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Hessischer Städteatlas

Lieferung II,1

Grünberg

Textheft

Herausgeberin: Ursula Braasch-Schwersmann

Bearbeiterin: Andrea Pühringer

Marburg 2005 Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde Ansicht der Stadt Grünberg, Federzeichnung von Jakob Konrad Justus, 1743, Magistrat der Stadt Grünberg

Siegel der Stadt Grünberg, 1244, Umschrift: + S(IGILLVM) VNIVERSITATIS BVRGENSIVM IN GRVNBERC, Durchmesser: 80 mm, Hessisches Staatsarchiv , Best. A II Marburg, Deutscher Orden, 1244 Febr. 4

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek über http://dnd.ddb.de abrufbar

Gedruckt aus Mitteln des Landes Hessen

ISBN 3-87707-647-5

© Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Marburg 2005

Druck: VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch Inhalt I. Historischer Abriss I. Historischer Abriss 3 1. Entstehung und Entwicklung der Stadt 1. Entstehung und Entwicklung der Stadt bis bis zum 16. Jahrhundert zum 16. Jahrhundert 3 2. Das 17. und 18. Jahrhundert 17 Im Bereich der westlichen Ausläufer des Vorderen 3. Das 19. und 20. Jahrhundert 24 Vogelsbergs entstand in der zweiten Hälfte des 12. 4. Jüdische Einwohner in Grünberg 29 5. Bevölkerungszahlen vom Mittelalter bis zum Jhs. die Stadt Grünberg. Auf dem sogenannten 21. Jahrhundert 31 Grünen Berg – einer von Löß überlagerten Basalt- 6. Wirtschaft, Gewerbe und Beschäftigungs- kuppe – entwickelte sich die Siedlung auf einem struktur in der Neuzeit 31 Plateau, das sich von Norden und Westen leicht 7. Heutige Stadtteile 32 senkt, während es im Osten steil zum Brunnental und im Südwesten zu Baumgarten und Eisweiher II. Siedlungstopographische Entwicklung vom Mittelalter bis zur Mitte des hin abfällt. Aufgrund seiner verhältnismäßig expo- 19. Jahrhunderts (1839/43) 33 nierten Lage handelt es sich eindeutig um eine 1. Von den Anfängen der Siedlung bis um 1200 33 typisch hochmittelalterliche Gründung der staufer- 2. 13. und 14. Jahrhundert – Stadtwerdung und zeitlichen Stadtgründungswelle zwischen 1170 und Stadtentwicklung 34 1250, die mehreren Zwecken diente1. Zum einen 3. Vom Spätmittelalter bis zur Mitte des war Grünberg die südlichste Stadt im Machtbereich 19. Jahrhunderts (1839/43) 37 der Thüringer Landgrafen aus der Familie der III.Siedlungstopographische Entwicklung von der Ludowinger und sollte die Herrschaftsansprüche Mitte des 19. Jahrhunderts (1839/43) bis zum der Mainzer Erzbischöfe einschränken2. Zum ande- Beginn des 21. Jahrhunderts 41 ren lag der Ort strategisch günstig an der alten Fern- 1. Die zweite Hälfte des 19. und die erste Hälfte verkehrsstraße durch die Kurzen Hessen, die von des 20. Jahrhunderts (1839/43 bis 1945) 41 über Hersfeld nach Thüringen ging. Die 2. Von 1945 bis 2005 43 Trasse dieser Straße verlief ursprünglich ca. 1,5 km IV.Erläuterungen zum Kartenwerk, Aufbau der östlich am späteren Stadtgebiet vorbei, wurde aber Karten und Hinweise zu ihren Quellen 45 nach der Gründung Grünbergs durch die Stadt 1. Katasterkarte 1839/43, 1:2.500 45 gelegt3. Ob die antreibenden Motive für die Stadt- 2. Entwicklungskarte des Ortes vom Mittelalter gründung allerdings eher in der staufischen Wetter- bis 1839/43, 1:2.500 46 aupolitik4 oder doch eher in der thüringischen Ter- 3. a) Umlandkarte 19. Jahrhundert (1823/40), ritorialpolitik5 zu suchen sind, ist bisher nicht hin- 1:25.000 47 reichend geklärt und muss hier ebenso dahin b) Umlandkarte und Entwicklung der Stadt gestellt bleiben wie die Frage nach der angenomme- von 1839/43 bis 2005, 1:25.000 48 6 4. Stadtkarte 2005, 1:5.000 49 nen karolingischen Curtis . Beides ist weder durch 5. Übersichtskarte Hessen, 1:750.000 schriftliche Quellen noch archäologische Funde Legende zur Urkatasterkarte, 1:2.500 49 bzw. Befunde belegt7. Gegen eine Curtis spricht vor V. Gebäudeverzeichnis 50 VI. Literatur 57 1. Quellen 57 1 HESS, Städte S. 118. 2. Darstellungen 58 2 Die Zweifel, ob es sich nicht doch um landgräflichen Allo- VII. Abbildungen 63 dialbesitz gehandelt haben könnte, scheinen in der Zwi- schenzeit ausgeräumt zu sein. Vgl. dazu MÜLLER, Ämter S. 21-23, der eine Hundertschaft in Queckborn als Vor- gänger des Gerichts annahm, das nach der Errichtung der * Für die ideelle und finanzielle Unterstützung bei der Bearbeitung der Burg ins Zentrum verlegt wurde. Dagegen spricht sich je- vorliegenden Stadtmappe danken wir dem Magistrat der Stadt Grün- berg, hier insbesondere Herrn Bürgermeister Frank Ide sowie seinem doch UHLHORN, Untersuchungen S. 139, aus, der auf die Amtsvorgänger Siegbert Damaschke. Für zahlreiche Hinweise und Ähnlichkeiten mit Frankenberg verweist, wo ebenfalls die Hilfestellungen aus der Stadtverwaltung und der Bevölkerung Grün- Rechtsgrundlage unsicher ist; vgl. auch PATZE, Entstehung bergs sei stellvertretend gedankt: Karin Bautz, Mareike Hoff, Wolfgang S. 323; HESS, Städtegründungen S. 41. Zur Städtepolitik der Hofheinz, Werner Keil und Prof. Heinrich Sprankel. Prof. Hans Hein- Ludowinger in Hessen vgl. jetzt MÜLLER, Städte S. 327-340. rich Kaminsky stellte freundlicherweise sein im Druck befindliches 3 HESS, Städtegründungen S. 45, 49. Manuskript „Zur Bedeutung Grünbergs in Politik, Wirtschaft und 4 KAMINSKY, Bedeutung bei Anm. 30. Kultur des Spätmittelalters“ zur Verfügung ebenso wie dies Herr Dr. 5 Vgl. HESS, Städtegründungen S. 47 und KÜTHER, Burg- Dieter Griesbach-Maisant und seine Mitarbeiter Reinhold Schneider gründung S. 27-36; allg. dazu KROPAT, Reich. und Martina Weißenmayer mit den Daten aus „Kulturdenkmäler in 6 Hessen, Band Kreis Gießen“ in unkomplizierter und kollegialer Zu diesen Fragestellungen siehe ausführlich HESS, Städte- Hilfsbereitschaft taten. Das Amt für Bodenmanagement und Geoin- gründungen sowie KÜTHER, Burggründung. 7 formation Marburg (ehemals Katasteramt Gießen) stellte dankenswer- PATZE, Geschichte S. 70-72, 83-84. Der gesamte Bereich terweise die digitalen Kartengrundlagen zur modernen Stadtkarte bereit. zwischen Kesselbach, , Lich (Wüstung Hausen)

3 Hessischer Städteatlas – Grünberg allem die Tatsache, dass Grünberg eben nicht direkt Erzählt die Reinhardsbrunner Chronik bereits 1194 an den Kurzen Hessen lag, sondern diese alte Fern- von der Zerstörung der „civitas“ [civitatem lantgravii verkehrsverbindung erst nachträglich nach Grün- Grunenberg], so bezeichnet Wigand Gerstenberg berg hin umgeleitet wurde8. Dass es sich bei dem den Ort in seiner Frankenberger Stadtchronik als Gebiet Grünbergs um ein Gebiet des Mainzischen Flecken 14. Für 1217 ist dann ein Pfarrer, Ekehardus Johannesstiftes und nicht wie Küther meint, um plebanus de Grunenberc, belegt und schon davor, Reichsbesitz gehandelt hat, zeigte sich ex post aus nämlich 1214, sind zwei landgräfliche Ministerialen dem Frieden von Langsdorf 1263, in dem sich das aus der Familie der Schenken zu Schweinsberg ver- Erzstift die Lehenshoheit über Grünberg verbriefen mutlich als Burgmannen genannt15. Vor 1222 ließ. Es müssen also ältere Anrechte der Mainzer begründete der Orden der Antoniter in der Stadt vorhanden gewesen sein, die die damalige hessische eine Niederlassung, was gleichzeitig ein Beleg für Landgräfin Sophie nicht ignorieren konnte9. die günstige Verkehrslage Grünbergs ist16. Die civi- Lassen sich zwar die Anfänge der Stadt – nicht tas selbst ist 1222 in einer vor dem Stadtgericht voll- gerade untypisch für diese Zeit – nicht gänzlich zogenen Güterschenkung durch Wezzilo von Nidda rekonstruieren, so sind doch folgende Anhaltspunkte an das Kloster Arnsburg erstmals urkundlich fass- gegeben: Vermutlich um 1170/80 gegründet, ent- bar, die mit dem städtischen Sekretsiegel beglaubigt 17 standen etwa gleichzeitig Burg und Siedlung, da die war (sigillum civitatis Gruninberc) . Wenn bereits Burg auf dem relativ flachen Plateau erst durch die zu diesem Zeitpunkt das Stadtgericht über einen vorgelagerte Siedlung hinreichenden Schutz erhielt. derart ins Umland ausgreifenden Gerichtssprengel Es handelte sich also um eine geplante Stadtgrün- verfügte, ist anzunehmen, dass die Stadt schon eine dung. Eine dörfliche Vorgängersiedlung ist mög- Zeit davor bestand und über gewisse Zentralitäts- 18 lich, wenn auch wenig wahrscheinlich10. Dagegen funktionen verfügte . Im Jahre 1227 sind dann ein 19 spricht vor allem, dass es selbst über die Bevöl- Schultheiß und sechs Burgmannen genannt . kerung und den Zuzug Grünbergs wenige Belege Eine eigene Münzstätte wurde bereits um 1230 gibt. Es existieren um Grünberg mit der Ausnahme eingerichtet, wobei nicht nur einseitige Brakteaten, des wenig bekannten Eschersdorf11 weder Wüstun- sondern auch zweiseitige Pfennige geprägt wur- gen, noch sind einzelne Dörfer bzw. Dorfgemein- den20. Die zweiseitigen Pfennige aus der Wetterau schaften zugezogen, wie es etwa im Falle des benachbarten bekannt ist, das von einem regelrechten Wüstungsgürtel umgeben ist. Dem- 14 HOLDER-EGGER, Cronica S. 553; DIEMAR, Chroniken S. 409. nach scheint die These des Einzelzuzugs aus umlie- Gerstenberg bezeichnet auch Marburg als Flecken, ebd. genden Gebieten und Dörfern nach Grünberg am 15 WYSS, UB Deutschordens-Ballei 1 Nr. 49; DOBENECKER, 12 Regesta 2 Nr. 1585, S. 290. Laut KAMINSKY, Bedeutung plausibelsten . Anm. 41, handelte es sich dabei vermutlich um Burgman- Grünberg wird in den Quellen erstmals für 1186 nen. Guntram ist einer der Leitnamen der Schweinsberger. genannt, als die Zerstörung des castrum Gruninberc Ein Guntram war ab 1239 der Schenk von Landgräfin Sophie, vgl. zu den Brüdern Guntram und Ludwig GRO- 13 in der Erfurter Peterschronik erwähnt wurde . TEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nrn. 13, 18, 23, 24, 39 und FRANZ, Haina 1 Nrn. 12, 56, 59, 82, 121, 165; BITSCH, Verpfändungen S. 124. 16 ECKHARDT, Klöster Nr. 183. 1222 ist die Niederlassung und Flensungen weist keine karolingerzeitlichen Funde der Antoniter in Tempzin erwähnt, die von Grünberg aus oder Befunde auf und kann als praktisch siedlungsleer gel- begründet wurde. Demnach fällt die Gründung der Grün- ten; vgl. DAHMLOS, Funde, Karte der Fundstellen. Zumin- berger Niederlassung an den Beginn des 13. Jhs. Die dest für das Stadtgebiet Grünbergs hat sich in dieser Hin- Behauptung WINKELMANNS, das Kloster sei bereits 1193 sicht bis heute nichts geändert, frdl. Auskunft von Dr. Udo erbaut worden, ist nicht belegbar. WINKELMANN, Beschrei- Recker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Archä- bung S. 197. Vgl. dazu auch KAMINSKY, Bedeutung Anm. ologie und Paläontologie, vom 12. Aug. 2005. 43, der sich auf das Handbuch der Mainzer Kirchen- 8 Zu letzterem vgl. Kap. II. und HESS, Städtegründungen S. 45. geschichte bezieht. 9 Vgl. HESS, Städtegründungen S. 44; GROTEFEND/ROSEN- 17 Vgl. HESS, Städtegründungen S. 38-39, Siegelbeschreibung FELD, Regesten Nrn. 77-79; KÜTHER,Burggründung ebd.; vgl. auch den Abdruck von 1244 auf der Atlasmappe. S. 41-42; KAMINSKY, Bedeutung bei Anm. 40; DOBEN- Abdruck der Urkunde bei GLASER, Beiträge Nr. 1. ECKER, Regesta 3 Nr. 3106. 18 HESS, Städtegründungen S. 52; zum Gericht WEISS, 10 HESS, Städtegründungen S. 52. Gerichtsverfassung S. 202-203. 11 WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382: in campo Eßirs- 19 WÜRDTWEIN, Dioecesis Moguntina 3 Nr. 191. torfer velt juxta Gr˚uninberg (1320); BAUR, Hessische Ur- 20 HÄVERNICK, Münzwesen Nr. 266, S. 12-13, Nr. 158; KOE- kunden 1 Nr. 997 Anm.: Eschirsdorf (1367) nordwestlich NIG, Münzstätten S. 151; HESS, Städtegründungen S. 39; der Stadt am Osthang des Ziegelberges. HESS, Pfennig S. 74-75, 83. HESS verweist auf die Bedeu- 12 HESS, Städtegründungen S. 48. Ein Thema, das auch beim tung der Städte für die Intensivierung der Geldwirtschaft Bau von Mauer und Burg eine nicht unerhebliche Rolle in dieser Zeit. Allerdings führte dies auch zu einem Über- spielte. besatz mit Münzstätten in kleinsten Orten, etwa in Bie- 13 HOLDER-EGGER, Monumenta S. 194. denkopf oder Rauschenberg.

4 Hessischer Städteatlas – Grünberg nennen Münzherren und Prägungsort und waren war generell jeder Bau einer mittelalterlichen Befes- daher auch für den Umlauf in entfernteren Berei- tigungsanlage mit seinen Gräben, Mauern, Türmen chen geeignet21. Die Grünberger Währung wird bis und Toren ein Bauvorhaben, das sich über Jahre 1418 erwähnt23. Vor dem Hintergrund des Zusam- wenn nicht Jahrzehnte hinzog und eine Stadt nicht menhanges der Ausbreitung des Städtewesens sowie nur finanziell an die Grenzen der Belastbarkeit füh- von Münze und Markt in der „Pfennigzeit“24 (8.- ren konnte. Auch die Bereitstellung einer großen 14. Jh.) ist zu vermuten, dass Grünberg bereits früh Anzahl von Arbeitskräften über einen langen Zeit- in die Intensivierung der Geldwirtschaft einge- raum stellte eine Gemeinschaft vor große logistische bunden war25. und ökonomische Probleme32. Im Jahre 1250 fand erstmals das Grünberger Zumeist wurden zuerst Türme und Tore errich- Kloster der Franziskaner Erwähnung. Es dürfte aber tet und in der Folgezeit diese mit einer Mauer ver- bereits früher entstanden sein26. Sowohl das Kloster bunden. Demnach ist es sehr schwierig, zeitlich der Antoniter als auch jenes der Franziskaner lagen konkrete Angaben zu machen, da diese ja von der am westlichen Rand der Stadt. Insofern ist zumin- zur Verfügung stehenden Anzahl an Arbeitskräften dest für das Kloster der Antoniter und die Stadt- abhing33. Erst 1309 wird die Befestigung erneut in mauer eine gleichzeitige oder zumindest zeitnahe den Quellen genannt, als Landgraf Otto den Grün- Erbauung anzunehmen27. Das Franziskanerkloster bergern das Ungeld zur Wiederherstellung und setzt hingegen zum Teil auf der Mauer auf bzw. ragt Erweiterung der Stadtmauer der Stadt überlässt34. über die Flucht der Stadtmauer nach außen hinaus, Ob dies bereits auf die Befestigung der Neustadt ist also eindeutig jüngeren Datums28. Schwach- hindeutet, die 1324 mit der Altstadt rechtlich punkte in der Stadtbefestigung – seien es Tore oder zusammen geschlossen wurde35 oder der Mauerzug Ecken – wurden zur besseren Sicherung gerne mit um den nördlichen, nur locker bebauten Bereich Steinbauten besetzt. Die Niederlassungen der beiden gemeint ist, bleibt fraglich36. Andererseits wird man Orden an der verteidigungstechnisch-topographisch kaum mit der Anlage der sich nach Süden erstre- ungünstigen Westseite der Stadt brachten hier den ckenden Neustadt – deren Entstehung bisher um Vorteil, dass sie nicht nur massive Bauten errich- 1270 angenommen wurde, aber jüngst mit einer teten, sondern dass sie als geistliche Bezirke unter Erstnennung auf 1261 vordatiert werden konnte37 – besonderem Schutz standen und ein Angriff auf sie begonnen haben, wenn der Altstadtbereich noch sogar den Kirchenbann zur Folge haben konnte29. nicht aufgesiedelt worden war. Mit dem Zusammen- Es ist davon auszugehen, dass bereits die schluss von Alt- und Neustadt 1324 kann aber die ursprüngliche Siedlung um die Burg mit ihrem Befestigungsanlage als fertig gestellt betrachtet Burggraben und etwas weiter, den Kirch- und werden. Marktplatz mit einbeziehend, eine erste Wall- bzw. Als im Jahre 1247 die thüringischen Ludowinger Palisadenbefestigung besaß. Der Bau der späteren im Mannesstamm ausstarben, kam es zum Kampf Stadtmauer, als deren Eckdaten neben den beiden um deren Territorien zwischen den Wettinern, dem Klöstern (vor 1222 und vor 1250) der Diebsturm Mainzer Erzbischof und der Landgrafentochter (um 1200) und die erstmalige Nennung der Born- Sophie. Letztere setzte sich in den westlichen Teilen pforte am Winterplatz (1230)30 genannt werden des Erbes durch bzw. versuchte ihre Rechte durch können, ist schwer zu datieren31. Darüber hinaus Anwesenheit zu bekunden. So befand sie sich auch 1248 in Grünberg, wo sie den Antonitern das glei- che Holzbezugsrecht gewährte wie den hiesigen

21 HESS, Anfänge S. 99. 22 DOBENECKER, Regesta 3 Nr. 470. 23 DEMANDT, Regesten Nr. 927. 24 Diese Phase wird so genannt, weil als einzige Münzsorte 32 Vgl. dazu allg. ANTONOW, Planung. der silberne Pfennig – mit mancherorts geprägten Teil- 33 ANTONOW, Planung S. 84-95, 220, 226-232. werten – umlief; vgl. HESS, Anfänge S. 107. 34 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 508; Landgrafen- 25 HESS, Anfänge S. 107. Regesten online Nr. 533. 26 ECKHARDT, Klöster Nr. 916; KAMINSKY, Bedeutung Anm. 35 GLASER, Beiträge Nr. 7; GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 56 verweist auf JÜRGENSMEIER,Handbuch S. 806, der die Nr. 712; Landgrafen-Regesten online Nr. 788. Niederlassung der Franziskaner in Grünberg auf die Zeit 36 HESS, Städtegründungen S. 53. zwischen 1229 und 1240 festlegt. 37 KAMINSKY, Bedeutung bei Anm. 84, bezieht sich auf 27 Vgl. HESS, Städtegründungen S. 67-68. FRANZ, Haina 1 Nr. 348, wo ein Grünberger Schöffe de 28 WALBE, Kunstdenkmäler S. 198. Nova civitate als Zeuge auftritt. FRANZ, Haina 1 S. 588, 29 HESS, Städtegründungen S. 65-66. bezieht diesen Beleg auf Neustadt/Kreis Marburg. Dieses 30 BAUR, UB Arnsburg Nr. 15. Neustadt wurde allerdings erst um 1270 gegründet, vgl. 31 HESS, Städtegründungen S. 50. REULING, Ortslexikon S. 215.

5 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Rittern, Burgmannen und Schöffen38. Mit dieser den Mainzer Erzbischof43. Wichtig erscheint in die- Urkunde sind auch erstmals Schöffen in Grünberg sem Zusammenhang, dass der Stadt zehn Freijahre bezeugt. bewilligt wurden, nach denen sie wiederum dem Das große Interesse der Landgrafen, welches sie Landgrafen jährlich 90 Mark Kölner Pfennige zah- in der Folge Grünberg entgegenbrachten und das len sollte. Dabei könnte es sich um eine finanzielle auch durch ihre wiederholte Anwesenheit vor Ort Erleichterung für den weiteren Ausbau der Stadtbe- 44 unterstrichen wird, hatte hauptsächlich finanzielle festigung gehandelt haben . Hintergründe. Ein Faktum, das sich schon früh Durch den Teilungsvertrag von Landgraf Hein- nach Gründung der Stadt zeigte und das sich mit rich von 1296 fiel Grünberg in den Herrschaftsbe- der Territorialisierung der Landgrafschaft im Zuge reich der Teilgrafschaft „Oberhessen“ unter seinem der frühmodernen Staatsbildung noch vehement Sohn Landgraf Otto45. Auch dieser weilte öfters in verstärken sollte. Zumindest in den Anfängen war der Stadt, wie anhand einer ganzen Reihe von hier es um die Grünberger Kapitalkraft nicht schlecht ausgestellten Urkunden nachzuvollziehen ist46. So bestellt. Dies zeigte sich etwa 1254 als Landgräfin etwa im März und April des Jahres 1309, als er der Sophie für die Mitgift ihrer Tochter Elisabeth Bie- Stadt den bereits erwähnten Ungelderlass zur Stadt- denkopf um 4.000 Mark an Herzog Albrecht von befestigung bestätigte47. Er veranlasste auch 1324 Braunschweig verpfändete. Die jährlichen Zinsen die Zusammenlegung mit der Neustadt bei gleicher waren mit 400 Mark festgelegt und von den hiesi- Gerichtsbarkeit, gleichen Steuern und sonstigen gen Städten aufzubringen. Grünberg steuerte hier Rechten48. 39 einen Betrag von immerhin 140 Mark bei . In der Folge seiner Kämpfe mit aufständischen Ein Jahr später, 1255, wurde Grünberg als Mit- Rittern, von denen der Krieg gegen den Sterner- glied des Rheinischen Städtebundes genannt – ein bund (1372-74) der bekannteste ist, verlangte Zeichen dafür, dass die territorialen Belange noch Landgraf Hermann 1375 wiederum die Abgabe des nicht zur Gänze geklärt waren, der stadtherrliche Ungelds. Dies reichte allerdings zur Kriegs- Schutz damit als unzureichend eingeschätzt wurde finanzierung nicht aus. Zwar blieb der Stadt selbst und sich Grünberg als schutzbedürftig sah40. Mit die Verpfändung erspart, nicht jedoch einigen Dör- dem Frieden von Langsdorf 1263 klärte sich die fern des Amtes, die in einer Aufstellung von 1377 Situation allerdings dahingehend, dass Grünberg als genannt werden: Harbach, Stangenrod, Linden- mainzisches Obereigentum bestätigt, aber an Land- struth, Queckborn, und die Tzwei Lume grafen Heinrich verliehen wurde. Doch schon in (Lumda)49. 1382 erfolgte die Pfandschaft auf Geld- dieser Zeit trug Grünberg einen Anteil von zehn erträge der Städte Marburg, Grünberg und Gießen Prozent an landgräflichen Bürgschaften41. an Frankfurter Juden, die dafür die landgräfliche Die Grünberger Burg diente den Landgrafen Kriegskasse um 1.300 Gulden bereicherten. Davon immer wieder als Aufenthaltsort, so auch 1272, als waren 1383 noch 756 Gulden an Schulden übrig, Landgraf Heinrich den Grünbergern am 16. Okt. wovon Marburg 219, Grünberg 340 und Gießen (in festo beati Galli) ihre städtischen Privilegien 197 Gulden übernahmen und die beiden ersteren 50 bestätigte – die erste bekannte Nennung42. Darin noch im selben Jahr beglichen , ein eindrucks- werden u.a. der Gerichtsstand der Bürger, die voller Beleg für die damalige wirtschaftliche Potenz Gerichtsbarkeit von Schultheiß und Schöffen bzw. Grünbergs. das Eingreifen der Burgmannen bei Streitigkeiten zwischen den Bürgern geregelt. Das oftmals behan- 43 KÜTHER, Burggründung S. 69-70. delte und betonte Verbot der Sendgerichtsbarkeit 44 Der schwere Kölner Pfennig galt in dieser Zeit als eine Art richtete sich gegen Ansprüche des Oberlehnsträgers, überregionale Leitwährung, die bis ins späte 13. Jh. gerade für periodische Zahlungen Verwendung fand; vgl. HESS, Pfennig S. 74-75. 45 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 362. 46 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nrn. 508-512. 47 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 508; Landgrafen- 38 ECKHARDT, Klöster Nr. 188, gewährt gleichzeitig den Regesten online Nr. 533. Antonitern beim Holzschneiden die gleichen Freiheiten 48 GLASER, Beiträge Nr. 7; GROTEFEND/ROSENFELD, Reges- wie den Burgmannen und Schöffen – milites castellani et ten 1 Nr. 712; Landgrafen-Regesten online Nr. 788. scabini. Laut GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 17 49 GLASER, Beiträge S. 100; Landgrafen-Regesten online sind dies Ritter, Burgmannen und Schöffen. Nr. 1616; MÜLLER, Ämter S. 136-137. 39 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 50. 50 ROTHMANN, Messen S. 349 nach Hessisches Staatsarchiv 40 Vgl. KAMINSKY, Bedeutung Anm. 64. Marburg (im Folgenden abgekürzt HStAM) Marburger 41 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 76. Stadtbuch, fol. 52v; KÜTHER,Burggründung S. 97-98; 42 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 165 (zur Anwe- BITSCH, Verpfändungen S. 38; LÖWENSTEIN, Quellen senheit der Landgrafen: Nrn. 166, 167, 170, 183, 207). Nr. 178.

