars auf der Bühne stehen? Warum wäre es für das Kino so wichtig diese Figuren in ihrer unausweichlichen Unsichtbarkeit beste- hen zu lassen, anstatt sie ins Rampenlicht zu holen? Vielleicht muss man sich zur Beantwortung dieser Frage noch einmal mit dem beschäftigen, was hier eigentlich konstruiert wird: dem nämlich, was ich Kino-Männlichkeit genannt habe. Man braucht eigentlich nicht viel über diese Kino-Männlichkeit zu sagen, denn es ist so absolut offensichtlich, worin sie besteht: große Helden, Rettungen in letzter Minute, Macht über alle möglichen Länder und Zeiten oder wie das Kino selbst sagt: »The World is not enough«. Diese Fülle, diese Allmacht wird aber über einen

5 Judith Butler: Excitable Speech. A Politics of the Performative. London/New York 1997, S. 180. 228 André Wendler vielleicht nirgends so deutlich wie in sich der Kino-Männlichkeit. findet Eine der entscheiden Mangels des Ausfüllung der Funktion und Inhalt zwischen Spaltung generieren.« Ausfüllung der Funktion und Inhalt zwischen Spaltung die notwendigerweise Mangels dieses Ausfüllung die wird dann gibt, Akteure Mangel sozialer einen Identität der in es »wenn dazu: sagt Laclau Ernesto Philosoph politische Der kann. herausführen ›Übermann‹ der noch nur der aus bringt, Ausweglosig keit eine in Mann jeden der Möglichkeiten, an Mangel ein schließlich und Stuntmen überwinden ein den Mangel die an waghalsigen Mut, auszusetzen; Situationen gefährlichen sie um macht wertvoll zu diese der Stars, an Mangel ein können; beibringen Fähigkeiten diese die fordert, Stuntmen der Fähigkeiten, an artikuliert: Mangels des Diskurs intensiven und extensiven zugleich 7 theScreening Male 6 Positiund VerknüpfungElemente Kräfte,disparaterdie [dabei] beinhaltet lation sich konstituiert für und Laclau Mouffe durch diePraxis der Artikulation. »Artiku ell, unausweichlich und ewig artikulieren, als Hegemonien bezeichnet. Hegemonie essenti als Notwendigkeit fehlende ihre und Zufälligkeit ihre Geschichtlichkeit, alle und keinen und istambesten niemand. repräsentiert er Wirklichkeit, und Fiktion aus Ununterscheidbarkeitszone einer in lebt unsichtbar,er ist Stuntman der ihr: von Gegenteil genaue das nun ist soll, produzieren sie und einsteht Fülle die für die Instanz, die Denn Sinn. stanziellen – ist wirklich nicht Männlichkeit ihre aber dass sind, männlich wirklich Kinomänner dass sagen, also könnteMan wird. liert instal Körper seinen durch und Stuntman des Hilfe mit welches Unsichtbarkeit, und Sichtbarkeit aus System ausgeklügeltes ein dort arbeitet es sondern sich, an Männliche das nicht wartet Kinos des Männlichkeit der Grunde Am Stuntmans. zwar im Kino vor allem durch eine mit allmächtiger HilfeInszenierung Körper des ideale Männer werden gemacht, sie werden hergestellt, sie werden produziert. Und Männer sind nicht ist. Männer, weil sie Männer sind, sondern Konstruktion dert, durch Mike Stuntman auch letztlich der mit Urwüchsigkeit, befehlen. Hormone ihnen das ihre weil Frauen, vergewaltigen Männer funktionieren, so Gehirne ihreWelt, weil die lenken Männer Frauen, als haben Kraft mehr körperlich sie weil herrschen, Männer Natur. seine auf zurück, Mannes des Körper den auf man kommt dann hinreichen, mehr Ursprungsmythen biblischen keine wenn kann, ausüben schaft Herr Mann ein warum hilft, mehr Erklärung Wennkeine Natürlichkeit. der jene ist hinaus darüber auch zuweilen und Kino im Männlichkeit der Setzungen den Ernesto Laclau und Chantal Mouffe haben Regime, die ihre Kontingenz, ihre Kontingenz, ihre die Regime, haben Mouffe Chantal und Laclau Ernesto oder Natürlichkeit diese dass sichtbar, aber wird Stuntmans des Figur der An Ernesto Laclau: Laclau: Ernesto (Hg.): Hark Rae Ina (Hg.); Cohan Steven In: People. Dumb for Movies Dumb Tasker: Yvonne Vgl. . London, New York. London, hier 230f. 230–244, 1993, S. Emanzipation undDifferenz Emanzipation . Wien 2002, S. 144. 2002, S. . Wien zumindest in keinem ontologisch-sub keinem in zumindest Death Proof Death 6 ein Mangel ein 7 Diese Diese wan ------229 onen. Als einer kontingenten Praxis gibt es nichts Prädeterminiertes an Artikula- tion; jedes artikulierte Ensemble ist einzigartig und kontextuell spezifisch.«8 Das heißt also, dass hegemoniale Kräfte nicht Dank einer vorgängigen Substanz ihre Wirkmächtigkeit durchsetzen können, sondern es sind im Gegenteil jene Kräfte hegemonial, denen es gelingt, ihre kontingenten und spezifischen Forderungen als essentiell und unausweichlich zu artikulieren. Die Essenz des Artikulierten geht nicht der Artikulation voraus, sondern wird von ihr erst produziert. Und so würde ich die über den Stuntman produzierte Kino-Männlichkeit auch bezeichnen. Die Kino-Männlichkeit ist hegemonial, weil sie Fülle behauptet wo Mangel herrscht, weil sie die Illusion einer vorgängigen Essenz dort installiert, wo eigentlich nichts ist. Wenn die Kino-Männlichkeit also behauptet, sich auf unverwüstliche Univer- salien zu berufen, so muss man feststellen, dass Sie diese Universalien erst konst- ruiert. Die Gründung von Männlichkeit auf das Männliche ist unmöglich, weil es das Männliche erst gegeben haben wird, wenn Männlichkeit einmal konstruiert ist, sie ist aber wirklich weil sie diese retrospektive Gründung immer wieder aufs neue vollzieht. Oder noch einmal anders gewendet: von der Leinwand herab blicken uns nicht die Repräsentanten echter Männlichkeit an, sondern auf der Leinwand wird vor unseren Augen das hegemoniale weil offenbar unausweichliche Bild einer dem An- schein nach essentiellen Männlichkeit immer wieder produziert: und die Figur, an der sich all das ablesen lässt, ist niemand anderer als der Stuntman. Entspre- chend ist es logisch, dass er gerade nicht im Rampenlicht steht. Denn mit seinem unsichtbaren Funktionieren steht und fällt das Funktionieren der hegemonialen Kino-Männlichkeit. Wenn Ernesto Laclau, Chantal Mouffe und bekanntermaßen auch Judith But- ler dieses besondere Modell der kontingenzbehafteten und antiessentialistischen Hegemonie vertreten, dann aus zwei Gründen und mit zwei Konsequenzen: ei- nerseits opponieren sie damit gegen die unsägliche und ausgesprochen kraftvolle Naturalisierungsillusion dieser Hegemonien und eröffnen zweitens einen Ausweg aus der damit konstruierten Unausweichlichkeit. Wenn ich das im folgenden an Quentin Tarantinos letztem Film Death Proof (USA 2007) diskutieren möchte, so weil mir dieser einerseits ein kluges und weitsichtiges Experiment auf genau diesem Boden zu sein scheint und zweitens, weil ich glaube, dass Tarantino mit seinem Film die identitätspolitische Fragestellung explizit um den Aspekt der Me- dien, und das heißt hier: des Kinos ergänzt. Der Film ist sehr rigide formal und dramaturgisch in zwei Abschnitte unter- teilt. In beiden Abschnitten trifft der abgehalfterte und ziemlich widerliche Stunt-

8 Anna Marie Smith: Das Unbehagen der Hegemonie. Die politischen Theorien von Judith Butler, Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. In: Oliver Marchart (Hg.): Das Undarstellbare der Politik : Zur Hege- monietheorie Ernesto Laclaus. Wien 1998, S. 225–237, hier 227. 230 André Wendler oder Geschehen werden die Doppelbödigkeiten z. T. aber auch direkt ausgepro direkt auch aber T. z. Doppelbödigkeiten die werden Geschehen oder Dingen andeutungsvollen solchen Neben steht. Hot Icy der auf Jacke, seiner mit Zweideutigkeit die Weitergeht inszeniert. Sugardaddy liebreizender ultimativ als damit, dass ausgerechnet Stuntman Mike eine Virgin bereits Piña Colada bestellt und beginnt sich das zweideutig: eindeutig hier ist Bemerkung Jede Alkohol Drogen. Sex, und als mehr wenig um auch Konversation triefende so nur Sprüchen ab, auf ihrewarten Typen und folglich dreht sich die ziemlich coole und vor markigen dort hängen Girls Die sorgt. Musik für Jukebox eigene Tarantinos Quentin möchte. Im ersten umbringen TeilStuntman Mike trifft aufbzw. die Girls ineiner Musicbar, in der umbringt heraus, Mordlust perversen einer aus oder grundlos scheinbar er die Frauen, selbstbewussten jungen, von Gruppe eine auf Mike man Rd pl« iaetn de iml ead igbah hbn il Spätestens will. haben mitgebracht jemand einmal die Zigaretten, Apple« »Red wird oder Burger«, Fast-Food-KetteMikeerwähnt vondie Stuntman Kahuna »Big die Tarantino wie in allen seinen Filmen auch in Marken, und Produkte fiktiver einiger anlässlich vielleicht das wird deutlichsten Am Kino. im anderenbestimmtenBecher einen auf Welt, der sondern Becher alle Proof außen, aus dem Film heraus: interessanter Weise bezieht sich ein Becher in wird,öffnet konstruiert Tarantino hiersehr klar undeindeutig eine Referenznach er Films des innerhalb Referenzebene zweite eine nur Hot Icy oder Colada Piña an Kampfanzug KillausBill Uma denkenThurmans lässt. Während mit derVirgin dass Cheerleader-Kostüm, ein Brown, Jackie aus Becher ein Tarantinosauf: men Fil anderen aus Requisiten Film dem in tauchen wieder Immer hat. verwendet Soundtrack als Filmen früheren in er die enthält, Titeln von Reihe eine und ist ne WasFilm den Anweisungen des Regisseurs. sonst?! ders verstehen. Natürlich ineinem folgen und Schauspielerinnen die Schauspieler an ganz auch dann man muss it.« do we it, »Warrensayswird: bezeichnet sophy d. bezogen, Film den auf Shots als zwar und interpretieren anders auch »shots« die man kann dann wird, gespielt selber Tarantinovon Warren dass weiß, aber man Wenn it.« do we »Warrenit, saysund: da es heißt them.«, do to got we shots, the over sends Warren »If müssen. werden ausgetrunken Ex, auf also Zug, einem in öfter, die Warren den alledie die Drinks, Regel, alle dass kennen, lautet, spendiert das er tut Offenbar ausgibt. Chartreuse Runde eine Girls den Warren Barkeeper z. es gibt So selber. Film den auf sondern men, neh Bezug Filmes des Erzählung der Elemente auf nur nicht Zweideutigkeiten die denen in Momente, auch aber Film den in kommen sein, zu wichtig sonders be mir scheint das und aber, Zunehmend car.« your it’s »No, antwortet: ihm sie woraufscar?« my of afraid you »Are Butterfly: Mike Stuntman fragt Einmal chen. h. als Einstellungen. Und die Aussage, die von Warren alias TarantinoWarrenvon alias die Philo als Aussage, die Und Einstellungen. als h. Von die steht, in weißder siedem man, Musicbox, TarantinosLaden dass eige aber nicht nur auf Becher im allgemeinen, auf die Idee eines Bechers oder oder Bechers eines Idee die auf allgemeinen, im Becher auf nur nicht aber Death Proof B. die kleine Episode, in der der der in Episode, kleine die B. verwendet: z. verwendet: Death B. die ------231 diese Dinge, die ausschließlich und ohne Ausnahme nur innerhalb des symboli- schen Universums des Kinos vorkommen, markieren die Reichweite der Gescheh- nisse des Films. Der Film deutet hier die Möglichkeit eines Bedeutens an, dass außerhalb des Kinos keine Referenten hat. Man könnte zwar sagen, dass auch Red Apple Zigaretten auf Zigaretten in unserer empirischen Welt verweisen aber das wäre nicht das selbe. Red Apple Zigaretten bei Tarantino verweisen auf Red App- le Zigaretten bei Tarantino und nicht auf das was man vielleicht bei der Lektüre dieses Aufsatzes nebenbei genüsslich rauchen kann. Ich hebe diesen Punkt hier so deutlich hervor, weil ich mich am Ende noch einmal über die Reichweite des Kommentars zu den Geschlechterverhältnissen verständigen möchte, der Death Proof meiner Ansicht nach ist.

Abbildung 1 Die Doppeldeutigkeiten oder Ambivalenzen des Films beziehen sich aber nicht nur auf seine Ding- und Zeichenwelt: der ganze erste Teil des Films scheint in einer geradezu verdoppelten, uneigentlichen oder: anachronistischen Zeit zu spielen. Zunächst beginnt der Film mit einigen (wenigstens zeitlich) »falschen« Vorspan- nen und Titeln, die allesamt auf die Grindhouse-B-Movies der 70er-Jahre verwei- sen. (Abb. 1) Und auch sonst könnte der Film bei oberflächlicher Betrachtung in den 70ern spielen: die Girls rauchen Gras in ihren ziemlich Retro eingerichteten Wohnungen und vertreiben sich die Zeit in Bars, die schon in den 70ern irgendwie wie von gestern ausgesehen hätten. Das wichtigste ist aber vielleicht die Musik: eine wilde Mischung aus Black Soul von gestern und vorgestern, die abwechselnd aus dem Off, aus Autoradios oder Musicboxes kommt. Schließlich ist Stuntman Mike selbst ein Überbleibsel aus der großen Zeit des Grindhouse Kinos und der B-Movies. Nicht nur, dass der Schauspieler Kurt Russel selbst eng mit diesem Kino verbunden ist, auch im Film scherzen zwei Jungs in der Bar, dass Stuntman Mike sich seine Narbe wohl zugezogen habe, als er aus der Zeitmaschine gefallen sei. 232 André Wendler den Mobiltelefonenwerden. die inFullscreen und iPods gezeigt zeigt, alles retro ist und der doch von heute ist und heute spielt, wie sich nicht zuletzt an fast Musik zur bis Darstellerinnen der T-Shirts den von indem käme, 70ern den aus er ob als aussieht der tun, zu Film einem mit also es haben Wir 2) (Abb. aus. ausgeblichen teilweise sehen Farben die übersät, so nur Staub und Kratzern fen, Strei von ist verrückt, wie wackelt und springt Film der Dialogteile, ganze fehlen den ist. Die Rollenwechsel sind mit aufgepinselten Strichen markiert und an ihnen wor gespielt tausendmal bereits die Kopie, uralte eine wirklich gerade sähe man Störungen, Störungen, das wenigstens hat Tarantino behauptet, sind die wirklich durch möchte: physische nennen Echtheit falsche ich das ausgestattet, etwas mit Seite einen auf der Tonspur.auch eineStörung Bildstörung der mit synchron wir hören abreist, früh zu Einstellung eine immer wann sehen, Bildstörung eine wir immer Fall:wann der nicht das genau aber nun Sekunde nach der Bildstörung zu vernehmen ist. Im ersten Teil eine von als weniger etwas erst Tonstörung gehörende Bild verkratzten bestimmten einem zu die dass eben, folgt daraus Und hat. tun zu Tonspur die für Bewegung und Filmbewegung notwendigen Bildwiedergabe der ruckartigen kontinuierlichen tig mit dem sondern Bild einige abgetastet, Einzelbilder weiter, was mit der für die gleichzei nicht Filmes eines Lichttonspur die wird bekanntermaßen chron.Denn wirklich die von kaputtemStörungen, Zelluloid stammten, dann es wären Bild- und wärenTonstörungen nicht und syn hören und sehen Kino im Films des tern Knacken Knis Würdeund sind. gewachsen anstattdas historisch man produziert absichtlich nur Störungen materiellen sehr diese all dass Punkt, einem in doch er Während der Film sehr und überzeugend konsistent in diesem zeigt Look auftritt, Schließlich präsentiert der Film das alles in einem Look, der glauben macht, macht, glauben der Look, einem in alles das Film der präsentiert Schließlich All das macht es nicht einfach, den Film zu kategorisieren. So ist er auf der auf er ist So kategorisieren. zu Film den einfach, nicht es macht das All Abbildung 2 Abbildung Death Proof , ist - - - - - 233