6 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Traditionell wird vermutet, dass die beiden nung von 1455 das Rathaus oder Häuser von Stadtbrände von 1370 und 1391 katastrophale Aus- Schöffen oder Schultheißen, wie etwa bereits für das wirkungen für die städtische Wirtschaftskraft hat- Jahr 1259 belegt57. ten. Immerhin hatten sie bewirkt, dass nach 1370 Als landgräfliche Beamte treten schon früh der die Stadt für zwanzig Jahre bede- und geschossfrei Amtmann (villicus, 1233, 1250) und der Schultheiß war. 21 Jahre später, nach dem zweiten Brand, (scultetus, 1227, 123458, 1250/60) auf, während ein erfolgte eine erneute Befreiung auf nur mehr zwölf Unterschultheiß (subscultetus) erst im 14. Jh. (1315, 51 Jahre . Ob der zweite Stadtbrand in Grünberg mit 1329) erwähnt wird59. Im Verlauf der Zeit kam es den mainzischen Kriegszügen der Jahre 1390-96/7 zu einer Verschmelzung der Funktionen von villicus in Zusammenhang stand, die auch Grünberg betra- und scultetus. Zunächst übte ersterer im 13. Jh. noch 52 fen, muss hier dahingestellt bleiben . hauptsächlich grundherrschaftliche Funktionen Die Steuern waren jedoch nicht die einzigen aus60. Der Unterschultheiß war vermutlich der Einkommensquellen der Landgrafen. So ist etwa ursprünglich bürgerliche Vertreter des adeligen der Zoll erstmals 1358 nachweisbar. Bis 1591 Schultheißen, der dann als officialis zu überregiona- wurde war das landgräfliche Zollsystem derart aus- ler Bedeutung aufsteigen konnte61. gebaut, dass Zollstätten in Oberohmen, Flensun- Das Schöffenkollegium trat erstmals 1241 in gen, Harbach und Lindenstruth bestanden, die der Erscheinung, es handelte sich zumeist um ein Gre- regionalen Grünberger Zollverwaltung unterstan- mium von zwölf Personen (1251, 1305)62. Es den. Im Zuge infrastruktureller Maßnahmen kam ergänzte sich durch Kooptation, d.h., dass von 1586 das Wegegeld dazu, das auf der neuen Straße wenigstens zwei Vorgeschlagenen einer von Amt- zwischen Grünberg und Merlau eingehoben wurde mann oder Rentmeister bestätigt und vereidigt 53 und der Brücken- und Wegebesserung diente . wurde. Die Grünberger Schöffen des Landgerichts Die Gerichtsbezirke des Spätmittelalters sind als konnten sich hingegen im 16. Jh. bis zur formellen lokale Organisationsformen gewissermaßen die Nachwahl durch einen Schöffen des Gerichts Reste der zentral gelenkten Grafschaften des Hoch- Niederohmen ergänzen63. Die Schöffen nahmen mittelalters, die in Oberhessen spätestens im 13. Jh. eine soziale Sonderstellung ein, weil sie am Ratsre- nicht mehr existierten. Sie sind die Grundlagen für giment beteiligt waren. Jede Familie durfte jedoch die Neuordnung, die Einführung der Ämterverfas- nur ein Mitglied im Schöffenrat stellen, um den sung und damit die lokale Basis und Verwaltungs- Einfluss in Grenzen zu halten64. In den Quellen fin- grundlage des entstehenden Territorialstaats54. In den sich 1272 scabini und sculteti, 1245 scabini und Grünberg wurde sowohl die hohe als auch die nie- burgensis sowie 1251 6 milites und 11 scabini 65. dere Gerichtsbarkeit von Schöffen ausgeübt, die in 1346 und 1360 richteten auch Burgmannen dieser Funktion erstmals 1250 genannt werden. gemeinsam mit den Schöffen. Dies war zwar vom Der Galgen befand sich am Galgenberg, außerhalb der Höfe, Richtung Stangenrod55. Ein Scharfrichter wird jedoch erst 1505 genannt56. 1577 waren 12 Landschöffen für die hohe Gerichtsbarkeit im ge- samten Amt und der Stadt Grünberg zuständig. Als 57 Tagungsort dienten laut Gerichts- und Polizeiord- WEISS, Gerichtsverfassung S. 30, 35, 41. Die Vermutung von WEISS (S. 39), es könnte sich bei den Dingstühlen um einen alten Gerichtsort handeln, gehört wahrscheinlich ins Reich der Sagen, in deren Bereich sie bereits von dem von WEISS zitierten GLASER, Beiträge S. 5 und 53, vergelegt wurden. HABICHT, Chronik S. 5, beschreibt die Dingstüh- 51 MÜLLER, Ämter S. 55; DIEMAR, Chroniken S. 277; GLASER, le zwar als ein mit steinernen Pfosten und Ketten eingefrie- Beiträge S. 104. Die oftmals angestellte Vermutung, die digten Platz, die Forschung blieb jedoch bisher einen Brände hätten zu einer Reihe von Auswanderungen schlüssigen schriftlichen Beleg schuldig. Zudem spricht die geführt, lässt sich nicht wirklich belegen. Selbst die durch Lage an der vorstädtischen Kreuzung vor der Antoniter- das Frankfurter Bürgerbuch gut belegten Zuwanderungen pforte an einer wenig exponierten Stelle sowie das Fehlen Grünberger Bürger in Frankfurt, die zwischen 1312-1462 eines wie auch immer gearteten öffentlichen oder Sakralge- die doch stattliche Zahl von 43 aufweist, zeigt gerade für bäudes gegen die Annahme eines Gerichtsplatzes an dieser die Jahre nach den Bränden keine auffälligen Anstiege. In Stelle. Vgl. ECKHARDT, Vorarbeiten S. 81. den 1370er Jahren fand sich nur ein Beleg für 1377 und in 58 FRANZ, Haina 1 Nr. 83. den 1390ern ebenfalls nur einer, nämlich 1398. Die Aus- 59 WEISS, Gerichtsverfassung S. 46; MÜLLER, Ämter S. 135. wertung nach GENTGES, Wirtschaft S. 75-77. 60 WEISS, Gerichtsverfassung S. 48. 52 KUCZERA, Grangie S. 93. 61 WEISS, Gerichtsverfassung S. 52. 53 MÜLLER, Ämter S. 55; DIEMAR, Chroniken S. 277. 62 WEISS, Gerichtsverfassung S. 54. 54 WEISS, Gerichtsverfassung S. 15. 63 WEISS, Gerichtsverfassung S. 55. 55 GLASER, Beiträge S. 52. 64 So 1312: meliores cives; WEISS, Gerichtsverfassung S. 56. 56 WEISS, Gerichtsverfassung S. 67. 65 WEISS, Gerichtsverfassung S. 59.

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13. bis zum 15. Jh. üblich, in Grünberg sogar noch kommen, dass es eine Person öfters erhielt. Der Ende des 16. Jhs.66. Streitigkeiten von Grünberger Schultheiß war somit eindeutig landgräflicher Bürgern untereinander wurden laut Privileg von Beamter73. Seine Einkünfte bestanden wesentlich 1272 von Burgmannen, Schultheißen und Schöffen aus den Gerichtsfällen, also den Gebühren und den verhandelt67. Ansonsten gab es keine bestimmten Bußen74. Seine wichtigste Zuständigkeit war die Fälle, an denen das Mitspracherecht von Burgman- Durchführung von Pfändungs- und Vollstreckungs- nen beim Stadtgericht erforderlich war. Sie nahmen verfahren75. 1305 erfolgte die namentliche Nen- nicht als Bürger, sondern aufgrund ihrer ständisch nung von 12 Schöffen. Zwar ist auch eine Erweite- adeligen Qualität daran teil. Dagegen war der rung auf 24 genannt, vermutlich diente diese aber Schöffenrat eine bürgerliche Genossenschaft, die in hauptsächlich der Verwaltung. Dazu kam der ihrer Organisationsform relativ frei war. Die Burg- Gerichts- oder Landknecht zur Unterstützung des mannschaft bildete dazu gewissermaßen einen lan- Schultheißen76. In Grünberg war das Gericht etwa desherrschaftlichen Gegenpol, der für sich natürlich im Gegensatz zu /Ohm nicht nur für bür- einer eigenen Gerichtsbarkeit unterstand68. gerrechtliche Streitfälle zuständig, sondern auch für Stadträte werden erstmals 1286 genannt (consu- Strafsachen. Diese wurden vorwiegend anlässlich les civitatis)69. Es könnte sein, dass zu diesem Zeit- der ungebotenen Dinge verhandelt. Allerdings punkt auch bereits ein eigener Bürgermeister exis- beschränkte sich die Strafgerichtsbarkeit des Stadt- tierte. Bereits zu Ende des 13. Jhs. kam es zu Aus- gerichts auf die Bußgerichtsbarkeit, unter die Kör- einandersetzungen zwischen der Bürgerschaft und perverletzungen wie Schlägereien und Messerste- den Amtsträgern in Fragen des Stadtregiments, Vor- chereien, Sachbeschädigungen und Beleidigungen würfe wie Nepotismus und Amtsmissbrauch wur- fallen. Tötungsdelikte gehörten offensichtlich nicht 77 den beklagt70. Erst 1305 konnte dieser Streit zwi- darunter . Für umliegende Orte war das Landge- 78 schen Bürgern und Schöffen beigelegt werden. Die richt zuständig . Dieses Landgericht oder Amt Bürger erklärten sich zur Leistung der jährlichen Grünberg umfasste folgenden Sprengel: Queck- Steuer und Bede an den Landgrafen bereit. Wäh- born, Harbach, Lindenstruth, Saasen, Bolnbach, rend sich die zwölf Schöffen weiterhin aus den Göbelnrod, Reinhardshain, Beltershain, Lumda mit Schöffengeschlechtern heraus ergänzten, traten Kleinlumda, die spätere Wüstung Borningen, Stan- ihnen nun zwölf jährlich von der Gemeinde genrod, Lehnheim, Stockhausen, Weickartshain, gewählte Bürger zu Seite und bildeten den gemein- Lauter, Ilsdorf – soviel auf hessischem Gebiet lag –, samen Rat. Je zwei Schöffen und Räte waren für die Flensungen und Merlau. Niederohmen bildete ein Einhebung des Ungeldes zuständig, worüber jähr- besonderes Gericht, welchem nach Atzenhain, lich Rechnung gelegt werden sollte71. Bernsfeld, Wettsaasen, die Wüstungen des 16. Jhs. Schönborn (bis Atzenhain), Pferdsbach (bei Berns- Das Privileg von 1272 zeugt von klarer Beset- feld) und Königsaasen (bei Niederohmen) angehör- zung und Funktion der Gerichtsbarkeit. Die ten. Pro Jahr mussten drei Rügegerichte oder unge- Gerichtsverhandlungen mit Grünberger Bürgern soll- botene Gerichte abgehalten werden, die zu ten vor dortigen Schöffen und Schultheiß stattfin- bestimmten Terminen stattfanden und bei denen den, wobei die Urteilsfindung den Schöffen oblag72. die gesamte Gemeinde zu erscheinen hatte79. Die nächste Verordnung von 1455 ist deshalb von Bedeutung, weil diese Fassung dem Gerichtsbuch Die Bedeutung des Grünberger Gerichts zeigte der Stadt vorangestellt und besonders auf Grünberg sich zum einen auch an den Akten, an denen die zugeschnitten ist. Hier steht vor allem die Normie- Mitglieder teilnahmen – nicht nur Schultheiß oder rung der Gerichtstätigkeit im Vordergrund. Es han- Burgmannen, sondern sehr wohl auch die Schöffen. delt sich um keine Systematik, sondern es werden Zum anderen wird anhand mancher der agierenden Einzelfragen behandelt, um Missbrauch vorzubeu- Personen die enge Verbindung zum landgräflichen gen. Das Amt des Schultheißen wurde unregelmä- Haus deutlich, da es sich zum Teil um Personen aus ßig vom Landgrafen vergeben. Es konnte auch vor- dem direkten Umfeld der Landgrafen handelte. So ist bereits 1249, 1261 und 1265 Johann Gulden

66 WEISS, Gerichtsverfassung S. 60; GLASER, Beiträge S. 39. 73 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 76. 67 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 165. 74 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 78. 68 WEISS, Gerichtsverfassung S. 61. 75 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 80. 69 WYSS, UB Deutschordens-Ballei 1 Nr. 464. 76 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 83-84. 70 EBEL, Geschichte S. 14. 77 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 85. 71 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 459; KÜTHER, 78 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 88. Burggründung S. 90-91. 79 GLASER, Beiträge S. 51. Dies waren der 18. Jan. Dienstag 72 SCHOOFS, Gerichtsverfassung S. 67. nach Walpurgis und der dritte Dienstag nach Michaelis.

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(Aureus) als Zeuge genannt, ebenso bei der Schen- Die Bedeutung der Religion nicht nur für das kung Landgräfin Sophies an das Elisabeth-Hospital spirituelle, sondern ebenso das soziale und wirt- in Marburg 125080. Desgleichen erscheint er 1254 schaftliche Leben der mittelalterlichen Stadt ist bis als Bürge für die Mitgift für Sophies Tochter81.Sein heute am besten anhand der Sakralbauten nachzu- Bruder Meingoz tritt 1263 bei Langsdorf als Bürge vollziehen. Allerdings ist die Quellenlage in Grün- in Erscheinung, als Erzbischof Werner 2.000 Mark berg für die Anfangszeit sehr spärlich. 1217 wurde erhalten sollte und dafür von Sophie 30 Bürgen erstmals ein Pfarrer genannt, demnach dürfte ein gestellt wurden82. Kirchenbau bestanden haben, an den oder auf den 1269 zeugen beide Brüder Meingoz und zu Beginn des 13. Jhs. eine romanische Kirche ge- Johann83. Im Oktober 1269 bestätigt Landgraf baut wurde, die Anfang des 14. Jhs. als gotische 95 Heinrich den zwischen Johann Aureus und Herrn Hallenkirche fertiggestellt werden konnte . Die Hademar vollzogenen Kauf eines Hofes beim Turm Kirche war nicht geostet, sondern folgte vielmehr in Grünberg, der vormals der dortigen Kirche einer bewusst längsachsigen Einordnung in das gehörte. Hademar hat diesen erworbenen Hof Stadtgefüge, wobei der Ostturm als Abschluss der 96 coram nostro officiali und vor den Schöffen in Sichtachse der Marktgasse diente . Grünberg der Stephanskirche in Mainz vermacht84. Die zahlreichen Altäre sowohl in der Stadtkirche 1270 wird Johann Gulden erstmals als Ritter be- als auch in den Klosterkirchen und Hospitals- zeichnet85 und 1272 urkundet er über einen von kapellen sind sicherlich als Zeugnisse stadtbürger- Sophie verhandelten Prozess zwischen Dietrich von licher Frömmigkeit und Stiftungstätigkeit wie auch Isenburg und dem Deutschen Orden zu Marburg eines wirtschaftlichen Wohlstandes zu interpretieren. über Güter bei Staufenberg86. Allein für die Stadtpfarrkirche der Altstadt sind acht Im Jahre 1245 traten die von Queckborn als bzw. neun Altäre erwähnt, die auf Stiftungen zurück Schöffen, Schultheiß (1262), Burgmannen und selbst gingen. Diese wurden von Geistlichen betreut, die 97 als Prokurator der Antoniter (1298) in Erscheinung87. in einer Bruderschaft zusammengefasst waren . Die Seit 1272/73 folgten ihnen die Saasen als Bürger und Klosterkirchen standen dem kaum nach, so besaß Zeugen88, 1280 bereits auch als Schöffen: Gerwig die Kirche der Antoniter etwa neun bzw. elf Altäre, und Heinrich genannt von Saasen89. 1285 findet die der Augustinerinnen jedoch vermutlich nur sich der Edle Werner, Herr zu Münzenberg als Burg- zwei, während sich zur Franziskanerkirche keine 98 mann in Grünberg90, 1324 Ritter Haplo von Trohe91 diesbezüglichen Quellen erhalten haben . (Drahe) und 1414 Henne Riedesel92. 1429 ist das Neben der Pfarrei spielten die Klöster eine Burglehen nach wie vor erwähnt, Riedesel ist mittler- sowohl kulturell als auch wirtschaftlich wichtige weile hier auch zum Amtmann ernannt worden93. Rolle in der Stadt. Es war kein Zufall und sicherlich 1517 ist Johann von Hessen, ein illegitimer Sohn nicht allein ein aus religiösen Motiven gespeister Landgraf Ludwigs II., zugleich Amtmann und Rent- meister in Grünberg94.

80 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nrn. 19, 26, 66, 92; vgl. WAGNER, Darstellung S. 269. 81 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 50. Von den 400 95 WALBE, Kunstdenkmäler S. 172, 199-204; KÜTHER, Mark sollten Marburg 120, Nordeck 20, Grünberg 140, Kirchliche Leben S. 153-158. Homberg 10, 60 und 50 Mark bezahlen. 96 HESS, Städtegründungen S. 62-63. 82 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 76. 97 KÜTHER, Kirchliche Leben S. 158-159, erwähnt einen 83 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 133. Marienaltar, einen Altar für Misericordias Domini, einen 84 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 135a. Martins- und Barbaraaltar, einen der 10.000 Märtyrer, 85 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 143. einen Nikolausaltar, einen Sebastians- sowie einen 86 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 162. Johannes der Täuferaltar, einen der 12 Apostel sowie einen 87 WAGNER, Beiträge S. 323-324. des Hl. Kreuzes. Der von ihm beanstandete fehlende Beleg 88 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nrn. 167, 170; vgl. des Dreikönigsaltares findet sich hingegen bei WAGNER, Darstellung S. 271. BROSIUS/SCHESCHKEWITZ, Repertorium S. 102, wobei es 89 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 229. sich allerdings um die Kirche im Antoniterkloster handel- 90 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 253. te, die ebenfalls über eine erkleckliche Anzahl an Altar- 91 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 704; vgl. WAG- stiftungen verfügte. Ähnlich dazu WALBE, Kunstdenkmäler NER, Darstellung S. 272. S. 200, der sich auf GLASER bezieht und anstatt des Martins- 92 DEMANDT, Regesten Nr. 541. einen Engelsaltar und einen Nikolausaltar erwähnt. 93 DEMANDT, Regesten Nr. 949. 98 KÜTHER, Kirchliche Leben S. 172-177, der in der Aufzäh- 94 ECKHARDT, Klöster Nr. 1332. Zur Rolle des Grünberger lung in der Antoniterkirche nicht sicher erscheint, wohin- Rentmeisters als landgräflicher Vertreter im Konflikt mit gegen BROSIUS/SCHESCHKEWITZ, Repertorium S. 102 für den umliegenden Herrschaften der Solmser und Laubacher 1463 vier Altäre ebendort erwähnen. WALBE, Kunstdenk- im 16. Jh. vgl. SCHMIDT, Grafenverein S. 311-313. mäler S. 206.

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Akt, dass der Landgraf die Ansiedelung der Antoni- Bettzeug und Stallung zu gewähren108. Dies lässt die ter und Franziskaner in Grünberg ermöglichte99. Vermutung zu, dass das Kloster damals keinen Neben den am Ort ansässigen Orden waren die Stadthof in eigener Regie mehr unterhielt. Stadthöfe anderer Klöster von erheblicher wirt- Das Haus des Deutschen Ordens in Marburg lag schaftlicher Bedeutung. Sie dienten der Sammlung hingegen nicht in der Stadt, sondern befand sich und Vermarktung grundherrschaftlicher Produkte, vor dem Stangenröder Tor – extra muros civitatis der Einquartierung der eigenen Ordensleute auf der Gr˚unenberg ante portam que dicitur Stangenroder dor Durchreise, in manchen Fällen der Rekrutierung – und wird 1320 bzw. 1337 genannt109. 1321 ver- des Nachwuchses. Stadthöfe wurden aber auch oft kauft bereits ein Friedberger Bürger dem Orden an Laien verpachtet und beschränkten sich dann auf seine Wiesen bei Grünberg und Queckborn für 20 Wohn- und Wirtschaftsfunktionen für die Ordens- Mark, was die Plausibilität dieses Hofes erhöht110. 100 leute . Der Hof der Augustiner Chorfrauen im nahegelege- Früh, bereits 1230, wird der Stadthof des Zister- nen Wirberg ist urkundlich erst 1388 bzw. 1476 zienserklosters Arnsburg erwähnt, der an der Born- greifbar. Er lag in der Antoniusgasse, der heutigen pforte am Winterplatz gelegen hat101. Dieser wurde Rosengasse, gegenüber der Antoniterkirche111. 1272 von jeder Bede und Steuer befreit und es er- Die Landgrafen waren jedoch an ausgeglichenen ging Befehl an Schultheiß, Schöffen und Amtmän- Verhältnissen interessiert, so verfügte etwa 1336 ner dafür zu sorgen, dass im landgräflichen Gebiet Landgraf Heinrich II. zum Vorteil von Stadt und die Mönche des Klosters Arnsburg von niemandem Bürgerschaft gegen die Steuerbefreiung und für eine 102 belästigt wurden . 1321 bestätigte Landgraf Otto Einschränkung des Gütererwerbs durch Geistliche 103 diese Privilegien . Neben der landgräflichen Privi- in der dortigen Gemarkung112. legierung profitierten die Stadthöfe aber auch von bürgerlichen Stiftungen und Schenkungen. So trat Dienten die Stadthöfe vorwiegend wirtschaft- 1327 ein Ehepaar dem Kloster Arnsburg ihren Zins lichen Interessen, so fielen in den Zuständigkeitsbe- von einem Garten vor der Neustädter Pforte in Grün- reich der ansässigen Klöster wichtige soziale und berg ab (de quodam orto ante portem novi oppidi in kulturelle Belange wie die Kranken- und Alten- Grunenberg)104. Diese klösterlichen Stadthöfe erfüll- pflege sowie das Schulwesen. Sie bildeten damit ten allerdings neben ihrer wirtschaftlichen auch reli- wichtige Faktoren für die Zentralitätsfunktion der giöse Funktionen, wie die im Arnsburger Hof erst- Stadt für ihr Umland. mals 1341 genannte Elisabeth-Kapelle zeigt105. Für den Antoniterorden spielte dagegen auch die Spätestens 1261 hatte auch das Zisterzienser- Fernverbindung eine große Rolle, da er weiträumige kloster Haina Besitzungen in Grünberg, deren Almosentätigkeiten pflegte und später Besitzungen genaue Lage jedoch nicht bekannt ist. Ein Grün- auch in entfernteren Gegenden hatte. Dies dürfte berger Bürger und seine Frau übergaben sich und auch entscheidend für die Standortwahl des Klos- ihr Haus samt ihrer Schirne (mascello) dem Kloster ters an der Hauptausfallstraße gewesen sein113. Seit zu ewigem Besitz, behielten aber lebenszeitliches dem 10. Jh. war das sogenannte Antoniusfeuer epi- Nutzungsrecht106. 1312 verkaufte eine Witwe ihr demisch verbreitet. Dabei handelt es sich um eine Wohnhaus in Grünberg an Haina107. 1361 verlieh Vergiftung von Getreide mit dem Mutterkornpilz, das Kloster gegen eine jährliche Gülte (Mietzins) die zu Krämpfen, dem Verlust von Gliedmaßen auf- einem Ehepaar sein Haus in Grünberg. Das Ehe- grund von Durchblutungsstörungen (Ergotismus paar verpflichtete sich zudem, den Klosterbrüdern gangraenosus) und meist zum Tod führte. Der Zu- und ihrem Gesinde, wann immer sie nach Grün- sammenhang zwischen dieser Krankheit und dem berg kämen, Hausbrot zum Tisch, Feuer, Lichter, Mutterkorn wurde allerdings erst 1630 von einem niederländischen Arzt erkannt. Der Antoniter- orden, der aus einer Ende des 11. Jhs. gegründeten Laienbruderschaft hervorging, machte sich die Pflege 99 Vgl. BLASCHKE, Bedeutung. dieser Kranken zur Hauptaufgabe. Seine Nieder- 100 LINDENTHAL, Haina S. 96. 101 BAUR, UB Arnsburg Nr. 15; 1228 laut POSSE, Urkunden Nr. 290; KUCZERA, Grangie S. 219; DAMRATH, Kloster S. 322. 102 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 166. 108 FRANZ, Haina 2 Nrn. 672, 715. 103 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 653. 109 ECKHARDT, Klöster Nr. 233; 1320 bei WYSS, UB Deutsch- 104 SPONHEIMER, UB Nr. 346. ordens-Ballei 2 Nr. 382. 105 BAUR, UB Arnsburg Nr. 695; FOLTZ, UB Friedberg 110 FOLTZ, UB Friedberg Nr. 240. Nr. 380. 111 ECKHARDT, Klöster Nrn. 293, 1176. 106 LINDENTHAL, Haina S. 70; FRANZ, Haina 1 Nr. 348. 112 Landgrafen-Regesten online Nr. 930. 107 LINDENTHAL, Haina S. 77; FRANZ, Haina 2 Nr. 189. 113 HESS, Städtegründungen S. 65.

10 Hessischer Städteatlas – Grünberg lassung in Grünberg – vor 1222 gegründet – war Die Antoniter waren in Zeiten allgemeiner Geld- eines der ältesten Häuser dieses Hospitalordens in knappheit wichtige Kreditgeber für die Stadtbe- den deutschen Landen überhaupt114. Zur Erfüllung wohner, den regionalen Adel und die Landgrafen, seiner Aufgabe entfaltete der Orden eine rege Sam- aus deren Perspektive die Antoniter zahlungskräftig meltätigkeit, das sogenannte Terminieren. Der und liquide waren123. In ihren Finanzgeschäften Sammelbereich des Grünberger Klosters umfasste bedienten sie sich eines ausgeklügelten Systems in weite Gebiete im Norden und Osten des Reichs dem Geld- und Naturalleistungen möglich waren, und erstreckte sich über die Erzbistümer Mainz und wodurch das kanonische Zinsverbot umgangen Bremen sowie die Bistümer Verden, Minden, Pader- werden konnte. Zur Blütezeit verfügten sie mindes- born und Osnabrück115. Unter den 42 Generalprä- tens über 100 Verträge über den Erwerb von Zins zeptoreien des Ordens befanden sich sechs deut- und Gült, denn viele Schuldner überschrieben sche, von denen Grünberg als die rührigste galt und ihnen die Zinseinnahmen von Gütern oder Steuer- viele Filialen gründete: 1222 Tempzin bei Wismar anteile124. Dadurch konnten sie ihren regionalen gelegen, 1273 folgte Lichtenburg bei Torgau. Einfluss wiederum weiter stärken. So vergaben sie 1289/91 unterhielten die Grünberger Antoniter feste 1489 ein Darlehen an Landgraf Wilhelm III.125 und Termineien in Münzenberg, um 1400 ein Stadthaus dessen Gewogenheit kam in der zwei Jahre später in Wetzlar und später bis 1527 eines in Marburg. erfolgten Überschreibung des Elisabeth-Spitals zum 1489 ist ein Terminierer in Trendelburg genannt. Ausdruck126. Die rege wirtschaftliche Tätigkeit des 1324 waren die Grünberger Antoniter allerdings Klosters rief aber auch Konflikte hervor. So kam es derart verschuldet, dass ihnen der Landgraf den etwa nach jahrelangem Streit erst 1433 zu einer Verkauf von diversen Liegenschaften erlaubte116. Einigung mit der Stadt wegen des von den Antoni- Noch 1379 mussten sie laut Amtmannsbericht tern in der Stadt betriebenen Weinverkaufs127. ihren vor der Stadt gelegenen Hof zu St. Peter ver- Sichtbare Indizien für die Blüte des klösterlichen 117 setzen . Doch bis zum Ende des 15. Jhs. erlebte Wirtschaftslebens sind der später sogenannte Uni- das Grünberger Antoniterkloster einen erheblichen versitätsbau, der um 1500 als mächtiger Speicher- Aufschwung und zählte bei seiner Auflösung zu den bau des Klosters errichtet wurde, sowie die wahr- reichsten Konventen in Hessen. Dieser Aufschwung scheinlich gleichzeitig erfolgte Ummauerung des wurde durch die Übernahme von Arnsburger Besit- Gartens vor der Antoniterpforte bis an den Stan- zungen in 54 Orten, am Ende des 15. Jhs. auch in genröder Pfad128. Bei letzterer Baumaßnahme dürf- 118 Waldeck gesteigert . 1489 übernahmen die Anto- te aber auch der Einfluss des Landgrafen spürbar niter im Amt Grünberg, im Busecker Tal und im gewesen sein, der damit die Verteidigungskraft Hüttenberger Land sämtliche Erbgüter des wegen seiner Stadt gefestigt wissen wollte129. eines Brandes überschuldeten Klosters Arnsburg119 und 1493 das niedergegangene Kloster der Augusti- Nach einem 1525 aufgestellten Inventar verfüg- nerinnen in Arolsen in der Grafschaft Waldeck120. ten die Antoniter über drei Anwesen in Grünberg, Die meisten dieser Besitzungen befanden sich inner- nämlich den Hof zu St. Peter, einen nicht näher halb eines Radius von 25-30 km – also etwa eine lokalisierten Spitalshof vor der Stadt, sowie den Hof Tagesreise entfernt und waren dadurch leicht in den Höfen mit 6 armen Leuten, worunter das erreichbar, was eine effektive Verwaltung ermöglich- Elisabeth-Spital zu verstehen ist130. 1527 wurde das te121. Dieser Aufschwung war mit ein Verdienst des Kloster in Zuge der Reformation säkularisiert und Jakob Ebelson von Linden, der in den Jahren 1482- seine Güter vom Landgrafen eingezogen. Die 1540 1507 in dem Amt des Präzeptors der Antoniter nach- gegründete Universität wurde im darauffolgenden weisbar ist und zu den Räten Wilhelms II. gehörte. Jahr mit dem säkularisierten Klostergut wirtschaft- Er bzw. der Propst des Klosters als sein Vertreter nahmen auch als Prälaten an den Landtagen teil122.

123 MARTIN, Antoniterkloster S. 126. 124 114 MARTIN, Antoniterkloster S. 116. 1494 verkaufte etwa die Gemeinde Annerod ihre Gemein- 115 MARTIN, Antoniterkloster S. 117; SCHILLING, Klöster S. 81. debede und Geschoss an das Antoniterhaus zu Grünberg, 116 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1, Nr. 713; Landgrafen- Hessisches Staatsarchiv (im Folgenden abge- Regesten online Nr. 789. kürzt HStAD) Grünberg, Antoniter A 3 Nr. 12/4. 125 117 ECKHARDT, Klöster Nr. 280. ECKHARDT, Klöster Nrn. 599, 614. 126 118 MARTIN, Antoniterkloster S. 123-125. ECKHARDT, Klöster Nrn. 615, 638. 127 119 MÜLLER, Ämter S. 105-106; ECKHARDT, Klöster Nr. 1144. Landgrafen-Regesten online Nr. 9047. 128 120 MARTIN, Antoniterkloster S. 117-119; SCHILLING, Klöster DEMANDT, Regesten Nr. 1493; Landgrafen-Regesten on- S. 82; ECKHARDT, Klöster Nrn. 634, 636, 645, 651. line Nr. 4961. 129 121 MARTIN, Antoniterkloster S. 127. MARTIN, Antoniterkloster S. 129. 130 122 EBEL, Geschichte S. 40. ECKHARDT, Klöster Nr. 838.

11 Hessischer Städteatlas – Grünberg lich abgesichert131. Dazu trug die Vogtei Grünberg dem Konstanzer Konzil (1414-18) im Reich weite mit den Einnahmen aus den ehemaligen Kloster- Verbreitung. Auch der Kölner Erzbischof unter- gütern der Antoniter und dem Kloster der Augusti- stützte die Gründung von Observantenklöstern wie ner Chorfrauen Wirberg bei. Als Landgraf Ludwig etwa in Brühl am Rhein. Unter Landgraf Wilhelm V. 1607 die hessen-darmstädtische Universität in III. erfolgten in Hessen bereits 1489 große Visita- Gießen gründete, flossen die Gelder nicht mehr tionen der beiden Ordensniederlassungen in Mar- nach Marburg, sondern dorthin132. Allerdings trug burg und Grünberg139. Wilhelm beschwerte sich die Vogtei Grünberg im Vergleich zu den Vogteien nicht nur beim Papst und beim Kardinalprotektor von Marburg und Alsfeld den weitaus größten Teil. des Ordens, Giuliano della Rovere, dem späteren Dies blieb so bis in das 18. Jh.133. Auch die Land- Papst Julius II., sondern suchte auch die Unterstüt- standschaft der Klöster ging an die Universität, zung des Kaisers, der sich seinerseits beim Papst ein- deren Rektoren mit die Prälatenbank auf den hessi- setzte, um das lasterhafte Leben der Mönche – die schen Landtagen besetzten134. Vorwürfe bezogen sich auf unerlaubten Fleischge- Ein wesentliches Motiv für Universitätsgründun- nuss und Vernachlässigung des Gottesdienstes – 140 gen war die Einsicht in die Notwendigkeit, mit abzustellen . Am 11. Okt. 1496 entfernte der Prä- wachsendem Organisationsgrad des Territorialstaa- zeptor der Antoniter nach Anhörung und mit tes und zunehmender landesherrlicher Verantwor- Unterstützung von Wachen die Konventualen, tung für die Landeskirche, die Ausbildung eines schickte sie an von ihnen gewünschte Orte und einheimischen Beamten- und Theologennachwuch- übergab das Haus dem Koblenzer Guardian, um es ses zu fördern. Damit dienten die Universitäten mit Observanten zu besetzen. Die Vertriebenen nicht nur der Konsolidierung des neuen territoria- setzten sich zur Wehr, beschwerten sich beim Papst len Kirchenwesens, sondern darüber hinaus der und erst 1499 wurde der ursprüngliche päpstliche inneren Festigung und Ausübung der landgräf- Entscheid zur Entfernung der Konventualen als 141 lichen Herrschaft135. rechtens öffentlich bekannt gemacht . Auch die überörtliche Bedeutung des etwas spä- Wie sich zeigt, waren die Landgrafen bereits in ter gegründeten Klosters der Franziskaner ist nicht der zweiten Hälfte des 15. Jhs. immer stärker an zu unterschätzen. So setzte etwa Landgraf Heinrich einer Reform der Klöster in ihrem Herrschafts- I. 1285 den Guardian der Grünberger Franziskaner bereich interessiert. Dabei spielten wirtschaftliche im Augustiner Chorherrenstift Schiffenberg als aber auch geistig-soziale Gründe eine zentrale Rolle. Untersuchungsrichter ein136. Der Stadtbrand von Die reformatorische Theologie und das Summepis- 1391 setzte dem Kloster allerdings stark zu, denn es kopat des fürstlichen Landesherrn gaben Landgraf verbrannten nicht nur Teile des Klosters, sondern Philipp hier ein neues und effektives Instrumenta- 142 auch die Kirche wurde stark beschädigt137. rium in die Hand . Bereits die neue, noch vorre- formatorische Polizeiordnung von 1524 war ein Das Kloster gehörte zur kölnischen Provinz des Schritt in diese Richtung. Darin wurde unter ande- Franziskanerordens138. In Köln verfügten die Land- rem das sittliche Verhalten der Untertanen regle- grafen damals über erheblichen Einfluss. Landgraf mentiert und die Pfarrer und Amtleute an ihre Hermann wurde hier sogar, nachdem er bereits Aufsichtspflicht gemahnt. So wurde etwa Betteln 1473 Stiftsverweser geworden war, 1480 zum Erz- und Müßiggang nun auch für Ordensleute verbo- bischof gewählt. Innerhalb des Ordens gab es bereits ten, nur die landgräflichen Finanziers, eben die Ende des 14. Jhs. unterschiedliche Strömungen, Grünberger Antoniter, waren von dieser Vorschrift wobei die beiden wichtigsten die Konventualen und ausdrücklich ausgenommen143. Observanten waren. Letztere fanden vor allem nach 1528 in festo s. Antonii Paduani wurde per land- gräflichem Edikt das Franziskanerkloster säkulari- 131 BAUMGART, Universitäten S. 63-64. siert und seine Insassen vertrieben. Kein einziges 132 MARTIN, Antoniterkloster S. 132-133; ECKHARDT, Wirberg Franziskanerkloster144 in der Landgrafschaft unter- S. 336-337; BINGSOHN, Wirtschaftsgeschichte S. 140. 133 BINGSOHN, Wirtschaftsgeschichte S. 141-142. 134 MARTIN, Antoniterkloster S. 115. 135 BAUMGART, Universitäten S. 69-70. 136 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 255. 139 SCHILLING, Klöster S. 110. 137 ECKHARDT, Klöster Nr. 924. 140 SCHILLING, Klöster S. 111-113. 138 Bartholomäus von Pisa berichtete 1385 in seinem Liber 141 SCHILLING, Klöster S. 114-116; ECKHARDT, Klöster Nrn. conformitatum: Haec provincia Coloniae est notabilis pro- 941-951. vincia in fratribus valoris et bonitatis; et multi fuerunt nobi- 142 SCHILLING, Klöster S. 114-116. les in dicta provincia notabiles praedicatores et sunt, quorum 143 SCHILLING, Klöster S. 163-164. fructus in aula caeli reperiuntur. Analecta Franciscana 4 S. 144 Neben Grünberg bestanden noch Häuser in Marburg und 26-28. Hofgeismar.

12 Hessischer Städteatlas – Grünberg warf sich der Sequestration145 und die Ordensleute lierten Augustinerinnen zu Grünberg bestätigte, verließen geschlossen das Territorium. Viele der gleichzeitig jedoch ihre Zahl von 21 auf 12 verrin- Grünberger Franziskaner zogen in das Observanten- gerte, ist davon die Rede, dass sie zuvor Klausnerin- kloster in Brühl. Noch im gleichen Jahr verlieh nen gewesen waren154. Landgraf Philipp seinem getreuen Diener Hermann Ihre Situation wurde bereits am Vorabend der Sinold gen. Schütz sein Haus samt einem umge- Reformation zunehmend prekär. Sie lagen mit der benden und anstoßenden Garten genannt das Stadt anhaltend wegen Steuern im Streit. Laut land- Siechhaus, gelegen in der Ringmauer des Barfüßer- gräflicher Verfügung sollten sie 1517 keine Güter klosters. Der ganze Bereich des Klosters war nach mehr ankaufen bzw. spätestens nach einem Jahr Erledigung des Klosters an den Landgrafen heimge- wieder verkaufen155. Die Auflösung ihres Klosters ist 146 fallen . Dennoch wurden in der Folge nur Teile unklar. Noch 1532 gab es im Kloster Bewohnerin- des umfangreichen Areals tatsächlich genutzt, denn nen, die offenbar „freiwillig ausgetreten“ waren und um 1532/33 stand das Kloster leer und wüst – und ihre Erbgüter auch behalten hatten. 1535 kam es 147 niemand begehrte es zu kaufen . dann zu mehreren Ablösungen von Erbgut156. Aber Über das geistige Leben in den Grünberger Klös- schon 1536 ist die Rede vom Hospital zu Grünberg tern ist verhältnismäßig wenig bekannt. Nur bei – es wird eine Kornlieferung im Namen des Spitals den Grünberger Franziskanern hat sich ein Biblio- und der Süster Anna von Dorla quittiert157. Damit theksinventar erhalten. Doch die Bestände wurden war das ehemalige Frauenkloster in ein Hospital nach Auflösung der Klöster verkauft, zerstört oder umgewandelt. 148 systematisch vernachlässigt . Doch das nun städtische Spital in der Neustadt Liegen bei den beiden großen Grünberger hatte bereits mehrere Vorläufer, die alle – abgesehen Männerklöstern nur die Anfangsjahre im Dunkel, vom Siechenhaus im Franziskanerkloster – außer- so ist über das einzige Frauenkloster noch weniger halb der Stadtmauern lagen158. Karitative Einrich- bekannt. 1377 wird eine weltliche Begine zu Grün- tungen wurden im Mittelalter generell genossen- berg erwähnt, doch deren Spur verliert sich rasch schaftlich organisiert – seien es kirchliche Einrich- wieder149. Möglicherweise besteht ein Zusammen- tungen, bürgerliche Verbände wie Bruderschaf- hang zwischen der 1444 von Landgraf Ludwig ten oder Zünfte oder die Bürgerschaft an sich. bestätigten Tertiarierklause der Franziskaner und Grünberg verfügte jedoch vor der Reformation über den späteren Augustinerinnen in der Neustadt150. kein Bürgerspital, sondern die Spitalsgründungen 1457 sind diese erstmals genannt, als die jährliche gingen vielmehr auf kirchliche oder landgräfliche Gült von einer Wiese vor dem Gastenberg Klaus- Initiative zurück. Die Hospitäler, die – je nach nern und Süstern bei St. Paul gelassen wird151. Sie Funktion – nicht nur bestimmte Kranke, sondern werden hier als Klausner bezeichnet, ebenfalls noch auch Alte betreuten, mussten sich zumeist selbst 1479, als sie sich über Wigel von Höckersdorf be- erhalten. Dies geschah über Einkünfte aus Kapital- schweren. Doch 1482 – in gleicher Angelegenheit – oder Besitzstiftungen, Spenden und landwirtschaft- ist nur noch von den Süstern die Rede152. Im glei- liche Produktion, wovon ein Teil für den Eigenbe- chen Jahr hatte der Papst den Wechsel der ehemals darf genutzt wurde. Dementsprechend bestanden Franziskaner Teritiarinnen sororum inclusarum zu die Hospitäler nicht nur aus einem „Krankentrakt“, den Augustiner Chorfrauen bestätigt153. Noch 1493, sondern verfügten über eigene Hofstätten gegebe- als Landgraf Wilhelm III. die Freiheiten der regu- nenfalls mit Stallung und Scheunen, zumeist eine Kapelle, manchmal auch einen eigenen Kirchhof. Erstmals genannt werden ein Leprosenhaus 1320159 und ein Hospital 1359, als der Pfleger des Spi- 145 SCHILLING, Klöster S. 220; SOHM, Quellen S. 40; SCHUNDER, tals zu Grünberg im Namen der Brüder und Schwes- Aufhebung S. 193; ECKHARDT, Klöster Nr. 961. Der 160 Landgraf selbst hat alle Kirchengeräte – nämlich die ver- tern des Spitals einen Verkauf tätigt . Allerdings ist goldeten und die seidenen – geraubt, wie auf einem aus dem Franziskanerkloster Grünberg stammenden goldenen Kreuz geschrieben stand, welches die Vertreibung der Fran- ziskaner aus Grünberg schildert. 154 146 ECKHARDT, Klöster Nr. 962. DEMANDT, Regesten Nr. 2254; ECKHARDT, Klöster Nrn. 147 ECKHARDT, Klöster Nr. 877. 894, 895; Landgrafen-Regesten online Nr. 6597. 155 148 SCHILLING, Klöster S. 97. ECKHARDT, Klöster Nr. 903. 156 149 DERSCH, Klosterbuch S. 64; ECKHARDT, Klöster Nr. 884. ECKHARDT, Klöster Nr. 913. 150 Landgrafen-Regesten online Nr. 9152. 157 ECKHARDT, Klöster Nr. 915. 158 151 ECKHARDT, Klöster Nr. 886. HABICHT, Chronik S. 217-223. 159 152 ECKHARDT, Klöster Nrn. 887, 888. WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382. 160 153 ECKHARDT, Klöster Nr. 889; DERSCH, Klosterbuch S. 64. ECKHARDT, Klöster Nrn. 282, 1061.

13 Hessischer Städteatlas – Grünberg nicht klar, um welches Hospital es sich handelt. Das den zwischen 1531 und 1536 sogenannte Kasten- Leprosenhaus für Aussätzige, auch St. Nikolaispital, ordnungen erstellt, die zeitgleich mit den General- Spital der Sondersiechen oder Spital zu den Guten visitationen eingeführt wurden und die Organisa- Leuten genannt, findet sich auch im Jahre 1380 tion vor allem aber die Finanzverwaltung der Hos- erwähnt161. Es befand sich vor der Neustadt am pitäler regelten. Wann genau das Grünberger Spital Steinweg, war ummauert und besaß eine Kapelle seine Ordnung erhielt, ist unklar, denn die Visita- und einen Kirchhof162. 1454 erhielt St. Nikolai von tionen im großen Stil fanden 1532 bzw. 1533 statt, Henne Riedesel den halben Teil des Dorfes Flen- als in Grünberg offenbar noch die Augustinerinnen sungen und 50 Gulden vererbt und 1455 ein neues in dem Kloster saßen170. Später erhielt das Spital Gebäude für die „reinen“ Siechen. Die Leprosen dann ein Kastengefälle sowie jährliche Zinsen aus blieben dagegen im alten Bau. Es dürfte noch um dem ehemaligen Antoniterhaus in Höhe von 80 1620 in Gebrauch gewesen sein163. Gulden, weil es die „armen Leute“ aus der Obhut 171 1381 gab Landgraf Hermann sein Spital vor der der Antoniter übernommen hatte . Neustadt an die Antoniter ab. Diese betreuten in Der Bauernkrieg 1525/26 blieb in Amt und der Folge das Spital und die dazugehörigen Immo- Stadt Grünberg anscheinend ohne Folgen. Dagegen bilien, so etwa 1384 die zwischen dem Spital und brachten die Prediger und Anhänger der Wieder- dem Heiligenborn liegende Spitalmühle sowie 1385 täufer Unruhe in das Gebiet. Im Sept. 1538 wurden die Mühle unterhalb des Wildensees164. Bereits 250 Täufer im Amt Grünberg gezählt. In der im 1324 waren die Antoniter für den Altardienst in der Oktober erlassenen Wiedertäufer-Ordnung werden St. Peterskapelle zuständig165. Flurbezeichnungen sie mit dem Landesverweis bedroht. Der Kanzler wie „Peterswiese“ oder „Petersgärten“ erinnern an Johann Feige von Lichtenau stufte damals das Amt dieses Spital166. 1538 wird der Hof zu St. Peter als Grünberg in einem Brief an Landgraf Philipp als ehemaliger Spitalhof genannt167. gefährdete Landschaft ein und warnte vor den Aus- Das Hospital der Hl. Elisabeth, auch Feldsiechen- wüchsen des Münsteraner Täuferreichs. Im Mai haus genannt, war ebenfalls eine landgräfliche 1543 kam es erneut zu Wiedertäuferunruhen im 172 Gründung. 1465 erstmals als Siechenhaus extra Amt Grünberg . Danach verliefen sie sich offen- muros bezeichnet, lag es an der Straße, die aus den sichtlich. Grünberg wurde allerdings im Schmalkal- Höfen nach Burggemünden führte. Auf seine Lage dischen Krieg von Truppendurchzügen getroffen, so verweist heute noch die Flurbezeichnung „Am etwa im Dez. 1546, als der Graf von Oldenburg mit 173 Siechberg“. 1491 wird die dortige Kapelle erwähnt seinen Truppen hier Nachtquartier bezog . und auch dieses Spital den Antonitern übertragen, Im Mittelalter lag nicht nur das Hospital-, son- allerdings mussten sie es 1493 erst wieder aufbauen, dern auch das Schulwesen in der Hand der Kirche da es bereits baufällig geworden war. Es diente nicht und der Klöster. Ein Schulmeister ist erstmals für nur Kranken, sondern auch armen Alten. Das Spi- 1322 belegt174. Eine Schule im Kloster der Antoni- tal wurde zwar im Zuge der Säkularisierung des ter wird 1433 erwähnt. Dabei ist allerdings unklar, Antoniterklosters ebenfalls aufgelöst und die Insas- ob sie nur für den Klerikernachwuchs diente. Eine sen in das neue Spital überstellt. Die Gebäude wur- Schule in städtischer Regie ist 1366 nachzuweisen, den jedoch erst 1817 abgerissen168. eine Mädchenschule bestand spätestens seit 1608175. Mit der Auflösung der Klöster ging also diejeni- Eine nachreformatorische Neugründung der ge der Spitäler Hand in Hand. In der Folge wurde Schule erfolgte 1559176. Gerade in dieser Zeit war das neue Hospital zu St. Paul in der Neustadt ange- vieles im Umbruch und ungeklärt, besonders auch legt und damit wurden die Einrichtungen zentrali- die Besoldung von Pfarrern und Lehrern177. Der siert169. Für diese neu eingerichteten Spitäler wur-

161 ECKHARDT, Klöster Nr. 282. 170 162 HABICHT, Chronik S. 217. Zu HABICHTS Zeiten waren bei SOHM, Quellen S. 95-97; DEMANDT, Anfänge S. 185. Zu den dortigen Höfen – wahrscheinlich im Bereich der heu- den Visitationen durch Heinz von Lüder und Adam Krafft tigen Anwesen Neustadt 88-92 – noch Mauerreste und ein mit neuer Hospitalordnung vgl. STÖHR, Kirchengut S. 316. alter Kirchhof zu sehen. 171 STÖHR, Kirchengut S. 317. 172 163 EBEL, Geschichte S. 50; GLASER, Beiträge S. 92-93. SOHM, Quellen S. 159, 161, 174. 173 164 ECKHARDT, Klöster Nrn. 283, 288, 289. GERBER, Correspondenz 4 Nr. 313. 174 165 ECKHARDT, Klöster Nr. 919. BAUR, UB Arnsburg Nr. 353. 175 166 HABICHT, Chronik S. 218. GLASER, Beiträge S. 135, 137. 176 167 ECKHARDT, Klöster Nr. 879. STÖHR, Kirchengut S. 317. 177 168 HABICHT, Chronik S. 218-219; GLASER, Beiträge S. 90-91. Zum reformatorischen Pfarr- und Schulwesen vgl. HÜTTE- 169 Vgl. DIEHL, Baubuch S. 465-470. ROTH, Pfarrer S. 34, 47, 127-128, 167, 215, 225.

14 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Schulmeister bezog 1548 aus der Präsenz der Chor- Belastungen der Stadt auf, wobei die Verpflichtun- herren 30 Gulden und die Zinsen von den Altären gen bis 1442 zurück reichen185. Dazu folgt noch die der Hl. Jungfrau und des Hl. Nikolaus, die beide Auflistung der jährlichen Gülten, also der Zinsen zum ehemaligen Antoniterkloster gehört hatten. und Renten, die die Stadt sowohl an den Landgra- Mit 15 Gulden Besoldung wurde 1557 ein zweiter fen als auch an andere zu entrichten hatte186. Lehrer provisorisch eingestellt, der erst ein Jahr spä- Mit dem Beginn der Neuzeit sollten sich die ter vom Landgrafen in diesem Amt bestätigt wurde Finanzlasten für die Stadt weiter erhöhen. 1510 178 und nun 20 Gulden erhielt . erhielt Landgräfin Anna verkäuflich für 20.000 Um 1600 existierte ein eigener Schulfonds mit Gulden eine Rente von 2.000 Gulden p.a., wofür 300-400 Gulden, aus dem die Lehrerbesoldung, sie als Unterpfand die Wittumssitze Gießen und eine Unterstützung des Kaplans sowie Almosen und Grünberg bekam187. Der Landgraf verkaufte zusätz- Stipendiaten – von letzteren schon 1559 zwei – lich 1530 alle seine Güter in und um Wirberg sowie finanziert werden sollten. Die Stipendiaten wurden in der Feldmark für 1.250 Gulden an die Stadt. Er zudem aus den Gefällen der Altäre Johannes d. T., behielt sich allerdings die Kirche und die Stein- Hl. Katharina in der Neustadt sowie dem Hl. Kreuz gebäude des Klosters vor, um darin einen Vogt zur und Jungfrau Maria im Salvechor der Pfarrkirche Einnahme der Renten, Zinsen und Pachten zu unterstützt179. Im Jahr zuvor hatte der Landgraf ver- installieren. Darüber hinaus musste die Stadt für gebens versucht, die Grünberger zur Mitfinan- Heerzüge drei Pferde und einen Knecht stellen188. zierung einer Stipendiatenanstalt zu bewegen. Sie Der Landsteueranschlag von 1539 zeigt indes, dass lehnten mit dem Argument ab, sie seien leider die die finanzielle Situation Grünbergs nicht die ärmste und geringste Stadt im Fürstentum und schlechteste war. Die Stadt brachte 240 Gulden auf, außerdem müssten sie die Stadtmauer reparieren, mehr kamen nur aus Alsfeld (270) Gießen (400) womit sich der Landgraf zunächst zufrieden gab180. Marburg (400) und Treysa (290)189. Doch nicht immer waren die Grünberger in der Die ersten Belege für das städtische Wirtschafts- Abwehr finanzieller Forderungen des Stadtherrn leben finden sich 1261, als in einer Schenkungs- erfolgreich. Landgraf Philipp folgte hier ganz der urkunde an das Kloster Haina nicht näher lokali- Tradition seiner Vorgänger, die schon in früheren sierbare Fleischschirne (mascello), also Verkaufsstände, Jahrhunderten Kredite und die Übernahme von erwähnt werden190. 1303 werden eine Brotschirn Bürgschaften erzwungen hatten. Allerdings gilt es und andere Schirnen genannt, 1367 zwei Fleisch- für das gesamte Mittelalter festzustellen, dass die schirnen191. Die 1403/4 genannte Schuhschirn war Stadt liquide blieb, sei es mit Hilfe der Antoniter oder der Frankfurter Juden181. Schon 1307 ging ein Teil der Grünberger Bede an den Herrn von Mün- zenberg182. 1309 wurde ein Darlehen für den Land- 185 DEMANDT, Regesten Nr. 986/A: 1442: Bürgschaft über grafen mittels Pfändung und Zahlungsraten von 4.000 Gulden Kapital und 220 Gulden Rente p.a. für den landgräflichen Marschall und Heimlichen Rat Ritter Her- den Städten finanziert und im Laufe des Jahres mann Riedesel; 1463: Bürgschaft über 1.000 Gulden für wurde für die gleiche Summe nochmals gebürgt183. Otto von Solms; 1479: Bürgschaft über 2.200 Gulden und 1442 bürgten Marburg und Grünberg für 4.000 132 Gulden Rente – Schadloshaltung über Wein-Ungeld Gulden und tilgten 1497 zusammen mit Gießen von Grünberg; 1497: für Konrad von Eschwege Bürge über 600 Gulden Kapital und 36 Gulden Rente – gemein- 600 Gulden landgräfliche Schulden. Im gleichen sam mit Marburg und Gießen; 1451 bekundet die Stadt, Jahr erhielt der Landgraf von seinem Niddaer Amt- dass sie ihrem Schöffen Henne Felle eine Rente von 10 mann Kaspar von Berlepsch 2.000 Gulden für eine Gulden aus Geschoss und Gefällen der Stadt für 200 Gul- Erbgülte von 100 Gulden in Grünberg, d.h. die den verkauft hat, da der Landgraf die Städte aufgefordert habe, ihm eine Summe je nach Vermögen zu leihen; 1461 Grünberger bezahlten jährlich 100 Gulden an Ber- bekundet Heinrich III., dass er die 100 Gulden, die er der lepsch184. Ein Verzeichnis von 1501 listete sämtliche Stadt schuldet, Weihnachten zurück zahlen würde; 1499 landgräflichen Bürgschaften, Schuldurkunden und bekundet Wilhelm III., dass die Stadt dem Fritzlarer Dekan eine Jahresrente von 15 Gulden für 300 Gulden verkauft hat; 1473: 300 Gulden Schulden bei der Stadt von Landgraf Heinrich III., für den sie Helferich von Trohe eine Rente von 20 Gulden verkauften, die ihr p.a. aus dem kleinen Zoll zu Grünberg ersetzt werden soll. 178 STÖHR, Kirchengut S. 319. 186 DEMANDT, Regesten Nr. 986/B. 179 STÖHR, Kirchengut S. 320. 187 DEMANDT, Regesten Nrn. 2011, 2015. 180 STÖHR, Kirchengut S. 321. 188 ECKHARDT, Klöster Nr. 1379; ECKHARDT, Wirberg S. 357. 181 ROTHMANN, Frankfurter Messen S. 349. 189 KRÜGER, Finanzstaat S. 490. 182 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 481. 190 LINDENTHAL, Haina S. 70; FRANZ, Haina 1 Nr. 348. 183 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nrn. 505, 519. 191 ECKHARDT, Klöster Nrn. 996, 1082; BAUR, Hessische 184 DEMANDT, Regesten Nrn. 2333, 984/A 8, 1869-1870. Urkunden 1 Nr. 434.