Einwirkung auf die Filmnegative entstanden und nicht digital ins Bild gerechnet. Es sind die echten Spuren physischer Abnutzung, doch sind sie geplant, montiert, zusammen gesetzt: die richtigen Zeugnisse für die falsche Sache, wenn man so will. Die Pointe des Film besteht darin, in Zeiten, in denen sich digital praktisch alles ins Bild rechnen lässt, nicht einmal mehr die Bildträger als verlässliche Zeu- gen funktionieren zu lassen. Und so präsentiert sich dann diese falsche Echtheit, dieser alte Film, der eigentlich jung ist, diese überzeugenden 70er, die eigentlich 2000er sind in einer chiastischen Wendung als echte Falschheit. Denn der Film präsentiert das Falsche nicht als echt, sondern er zeigt es als echt falsch: spätes- tens anhand der synchronen Bild- und Tonstörungen zeigt die Illusion sich als Illusion und gibt damit freiwillig jeden Anspruch zu täuschen auf. Wenn das, was ich etwas grob hegemoniale Kino-Männlichkeit genannt habe, sich maßgeblich über das konstitutive Außen des Stuntmans artikuliert, mit dem Fülle durch Mangel erzeugt werden soll, dann ist der erste Teil von Death Proof ein ausgesprochen kluger Kommentar zu dieser Konstruktion. Death Proof er- zählt eine Geschichte, die zwar aus der Sicht der Opfer katastrophal verläuft, aus der Sicht des Helden und Stuntmans Mike aber hervorragend funktioniert: sein Plan geht einhundertprozentig auf, er bringt die Girls um, bleibt selbst nahezu unverletzt und schafft es, sich geschickt der Justiz zu entziehen. Auf der Ebene der Diegese setzt sich der Film intensiv mit der Figur des Stuntmans auseinandersetzt und exerziert all jene Stuntman-Mythen durch, von denen ich gesprochen habe. Der Stuntman, den alle gesehen haben, den aber keiner kennt. Der bescheidene Kerl im Hintergrund, dem der große Ruhm trotz Erfolgs versagt bleibt usw. Still und heimlich, ohne dass es jemand merkt, wird diese Diegese aber genauso zusam- mengesetzt wird, wie sie es zu entlarven vorgibt. Kurt Russel, der als Stuntman Mike sein Stuntman-Schicksal beklagt und mit allen Pferdefüßen dieses Berufes zu kämpfen hat, wird in dem Film vom Stuntman Buddy Joe Hooker gedoubelt. Während uns als Zuschauern und Zuschauerinnen also scheinbar die wahre Ge- schichte des Stuntmans erzählt wird, merken wir nicht, dass wir nicht merken wie sie im Hintergrund des Filmes funktioniert wie eh und je. Durch die künstlich-ech- te Zelluloid-Patina, mit der Tarantino das ganze beklebt, wird uns aber im gleichen Atemzug die Funktionsweise und Reichweite dieser hegemonialen Männlichkeit gezeigt: in ganz großen Lettern buchstabiert uns Tarantino das ABC des Kinos vor: was diese Männer sind, sind sie nur im und dank des Kinos. Sie sind nicht was sie sind, weil Y-Chromosomen, Hormone oder Gottväter sie dazu gemacht haben, sondern weil sie aus einem Kino kommen, in dem Stuntman und Star so ins Bild gesetzt sind, wie wir hier wieder einmal sehen, dass wir es nicht sehen können. Es wäre all das schön und gut aber am Ende eben doch nur das selbe, was das selbstreflexive Kino immer schon über das selbstreflexive Kino erzählt hat, wenn Death Proof nicht einen zweiten Teil hätte. In diesem zweiten Teil versucht 234 André Wendler des Autos liegt. Während die Girls das tun, kommt Stuntman Mike und versucht und Mike Stuntman kommt tun, das Girls die Während liegt. Autos des Motorhaube der auf Fahrt voller bei Gürteln, zwei von Hilfe der mit nur sie, dem bei spielen, Shipsmast namens Spiel ein Auto diesem mit will Zoë, Stunwoman der von gespielt Zoë, Stuntwoman Die hat. gefahren movie« chase car »ultimate auszuleihen, wie ihn Newman Kowalski alias 1971Barry in Probefahrt eine für Motor 440er mit Challenger Dodge 1970er weißen einen sich Plan, waghalsigen den fassen und Modemagazine kaufen aus, Filmdreh tuellen ak ihrem auf Beziehungen und Affairen die unterdessen werten Vier Die wieder. Mike kurz Tuchfühlung mit den Girls aufgenommen hat, verschwindet er zunächst dem Stuntman Nachdem sind. Stuntwomen aus zwei denen von Girls abgesehen, Filmbusiness vier auf es er hat Diesmal zuzuschlagen. wieder Mike Stuntman thefword.org.uk/reviews/2007/11/is_tarantino_re_1) (01.03.2008). 10 9 Tarantino.« of voice the with speak to seem women [T]he […] crap. talk dance, lap a way,do objectifying sexualised, extremely an in shot are »[w]ho cast female large a has film The ment: in Großbritannien Proteste zur Premiere des Films organisierten, lautete ihr Argu allem vor Gruppen feministische Während einige handele. Film misogynen einen Gegenteil im oder feministischen einen um dabei sich es ob diskutiert, gestellung fehlte. Action verschwendete, fürdie richtige die ihmdann Talk Girl mit Zeit seine Film der dass daran, sich störte Kritik entgegengesetzte Die einbrächte. Sympathiepunkte wirklich Mike Stuntman widerlichen durchaus dem an Rache ihre einmal nicht dass unweiblich, so sind Girls die kurz: zeptabel, inak und »offensive« Verhalten sei ihr aber vernehmen, überall hier Filmkritiker verwenden.« Suff ter un Bauarbeiter einmal nicht ihn wie Wortschatz ein und Dialoge Einschläfernde grauenhaft. war [sic] Stundweibern den mit Story zweite »die es: heißt Film zum Internetforum einem In nigga«. »fucking oder bitch« »goddamn sich sie nennen dann wollen, sagen Nettes etwas sich vier die WennTeils. zweiten des Girls vier der wegen allem vor Rachegeschichte einfachen recht Blick ersten den auf dieser umbringen. Spaß esnichtviel kann anders sagen, ziemlich mit einer robusten Eisenstange, tenund dann bringen Stiefeln und, man Anhal zum schließlich ihn sie bis lang, so Stuntman flennenden Vergebung um und lässt diesen die Flucht ergreifen. Nun drehen die drei den Spieß um, jagen den ihrezieht Waffe, Girls: denKim zu Arm Gegensatz den Mike in schießt Stuntman vor Lachen kaum dass er herausbringt, das ziemlich cool und witzig fand. Ganz im langen Verfolgungsjagd kommen einer die beiden NachAutos zum abzudrängen.Stillstand, worauf Stuntman Straße Mike der von car proof death seinem mit sie In feministischen Kreisen wurde der Film ebenfalls heftig und unter der Fra der unter und heftig ebenfalls Film der wurde Kreisen feministischen In an sich störte hat, aufgenommen zurückhaltend eher Film den die Kritik, Die http://www.filmz.de/film_2007/death_proof_todsicher/kommentare/m.htm (21.01.2009). Emma Wood: Is Tarantinofeminist?In: reallyWood: Is Emma 9 Die Girls sähen zwar hübsch aus, so lassen sich die Herren die sich lassen so aus, hübsch zwar sähen Girls Die 10 Dem Film wurde sogar Rassismus vorgeworfen, weil in weil vorgeworfen, Rassismus sogar wurde Film Dem the f word : contemporary UK feminism UK contemporary word: f the Vanishing Point . (http://www.. , dem ------235 jedem zweiten Satz irgendjemand Nigga sagen muss. Dass es schwarze Frauen sind, die sich hier gegenseitig als nigga bitch anreden, scheint den Kritikern und Kritikerinnen nicht aufgefallen zu sein. Diejenigen Frauen, die den Film als femi- nistisch sahen, hoben besonders seine Fähigkeit hervor, Frauen mit Handlungs- macht auszustatten, die sonst und zumal in dem Genre, auf das Tarantino sich hier bezieht, nur Männern vorbehalten ist. Darüber hinaus wurde gerade der Fakt, dass Tarantino den Girls Zeit für endlose Gespräche gibt statt sie dem dauernden Zwang zum Handeln zu unterwerfen, positiv hervorgehoben. Abgesehen von der müßigen Frage ob Tarantino mit dem Titel Feminist geadelt werden kann oder nicht, glaube ich, dass er im zweiten Teil von Death Proof alle Konsequenzen aus den Einsichten in die Konstruktion männlicher Filmhelden des ersten Teils zieht. Der erste Punkt, den ich hierbei hervorheben möchte ist, dass sich der zweite Teil in keiner einzigen Hinsicht spiegelbildlich zum ersten Teil verhält. Der zweite Teil ist nicht das Gegenstück zum ersten, sondern er ist anders und das in einem grundlegenden Sinn. Die Frauen handeln im zweiten Teil nicht wie Stuntman Mike im ersten, sie übernehmen weder seine Strategie noch seine Motive. Das führt zu einer völlig veränderten Dramaturgie und damit zu jener viel zu spät einsetzenden Action-Handlung, an der sich die amerikanische Filmkritik so massiv gestört hat. Auch die Frauen im ersten Teil waren stark und bestimmten z. B. wann sie mit ihren Freunden Sex hatten und nicht umgekehrt. Im ersten Teil ist es keineswegs ausschließlich Stuntman Mike der handelt, während die Girls als passive arme Opfer nur auf ihre Tod warteten. Letztlich ist es ja die Initiative aus Jungle Julias Radioshow, die Stuntman Mike auf die Fährte der Gruppe bringt. Im zweiten Teil werden die Girls in ihre handelnde Position geradezu hineingedrängt, während Stuntman Mike zunächst aus freien Stücke zu handeln scheint. Jeden- falls, und darum geht es mir an dieser Stelle: der zweite Teil konfrontiert das Kino mit etwas anderem, mit etwas neuem: einer neuen Dramaturgie, die sich nicht an coolen Musikeinlagen, aufreizenden Lapdances oder einer seltsam im Hinter- grund lauernden Gefahr entlang schreibt. Neuen Handlungsmustern, die keinen einfachen Gegensatz von aktiv Handelnden und passiven Opfern aufmachen. Un- gewohnten Selbstbildern von Frauen und unkalkulierbaren Reaktionen der Frauen auf die Handlungen der Männer. Zweitens: während sich das hegemoniale Männerbild des ersten Teils über das am Stuntman sichtbar werdende Repräsentationsparadox artikulierte, scheint dieser Repräsentationsmythos bei den Girls des zweiten Teils abgeschafft zu sein. Wann immer eine der Frauen mit einem Bild davon konfrontiert wird, wie sich eine wie sie zu verhalten habe, z. B. als Mutter oder als alleinstehende Frau nachts in einem dunklen Waschkeller, weist sie diese Klischeeerwartungen zurück. Die Frauen sind in höchstem Maße mit der Fähigkeit ausgestattet, sich zu artikulieren: als beinharte Bitch oder beleidigte Leberwurst aufzutreten, die sexy Männerfres- 236 André Wendler als Stuntman Mike ein Stuntdouble wie eh und je braucht, ist die StuntfrauRussel Zoë die Kurt Wo präsentiert. es Film der indem neues, etwas werden sie sondern repräsentiert, dann Film der was etwas, nicht sind Frauen Tarantinos struieren. kon Personenihrer Vollzug Wirklichkeit im Artikulierens die des sie dass wissen, zu Frauen die scheinen usw.artikulieren, Wesen, zu Bestimmung ihreihr Essenz, unterschiedlichen ihre etwas, vorgibt, mit Männerwelt hegemoniale die Während Artikulationsformen. Umgang undogmatischen und respektlosen einen lustvollen, durch vielmehr sondern gewinnen, zu Subjektposition hegemoniale eine einem Wort: die Frauen sind hier nicht sie dass versuchendadurch ausgezeichnet, ihre oder Schatten Interessen springen zu Mit durchzusetzen. notfallsGewalt mit ihren über lassen, zu überreden sich Cheerleader, kleine das oder geben zu serin Glas Glas Milch in in Zugrestaurant im Glas z. Techniken erfunden: von Reihe ganze eine dazu hat Er kann. isolieren Dinge der Welt filmischen der aus Objekt einzelnes ein man wie hat, gesetzt auseinander Frage der mit sich er tinuity Montage zu entsprechen. Von Alfred Hitchock weiß man etwa, wie intensiv gentlich hätten geschnitten sein müssen um den standardisierten Regeln der Con ei Sequenzen und Einstellungen diese wie sagen, könnte man Immer beherrscht. nicht noch Kunst der Regeln die derSchnittmeister, ein oder soll werden imitiert B-Movies von Budget unzureichende das ihnen mit dass es, sei aufmerksam: gel Man einen auf nur machen Unzulänglichkeiten diese All Katastrophe. eine erste Teil dieser ist montagetechnisch Rein Kamerabewegungen. seltsame oder che unglückli Schnitte, falsche fortwährend Teil ersten im sich finden So sind. lich in gibt Es macht. die ihre selbst Spaß zum Stuntfrau Stunts Zoë, Abbildung 3 Abbildung Death Proof Death Suspicion B. hat er einzelne Objekte in Übergröße bauen lassen (das (das lassen bauen Übergröße in Objekte einzelne er B.hat , einer besonderen Lichtdramaturgie unterworfen. Bei Ta allerorten filmische Zeichen, die irgendwie ungewöhn irgendwie die Zeichen, filmische allerorten The Lady Vanishes Lady The ) oder er hat sie, wie das berühmte berühmte das wie sie, hat er oder ) ------237 rantino findet sich nichts von solchen Raffinessen, die spätestens seit Hitchcock zur hohen Kunst und zum Standardrepertoire der Mise-en-Scene gehören. Wenn er etwas herausheben will, dann zeigt er es im Super-Close-Up. Fertig. (Abb. 3) Es gibt auch im zweiten Teil Momente, die sich nicht leicht ins amerikanische Montage-System einordnen lassen und von denen ich das auffälligste hervorheben möchte. Kurz vor ihrem Shipsmast-Spiel, als Zoë sich darauf vorbereitet gleich auf die Motorhaube des fahrenden Wagens zu klettern, sind in den Film einige pinke grisselige Frames geschnitten, die von einer relativ undefinierbaren Tonstärung begleitet werden. (Abb. 4) Danach dreht Zoë sich nach hinten um und sagt zu ihrer Freundin auf der Rückseite: »OK Abernathy, check this out.«

Abbildung 4: Pink Wie soll man das verstehen? Es handelt sich bei den wenigen pinken Frames kei- neswegs um eine fingierte Zelluloidstörung, denn es gibt keinen fotochemischen Laborunfall, der aus Versehen eine handvoll unterschiedlicher pinker Frames produzieren würde. Genausowenig handelt es sich hier aber um ein kanonisches dramaturgisches Mittel des Films. Die wenigen pinken Frames unmittelbar vor Zoës und Kims Shipsmast-Spiel sind eine regelrechte Selbstermächtigung gegen- über den Regeln des etablierten Genrekinos oder wie Zoë sagt: »OK, check this out.« Schaut Euch das an! Ein filmisches Ausrufezeichen, das wie eine Störung aussieht, aber nichts stört. Ein erzählerisches Mittel, das aber im engeren Sinn nichts erzählt, sondern nur Hier! ruft. Man könnte auch sagen, dass hier nicht etwas gezeigt wird, sondern dass der Film filmisches Zeigen zeigt. Dieses Zeigen des Zeigens ist aber um eine semantische Dimension erweitert: die Farbe Pink, das hat man nach zwei Stunden Death Proof gelernt, gehört den Girls. Während sich der erste Teil des Films also auf der Suche nach dem heroischen Stuntman in unzählige Aporien verläuft, die in der falschen Echtheit und der ech- ten Falschheit des 70er-Jahre-Films aus dem Jahr 2007 gipfeln, erfindet der zweite 238 André Wendler DeathProof von70er die während versetzt gleichzeitig andereeine Zeit in umgehend also sich sehen 2000er-Jahre Die Zeit. dieser Form mediale eine vielmehr sondern stellt, ge Bühne die auf neu 70er-Jahre der Welt eine nicht allerdings wird Es besteht. Reenactment regelrechten einem in Seite einen der auf das Programm, phisches auf weiteres »pinkbitch« as istund den Girlsgehört. bis die begreifen, Ästhetik nicht-hegemonialen einer Erfindung die als vielleicht Teil zweiten den man könnte dann ist, Kinomännlichkeit hegemonialer Analyse ersteTeil von der Wenn Farbfilms. des Möglichkeiten den mit Umgang neuen völlig einen Teil 13 undAgenturen schichte 2008: Agenten 12 7.Band 221f. amMain, 2003,S. Frankfurt 11 nicht zeigt, Beispiel untersuchte hier das wie was, das scheint, für haben Vorliebe zu Historische eine nur nicht es dass aus, dadurch sich es zeichnet Fall jeden Auf sein. soll dahingestellt kann, Medienkulturen zeitgenössischen beanspruchen den in Stellung herausgehobene eine Geschichtsproduktion der Agenturen vielen in jene wie sind, ungekannt so und neu die Zusammenhänge, unentwegt generiert könnte, nennen Feld spannende Geschichtsproduktion«, der »Agentur Die durchzukommen ist.« historisch (aber vermutlich auch weit der jenseits nur Mediengeschichtsschreibung) mehr schwer medien Art personenanaloger oder personaler Instanz handelnden ›intentional‹ und ›bewusst‹ einer als Akteurs des Konstrukt klassischen dem mit dass schon, aber zeigen Handlungsmacht delegierter mit Dinge der auch und ›Hände‹ diversen der Diener, und Handlanger der Fälle »Die usw.,spieler wederimFokus aber auftauchen. noch imFixpunkt z. sind, beteiligt sie der an und vorkommen zwar Menschen der in Mediengeschichte, eine ist präsentiert Film der die Mediengeschichte, Die lässt. zurückrechnen Historikers eines Person die auf weiteres ohne mehr nicht sich und ist verfasst medial zugleich diese weil und lässt ablesen 70er-Jahre, der Grindhouse-Kinos des nämlich hier Mediums, eines Geschichte die darin sich weil zwar und muss werden angesprochen Sinn starken im Mediengeschichte als das vor, etwas führt Er Films. dieses Neuigkeit größte nicht mehr Adorno Formseit und Inhalt heißen können, spätestens die und hätten gehalten auseinander tunlichst Zeit lange tikerInnen Filmtheore und HistorikerInnen die werden, verkoppelt miteinander Dinge der in Verschränkung, doppelten dieser In müssten. sein gewesen fremd eigentlich Tarantino oder genauer: der Film verfolgt hier also ein doppeltes historiogra doppeltes ein also hier verfolgt Film der genauer: oder Tarantino Ebd., S. 7. S. Ebd., (Hg.): Vogl Joseph (Hg.), Siegert Bernhard (Hg.), Engell Lorenz In: Editorial. (Hg.): Tiedemann Rolf Ders.; In: Theorie. Ästhetische Adorno: Theodor vgl. DeathProof mit Dingen, Redeweisen und Ereignissen erfüllt werden, die ihnen werden,die erfüllt Ereignissen und Redeweisen Dingen, mit 12 eine zugleich funktionierende und dekonstruierende funktionierendeund zugleich eine . Weimar 5f. 2008,S. B. als Regisseure, Kameraleute, Statisten, Schau Statisten, Kameraleute, Regisseure, als B. Death Proof Death 13 wie man dieses unübersichtliche und unübersichtliche dieses man wie . Ob das Kino als eine unter eine als Kino das Ob . 11 liegt vielleicht auch liegt die Gesammelte Schriften Gesammelte Archiv für Medienge für Archiv ------. 239 erst beim Blick auf Historien- und Kostümfilme sichtbar wird. Vielmehr – und das ist die zweite Seite des historiographischen Programms des Kinos – liegt seine Besonderheit in seiner Fähigkeit, Geschichte nicht nur zu produzieren, sondern sie auch aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen, also andere Filme, im doppelten Sinne des Wortes reflektieren zu können. Mit einem Film wie Death Proof und einer mediengenerischen Lesart der Geschichtsproduktion könnte man folglich alle übereuphorisch-essentialistischen Lesarten des Neuen mit Vorsicht versehen. Die Frage wäre fortan nicht, ob die Geschichte, die uns ein Film wie Death Proof zeigt neu ist oder nicht, sondern unter welchen Bedingungen und in welchem Ar- rangement Verhältnisse zwischen Vergangenheiten und Gegenwarten produziert werden, an welchen Medien diese Verhältnisse ablesbar sind und welches Verhält- nis diese Aufzeichnungen selbst wiederum zur Geschichte einnehmen.

Abbildungen Alle Screenshots aus DVD: Death proof – Todsicher (110 Min., Ufa, 2008)

241 Computerspiele als Träger politischer Bedeutungsangebote

von Niklas Schrape

Einleitung Können Computerspiele politisch sein? Gemeinhin werden Spiele als pure Unter- haltung angesehen, doch es werden immer mehr Computerspiele mit gesellschafts- kritischen Inhalten oder manipulativen Absichten produziert. Es stellen sich somit drei prinzipielle Fragen: erstens, ob und wie eine Bedeutungskonstruktion­ beim Spielen stattfindet – denn nur wenn dem spielerischen Erleben Bedeutung zuge- schrieben wird, kann eine Bezugnahme auf Politik und Gesellschaft stattfinden; zweitens, auf welchen Ebenen Bedeutungsangebote in das Spiel eingeschrieben werden können; und drittens, ob Computerspielen bedingt durch Konflikt- und Gewinnorientierung sowie den Funktionsprinzipien des Computers per se eine ideologische Position innewohnt. Diesen drei Fragen soll im folgenden Text nach- gegangen werden. Aus Gründen der Einfachheit wird durchgängig die maskuline Form »der Spieler« gebraucht, selbstverständlich soll dies alle Spielerinnen ein- schließen.

Politische Spiele Computer- und Videospiele sind vielgestaltige und gesellschaftlich weit verbrei- tete Medien. In der akademischen Welt wurden sie bis vor kurzem jedoch vor- wiegend unter ihrem Wirkungs- oder Unterhaltungsaspekt untersucht.1 Die Frage nach ihren Bedeutungsangeboten wurde dagegen nur selten gestellt. Aber Spiele sind keine neutralen Medien, wie Texte stehen sie in Diskursen. In kommerziel- len Spielen werden oftmals realweltliche Konfliktsituationen als Spielhintergrund aufgegriffen, wodurch politische Positionen implementiert werden. Es mag eine übertriebene Generalisierung darstellen erfolgreichen Computerspielen in ihrer Gesamtheit eine kritiklose Bejahung der gesellschaftlichen Verhältnisse und damit eine »Ideologie des Bestehenden« vorzuwerfen, wie Tobias Bevc es tut.2 Dennoch ist festzustellen, dass eine Vielzahl kommerzieller Computerspiele bestehende Gesellschafts- und Machtverhältnisse aus einer europäisch-amerikanischen Per- spektive abbilden. Auf der anderen Seite nutzen engagierte Designer wie Chris

1 Christoph Klimmt: Zur Rekonstruktion des Unterhaltungserlebens beim Computerspielen. In: Win- fried Kaminski, Martin Lorber (Hg.): Computerspiele und soziale Wirklichkeit. München 2006. 2 Tobias Bevc: Konstruktion von Politik und Gesellschaft in Computerspielen. In: Tobias Bevc: Compu- terspiele und Politik. Zur Konstruktion von Politik und Gesellschaft in Computerspielen. Münster 2007, S. 50. 242 Niklas Schrape sischen Intifadas zum Nachspielen inszeniert. Parteien nutzen Spiele im Wahl im Spiele nutzen Parteien inszeniert. Nachspielen zum Intifadas sischen in Media Akfar Firma syrische die in Libanonkonflikt den glorifiziert Hizbollah die und Online-Shooter dem mit rekrutiert Pentagon US Das mit kommentiert in Force UNHCR ( PR die für ebenso Spiele International Amnesty nutzt Heutzutage Kommentars. politischen des Mittel als Jahre 80er der Mitte Crawford( 3 Ludologen werden. interpretiert bedeutsam die Texte, natürlich ganz damit und Spielen erfolgt. beim Bedeutungskonstruktion wie Frage, die sich stellt Es setzten. Bezug in tion Wirklichkeitskonstruk individuellen zur Erfahrungen spielerischen seine Spieler der muss dann soll, sein bedeutsam politisch jedoch Spiel Wenn ein zuschreiben. selbst ihrer außerhalb Bedeutungen Spielen Spieler dass bestritten, wird letztlich denn problematisch, Perspektive diese ist Bedeutungsangeboten politischen mit Beschäftigung eine Für Spiele. der Regelstrukturen die auf sich konzentriert logie Ludo der Ansatz dominierende Der sind. betrachten zu Systeme abgeschlossene sich in formale, als oder Geschichten interaktive als Computerspiele ob darum, sich dreht Ludologen und Narratologen zwische Paradigmenstreit Der getragen. aus Studies« »Game Jahreden 90er in der Mitte seit wird Grundsatzstreit Dieser vorbei? Mediums des Wesen am und Irre die in Konzepte narratologischer und überhaupt eine Rollesemiotischer etablierter beim Spielen? das Übertragen Führt Interpretation und Bedeutungskonstruktion Spielen heißt. Spielen von Falle »Bedeutung« im was ist, aus strittig hat Ebenso dürfen, ausgelöst. Debatten werden akademische verstanden ufernde Texte als überhaupt Spiele ob Frage, Die Spielen beim Bedeutungskonstruktion werden können. zugeschrieben Bedeutung ihm muss soll, sein Diskurs einem in Objekt ein Spiel ein wenn Doch Bedeutungshoheiten. um Kampf einem Teilan haben und Diskursen politischen ( Republikaner kanischen kampf, gleich ob die Schweizer SVP ( cie Game McVideo Für Narratologen, wie Janet H. Murray, H. Janet wie Narratologen, Für Janet H. Murray: Janet H.Murray: ). Die globalisierungskritische Künstlergruppe Molleindustria persifliert persifliert Molleindustria Künstlergruppe globalisierungskritische Die ). ( Against all Odds all Against Balance of Power of Balance Hamlet on the Holodeck. The Futureof Narrative inCyberspace Faith Fighter Faith i kptlsice Pizpe dr at od rnh und Branche Food Fast der Prinzipien kapitalistischen die Pork InvadersPork ) oder das World Food Programm der Programm WorldFood das oder ) ) und Jim Casperini ( Casperini Jim und ) religiöse Konflikte in Form eines Prügelspiels. Prügelspiels. eines Form in Konflikte religiöse Under Ash Under Zottel Zottel rettet die Schweiz ). Kurz: Computerspiele sind Objekte in Objekte sind Computerspiele Kurz: ). 3 sind Spiele interaktive Erzählungen Erzählungen interaktive Spiele sind und Picture for Truth for Picture Under Siege Under Hidden Agenda Hidden America Special Forces Special . Cambridge 1997.. Cambridge ’ s Army s ) oder die ameri die palästinen die UNO ) Spiele seit seit Spiele ) , während , ), wie das das wie ), Soldaten Soldaten ( Food Food ------243 wie Markku Eskelinen,4 Espen Aarseth5 oder Jesper Juul6 bestreiten dagegen ve- hement, dass Spiele als Erzählungen betrachtet werden dürfen. Die ludologische Perspektive betrachtet Spiele als Regelsysteme, mit denen der Spieler interagiert. Deutlich wird dies an der Definition, die Jesper Juul für Spiele findet:

»A game is a rule-based formal system with a variable and quantifiable outcome, where different outcomes are assigned different values, the player exerts effort in order to influence the outcome, the player feels attached to the outcome, and the consequences of the activity are optional and negotiable.«7