15 Hessischer Städteatlas – Grünberg das Eigentum des Klosters Arnsburg – vermutlich flammte dann ein Streit zwischen der Stadt und den am Winterplatz gelegen – und erklärt damit auch Antonitern um den Weinschank auf, den letztere als die ehemalige Bezeichnung Schuhgasse für die sehr einträgliches Geschäft ebenfalls betrieben202. 192 Borngasse . Das sicherlich bedeutsamste Datum für die vor- Ein eigenes Getreidemaß – der Grünberger Malter moderne Wirtschaftsgeschichte der Stadt war die – war spätestens seit 1318 in regionalem Gebrauch193. kaiserliche Privilegierung eines Jahrmarktes im Gegen Ende des 15. Jhs. erfolgte eine Reihe von Jahre 1481. Wie eine Beschwerdeschrift von 1501 Zunft-Bewilligungen, so 1490 der Fleischer194 und zeigt, hatte sie sich dafür in ziemliche Unkosten 203 der Bäcker195, 1496 der Wollweber196 und 1513 der gestürzt . Dieser – eigentlich fälschlicherweise als Hutmacher197. Insgesamt dürften um die zehn Gallusmarkt bezeichnete Jahrmarkt, denn sein Zünfte folgender Handwerker bestanden haben: Beginn wurde mit dem Vorabend von Calixtus, also Gewandschneider- und Krämer, Schneider, Bäcker, dem 13. Okt. festgesetzt – sollte sich als der langle- Schuhmacher, Lohgerber-, Sattler-, und Weißger- bigste erweisen, war jedoch im Mittelalter nicht der ber- sowie Säcklerzunft, Wollweber, Leinweber, einzige. Neben dem samstäglichen Wochenmarkt Hutmacher, Schmiede-, Schlosser-, Schwertfeger- existierte noch ein Antoniusmarkt, der später zu und Kupferschmiedzunft und Metzger198. Manch Himmelfahrt abgehalten wurde. 1553 wurde dieser andere Erwerbszweige lassen sich erst durch die Jahrmarkt mit dem Zusatz bestätigt, dass die Märk- landgräflichen Kontrollen belegen. So ergab im te in Gießen und Marburg nicht beeinträchtigt Jahre 1554 eine Visitation der oberhessischen Orte werden dürften. Daneben gab es noch einen wegen des Bierbrauens, dass in Grünberg drei ver- Pfingst- und einen Jakobimarkt sowie einen Oster- schiedene Sorten hergestellt wurden, die sogar ins und Sylvestermarkt, einen Bartholomäusmarkt Nichthessische exportiert wurden, die Ausfuhr aller- sowie einen Michaelismarkt. Neben der allgemei- dings wegen Steuern rückläufig war199. Ebenso nen wirtschaftlichen Belebung durch das Marktge- wurde die Fischerei betrieben. Im Amt Grünberg schehen nahm die Stadt selbst Markt- und Stand- 204 existierten 1563 sechs Teiche, darunter der Baum- gelder ein . gartenteich und der Wildensee im eigentlichen Von langfristiger Bedeutung war der kaiserlich Stadtgebiet, die befischt wurden200. privilegierte Jahrmarkt. Da Gallus – also der 16. Auch am überregionalen Handel nahm Grün- Okt. – als Fälligkeitsdatum für Pachten und Natu- berg aktiv teil. 1340 wird die Stadt auf der Frank- ralien und daher als Datum vermutlich geläufiger furter Messe erstmals genannt. Seit 1360 florierte war als der regional unübliche Calixtus, bürgerte 205 ein Weinexport aus Frankfurt nach Grünberg, es sich diese Benennung ein . Möglicherweise rekur- war quasi wirtschaftliches Hinterland der Metropo- rierte man dabei aber auch auf das Datum der le am Main. 1387 wurde die Stadt ausdrücklich zur Bestätigung der Stadtrechtsprivilegierung durch Frankfurter Messe eingeladen201. Landgraf Heinrich I. im Jahre 1272 in festo beati Galli. Überregionale Bedeutung erlangte der Markt Gerade der Weinschank in der Stadt führte als Viehmarkt in einem internationalen Ver- immer wieder zu Auseinandersetzungen. 1414 marktungssystem: Über die Märkte von Wedel, bestätigte Landgraf Ludwig, dass Landgraf Her- , Bremen und Hannover kam dänisches mann der Stadt zum Nutzen des Bauwesens den und friesisches Vieh, während Jaroslaw, Przemysl, Weinzapf für drei Jahre übertragen hatte. 1431 Brieg, Schweidnitz, Büttstädte, Eckartsberga und Ohrdruf russisches und walachisches Vieh nach Grünberg lieferten, wo nicht nur die Frankfurter ihren Bedarf decken konnten206. 192 ECKHARDT, Klöster Nr. 317. Scheint zwar die vielbeschworene „Krise des 193 FRANZ, Haina 2 Nr. 239; KRÜGER, Finanzstaat S. 394. Um 1350/1360 verkaufen Henne Crusen und seine Frau aus Spätmittelalters“ auch Grünberg erreicht zu haben Laucendorf (Wüstung bei Laubach) u.a. 1 Achtel Korn- – sei es in Form der großen Pestwellen oder der bei- 1 gülte Grünberger Maßes für 7 /2 Pfund alter Heller Grün- berger Währung; HStAD Hessen A 3 Nr. 210/1. 194 Landgrafen-Regesten online Nr. 8394. 195 Landgrafen-Regesten online Nr. 8399. 196 DEMANDT, Regesten Nr. 1785; Landgrafen-Regesten online 202 DEMANDT, Regesten Nr. 649; ECKHARDT, Klöster Nr. 358; Nr. 6228. Landgrafen-Regesten online Nr. 8992. 197 DEMANDT, Regesten Nr. 2385. 203 HStAD A 3 Grünberg 1481 Januar 31; Druck bei GLASER, 198 GLASER, Beiträge S. 146. Beiträge Nr. 42; DEMANDT, Regesten Nr. 986/C. 199 KRÜGER, Finanzstaat S. 283. 204 GLASER, Beiträge S. 145. 200 KRÜGER, Finanzstaat S. 402. 205 STIKA, Geschichte S. 16. 201 ROTHMANN, Frankfurter Messen S. 103, 143, 180, 188-189. 206 STIKA, Geschichte S. 28.

16 Hessischer Städteatlas – Grünberg den Stadtbrände in der zweiten Hälfte des 14. Jhs., auch das Verhaftetbleiben im agrarischen Umfeld. sei es in Form der Verlagerung von Handelswegen, Daneben ist aber auch ein Zuzug aus anderen Städ- sei es durch die Überschwemmung durch die quali- ten – wie etwa aus Köln – und der von jüdischen tativ bessere Tuchproduktion aus Brabant und dem Viehhändlern belegt210. Aachener Raum – so finden sich deutliche Anzeichen, dass es auch durchaus gegenläufige Bewegungen 2. Das 17. und 18. Jahrhundert gab207. Etwa der Bau der 1419 errichteten soge- nannten Wasserkunst, einer Verbindung zwischen Die Reiseskizze des Engländers Fynes Moryson, der den Quellen im Brunnental und dem oberen Brun- in den 1590er Jahren durch Hessen kam, illustriert nenhaus am Winterplatz neben der Bornpforte die Ärmlichkeit der damaligen Verhältnisse: The mittels einer eigenen Leitung, der nicht nur eine houses were of timber and clay each one for the most technische Meisterleistung, sondern auch finanziell part having a dunghill at the doore, more like a poor aufwändig war. Immerhin konnte die Stadt die village, then a city; but such are the buildings in the Mittel ebenso dafür aufbringen wie für die Erneue- cities in Hessen 211. Tatsächlich waren die meisten 208 rung in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. . Häuser aus Holz und Lehm gebaut, und die Mist- Doch nicht nur die Aufwendungen für die Brun- haufen vor den Türen erweckten einen wenig städ- nenkunst, sondern auch eine ganze Reihe von tischen, sondern eher dörflichen Eindruck. Erst beeindruckenden Bürgerhäusern, die im 15. und Pfarrer Habicht konnte nach der Mitte des 19. Jhs. 16. Jh. errichtet wurden, zeigen immer wieder, auch befriedigt feststellen: die Miststätten, welche früher in der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“, wie sogar den ganzen Kirchplatz verunstalteten, sind jetzt gegenläufig manche Tendenzen sein konnten. Gera- entfernt, wie überhaupt die Stadt im Innern eine viel de die Häuser am Marktplatz, wie etwa das spätere schönere Gestalt gewonnen hat 212. Rathaus, aber auch Häuser in der Rabe- und Markt- Diese Eindrücke dürfen jedoch nicht darüber 209 gasse sind Beispiele bürgerlichen Wohlstands . hinwegsehen lassen, dass Grünberg aufgrund der War zwar Grünberg eine typische hessische Stadt Reformation eine Umwälzung in den sozialen und von geringer Größe und mit einer starken Veranke- kulturellen Strukturen erfahren hatte und das 16. rung im agrarischen Umfeld, so ist doch – wie die Jh. zumindest noch bis in die 1590er Jahre eine Entwicklung der Klöster und die Abgaben an den Periode der Konjunktur und wirtschaftlichen Ent- Landesfürsten zeigen – eine gewisse Blütezeit am wicklung war. Das letzte augenfällige Indiz für die Ende des Mittelalters festzustellen. Zweifellos profi- damals vorhandene wirtschaftliche Prosperität der tierte die Stadt von der günstigen Verkehrslage und Stadt ist der Erwerb des neuen Rathauses im Jahr dem Handel sowie der Verarbeitung der agrarischen 1593 für knapp 2.700 Gulden213. Erst zur Jahrhun- Produktion des Umlandes. Man könnte Grünberg dertwende um 1600 setzte eine Stagnation ein, die eindeutig dem Typus der Ackerbürgerstadt zuord- in der Folge als „allgemeine Krise des 17. Jahrhun- nen, mit einem Schwerpunkt in der Textilproduk- derts“ auch Grünberg erfassen und mit der Klimax tion. Bis in die Neuzeit blieb so ein bedeutender des Dreißigjährigen Krieges eine nie da gewesene Anteil der Bürgerschaft auch in der Landwirtschaft und unerwartete Wende mit sich bringen sollte. tätig. Schon die Ludowinger legten ihre Städte gern Dabei ist – völlig unabhängig von den Kriegswirren dort an, wo sie zwar wenig Eigenland, dafür aber die und Pestwellen – eine grundsätzliche Verschiebung richterliche Gewalt inne hatten. Als Gerichtsherren in den wirtschaftlichen Initiativen zu beobachten, konnten sie die Bevölkerung der Dörfer zum Bau die sich weg von den Städten hin zu den fürstlichen von Befestigungen, Burgen, Wegen, Brücken auf- Territorialstaaten bewegten. Dieser Trend zeichnete bieten und vermutlich in der Folge zur Sesshaftwer- sich bereits bei den geschilderten landgräflichen dung in der neuen Stadt bewegen, weil diese größe- Eingriffen seit dem beginnenden 16. Jh. ab und re persönliche Freiheitsrechte bot. Demnach erklärt sollte sich jedoch in der Zeit nach dem Dreißig- sich auf diese Weise nicht nur der Zuzug der Bevöl- jährigen Krieg noch verstärken214. kerung aus den umliegenden Dörfern, sondern

210 MORAW, Mittelalter S. 199, 203, 215; AMMANN, Raum 207 GLASER, Beiträge S. 98-100; HESS, Städtegründungen S. 40. S. 52, 57; UHLIG/JÄGER, Städte S. 48; HESS, Städtegrün- 208 WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; KÜTHER, Burggründung dungen S. 48. S. 138; GLASER, Beiträge S. 95-97. 211 MORYSON, Itinerary 1 S. 72. 209 Kulturdenkmäler, Alsfelder Straße 1/3, 5, Krool 3, Linsen- 212 HABICHT, Chronik S. 5. gasse 7, Marktgasse 6, 8, Marktplatz 5, 6 oder Rabegasse 1, 213 MÜLLER-HILLEBRAND, Rathaus S. 290-291. 2, 3, 6, 8, 9, 12 sind Beispiele, die heute noch existieren. 214 Vgl. GRÄF, Kleinstädte S. 18-19.

17 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Nach dem Tod des kinderlos gebliebenen Land- über ganz in Grünberg, nachdem er im Oktober grafen Ludwig IV. von Hessen-Marburg fiel Grün- bereits zweimal hierher gezogen war. Jedes Mal berg 1604/5 an die Darmstädter Linie des Land- beherbergte er zum Teil das Vieh, zum Teil eine grafenhauses und damit unter die Regierung Lud- große Menge Flüchtlinge aus seiner Gemeinde. Am wigs V., der bereits im September 1605 die Stadt 25. Okt. wurde versucht, Grünberg zu stürmen, besuchte. Grünberg konnte sich allerdings nicht als was nur durch eine Brandschatzungssumme von Sitz der hessen-darmstädtischen Regierung für den 1.000 Talern an das Militär verhindert werden oberhessischen Gebietsanteil gegenüber dem größe- konnte220. 215 ren und besser befestigten Gießen durchsetzen . Die weitaus größere Gefahr ging allerdings nicht Im gleichen Jahr – also noch weit vor Kriegsaus- von den Soldaten, sondern von der Pest aus, die auf- bruch – kam es zu einem Brand in den Höfen, bei grund der vielen Flüchtlinge, die innerhalb der dem 23 Gebäude, also wohl die gesamte vorstädti- Mauern unter unvorstellbaren sanitären Verhältnis- 216 sche Siedlung, vernichtet wurden . Doch dies war sen und oft mangel- oder unterernährt hausten, sich nur eines der negativen Ereignisse dieser Zeit. explosionsartig ausbreitete. In Grünberg kam es Schon 1611 brach die Pest aus und eröffnete ein 1635 zum Ausbruch der Seuche, die innerhalb halbes Jahrhundert der wiederkehrenden Katastro- weniger Monate über 1.200 Menschenleben forder- 217 phen für die städtische Gesellschaft . te. Rechnerisch war das rund die Hälfte der dama- Der 1618 in Böhmen ausbrechende Krieg beein- ligen Stadtbewohner, es dürften sich darunter trächtigte bald auch das Leben in Grünberg und jedoch auch zahlreiche Flüchtlinge befunden den umliegenden Dörfern. Truppendurchzüge von haben. Zu den Opfern zählten nicht nur der Pfarrer Nord nach Süd und von West nach Ost setzten ab und der Rentmeister, sondern noch drei Bürger- 1619/20 ein218. Die Hohe Straße wurde zur Heer- meister, der gesamte Stadtrat bis auf drei Personen, straße. War die Gegend in den ersten Kriegsjahren drei der Vierer sowie 170 Bürger221. Im Winter zumindest noch von direkten militärischen Aktio- 1635/36 lagen bei Röthges Truppen, was dazu nen verschont geblieben, so häuften sich seit 1634 führte, dass die Grünberger und Laubacher nach – nach der Schlacht von Nördlingen – die Beset- Wetterfeld flüchteten, während 1636 erstmals die zungen, Truppendurchzüge und Einquartierungen. Schweden vor der Stadt auftauchten, aber weiter Aufgrund der glücklichen Überlieferung der soge- nach Hanau zogen222. nannten „Wetterfelder Chronik“, die der aus Grün- In den folgenden Jahren, besonders 1637, kam berg stammende Pfarrer Johann Cervinus führte, es zu Teuerungen und Hungersnöten223. Zwar sowie aus den Kirchenbuch-Einträgen des damali- waren nach der großen Seuche weniger Menschen 219 gen Grünberger Pfarrers Johannes Rosarius liegen zu ernähren, aber die Felder waren verwüstet oder authentische Informationen vor, die besonders gut unbestellt geblieben, die Ernte konnte nicht immer die Bedrohungen für die Zivilpersonen schildern, eingebracht werden oder wurde gestohlen. Ähnlich denen zum Teil nichts anderes als die Flucht blieb, erging es mit dem Vieh. So mussten Nahrungs- dabei gewärtig, alles zu verlieren und nur bestenfalls mittel zwangsweise aus entfernteren Regionen das nackte Leben retten zu können. beschafft werden und dies hatte seinen Preis. Cervinus berichtet, dass er wiederholt von Wetter- Doch der Krieg sollte noch ein Jahrzehnt dauern. feld nach Grünberg, wo er nach wie vor ein Haus Das Jahr 1640 brachte für Grünberg neue Drangsale. besaß, flüchtete. Die Stadt bot mit ihren mittel- Bereits Anfang Januar kamen Weimarer Truppen, alterlichen Mauern zwar keinen Schutz vor einer die in Grünberg Quartier bezogen und im Umland regelrechten Belagerung und Beschießung mit der plünderten224. Außerdem verlangte der Komman- modernen Artillerie, zumindest aber vor den kleine- deur alle Pferde aus Amt und Stadt. Fast 700 wur- ren Trupps marodierender und fouragierender Sol- den den Leuten abgenommen und die Bürgerschaft daten. Als 1634 kaiserliche Truppen plündernd hatte dem Obristen wöchentlich noch 100 Reichs- durch die Lande zogen, blieb Cervinus den Winter

220 Wetterfelder Chronik S. 86-87. Für diese Zahlungen, die 215 KÜTHER, Reformation S. 267. die Plünderungen verhindern sollten, griffen die Bürger 216 HABICHT, Chronik S. 32. auf ihre baren Ersparnisse zurück, da die Zahlungen sofort 217 KÜTHER, Reformation S. 268-269. geleistet werden mussten. 218 Zum Überblick PRESS, Hessen S. 300-317; MALETTKE, 221 HABICHT, Chronik S. 32 Dreißigjährige Krieg. 222 Wetterfelder Chronik S. 95-96. 219 ROSARIUS war 1635-1652 in Grünberg tätig. DIEHL, Pfar- 223 HABICHT, Chronik S. 34. rerbuch S. 420. 224 Wetterfelder Chronik S. 105-106.

18 Hessischer Städteatlas – Grünberg taler zu bezahlen. Dazu verlangte er 4.000 Reichs- ihnen Secretarius Vigelius [Solmsischer Beamter] ver- taler Kontribution, die jedoch Landgraf Georg auf boten, wurden ihnen 50 Gulden kammergelt zu straf 2.200 reduzieren konnte – die Grünberger Stadt- angefordert 231. Doch bis zum Kriegsende 1648 soll- kasse war finanziell am Ende225. te die Gegend unter dem Krieg weiter leiden. Noch Wie eng hier die Truppen beisammen lagen, Anfang 1648 erschienen schwedische Truppen: zeigt auch die zweite Jahreshälfte 1640. Der Wei- Darauf die Grunberger den 23 Jan: gehen laubach marer Obrist kehrte im September zurück, ver- geflogen, und aus allen Amptern, mechtig viel Men- 232 brachte nur eine Nacht in Grünberg, um nach schen und viehe daselbst gewesen . Friedberg weiter zu ziehen, während um Fritzlar die Bei Kriegsende bot Grünberg ein trauriges Bild. kaiserlichen Truppen unter Erzherzog Wilhelm Bis 1648 hatte die Stadt nahezu die Hälfte ihrer Leopold lagen, die dann im November Grünberg Einwohner – sei es durch Flucht oder durch Tod, besetzten und hier ihr Hauptquartier aufschlugen, genau lässt sich dies nicht mehr feststellen – ver- während zeitgleich die Bayern unter Oberst Mercy loren. Noch in der Nachkriegszeit mussten rund in Laubach hausten226: Und blieben im aufbruch der 140 Gebäude abgerissen werden, da sie lange leer beyerischen Volker 12 tode soldaten zu Wetterfelden gestanden und nicht mehr bewohnbar gemacht ligen, zwen tode schelmen in der Pfarrstuben, ein tod werden konnten. Vor allem wurden sie schlicht Weibs Person in der pfarschewern, war halb von den nicht mehr gebraucht. Im weiteren Umkreis um hunden gefressen war ein elend spectakel 227. 1641 star- Grünberg war eine ganze Anzahl von Ortschaften ben 128 Personen in Grünberg, darunter viele Kin- völlig verschwunden oder bestand nur noch als ein- der, wie Habicht berichtet – vermutlich eine Folge zelner Hof oder Mühle fort – etwa die Wadenhäu- der schlechten Hygiene- und Ernährungsbedingun- ser Mühle (Groß-Eichen) oder der Petershainer Hof gen in dieser Zeit, ohne dass es zu einer erneuten (Kölzenhain)233. Es waren also neuzeitliche Wüstun- Pestepidemie gekommen wäre228. Es folgten weitere gen entstanden. Tr uppendurchzüge, Einquartierungen und Plünde- Grunberg ist ein ansehnliches Ober-hess. Amt / und rungen, 1643 kam Königsmarck mit seinen schwe- eine uralte Statt auf einem grünen und sehr lustigen dischen Reitern, denen 1645 französische Truppen Hügel oder Berg zwo Meilen von gelegen / dar- folgten. Ab 1645 wurde der seit 1604 bestehende von es auch / wie etliche wollen / den Namen Grüne- innerhessische Erbfolgekonflikt auch militärisch berg habe / und solle vor Alters / nach Ausweise der ausgetragen, wobei sich niederhessisch-kasselische Merkmalen / vor denen vielfältig ausgestandenen und oberhessisch-darmstädtische Truppen gegenü- Feuersbrünsten / weit größer und unter die Stätte des 229 ber standen . Dieser „Hessenkrieg“ zog sich bis in Reichs gerechnet worden seyn / 234, weiß Johann Just den April 1648 hin und brachte zusätzliches Leid Winkelmann 1697 über die Stadt zu berichten. In 230 auch in die Region um Grünberg . Die Auswir- seiner barocken Begeisterung für Zahlenspiele hebt kungen der Kämpfe auf die dezimierte und er, freilich nicht immer ganz korrekt, die Zahl 2 als geschwächte Zivilbevölkerung, die mittlerweile ver- typisch für den Ort hervor: Sonsten ist diese Statt zweifelt ums blanke Überleben kämpfte, vermittelt wegen der zweyten Zahl bekannt / daß sie nemlich Cervinus in seiner Beschreibung, als nun die Grün- habe 1. zwo Kirchen; (...) 2. Zwey Rath=Häuser / im berger quasi die Wetterfelder plünderten: Und ist neuen / so im Jahr 1582. verbessert worden (...). notabel, als die Grunberger, im Mulnfeld, des lager 3. Zwey Clöster / ein Nonnen / und ein Franciscaner- holtzes halben in der winter saat so viel gehauset, und Closter / jenes ist ein Armenhaus; dieses sind bürger- die Wetterfelder, sie deswegen gepfendet und geschlagen liche Wohnungen. 4. Zwo Vorstätte / sind vor Zeiten auch die pfende nicht nach Grunberg geliefert, weil es ziemlich groß gewesen / wie die Stück Mauren / und verwüstete Plätze ausweisen. 5. Zwo durch das Wetter erlittene große Feuers-brünste / (...) 6. Zwey trefliche Kunst-Stücke / als nach Aufgang eine große von Steinen 225 Wetterfelder Chronik S. 255-256; Schilderung des Pfarrers und Erden erbaute nützliche Brücke / welche die Statt Rosarius im Grünberger Kirchenbuch. Schon damals war rund ein Viertel der Bausubstanz vernichtet; vgl. ebd. S. 320. von einem Berg zum andern zusammen henget / dar- Von den 2.200 Talern übernahm der Landgraf die Hälfte nach einen künstlichen Wasser-Thurn / vermittelst des- auf die Stadt Gießen, 200 die Bäcker- und 200 die Schuh- sen das klare Wasser durch ein Rad aus dem Thal macherzunft – die beiden größten Zünfte der Stadt – 150 die Juden. Außerdem verpfändete der Landgraf seine Vor- räte in Schloss Merlau; KÜTHER, Reformation S. 275. 226 Wetterfelder Chronik S. 107-109; HABICHT, Chronik S. 35. 227 Wetterfelder Chronik S. 109. 231 Wetterfelder Chronik S. 133-135. 228 HABICHT, Chronik S. 35. 232 Wetterfelder Chronik S. 138. 229 WEBER, Hessenkrieg. 233 HABICHT, Chronik S. 35; GLASER, Beiträge S. 161-162. 230 Wetterfelder Chronik S. 115-116, 118, 132-133. 234 WINKELMANN, Beschreibung S. 196.

19 Hessischer Städteatlas – Grünberg künstlich / und hieraus in die Statt-Brunnen geführet Am drückendsten für die Zivilbevölkerung war wird. 7. Zwey fürnehme Jahrmärkte / den ersten auf jedoch die Versorgungspflicht gegenüber dem Mili- Pfingst-Dingstag / den andern auf Galli Tag / 235. tär. Neben der Ernährung und Unterkunft der Sol- Auch verweist Winkelmann darauf, dass die daten mussten Heu-, Hafer- und Holzlieferungen – Stadt der Handlung halber / in grossem Flor gewesen / die sogenannten Kantonierungen – erbracht wer- 240 und sind unter andern auf den Gallen-Jahr-Marken den . Auch wenn keine unmittelbaren kriegeri- etliche 1000. Stück Polnische Ochsen getrieben und schen Aktionen stattfanden, blieb der oberhessische verkauft worden / wiewol sie noch mit andern herr- Raum für die Verproviantierung und Einquartie- lichen Mark-Freyheiten wol versehen ist 236. rung wichtig, worüber unter anderem Pfarrer Buff im Queckbörner Kirchenbuch berichtet241. Vor den Folgt man der Chronik, litt die Stadt so schwer Ernten kam es öfters zu großen Teuerungswellen, da unter den Kriegsfolgen – wenn auch die Details das Getreide bereits knapp war und es aufgrund der nicht immer ganz richtig sind –, dass sie sich selbst großen Nachfrage zu Versorgungsengpässen kom- bis zum Ende des 17. Jhs. noch nicht davon erholt men konnte242. hatte und ihre Bevölkerungszahl nach wie vor halbiert war237. Bedenkt man darüber hinaus das 1760 kam der Herzog von Württemberg mit Schatzungsregister von 1583, in dem nicht nur 381 französischen Truppen sowie am 22. Juni die fran- private Gebäude genannt sind, sondern auch noch zösische Armee unter dem Herzog von Broglie in ein Vermögen von über 105.000 Gulden Steuerka- die Gegend von Grünberg. Die Felder wurden rui- pital sowie ein Viehstand von 62 Pferden, 296 niert und es gab das ganze Jahr über wieder Durch- Kühen, 580 Schweinen und 547 Schafen, so zeigt züge und Einquartierungen. Selbst Plünderungen dies die enorme wirtschaftliche Schwächung238. standen nach wie vor auf der Tagesordnung, auch wenn sie mittlerweile verboten und innerhalb des Als langfristiges Problem für die Erholung der Heeres geahndet wurden243. Pfarrer Buff berichtet Stadt stellte sich heraus, dass sie weder eine spezielle am 15. März 1761, dass in Lauter ist besagten Tages Funktion für den Territorialstaat – etwa als Resi- auch ein starkes Scharmützel zwischen Frantz. Frey- denz-, Festungs- oder Universitätsstadt – erlangen willigen und Teutschen Jägern und hernach eine Can- noch ein spezialisiertes Gewerbe, das als wirtschaft- tonnierung von 2 frantz. Dragoner-Regimentern gewe- liche Grundlage für eine neue Prosperität hätte die- sen. Das Elend in beiden Dörfern ist nicht zu beschrei- nen können, entwickeln konnte. Beides war für ein ben. Stroh und Futter, Gerste, Haber, das mehrste Wachstum über das Vorkriegsniveau hinaus unab- Korn, Kartoffeln haben die Soldaten gefuttert; viel dingbare Voraussetzung239. Kälber und Schaafe, auch verschiedenes grooß Vieh Dennoch blieben Grünberg nach Winkelmanns gegessen; wenige Hühner sind übrig geblieben 244. Am Bericht noch über sechzig Jahre, sich von den 21. März 1761 forderte ein großes Gefecht zwi- Wirren und Verlusten des Dreißigjährigen Krieges schen Grünberg und Atzenhain mehrere 1.000 Tote, zu erholen, die Stadt wieder aufzubauen und die bei dem auch der hannoversche Kavalleriegeneral Bewohnerschaft durch Zuzug zu vergrößern. Dann Ernst Friedrich von Reden durch einen Kopfschuss brachte der Siebenjährige Krieg (1756-1763) erneut verwundet wurde, an dem er kurz darauf verstarb. eine Zeit der Einquartierungen, Truppendurchzüge Er wurde in Grünberg beigesetzt245. 1762 kam es und auch der militärischen Aktionen nach Grün- erneut zu Einquartierungen, der Prinz Condé berg. 1759 schlug der in französischen Diensten erschien mit einer französischen Armee, welche vom stehende Obrist Fischer für mehrere Monate hier Grünberger Stadtwald, über Lehnheim, Stangenrod, sein Lager auf und quartierte seine Truppen ein. In die Warthe bis an die Göblnröder breite Lohe sich den umliegenden Dörfern lagen hannoversche erstrecket; durch welche d. 9t. unsere Sommerfrüchte Tr uppen und ein braunschweigisches Infanterie- im Waldfeld abfouragiret wurden246. Der Prinz logierte Regiment. Im gleichen Jahr erfolgte im April der Durchzug der Truppen unter dem auf preußischer Seite stehenden Herzog Ferdinand von Braun- 240 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 6-7, 13; HABICHT, Chronik schweig – dies führte vor der Stadt zu Scharmützeln S. 36. 241 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 16. zwischen den gegnerischen Truppen. 242 HABICHT, Chronik S. 38. 243 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 17-18; HABICHT, Chronik S. 37. 235 WINKELMANN, Beschreibung S. 197; vgl. auch Geographus 244 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 18-19. S. 170. 245 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 19; HABICHT, Chronik S. 37. 236 WINKELMANN, Beschreibung S. 197-198. Sein – von Witwe und Kindern 1770 gestiftetes, als das 237 WINKELMANN, Beschreibung S. 198. Tränenweibchen bekanntes – Grabdenkmal wurde beim 238 KÜTHER, Reformation S. 264. Einsturz der Kirche 1816 beschädigt. 239 Vgl. GRÄF, Kleinstädte S. 18-19. 246 BETZ, Siebenjährige Krieg S. 21.

20 Hessischer Städteatlas – Grünberg im Schloss, fast 20 seiner Generäle bezogen eben- nahmen den städtischen Ausgaben von 2.971 Gul- falls Quartier in der Stadt und in den Häusern den gegenüber250. drängten sich bis zu 20 Soldaten. Die in der Mäd- Die Reformation hatte mittelfristig auch die in chenschule einquartierten Dragoner lösten durch der zweiten Hälfte des 16. Jhs. einsetzende Reform Nachlässigkeit einen Brand aus, der glücklicher des Schulwesens zur Folge, das erweitert und syste- 247 Weise rasch gelöscht werden konnte . matisiert wurde. Eine 1579 eingesetzte landgräf- Die Kriegsereignisse waren sicherlich die ein- liche Kommission bemängelte noch abzustellende schneidenden Erlebnisse im Leben der Stadtbewoh- Missstände, unter anderem, dass es in Grünberg ner. Die langfristig ablaufenden wichtigen Verände- keine Mädchenschule gäbe. Der Rat sollte daher, rungen im sozialen, kulturellen wie im wirtschaft- eine ehrbare Frau als Lehrerin aufnehmen, so den lichen Leben wurden dadurch gewiss auch Mägdlein den Katechismus, Gottesfurcht lehre und gebremst, doch nicht wirklich aufgehalten. Das schreiben lehre, damit sie später ihre Kinder desto bes- städtische Gemeinwesen entwickelte sich in den ser in Gottesfurcht erziehen und ihr Hausgesinde gott- unterschiedlichsten Bereichen auf seiner mittelalter- selig „regieren“ könnten 251. Gleichzeitig wurde bean- lichen Grundlage trotz aller Unbilden auch im 17. standet, dass in Grünberg ein eigener Katechismus und 18. Jh. der Zeit entsprechend weiter fort248. von einem unbekannten Autor in Gebrauch sei. Es Die städtische Verwaltung erlebte durch den stehe dort zwar nichts Sträfliches, dennoch sei in reformatorischen Umbruch und die nachfolgenden den Schulen grundsätzlich der kleine lutherische 252 landesherrlichen Erlasse und Verordnungen eine Katechismus zu verwenden . Ein Beispiel, das Neugliederung. Anhand ihrer Besoldung lassen sich zeigt, dass die landgräflichen Kontrollinstanzen vor für 1578 bzw. 1598 ein Oberbürgermeister, ein Ort bereits bis ins kleinste Detail eingriffen. Im 17. Unterbürgermeister, ein Stadtschreiber, ein Stadt- Jh. besaß Grünberg dann drei Schulen, zwei davon knecht, Fleischschätzer, Feuerbeseher, Weinauf- für Jungen – die deutsche und die Lateinschule – schneider und Türmer nachweisen, die letzten aller- sowie eine für Mädchen. Allerdings litten auch die dings von unbekannter Anzahl. 1690 erscheint die Schulen unter den Kriegseinwirkungen, da ein gere- kommunale Beamten- und Amtsträgerschaft bereits gelter Schulalltag unter diesen Bedingungen nicht 253 um zwei Waldmeister, zwei Weg- und Teichmeister, möglich war . 1638 erhielt das Grünberger Schul- einen Ratsdiener, einen Unterstadtknecht, zwei wesen eine landgräfliche Genehmigung, die ein Brunnenmeister, einen Uhrsteller, einen Waldförs- Monopol festschreiben sollte. Dennoch blieb das ter, zwei Feldschützen und einen Wachtmeister fürstlich sanktionierte und genehmigte Schulwesen erweitert249. Abgesehen von den jeweils nötigen des Magistrates nicht das einzige. Bereits 1680 Aufwendungen für deren Besoldung sowie den häuften sich Beschwerden über die sogenannten Unkosten für Zehrungen der Beamtenschaft, die Neben- und Winkelschulen, quasi Privatschulen, bei Rechnungslegungen, Amtsbestätigungen und die für die mit hohen Schülerzahlen überforderten ähnlichen Angelegenheiten üblich waren, spielten bzw. ausgelasteten „öffentlichen“ Schulen eine die sogenannten Verehrungen – mehr oder weniger gewisse Konkurrenz darstellten, sich vor allem aber 254 freiwillige Geschenke in Geld oder Naturalien – an der obrigkeitlichen Schulaufsicht entzogen . In höhergestellte Personen eine nicht unwichtige Rolle den ersten Jahrzehnten des 18. Jhs. hatte dies zur für die kommunalen Finanzen. Folge, dass Lehrer, die nebenher privat unterrichte- ten, zum Teil versetzt wurden. Allerdings wurden Die städtischen Einnahmen bestanden aus Bede, nun auch mehr Lehrer beschäftigt. Sogar die Mäd- Ungeld, Marktgebühren, Brücken- und Wegegeld, chenschule erhielt 1735 zwei praeceptores ordina- von denen allerdings ein Gutteil an den Landgrafen rii 255, was darauf schließen lässt, dass sich im Zuge abgeführt werden musste. Dazu kamen noch Ein- der Aufklärung auch die Mädchenausbildung etwas nahmen aus dem eingelagerten und ausgeschenkten gebessert hatte. Wein sowie aus dem Gebräu der beiden städtischen Brauhäuser, den Pacht- und Mietzinsen von den städtischen Liegenschaften sowie dem Bürgergeld. 250 HABICHT, Chronik S. 22-23. 1610 – also noch in der Vorkriegszeit – stand ein 251 HABICHT, Chronik S. 146. 252 HABICHT, Chronik S. 147. ausgeglichenes Budget von 2.788 Gulden an Ein- 253 HABICHT, Chronik S. 147-148; DIEHL, Pfarrerbuch S. 426, der darauf verweist, dass mit wenigen Ausnahmen in der Mädchenschule nur Illiteraten lehrten. 254 HABICHT, Chronik S. 148. Habicht schildert hier nicht nur die Auseinandersetzungen zwischen Rat und Lehrern, 247 HABICHT, Chronik S. 38. sondern auch die Verfehlungen der Letzteren sehr ein- 248 Vgl. GRÄF, Towns S. 184-205. drücklich. 249 HABICHT, Chronik S. 20. 255 HABICHT, Chronik S. 149.

21 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Der Unterricht, zum Teil auch der offizielle, fand malige Augustinerinnenkloster – nicht mehr aus- in Privathäusern statt. Dies erleichterte das Ent- reichte. Pfarrer und Stadtrat gerieten darüber in stehen der Nebenschulen, insofern nach außen die Streit, wie viele Personen dort aufgenommen wer- Grenzen verschwammen. 1680 unterrichtete ein den dürften, wer über eine Aufnahme entscheiden „deutscher Lehrer“ in der Schirn, also im alten Rat- sollte und vor allem, wer überhaupt einen Versor- haus, während 1701 eine Schule auf der Badestube gungsanspruch haben solle. Die Causa wurde höhe- – vermutlich derjenigen am Winterplatz – genannt ren Orts – in Marburg – entschieden und zwar ist. 1715/16 änderte sich mit der Errichtung des dahingehend, dass aufgrund der Überfüllung (40 neuen Schulgebäudes diese Situation grundlegend. Personen) nur mehr Bürger und Einwohner der Der Neubau wurde aus den Mitteln des Verkaufes Stadt, jedoch niemand mehr aus den umliegenden des Badehauses finanziert. Abgesehen von den Dörfern des Amtes zugelassen werden sollten. Eine Privatschulen, die im Laufe des 18. Jhs. – gerade für Aufnahme setzte einen gemeinsamen Entscheid von die höhere Bildung und Vorbereitung für die Uni- Pfarrer, Rat, Vierern und Vorstehern voraus260. Ab versität – an Bedeutung nochmals gewannen, kon- 1601 wurde der Zugang auf 35 Personen zentrierte sich bis ins 19. Jh. das Schulwesen auf beschränkt, 1629/30 waren 11 Männer und 18 dieses neue Gebäude am Kirchenplatz256. Frauen ansässig und 1664 lebten 24 Pfründner im Die Unterstützung zweier Stipendiaten durch Hospital. Die Bevölkerungsverluste des Dreißigjäh- die Stadt, zumeist Studenten der Theologie, wurde rigen Krieges sorgten hier offensichtlich mittelfristig auch im 17. Jh. weiter gepflogen. Während des für eine Entspannung der Situation. Dreißigjährigen Krieges wurden diese Zahlungen Die Aufnahme geschah entweder gegen eine allerdings eingestellt und in der Nachkriegszeit Geldsumme oder um „Gottes Willen“261. 1698 tritt konnte nur noch ein Stipendiat finanziert werden. die Unterscheidung zwischen Pfründnern und Nach langen Diskussionen zwischen Rat, Vierern Unpfründnern auf. Letztere waren vor allem betref- und Bürgermeistern über die Auswahl und Anzahl fend ihrer Verpflegung benachteiligt. Um den Kapi- der Personen wurde in der Folge bis ins späte 19. Jh. talstock, aus dem sich das Hospital wesentlich jeweils ein Bürgersohn mit einem Stipendium aus- finanzierte, nicht zu vermindern, wurde die Zahl gestattet257. der Pfründner weiter verringert: 1712 auf 16 und 262 Darüber hinaus existierte zwischen 1791-94 eine 1780 auf 8-10 Personen . sogenannte Industrie-Armenschule in einer Woll- Nach wie vor bestand das Vermögen des Hospi- spinnerei258. Da über diese kaum etwas bekannt ist, tals hauptsächlich aus den Gütern des ehemaligen dürfte es sich um eine typische Fabrikschule gehan- Klosters der Augustinerinnen, auf denen Landwirt- delt haben, in der hauptsächlich die Kinder armer schaft betrieben wurde, um vorrangig den Eigen- Familien zu niedrigsten Löhnen arbeiteten. Gerade bedarf zu decken oder einen Pachtzins zu erhalten. die Spinnereien waren solch typische Arbeitsstätten. Im 17. und 18. Jh. kam eine Reihe von kleineren Neben dem Katechismus lernten die Kinder höch- Stiftungen durch Privatpersonen hinzu263. stens, wenn überhaupt, die allernötigsten Grundbe- Wie knapp das Geld trotz einer feststellbaren 259 griffe des Lesens und Schreibens . Erholung in der ersten Hälfte des 18. Jhs. war, zeigt Nicht nur das Schulwesen, auch der weite soziale sich an den Schwierigkeiten beim Bau der neuen Bereich der Armen-, Alten- und Krankenpflege, der Hospitalskirche, die bereits zu Beginn des 18. Jhs. in mittelalterlicher Tradition von unterschiedlichen, baufällig geworden war. 1723 fand die Grundstein- oft kirchlichen und genossenschaftlichen Institutio- legung statt, doch die Größe des Baues überstieg die nen und Verbänden getragen wurde, war seitens des vorhandenen Mittel, woraufhin 1724 eine General- Landesfürsten durch verschiedene Verordnungen kollekte zu Gunsten des Kirchenbaus durchgeführt im Zuge der Reformation geregelt worden. Es wurde. 1733 verzichtete man auf den Turm und bedurfte aber immer wieder neuer Entscheidungen, hängte die Glocke im Dachstuhl auf264. Der um spezifische Probleme vor Ort zu lösen. So zeigte Abschluss des Baus zog sich bis 1740 hin und noch sich etwa 1579, dass das neue Hospital – das ehe- 1748 wurde eine Lotterie durchgeführt, um die ent- standenen Bauschulden daraus zu lindern265.

256 HABICHT, Chronik S. 160-161; ERDMANN, Stadtschule 260 KÜTHER, Reformation S. 277. S. 402-403; FUNK, Gymnasium S. 406. 261 HABICHT, Chronik S. 224. 257 HABICHT, Chronik S. 231-233. 262 KÜTHER, Reformation S. 278. 258 HABICHT, Chronik S. 158. 263 HABICHT, Chronik S. 199-207. 259 Vgl. allgemein zu Fabrikschulen mit älterer Literatur: 264 WALBE, Kunstdenkmäler S. 207. KUHN, Geschichte. 265 KÜTHER, Dreißigjährigen Krieg S. 306.

22 Hessischer Städteatlas – Grünberg

In diesen zweifellos wirtschaftlich schwierigen schnellwachsender Nadelbäume zu begegnen such- Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg te269. Dank der Knappheit war der Holzpreis ent- erreichten aber auch die neuen Kommunikations- sprechend hoch und die Stadt konnte noch 1846 techniken Grünberg. 1690 wurde eine Postverbin- den Neubau der Kirche durch Holzeinschläge im dung für Regierungseinrichtungen zwischen Leip- Stadtwald finanzieren. Eine Entspannung im Holz- zig und Frankfurt eingerichtet, die 1715 nach mangel brachte erst der Eisenbahnbau, der die rela- einem Vertrag zwischen Hessen-Darmstadt und tiv kostengünstige Einfuhr von Kohle erlaubte. Sachsen- zur Kanzleipost umgestaltet wurde. Bevölkerungszahlen sind für die vorstatistische Grünberg wurde eine Etappenstation auf dieser Zeit zumeist Näherungswerte, erst für das 19. Jh. neuen Post an der alten Messestraße. Zur öffent- können exakte Angaben getroffen werden, davor lichen Einrichtung wurde die Post allerdings erst handelte es sich meist um Zahlen, die nicht die 1730. 1770 verkehrte die Postkutsche in jede Rich- gesamte Bevölkerung umfassten, sondern nur 266 tung zweimal in der Woche . bestimmte Personengruppen. Die Gründe für die Nicht nur die Stadtverwaltung mit ihren Ver- statistische Erfassung waren oft ähnlich – Fiskus, tretern und Beamten hatte sich mittlerweile konso- Militär oder Sozialdisziplinierung. Dementspre- lidiert. Auch die ansässigen Gewerbe und Hand- chend sind auch die Moser’schen Tabellen von 1777 werke organisierten sich fester in den Zünften. Sie zu bewerten, die bestimmte Aussagen zulassen270. Es versorgten die Stadt und ihr Umland mit dem handelt sich dabei um eine der ersten flächende- Lebensnotwendigsten. Viele Handwerker – wie die ckenden Erfassungen von Einwohnern und ihren Schuhmacher – vertrieben ihre Produkte zusätzlich Beschäftigungen in der Landgrafschaft Hessen- auf den Jahrmärkten in anderen Städten der nähe- Darmstadt. Für Grünberg sind hier 1.876 Einwoh- ren und weiteren Umgebung. Dennoch blieb die ner angegeben, worunter die Erwerbstätigen mit Landwirtschaft – und sei es nur im Nebenerwerb – ihren Angehörigen und Dienstboten zu verstehen für die meisten Gewerbetreibenden eine Notwen- sind. Nach den Tabellen waren davon 68 in der digkeit zur eigenen Versorgung. So lässt etwa die Landwirtschaft tätig und – hier sind noch die unter- sehr hohe Anzahl von 35 Mitgliedern in der Bäcker- schiedlichen anderen Sektoren zusammengefasst – zunft vermuten, dass diese nicht allein von ihrem 1.678 in Handwerk, produzierendem Gewerbe Gewerbe leben konnten, selbst wenn man diese oder Handel. Diese Zahlen widersprechen auf dem Zahl auf das Amt und nicht nur auf die Stadt umge- ersten Blick der Annahme, dass in den kleinen legt267. Doch nicht allein die Land-, sondern auch Landstädten die Einwohnerschaft bis ins 20. Jh. die Forstwirtschaft war von nicht zu unterschätzen- hinein stark in der Landwirtschaft verankert geblie- der Bedeutung. In vorindustrieller Zeit war der ben sei. Doch das Faktum erklärt sich einfach da- Wald mit großem Abstand wichtigster Rohstofflie- raus, dass es keine doppelten Zählungen gibt; wer ferant, wurde aber auch durch die Waldweide ein Gewerbe oder Handwerk ausübte, war mitsamt zusätzlich landwirtschaftlich genutzt. Das Holz war seinem Haushalt in dieser Rubrik aufgeführt, wichtigster Baustoff und – sei es als Brennholz oder gleichgültig ob und bis zu welchem Grade er eine als Holzkohle – der wichtigste Energieträger für die Nebenerwerbslandwirtschaft betrieb271. Haushalte, die beiden städtischen Ziegelhütten, die Neben der erwähnt hohen Zahl von Bäckern Bäcker und die Metallhandwerker. In den letzten und Schuhmachern gehörten die Lohgerber, Färber Jahren des 16. Jhs. war die Stadt – damals finanziell sowie die Weber und Spinner zu den wichtigsten noch relativ gut aufgestellt – aktiv geworden. Zwi- Gewerben in der Stadt. Gerade in der Textilbranche schen 1583-1597 hatte sie in der Umgebung grö- fanden im Verlauf des 18. Jhs. einige Veränderun- ßere wüst liegende Grundstücke gekauft und aufge- gen statt. Die Wollweber waren im Mittelalter die 268 forstet, die zum späteren Stadtwald gehörten . Die wichtigsten Textilhandwerker in der Stadt gewesen, Stadtväter handelten hier in weiser Voraussicht, gefolgt von den Leinenwebern. Beide erhielten denn der Holzbedarf der folgenden Jahrhunderte 1605 einen ähnlich lautenden landgräflichen sollte nicht nur aufgrund des ständigen Bedarfs für Zunftbrief. Die Leinenweber arbeiteten in Stadt den regional üblichen Fachwerkbau, sondern darü- und Amt im Verlagssystem. Die Handspinnerei ber hinaus für neue Technologien weiter zunehmen erfolgte zumeist in hauswirtschaftlicher Nebentätig- und bald in der Holznot des 17. und vor allem des 18. Jhs. enden, der man mit der Anpflanzung

269 266 KÜTHER, Dreißigjährigen Krieg S. 307. CLEMM, Stadtwald. 270 267 KAUSS, Bäckerzunft S. 87. Vgl. die Aufstellung in Kap. I.5. 271 268 KÜTHER, Reformation S. 264. Zit. nach HESS, Bevölkerung S. 117-118.

23 Hessischer Städteatlas – Grünberg keit. Händler zogen durch die Lande und erwarben brachten274. Mittelfristig wichtiger waren jedoch die Garn oder Rohleinen und sorgten für die Weiter- für Grünberg fatalen Konsequenzen der damals verarbeitung272. Zwar litten beide Zünfte schon expandierenden englischen Textilindustrie, die früh gegen Ende des 17. und Anfang des 18. Jhs. unter auf mechanische Spinnerei und Weberei um- erheblichen Krisenerscheinungen, doch erst die Zeit schwenkte. Damit wurde eine Expansion Grün- nach dem Siebenjährigen Krieg brachte deutliche bergs auf der Basis seiner traditionellen Gewerbe- Veränderungen. Es kam zum Zusammenschluss von struktur verhindert. Handwebern unter einzelnen Meister-Unternehmern, Die Situation Grünbergs Mitte des 19. Jhs. schil- die teilweise weiter im Verlagssystem gegen Lohn dert Glaser eindrücklich: Eine Zeichnung von Grün- das Tuch herstellten oder in „Fabriken“ zusammen- berg, wie es jetzt ist, würde dem Auge wenig Gefälliges gefasst wurden. Dies bedeutete eigentlich keine darbieten, weil seine Ansicht weder durch Thürme, neue Errungenschaft der damaligen Zeit, sondern noch durch andere ausgezeichnete Gebäude gehoben, man hinkte der Entwicklung hinterher. Zumal die vielmehr durch die noch immer nicht völlig verdräng- Bezeichnung „Fabrik“ für solche Unternehmen ten Strohdächer entstellt sein würde. Ein einziger, trügt, denn es handelte sich vielmehr um Manufak- alter, einsam stehender Mauerthurm verkündigt als turen, in denen im Grunde weiter mit den traditio- Ueberrest ehemaliger Befestigung, dass Grünberg eine nellen Handwebstühlen produziert wurde wie Stadt sei 275. Darüber hinaus beklagt er, dass bis auf zuvor. Dampfmaschinen und mechanische Web- den Marktplatz sämtliche anderen Plätze der Stadt stühle kamen in Grünberg erstmals in den 1870er durch Miststätten verunstaltet seien276. Auch sah er 273 Jahren zum Einsatz . der wirtschaftlichen Zukunft der Stadt realistisch ins Auge, da er aufgrund der gewerblichen Bedeu- 3. Das 19. und 20. Jahrhundert tungslosigkeit mit keiner Bevölkerungszunahme in Grünberg rechnete277. Leitete das 16. Jh. eine erste Phase des Umbruchs in Glaser hatte mit seiner düsteren Prognose Recht, allen Lebensbereichen im Verlaufe der frühen Neu- insofern Grünberg tatsächlich sehr spät von der zeit ein, so kann das 19. als dessen Perpetuierung Industrialisierung erfasst werden sollte. Dies hing gelten. Entwicklungen, die sich im 18. Jh. erst auch damit zusammen, dass sich vor allem die abzuzeichnen begannen, brachen sich nun Bahn, Zünfte bis ins späte 19. Jh. mit Erfolg gegen die die wiederum Veränderungen mit sich brachten, die neuen wirtschaftlichen Entwicklungen und Erfor- früher oder später das Leben jedes Einzelnen betra- dernisse stemmten. Es fehlte eindeutig die sozio- fen und bis in die Gegenwart nachwirken. ökonomische Modernisierung des 19. Jhs. Hinge- Die Umwälzungen bezogen sich nicht nur auf gen entstand eine „hinter althergebrachten Bräu- das politische Leben, das sich vor allem in der zwei- chen und Privilegien verbarrikadierte Klein ten Hälfte des 19. Jhs. auf demokratischere Struk- (-stadt)bürgerschaft “278.Das Zunftwesen hatte sich turen vorbereitete, sondern vielmehr auch auf öko- seit dem Mittelalter nicht sonderlich verändert, die nomische Belange, die für die in ihren altherge- zehn Zünfte blieben großteils bis weit in das 19. Jh. brachten Traditionen verharrende Stadt, nicht nur hinein bestehen. Die größte Zunft – diejenige der Neuerungen, sondern auch Zeichen des wirtschaft- Schuhmacher – umfasste rund 100 Mitglieder, lichen Niederganges mit sich brachten. wobei sich diese Zahl vermutlich auf das gesamte Schon die Wende vom 18. zum 19. Jh. und der Amt Grünberg und nicht allein auf die Stadt bezog. Beginn des 19. Jhs. standen unter kriegerischen Daneben gehörten die Metzger, aber auch die Ger- 279 Vorzeichen. Die Revolutions- und Napoleonischen ber zu den bedeutenderen Berufszweigen . Der Kriege und mit ihnen die Kontinentalsperre führten Chronist und Stadtpfarrer Habicht äußerte zum zu den unvermeidlichen Truppendurchzügen. Thema Zunftwesen eine sehr klare Einstellung: Besonders 1814 erlitt Grünberg eine Reihe von Einen Einfluß auf das städtische Regiment haben sie Tr uppendurchmärschen, die nicht nur die üblichen nicht mehr, wie solcher in früherer Zeit statt fand. Begleiterscheinungen von Teuerungen und Verar- Hoffentlich ist die Zeit nicht fern, wo mit Einführung mung der Bevölkerung zur Folge hatten, sondern darüber hinaus epidemische Krankheiten mit sich 274 HABICHT, Chronik S. 38, spricht von Faul- und Nerven- fieber. 275 GLASER, Beiträge S. 4. 276 GLASER, Beiträge S. 5. 272 STIKA, Textiles Zentrum S. 454-456. 277 GLASER, Beiträge S. 7. 273 GLASER, Beiträge S. 170; FUNK, Geschichte S. 18; STIKA, 278 GRÄF, Kleinstädte S. 29. Textiles Zentrum S. 471-472. 279 HABICHT, Chronik S. 23; HESS, Bevölkerung S. 119.