Aus Juuls Sicht sind Spiele auf Algorithmen basierende Systeme, die mit quan- tifizierten Werten operieren. Spielregeln müssen dabei eindeutig definiert sein, um computierbar zu sein. Dieses Computieren ist nicht nur auf computerbasierte Spiele beschränkt, sondern umfasst all das, was innerhalb eines Spiels eindeutig durch Regeln bestimmt wird. Ein einfaches Beispiel mag dies verdeutlichen. Im Fußballspiel wird keinesfalls behauptet: Der Ball ist im Aus, wenn er weit weg von den Spielern ist. Vielmehr lautet der Regel-Algorithmus: Wenn der Ball die Seiten- linie überschreitet, dann ist er im Aus und als Konsequenz wird der Mannschaft, dessen Mitglieder den Ball nicht ins Aus befördert haben, Einwurf gewährt. Die Fußball-Regeln können als Algorithmen beschrieben werden, weil sie einen ein- deutig definierten Zustand des Spiel-Systems (Ball über Seitenlinie) mit einer ein- deutig definierten Konsequenz (Einwurf der gegnerischen Mannschaft) verknüpft. Es besteht nur insofern Interpretationsbedarf, als dass Menschen (Linienrichter) den Systemzustand erst identifizieren müssen, um den Algorithmus auszulösen. Natürlich lassen sich nicht alle Regeln analoger Spiele derart klar fassen, weswegen die Funktion des Schiedsrichters einige Verantwortung beinhaltet. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, dass all das, was sich eindeutig in Spielregeln formulieren lässt, in ein Computersystem implementierbar ist. Spielregeln und Computer pas- sen gut zusammen. Die radikal-ludologische Position beschreibt die Regelbasiertheit von Spielen als deren Essenz. Alles andere sei sekundär. Laut Aarseth ist es für den Spieler irrelevant, wie seine Spielfigur aussieht – der oft diskutierte Brustumfang von Lara Croft (Tomb Raider) sei unwichtig für das Spielerleben, sämtliche Analysen und Interpretationen, die sich hiermit beschäftigen würden am Wesentlichen vorbei

4 Markku Eskelinen: Towards Computer Game Studies. In: Noah Wardrip-Fruin, Pat Harrigan (Hg.): First Person. New Media as Story, Performance, and Game. ORT 2004, S. 36–44. 5 Espen Aarseth: Genre Trouble. Narrativism and the Art of Simulation. In: Wardrip-Fruin 2004, S. 45–55. 6 Jesper Juul: A Clash Between Game and Narrative. 1998 Nach: http://www.jesperjuul.net/text/clash_ between_game_and_narrative.html (30.7.2008). 7 Jesper Juul: The Game, the Player, the World: Looking for a Heart of Gameness. In: Marinka Copier, Joost Raessens: Level Up: Digital Games Research Conference Proceedings, Utrecht 2003. Nach: www.jesper- juul.net/text/gameplayerworld/ (30.7.2008). 244 Niklas Schrape betrachtet diese als trennbar. als diese betrachtet durchausspricht, vergleichbar, von Programm und in Semantisierung Spielen und können. nur sie weit so Spielen in Elemente atmosphärische und kontextuelle narrative, Expertenspieler erfahrene norieren ig Juul Nach ab. Spiels entsprechenden des Spielen mit im nehme Kenntnis zunehmender Spielwelt, der Fiktion, der Bedeutung Die darstelle. Spielerfahrung der wichtigen Teil einen ebenfalls welches errichten, Universum fiktionales ein le Spie viele würden jedoch zugleich Spielerleben, im Primäre das Spielregeln den Spieledass zwei Ebenen haben: »Rules and Fiction«. Real zielen. book of Computer Game Studies Computer of Game book 14 13 12 11 10 9 8 auch (wenn gebracht Punkt den auf besser Zusammenhang diesen hat Niemand durchzuführen. Handeln strategisches unfähig er wäre diese ohne denn levanz, derRepräsentationen.Tätigkeit interpretative Die desSpielers vonist größter Re Basis auf zwar und – voraus Bedeutungskonstruktion der Handlungen kognitive keit für das Spielen. Die System-konfigurierenden Handlungen desSpielers setzen Notwendig eine vielmehr sind sie Regelsystems, des Anhängsel beliebiges relativ als Aarseth betrachtet Neitzel die Repräsentationen des Spiels somit keinesfalls als backs ermöglicht dem Spieler erst sein Handeln Feed als dieses wirkungsvoll Beobachtung zu erleben. Die Anders einwirken. System das auf wiederum die können, zu planen Handlungen weitere Interpretationen dieser Hilfe mit um terpretiert, in Aktionen seiner und Spielsystems des Repräsentationen die sitzend, Monitor dem vor der, Beobachter, zum Terminologie, systemtheoretischen ihrer in wird, Repräsentation. der einer und Handlung der Ebene einer zwischen tigkeit der Darstellungen des Spiels für den Prozess des Spielens. Sie unterscheidet Wich die betont dagegen Neitzel Britta einschätzt. irrelevant verhältnismäßig als Erstaunlich ist, dass die Aarseth semantische Dimension von Spielen (gameworld) system isthe mostthe coincidental semiotic to the game.« (3) gameplay (the events resulting from application of the rules of the gameworld). Of these three, and gameworld), (a system material/semiotic a (2) rules, (1) aspects: three of consists game »Any Spiel ein indrei unterteilt Aspekte: Er müssen. verkörpern Spiels sich inetwas Jesper Juul: 48. 2004, S. Aarseth Espen Britta Neitzel: Narrativity in Computer Games. In: Joost Raessens, Jeffrey Goldstein (Hg.): Goldstein Jeffrey Raessens, Joost In: Games. Computer in Narrativity Neitzel: Britta 47. 2004, S. Aarseth Espen Pias: Claus 138.Jesper Juul2005, S. 1–15.Jesper Juul2005, S. 9 von der radikal-ludologischen Positionierung abgewichen und stellt nun fest, 8 Diese Position ist jedoch umstritten. Jesper Juul ist in seinem Buch Buch seinem in ist Juul Jesper umstritten. jedoch Positionist Diese Computer Welten Spiele Half Real. Video Games Between Real Rules and Fictional Worlds and Rules Real Between Games Video Real. Half . Cambridge 2005, S. 230–234. 2005,S. . Cambridge 12 . München 2002, S. 109. . München 2002,S. Auch Espen Aarseth erkennt, dass die Regeln des Regeln die dass erkennt, Aarseth Espen Auch 11 Der Medienphilosoph Claus Pias Pias Claus Medienphilosoph Der 13 10 Zwar sei die Interaktion mit . Cambridge 2005. . Cambridge 14 Der Spieler Der Half- Hand ------245 gegen die eigene Intention), als der radikale Ludologe Markku Eskelinen in seinem Versuch die Irrelevanz der Interpretation zu betonen:

»the dominant user function in literature, theater and film is interpretative, but in games it is the configurative one. […] in art we might have to configure in order to be able to interpret, whereas in games we have to interpret in order to be able to configure«15

Der Teilsatz »in games we have to interpret in order to be able to configure« bringt auf den Punkt, dass die interpretative Tätigkeit des Spielers die Vorbedingung für konfiguratives Handeln ist. Die Regelebene (Systemebene) des Spiels umfasst da- bei nicht nur dessen algorithmische Regeln, sondern ebenso alle möglichen for- malen Systemzustände. Der Spieler hat jedoch niemals direkten Zugriff auf diese Regelebene, alles was er interpretieren kann, sind die Repräsentationen des Spiels, die einen spezifischen Systemzustand anzeigen können. Es ist unmöglich Regeln wahrzunehmen, sofern sie nicht repräsentiert sind, denn reine Regeln sind genau- so wenig wahrnehmbar, wie reine Syntax. Die Ebene der Repräsentation ist jedoch angereichert mit Elementen, die für die Regelebene irrelevant sind, beispielswei- se Hintergrundbilder, Musik, etc. Kurz all das, was Juul als »Fiction« bezeich- net oder Aarseth als »Gameworld«. Die Regelebene und die »Fiction« des Spiels fließen in den Repräsentationen des Spiels zusammen, so dass sich dem Spieler die Aufgabe stellt zu identifizieren, welche Elemente des Spiels relevant für seine Interaktion mit dem Spiel-System sind und welche nicht. Der Spieler beobachtet die Repräsentationen und versucht aktiv Bedeutungen zu konstruieren. Der Pro- zess kann dabei analog zur Konstruktion von Hypothesen betrachtet werden, wie ihn David Bordwell in seiner kognitivistischen Filmtheorie skizziert.16 Statt von wahrnehmungsleitenden Hypothesen, ist es im Kontext von Spielen adäquat von handlungsleitenden Strategien zu sprechen. Dieser Prozess der Bedeutungs- und Strategiekonstruktion erfolgt jedoch nicht im luftleeren Raum. Als lebensweltlich eingebettetes Wesen kann der Spieler seine Beobachtungen mit vorhandenem Wissen kontextualisieren. Dieses Wissen kann Erfahrungen mit anderen Spielen umfassen, angeeignete Erzählschemata oder allgemeines Wissen über die Welt, Gesellschaft, Politik oder Physik. Der Spieler kann unmöglich als unbeschriebenes Blatt in den Spielprozess einsteigen, sein Wissen, seine Erfahrungen und seine angeeigneten Schemata prägen zwangsläufig den Umgang mit dem Spiel. Die Relevanz dieser Kontextualisierung ist jedoch eine umstrittene Frage in der Diskussion um die Bedeutungskonstruktion beim Spielen. Stellt die Kontex- tualisierung des Spielerlebens einen wichtigen Bestandteil der Spielerfahrung dar

15 Markku Eskelinen 2004, 38. 16 David Bordwell: Narration in the Fiction Film. Madison 1985, S. 33 246 Niklas Schrape dert. Spielregeln bringen ein Netz aus Beziehungen hervor, das der Spieler inter Spieler der das hervor, Beziehungen aus Netz ein bringen Spielregeln dert. verän fundamental Spielsystems des Gesamtsituation die (Zug) Spielzustandes Aus ihrer Sicht ist Schach ein extrem bedeutsames Spiel, weil jede Veränderung des Salen und Eric Zimmerman in ihrem Katie populären Begriff »MeaningfulPlay« es formulieren. wie »Meaning«, von Verständnis dem entspricht Bedeutung von Form Diese gerichtet. Systems des innerhalb Handeln mögliches auf schließlich aus Falle jedoch diesem in wäre Bedeutung konstruierte Die können. zu handeln sinnvoll um konstruieren, Bedeutungen dennoch Spieler ein müsste würden, den Relevanz von Textualität und Inter-Textualität bestreitet? »self-contained« als Spiele er wenn recht, Aarseth hat oder 19 18 17 blickt, hindurch ihn Spielen von Tomb Raider den vonKörper Lara Croft nicht beachtet, sondern durch beim er dass schreibt, Aarseth Espen Wenn Death-Match). (z. Zeitlimit, aus Highscore, Ziel ein auf Hinblick in Effizienz nach also Spielen sein richtet spieler Experten Ein werden reduziert. Ablenkungen denn Spielen, effektiveres ein licht atmosphärischen Elemente weitgehend ignorieren oder deaktivieren. Dies ermög diese würde Expertenspieler Ein auf. Atmosphäre gruslige eine Musik und Grafik wie Egoshooter Doom reduziert. Aspekte regelbezogene auf weitestgehend struktion Bedeutungskon die sich abstrahieren,dass zu derart Spielerleben das ist möglich werden stattfindet. erlebt –und Erlebnisimmer ineinemKontext sie da beschreiben, zu Systeme formale als ausschließlich Computerspiele wegig ab erscheint Es lassen. trennen nicht Spielerleben tatsächlichen im mensionen Di beiden sichdiese dass jedoch, ist werden Hervorzuheben kann. zugeschrieben Spielelementen die Bedeutung, allgemeinen einer und formalen einer von oder nen der Bedeutung zu sprechen, von einer Bedeutung erster und zweiter Ordnung Ebe zwei oder Arten zwei von möglich ist Es Spielers. Vorwissendes das umfasst sondern beschränkt, Spielsystem das auf mehr nicht nun ist Netz dieses doch – Bauern. Die Bedeutungen ergeben sich auch hier aus einem Netz von Beziehungen und Könige über Vorstellungen angeeigneten kulturell zu beispielsweise gesetzt: obachtete Spielelement wird nun in Relation zu einer nicht-spielerischen Referenz be Das hinweg. Spiels des Systemgrenzen die über reicht Bedeutungsdimension zweite Diese interpretiert. Ständegesellschaft mittelalterlichen der Verkörperung eine als Schach das einem, von fundamental sich unterscheidet Schach von tung« »Bedeu der Verständnis derartiges Ein können. zu konfigurieren es um pretiert, Selbst wenn Spiele als komplett in sich abgeschlossene Entitäten erlebt wer erlebt Entitäten abgeschlossene sich in komplett als Spiele wenn Selbst Jesper Juuls Anmerkungen zu Expertenspielern legen nahe, dass es jedoch jedoch es dass nahe, legen Expertenspielern zu Anmerkungen Juuls Jesper Espen Aarseth 2004, S. 48. 2004, S. Aarseth Espen Zimmerman: Eric Salen, Katie 48. 2004, S. Aarseth Espen oder oder Quake bauen durch einen elaborierten Einsatz von Soundeffekten, von Einsatz elaborierten einen durch bauen 19 dann behauptet er die regelrelevanten Informationen aus aus Informationen regelrelevanten die er behauptet dann Rules of Play. Game Design Fundamentals Play. of Design Rules Game . Cambridge 2004, S. 34. 2004, S. . Cambridge 17 beschreibt und die und beschreibt B. 18 ------

247 den Repräsentationen des Spiels zu abstrahieren. Aarseth befindet sich also im Modus des Expertenspielers. Juuls Anmerkung besagt jedoch auch, dass Nicht- Expertenspielern atmosphärische oder narrative Elemente sehr wohl wichtig sind. Tatsächlich existieren Unmengen kommerziell erfolgreicher Spiele, deren Reiz nicht primär in ihren Spielregeln liegt. Das Rollenspiel The Elderscrolls: Obli- vion motiviert Spieler dazu stundenlang durch virtuelle Landschaften zu streifen, sich in fiktiven Büchern Hintergrundinformationen zur simulierten Märchenwelt anzueigenen und die Geschichten seiner Bewohner kennen zu lernen. Mit an Effizienz ausgerichtetem Spielen lässt sich dieses Vergnügen nicht erklären. Der Cyberpunk-Shooter Deus Ex bietet eine Fülle von Verweisen auf bekannte Ver- schwörungstheorien und regt somit zum Wirklichkeitsbezug an. Richard Garriots Rollenspiel-Reihe Ultima verweist immer wieder auf gesellschaftlich und lebens- weltlich relevante Themen wie Rassismus, Sektentum und Ethik. Auch die gegen- wärtig extrem populären GTA Spiele sind ein einziges Sammelsurium aus Bezügen zu Gangsterfilmen und Fernsehserien. In vielen Computerspielen sind Aspekte des Erlebens angelegt, die über die zielorientierte Interaktion mit Regeln hinaus gehen. Sie haben eine thematische, textuelle Dimension und können in dieser an lebensweltliche Diskurse anschlie- ßen. Computerspiele können also derart gespielt werden, dass Bedeutungen kon- struiert werden, die auf außer-spielerische Sachverhalte verweisen. Auf welchen Ebenen können nun aber Bedeutungsangebote in Spielen angelegt sein?

Die Ebenen des Spiels Nach Gonzalo Frasca kann die Regelebene eines Spiels in »Behavior Rules« und »Goal Rules« unterteilt werden.20 Die »Behavior Rules« definieren die Beziehungen aller Elemente des Spielsystems untereinander und deren Verhalten in Bezug auf den Input des Spielers. Sie legen das Systemverhalten fest. Die Goal Rules dagegen definieren einen Zustand des Systems als Gewinn-Situation. Beide Regelebenen sind hochideologisch, allerdings auf sehr unterschiedlicher Art und Weise. Die »Behavior Rules« können als simulatives Modell beschrieben werden. Sie legen beispielsweise die Modellierung von Physik in einem Ego-Shooter fest, die Aerodynamik in einem Flugsimulator oder auch das ökonomische Modell in einer Wirtschaftssimulation. Gerade das letzte Beispiel macht deutlich, dass hinter ei- nem simulativen Modell Annahmen stehen, die nur aus diskursiven Formationen heraus formuliert werden können, folglich Wahrheitskonzepte im Sinne Foucaults darstellen.21 Bei einer Wirtschaftssimulation stellt sich die Frage: Welches Öko-

20 Gonzalo Frasca: Simulation versus Narrative: Introduction to Ludology. In: Mark J. P. Wolf, Bernard Perron: The Video Game Theory Reader. London 2003, S. 221–236. 21 Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt a. M. 1988; Vgl. auch: Stuart Hall: The Work of Representation. In: Ders. (Hg.): Representation: Cultural Representation and Signifying Practices. London 1997, S. 44. 248 Niklas Schrape erdenklichen Branche als Unternehmer tätig werden und versuchen ein Firmenim jeder beinahe in kann Spieler Der simuliert. Ökonomie der Mikrowelt komplette in wird Tatsächlich aus. Komplexität hohe und Realismus men lism Wirtschaftssimulation Die können. zu modellieren simulativ sie um ren, reduzie zu Regeln algorithmische und Werte numerische auf Sachverhalten von handeln. zu von Wirtschaft sierung Konzeptionali spezifischen einer innerhalb also lernt Spieler Der Spielstrategien. unterschiedliche impliziert Modell jeweilige Das marxistisches? ein neo klassisches, ein keynesianisches, Ein zugrunde? Simulation der liegt Modell nomische Nachbarländer sind als ein Akteur zusammengefasst, ebenso wie die EU.Irratio die wie ebenso zusammengefasst, Akteur ein als sind Nachbarländer umgebenden der aus ist arabischenKonflikt Alle der tionen, herausgehoben. Welt Ak wenige einige auf reduziert ist Innenpolitik die sind: ausgespart Aspekte viele dass daran,Realitätundurchschaubarenwirdder sich. mit Deutlich dies Konflikts in eines Komplexitätsreduktion immense eine bringt Dies sind. verknüpft kausal deren reduziert, Zustände und erfasst numerisch die durch Regeln algorithmische Spielfiguren auf werden Gruppen gesellschaftliche Dynamische definiert. deutig ein sind Akteure Alle Zweistaatenlösung. der Erreichen das letztlich und teure Ak palästinensischen und israelischen die durch Politik eigenen zur stimmung unberührt Fatah Zu starke maximal eine ist die Spielziel verärgern. zutiefst jedoch Hamas die lassen, stimmen, positiv UNO die die und mag Öffentlichkeit Präsident israelische palästinensischer als Rede kompromissbereite Eine haben. Akteuren von Reihe ganzen einer Zustand den auf Auswirkungen die treffen, gen Entscheidun politische rundenbasiert Spieler der muss Präsidenten nensischen palästi oder Premiers israelischen des Rolle der In Nah-Ost-Konflikts. des lation VWL-Lehrbuch. ein sondern nicht Wirtschaft, muliert Kurz: Ökonomieverständnis. neoklassischen einem auf basierend Wirtschaft, von Modell abstrahiertes ein vielmehr sondern Wirtschaftssystem, schaften. Gewerk oder Bürgerbewegungen Ökologie, wie ebensowenig Rolle, keine spielen den. Das ist Wirtschaftssystem vollständig Politikdekontextualisiert: und Steuern geschaltet werden, es ist jedoch vollkommen unmöglich etwas Neuartiges zu erfin frei oder verbessert können Produkte einzelne Spiels, des während Innovationen Rohstoffe sind und definiert somit beschränkt. Es gibtkeine qualitativen Produkt- und Produkte die Auch Städte. und Unternehmen gegnerischer Menge limitierte wie sie in Dasder muliert, RealitätSpielfeld existiert. nur es ist eine gibt begrenzt, dass deutlich, jedoch wird Betrachtung zu perium oder errichten, seinen Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Bei genauerer Ein Modell bedingt immer eine Vereinfachung. Es ist nötig die Komplexitäten die nötig Vereinfachung.ist eine Es immer bedingt Modell Ein Ein anderes Beispiel ist »Impact Games« »Impact ist Beispiel anderes Ein ist ein gutes Beispiel. Das Spiel zeichnet sich, laut Werbung, durch extre durch Werbung, laut sich, zeichnet Spiel Das Beispiel. gutes ein ist Capitalism simuliert keinesfalls ein, in die reale Welt eingebettetes, eingebettetes, Welt reale die in ein, keinesfalls simuliert Capitalism Peacemaker keinesfalls die Wirtschaft si Wirtschaft die keinesfalls , eine spielerische Simu spielerische eine , Capitalism Capitalism Capita eine si ------249 nale Elemente existieren in Peacemaker nur als zufällige Ereignisse, die analoge »Logik« eines religiösen Konfliktes entzieht sich der algorithmischen Berechenbar- keit. Besonders deutlich wird dies durch das fast vollständige Ignorieren der reli- giösen Thematik oder des Antisemitismus der Hamas. Im simulativen Modell von Peacemaker wird der Nah-Ost Konflikt zu einem primär ökonomischen Problem, das verschwindet wenn die wirtschaftliche Situation in den Palästinensergebieten stabilisiert ist. Dies mag eine ehrenwerte Vorstellung sein, sie entstammt jedoch einem spezifischen Diskurs um den Konflikt. Weiterhin gibt es in Peacemaker nur ein Sieg-Szenario: Die Zweistaatenlösung. Die Goal-Rules legen die mög­ lichen zielführenden Strategien des Spielers fest (aggressiver Freiheitskampf ist sinnlos) und lassen einige der Akteure als Antagonisten erscheinen, insbesondere die Hamas und die jüdischen Siedler. Das Spiel gibt also eine Ausgangssituation und einen Zielzustand vor, den der Spieler durch vorstrukturierte Handlungen erreichen muss. Ian Bogost bezeichnet ein derartiges Muster als »prozedurales Enthymem«.22 Wie in der klassischen rhetorischen Figur wird in einer Schlussfol- gerung ein Teilschritt ausgelassen. In diesem Fall: Der Nahostkonflikt [A] kann mit der Zweistaatenlösung beigelegt werden [C], diese wird durch die Verbesserung der Wirtschaftsverhältnisse erreicht [B]. Das Spiel gibt [A] und [C] vor und der Spieler muss [B] durch sein Handeln ergänzen. Regeln müssen repräsentiert sein, damit der Spieler mit ihnen interagieren kann. Die Repräsentationen sind jedoch weder willkürlich noch durch die Struktur der Regeln determiniert. Es besteht ein komplexer Zusammenhang. Deutlich wird dies an America’s Army, das das Pentagon zur Rekrutierung einsetzt. In diesem Multi-Player-Shooter wird die Regelebene separat von ihrer Repräsentation be- handelt. Ähnlich wie in Counterstrike spielen in America’s Army grundsätz- lich Menschen in Gruppierungen gegeneinander. Der Clou: Jeder Spieler sieht sich selbst immer als amerikanischen Soldaten und seinen Gegner beispielsweise als Terroristen. Der Spieler dieses Gegners sieht seine Figur jedoch ebenfalls als US-Soldaten und den Anderen als Gegner. Das Spiel operiert also mit einer ge- meinsamen Regelebene, verwendet jedoch unterschiedliche Repräsentationen für verschiedene Spieler. Jeder wähnt sich stets auf der Seite der Guten. Ein ande- res Beispiel sind die Spiele Quest for Sadam und Quest for Bush. Ersteres ist ein Ego-Shooter, bei dem der Spieler als amerikanischer Elitesoldat klischeehaft dargestellte Iraker erschießt und letztlich Saddam Hussein selbst erlegt. Dieses Spiel wurde von einer Al-Quaida nahe stehenden Agentur gekapert.23 Die Designer tauschten die grafische Oberfläche der Figuren und einiger Objekte. InQuest for