24 Hessischer Städteatlas – Grünberg einer vernünftigen Gewerbefreiheit der Zopf des Mit verschiedenen Produktionsumstellungen, die Zunftwesens allüberall beseitigt wird 280. teils auch kriegsbedingt waren, hatte das Unterneh- 285 Zwar war die Textilproduktion nach wie vor ein men bis 1961 Bestand . Einzig der Betrieb All- wichtiger – teils auch nebengewerblicher – Zweig mendinger, der in den Räumlichkeiten der alten der Grünberger Wirtschaft, doch auch hier kam es Burg um 1893 als Handweberei begonnen hatte zum Höhepunkt hausindustrieller Handweberei in und 1900 in einen Neubau in der Bahnhofstraße der ersten Hälfte 19. Jhs. Die Ausbreitung der haus- umzog, überstand die beiden Weltkriege und die industriellen Handweberei verlief parallel mit dem nachfolgenden wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Niedergang der zunftmäßigen Weberei. Zwar erlebte Durch eine Betriebsumstellung auf Bekleidungsher- 286 die Branche insgesamt einen Aufschwung, Probleme stellung 1965 überdauerte er alle anderen Firmen . bereiteten jedoch die vielfältigen Zollschranken und War bereits der Wechsel zur mechanischen Pro- der rückläufige einheimische Flachsbau, der einen duktion problematisch, so spitzte sich die Situation teureren Import des Rohstoffes für die Leinenpro- im Ersten Weltkrieg zu, der eine vorübergehende duktion erfordert hätte. Im Gegensatz dazu blühte Zwangsbewirtschaftung mit sich brachte, und die Baumwollindustrie auf, die gemeinsam mit der wurde in der nachfolgenden Weltwirtschaftskrise gleichzeitig aufkommenden mechanischen Weberei erschwert. Dazu kam, dass Grünberg zwar als texti- einen starken Preisrückgang für die qualitätsvolle- les Zentrum bezeichnet werden kann, allerdings ren Leinengewebe bewirkte. Dies hatte starke Lohn- handelte es sich hauptsächlich um billige Massen- einbußen bei den Handwebern zur Folge. Um 1850 produkte. Die qualitätsvollere Wollweberei hinge- versuchte der Hessische Gewerbeverein regional gen hatte schon um die Wende vom 19. zum 20. Jh. aktiv zu werden, um durch Propagierung neuer empfindliche Einbußen hinzunehmen und zwar Technologien der Missstände Herr zu werden, nicht nur aufgrund von Billigimporten, sondern scheiterte damit jedoch am Widerstand in der Bran- auch aufgrund der rückläufigen Schafzucht. Allein che selbst281. Mechanische Webereien entstanden in in Oberhessen verringerte sich zwischen 1883-1907 Grünberg daher erst vergleichsweise spät und nur die Anzahl der Schafe um 60%. Zwar gab die vereinzelt, so 1870 die mechanische Weberei von Zwangsbewirtschaftung einen kurzfristigen Auf- Heinrich Semler II. in der Gießener Straße, der trieb, doch war 1925 wiederum der Stand von 1907 jedoch nur eine kurze Lebensdauer bis 1885 erreicht287. 282 beschieden war . Jacob Repp beschäftigte hinge- Die hauptsächliche Bodennutzung im land- und gen im hausgewerblichen Verlagssystem fünfzig forstwirtschaftlichen Bereich Grünbergs bestand Handweber, die meisten über die Dörfer im v.a. aus Äckern, aber auch Wiesen und Weiden. Umland verstreut. Nach seinem Tod erwarb seine Dennoch war auch der Waldbestand von einiger Witwe 1893 ein Anwesen der Firma Peppler am Bedeutung. Er belief sich auf rund 2.300 ha in der Steinweg und ihr Sohn führte die eigene Firma wei- städtischen Gemarkung, wovon allein 851 ha auf ter. 1905 begann er die Fertigung auf mechanische den Stadtwald entfielen288. Nicht zu unterschätzen Fabrikation umzustellen. 1910 und 1930 wurde die war die Wichtigkeit des Stadtwaldes bis in das 19. 283 Firma erweitert und 1962 stillgelegt . Sein Bruder, Jh. auch als Finanzmittel, denn durch erhöhten der wie sein Vater lange dem Verlagssystem anhing, Holzeinschlag wurde etwa der Bau der Kirche nicht erbaute zuerst 1912/13 in der Neustadt ein Wohn- nur durch Bauholz, sondern auch vor allem durch und Geschäftshaus und nach der Wirtschaftskrise Geldmittel wesentlich erleichtert. Noch 1888 und 1931/32 einen zeitgemäßen Shed-Bau an der Straße 1899 wurde ein verstärkter Holzschlag zur Tilgung 284 nach Lauter . Zu Beginn des 20. Jhs. wurde noch der Stadtschulden betrieben, ebenso 1906-1909 zur am Marktplatz die Mechanische Weberei Heinrich Kostendeckung von Kanalisation und Straßenpflas- Schmidt eingerichtet, die hier bis 1911 produzierte. terung289. Betrachtet man die Entwicklung der Danach wurde sie in die Gießener Straße verlegt Stadtschulden, die im 19. Jh. enorm anstiegen, so und dabei das übernommene Semlersche Anwesen lässt sich die Bedeutung des Stadtwaldes recht gut in eine moderne Fabrikanlage mit eigener Energie- abschätzen. Die Schulden beliefen sich 1821 auf versorgung umgebaut (vgl. das Luftbild im Anhang).

285 STIKA, Textiles Zentrum S. 475-477. 280 HABICHT, Chronik S. 23. 286 STIKA, Textiles Zentrum S. 477-478; UHLIG/JÄGER, Städte 281 HESS, Bevölkerung S. 39. S. 52. 282 STIKA, Textiles Zentrum S. 472. 287 HESS, Bevölkerung S. 40, 41. Darin manifestiert sich der 283 STIKA, Textiles Zentrum S. 473. totale Beschäftigtenrückgang, ebd. S. 42. 284 STIKA, Textiles Zentrum S. 473-474, UHLIG/JÄGER, Städte 288 FUNK, Geschichte S. 43. S. 52. 289 CLEMM, Stadtwald S. 360.

25 Hessischer Städteatlas – Grünberg

14.190 Gulden bei jährlichen Zinsen von 4.142 War die Bevölkerung bis zum Zweiten Weltkrieg Gulden. Diese erhöhten sich u.a. durch den kaum angestiegen, so brachten vor allem die Flücht- Kirchenbau bis 1857 auf 91.370 Gulden290. Im lings- und Vertriebenenwellen nach 1945 eine auf Vergleich dazu erbrachte der Einschlag im Stadt- Dauer beträchtlich angestiegene und auch weiter- wald noch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hin zunehmende Bevölkerung. Hatte Grünberg zwischen 1949 und 1970 etwa 137.000 DM291. 1939 erst wieder den Stand von 1834 – nämlich Die staatlichen Statistiken des späten 19. und frü- rund 2.400 Einwohner – erreicht, so stieg diese hen 20. Jhs. waren noch ganz dem kameralistischen Zahl auf 3.550 im Jahre 1950. Dementsprechend 297 Denken verpflichtet, dementsprechend ist das darin veränderte sich auch die Berufsstruktur . 1961 greifbare Zahlenmaterial zu interpretieren. Gerade waren gut 40% der Grünberger Einwohner der Nebenerwerb, sei er landwirtschaftlicher oder erwerbstätig, nach wie vor mit einem Schwerpunkt hausgewerblicher Natur, wird darin nicht berück- in Handwerk und produzierendem Gewerbe. Die sichtigt. So lebten nach der großherzoglichen Statis- Land- und Forstwirtschaft lag noch bei 10%, wäh- tik von 1861 nur rund 8% der Stadtbewohner von rend Handel und Dienstleistungen gemeinsam der Landwirtschaft, hingegen 65% von Handwerk knapp unter dem Handwerk lagen. Der Anteil der und produzierendem Gewerbe, wobei der Bereich Arbeiter war dementsprechend ebenso hoch und lag Handel und Verkehr mit gut 7% nahezu vernach- bei über 42%, während sich Beamte und Angestell- lässigt werden kann. Interessanterweise wurde der te auf der einen, sowie Selbstständige auf der ande- tertiäre Sektor aufgespalten, Gaststätten wurden ren Seite die Waage bei rund einem Viertel hiel- 298 von den sonstigen Dienstleistungen getrennt, dem ten . Erst die boomende Wirtschaftswunderzeit Bereich Verkehr zugeordnet, der restliche tertiäre nach dem Zweiten Weltkrieg brachte bis in die Sektor mit etwa 20% angesetzt, wobei sich hier 1970er Jahre nach und nach neue Industriebetriebe auch Nicht-Zuordenbares findet292. Vergleicht man nach Grünberg wie jene der Elektroindustrie, Fein- dies mit den Zahlen von 1925 – bei einer gesunkenen mechanik und Metall- und Kunststoffverarbeitung, 299 Erwerbstätigen- bzw. Einwohnerzahl um nahezu die weitere neue Technologien mit sich brachten . 150 Personen – zeigen sich die Krisenerscheinungen Bis zum Jahre 2005 haben sich die statistischen der Nachkriegszeit des Ersten Weltkrieges. Nun fin- Zahlen dementsprechend verändert. Selbst in der den sich 25% der Bevölkerung in der Landwirt- Kernstadt ist die Zahl der Bevölkerung weiter ange- schaft tätig, während sich die Gewerbezahlen halb- wachsen. Mittlerweile sind zwar eine Reihe von ierten. Handel und Verkehr waren dagegen um 10, Betrieben wieder stillgelegt worden, andere spielen auf über 17% angestiegen, während die restlichen hingegen in spezialisierten Bereichen teilweise eine Dienstleistungen sich nur geringfügig auf knapp internationale Rolle. Von den insgesamt 3.094 24% erhöht hatten293. Erwerbstätigen sind 51% in der Produktion und im 1922 bestanden sechs Fabriken in Grünberg, es Gewerbe, 27% im Dienstleistungssektor und knapp gab 141 selbstständige Gewerbetreibende, 134 14% im Handel tätig, während die Land- und Beamte, 98 Landwirte, 78 Arbeiter und 57 Rent- Forstwirtschaft – im Vergleich mit anderen Städten 300 ner294. Allein die beiden Webereien beschäftigten erst relativ spät – auf unter 1% gesunken ist . 1925 über 80 Arbeitnehmer. Darüber hinaus waren Demnach hat sich die Beschäftigung eindeutig von zumindest regional auch die Schmieden und der Land- und Forstwirtschaft weg in Richtung Schlossereien sowie die Ziegeleien relevant295. Den- Handwerk entwickelt. Der Dienstleistungssektor noch gehörte Grünberg zu jener Region Oberhes- nahm leicht zu, während der Handel die größten sens, in der in dieser Zeit die Berufsstruktur am Einbrüche zu verzeichnen hatte. Grünberg ist nach konstantesten blieb296. Der Faktor der Landwirt- wie vor von Klein- und Mittelbetrieben dominiert. schaft, der 1925 überdimensional ins Spiel kam, Infrastrukturmaßnahmen wie der Chausseeaus- liegt vor allem in der nicht mehr vorhandenen son- bau und der Postbetrieb, wie sie bereits im 18. Jh. stigen Erwerbstätigkeit begründet. begonnen worden waren, setzten sich im 19. Jh. verstärkt fort und wurden durch den Bau der Bahn- linien auf ein neues Niveau gebracht. Allerdings setzten sowohl der Bahn- als auch der Chausseeaus-

290 HABICHT, Chronik S. 22. 291 CLEMM, Stadtwald S. 364. 292 HESS, Bevölkerung S. 117-118. 293 HESS, Bevölkerung S. 117-118. 297 Vgl. Kap. I.5. 294 FUNK, Geschichte S. 39. 298 Gemeindestatistik S. 56-61. 295 HESS, Bevölkerung S. 120. 299 FUNK, Grünberg S. 52. 296 HESS, Bevölkerung S. 121. 300 Hessisches Gemeinde Lexikon, Grünberg.

26 Hessischer Städteatlas – Grünberg bau relativ spät ein, wodurch die Stadt in der Folge der 1830er Jahre Projekte zum Bau von Bahnlinien nicht in einem Ausmaß wie etwa Gießen profitieren diskutiert, aber und Darmstadt, selbst Gie- konnte. ßen hatten jeweils andere Pläne306. In all diesen Pro- Die dem Transport von Personen und Gütern jekten der Bahntrassenführung offenbarte sich nun dienenden Straßen waren um 1800 allgemein in kei- die Randlage Grünbergs, wodurch es bis 1870 dau- nem guten Zustand. Anfänglich legte man aus ern sollte, bis die (Neben-)Bahnstrecke Gießen- Angst vor Truppendurchzügen auch gar keinen Grünberg-Alsfeld-Fulda in Betrieb genommen wer- 307 gesteigerten Wert auf ihre Verbesserung301. Den- den konnte . Dieser folgten 1896 die Strecke nach noch wurde nach und nach das Straßennetz überre- Londorf, die 1963 für den Personenverkehr stillge- gional ausgebaut, zu Beginn in möglichst gerader legt wurde, und 1909 die private Kleinbahn Butz- Linienführung, ohne Rücksichtnahme auf die Kos- bach-Lich-Grünberg, die allerdings nur bis 1955 308 ten von hohen Dämmen und tiefen Einschnitten. bestand haben sollte . Eigentümlicherweise be- Erst mit dem Hessischen Kunststraßengesetz von gann der Bau des Bahnhofsgebäudes wesentlich 1896 setzte sich dann eine sparsamere Trassenfüh- später als die Eröffnung der ersten Bahnstrecke, 309 rung mit geringeren Unkosten durch billigere Bau- nämlich erst 1880 , was auch davon zeugt, dass methoden durch302. diese infrastrukturellen Maßnahmen nicht wirklich gefruchtet hatten. Gerade aufgrund der um 1850 Eine Post mit Personenbeförderung existierte seit fertiggestellten Main-Weser-Bahn war der für 1715 und wurde Mitte des 18. Jhs. erweitert und Grünberg so wichtige Straßentransport über die Linie verbessert. 1804 existierte eine reitende Post von Frankfurt-Gießen-Marburg-Kassel an Grünberg Gießen nach Grünberg, aber erst 1807 kam es zum vorbei gelenkt worden310. Doch konnte dies durch Zusammenschluss von landgräflich- bzw. großher- den Bahnanschluss nicht mehr rückgängig gemacht zoglich-hessischer und thurn-und-taxischer Post303. werden und Grünberg hatte einen Funktionsrück- Nachdem der Personenverkehr von der Bahn über- gang zu verzeichnen, wie er ganz typisch war für nommen worden war, bot die Post weitere Dienst- Kleinstädte, die lange Zeit abseits der Bahnstrecken leistungen an, wie sie sich im Zuge der Industriali- lagen. Dies führte nicht nur zu lokalen Rückgängen sierung und Kommunikationsrevolution durchzu- von Bevölkerung und Gewerbe, sondern vor allem setzen begannen. So wurde 1868 eine Telegraphie- zum Verlust überregionaler Markt- und Verkehrs- und 1902 eine allgemeine Stadt-Fernsprecheinrich- funktionen. So verlor Grünberg damals auch seine tung, quasi als Ausgangspunkte der heutigen traditionelle Marktrolle bei Feldfürchten und vor modernen Telekommunikationsbereiche geschaf- allem im Viehhandel, wie sie der Gallusmarkt über fen, deren Ausbau und Veränderungen sich durch Jahrhunderte dargestellt hatte311. technologische Innovationen im Verlauf des 20. Jhs. in der Folge rapide beschleunigen sollten304. Selbst den Status als Kreisstadt, den Grünberg von 1821 bis 1874 inne hatte, büßte es ein. Waren Insgesamt konnte in Hessen um 1830 noch über die Jahrhunderte hinweg Grünberg und Lau- nicht von Industrialisierung gesprochen werden, bach die eigentlichen Konkurrenten – hier die land- was vor allem im Fehlen eines wirtschaftlich poten- gräfliche Stadtgründung mit überregionaler Ver- ten und innovationsbereitem Bürgertum auf breiter kehrs- und Marktfunktion, dort die aus dörflicher Ebene zum Ausdruck kam. Dies führte dazu, dass Wurzel gewachsene gräfliche Residenz – so verän- der Beschluss zum Bau von Eisenbahnstrecken derten neue Faktoren wie die Bahnverbindungen hauptsächlich auf die Initiative von fortschritts- diese Konkurrenzsituation dahingehend, dass nun freundlichen Beamten zustande kam305. Als eines Gießen als Gegenpol fungierte, gegen den Grün- der grundsätzlichen Probleme erwies sich dabei von berg allerdings keine Chance hatte312. Beginn an die nach wie vor existierende territoriale Zersplitterung Hessens, da von den unterschied- lichen urbanen und ökonomischen Zentren ver- 306 BRAKE, Anfänge S. 38-43. schiedene Interessenschwerpunkte ausgingen, was 307 Bereits ein Jahr zuvor war der Streckenabschnitt Grünberg zu ganz unterschiedlichen, untereinander konkur- – Gießen eröffnet. LÜDER, Bahnhof S. 526. 308 rierenden Plänen führte. Zwar wurden seit Mitte HESS,Bevölkerung S. 54; UHLIG/JÄGER, Städte S. 55. 309 LÜDER, Bahnhof S. 527. 310 BRAKE, Anfänge S. 49-53. 311 Laut GLASER gab es nach wie vor Jahrmärkte doch von den 301 HESS, Bevölkerung S. 52. sieben existierenden waren nur mehr diejenigen zu Gallus 302 Zu Straßenführung und ihren Veränderungen siehe Kap. und Ostern v.a. wegen des Viehhandels von Bedeutung. III.1; HESS, Bevölkerung S. 57. Allerdings war schon ihre Dauer rückläufig, der Gallus- 303 HESS, Bevölkerung S. 54. markt dauerte damals nur mehr zwei Tage. GLASER, Beiträge 304 RÜHL, Aufzeichnungen S. 508. S. 8, 144. 305 BRAKE, Eisenbahnen S. 51. 312 HESS, Bevölkerung S. 116; UHLIG/JÄGER, Städte S. 55-56.

27 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Dementsprechend erlebte Grünberg auch keinen kriegsneuordnung vom 10. Okt. 1945 existieren wirklichen Bauboom in der Gründerzeit, wie er in nunmehr elf Landkreise im dem kleineren relativ gesehen durchaus Darmstadt, wobei Grünberg Gießen zugeordnet nachzuvollziehen ist. Mit ein Grund dafür war, dass ist316. Grünberg nun keine spezifische Funktionen mehr Die Brunnenkunst, die seit dem 15. Jh. existie- erfüllte, es war weder Residenz- noch Garnisonstadt rende, städtische Wasserversorgung blieb bis ins 20. und selbst als Verwaltungsmittelpunkt diente es nur Jhs. erhalten. 1729 und nach einem Brand 1822 wenige Jahrzehnte. Heß nennt für Oberhessen wurden neue Triebwerke installiert, nun – es zeigt 1932 als Orte, die für den Verkehr und Handel sich auch hier der technologische Fortschritt – von wichtig sind, v.a. Gießen und Friedberg, nachrangig einem eigens bergbaulich geschulten „Wasserkunst- , Bad Nauheim, , Alsfeld, Lauter- Inspektor“ betreut. 1854 wurde sie nochmals 313 bach und Hirzenhain . Grünberg erscheint in sei- erneuert und mit Rohrleitungen versehen, wobei sie ner Auflistung nicht, wodurch sich eindeutig zeigt, täglich etwa 80 m3 Wasser in die Stadt hochpumpte. dass weder Eisenbahn- noch Chausseeausbau zur 1895 wurde das Pumpwerk mit einem Benzinmotor Verbesserung der ökonomischen Situation der versehen und 1923 elektrifiziert, wobei es mit der Kommune beigetragen hatten. Wasserleitung verbunden wurde. 1910/11 wurde Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, der Grünberg ein neues Pumpwerk bei der Stadtmühle im Brun- auch einen Bevölkerungszuwachs aufgrund der nental angelegt und 1925 sowie 1952 zusätzliche rund 800 Flüchtlinge, von denen viele vor Ort blie- Hochbehälter außerhalb der Stadt geschaffen317. ben, bescherte, sollte der Ausgleich durch Intensi- Dies konnte nur Hand in Hand gehen mit der vierung in den Sparten Industrie, Dienstleistung Elektrifizierung der Stadt, die 1913 nach der Fer- und Tourismus gelingen, die nun jedoch hauptsäch- tigstellung der Braunkohlekraftwerkzentrale Wöl- lich auf dem Individualverkehr beruhten. Mit dem fersheim, die von Anfang an mit Überlandverbin- Ausbau der Bundesstraße 49 im Jahre 1959, der dungen geplant war, erfolgte318. damals u.a. die Erhöhung und Verbreiterung des Vermutlich aus der misslichen finanziellen Situ- Äschersbachdammes (Alsfelder Brücke) mit sich ation heraus wurde 1816 eine eigene Armenord- brachte, sowie den Zubringern zur Autobahn 2004, nung erlassen, die sich auf Armenfonds gründete gelang nun trotz Stillegung mancher Bahnstrecken und mit der mehrere alte Fonds und laufende ein Zugewinn an zentralörtlichen und kulturellen Opfergaben zentralisiert werden sollten: Hospital- Funktionen, gestützt durch den Ausbau der Wohn- fonds, Siechenhausfonds, Armenkasse, frühere Stif- ortfunktion und der Stadtsanierung seit den frühen tungen und freiwillige Spenden. Der Fonds wurde 314 1970er Jahren . unter die Verwaltung einer sogenannten Armen- Für die Mitte des 19. Jhs. nennt Glaser Grün- kommission gestellt, die sich aus dem Pfarrer, dem berg als Sitz folgender Ämter bzw. Amtspersonen: Bürgermeister, dem Arzt und zwei Bürgern, die Kreisrat, Landgericht, Rentamt, Kreisbaumeister, nicht Mitglied des Stadtrates sein sollten, Steuerkommissär, Physikatsarzt, Revierförster und zusammensetzte319. Das Hospital brachte mit Posthalterei. Der Magistrat bestand nach wie vor 12.000 Gulden den größten Betrag in den Fonds aus dem Bürgermeister und zwölf Stadträten315. ein. Bisher hatte das Hospital nach wie vor mit die- Allerdings blieben sowohl das Landgericht als auch sem Kapitalstock Arme versorgt, ohne die Stadt- der Kreisrat nur vorübergehende Erscheinungen des kasse zu belasten. Danach wurden allerdings nur 19. Jhs. Allein die Verwaltungsänderungen, die mehr jene Personen aufgenommen, die sich bereit innerhalb des Großherzogtums Hessen vonstatten erklärten, ihren gesamten Besitz dem Fonds zu gingen, wirkten sich ebenfalls auf Grünberg aus. So überschreiben320. 1853 erfolgte der Umbau des die Neuordnung von 1821, bei der Grünberg zu Hospitals. Im unteren Stockwerk wurden zwei einem der 13 Landratsbezirke wurde, die Einteilung Wohnungen eingerichtet, eine für den Hospital- von 1831 unterteilte Oberhessen in sechs Kreise, meister und eine für die Lehrerin der Industrieschu- wovon einer Grünberg war. Nach erneuten le, hinzu kamen ein größerer Raum für gottesdienst- Umstrukturierungen 1848, 1852 und 1866/69 kam liche Versammlungen und eine Großküche. Nun es schließlich 1874 zur Auflösung mancher der Kreise, worunter auch Grünberg fiel. Seit der Nach-

316 REULING, Verwaltungs-Einteilung S. 172-176. 317 GLASER, Beiträge S. 5; UHLIG/JÄGER, Städte S. 49; REIT- ZENSTEIN, Wasser. 313 HESS, Bevölkerung S. 58. 318 HESS, Bevölkerung S. 48. 314 UHLIG/JÄGER, Städte S. 54-55. FUNK, Geschichte S. 39. 319 HABICHT, Chronik S. 193-194. 315 GLASER, Beiträge S. 7. 320 HABICHT, Chronik S. 197; KÜTHER, Hospital S. 280.

28 Hessischer Städteatlas – Grünberg fanden darin 20 Hospitaliten Aufnahme321. 1851 die Bildungsstätte des Deutschen Gartenbaus oder wurde die Armenkommission auf neun Mitglieder, die Sportschule des Hessischen Fußballverbandes vier ständige und fünf nichtständige, erweitert. mit beachtlichem Erfolg erfüllen. 1856 wurden durch die Aufsichtsbehörde folgende Mitglieder festgelegt: der erste und der zweite Pfar- 4. Jüdische Einwohner in Grünberg rer, der Kreisarzt, der Bürgermeister sowie fünf nicht ständige Mitglieder, die auch aus dem Stadt- Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt regiment stammen konnten. Diese Armenkommis- ist anzunehmen, dass sich hier schon im 13. Jh. 322 sion bestand bis 1952 . Juden angesiedelt hatten. Der gesamte Bezirk von Mitte des 19. Jhs. zählte Glaser die Unterrichts- Krool bis zur Stadtmauer bei der Judengasse unter- tätigkeit zweier Geistlicher und vier Volksschul- stand dem Landgrafen, der damit den Juden seinen lehrern an vier Schulen sowie eine neue Industrie- besonderen Schutz und hier einen Wohnplatz schule für Mädchen auf323. Wann letztere nun genau gewähren konnte326. Allerdings sind die Hinweise begründet wurde, ist unklar, jedenfalls wurden dort für ihre Anwesenheit sehr spärlich. Dennoch muss in der zweiten Jahrhunderthälfte nur mehr Mäd- die Gemeinde eine gewisse Größe gehabt haben, chen unterrichtet und dies vorwiegend in frauen- denn es finden sich Belege für eine Synagoge und spezifischen, auch hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, eine Mikwe, beide in der Judengasse gelegen. Dies wobei es nicht verwundert, dass diese dann 1906 in lässt darauf schließen, dass hier mindestens zehn der neu gegründeten Kreishaushaltungsschule auf- männliche Mitglieder im Alter von über 13 Jahren ging324. ansässig gewesen sein mussten327. Zumindest einige Die ehemalige Stadt- und Lateinschule war von ihnen scheinen recht wohlhabend und in Geld- jedenfalls 1806 in eine Volksschule umgewandelt geschäften tätig gewesen zu sein. Einige haben auch worden, die 1842 ihren vierten Lehrer erhielt und die Pogrome im Gefolge der Pestzüge Mitte des 14. 1888 das neue Gebäude in der Heege beziehen Jhs. überlebt, die Grünberg – auch wenn keine konnte, das 1904 durch einen Anbau vergrößert Belege vorliegen – mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhten sich heimgesucht haben. 1362 schuldet jedenfalls Gott- durch den Bevölkerungszuwachs auch die Schüler- fried von Ziegenhain dem Juden Mane zu Grünberg 328 zahlen ganz erheblich und ein zweites Gebäude 600 Gulden . wurde notwendig. Die 1959 durchgeführte Land- 1365 und 1366 wohnten allerdings in der Juden- schulreform in Hessen vergrößerte das Grünberger gasse bereits Nichtjuden329 und 1387 erklärte der Einzugsgebiet und veränderte gleichzeitig das seit Grünberger Amtmann, dass er ein Haus und Hof- 1806 nahezu unveränderte Schulsystem. Die stei- statt in der Judengasse, genannt die Judenschule, im genden Schülerzahlen führten 1966 zur neu errich- Auftrag des Landgrafen verliehen habe. Eine teten Mittelpunktschule, einer Volks- und Real- Gemeinde dürfte demnach nicht mehr bestanden schule, die 1970 zur integrierten Gesamtschule haben. Sollten allerdings die Landgrafen noch Juden erweitert wurde. Wobei dies die Vereinigung mit undir sie qwemen odir sie die undir sich zugen czu dem, aus der höheren Bürgerschule von 1897-1914 Grunenberg, dann dürften diese wieder dorthin zie- hervorgegangenen, 1914 in eine Realschule und hen330. Doch 1395 erhielt der Schultheiß von zwei 1922 in ein Realgymnasium umgewandelten Gym- Personen Hausbede von der Judenschule331 und nasium bedeutete325. 1449 bekamen die Antoniter Geld aus der Stiftung 332 Grünberg konnte also seine Funktion als Schul- einer Hofstatt in der Judengasse . und Bildungszentrum im Verlauf des 20. Jhs. u.a. auch durch die Gemeindezusammenlegungen

Anfang der 1970er Jahre weiter ausbauen und durch 326 – teils international – bekannte Spezialschulen wie Vgl. HESS, Städtegründungen, S. 54; MAIMON, Germania Ju- daica 3,1 S. 477. Vgl. auch BODENHEIMER, Beiträge S. 7-8. 327 ARNSBERG, Gemeinden 1 S. 487. Dies war die Mindest- zahl, die zur Errichtung einer Synagoge verpflichtete; Jüdi- sches Lexikon 2 Sp. 964. 328 BATTENBERG, Quellen Nr. 115. 321 HABICHT, Chronik S. 223. 329 LÖWENSTEIN, Quellen Nr. 88; BATTENBERG, Quellen 322 HABICHT, Chronik S. 195-196, 228; KÜTHER, Hospital Nr. 158; ECKHARDT, Klöster Nr. 265; BAUR, Hessische S. 282. Urkunden 1 Nr. 997. 323 GLASER, Beiträge S. 7. 330 BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 1181. Das Judenbad lag 324 HABICHT, Chronik S. 158-159; KÜTHER, Industrieschule gleich neben der Schule; vgl. BODENHEIMER, Beiträge S. 412-413. S. 10. 325 ERDMANN, Stadtschule S. 404-405; FUNK, Gymnasium 331 LÖWENSTEIN, Quellen Nr. 169. S. 407-410. 332 LÖWENSTEIN, Quellen Nr. 283; ECKHARDT, Klöster Nr. 395.

29 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Ob sich die jüdische Gemeinde im mittelalter- abschläglich beschieden wurden, weil sie keine städti- lichen Grünberg aufgrund der Pest oder aufgrund schen Dienste verrichteten. 1636 wird des Juden Marx der Pogrome aufgelöst hat, ist jedoch nicht zu klä- Hausfrau gestraft, weil sie unter der Bettagspredigt ren333. Jedenfalls treten sie nur noch vereinzelt in gewaschen hatte 341. 1638 ist die Sachlage umgekehrt, ganz wenigen Fällen in Erscheinung, so 1396 oder denn sämtliche Juden zu Grünberg beschweren sich 1414 als Landgraf Ludwig Liebermann Stark als bei Präsident, Vizekanzler und Räten in Marburg Juden nach Grünberg aufnahm, wofür dieser ein darüber, dass sie wie die Bürger und Christen Wacht- jährliches Schutzgeld von 5 Gulden bezahlen sollte. dienst versehen sollten, und bitten um entsprechen- 1415 ist von einem Waldstück die Rede, das vor- de Schutzbriefe, da dies bisher unüblich gewesen mals das juddenhultz 334 geheißen hatte, 1448 gibt es sei342. Allerdings wurden sie zusätzlich zu finanziellen Diskussionen um die iudeneiche 335. In einer Urkun- Leistungen herangezogen. Als Grünberg 1640 eine de von 1498 wird ein Garten vor der Neustadt Brandschatzungssumme von 2.200 Talern stellen neben des Iuden Hincheß Haus genannt. Damit ist sollte, verpflichtete Landgraf Georg die Juden, davon belegt, dass sich Juden auch außerhalb der Juden- einen Anteil von 150 Talern zu übernehmen343. Im gasse ansiedeln konnten336. 1582 wird in einer Kirchenratsprotokoll von 1689 heißt es, dass die Zusammenstellung der Rechte Landgraf Ludwigs Juden, so nunmehr wieder in die Stadt aufgenommen IV. bezüglich des Judenzolls in Grünberg ange- worden, am Bettag Pferde auf den Markte vorgeritten merkt, deren gibt jeder 1 albus zoll 337 und 1585 leiht hätten und 1708 genehmigte man einem Juden Vieh- sich der Jude Baruch aus Niederohmen bei Jeremias und Judenhandel zu treiben, wofür er allerdings 40 Dietherich zu Grünberg 190 Gulden338. Gulden Steuerkapital bei der Stadt übernehmen soll- 344 Habicht, der noch der These der Pogrome im 14. te . Eine Aufstellung von 1713, die Landgraf Ernst Jh. aufgrund von unterstellten Brunnenvergiftungen Ludwig angeordnet hatte, um die Zahl der jüdischen anhing, berichtet, dass der Judenhass 1601 noch so Bevölkerung festzustellen, verzeichnet unter Grün- 345 groß gewesen sei, dass der damalige Pfarrer Bauer von berg dann wiederum keine Juden mehr . Habicht der Kanzel herunter gegen die Regierung gewettert berichtet zwar von der Taufe eines Juden aus Ettings- habe, die einem Juden den vorübergehenden Aufent- hausen in Grünberg im Jahre 1729, allerdings mut- halt in Grünberg erlaubt habe339. Ein Judenfriedhof maßt er, Vermutlich waren jedoch damals schon keine 346 am Kaiserberg, den sie von der Stadt gepachtet hatten, Juden mehr hier ansässig . Der Judenkirchhoff wird ist erst aus dieser Zeit bekannt340. Für 1624 gibt es in einer Karte aus dem Jahre 1764 letztmalig 347 Belege im Ratsprotokoll. 1624 wird ein Jude Falor und erwähnt . Doch wie Carl Glaser zufrieden anmerk- Consorten erwähnt, welche um Holz nachsuchten, aber te: Seitdem kommen in unsrer Stadt keine Juden mehr als wohnhaft vor und Grünberg gehört zu den wenigen Städten, die keine jüdischen Einwohner dulden 348. Nach der rechtlichen Emanzipation der Juden und der allgemeinen Freizügigkeit kamen im 19. Jh. 333 AVNERI, Germania Judaica 2,1 S. 307; GLASER, Beiträge nur noch vereinzelt Juden nach Grünberg. Vermut- S. 116; vgl. HERDE, Gestaltung S. 2-3, 9-11, auch zu den massenpsychologischen Zusammenhängen von Pest und lich gehörten sie zu den größeren Judengemeinden Judenverfolgungen mit Vergiftungsvorwürfen. in Laubach, Lich oder . 1861 lebten zwei, 334 ECKHARDT, Klöster Nr. 326. 1890 ebenso wie 1925 jeweils drei Juden in Grün- 335 LÖWENSTEIN, Quellen Nr. 195; BATTENBERG, Quellen berg349. Allerdings erinnert bis heute der Namen der Nrn. 661, 941-942. Der Zusammenhang zwischen Orts- bezeichnungen und der Anwesenheit von Juden bleibt Judengasse an die im 14. Jh. blühende Gemeinde. allerdings oft unklar. Hier dürfte es sich um die „Juden- eiche“ am Münsterer Berg, südwestlich von Queckborn handeln, ein alter Grenzbaum zwischen hessischem und solmsischem Gebiet, den auch Justus in seiner Karte des 341 HABICHT, Chronik S. 24-25. Amtes Grünberg von 1734 festhielt und der namengebend 342 BATTENBERG, Quellen Nr. 1805. Ihrem Antrag wurde für die gesamte dortige Waldflur wurde (vgl. den Abdruck stattgegeben, da sie dem Landgrafen Schutzgeld bezahlten. auf dem Sonderblatt). Ebd. Nr. 1806; vgl. dazu auch BATTENBERG, Judenord- 336 ECKHARDT, Klöster Nr. 704. nungen S. 83-122. 337 BATTENBERG, Quellen Nr. 1521. 343 KÜTHER, Reformation S. 275. 338 LÖWENSTEIN, Quellen Nr. 3089. Baruch ist anscheinend 344 HABICHT, Chronik S. 25. der Mittelsmann, denn 1587 vermittelt er auch Reipp von 345 BODENHEIMER, Beiträge S. 22; vgl. zur Entwicklung in der Lehrbachs Witwe ein Darlehen bei Michael Gutacker, von Folgezeit SCHMELZ, Bevölkerung. dem allerdings nicht bekannt ist, ob er auch aus Grünberg 346 HABICHT, Chronik S. 25. stammte; ebd. Nr. 3182. 347 HStAD P 11 Nr. 1909; vgl. den Abdruck auf dem Sonder- 339 HABICHT, Chronik S. 24. blatt. 340 GLASER, Beiträge S. 116, der berichtet, dass für eine Bestat- 348 GLASER, Beiträge S. 116. tung ein Zins von 1 Gulden pro Erwachsenem bzw. ein 349 KEYSER, Städtebuch S. 211; Gemeindeverzeichnis S. 40; halber Gulden pro Kind zu bezahlen gewesen sei. vgl. dazu auch ALTARAS, Synagogen.

30 Hessischer Städteatlas – Grünberg

5. Bevölkerungszahlen vom Mittelalter bis zum 6. Wirtschaft, Gewerbe und Beschäftigungs- 21. Jahrhundert struktur in der Neuzeit

1591 450 Bürger350 Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 364 1648 289 Hausgesäße (=Familien)351 nach den Moserschen Tabellen 1777/78 1667 347 Hausgesäße (=Familien) Von 1.876 Einwohnern (Erwerbstätige plus deren Familien- 1677 342 Hausgesäße (=Familien) angehörige und Dienstboten) lebten: 1742 529 Hausgesäße (=Familien) 68 (3,6%) von der Landwirtschaft, 1770 478 Hausgesäße (=Familien) 1.678 (89,5%) vom Handwerk, produzierendem Gewerbe 1834 2.415 Einwohner352 353 oder Handel und 1846 432 Bürger, 2500 Seelen 130 (6,9%) waren erwerbslos, bzw. nicht zuordenbar. 1910 2.223 Einwohner354 1950 3.550 Einwohner 1961 3.915 Einwohner Einwohner, Beschäftigte und deren 1975 4.361 Einwohner355 Tätigkeitsbereiche 1861365 Von 2.316 Einwohnern (Erwerbstätige plus deren Familien- Jüdische Einwohner in Grünberg angehörige und Dienstboten) lebten: 194 (8,4%) von der Landwirtschaft, 1638: Juden bezeugt356 357 1.512 (65,5%) vom Handwerk oder produzierendem Gewerbe, 1861: 2 Personen 169 (7,3%) vom Handel, Verkehr oder Gaststättenbetrieb 1890: 3 Personen 358 und 1925: 3 Personen 441 (19,1%) von Dienstleistungen bzw. waren nicht zuor- denbar. Entwicklung der Einwohnerzahlen nach Ortsteilen Einwohner 1834359 1910 1939 1950 1975360 1990361 2005362 Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 1925 Grünberg 2.415 2.223 2.403 3.550 4.361 5.245 5.992 Beltershain 324 330 364 562 408 639 621 Von 2.170 Einwohnern (Erwerbstätige plus deren Familienan- Göbelnrod 278 251 327 526 519 592 702 gehörige und Dienstboten) lebten: Harbach 408 394 423 580 665 748 704 554 (25,5%) von der Landwirtschaft, Klein-Eichen 170 174 166 231 176 210 251 726 (33,5%) vom Handwerk oder produzierendem Gewerbe, Lardenbach 311 356 325 535 399 416 406 372 (17,1%) vom Handel, Verkehr oder Gaststättenbetrieb Lehnheim363 350 345 362 497 546 673 772 und Lumda 370 428 432 638 689 675 688 518 (23,9%) von Dienstleistungen bzw. waren nicht zuor- Queckborn 651 607 676 1.081 891 1.149 1.382 denbar. Reinhardshain 324 314 310 495 490 610 657 Stangenrod 314 314 374 534 432 535 569 Einwohner, Beschäftigte und deren Stockhausen 215 135 193 289 255 278 325 Tätigkeitsbereiche 1961366 Weickartshain 347 435 441 673 541 608 625 Weitershain 475 545 496 706 527 555 552 Von 3.915 Einwohnern (= Bevölkerung am Ort mit Haupt- Gesamt 6.952 6.851 7.292 10.897 10.899 12.933 14.246 wohnung) waren: 1.701 (43,4%) Erwerbstätige; davon arbeiteten 172 (10,1%) in der Land- und Forstwirtschaft, 776 (45,6%) im Handwerk oder produzierenden Gewerbe, 328 (19,3%) im Handel, Verkehr, Kredit- und Versicherungs- wesen und 425 (25,0%) im Dienstleistungsgewerbe.

Gliederung nach Stellung im Beruf 1961 Von 1.701 Erwerbstätigen waren: 435 (25,6%) Beamte und Angestellte, 350 GLASER, Beiträge S. 6. 721 (42,4%) Arbeiter, 351 Folgende Zahlen aus KEYSER, Städtebuch 210. 449 (26,4%) Selbstständige, mithelfende Familienange- 352 Historisches Gemeindeverzeichnis S. 30-33. hörige und 353 GLASER, Beiträge S. 6. 96 (5,6%) Lehrlinge. 354 Folgende Zahlen aus Historisches Gemeindeverzeichnis S. 30-33. 355 Hessen. Gemeinden S. 294. 356 Vgl. BATTENBERG, Quellen S. 479. 357 Vgl. KEYSER, Städtebuch S. 211. 358 Gemeindeverzeichnis S. 40. 359 Historisches Gemeindeverzeichnis S. 14-15, 30-33. 360 Hessen. Gemeinden S. 294. 361 Stand vom 31. Dez. 1990, frdl. Mitteilung des Einwohner- meldeamtes Grünberg. 362 Stand vom 30. Juni 2005, frdl. Mitteilung des Einwohner- 364 Nach HESS, Bevölkerung S. 117-118. meldeamtes Grünberg. 365 Nach HESS, Bevölkerung S. 117-118. 363 1834-1950: Historisches Gemeindeverzeichnis S. 14-15. 366 Gemeindestatistik S. 56-61.

31 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Einwohner, Beschäftigte und deren 7. Heutige Stadtteile370 Tätigkeitsbereiche 1987367 Von 4.582 Einwohnern (= Bevölkerung am Ort mit Haupt- Gemeindeteile Einwohner- Zeitpunkt der wohnung) waren: zahlen 1975 Eingemeindung 1.859 (39,7%) Erwerbstätige, Grünberg 4.361 676 (14,8%) Schüler und Studierende und Beltershain 408 31. Dez. 1970 130 (2,8%) Erwerbslose. Göbelnrod 519 31. Dez. 1970 Harbach 665 1. Feb. 1971 Tätigkeitsbereiche (auch außerhalb von Grünberg) Klein-Eichen 176 31. Dez. 1970 Die 2.050 Erwerbstätigen verteilten sich auf folgende Wirt- Lardenbach 399 1. Feb. 1971 schaftsbereiche: Lehnheim 546 31. Dez. 1971 763 (37,2%) produzierendes Gewerbe, Lumda 689 31. Dez. 1970 412 (20,1%) Handel, Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Queckborn 891 31. Dez. 1970 54 (2,6%) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Reinhardshain 490 1. Apr. 1972 821 (40,0%) übrige Wirtschaftsbereiche. Stangenrod 432 31. Dez. 1970 Stockhausen 255 31. Dez. 1970 Gliederung nach Stellung im Beruf 1987 Weickartshain 541 31. Dez. 1970 Weitershain 527 31. Dez. 1970 Von 2.050 Erwerbstätigen waren: 1.035 (50,5%) Beamte, Richter, Soldaten, Angestellte, kauf- männisch und technisch Auszubildende, 733 (35,8%) Arbeiter, gewerblich Auszubildende und 282 (13,8%) Selbstständige, mithelfende Familienangehö- rige.

Erwerbszweige, Zahlen der Arbeitsstätten und Beschäftigten (= Ortseinwohner plus Einpendler!) in Grünberg 1987368 Erwerbszweige Arbeitsstätten Beschäftigte Gesamtzahl 338 2.693 Darunter: Handel 97 (28,7%) 492 (18,3%) Dienstleistungen 116 (34,3%) 499 (18,5%) Verarbeitendes Gewerbe 53 (15,7%) 943 (35,0%) Baugewerbe 21 (6,2%) 201 (7,5%) Gebietskörperschaften/ Sozialversicherung 20 (5,9%) 330 (12,3%) Verkehr und Nachrichtenübermittlung 12 (3,6%) 106 (3,9%) Kreditinstitute/ Versicherungsgewerbe 10 (3,0%) 81 (3,0%) Organisationen ohne Erwerbszwecke - - Energie- und Wasser- versorgung,Bergbau - -

Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 2003369 Die 3.094 Erwerbstätigen verteilten sich auf folgende Wirt- schaftsbereiche: 1.578 (51,0%) produzierendes Gewerbe, 431 (13,9%) Handel, 843 (27,2%) Dienstleistungen, 30 (1,0%) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, 212 (6,9%) übrige Wirtschaftsbereiche.

367 Strukturdaten über die Bevölkerung S. 32-37. 368 Strukturdaten über Arbeitsstätten S. 8-9. 369 Hessisches Gemeinde Lexikon, eingesehen am 20. Apr. 2005. 370 Hessen. Gemeinden S. 294.

32 Hessischer Städteatlas – Grünberg

II. Siedlungstopographische Entwicklung karolingischen Königshof als „Rast-Ort“ auf der vom Mittelalter bis zur Mitte des etwas abseits gelegenen Basaltkuppe vermuten377. 19. Jahrhunderts (1839/43) Da jeglicher schriftliche Beleg für diese Annahme ebenso fehlt wie ein archäologischer Befund aus den 1. Von den Anfängen der Siedlung bis um 1200 mehr als drei Jahrhunderten zwischen der Karolinger- zeit und der ersten Erwähnung Grünbergs, gehen Für eine genaue Beschreibung der frühen siedlungs- wir im Folgenden davon aus, dass der Platz erst im topographischen Entwicklung Grünbergs fehlen letzten Viertel des 12. Jhs. besiedelt worden ist. gesicherte bau- bzw. gebäudegeschichtliche Daten Ob die Verlegung der Trasse der Hohen Straße und Befunde. Aus der ersten Siedlungsphase vor dem Willen des Stadtgründers oder dem raschen 1200 sind keinerlei relevanten Relikte bekannt. Die Bedeutungsgewinn des Ortes geschuldet ist, kann wenigen schriftlichen Belege verlangen daher eine nicht entschieden werden. Für den Verlauf der Straße eingehendere Auseinandersetzung mit dem Stadt- durch das Stadtgebiet können jedoch unterschied- grundriss. Dessen Nutzung als historische Quelle liche Möglichkeiten plausibel gemacht werden. muss jedoch mit allen dabei angezeigten Vorbehal- Noch vor Besiedlung des Gebietes bzw. der Grün- 371 ten geschehen . Die folgenden Ausführungen grei- dung der späteren Neustadt dürfte ein Weg vom fen die Überlegungen von Willi Görich und Wolf- Talboden des Äschersbaches in leichter Steigung 372 gang Heß wieder auf . In einigen Fällen werden sie dem westlichen Hang des Brunnentales entlang zur indes geringfügig anders akzentuiert bzw. fort- Burg geführt haben378. Dieser Weg ist heute nur 373 geführt . noch in Teilen als Fußweg erhalten. Seine ehemalige Die Altstadt Grünbergs befindet sich auf einer Bedeutung wird indes durch den mächtigen Tor- circa 270 m ü. NN liegenden Basaltkuppe, die nach turm der Bornpforte unterstrichen, der als bloßer Osten ins Brunnental steil und nach Süden im Zugang zum Brunnental sonst keinen Sinn ergeben Bereich der Neustadt zunächst flach, später auch würde379. Ein zweiter Zugang zum Kern der ersten steil zum Baumgartenfeld hin abfällt. Das Stadt- Siedlung dürfte der Trasse der heutigen Straße „Am gebiet wird von keinem natürlichen Gewässer Brückelchen“ gefolgt sein. Dass sich hier ein Über- durchflossen. gang über den Graben der Stadtbefestigung befand, Die wichtige mittelalterliche Fernstraße der Kur- wird stillschweigend in allen bisherigen Plänen zur zen Hessen, die von Frankfurt über Hungen oder möglichen Stadtentwicklung angenommen, ohne Langsdorf durch die Wetterau führte, überquerte dass jedoch dessen Alter und Funktion weiter 380 zwischen Münster und Wetterfeld bei dem Hessen- reflektiert würde . Für die verkehrstechnische brücken Hammer die Wetter374. Hier wird 1349 Bedeutung spricht die Tatsache, dass das Brückel- erstmals die Hessenfurt genannt375. Bereits damals chen trotz seines verniedlichenden Namens breiter scheint diese Straße zumindest teilweise gepflastert als alle übrigen Nebengassen in der Stadt ist. Der gewesen zu sein, jedenfalls wird sie 1353 als iter auf der Stadtansicht Dilichs vom Wellerturm halb lapideum oder Steinweg bezeichnet376. Die Straße verdeckte Rundturm könnte hier als Torturm zog dann in gerader Linie in nord-nordöstlicher gestanden haben (vgl. Kap. VII., S. 62). Der Weg Richtung am Tannenköppel vorbei, weiter Rich- von dem Platz zwischen Kirche und Burg dürfte tung Alsfeld und von dort nach Thüringen. Das dann in nordwestlicher Richtung durch die Born- hohe Alter dieser Straße und ihre Bedeutung für gasse in die Marktgasse gegangen sein. Die Born- den gesamten Landverkehr im nordmainischen gasse wurde erst durch das spätgotische Doppelhaus 381 Hessen ließen Görich und ihm folgend Heß einen Alsfelder Straße 1/3 Mitte des 15. Jhs. eingeengt und gehörte ehemals zu den wichtigsten innerstäd- tischen Straßen. Sie wird bereits 1353/1366 als iter

371 KEYSER, Stadtgrundriß; GÖRICH, Stadtgrundriß. 372 GÖRICH, Entwicklung; HESS, Städtegründungen. 373 Es ist bedauerlich, dass die für die frühe Besiedlung auf- 377 HESS, Städtegründungen S. 54-55; GÖRICH, Entwicklung schlussreiche Kellerforschung die KÜTHER, Grünberg S. 146; GÖRICH, Rast-Orte; KÜTHER, Burggründung S. 39. S. 13-14, angekündigt hat, offenbar zu keinem greifbaren 378 KULHAVY´-BARESˇ, Städte S. 44-45; PATZE, Entstehung S. 323. Ergebnis fortgeführt werden konnte. 379 Vergleiche etwa die Darstellung DILICHS von 1591, Abb. 1 374 Zum Folgenden HESS, Städtegründungen S. 45-49, mit in Kap. VII. älterer Literatur. 380 Vgl. bereits WALBE, Kunstdenkmäler S. 171; KULHAVY´- 375 SCHENK ZU SCHWEINSBERG, Hessenfurt. BARESˇ, Städte S. 45; HESS, Städtegründungen, Plan 1; 376 KEYSER, Städtebuch S. 209; GLASER, Beiträge S. 12. Die GÖRICHS Plan bei KÜTHER, Burggründung S. 39. Siehe Bezeichnung Hohe Straße ist hingegen für 1481 bezeugt; auch UHLIG/JÄGER, Städte S. 53. vgl. MÜLLER, Ämter S. 192. 381 HESS, Städtegründungen S. 61.