22 Ian Bogost: Persuasive Games. The Expressive Power of Video Games Persuasive Games. Cambridge 2007, S. 43. 23 http://www.gameology.org/reviews/quest_for_bush_quest_for_saddam_content_vs_context (19.08.2008). 250 Niklas Schrape abzubilden, sofern diese Parteien aus einer Reihe von Akteuren bestehen, deren bestehen, Akteuren von Reihe einer aus Parteien Parteien diese zwei sofern abzubilden, zwischen Konflikt von Form jegliche geeignet Prinzip im ist tem Regelsys Das Nah-Ost-Konflikt. den um Wissen dem mit Spielerlebens des fung Spielen nicht beeinträchtigen. zu umdas erfüllen, Bedingung funktionale diese müssen Repräsentationen Die angelegt. UnterscheidungFreund-Feind eine le sind jedoch nicht denn beliebig, in den genannten Fällen ist in der Regelstruktur spricht und andere Gratifikationserlebnisse bietet.Die Repräsentationen derSpie dadurch nicht besser – aber es auf liegt der Hand, dass es eine neue an Zielgruppe wird Spiel W.Das erschießen.George untersetzten Bush einen Ende am darf und Bush die medienspezifischen Bedingungen von Computerspielen?Bedingungen die medienspezifischen Sind diese potentiellen Erfahrungen aber nicht bereits prinzipiell beschränkt durch Spiels. des Repräsentationen und Regeln durchdie vorstrukturiert sind diese und Erfahrungen jedoch resultieren Spielen dem Aus erlebt. Gesamtheit ihrer in den Regeln. In der Praxis des Spielens lassen sich die Ebenen nicht trennen, Spiele wer in Einbindung die durch erst Bedeutung ihre erhalten Repräsentationen und ben ha Repräsentationen ohne Bedeutung keine können Regeln verknüpft, eng sind Ebenen Die Spiels. des Repräsentationen den in und werden gesetzt Spieler dem die Zielen, den in liegt, zugrunde ihnen das Modell, simulativen im Ebenen: ren Realitätsbezug. Authentizitätsmarker. als dienen Bilder und Videos Die an. Spielerfahrung der Kontextualisierung zur regt und an Spielers des Kopf verbreitettäglich werden. Das vermittelte medial Schematasomit Spiel spricht im tag Nahostkonflikt den über Nachrichtenbeiträgen in die denjenigen, Bilder die entsprechen Stilistisch Feedback. zusätzliches ein jedoch ihm liefern sie ansehen, nicht diese muss Spieler Der illustriert. Videosequenzen und Fotosdurchwerden Ereignisse nachspielt. Nahostkonflikt bekannten wohl den er dass erinnern, zu daran permanent Spieler den darin besteht Zweck einziger ihr werden: gegriffen Illustration,nicht es zur kann derdirekt Nah-Ost-Region dient primär auf sie ein (z. gesteuert Zeichen ikonische über wird Spiel das und Konfliktparteien der Namen die tragen Akteure Die Semantisierung. spezifische eine durch litätsverknüfpung Zwergen. und Elfen zwischen in Konflikt einen beispielsweise fiktiven tur in ein Fantasyszenario zu übertragen, Bedürfnisse ausbalanciert werden müssen. Es ist leicht vorstellbar diese Spielstruk B. ein Mikrophon für das Halten einer politische Rede). Die omnipräsente Karte In Politische Positionen manifestieren sich in Computerspielen somit auf mehre auf somit Computerspielen in PolitischePositionensichmanifestieren kämpft der Spieler nun als arabischer Soldat gegen klischeehafte Amerikaner Peacemaker ermöglicht erst die spezifische Repräsentation die Verknüp die Repräsentation spezifische die erst ermöglicht Peacemaker erreicht den Brückenschlag zur Rea zur Brückenschlag den erreicht Peacemaker provoziert den provoziert ------251

Computerspiele und die Ideologie der Regelung In den meisten Spielen geht es ganz offensichtlich darum zu gewinnen. Diesem Ziel steht meist irgendetwas entgegen. Spiele sind sehr häufig konfliktbasiert. In anderen Fällen besteht das Ziel darin einen in irgendeiner Form messbaren Zu- stand zu optimieren, beispielsweise Wirtschaftsdaten oder Bevölkerungszahlen. Computerspielen könnte somit generell unterstellt werden, dass sie eine Ideolo- gie des permanenten Fortschritts und Wachstums, des Erfolgs und individuellen Heldentums propagieren. Wie könnte ein Spiel Spaß machen, in dem der Spieler nicht gewinnen kann oder in dem sein Handeln die Situation zwangsläufig ver- schlechtert? Erstaunlicher Weise gibt es solche Spiele. Mafia und Privateer 2: The Darkening lassen den Spieler zwar ein Spielziel verfolgen und erreichen, er- zählen dabei jedoch Tragödien vom Scheitern, Schicksal und Hybris. In diesen Fäl- len motivieren die Regeln zum Gewinnen, auf einer narrativen Ebene manifestiert sich dies jedoch als Verlieren. Der Spieler gewinnt formal, der Sieg wird textuell zur Tragödie umgewertet. Ein radikaleres Beispiel ist September 12th von Gonzalo Frasca, das nicht gewonnen werden kann. Der Spieler kann in diesem Web-Game mit Raketen auf Terroristen in einer arabischen Stadt schießen. Die Raketen tref- fen jedoch zeitverzögert ein und zerstören gleich ganze Häuserblöcke. Die dabei getöteten Zivilisten werden von anderen Zivilisten beweint, die sich daraufhin in Terroristen verwandeln. Die Konsequenz: Je mehr Terroristen der Spieler ver- nichtet, desto mehr Terroristen werden geschaffen. Eine treffende Karrikatur des »War against Terror«. Ian Bogost beschreibt dieses Designprinzip als »Rhetorik des Verlierens«.24 September 12th motiviert zum Spielen, denn das Spiel stellt dem Spieler Mittel zur Verfügung und provoziert damit deren Einsatz. Dass es nicht gewonnen werden kann, ist eine Schlussfolgerung, die erst aus der Erfahrung des Spielens resultiert. Die »Rhetorik des Verlierens« ist deswegen effektiv, weil sie im krassen Widerspruch zur sonstigen Erfahrung von Computerspielen steht. Die Fokussierung auf Gewinnen und Konflikt ist kein neuer Kritikpunkt an Spielen. Das New Games Movement entstand in den 60er Jahren als Teil der amerikanischen Gegenkultur und betrachtete herkömmliche Spiele als Manifes- tationen der kapitalistischen Leistungsgesellschaft.25 Aus dieser Bewegung heraus wurden eine Vielzahl von Gesellschafts- und Sportspielen entwickelt, in denen Ko- operation, Phantasie und gemeinsame Bewegungsfreude im Vordergrund stehen. In den meisten dieser Spiele dienen die Spielregeln primär dazu einen Rahmen für Erlebnisse abzustecken. Ein Computerspiel ist jedoch weit mehr auf Regeln ange- wiesen, denn sie basieren auf numerischen Simulationsmodellen. Das FFK 2008 wurde in der Eröffnungsansprache als »Simulation des Wissenschaftsbetriebs« bezeichnet. Eine derartige, analoge Simulation ist für einen Computer genauso

24 Bogost 2007, S. 84–89. 25 Katie Salen, Eric Zimmerman 2004, S. 528f. 252 Niklas Schrape orie, der Spieltheorie und dem traditionellen Kognitivismus teilen. Dies ist nicht ist Dies teilen. Kognitivismus traditionellen dem und Spieltheorie der orie, InformationstheSystemtheorie, in einem damit Diskurs, den sie mit Kybernetik, Physik istberechenbar nicht. –Liebe Newtonsche Die modellieren. Action die gibt, Computerspiele viele sehr es wieso macht Der Kuh«. Gedankengang des deutlich, Computerspiel »Blinde wie denkbar befriedigen als wenig genauso »Tabu«ist umsetzbar. Computern in schwer sind aus den Regeln sondern resultiert, aus sich ergebenden menschlichen Situationen, weniger Unterhaltungswert deren Gesellschaftsspiele, verknüpfen. zu rithmisch algo und definieren zu quantitativ Simulation der Elemente die unmöglich es ist Fällen diesen in – Rollenspiel psychotherapeutisches ein durchführbar, wie wenig Spiele 26 sierenden vorzuhalten. einen Spiegel Informationsgesellschaft ba Messbarkeit und Regulierung auf kapitalistischen, der geeignet dazu Medium anderes kein wie Computerspiele sind Sinne diesem In Bedeutungsangebote. nen sichergeben erst aus dem Wechselspiel Regelsystem zwischen und Repräsentatio Auch hier genutzt. Aussage zur Mittel als Designern wurdevonden Mediums des Beschränkung Die kommentiert. satirisch jedoch Repräsentationen seinen in – übernimmt Systems kapitalistischen eines Logik interne die es weil überzeugend, ist Spiel Das machen. zu Werbung Gesundheitsförderung und weltfreundlichkeit Um Engagement, sozialen angeblichem mit und belügen zu Kunden die auszu beuten, Mitarbeiter seine zerstören, zu Dörfer indigene abzuholzen, Regenwald den bestechen, zu Politiker als Wahl andere keine gar er hat gewinnen zu jedoch Um erwirtschaften. zu Profit maximalen Ziel dem mit Fastfood-Konzern einen Spieler der managt Hier Verhältnissen. bestehenden an Kritik zur Kapitalismus besten im zu sein. Molleindustrias Sinne kritisch um nicht gar können, auch das sie entkommen müssen vielleicht Aber Systemlogik abzuwarten. bleibt dieser Computerspiele Inwieweit machen. zu berechenbar und quantifizierbar simulierbar, Welt die abzielt darauf generell angesehen.« Phänomene verstanden, werdenumgekehrt sondern Gesellschaften als Spielarten zu weichen.Spiele Spieltheorien werden nichtsozialebeginnen mehr als Theorien »Soziale erkannt: scharfsinnig dies Flusser Vilém hat Jahre 90er der Anfang reits Be spielbar. Welt die wird erklären, zu Welt die uns um vertrauen, mulationen Si auf wir wie Maße, dem In darstellen. vereinfacht Spielregeln als Realität der Komplexitäten die welche wurden, entwickelt Modelle theoretische Jahrhundert halben einem über seit da abbilden, Spielen in Welt unsere deswegen auch also können Computerspiele Datenverarbeitung. der Modell am Ursprüngen ihren in sich orientierten Traditionen theoretischen genannten alle denn verwunderlich, Computerspiele können die Welt nur als geregeltes System abbilden. Sie stehen Computerspiele haben also Teil an einem gesellschaftlichen Diskurs, der ganz der Diskurs, gesellschaftlichen einem an Teil also haben Computerspiele Vilém Flusser: Vilém Gesellschaftsspiele. Flusser: In: Georg Hartwagner, Stefan Florian Rötzer: Iglhaut, . München111. 1993, S. 26 McVideo Game nutzt die Systemlogik des nutzt die Systemlogik Künstliche ------253 Tanzen zum Soundtrack der Demokratisierung Zum Verhältnis von Männlichkeit, Weißsein und Deutschsein in Alle lieben Peter (BRD 1959, R: Erich Engel)

von Maja Figge

»If the ambivalent figure of the nation is a problem of its transitional history, its conceptual inde- terminacy, its wavering between vocabularies, then what effect does this have on narratives and discourses that signify a sense of ›nationness‹.«1 Die 1950er Jahre haben in der deutschen kultur- und medienwissenschaftlichen Forschung derzeit Konjunktur. Den zahlreichen aktuelleren Sammelbänden2 und Einzelstudien ist gemeinsam, einen ›neuen Blick‹ auf die Medien(-Kultur) der Bun- desrepublik oder seltener noch auf die der beiden deutschen Staaten werfen zu wollen. Unter theoretischen Begriffen und Analysemodellen wie ›Amerikanisie- rung‹, ›Westernisierung‹ und ›Modernisierung‹ wird die gesellschaftliche Entwick- lung des Jahrzehnts, das zuvor noch (vor allem in den 1980er Jahren) als restau- rativ, starr und miefig galt, als »Neu-Konfigurierung« interpretiert.3 ›Amerika‹ als Topos wie auch die konkreten USA, verkörpern als Symbol von ›Modernisierung‹ und ›Fortschritt‹ das ›Neue‹ schlechthin und bilden eine wichtige und zugleich ambivalente Abgrenzungsfigur in diesem Prozess. Mich interessieren jedoch hier weniger Periodisierungen oder Fortschrittserzählungen. Die 1950er Jahre lassen sich erst mit dem Blick des 21. Jahrhunderts in einer Weise (re-)konstruieren, dass Auslassungen und ›blinde Flecken‹ in der bisherigen Wahrnehmung und Konst- ruktion der 1950er Jahre aufgedeckt werden können. Unter den veränderten Prä- missen – aufgrund des zeitlichen Abstands aber auch aufgrund des Wissens um die deutsche Geschichte seit 1989 – können neue Fragen gestellt werden. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre entstehen in der BRD zahlreiche Filme zwischen ›sozialkritischem Anspruch‹ und harmloser Teenagerkomödie, wie u. a. Die Halbstarken (1956), Die grosse Chance (1957) oder auch Wenn die Con-

1 Homi K. Bhabha: Introduction. In: Ders. (Hg.): Nation and Narration. London 1990, S. 2. 2 Aus der Fülle der Veröffentlichungen sind in diesem Kontext besonders die jüngsten Publikationen relevant: u. a. Harro Segeberg (Hg.): Mediengeschichte des Films 06. Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950–1963. München 2009; Sabine Hake (Hg.): Framing the Fifties. Cinema in a Divided Germany. Oxford, New York 2007; Knut Hickethier (Hg.): Medien in den fünfziger Jahren. Marburg 2008. 3 Vgl. Lars Koch, Petra Tallafuss: Modernisierung als Amerikanisierung? Anmerkungen zur diskursi- ven Dynamik einer Analysekategorie. In: Lars Koch (Hg.): Modernisierung als Amerikanisierung? Entwick- lungslinien der westdeutschen Kultur 1945–1960. Münster 2007, S.9–22. 254 Maja Figge erzählen dieFilmevon Prozess, demgesellschaftlichen MittederFünfziger erzählen derab rassifizierter Zugleich derbegleiten. Konflikte die Codes, die Inszenierungen und sexualisierter Mitschwingen das auf bereits verweist Musik bezeichneten ›heiß‹ in den Filmen verhandelten Konfliktewird. Die starkeBetonung der als ›wild‹oder Erbe« »tanzbaren seinem und Jazz Musik: afroamerikanischen zur – Protagonisten männlichen der bzw. – enges ein alle zeigen Generationskonflikts. Filme Die Jugendlichen der Verhältnis des Begleitmusik zur Filmen den in sie wird aufgeladen Symbolisch Rock’n’Roll. bindet sie alle ein Element: die prominente Rolle von Musik – wahlweise Jazz oder ver verschieden, durchaus Ästhetik und Narration in Obwohl rücken. Erzählung … Peter dem mit ny risch aufgrund des Zweiten Weltkrieges die Zahl der Männer deutlich dezimiert war, sind es in den in es sind war, dezimiert zahlreichen Filmen, die ›unvollständige Familien‹ meist die Mütter, zeigen, die fehlen. deutlich Männer der Zahl die Weltkrieges Zweiten des aufgrund risch 9 und Übermut wie Titeln an bereits sich wie vermitteln, zu Quinn oder Caterina Valente, sie versuchten ein mit der Musik assoziiertes unbeschwertes Lebensgefühl 8 Jahren 7 Naumann (Hg.):schaften. In: Klaus 6 der 50erJahre 5 In: Ekstase. 4 perfekten den noch obendrein dabei gibt und will, er was alles, bekommt er und ist. suspendiert herein vorne von könnte, nen die Abgrenzung als die Vaterfigur, die dass gelöst, dadurch weitgehend konflikt Generationsder hier Väter(-Generation)ist der zeigen, leidend Erwartungsdruck ion‹ und Anpassung – in schwierigen ökonomischen Verhältnissen und unter dem ›Rebell- zwischen – Jugendliche die Filmen, genannten oben den zu Unterschied Im Geschehens. des Zentrum ins ganz Peter rückt Film Der Star. alleinigen zum macht Froboess, Film Elvis »deutscher als Presley« begleiteten. Feierte er Musiker-Karriere seinen ersten großen den Erfolg, bereits erwähnten seine und entstanden Hauptrolle der in Schlagerfilmen, zahlreichen von einer wird. charakterisiert »Modernisierung«, als – ve kultur, insbesondere durch die in gerät,Musik, Bewegung und – je nach Perspekti Jahre unter anderem durch die Rezeption und Aneignung PopUS-amerikanischer Alle lieben Peter lieben Alle Der fehlende Vater ist eine ungewöhnliche Konstellation im BRD-Kino der 1950er: Obwohl histo Obwohl 1950er: der BRD-Kino im Konstellation ungewöhnliche eine ist Vaterfehlende Der Freddy Alexander, Peter mit ob Hochkonjunktur, Jahrzehnts des Mitte ab hatten Schlagerfilme Maase: Kaspar Nachkriegsgesell deutschen beiden in Remaskulinisierung Männlichkeit. der Krise Poiger: G. Uta (Hg.): Sywottek Arnold Schildt, Axel und Tanz von Geschichte kurze Eine – kriegen zu tot nicht ist Bewegung Die Leganovic: Oona . Hamburg 1992. Wenn die Conny mit dem Peter … Peter dem mit Conny die Wenn testcard. Popgeschichte zu Beiträge . Bonn 1998. Bonn (1957) lässt. ablesen BRAVO Amerika: Erkundungen zur Jugendkultur der Bundesrepublik in den fünfziger fünfziger den in Bundesrepublik der Jugendkultur zur Erkundungen Amerika: BRAVO Alle lieben Peter lieben Alle 2 . (1958), die die Situation von Jugendlichen ins Zentrum der Zentrum ins Jugendlichen von Situation die die (1958), (1959) lässt sich in diesem Kontext verorten, ist er doch er ist verorten, Kontext diesem in sich lässt (1959) 4 dem Rock‹n‹Roll, die zu Ursprung und Begründung der Begründung und Rock‹n‹Roll,dem Ursprung zu die 5 »Remaskulinisierung« Nachkrieg inDeutschland Nachkrieg Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft Gesellschaft westdeutsche Die Wiederaufbau. im Modernisierung . Nr. S.60. 13/2004: Music, Black Liebe, Tanz und 1000 Schlager 1000 Tanzund Liebe, , wie der Titel bereits ankündigt, Peter Kraus ankündigt, bereits Titel der wie , 8 die Ende der 1950er Jahre mit PeterKraus Jahre mit 1950er der Ende die (1958), noch gemeinsam mit Cornelia Cornelia mit gemeinsam noch (1958), 9 Peter kann alles, ihm gelingt alles gelingt ihm alles, Peterkann . Hamburg 2001, S. 227–263. 227–263. . Hamburg 2001,S. 6 oder »Afroamerikanisierung« oder (1955) oder oder (1955) Liebe, Jazz Liebe, 7 ------

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(Schwieger-)Sohn ab. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Maschinenbau-Stu- dent Peter (Peter Kraus) macht ein Praktikum in der Autoproduktion. Seine alten Freunde studieren in München und schlagen sich mit Jobs der Studentenvermitt- lung durch; zusammen spielen sie in einer Band. Als ihnen für ein Engagement bei einem Fest von Generaldirektor Steiner (Gustav Knuth) der vierte Mann fehlt, bitten sie Peter um Hilfe. Und da das »Indianer-Ehrenwort«, das sich die Freunde als Schüler im Internat gegeben haben, gehalten werden muss, kommt er dafür zurück nach München. Zu Hause hat seine allein erziehende Mutter, die bekann- te Schauspielerin Silvia Groth (Hannelore Schroth), einen neuen Verehrer, Herrn Werding (Boy Gobert), dem gegenüber sie sich als jünger ausgibt. Um sie nicht auffliegen zu lassen, schlüpft Peter in sein »Indianerkostüm« aus Kindertagen und mimt den halbwüchsigen Sohn. Darüber hinaus verliebt er sich in die Tochter des Generaldirektors Steiner, Kitty (Christine Kaufmann), die jedoch eifersüchtig wird, als sie, nicht wissend dass Silvia Groth seine Mutter ist, die Innigkeit zwischen den beiden beobachtet. Es gilt also einiges aufzuklären, bevor am Ende alle glücklich sind. Den Höhepunkt und auch das Finale von Alle lieben Peter bildet die Sze- ne im Jazzkeller. Peter und seine Freunde haben einen Auftritt, der erst in einer Schlägerei, dann im Gefängnis und schließlich im Happy End mündet. Der Inhalt liest sich wie ein Beispiel klassischen Erzählkinos, wir folgen dem männlichen Held durchs Geschehen bis dieser am Ende seine Angebetete bekommt. Dennoch soll hier unter der bereits im Titel angekündigten Fragestellung nach dem Verhältnis von Weißsein, Männlichkeit und Deutschsein in Alle lieben Peter eine etwas andere Perspektive eingenommen werden.

Tanzen als ›Narration der Nation‹ Homi Bhabha fordert, die Nation als zeitlichen Prozess zu verstehen, deren Anfang sich wie in einer Erzählung verliert.10 In Weiterentwicklung von Benedict Ander- sons Definition der Nation als »imaginärer Gemeinschaft« schreibt er in seinem Aufsatz »DissemiNation. Zeit, narrative Geschichte und die Ränder der modernen Nation«:

»Die von mir vertretene Auffassung der Zeit der nationalen Repräsentation als einer ›doppelten und gespaltenen‹ Zeit führt uns dazu, die homogene und horizontale Sicht, die in Zusammenhang steht mit der erfundenen Gemeinschaft der Nation, in Frage zu stellen.«11

In dieser ›doppelten und gespaltenen Zeit‹ verortet Bhabha die Ambivalenz der Nation als Narration. Sie liegt in der Gleichzeitigkeit von Historie, die einen Ur- sprung der Nation in der Vergangenheit behauptet, und dem Signifikationspro- zess, der den Ursprung der Nation gleichsam tilgen muss, um ihren Fortbestand zu

10 Bhabha 1990, S. 1. 11 Homi K. Bhabha: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S.207–253, hier S. 215. 256 Maja Figge i dm änihetiel e Vtreeain iesrct ud rne da- bringen Lässigkeit, und widerspricht, einer Vätergeneration Eindruck der Männlichkeitsideal den dem vermitteln die und Bewegung in Körper die raten ge Tanz Im Körper. der und Töne der Bilder, der Rhythmus der sich überlagern Analyse. bezeichnenden zu Betrachtung erneute als meiner Ausgangspunkt als Film Tanzenim das dient für soll Dieser des»Ethnografie im Gegenwärtigen« Filmnachgegangen werden. Hier zum Symptom in einer desder Ethnographie Kultur«.Gegenwärtigen modernen Moderne der Symbol »vomNation die sich wandelt Zeit, performativen der auch vollzieht«. Nationder Schreiben das sich dem an »Ort, der Bhabha mit ist Sie gewährleisten. Matthias Brütsch (Hg.): Matthias Brütsch 16 17–28. 2004, S. Vorschlag.beobachtungstheoretischer ein Liebrandund In: Skizze historische Eine Gender,re,Medien. nen werden als Genre-Aspekte Zitat und verschiebende Wiederholung begriffen.Schneider: Irmela Gen Schneider vorgeschlagene Modell der konstitutiven Nachträglichkeit für Genre- und Gender-Konventio und Genre im zeitgenössischen Mainstream-Film (Hg.): Liebrand Claudia In: Einleitung. Steiner: Ines Liebrand, Claudia tiert.« vorgängig ist), ist also immer ein Effekt jener Filme, in denen es sich ausdrückt/konkretisiert/dokumen Film dem es dass annehmen, eigentlich doch wir dem (von Genre Das sie. konstruiert und modifiziert um, gleichzeitig aber sie schreibtGenre-Konventionen, auf sich bezieht Film »Jeder zeitgebunden. und 15 252. S. 249–278, 1991, S. Wabern-Bern 14 13 12 seiner In sind. verbunden untrennbar Peter als Rolle seine und Starimage sein des Filmsmiteinander verschränken. Narration der in performative, die und kontinuierliche die Zeitlichkeiten, beiden des Films verstanden, da sich anhand des Tanzes nachvollziehen wie lässt, sich die innerhalb Momentambivalentes als ebenfalls Musik zur Bewegungen die werden Unterscheidung Bhabhas an Anlehnung In machen. zu sagbar und Jahresichtbar 1950er der ›Unausgesprochene‹ das versucht, wird folgt, Musik zur Bewegungen den wie Bewegungen filmischen den die Lesart, meine Durch selbst. Musikszene UnterbrechunglinearenNarrationdurchder dieder in wie Musik, zur Körper der Bewegungen den in werden:nachvollzogen Ebene narrativer wie ästhetischer auf in den überschreitet. Musiknummern Dem entsprechend soll der filmische Exzess Regelbruchs« des »Genre als sich lässt Schlagerfilm, westdeutsche der oder Hollywood-Musical sind«. ausgeliefert völlig Gefühlen ihren die [zeigen], »Körper Filme wenn offenbart, sich der Ausdruck, zum Exzess den rin In der zentralen Musikszene des Films, die Peters Auftritt im Jazzkeller zeigt, zeigt, Jazzkeller im PetersAuftritt die Films, des Musikszene zentralen der In Der Fokus liegt auf dem Filmkörper von Peter Kraus, in dessen Inszenierung Inszenierung dessen in Kraus, Peter von Filmkörper dem auf liegt Fokus Der Thomas Elsaesser: »Zu spät, zu früh«: Körper, Zeit und Aktionsraum der Kinoerfahrung. In: Kinoerfahrung. der Aktionsraum und Zeit Körper, früh«: zu spät, »Zu Elsaesser: Thomas wandelbar als Musikfilm, den auch also Genres, ich begreife Steiner und Liebrand auf Bezug Mit PeterGenre.undIn: Geschlecht Filmkörper. Williams: Weibel Linda (Hg.): 220. S. Ebd., 218. S. Ebd., 12 In dieser Auffassung der zwei Zeitlichkeiten, der kontinuierlichenAuffassungwie zwei dieser In der 16 beschreiben, da er die Konventionen des klassischen Erzählkinos Erzählkinos klassischen des Konventionen die er da beschreiben, Kinogefühle: Emotionalität undFilm Emotionalität Kinogefühle: . Marburg 2004, S. 7–15, S. 7f. Mit Bezug auf das von Irmela 14 Gerade der Musikfilm, der Gerade . Marburg 2005, S. 415–440, S. 420. 420. S. 415–440, 2005, S. . Marburg Hollywood hybrid. Gender Gender hybrid. Hollywood FeminismusMedien und 15 sei es das das es sei 13 - - - - - .

257 exzessiven Körperinszenierung mit seinen raumgreifenden Bewegungen und sei- ner erhöhten körperlichen Präsenz wird weiße heterosexuelle Männlichkeit als Spektakel sichtbar. Gerade im Musikfilm wird »besondere Konzentration auf die körperliche Spektakularität der heterosexuellen Männlichkeit«17 gelegt, die in der Lage ist, eine Eigendynamik zu entfalten. Dass diese im Film nicht nur männlich und heterosexuell sondern auch notwendigerweise weiß ist, ist bereits in der Figu- renanordnung angelegt. Peter werden verschiedene Begehrens- und Abgrenzungs- figuren zur Seite gestellt, durch die Differenz hergestellt wird. Sein love interest Kitty, der auch der Theme-Song gewidmet ist, Herr Werding, der Verehrer seiner Mutter, dessen Inszenierung ihn sowohl als englischen Gentleman als auch als queer erscheinen lässt und Billy, sein Schwarzer Freund und Musikerkollege, der von dem damals recht bekannten Schlagersänger Max Kutta gespielt wird.

Wie arbeitet also diese spektakuläre und zugleich ambivalente Inszenierung wei- ßer Männlichkeit an einer »Neu-Definition« dessen, was in den späten 1950er Jah- ren als deutsch gilt? Um mich einer Antwort auf diese Frage zu nähern, werde ich im Folgenden drei Spannungsfelder aufzeigen: Zunächst wird die Codierung der Musik als Schwarz zwischen Othering und weißer Selbstvergewisserung verortet. In der ausführlichen Darstellung der Szene im Jazzkeller beschreibe ich Peters Auf- tritt wie bereits angedeutet als Inszenierung weißer Männlichkeit, als Spektakel zwischen Überschreitung und Einholung der Ordnung. Abschließend werde ich ausgehend von diesem Befund Peter – etwas ironisch – als ›nicht (mehr) rassisti- schen weißen Helden‹ analysieren und dessen Changieren zwischen Afroamerika- nisierung und Deutschsein als Normalisierungsprozess interpretieren.

Blackness hören und sehen: zwischen Othering und Selbstvergewisserung Die Freunde machen also Musik – je nach Auftragslage Rock’n’Roll oder Jazz. Und dass diese »heiße Musik« auch in diesem Film Schwarz codiert ist, findet ihre Ver- körperung in der Figur Billys, der – seit Peter nicht mehr in München ist – Tom- mys ständiger Begleiter ist: sie wohnen, arbeiten und machen Musik zusammen. Die Verknüpfung der Figur Billys mit der Musik zeigt sich bereits in der Szene, die mit einer Ansicht auf München beginnt. Am linken Bildrand sehen und hören wir eine Trompete, die von Schwarzen Hän- den gespielt wird. (Abb. 1) Die Kamera wandert die Fassade eines Mietshauses hin- auf, bis sie mit Blick auf das Fenster einer Dachwohnung stehen bleibt, in der Billy sitzt und Trompete spielt – ein Bild, das aus Hollywoodfilmen bestens vertraut ist. (Abb. 2) Zugleich verweist diese Einstellung, in der die gesamte Stadt zu einem

17 Steven Cohan (1993a): ›Feminizing‹ the Song-and-Dance-Man. Fred Astaire and the spectacle of masculinity in the Hollywood musical. In: Ders./Ina Rae Hark (Hg.): Screening the Male. Exploring Mascu- linities in Hollywood Cinema. New York/London 1993, S. 46–69, S. 63. 258 Maja Figge sche Verknüpfung von Jazz mit der Erfahrung der modernen Großstadt, die seit seit die Großstadt, modernen der Erfahrung der mit Jazz vonVerknüpfung sche symboli die auf wird, Raum transgressiven potentiell durchdrungenen, Jazz von 19 18 Job-Ver der Als Chance. ihre wittern Männer jungen Die gesucht. Kapelle eine wird Steiner Generaldirektor bei Fest das Für Jobvermittlung: studentischen der die Sichtbarkeit des Schwarzen Körpers gebunden werden. So auch in der Szene bei an die Stereotypisierungen, und Zuschreibungenrassistischer Benennen und nen Erkenkontrollierende Sehen, das er bezeichnet Rassenschemas« »epidermischen beschrieben. Rassismus des Eigenschaft grundlegende als Werk erschienen erstmals 1952 seinem erhöhte ›Sichtbarkeit‹vermeintlich wird.Billys angespielt Frantzauf Fanon hatin verstanden werden. Nachkriegsdeutschland bundesrepublikanischen im Rassismus von Abwesenheit die für Indiz als Billy mit FreundschaftTommys solle als Eindruck, den gewinnt Abbildung 2 Widerspie als »vorschnell Differenz von Repräsentation die davor, jedoch warnt Bhabha verschiebt. damit und re-produziert ständig Wissen das und deutungen 1 Abbildung Dieser Subtext wird jedoch von der Inszenierung unterlaufen, in der vielfach der in unterlaufen, Inszenierung der von jedoch wird Subtext Dieser Frantz Fanon: 3. 2000,S. Bhabha Schwarze Haut,Schwarze weiße Masken als eine Wiederholung verstanden, die die Be die die verstanden, Wiederholung eine als Freund Tommys eingeführt und als solcher als und eingeführt Tommys Freund als Billy wird selbstverständlich Ganz lichen. ermög Differenzkonsum gefahrlosen einen und abzielen Showeffekte spektakuläre auf einzig die unterscheidet, Darstellungen den von Billys Figur die sich da Blick, zweiter ein von Analyse festgeschrieben sind«, Tradition der in die […], Merkmale tureller kul und ethnischer vor-gegebener gelung schon immer Stereotyp ein wird Mit Bhabha auftauchen. Tänzer oder Musiker als nur Schlagerfilmen und Revue- meisten den in Figuren Schwarze dem nach Stereotyps, genrespezifischen des Aktualisierung als ich verstehe Musik afroamerikanischer mit lys Bil Assoziation Die wird. übertragen Fünfziger Jahre die in und aufgerufen zitierend hier und ist eingegangen Kinos deutschen dem Weimarer Kino in das Bildrepertoire des hat er einen handlungsrelevanten Part. Man Part. handlungsrelevanten einen er hat . Frankfurt/Main 1985 (1952). . Frankfurt/Main Schwarze Haut, weiße Masken weiße Haut, Schwarze Alle lieben Peter lieben Alle 19 18 Mit dem Begriff des Begriff dem Mit zu lesen. Auch in der Sichtbarkeit lohnt sich lohnt ------259 mittler ihnen jedoch sagt, dass »seriöse Musik« gewünscht sei, schiebt Tommy, um den Auftrag zu ergattern, Billys Kopf mit der Hand aus dessen Blickfeld. In einer anderen Szene versuchen Billy und Tommy, wie immer pleite, ihrem Gläubiger – dem sie die fällige Rate für ihr Auto geben müssen – ungesehen zu entkommen, was ihnen jedoch gründlich misslingt, denn sowohl der Blick ihres Verfolgers als auch der Kamera heften sich an Billy. (Abb. 3) Als Peter in der folgen- den Szene zum ersten Mal Billy begegnet, zeigt er trotz des in der Inszenierung ange- legten »Überraschungseffekts« – Billy taucht Abbildung 3 von unten hinter dem Auto hervor – keine Reaktion, sondern spricht einfach, ohne Billy zu beachten, mit Tommy weiter. (Abb. 4–5) Denn Peter ist, so lässt sich die Szene inter- pretieren, ›farbenblind‹:

»›Color-blindness‹ is a luxury that only those who are very secure in, and, dysconscious of their own racia- lized position of whiteness and power can have.«20

Trotz der suggerierten »Farbenblindheit«, die als Privileg einer weißen Position (rassifizier- Abbildung 4 te) Differenzen unkenntlich macht, bleibt die Kamera oftmals fixierend an Billys Mimik hängen. Diese Fixierung wird als eine »pa- radoxe Form der Repräsentation zwischen Starre und notwendiger Wiederholung« verstanden, die auf die »Festgestelltheit als Zeichen ethnischer Differenz im kolonialen Diskurs«21 verweist. Hierzu ein weiteres Bei- spiel: Beim Auftritt im Haus des Generaldi- rektors erscheint Billy zunächst gelangweilt, Abbildung 5 weil die Kapelle statt »heißer« »seriöse« Mu- sik spielen muss. Er beginnt zu singen, allerdings ohne Text. Billys Gesang ist nicht lippen-synchron eingespielt. Dadurch wirkt dieser in Kombination mit der Groß-

20 Frances V. Rains: Is the Benign Really Harmless? Deconstructing Some ›Benign‹ Manifestations of Operationalzied White Privilege. In: Joe E. Kincheloe u. a. (Hg.): White Reign: deploying Whiteness in America. New York 1998, S. 77–101, S. 93. 21 Bhabha 2000, S. 97. 260 Maja Figge absurdum geführt –und am Endebekommt Peterabsurdum geführt trotzdem Kitty. seine statisch sondern flexibel,festgelegt, wechseln imRhythmus der werden Musik, ad nicht Spektakel dem in sind Homoerotik und HeterosexualitätWeiblichkeit, und Männlichkeit zwischen auch aber Schwarzsein, und Weißsein zwischen Grenzen trachtung der Szene im Jazzkeller zeigt sich allerdings ein ambivalenteres Bild: Die hat. nachgewiesen Literatur US-amerikanischen der innerhalb Essayband bedeutsamen ihrem in Tonidie Morrison PetersvonFunktion, eine – Absicherung Positiondeutsch der und weiß als damit und Kontrastfolie als nur Film im diene Billy Eindruck, der entsteht dergründig Vor unterbricht. Cat« »Kitty Hit seinem mit betritt, Saal den Kitty als Billy, der aufnahme seines Gesichts Er unmotiviert. wird zu einem Intro von Peters Auftritt, Abbildung 6 Abbildung 25 Oxford 183. 2003, S. 24 57. 40–60, S. 2003,S. Wien 23 22 black-white women and consign malebonding to the background.« through interracial utopias films construct »These Hollywood: in noch BRD der in ginnt, auch wenn es den zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht weder gibt, Schwarz-weißen eines Setting klassische das wie Szene die dadurch, dass Eindruck dieser wird Unterstrichen getanzt. und gesungen Jazzkeller liegen‹«, Luft der ›in Tanz und Gesang dass erscheint, glaubhaft Amerikanern] urbanen [weißen es denen an [verlegen], »Orte an Film gesamten den häufig Hollywood-Musicals Während aufgerufen. potenziell Überschreitung der Moment das ist ist, lokalisiert Musikszene die dem in Be Raum, Jazzkeller.den durch reits im Freunden seinen und Peter von Auftritt den zeigt Szene Die der OrdnungEinholung Im Jazzkeller: Weiße Überschreitung und zwischen Männlichkeit alsSpektakel

Elsaesser 2005, S. 430. 2005,S. Elsaesser Vera: Hernán Gordon, M. Andrew AndreaPollachUtopie.In: und Entertainment u. RichardDyer: Toni Morisson: Im Dunkeln spielen. WeißeIm Dunkeln undliterarische Kultur Imagination cen air. olwo Fcin f Whiteness of Fiction Hollywood Saviors. Screen singt weitersingt mit Billy »Oh when the saints go Peter Musik: der Ebene die auf Konflikt den Tanzübergehen« in gonisten Prota der Verstrickungen emotionale oder Plot-Ebene der auf blo Aktionsraums ckierten eines Augenblicke »wo Musicals, des Genre dem Stelle dieser an folgt Musikfilm Der 6) (Abb. klären. Peter mit verständnis Miss ihr sitzend. möchte und herein Gerüst kommt Kitty einem auf Auftritt beim Wir sehen Peter und Billy gemeinsam gemeinsam Billy und Peter sehen Wir Im Dunkeln spielen Dunkeln Im a. (Hg.): a. . Reinbek bei Hamburg bei 1995.. Reinbek Singen und Tanzenund Film im Singen 22 Bei genauer Be genauer Bei Buddy-Movie 25 23 24 und verlagert verlagert und id ir im hier wird

Nw York/ New . mehrfach mehrfach be ------.

261 marchin’ in«26 und hat nur Augen für ihn. Er lacht und ignoriert Kitty aktiv. Als sie weiter versucht, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, kickt Billy das Mikro in ihre Richtung, so dass ihre Stimme verstärkt wird, was im Publikum für Gelächter sorgt. Zugleich erhält der Gesang der beiden eine neue Qualität, wird tiefer, wo- bei Peter seine Fähigkeit präsentiert, mit noch tieferer »Bluesstimme« als Billy zu singen. Das Lied ist zu Ende, das Publikum begeistert. Die Beiden springen vom Gerüst auf die Bühne und Peter beginnt seine Nummer »Kitty Cat« am Klavier zu spielen, derweil Billy sich im Hintergrund hält. Während der Song suggeriert, es ginge um Kitty, zeigen die nun folgenden Bilder ein homoerotisch aufgeladenes Spektakel: Beide Männer tanzen, Peter im Zentrum, Billy am linken Bildrand. Die Situ- ation wird gesteigert als Peter zu einem gro- ßen Sprung nach hinten ansetzt und Billy im selben Moment unter ihm durch ans Klavier springt. (Abb. 7–8) Dieser Sprung ist als erster Verweis da- rauf zu lesen, dass das Verhältnis zwischen Peter und Billy weitaus durchlässiger ist, als die einfache Funktion der Kontrastierung. Abbildung 7 Vielmehr rückt Billy für den kurzen Augen- blick, in dem er von unten am Klavier auftaucht, an Peters Position. Nun spielen sie vierhändig, tanzen, gehen dabei in die Knie, beugen sich nach vorn, kreisen die Hüften, Peter vorn am Bühnenrand, Billy halbverdeckt hinter ihm. Immer wie- der sehen wir dabei Billys Blick auf Peter. Das Tempo steigert sich, Peter greift in einer schnellen Bewegung über Billy hinweg, beginnt um ihn herum zu spielen, so dass dieser zwischen dem Instrument und dem tanzenden und Klavier spielenden Peter ein- geklemmt ist. Sie bewegen sich miteinander zu Peters Spiel, was dieser mit einem »That’s good« kommentiert. Daraufhin löst sich die- se Position auf und beide spielen vierhändig weiter. Während die Musik schneller und ekstatischer wird, löst sich Peter vom Klavier und beginnt wieder zu singen. Nicht erst der Abbildung 8 Kommentar - »That’s good« – macht diese kurze Sequenz zur sexualisierten und homoerotisch aufgeladenen Szene rassifizierten Begehrens zwischen Lust und

26 Eine gemeinsame Aufnahme des Songs »Oh when the saints go marchin’ in« von Ted Herold, Peter Kraus und Max Kutta wurde 1959 als Single veröffentlicht. 262 Maja Figge steuert, zuwider und überschreiten die heterosexuelle Geschlechterordnung. Die Die Geschlechterordnung. heterosexuelle die überschreiten und zuwider steuert, hin Peter und Kitty zwischen Missverständnisses des Lösung die auf die ration, und Gewicht Glaubwürdigkeit verliehen. besonderes diesem wird Können tänzerisches und musikalisches Peters für Bewunderung und Begeisterung Billys durch Verhältnisses:denn ihres Verwerfung. und Konsum Angst, 30 Trouble den and the Spectacle of Masculinity in Hollywood Film. In: Constance Penley/Sharon Willis (Hg.): 29 In: der englischsprachigen Filmtheorie. 28 27 Mu die durch aufgeladen – zugleich Peterhier verkörpert assoziiert, Femininität sind. charakteristisch Spektakel als Männlichkeit 10Abbildung kannst, du was uns zeig’ Cat, Kitty tanzt, du wie uns »Zeig’ singt: er man-show‹, ›one- zur wird und nächsteRunde eine in gehtPeters Selbstdarstellung zur Drang 9 Abbildung i Ble, lcarneet ud eegne dr öpr afn e Nar der laufen Körper der Bewe-gungen und Blickarrangements Bilder, Die Cohan 1993a, S. 63. S. Cohan 1993a, Hol Steven Cohan(1993b): William Vgl. Male Masquerading inthe Fifties: Picnic, the as American der heterosexuellen Männlichkeit Mann. Zur Kritik in Objekt Kaltenecker: Tillner,Georg Siegfried 65–67. 2000, S. Bhabha Vgl. . Minnesota 1993, S. 203–234, S. 205. S. 203–234, 1993, S. . Minnesota Frauen undFilm 27 n h zit ih i mctol Ambivalenz machtvolle die sich zeigt ihr In die eindeutige Affirmation traditioneller Männlichkeit. Affirmation eindeutige die verhindert Starkörpers seines Erotisierung Spektakularität« hende entzie beharrlich Eindeutigkeit jeder sich »provozierende, die betont Begehren Dieses Leinwand. der vor Publikums des auch als Jazzklubs des Besucherinnen und Besucher der Blicke der voran.PeterObjekt sowohl ist Betrachterpositionen eindeutiger Auflösung die auch treibt Spektakel im Überschreitung e it, e e bs ez asctih keine absichtlich jetzt bis er der Kitty, te Der Song ich.« wie Kitty so mich, doch mach’s auf Cat, genau Schau – Cat Kitty nzneug o wie, heterosexueller weißer, von Inszenierung die für die also, Attribute beschreiben. tisch exhibitionis und narzisstisch als sich lässt Darbietung Peters Begehrens. des Zentrum das und Spektakel das ist selbst Er soll: men nachah Tanz seinen sie dass Form, der in nur aber – hat geschenkt Aufmerksamkeit adressiert zwar die als »Cat« erotisier »Cat« als die zwar adressiert , Nr. 56/57. 115–131, 1995, S. S.126. 30 29 Werden diese meist eher mit mit eher meist diese Werden

28 ud eae die gerade und – Theme- Male Male ------263 sik und Billys Anwesenheit – Lässigkeit, Virilität und Vitalität: 31 »Alle lieben Peter« und er sich selbst am meisten. Angefeuert durch die Begeisterung und die Blicke des Publikums hört er auf zu singen und konzentriert sich ganz auf seinen Tanz. Er tanzt durch den gesamten Raum, erst mit anderen im Kreis und in Formation, dann löst er sich aus der Gruppe und tanzt allein weiter. Die Kamera folgt seinen ausufernden Bewegungen, er geht die Wände hoch, macht stage-diving, lässt sich von der Menge auffan- Abbildung 11 gen und springt über Tische. Die gleichzeitig stattfindende Belästigung Kittys scheint er nicht wahrzunehmen, während Billy diese im Blick hat und, als die Situation eskaliert, für Peter einspringt und auf die nervigen Jungs losgeht. (Abb. 9–13) Durch die Mon- tage gewinnt man den Eindruck, dass aus dem springenden Peter der springende und Kitty zu Hilfe eilende Billy wird. Der Sprung wird buchstäblich zur Schnittstelle – in ei- nem kurzen Moment eines wechselseitigen Abbildung 12 Passings wird Billy zum Surrogat Peters, zu seinem alter ego. Billys Rolle als Beschützer ist jedoch schnell erschöpft. Er kann gerade noch Kitty aus der Situation befreien, da geht er schon k.o. zu Boden. Peter hingegen tanzt und springt fröhlich weiter und endet mit einer Punktlandung und dem dazugehörigem Tref- fer. Das »Chaos« erreicht den nächsten Level, sofort ist der gesamte Laden in eine Schläge- rei verwickelt. Waren vorher alle Anwesenden Abbildung 13 durch den raumgreifenden Tanz Peters in das Geschehen eingebunden, sind sie es nun durch ihre eigene körperliche Beteiligung an der Prügelei. Der Eindruck, dass

31 Morrison macht darauf aufmerksam, dass »Schwarze in literarischen Werken, die sie selbst nicht geschrieben haben, kritische Momente der Entdeckung oder des Wandels oder der Emphase auslösen können«. Vgl. Morrison 1992, S.10f. Während sich Morrison auf ein literarisches Beispiel bezieht, in dem Louis Armstrong zum Katalysator für die psychische Erkrankung der weißen Protagonistin wird, verbürgt in Alle lieben Peter Billys Anwesenheit Peters musikalisches Können und stärkt zudem seine Männlichkeit. 264 Maja Figge Ordnung schafft. Ordnung schafft. Wache wieder die und auf mitnimmt Polizei,Beteiligten ankommendealle die die Werding nur Peter sie und stehendgemeinsam begrüßen aus der Situation hervor außer geht Ende Am niedergestreckt. gekonnt ihm von wird loszugehen, ihn auf sich Wegseinen an hindern, bahnen. zu Auch durch Billy, den Raum der versucht, er alle nacheinander die befördert ihn zu Boden, dar Einsatz großen körperlichen Art. seine auf Durcheinander darbietende ihm sich das Gentleman, ganz löst, und angekommen Jazzklub im Werding Herr Mutter, Peters von Verehrer angetrunkene bereits der ist Inzwischen Tanzflächebemerkt. der Boden schiefen den erst jetzt man dass verstärkt, dadurch wird gerät, Wanken ins Ordnung die singstrategien ermöglichten. Merchandi weiterreichende Film-Hits seiner Single-Auskopplungen die dass darin, bestand Kinostar 34 33 sexuell Rollen die homosexuell. sind ambig bis explizit sind, entstanden Käutner Helmut von Regie der unter beide aber die Filmen, in 32 produktion, die ihn zu einem diskursiverOrt privilegierten Auseinandersetzung macht, erhält der tur, auchjenseits der erhöhten Performativität wandelbaren seiner inszenierten, Geschlechts(re-) glomerats Star. […] Jenseits seiner schieren, emotional aufgeladenen Dauerpräsenz in der Bildkul nur,existiert »Der Star-Körper in filmischenwie außerfilmischen Texten, alsBasis desZeichenag hingewiesen: zurück. … Peter dem mit Conny sowie als Filmpartner von Cornelia Froboess in Teenagerkomödien, wie Rock’n’Roller und Schlagerstar Elvis«, »deutscher als Kraus Peter von Image das auf dabei greift und Star spektakulären Peterals inszeniert Szene analysierte Die nicht (mehr) rassistischer weißer Held Peter und Deutschsein: »Afroamerikanisierung« zwischen als Normalisierung archalen lassen.« zu Füßen landen psychosozialen Troubles Freiflügeund ästhetischen immerwieder auf ihren patri ihrer all ungeachtet Männlichkeit heterosexuelle »die Erzählkino, klassische das es versteht begrüßt, stehend Polizei die und hervorgeht Sieger als Schlägerei der aus Sequenz der Ende Peteram wie so Dennoch: zeigt. Deutschsein und sierung« »Afroamerikani zwischen Ambivalenz die bzw.das andererseits,lung Integration Peters nierung undEinho Spannungsfeld ein Überschreitung einerseits zwischen Insze der in sich bildet Vielmehr haltbar. nicht Jazzkeller im Sequenz der Lesart vereindeutigende eine ist – Happyend das durch schließlich Polizeiund der kunft Monpti Auch wenn am Ende die Ordnung wieder hergestellt wird – erst durch die An die durch erst – wird hergestellt wieder Ordnung die Ende am wenn Auch Ein finanziell nicht unwichtiger Aspekt der Doppelbesetzung von Peter Kraus als Schlagerstar und Schlagerstar von als Kraus Peter Doppelbesetzung der Aspekt unwichtiger nicht finanziell Ein 1995,Tillner, S.129. Kaltenecker Auch Gobert. Boy Schauspielers des Rollenregister dem entspricht Inszenierung queere Dessen 34 (1957) und in und (1957) Susanne Weingarten hat auf die spezifische Bedeutung des Starkörpers Starkörpers des Bedeutung spezifische die auf hat Weingarten Susanne Der Rest ist Schweigen ist Rest Der (1958) oder oder (1958) 33 Conny und Peter machen Musik machen Peter und Conny (1959), zwei zwar zunächst sehr unterschiedlichen sehr zunächst zwar zwei (1959), Wenn die 32 (1960) Ohne Ohne ------265

Star-Körper seine Relevanz daraus, dass bereits seine spezifische Materialisierung einen Ausdruck diskursiver Kräfte der Macht und Kontrolle darstellt.«35

Auch der Titel Alle lieben Peter unterstützt diese Sichtweise des »Zeichenag- glomerats Star«, indem der Name des Protagonisten mit dem Vornamen des Stars Peter Kraus in eins gesetzt wird – einer Strategie, die sich auch in den Schlager- filmen mit Peter Alexander und Freddy Quinn findet. In Peter verschränken sich also sein Filmcharakter und seine Star-Persönlichkeit miteinander und erhalten dadurch zusätzliche Relevanz, dass er in diesem Film zu einer spezifisch deut- schen und zugleich universalen – das heißt weißen – Identifikationsfigur wird. Denn aufgeladen mit dem Star-Versprechen wird auf der Leinwand in varian- tenreicher Wiederholung gezeigt, welche Anforderungen an eine »neue« weiße deutsche Männlichkeit gestellt werden und wie man sie mit Bravour meistert. Ob Peter, wie im Vorspann des Films, in den Blaumann schlüpft und das Praktikum in der Autoproduktion pfeifend meistert (Abb. 14), was als Hinweis auf angeblich diffuser werdende Klassengrenzen gelesen werden kann,36 oder als »Indianer«37 verklei- det, in »ethnic drag«,38 den liebenswerten, halbwüchsigen Sohn mimt (Abb. 15), ob als Maschinenbau-Student oder als Entertainer im Jazzkeller, jede Rolle gelingt ihm spielend. Seine Körperinszenierung vermittelt eine Lässigkeit und Ausgelassenheit, die in ihrer Jugendlichkeit den krisenhaften Männlich- keitsinszenierungen der Filme in den ersten Abbildung 14 Nachkriegsjahren entgegensteht.39 Diese

35 Susanne Weingarten: Bodies of Evidence. Geschlechterrepräsentationen von Hollywoodstars. Marburg 2004, S. 50. 36 Diese Anordnung deutet auf die Transformation des Bildes der Jugendlichen im Film: Addressier- ten die ersten Filme das ›Problem‹ der ›Halbstarken‹, so waren in den 20er Jahren proletarische Jugendli- che denunziatorisch genannt worden, in Übertragung der jugendlichen Rebellen aus den US-Filmen, wie The wild One (1953) und Rebel without a cause (1955), ist hier das Proletarische nur mehr ein Zitat im Zeichenmeer des Pop, in dem die Jugendlichen als Teenager zu bürgerlichen KonsumentInnen (afro-) amerikanischer Kultur werden. Zum Halbstarken-Diskurs vgl. Uta G. Poiger: Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany. Berkeley/Los Angeles 2000, S. 71–105. 37 Peters Kostümierung verweist implizit auf die lange koloniale und rassistische Tradition des Ver- gleichs »nicht-weißer« Menschen mit Kindern. Vgl. Ann McClintock: Imperial Leather. Race, Gender and Sexuality in the Colonial Contest. New York, London 1995. Außerdem referiert diese auf das Spannungsfeld zwischen dem durchaus positiv gemeinten Vergleich ›halbstarker‹ Jugendlicher mit Native Americans in der Medienöffentlichkeit der 1950er Jahre einerseits und der zeitgenössischen Begeisterung der deutschen Ju- gendlichen für amerikanische Westernfilme und Karl May Romane andererseits. Vgl. Poiger 2001, S. 252. 38 Kathrin Sieg: Ethnic Drag. Performing Race, Nation, Sexuality in West Germany. Ann Arbor 2002. 39 War der lässige jungenhafte Typ in den ersten Nachkriegsjahren mit den Alliierten, vor allem mit den Amerikanern, assoziiert, verkörpern ihn nun die jungen deutschen Stars. Zu den Inszenierungen der Geschlechterverhältnisse in den Filmen der ersten Nachkriegsjahre vgl. u. a. Massimo Perinelli: Liebe ’47 – Gesellschaft ’49: Geschlechterverhältnisse in der deutschen Nachkriegszeit. Eine Analyse des Films Liebe 47. 266 Maja Figge duction of stars who are at onceand ordinary, special the assumption of universality […] – but its Kritische WeißseinsforschungKritische in Deutschland 42 41 40 von imwest-bis 1945 Nachkriegsfilm undostdeutschen 1952 struktionen Hamburg 1999 und Anja Horbrügger: zu Gegensatz Im wird. repräsentiert Rassismus für anfällig (mehr) nicht als die Deutschen, vonGeneration ›neue‹ die also symbolisiert Er Held«. tischen/weißen sierung von Weißsein eingebunden ist« Normali der Prozess den in »vollständig die »Farbenblindheit«, seine durch letzt zu nicht wird Peter bekräftigen. zu BRD der in Rassismus von Abwesenheit der Rock’n’Roll in eine ähnliche Richtung und lässt sich als Versuch lesen, den Mythos Diskurses um Generationskonflikte und die jugendlicheBegeisterung für Jazz und übertragen. Jedoch weist die Inszenierung Peters im Kontext des zeitgenössischen 1950erderbundesrepublikanischen denFilm auf eins sichzu nicht eins lässt tung werde. arbeitet ge Gedächtnisses kollektiven des Rekonstruktion einer an ihn durch indem sen‹, ›lö zu von Whiteness »anti-racist/white hero« die es, Legitimationskrise Films sei zeigen. Krisenhaftigkeit stabilisieren, deren über einiges grundlegende zu Männlichkeit heterosexuelleVersuch weiße dem in die, Integration, und nung Aneig der Gesten als zugleich Jazzkeller im Szene der Gesten überschreitenden die auch ich verstehe Sinne diesem In verweist. Männlichkeit weißer Instabilität grundlegende die auf der Aushandlungsprozessesist, eines Ergebnis Eindruck ser die dass deutlich, er macht Andererseits kann. vereinigensich auf jektpositionen Peter dass alleSub Film im sich darin, können. zeigt zu Dies allesundnichts sein zugleich besteht, darin die Männlichkeit, weißer Universalität vermeintliche die In diesem Zitat sind zwei wichtige Aspekte enthalten: Einerseits Dyer verweist auf the representation whiteness.« of of heart the at instability an constitutes and granted, for taken be cannot negotiation successful Abbildung 15Abbildung Gordon und Vera schreiben mit Bezug auf das Hollywoodkino, die Funktion des Fatima El-Tayeb: Vorwort. In: Maureen Maisha Eggers u. Eggers Maisha Maureen In: Vorwort. El-Tayeb: Fatima Gordon, Vera 187. 2003,S. Richard Dyer: 41 White Diese für den US-amerikanischen Kontext spezifische Beobach spezifische Kontext US-amerikanischen den für Diese . London 1997,. London 39. S. 40

Aufbruch zur Kontinuität – Aufbruch GeschlechterkonKontinuität im Aufbruch. . Münster 2005, S. 7–10, S. 8. 7–10, S. . Münster 2005,S. the dominating look that of the white male, the pro the male, white the of that look dominating the make to tends which instance, for cinema, in looks of pattern the – means various by negotiated is »This sentation: rerseits immer schon im der Zentrum Reprä ande Spektakel als Männlichkeit weiße ist als Einerseits Position. männlichen weißen der Besetzung doppelte die auf verweist bietet, Leinwand der auf sich die Inszenierung, spektakuläre 42 zu einem zumindest »nicht (mehr) rassis a. (Hg.): a. nakd marker unmarked . Marburg 2007.. Marburg Mythen, Masken und Subjekte. Subjekte. und Masken Mythen, unsichtbar, ------267

Filmen wie Die Halbstarken (1956) und Die grosse Chance (1957), die Jugend- liche zwischen Rebellion und Anpassung zeigen, die in schwierigen ökonomischen Verhältnissen stecken und unter dem Erwartungsdruck der Elterngeneration lei- den, ist Peters Musikbegeisterung weniger Indiz jugendlicher Rebellion, als viel- mehr Zeichen seiner erfolgreichen Demokratisierung. Die Demokratisierung lässt sich hier jedoch nicht allein als »geglückt« verstehen.43 Vielmehr ist sie Teil eines Normalisierungsprozesses, der durch die die Integration beziehungsweise die Ver- einnahmung von Differenz – sei es ›Rasse‹, Geschlecht oder Sexualität – gekenn- zeichnet ist.44 Dies wird im Film neben dem Wechselspiel zwischen Afroamerika- nisierung, wie Kaspar Maase die Aneignungen amerikanischer Popkultur nennt, und Deutschsein, das sich in dem hier in den Vordergrund gestellten Verhältnis zwischen Peter und Billy offenbart, auch durch den Umstand markiert, dass Peter in der Lage ist, alle Subjektpositionen auf sich zu vereinen. Gerade die gefahrlose­ Integration von Differenz in Peters Tanz zum Soundtrack der Demokratisierung, wie ich hier die deutsche Variante des Rock’n’Roll bezeichne, ermöglicht eine Nor- malisierung von Deutschsein als Weißsein, in der das vermeintliche Versprechen einer Entlastung von den nationalsozialistischen Verbrechen durch die ›neue‹ Ge- neration enthalten ist.

Abbildungen Alle Screenshots aus DVD: Alle lieben Peter (90 Min., Kinowelt Home Enter- tainment, 2006)

43 vgl. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 20062. 44 Zum Verhältnis von Hereinnahme und Integration als Normalisierung vgl. Isabel Lorey: Weißsein und Immunisierung. Zur Unterscheidung zwischen Norm und Normalisierung (2007), http://translate.eipcp. net/strands/03/lorey-strands01de (07.06.2008).

269 Digitale Technik Die Demokratisierung der populären Musik?

von Jobst Miksche

Im Zuge der Digitalisierung befinden sich Konsum, Distribution und Produktion populärer Musik in einem Transformationsprozess. Vor allem die 1999 gestarte- te File-Sharing Plattform Napster, aber auch aktuellere Phänomene wie MySpace und der iPod haben eine umfassende Debatte über die Bedeutung der Digitali- sierung für den gesellschaftlich-kulturellen Bereich der populären Musik aufkom- men lassen. Viele Kommentatoren zelebrierten die Entwicklungen Anfang des 21. Jahrhunderts als ›digitale Revolution‹, die zu einer Demokratisierung der popu- lären Musik führen würde. Diese Hoffnungen halten in weiten Kreisen bis heute an: Musik zirkuliert scheinbar grenzenlos im Internet und wird zum klassenlosen Allgemeingut stilisiert. Auch die Grenzen zwischen Produzent und Konsument, Sender und Empfänger scheinen zu verblassen. Bands und Musiker nutzen zuneh- mend digitale Aufnahmetechnik, um abseits der musikindustriellen Hegemonie Alben zu produzieren und hoffen via Internet die klassischen Distributionskanäle umgehen zu können. Einige Beobachter gehen in diesem Zusammenhang soweit, vom »Ende der Musikindustrie«1 zu sprechen. Es stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung tatsächlich als ein Prozess verstan- den werden kann, der zu einer Demokratisierung des gesellschaftlich-kulturellen Bereichs der populären Musik führt. In der vorhandenen Literatur, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Technik, gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und Musik beschäftigt, spielt die Thematik der Demokratisierung zwar eine zent- rale Rolle, jedoch fehlt es diesbezüglich an theoretisch fundierten Ansätzen.2 Dies ist aufgrund des umkämpften normativen Gehalts des Demokratiebegriffs jedoch höchst problematisch.3 Was in diesem Kontext genau unter Demokratie oder De- mokratisierung zu verstehen ist, bleibt unklar.

1 Janko Röttgers: Mix, Burn & R.I.P. Das Ende der Musikindustrie. Hannover 2003. 2 Vgl. bspw. Simon Frith: Art vs. Technology: The Strange Case of Popular Music. In: Simon Frith (Hg.): Popular Music. Critical Concepts in Media and Cultural Studies. London u. a. 2004, S. 107–121.; An- drew Goodwin: Rationalization and Democratization in the New Technologies of Popular Music. In: James Lull (Hg.): Popular Music and Communication. Newbury Park u. a. 1992, S. 75–100.; Paul Théberge: Any Sound You Can Imagine. Making Music/Consuming Technology. Hanover u. a. 1997.; David Hesmond- halgh: Digitalisation, Music and Copyright. Open University 2007. Verfügbar unter: http://ics.leeds.ac.uk/ staff/details.cfm?id=96 (11.07.2008). 3 David Collier/Levitsky, Steven: Democracy ›With Adjectives‹. Conceptual Innovation in Comparative Re- search. University of Notre Dame 1996.; David Trend: Democracy’s Crisis of Meaning. In: David Trend (Hg.): Radical Democracy. Identity, Citizenship and the State. New York u. a. 1996, S. 7–18. 270 Jobst Miksche cation in social and theory cultural history, where they come to be cast as divine actors. In ›impact‹ any and technology a larger cultural context. Technologies sometimes between enjoy a connection certain level enduring of deifi the forget to tempting and easy both is it machinery, digital new »Situated as we are amid torrential rains of capitalist development and marketing that pelt us with beeinflusst. einseitig Umwelt ihre gemäßdes Reiz-Reaktions-Schemas die erscheinen, Kraft wirkende Gesellschaft der außerhalb von als Technik lassen Gesellschaft‹ der Demokratisierung zur führt Digitalisierung ›die oder trie‹ Musikindus der Ende das bedeutet Internet ›das wie Kausalzusammenhänge ple Hoffnungeneiner Revolution‹ ›digitalen kommt dies deutlichzum Sim Ausdruck. einher. technischenDeterminismus eines Gefahr auchdie geht Unschärfe 8 7 In: Internet. box 6 In: ty. MP3 Players and the Reconfigurationof Music Collecting and ReproductionPractices in Age. the Digital torik der Medienwirtschaft handelt. Vgl. hierzu David Beer: The Iconic Interface and the Veneerof Simplici darauf hin, es dass sich bei den Repräsentationen der Revolution‹ ›digitalen zumeist um die Marketingrhe 5 u. Frankfurt Schulz-Schaeffer: Ingo hierzu Vgl. determinieren. Wandel gesellschaftlichen ihrerseits Entwicklungen technische dass aus, davon geht Technikdeterminismus konsequentielle Der ist. gemeint letzterer Zusammenhang diesem in wovon Technikdeterminismus, konsequentiellen und 4 popu der Bereich gesellschaftlich-kulturellen dem in Transformationsprozessen und Machtverhältnissen von Analyse die für Mouffe Chantal und Laclau Ernesto nach Demokratie pluralistischen und radikalen der Begriff den beabsichtigt, und Forschungsdesiderat an skizzierten dem an setzt Artikel vorliegende Der worten? beant Determinismus technischen eines abseits Digitalisierung der Zuge im sen in Weiseeinseitiger auf diese. sie wirkt noch verorten, Gesellschaft der außerhalb weder Technik sich lässt mechanisms«. into crystallized processes material and cultural, »Technologiesan: Sterne Jonathansocial, auch repeatable are merkt So deutlicht. fassenden Betrachtung der sozialen, kulturellen und ökonomischen ver Kontexte von Digitalisierung gestellt, durchFrage mehrere Musik in Studien der hinsichtlich wurde Wirkungskette monokausale Diese change.«historical of agents primary as themselves technologies cast narratives Such relations. human ›impact‹ to arethat came down technologies narratives, frommysterious obscure with beings origins the sky

Information, Communication &Society . Lanham u. . Lanham Mit dem alltagssprachlichen Gebrauch des Begriffs und der daraus folgenden daraus der und Begriffs des Gebrauch alltagssprachlichen dem Mit Wie lässt sich nun die aufgeworfene Frage nach demokratisierenden Prozes demokratisierenden nach Frage aufgeworfene die nun sich lässt Wie Vgl. hierzu auch Degele: Nina hierzu Vgl. 8. 2003,S. Sterne Tom: Burkart/McCourt, Patrick Vgl. Jonathan Sterne: genetischen des Formen grundsätzlichen zwei den zwischen unterscheidet Schulz-Schaeffer Ingo a. 2000, S. 21. 2000,S. a. Media, CultureMedia, &Society a. 2006.; Andrew Leyshon et al.: On the Reproductional.: On et the Economyof Musical 2006.; Andrew Leyshon a. After the 5 The Audible Audible The Past Einführung indie Techniksoziologie Einführung 8 . London u. . London . Durham, NC 2003, S. 7.; S. 2003, NC Durham, . Auch DavidPaul und Beer weisen Théberge . London u. . London Digital Music Wars. Ownership and Control of the Celestial Juke Celestial the of Control and Ownership Wars. Music Digital a. 2005, S. 177–209.; Hesmondhalgh. 177–209.; 2005,S. a. a. 2008, S. 71–88, 79ff.; Théberge, S. 250. S. 71–88,79ff.; Théberge, 2008,S. a. 6 was die Notwendigkeit einer um einer Notwendigkeit die was . München 2002, S. 177.. München 2002,S. oilhoi dr Technik. der Sozialtheorie 7 In diesem Sinne diesem In 4 In den In ------271 lären Musik fruchtbar zu machen.9 Die Autoren entwerfen eine Theorie des po- litischen Handelns, die es ermöglicht, die Entwicklungen abseits monolithischer Wirkungszusammenhänge zwischen Technik und Gesellschaft zu beleuchten. Nach einer Skizzierung des zugrunde liegenden Demokratiebegriffs (1) werde ich ausgehend von der Geschichte der MP3 (2) und des Peer-to-Peer (P2P) Netzwer- kes Napster (3) Potenziale und Gefahren für demokratisierende Prozesse verdeutli- chen und diskutieren (4). Mein Ziel ist es, durch die Betrachtung der Entwicklun- gen im zeitlichen Verlauf zentrale Tendenzen des Prozesses herauszuarbeiten.

1. Radikale und pluralistische Demokratie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe Unter einer radikalen und pluralistischen Demokratie verstehen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe eine Vertiefung und Ausweitung der demokratischen Ideale der Freiheit und Gleichheit in den unterschiedlichen Bereichen des sozialen Le- bens. Das Ziel ist es, Unterordnungsverhältnisse zu bekämpfen und die demokra- tischen Ideale in zunehmendem Maße für alle sozialen Akteure geltend zu ma- chen.10 Das Anliegen der Autoren ist es nicht, eine gänzlich neue politische Form der Gesellschaft zu konzipieren, sondern die symbolischen Ressourcen der libe- ralen Demokratie11 zu nutzen, um die Demokratisierung in vielfältigen sozialen Räumen zu radikalisieren und intensivieren.12 Bei der Betrachtung von Unterord- nungsverhältnissen und Antagonismen konzentrieren sich die Autoren sowohl auf ökonomische Verhältnisse, als auch auf Aspekte wie Gender, ›Rasse‹ und sexuelle Orientierung. Damit nehmen sie bezüglich der Ökonomie – und somit entgegen der traditionellen sozialistischen Interpretationsweise – eine antiessentialistische und antireduktionistische Haltung ein.13 In den Überlegungen der Autoren spielt der radikale Pluralismus sozialer Ak- teure und Logiken eine zentrale Rolle. Pluralismus wird verstanden »as the prin- ciple that individuals should have the possibility to organize their lives as they wish, to choose their own ends, and to realize them as they think best«.14 Nicht ein

9 Ernesto Laclau/ Chantal Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxis- mus. Wien 2000. 10 Vgl. Chantal Mouffe: Radical Democracy or Liberal Democracy? In: David Trend (Hg.): Radical De- mocracy: Identity, Citizenship and the State. New York u. a. 1996, S. 19–26, hier S. 20. 11 »What we advocate is a type of ›radical liberal democracy‹ – we do not present it as a rejection of the liberal democratic regime or as the the institution of a new political form of society« (Mouffe, S. 20). Mouffe verweist in diesem Zusammenhang auf die meist negative Attribution des Begriffs Liberalismus seitens der Linken und macht deutlich, dass die verschiedenen Diskurse, die unter dem Begriff geführt werden, nicht als identisch erachtet werden dürfen. »When we speak of a liberal democratic ›regime‹ we are concerned with a political form of society and with political liberalism. To value the institutions which embody political liberalism’s principles does not enquire us to endorse either economic liberalism or individualism« (ebd., S. 20). 12 Vgl. Laclau/Mouffe, S. 223. 13 Vgl. Mouffe, S. 20. 14 Ebd., S. 20. 272 Jobst Miksche betracht von der Existenz Macht und pluralistischen Interessen vereinbarensind«. zu Wertendemokratischen mit die sind, konstruieren zu Machtformen wie sondern ist, eliminieren zu Macht wie nicht, deshalb lautet die Unerreichbarkeit einervollkommenennismen sowie dieser. Abschaffung demnach die Existenz von entstehen.Macht akzeptiert Das und Konzept Antago voraus, die zwischen den differierenden Interessen verschiedenersozialer Akteure Konflikten von Akzeptanz die Mouffe und Laclau laut setzt wird, verstanden gen kulieren. arti zu diese Vielfaltvon Interessenselbstbestimmten einer Möglichkeit, die und Akzeptanz die sondern Ziel, das hierbei ist Konsens gesellschaftlicher homogener 21 20 19 18 17 16 and Culture.An Introduction CulturalPopular Theory Storey: John hierzu Vgl. verknüpfen‹. zu ›etwas Sinne im anderen zum und bringen‹ zu Ausdruck zum 15 ande der jenen mit Gruppe einzelnen jeder Forderungen die daß verändert, so Identitätdie der verschiedenen derGruppen »common neuen sense, eines es darf be kann, kommen Interessen pluralen den zwischen Verhältnis ausgeglichenen möglichst einem zu es Damit einschränken. wechselwirkend anderer Freiheit die und widersprechen gegenseitig jedoch sich sein, legitim sich in zwar können pen Grup sozialer einzelner Interessen und Forderungen beruhenden heitsprinzips mokratischen Äquivalenz« Unterordnung konstruiert«. der Verhältnis einem in Subjekt ein das ist, Verhältnisses sozialen eines mation Transfor die Ziel dessen »Handlungstyp, einen um es geht Vielmehr aus. nicht jedoch Ebene diese schließen – Staates des und Parteien der Ebene auf Handeln werdentet können. erach provisorisch und partiell als lediglich Ergebnisse erzielten die dem bei tig, nö Aushandelns und Handelns politischen des Prozess stetiger ein somit ist Es ausschließt.« Verwirklichung vollen ihrer Möglichkeit die Demokratie modernen der Existenz wahre die daß akzeptieren, werdenerreichtGleichgewicht zu ein könnte. wir Demnach haben endgültig dem an Endpunkt, keinen gibt werden; es ausgehandelt neu geschaffen und neu Artikulationen beständig jedoch sollten Diese bestehen. Artikulation ihrer Notwendigkeit der und Logiken sozialer falt einer radikalen und pluralen Demokratie die Erfahrung »kann nur deraus Anerkennung der Viel iru shißn i Atrn »i wctgt Fae eortshr Politik demokratischer Frage wichtigste »Die Autoren: die schließen Hieraus In diesem Zusammenhang sind die Grenzen und Vorraussetzungen einer »de Vorraussetzungeneiner und Grenzen die sind Zusammenhang diesem In Ebd., S. 227. S. Ebd., S. 193. Laclau/Mouffe, 24. Mouffe,S. Vgl. 29. S. Ebd., 24f. S. Ebd., 24f. S. Laclau/Mouffe, Vgl. ›etwas Sinne im einen zum Bedeutung doppelten seiner in Artikulation Begriff den benutze Ich 15 Der radikale Pluralismus einer Gesellschaft, die konsequent als hetero als konsequent die Gesellschaft, einer Pluralismus radikaleDer 18 19 Unter politischem Handeln Unter politischem verstehen Autorendie nicht nur 21 von Bedeutung. Die auf des dem GleichHintergrund 20 . Harlow 2001, S. 11. . Harlow 2001,S. 17 In An In 16 ------273 ren äquivalent artikuliert werden«.22 Das Ziel ist demnach die Konstruktion einer Äquivalenzkette, die durch die gemeinsame Artikulation der verknüpften Positio- nen die Formung einer hegemonialen Position ermöglicht. Der individuelle Kampf einzelner Gruppen kann dies nicht erreichen.23 Eine totale Äquivalenz zwischen den Gruppen kann es laut Laclau und Mouffe jedoch nicht geben. Dies erfordert die Ergänzung des demokratischen Prinzips der Gleichheit um die zusätzliche For- derung nach Freiheit. Erst dies ermöglicht eine radikale und plurale Demokratie, da es nötig ist, die Rechte Einzelner nicht isoliert zu betrachten, sondern immer im Kontext der Auswirkungen auf das Freiheitsprinzip anderer Subjekte.24 Das hier geschilderte Verständnis individueller Freiheit widerspricht dem »gefährli- chen Traum eines perfekten Konsens« und eines »harmonierenden kollektiven Willens«.25 Wie Laclau und Mouffe deutlich gemacht haben, können demokratisierende Prozesse in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen stattfinden. Die Form, Aus- prägung oder Vorstellung dessen, was als Demokratie oder demokratisch erachtet wird, ist aufgrund der Vielfalt und Differenz einzelner Bereiche variabel und in Be- zug auf den jeweiligen Bereich zu erörtern. Es bedarf dementsprechend der genau- eren Betrachtung einzelner sozialer Räume und der in ihnen existierenden Macht und Unterordnungsverhältnisse, um konkrete Forderungen zu formulieren.26 Im weiteren Verlauf möchte ich populäre Musik als einen dieser gesellschaftlich-kul- turellen Bereiche verstehen. Das hier dargelegte Demokratieverständnis wirft eine Vielzahl an Fragen auf und verdeutlicht die Produktivität des Ansatzes: Trägt die Digitalisierung dazu bei, verschiedene Unterordnungsverhältnisse zu beseitigen oder zu lindern und eine freiere und gleichberechtigtere Gestaltung der individuellen Interessen und Vor- stellungen in der populären Musik zu ermöglichen? Welche Formen von Unterord- nungsverhältnissen lassen sich in diesem Kontext identifizieren und auf welche Weise könnte die Digitalisierung dazu beitragen, diese Unterordnungsverhältnisse zu intensivieren oder abzuschwächen? An dieser Stelle möchte ich mich darauf beschränken, der Frage nachzugehen, ob die Digitalisierung dazu beitragen kann, die Machtverhältnisse im gesellschaft- lich-kulturellen Bereich der populären Musik auf eine Art neu zu etablieren, die sich mit den demokratischen Werten stärker vereinbaren lässt.27 In diesem Sin-

22 Ebd., S. 227. 23 Vgl. Dave Castle: Hearts, Minds and Radical Democracy. (Interview mit Chantal Mouffe und Er- nesto Laclau). In: Red Pepper. London 1998. Verfügbar unter: http://www.redpepper.org.uk/article563. html (03.08.2008). 24 Vgl. Laclau/Mouffe, S. 228. 25 Mouffe, S. 20, Übs. J. M. 26 Vgl. Laclau/Mouffe, S. 229. 27 Die in diesem Artikel diskutierten Beispiele und Betrachtungsebenen stellen nur einen Ausschnitt möglicher Diskussionsansätze dar. Für eine umfassende Betrachtung vgl. Jobst Miksche: Demokratisie- 274 Jobst Miksche of resistance to the corporate control of popular music«. popular of control corporate the to resistance of source a been has »TechnologicalchangeAutonomie: für Chance als Musik lären popu der in Entwicklungen technologische die betrachtet hingegen Frith Simon kann. werden ausgeübt Musik von Produzieren und Konsumieren das über trolle Kon- Hilfe dessen mit Industrie, der Instrument als sie stilisieren Kritiker men. wahrgenom negativ häufig Musik populären der in wird Technik der Rolle Die der undMP3 Umdeutung Aneignung 2. Die Techniksierende Prozessedigitaler imKontext herausarbeiten. und Potenzialeder niknutzern Musikindustrie aber auch Gefahren für demokrati Tech zwischen Dynamiken der Betrachtung näheren einer anhand ich werde ne 32 15–30, 23. S. hier S. (Hg.): Dies. In: delns. 31 30 29 verstehen zu und bezieht sich imWesentlichen(Recording Industry) 4 (siehe unten). auf die Big MusikKonsumWertvonoderschöpfen.rung MusikindustriePlattenindustrieSinneder imdagegen ist dient im Folgenden als sämtlicherSammelbegriff Unternehmen, die ausProduktion, Distribution, Speiche der Musik Enzyklopädie Allgemeine grenzen (vgl. Peter Wicke: Musikindustrie. In: Ludwig Finscher (Hg.): 28 2007. Göttingen an der Georg-August-Universität Digitalisierung der Grenzen und Möglichkeiten Musik. populäre und rung Anknüpfend an die Position von Frith lässt sich auch die MP3 als eine Technologieinstrument«. recording a into set television or player CD your turn to enough, obviously possible, isn’t »It Technologievariieren. nach je und lassen beschreiben unerschöpflich als nicht sich Potenziale diese dass anzumerken, ist Gleichzeitig Medientechnologien«. der Bedeutung die entsteht Menschen der nungsweisen den können. »Erst im Zusammenspiel von Potenzialen der Technik und den Aneig Potenziale,gewisse die im Prozess der durchAneignung wer ihre Nutzer aktiviert inden Bereich und überführt. somit der Musikproduktion umgedeutet trument für Musik wurde in der kulturellen Praxis des Scratch-Mixings zu einem Musikins des Plattenspielers durch die Umdeutung Hip-Hop Kultur und erläutert. Die Reproduktionstechnologie Aneignung der Beispiel am er wie waren, eingeplant nicht neue Verwendungsmöglichkeiten entdeckt, die von den Produzenten ursprünglich menten und Musiker weitaus kreativer genutzt. Hierdurch werden nach Frith Konsu auch der Seiten von werden Musiktechnologien neuen Die duktionsabläufen. Pro von Rationalisierung die wie Ziele alter Erlangung effektivere die ist Ziel Das Weise.und Art konservative eine Technologienauf neuen die Musikindustrie die

Aus dieser Perspektive besitzen digitale Techniken wie das Internet oder die MP3 Goodwin, S. 77. S. Goodwin, Jutta Röser: Der Domestizierungsansatz und seine Potenziale zur Analyse alltäglichen Medienhan 116ff. S. ebd., Vgl. 116. S. Frith, ab voneinander trennscharf nicht sich lässt Musikindustrie und Musikwirtschaft Begriffspaar Das MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien neuer und alter Domestizierungsprozesse MedienAlltag. . 21 Bände in zwei Teilen. Kassel u.

a. 1997, S. 1343–1362). Musikwirtschaft Die Die Musik in Geschichte und Gegenwart. . Unveröffentlichte Magisterarbeit . 29 Laut Frith verwendet verwendet Frith Laut 28 . Wiesbaden 2007a, 2007a, Wiesbaden . 30 32 31 ------

275 beschreiben, die das Potenzial besitzt, eine ermächtigende Ressource im Alltags- handeln ihrer Nutzer darzustellen. Die MP3 (MPEG-1, Layer 3) ist einer von mehreren Bestandteilen des MPEG-1 Standards. Die Motion Picture Experts Group (MPEG) formierte sich 1988 mit der Unterstützung der International Standards Organization (ISO). Ziel der Exper- tengruppe war es, einen Datenkompressionsstandard zu erschaffen, der sämtliche Formen digitaler Medien umfasst. Dementsprechend bestand von Seiten zahlrei- cher wirtschaftlicher Akteure aus den Bereichen Hörfunk, Fernsehen, Tele- und Sattelitenkommunikation ein ausgeprägtes Interesse an der Entwicklung des In- dustriestandards. Die Hoffnung war es, die standardisierten Daten auf einfache und effiziente Weise über verschiedene Plattformen und Systeme transportieren zu können und somit die Arbeitsabläufe in und zwischen unterschiedlichen In- dustriebereichen effektiver zu gestalten.33 Der MP3-Codec wurde letztlich von der Fraunhofer Gesellschaft im Rahmen des Projekts als offener Standart entwickelt.34 Das heißt, dass die Technik zum einen keine eingeschriebenen Reglementierun- gen enthält und zum anderen öffentlich zugänglich ist, so dass Software entwi- ckelt werden kann, die es erlaubt den Standart weiter zu verwenden.35

»If one is looking for the cultural origins of the promiscuity among illegal file-sharers, one need look no further than this founding moment. The possibility for quick and easy transfers, anony- mous relations between provider and receiver, cross-platform compability, stockpiling and easy storage and access – all were built into the MPEG form itself long before the age of Napster, Gnutella, Hotline, iTunes and Rio.«36

Jugendliche Nutzer machten sich die geschaffenen technischen Möglichkeiten zu- eigen und begannen lange vor dem Start von Napster mit dem Austauschen von Musikdateien über das Internet.37 Bereits 1992 gelang es einem Hacker namens SoloH den MP3-Codec von dem Universitätsserver eines der Entwickler zu ent- wenden. Innerhalb von 2 Jahren zirkulierten qualitativ hochwertige Musikdateien über tausende von Newsgroups und Fan-Webseiten.38 Das von den Produzenten

33 Vgl. Jonathan Sterne: The Mp3 as Cultural Artifact. In: New Media & Society. London 2006, S. 825–842, hier S. 829. 34 Für die Verbreitung von Musik über das Internet musste ein Weg gefunden werden, die Daten- menge der Musikstücke zu verkleinern – also zu komprimieren. Bei den Technologien, die dies leisten können, handelt es sich um Codecs (COder/DECoder). Hierzu stehen heutzutage mehrere Formate zur Verfügung, wobei das vom Fraunhofer-Institut entwickelte MP3-Format das am weitesten verbreitete ist. Vgl. Judy Dunaway: The MP3 Phenomena and Innovative Music. 2001. Verfügbar unter: http://on1. zkm.de/zkm/Institute/musik/texte/MP3 (10.11.2006). 35 Vgl. Tarleton Gillespie: Wired Shut. Copyright and the Shape of Digital Culture. Cambridge 2007, S. 41. 36 Sterne 2006, S. 829. 37 Vgl. Peter Wicke: Vom Song zur Soundfile. Das Internet als musikalische Interaktionsplattform. 2000. Verfügbar unter: http://www2.hu-berlin.de/fpm/texte/wicke7.htm (20.11.2006). 38 Vgl. Gillespie, S. 41. 276 Jobst Miksche von undPCs dem Internet vier zusammenhängende Technologien zu der derzeiti werden. Schreckgespenst der Musikindustrie (vorläufigen) zum Digitalisierung die konnte Technologien anderer und MP3 der können. schaffen tur Leute« »die denen Ressourcen,aus als mitunter sie dienen doch werden, produziert Nutzer) jugendliche Beispiel diesem in (wie Gesellschaft der ter (wie in diesem Fall die MP3) zwar meist nicht von den subordinierten Gruppen Gü kulturindustrielle können Johnausführt, Fiske Wie Moment. ermächtigende der auch sich ergibt hieraus Eben gesetzt. Kontext neuen einen in und aktiviert Nutzern den von somit wird und wurde Potenzial eingeschriebene Technik der Education and Training and Education Providers inthe North-West Smaill: Adele (Hg.): al. et Frith 43 42 41 40 ander Peripherie). 9. Fiske 1993, S. Gruppen und subordinierten »power-bloc« (den mächtigen, stehenden und im people« »the (den Zentrum Gruppen) marginalisierten 39 häusli die in Technologien der Einbindung fortschreitende die werden hierunter – Domestizierungsprozesse dass Forschungsarbeiten zeigen, Internetnutzung zur moderieren. Techniken der Nutzung wie Zugang und sind und Gender Kapital auch im von Zeitalter der zentraler Digitalisierung Bedeutung esses und uns erinnert daran, dass Faktoren wie ökonomisches Kapital, kulturelles ge rückt empirisch ausgerichtete Forschungsansätze in den Mittelpunkt des Inter FravorhandenenPotenzialen Diese machen? tatsächlichMöglichkeiten genutzte theoretisch den aus sich lassen Wie Technikenpartizipieren. den zu an bedarf, es was nachzugehen, Frage der Demokratie pluralistischen einer hinsichtlich es gilt werden, inihnen keinen wenn erkennen. die Nutzer Gebrauchswert Prozess können die Technologien gegebenenfalls umgedeutet aber auch abgelehnt werden, angeeignet um ihr den PotenzialNutzern entfalten zu können. In diesem laden. zu herunter und suchen zu Internet im diese Dateienkonvertierenund in zu CDs von öffentlichzugänglicher undeinfach zu handhabender Software, die es erlaubt, Erschaffung Die 4. sowie Boxen, und Player CD Soundkarten, Speicherplatz, ßem gro mit Computern Multimedia von Einführung Die 3. Kabel, und ADSL ISDN, 2. Kompressionsstandart, Die Verbreitung von Breitband-Internetanschlüssen wie im Bereich der 1. Musik Derbeigetragen: MP3 gen der Ausprägung Digitalisierung Wie David Hesmondhalgh verdeutlicht, haben neben der weiten Verbreitung weiten der neben haben verdeutlicht, Hesmondhalgh David Wie An dieser Stelle müssen zwei Einschränkungen gemacht werden. Zum einen Zum werden. gemacht Einschränkungen zwei müssen Stelle dieser An Vgl. bspw. Goodwin, S. 92; Paul Théberge: ›Plugged in‹. Technology and Popular Music. In: Simon In: Music. Popular and in‹. Technology ›Plugged Théberge: Paul 92; S. Goodwin, bspw. Vgl. 23. S. 2007a, Röser Vgl. 4. Hesmondhalgh, S. Vgl. JohnVgl. Fiske: Fiske: John 41 Wie ich anhand der MP3 gezeigt habe, müssen diese Techniken erst von Technikenerst diese müssen habe, gezeigt MP3 der anhand ich Wie Challenging Gender Segregation in Music Technology: Findings and Recommendations for Music Recommendations and Technology: Findings Music in Segregation Gender Challenging Power Plays. Power WorksPower Plays. Power The Cambridge Companion to Pop and Rock and Pop to Companion Cambridge The Reading the Popular Reading 40 Erst durch die erfolgreiche Aneignung und Umdeutung Umdeutung und Aneignung erfolgreiche die durch Erst . London u. . London . London u. London . . University of Salford. University of 2005. a. 1997,a. 2ff. S. a. 1993, S. 9.; Fiske unterscheidet zwischen dem zwischen unterscheidet Fiske 9.; S. 1993, a. . Cambridge u. Cambridge . 43 a. 2001, S. 3–25, hier S. 13.; S. hier 3–25, S. 2001, a. Auch wenn aktuelle wenn Auch 39 ihre eigene Kul eigene ihre 42

------277 che Sphäre und das Alltagshandeln gefasst44 – zu einer steigenden Teilhabe an den Technologien beitragen, lässt sich nicht von einer vollkommenen Aufhebung der sozialen Differenzen ausgehen.45 Zum anderen dürfen diese Ausführungen nicht als eine Form von grenzenloser Konsumentenermächtigung missverstanden wer- den, wie ich im nächsten Abschnitt ausgehend von der Geschichte der File-Sharing Plattform Napster verdeutlichen werde.

3. Das Napster-Urteil und seine Folgen Im August 1999 ging Napster online. Das von dem damals 19 jährigen Musikenthu- siasten Shawn Fanning geschriebene Programm erlaubte es Internetnutzern fort- an, MP3 Dateien im Netz zu suchen und kostenlos von fremden Rechnern herun- ter zu laden. Die hinter dieser Entwicklung stehende Idee war die Annahme, dass die Urheberrechtsgesetze auf diese Weise eingehalten würden, da es erlaubt war, eine kleine Anzahl von Kopien einer erworbenen CD an Freunde und Bekannte weiterzugeben.46 Die Online-Community wuchs bis August 2000 auf 6,7 Millionen Nutzer an.47 Für Teile der Nutzer stellte das Tauschen von Musik eine reziproke »Geschenkökonomie«48 dar, deren Kern eine Ethik ist, die sich als eine Form von antikommerziellem Anarchismus beschreiben lässt.49 Musik sollte in ihrer virtuel- len Form frei zugänglich und nutzbar sein. Napster lässt sich aufgrund der ermög- lichten Nutzerpraxis als »disruptive technology«50 bezeichnen: Die Technologie besaß das Potenzial, die Machtverhältnisse auf dem Musikmarkt vorübergehend zu destabilisieren und die Hegemonie der Big 451 in Frage zu stellen Die Musikindustrie reagierte prompt. Bereits im Dezember 1999 reichte die Recording Industry Association of America (RIAA) Klage gegen Napster ein und

44 Vgl. für eine ausführliche Darstellung Röser 2007a. 45 Vgl. Jutta Röser: Wenn das Internet das Zuhause erobert. Dimensionen der Veränderung aus eth- nografischer Perspektive. In: Dies (Hg.): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden 2007b, S. 157–171, hier S. 158ff., 70. 46 Vgl. Golo Föllmer: Netzmusik. Elektronische, ästhetische und soziale Strukturen einer partizipativen Mu- sik. Hofheim am Taunus 2005, S. 58. 47 Vgl. Burkart/McCourt, S. 55. 48 Andrew Leyshon: Scary Monsters? Software Formats, Peer-to-Peer Networks, and the Spectre of the Gift. In: Environment and Planning D: Society and Space. London 2003, S. 533–558.; vgl. auch Markus Giesler: Cybernetic Gift Giving and Social Drama. A Netography of the Napster File-Sharing Community. In: Michael Ayers (Hg.): Cybersounds. Essays on Virtual Music Culture. New York 2006, S. 21–55. 49 Vgl. Hesmondhalgh, S. 5. 50 Burkart/McCourt, S. 43.; Patrick Burkart und Tom McCourt definieren den Begriff wie folgt: »A ›disruptive technology‹ – as we use the term – upsets a long-standing business model in an existing market. In the process it alters established relationships between industry stakeholders and threatens to superannuate or supplant markets under their control« (Burkart/McCourt, S. 44). Der Begriff wird hier mit ›widerspenstige Technologie‹ übersetzt. 51 Der Begriff ›Big 4‹ bezeichnet das Oligopol der vier größten Unternehmensgruppen der Musikin- dustrie. Hierzu zählen Universal, Sony/BMG, EMI und Warner. Die Unternehmen dominierten 2002 75% des globalen Musikmarktes. Vgl. Burkart/McCourt, S. 25. 278 Jobst Miksche music industry has fallen back on an old strategy, well rehearsed in its industrial industrial its in rehearsed well strategy, old an on back fallen has industry music revitalisiert. Musik für Online-Distributionsplattform legale als 2003 und Innovationenihrer durch technologischen Teile übernommen der Musikindustrie samt letztlich wurde Firma Die dar. VerletzungUrheberrechtsgesetze eine der ter Dies stellte aus Sicht Rich der zuständigen verwaltet. von einem zentralen Server Die Suchanfragenzentral und funktionierte. Datenstandorte wurden noch immer ster. Das Unternehmen verlor die Verhandlung, die da Software nicht gänzlich de Nap- gegen Schuldspruch basierende Urheberrechtsgesetzen auf der folgte 2000 des Netzwerks. sikpiraterie‹globalen Im Juli und dieintendierte Kriminalisierung ›MuFormder als verdammteRIAA die führen. DasNutzerverhalten sikindustrie Mu der ›Untergang‹ zum würde Technologie Verbreitungder die argumentierte, 55 83ff. füreineausführliche Darstellung S. Vgl. Miksche, werden. thematisiert weiterführend nicht jedoch Stelle dieser an die feststellen, Musikproduktion der Bereich im auch sich lassen Entwicklungen Ähnliche Verbreitung qualitativen Musik. und von titativen werden musste, das ermöglicht Internet verbundenverbreitet mit der digitalen Kopie ein umständlich neues Ausmaß der quan relativ und kopiert mühsam noch Audiokassette die Wo geändert. signifikant ziehen (vgl. Miksche, S. 52 ff.). Doch dieMittel und vor allem die Potenziale der haben Technologien sich So lassen sich beispielsweise Parallelen zu der Aneignung der bespielbaren Audiokassette in den 1980ern haben. beigetragen Machtgefüges musikindustriellen des Destabilisierung einer zu vorübergehend die andererwie anhand entstanden, Digitalisierung nicht ist der flikt erstZuge im wird,Techniken deutlich Culture Music Virtual on 54 53 52 Musi die experimentiert So können. werden artikuliert Interessen eigenen ihren in Ressourcen,die technische als mitunter Musikindustrie Napsterder wie logien Rhapsody. oder Music (iTMS) iTunes Store der wie entwickelt Plattformen File-Sharing den zu Alternativen bringen. zu Kontrolle unter wurden, kiert flan PR-Kampagnen umfangreichen von meist die Maßnahmen, politische und rechtliche technische, durch Konsumenten Verhaltender das Musikindustrie die versuchte entgegen Dem sollten. regulieren Musik von Verbreitung Nutzung und die Barrieren, technologische neue wieder immer überwanden Hacker und chen ma zu aufmerksam Copyright-Gesetzgebung limitierenden der Gefahren rellen kultu die auf um Aktionen, und Kampagnen initialisierten Bürgerrechtsgruppen und Dangermouse DJ wie Künstler Napster. substituierten BitTorrent und key Fronten eDon ab. Neue Generationen von P2P KaZaA, wie Plattformen Gnutella, zahlreichen an sich folgendenspielte Jahrenden und in zunehmend sich schärfte ver Konflikt langjährige Der Techniknutzern zwischen zung Musikindustrie. und and then finally subversionto their andtion dalliances, and takeover«. experimenta to way gives which technologies, disruptive resistanceto history, of Das Ende von Napster bedeutete jedoch nicht das Ende der Auseinanderset der Ende das nicht jedoch bedeutete Napster von Ende Das Für eine Übersicht vgl. IFPI 2008. IFPI Für eineÜbersicht vgl. Vgl. bspw. Michael Ayers: The Cyberactivismof a In:Dangermouse. Ders. (Hg.): 127. S. Ebd., 55ff. S. ebd., Vgl. . New York 2006, S. 127–136.; Burkart/McCourt, S. 43ff.; Der hier skizzierte Kon 43ff.; skizzierte hier Der S. New. York 127–136.;Burkart/McCourt, S. 2006, 55 Dabei dienen die einst widerspenstigen Techno widerspenstigen einst die dienen Dabei 54 Ergänzend wurden zahlreiche legale legale zahlreiche wurden Ergänzend Cybersounds. Essays Cybersounds. Essays 53 52 »The ------279 kindustrie mit einer Ummodellierung bestehender P2P Netzwerke mit dem Ziel, aus diesen profitträchtige Portale zu gestalten und sich dabei des subkulturellen Kapitals zu bedienen.56 Doch trotz der immensen Anstrengungen das Nutzerverhalten zu reglemen- tieren, bleiben die zukünftigen Entwicklungen ungewiss. Dies illustriert auch der aktuelle Digital Music Report 2008 der International Federation of the Phonografic Industry (IFPI):

»Widespread copyright theft continues to be the most significant barrier to the development of a legitimate digital music business. […] Digital piracy is also developing into more varied forms, requiring more sophisticated anti-piracy enforcement strategies and highlighting the critical need for increased cooperation from the internet’s gatekeepers, the ISPs.«57

Doch wie David Hesmondhalgh schlussfolgert, sollte aus diesem Umstand nicht der Fehler begangen werden, von einer langfristigen Umwälzung des Machtgefü- ges auf dem globalen Musikmarkt auszugehen.58

»But it is important to realize that the music business has always had to fight over the boundaries between the ›legitimate‹ forms of musical consumption – those involving income flows to them – and ›illegitimate‹ ones. […] Rather than outright collapse, the big issue facing the major music corporations over the next decade is how best to achieve the shift to ›legitimate‹ forms of digital distribution.«59

Zwei der momentan bedeutendsten Schritte zur Etablierung eines profitträchtigen Geschäftsmodells für die Distribution digitaler Musik werden als Digital Rights Managment (DRM) und Customer Relationship Management (CRM) bezeichnet. DRM zielt auf die Regulierung von Zugang und Nutzung digitaler Musik ab. Hier- zu können beispielsweise Informationen über den Eigentümer, die Zugangsrechte, sowie Mechanismen, die einen ›korrekten‹ Gebrauch der Produkte garantieren sol- len, in digitale Musikdateien eingeschrieben werden.60 Unter CRM werden Mar- ketingaktivitäten bezeichnet, deren Ziel es ist, im Internet Informationen über einzelne Konsumenten oder Konsumentengruppen zu sammeln und auf diese Weise ein gezieltes Marketing zu ermöglichen. Die gesammelten Informationen können an andere Unternehmen weiterverkauft werden.61 Für den Fall, dass die bislang unausgereiften Vorhaben der Musikindustrie vollends verwirklicht werden sollten, ziehen Burkart und McCourt einen pessimistischen Schluss:

56 Vgl. Hesmondhalgh, S. 7. 57 IFPI: IFPI Digital Music Report 2008. Revolution, Innovation, Responsibility. 2008. Verfügbar unter: http://www.musikindustrie.de/digital_music_reports.html (30.07.2008), S. 5. 58 Vgl. Hesmondhalgh, S. 5.; vgl. hierzu auch Burkart/McCourt.; Leyshon et al. 2005. 59 Hesmondhalgh, S. 5. 60 Vgl. Burkart/McCourt, S. 101ff. 61 Vgl. ebd., S. 94. 280 Jobst Miksche aufgrund ihrer Kompressions- und Klangqualität, viele andere Formate wie das das wie Formate andere viele Klangqualität, und Kompressions- ihrer aufgrund nicht sich erklärt MP3 der Gehalt ikonische der und Erfolg anhaltende heute bis Der reglementieren. zu Konsumentenverhalten das ist, bestrebt die wirtschaft, Musik der Entwicklungen technischen die ihrerseits demnach beeinflussen zer Die am Beispiel der MP3 und Napster Aneignungspraktiken aufgezeigten der Nut cultural rent-seeking of hands the landlords.« in tenants become intervals, at rights access repurchaseforced and, to sale first to rights lose They suffer. will music of Fanscompany. e-commerce an by operated database online an in files access to rights restricted and temporary of enumeration an but collection a in recordings of list a really not is list The provider. the by owned list, favorites or database, a into collection music user’s the reduce will DRM and CRM planed, as goes all »If 62 einem in Subjekt ein das Verhältnisses sozialenist, eines Transformation die Ziel dessen [versteht], »Handlungstyp als Mouffe und Laclau von Sinne im Handeln politisches nun man WennNetzwerken. P2P an Partizipieren das wie repertoires der Aneignung aktivieren lassen. Die Technologien ermöglichen somit Handlungs ermächtigende Potenzialenologien die sichbesitzen, vonim Prozessden Nutzern nähereingehen. Möglichkeiten agierende inter drei auf diesbezüglich ich werde Folgenden Im lassen. vereinbaren stärker Freiheit und Gleichheit der Werten demokratischen den mit sich die etablieren, zu neu Art eine auf Machtverhältnisse die Chancen, gewisse Mouffe und Laclau von Forderungen der hinsichtlich Prozess der bietet Dennoch würde. bewirken Musik populären der Bereichs eine gesellschaftlich-kulturellen des unvermittelt Demokratisierung Digitalisierung die dass auszugehen, technischer davon ein Determinismus, wäre Es zurück. Frage gestellten Eingangs der zu wir Kommen lären Musik 4. Macht imgesellschaftlich-kulturellen und Bereich Antagonismen der popu eine Form Bedrohung. gesellschaftlicher den UntergangQualität, undklanglicher verbundender damit Musikindustrie für Gleichheit, Freiheit und Rebellion, andererseits steht sie als Symbol für den Verfall der Konsumentenpraktiken enthält die MP3Konnotationen geworden. Einerseits ten Zeichen im Spannungsfeld von Kontrollmechanismenmusikindustriellen und Aneignungspraktiken der Nutzer. Auf diese Weise ist die die MP3 zu einem umkämpf limitieren und Gebrauch den erschweren Hürden technischen Diese einher. Formaten und Playern verschiedenen zwischen Inkompatibilität der mit gehen chen GebrauchFormate erwarten. wie AAC enthalten stärkere DRM Auflagen und alltägli im Nutzer die Hürden, technischen geringen die sind Bedeutender gen. überle diesbezüglich sind (AAC) Coding Audio Advanced verwendete Apple von Wie ich am Beispiel der MP3 und Napsters gezeigt habe, können digitale Tech digitale können habe, Napstersgezeigt und MP3 der Beispiel am ich Wie Ebd., S. 128. S. Ebd., 62 ------281

Verhältnis der Unterordnung konstruiert«,63 ließen sich die thematisierten For- men des digitalen kulturellen Widerstandes als politische Handlungstypen inter- pretieren, die das Ziel der Demokratisierung des Bereichs der populären Musik verfolgen. Das Betreiben von P2P Netzwerken, die es ermöglichen, Musik mit schwächeren ökonomischen Barrieren zu konsumieren, frei zugängliche Kom- munikationsnetzwerke, in denen Mitglieder informelle Bildung für das Betreiben digitaler Produktionssoftware weitergeben, Online-Communities, die Computer- software einer breiten Gruppe von Akteuren zugänglich machen oder neue For- men des digitalen Protests lassen sich aus dieser Perspektive als demokratisieren- de kulturelle Praktiken verstehen. Im Zuge der Digitalisierung haben diese vielfältigen Handlungstypen dazu bei- getragen, die Machtstrukturen im gesellschaftlich-kulturellen Bereich der populä- ren Musik sichtbar und auf diese Weise verhandelbar zu machen.64 Vor allem an- hand der Effekte, die das Internet auf die Verbreitung von Musik hat, lässt sich ein zentraler Konflikt zwischen den Konsumenten und der Musikindustrie beobach- ten, wobei die Lager im Sinne eines radikalen Pluralismus von Interessen weder als homogen noch als stabil erachtet werden dürfen. Beide Gruppen unterteilen sich in diverse Subgruppen, Unternehmen, Institutionen und Individuen, die bei genauer Betrachtung differierende Interessen verfolgen.65 Diese lassen sich jedoch auf ei- ner höheren Ebene verallgemeinern. Seien es die Nutzer von P2P Netzwerken, die sich aus idealistischen Gründen für die kostenlose und grenzenlose Verbreitung von Musik einsetzen oder Künstlerinitiativen, die mit einzelnen Aktionen auf die limitierende Wirkung von Urheberrechten aufmerksam machen wollen, so lässt sich doch eine zentrale Konfliktlinie zwischen den zusammengefassten Interessen der Musikindustrie und denen der Konsumenten erkennen. Die widerspenstige Nutzung der digitalen Ressourcen ermöglicht es in diesem Kontext, Unterord- nungsverhältnisse im doppelten Sinne des Wortes zu artikulieren. Am Beispiel von Napster zeigt sich jedoch auch, wie die Musikindustrie mit Hilfe von öffentlichen Kampagnen wie Copy Kills Music die ›digitalen Praktiken‹ der Konsumenten nicht als Mittel der Demokratisierung sondern als gesellschaft- liche Bedrohung inszeniert. »It [der von der Musikwirtschaft erfolgreich geführte Prozess gegen Napster; Anm. J.M.] has shifted public discourse about the internet from the rights of consumers to the rights of the music industry, and it has en- coded its template into every media e-commerce experience«.66 Würde es nun im

63 Laclau/Mouffe, S. 193. 64 Vgl. hierzu auch Hesmondhalgh, S. 3. 65 Vgl. für eine Übersicht zentraler Nutzergruppen Janice Denegri-Knott: Sinking the Online ›Music Pirates‹: Foucault, Power and Deviance on the Web. 2004. Verfügbar unter: http://jcmc.indiana.edu/vol9/ issue4/denegri_knott.html (15.06.2008).; Burkart/McCourt, S. 137f. 66 Burkart/McCourt, S. 127.; vgl. hierzu auch Elizabeth Buchanan: Deafening Silence: Music and the Emer- ging Climate of Access and Use. In: Michael Ayers (Hg.): Cybersounds. New York 2006, S. 9–20, hier S. 9. 282 Jobst Miksche zeigt. Andererseits finden Nutzergruppen ebenfalls neue Wege die geschaffenen die Wege neue ebenfalls Nutzergruppen finden Andererseits zeigt. deutlich besonders DRM von Beispiel am Ebene technischer auf sich wie agieren re zu Konsumenten der Aneignungspraktiken kreativen die auf mittelfristig trie Musikindus- der es gelingt Einerseits ziehen. Schlüsse zentrale zwei Musik lären würden. thematisiert eventuell in eine Richtung verändern, aus der die Rechte der Konsumenten stärker fentliche Diskurs populärer Kontext im über die Musik Effekte derDigitalisierung öf der sich ließe berücksichtigt, wechselseitig Nutzergruppen pluralen der essen Inter vielfältigsten die der entwickeln, zu Ansatz gemeinsamen einen schafft, es die konstruieren, zu Äquivalenzkette eine Mouffe gelingen, und Laclau von Sinne 68 67 gerechtsellschaft werden. zu auf diese Weise den vielfältigen sozialen Logiken einer radikal-demokratischen Ge um berücksichtigen, Musik populären der Bereich gesellschaftlich-kulturellen im Unterordnungsverhältnisse möglicher Vielfalt die Forschungsprojekte zukünftige sollten Ebenso bereichern. Musik populärer Digitalisierung die um Diskussionen zukünftigen die Weise diese auf könnten und liefern zu Entwicklungsprozessen gesellschaftlichen und Technik zwischen Zusammenhängen von Analyse Zugang der zu systematischen einen es, vermögen Betrachtungsweisen soziologische erkennen zu Ansätzen in erst ven auf die aktuellen Entwicklungen zu eröffnen.Bestrebungen sind diesbezüglich gerungen entgegenzutreten, erscheint die Techniksoziologie produktive Perspekti Schlussfol technisch-deterministischer Gefahr der Musik populären der Bereichs aufund vielfältige komplexe diese wobei statt, scher Weise Ebene interagieren. diskursiv-symboli und rechtlicherpolitischer, wirtschaftlicher, auf ebenso Ebene Aushandlungsprozess findet neben der in diesemArtikel fokussierten technischen skizzierte hier Der wird. führen Machtgefüges des Schließung einseitigen keiner beschreiben, der aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Zuge der zu Digitalisierung Akteuren antagonistischen zwischen Aushandlungsprozess dynamischer als lich folg sich lassen Entwicklungen Die determinieren. Wirkung ihre noch Nutzung sierende wie auch restriktive Potenziale besitzen, die jedoch weder ihre tatsächliche software«. preexisting by often DRMKontrollmechanismen zu umgehen. system»Every to date has hacked,been Des Weiteren lassen sich aus Dynamiken im den Bereichdargelegten der popu Um in zukünftigen Studien zur Digitalisierung des gesellschaftlich-kulturellen des Digitalisierung zur Studien zukünftigen in Um Vgl. bspw.Vgl. 2003,2006.;Gillespie. Sterne 109. S. Burkart/McCourt, 67 68 Digitale Technologien können somit demokrati somit könnenTechnologien Digitale n bdre ds etrn ubu. Technik Ausbaus. weiteren des bedürfen und ------