33 Hessischer Städteatlas – Grünberg lapideum erwähnt382. Durch die Antoniterpforte verkehrsgünstigen Lage und des allgemeinen kon- verließ die Straße dann das Stadtgebiet, die in die- junkturellen Aufschwungs einen „rasanten“ Auf- sem Bereich auch außerhalb der Stadt gepflastert stieg nahm389. Der von der Baugeschichte auf um war383. 1200 datierte Diebsturm lässt vermuten, dass in Die bisherige Forschung ist sich darin einig, dass diesen Jahren mit dem Bau der hochmittelalter- 390 die erste Siedlung – ob bereits mit Stadtrecht begabt lichen Stadtmauer begonnen wurde . Es liegen oder nicht – etwa gleichzeitig mit der Burg in den keinerlei Nachrichten über die Bauzeit dieser Stadt- 1170/80er Jahren entstanden ist. Um den ehemals befestigung vor. Sie wird sich jedoch mit Sicherheit rechteckigen Platz Krool, der vielleicht als ein erster über mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinge- Marktplatz diente, dürfte sich die dichteste Bebau- zogen haben, dürfte aber spätestens mit der Entste- ung befunden haben384. Dieser Platz und seine hung der Neustadt Mitte des 13. Jhs. abgeschlossen Umgebung unterstanden ursprünglich dem Burg- gewesen sein. Da beide großen Klosterkomplexe an herrn und noch 1398 wurde von einer dort liegenden der Westseite der Stadt auf die Stadtmauer aufsetzen Hofstadt Gülte an den Landgrafen bezahlt385. Süd- bzw. darüber hinaus ragen, dürfte der Mauerbau westlich der Burg dürfte auch bereits ein Vorgänger hier bereits in den 1220er bzw. 1230er Jahren voll- 391 der erst 1217 belegten Pfarrkirche gestanden haben. endet gewesen sein . An der Burg ansetzend folgte die Mauer zunächst nach Süden der Steilkante zum In einer räumlichen Doppelung der Burgbefesti- Brunnental. 30 m südlich der Burg sicherte die gung wird eine vorläufige, beplankte Wallanlage Bornpforte den Zugang zum Brunnental. Dort, wo vermutet, die den – in der ersten Phase nur locker die Mauer nach Westen in flacheres Gelände bebauten – Siedlungsraum in weitem Bogen um- abbiegt, stand der Wellerturm. Vermutlich befand schloss. Dieser „kurzlebige, starke Haingraben“386 sich am Brückelchen ein Torturm. Etwa 120 m wei- setzte südlich des später erbauten Wellerturms an ter nach Westen folgte der Torturm der Frankfurter der Steilkante zum Brunnental an und zog sich Pforte, an der im Mittelalter als Friedberger Gasse, zunächst dem Bogen der späteren Judengasse und seit dem 16. Jh. als Raben- bzw. später als Rabegasse Renthof folgend bis zur Barfüßergasse. Hier bog er bezeichneten Straße. Hier bog die Mauer in nörd- in nordöstlicher Richtung ab und führte durch die licher Richtung um bis zum Diebsturm, dem mäch- späteren Bebauungsblöcke in großem Bogen zur tigsten Turm der Stadtbefestigung, der die Westseite Steilkante des Brunnentales zurück. Demnach dürf- der Stadt schützte. Weiter nach Norden bzw. Nord- te dieser älteste Siedlungsbereich eine Fläche von osten schlossen die Komplexe des Franziskaner- und rund 7 ha bei einem Umfang von etwa 1.000 m Antoniterklosters an, die in die Stadtmauer inte- umfasst haben387. Ob sich die Nachricht der Zerstö- griert waren. Zwischen den beiden Klöstern lag die rung der civitas Grünberg im Jahre 1194 durch die Antoniterpforte. Diese bündelte den Verkehr von Erzbischöfe von Mainz und Köln auf den ältesten der Altstraße der Kurzen Hessen und von den Stra- engeren Kern der Siedlung um den Platz Krool oder ßen von Gießen und Marburg, die hier in der vor- das von dem Wall umschlossene Gebiet bezog, muss städtischen Siedlung Höfe zusammentrafen. Diese ebenso dahin gestellt bleiben, wie das Ausmaß der Konzentration des in die Stadt strömenden Ver- Zerstörung388. kehrs dürfte bei der Standortwahl der beiden Klös- ter entscheidend gewesen sein. Im Norden folgte 2. 13. und 14. Jahrhundert – Stadtwerdung und schließlich die Stangenröder Pforte, die zwar bereits Stadtentwicklung im Zusammenhang mit einem extra muros gelege- nen Deutschordenshof 1320 erwähnt wird, über Noch vor 1200 veranlasste Landgraf Hermann I. deren Bedeutung indes nichts bekannt ist. Von hier den raschen Wiederaufbau des Ortes, der dank der aus beschrieb die Mauer einen Bogen bis zur Steil- fürstlichen Förderung vor allem aber wegen seiner kante des Brunnentals, der sie wiederum bis zur Burg hinzog. War die Stadt zum Brunnental hinreichend geschützt, so wurde in den übrigen Bereichen die

382 GLASER, Beiträge Nr. 13. Stadtmauer durch einen Graben im Vorfeld zusätz- 383 WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382. lich verstärkt, der im Süden um den Wellerturm 384 KÜTHER, Burggründung S. 40; BAUR, Hessische Urkunden 1 begann (heute noch „Graben“ als Straßennamen) Nr. 1108. 385 HESS, Städtegründungen S. 52; BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 1268. 386 GÖRICH, Entwicklung S. 146. 389 KAMINSKY, Bedeutung bei Anm. 41. 387 HESS, Städtegründungen S. 50. 390 KAMINSKY, Bedeutung bei Anm. 47. 388 GÖRICH, Entwicklung S. 146. 391 WALBE, Kunstdenkmäler S. 198 mit Anm. 2.

34 Hessischer Städteatlas – Grünberg und mindestens bis zum Stangenröder Weg führ- ben zu sein, was sich auch aus den großen Parzellen te392. Aufgrund der Wasserknappheit auf der Basalt- ergibt. Jedoch ist zu bedenken, dass hier im Spät- kuppe dürfte der Graben vor dem Bau der Wasser- mittelalter – vielleicht auch erst im Zusammenhang kunst in der ersten Hälfte des 15. Jhs. meist trocken mit dem Bevölkerungseinbruch des Dreißigjährigen gelegen haben. Lediglich das Areal von der Höfe- Krieges – Hofstellen wüst gefallen sein können, die tränke durch den Antonitergarten könnte durch ein dann zu Gärten zusammen gelegt wurden399. Auch von Westen, vom Färbgraben her fließendes Rinnsal in diesem Teil der Stadt lag möglicherweise land- bewässert gewesen sein. Diese insgesamt etwa 1.300 gräflicher Besitz400. Die ältere Bezeichnung Neugas- m lange Altstadtbefestigung umschloss eine nieren- se für die Alsfelder Straße ist vielleicht Indiz für eine förmige Grundfläche von etwa 10,5 ha393. in diesem Bereich erst relativ spät erfolgte Bebau- Die Bebauung innerhalb der Stadtmauer lässt ung bzw. Wiederbebauung im 18. Jh. sich grob in drei Bereiche gliedern: Zunächst der Über die Pflasterung der Straßen in und um gesamte Südosten, östlich der Rabegasse bis zur Grünberg ist – bis auf Steinweg und Borngasse – Burg, der mit seinen relativ großen Parzellen und wenig bekannt. Allerdings sind bereits 1320 die vergleichsweise lockeren Bebauung auf landgräf- Straßen apud dominos Antonyenses apud viam lapide- lichen Oberbesitz hinweist. Hier befanden sich am versus Gebelinrode – also die verlängerte Markt- unter anderem auch die Burgmannensitze, auf die gasse in Richtung Göbelnrod sowie die via lapidea der Straßenname „Junkergarten“ hinweist394. Der apud Wigandum de Langistorf genannt – im Gegen- rasche wirtschaftliche Aufschwung der Stadt lässt satz etwa zur strata versus Stanginrode 401, die unbe- vermuten, dass sich bereits im 13. Jh. auf landgräf- festigt gewesen sein dürfte. lichem Besitz Juden ansiedelten und noch in der Schon vor 1261 entstand südlich der Altstadt ersten Hälfte des 14. Jhs. eine eigene Gemeinde eine neue Siedlung außerhalb der Stadtmauer. Diese 395 gründeten . Auch der Platz Krool unterstand dürfte ursprünglich nicht befestigt gewesen sein. direkt dem Burgherrn, der noch die Bebauung Ob das 1309 vom Landgrafen für die Erweiterung genehmigen musste bzw. von den dortigen Gebäu- der Mauer genehmigte Ungeld jedoch für den 396 den Abgaben erhielt . Mauerbau der Neustadt Verwendung finden sollte, Die Bebauungsblöcke westlich der Rabegasse kann nicht ganz sicher geklärt werden402. Für 1304 und Alsfelder Straße waren dagegen der bürger- ist bereits der Friedhof bei St. Paul in der südöst- lichen Bebauung vorbehalten. Die Hauptverkehrs- lichen Ecke der Neustadt belegt.403 Es ist davon aus- und damit auch Hauptentwicklungsachse war der zugehen, dass die geschlossene Bebauung relativ Bereich von Rabe- und Marktgasse, die am nord- rasch und noch vor dem Wüstfallen der nördlichen östlichen Ende des Marktplatzes im stumpfen Win- Teile der Altstadt, also vermutlich vor den anzuneh- kel dem leichten Geländegefälle folgend zur Anto- menden Bevölkerungsverlusten im Zuge der Pest niterpforte hinunter führte. Diese beiden Straßen um die Mitte des 14. Jhs. erfolgte. Auffallend sind und der Marktplatz sind mit giebelständigen im Grundriss die relativ gleichgroßen Parzellen ent- Wohngebäuden auf in etwa gleichgroßen Parzellen lang der zentralen Hauptstraße, die sich tief nach dicht besetzt397. Dies trifft in abgeschwächter Form hinten, teilweise über 40 m, erstrecken. Die bemer- auch für die beiden parallel zur Marktgasse verlau- kenswerte Breite dieser Hauptstraße „Neustadt“ fenden Barfüßer- und Schlossgasse zu. Alle anderen von bis nahezu 20 m lässt eine Nutzung als Straßen- Nebenstraßen und -gassen sind nachgeordneter markt vermuten, der auch genügend Platz für Jahr- Bedeutung und waren ursprünglich wahrscheinlich märkte geboten hätte. Darüber hinaus fällt der meist nur mit Wirtschaftsgebäuden besetzt398. Dreiecksplatz auf, in den die Hintergasse nördlich Das Gebiet nördlich von Linsengasse und Krool des Kirchenbereiches mündet und von dem weder scheint dagegen bis ins 19. Jh. locker bebaut geblie- Bedeutung noch Funktion bekannt sind. Die Straßenbenennungen innerhalb der Neustadt folgte

392 HABICHT, Chronik S. 4, zum Graben im Bereich des ehe- 399 Vgl. die Abbildung der landgräflichen Zehntscheunen aus maligen Antonitergartens. dem Jahre 1637 auf dem Sonderblatt. Hier wird der Platz 393 HESS, Städtegründungen S. 49. einer eingestürzten Scheune ausdrücklich bezeichnet. Auf- 394 HESS, Städtegründungen S. 52-54; KÜTHER, Burggrün- fallend sind auch die großen Garten- bzw. Obstgarten- dung S. 50-51. parzellen von bis zu 40 m Länge und rund 20 m Breite. 395 HESS, Städtegründungen S. 53-54. 400 Ehemals sollen hier landgräfliche Zehntscheunen gestan- 396 HESS, Städtegründungen S. 52; BAUR, Hessische Urkun- den haben; WALBE, Kunstdenkmäler S. 219. den 1 Nrn. 1108, 1268. 401 WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382. 397 Hier würde ein Kellerkataster weiteren Aufschluss geben. 402 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 508. 398 HESS, Städtegründungen S. 58. 403 GLASER, Beiträge Nr. 51.

35 Hessischer Städteatlas – Grünberg der internen Bebauungsweise, wie die Unter- oder die Der Verlauf der Straßenführung wurde durch die Hintergasse zeigen, die sich jeweils ober- bzw. unter- nunmehrige Neustadt insofern verändert, als die halb der Hauptstraße der Neustadt befinden. Hauptverkehrsader aus der Wetterau die Neustädter Der Mauerverlauf, der nahezu U-förmig an der Pforte passierte, die Neustadt hochzog und an deren Südseite der Altstadtmauer ansetzte, begann nahe nördlichen Ende sich rechtwinkelig nach Nordos- des Wellerturmes an der Altstadtmauer. Von dort ten wendet, um in ziemlich steilem Anstieg die Alt- verlief die Mauer zunächst entlang der Gelände- stadt beim Frankfurter Tor zu erreichen. Von hier kante des Brunnentales404, wendete sich am Ende lief der Verkehr geradlinig hoch bis zum Markt- des Friedhofs in nahezu rechtem Winkel nach Süd- platz, um die Stadt wiederum in einem rechten westen und stieß hier auf halber Strecke an die Neu- Winkel über die Marktgasse beim Antonitertor zu städter Pforte und verlief – ebenfalls das Gelände verlassen. berücksichtigend – relativ parallel zur östlichen Die zweite Vorstadt, die nordwestlich der Aus- Geländekante wieder nach Norden bis hin zur fallstraße der Antoniterpforte vorgelagert war – die Frankfurter Pforte. Die Länge der Mauer betrug sogenannten Höfe – lag im Bereich der Kreuzung, rund 750 m und sie umfasste eine Fläche von 6,5 an der die Straßen nach Gießen und Marburg sowie ha405. Der hier beschriebene Verlauf weicht im süd- die Hauptverkehrsroute nach Burggemünden ver- westlichen Bereich von der Rekonstruktion bei liefen. Sie entstand vermutlich noch im ersten Vier- Walbe ab und folgt Görichs Entwurf. Hierfür spricht tel des 14. Jhs. Auch sie war befestigt, wobei der dessen bessere Nachvollziehbarkeit im Bereich der Verlauf der Mauer – besonders im Umfeld der Frankfurter Straße und der dort zu findende Flur- Höfetränke sowie im Gebiet des erst gut 150 Jahre name „Hinter der Mauer“406. später ummauerten Antonitergartens – nicht ein- 409 Ob die Parzellen, die sich zwischen Untergasse deutig nachvollzogen werden kann . Vermutlich und Mauer, also in der Flur „Die Graslösser in der verlief sie nahezu in einem Halbkreis, von der Anto- Untergasse“ befanden, jemals dichter bebaut gewe- niter Pforte südlich ausgreifend, die drei Verkehrswe- sen sind und wie der Norden der Altstadt erst nach ge einfassend und kehrte in der Nähe des Antoniter- der Mitte des 14. oder der ersten Hälfte des 17. Jhs. klosters wieder an die Mauer zurück. Aufgrund der ebenfalls wüst fielen, bleibt eine offene Frage. Die späteren Errichtung der Mauer des Antonitergartens Bedeutung von Hinter- und Untergasse im Grund- ist besonders der Verlauf zwischen besagtem Garten riss der Neustadt werden nicht nur durch ihre Brei- und der Burggemünder Pforte höchst unsicher. te – die einzigen breiteren Straßen neben der Neu- Jedenfalls ist anzunehmen, dass auch diese Befesti- stadt und der neustädtischen Verlängerung des Brü- gung in der ersten Hälfte des 14. Jhs. erfolgte, da in ckelchens – sondern zusätzlich durch jene Kreuzung der Folgezeit und besonders durch die beiden Groß- betont, die sich 30 m nach dem Stadttor stadtein- brände 1370 und 1391 die Stadt gar nicht mehr in wärts befindet und von der man rechts, also nach der Lage gewesen sein dürfte, sich Kosten für zusätz- Osten zum Augustinerinnenkloster und zur Hinter- liche Befestigungsanlagen aufzubürden. gasse sowie nach links, also westlich in die Unter- Der erste große Stadtbrand im Jahre 1370 zer- gasse gelangte407. Spätestens mit der Vereinigung störte einen Großteil der Altstadt. Anno milleno C von Alt- und Neustadt 1324 dürfte auch die Befes- ter LX duplicato, / Nocte Gangolfi per fulgur dicitur tigung der Neustadt fertig gestellt gewesen sein. Die uri / Grunberg solemnis civitas communiter omnis 410, Neustädter Pforte wird 1327 erstmalig genannt408. wie im Kirchenbuch vermerkt ist. Zwar erhielt die Stadt eine Steuerbefreiung, die jedoch auf die betroffenen Bürger beschränkt war. 1391 folgte der 404 Bei der Flurbezeichnung „Am Spanneimer“ unterhalb des Mauerverlaufs an der Geländekante dürfte es sich um den zweite große Brand, der vermutlich noch schwerer von GLASER, Beiträge S. 37, bezeichneten Spanheimer gewesen ist, wie im Kirchenbuch angemerkt wurde. Graben handeln. GLASER konnte zum Ursprung der Anno milleno ter centeno nonageno / Primo fuit mota Bezeichnung keine Erklärung finden. Eine mögliche Ver- Gronberga igni quasi tota 411. Dabei waren vor allem bindung stellt der Verkauf einer Gülte von Haus und Gar- ten an die Antoniter dar, den eine Frau namens Adelheid das Antoniterkloster und seine nächste Umgebung Sponheimer (Spanheimerin) im Jahr 1390 mit ihrem Mann durchführte; ECKHARDT, Klöster Nr. 298. 405 HESS, Städtegründungen S. 68. 406 Vgl. der Plan GÖRICHS bei KÜTHER, Burggründung S. 39; WALBE, Kunstdenkmäler S. 171. 407 Dieses Element ist im Grundrissschema von zahlreichen landgräflichen Gründungsstädten zu finden, etwa in 409 GÖRICH, Entwicklung S. 149. Hessisch-Lichtenau. 410 HABICHT, Chronik S. 31; GLASER, Beiträge S. 103. Letzterer 408 GROTEFEND/ROSENFELD, Regesten 1 Nr. 712; BAUR, UB beruft sich allerdings auf eine Kircheninschrift. Arnsburg Nr. 588. 411 GLASER, Beiträge S. 104; HABICHT, Chronik S. 31.

36 Hessischer Städteatlas – Grünberg betroffen. Anno domini millesimo C.C.C. nongesimo aus knickte sie wiederum im rechten Winkel nach primo ipso die S. Oswaldi regis est pars domus cum Südosten ab und fand nach gut 100 m Anschluss ecclesia combusta 412, wie eine Inschrift in der bei der Stangenröder Pforte an die bestehende anschließend neu errichteten Kapelle des Klosters Stadtmauer. Auch hier dürfte sich in der Mitte der vermerkte. Die Kirche wurde in der Folge wieder Strecke ein weiterer Turm befunden haben. Die aufgebaut. Daneben erlitten auch das Kloster und Antoniter erhielten dieses gut einen halben Hektar die Kirche der Franziskaner schwere Schäden. Ver- große Gelände zwischen den beiden Pforten als mutlich sind die Berichte über die Klöster genauer Klostergarten unter der Voraussetzung, dass sie es als über die sonstigen Häuser, da es sich bei diesen mit einer Mauer bewehrten, die mindestens 16 Fuß nicht nur um Steinbauten gehandelt hatte, während (ca. 4,8 m) hoch und 5 Fuß (1,5 m) dick sein solle die restliche Bebauung im regional üblichen Fach- und in die zwei Türme integriert sein sollten. Wie die werk erfolgte und diese öfters Bränden ausgesetzt Ansichten von Dilich und Merian zeigen, entstanden waren, sondern ihnen als Sakralbauten noch zusätz- statt der geforderten zwei wahrscheinlich sogar vier liche Bedeutung zukam413. Türme. Dass dies vom Landgrafen als eine kosten- In der urkundlichen Überlieferung sind die günstige Sicherung der Stadt auf der besonders Anfänge der Grünberger Mühlen kaum fassbar. Es gefährdeten Nordwestseite angesehen wurde, zeigt ist aber anzunehmen, dass die Ursprünge der Anla- sich darin, dass er den Antonitern verbot, in diese gen sicherlich in das 13. Jh., wenn nicht sogar noch Mauer eine Pforte zu integrieren, vielmehr sollten sie weiter zurück reichen. Gerade die günstige Situa- erst nach der Fertigstellung von ihrem Kloster aus 415 tion der Wasserversorgung im Brunnental lässt ver- einen Eingang in den Garten . muten, dass diese technische Innovation, die im 12. Das 16. Jh. brachte durch die Reformation eine Jh. rasche Verbreitung fand, auch hier zum Einsatz Reihe von städtebaulichen Veränderungen mit sich. kam. Urkundlich greifbar werden die Grünberger Die Klöster wurden säkularisiert und in der Folge Mühlen nach und nach seit dem vierten Jahrzehnt auch baulich verändert. Der sich zwischen Antoni- des 14. Jhs., wobei ihre genaue Verortung für die ter- und Frankfurter Pforte befindliche Komplex Frühzeit sehr schwierig ist, da sie jeweils mit unter- des Franziskanerklosters wurde aufgelöst. Es ist schiedlichen Bezeichnungen genannt werden, die allerdings fraglich, ob die großen Parzellen um den auf Namen der Inhaber, ihre geographische Lage, Diebsturm noch Teil dieses Komplexes waren, die ihre Bauweise (Holz oder Stein), ihre Nutzung – dann in landgräflichen bzw. städtischen Besitz fie- etwa als Holz- also Sägemühle – oder auf lehens- len. Ebenso ist unsicher, wo sich u.a. die Renthof- bzw. besitzrechtliche Gegebenheiten verweisen. Erst scheunen befanden. Eine Zeichnung aus dem Jahre seit dem 15. Jh. kristallisierten sich jene Mühlenbe- 1637, die die sogenannten Fürstlichen Zehntschew- zeichnungen heraus, die bis in die Neuzeit überdau- ern zeigt416, lässt sogar vermuten, dass es sich um erten, wie die Antoniter-, Stadt- oder Latzmühle414. eine Neunutzung der alten Klostergebäude gehan- delt haben könnte, da hier ein Fachwerk- und ein 3. Vom Spätmittelalter bis zur Mitte Steinbau nebeneinander stehen, wie in Bildern des des 19. Jahrhunderts (1839/43) Klosterbaus aus den 1930er Jahren noch zu erken- nen ist417. Der Barfüßerfriedhof hingegen befand Um 1500 wurde auf Initiative des Landgrafen ein sich vermutlich im nördlichen Bereich der Klosteran- zusätzlicher Befestigungsteil zwischen der Antoniter- lage, wie eine Reihe von Knochenfunden, die hier im und der Stangenröder Pforte errichtet. Die Mauer Zuge von Baumaßnahmen gemacht wurden, bele- 418 setzte bei der Antoniterpforte an und zog sich etwa gen . Ein Teil der Anlage, besonders der Bereich der 50 m entlang der Straße nach Nordwesten. Die Kirche, dürfte schon bald verfallen sein. Bereits in Ecke war mit einem Turm gesichert. Hier knickte den frühen 1530er Jahren standen die Gebäude leer die Mauer nach Nordosten um und verlief rund und Glaser berichtet von zwei Backhäusern, die die 419 200 m vergleichsweise gerade bis zum Rondell, Stadt anstelle der Kirche errichtet hätte . einem weiteren Eckturm. Auf halber Strecke sicher- te ein flacher, runder Turm die Mauer. Vom Rondell

415 DEMANDT, Regesten Nr. 1493; Landgrafen-Regesten online Nr. 4961. 412 HABICHT, Chronik S. 31. 416 Vgl. Sonderblatt in dieser Atlasmappe. 413 GLASER, Beiträge S. 102-104; WALBE, Kunstdenkmäler 417 Vgl. unten Kap.VII., Abb. 5. S. 177; ECKHARDT, Klöster Nr. 924. 418 Fundberichte 26 S. 533. 414 ZIMMER, Müllerwesen S. 436-439; ECKHARDT, Klöster Nrn. 419 GLASER, Beiträge S. 87; vgl. auch ECKHARDT, Klöster 283, 288, 340, 460; BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 739. Nr. 877.

37 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Im Bereich des Antoniterklosters war es bereits geschlagen425. Damit wurde die Marktgasse vermut- um die Jahrhundertwende zu Neu- bzw. Umbauten lich etwas entlastet. Der Verkehr, der nach wie vor im Bereich des alten Speichers, dem späteren Uni- Neustadt, Rabegasse und Marktplatz passierte, ging versitätsbau sowie dem Marstall, dem sogenannten nun geradeaus weiter über den kleinen Markt, um Außenbau – da er sich jenseits des Klosterkomplexes kurz danach östlich in den Platz Krool zu biegen, befand und mit diesem über die Straße hinweg ver- um sich, diesen überquerend, durch die Neupforte bunden war – gekommen. Nach der Säkularisie- hindurch zur Alsfelder Brücke zu . rung fanden hier weitere Baumaßnahmen statt. So Für diesen Verlauf spricht, dass nicht nur das wurde jener Trakt, der direkt in der Rosengasse, vor- Gebäude bzw. die Parzellen an der Ecke der Alsfel- mals Antonitergasse, gelegen war, um- bzw. neu- der Straße, sondern auch der Baublock am Platz gebaut, um nun als landgräfliches Schloss – vorzüg- selbst die einzigen sind, deren Ecken abgerundet 420 lich als Witwensitz – Verwendung zu finden . Der sind, um damit ein einfacheres Passieren der Fuhr- 1553 an Stelle der alten Burg errichtete Neubau werke zu ermöglichen. Daraus ergibt sich, dass der genügte vermutlich nicht mehr den gestiegenen Platz Krool vermutlich relativ zeitgleich mit dieser 421 Repräsentationsansprüchen . Verkehrsverlegung zum Teil überbaut wurde. Ein Die Wasserversorgung der Stadt selbst war lange weiteres Indiz, dass es sich hier um eine Hauptver- Zeit relativ schwierig. Zwar waren im nahen wasser- kehrsader gehandelt hat, ist das ebendort, abseits reichen Brunnental zahlreiche Quellen vorhanden. der alten Durchgangsstraßen gelegene Wirtshaus Allerdings liegt die Stadt gut 60 m höher auf dem zum schiefen Balken 426. trockenen Basaltrücken. Ein mittelalterlicher Eine der wichtigsten Funktionen der Stadt Schachtbrunnen auf dem Marktplatz mit einer Tiefe waren die Märkte, hier allen voran die Jahrmärkte, von über 36 m zeigt die aufwändigen Maßnahmen die mehrmals im Jahr stattfanden und nicht nur 422 zur Wasserbeschaffung, die damals nötig waren . regionalen Austausch, sondern auch Fernhandel Auch dürfte dieser Brunnen kaum genügend Wasser ermöglichten. Es kann als gesichert gelten, dass sie für die ganze Stadt geliefert haben. Also musste bis bereits vor dem kaiserlichen Privileg von 1481 abge- 1419 das Wasser zu einem Großteil vom Brunnental halten wurden427. Wo diese Märkte im Mittelalter hochgetragen werden. Seit diesem Zeitpunkt pump- stattgefunden haben, ist nicht gesichert. Es ist te das sogenannte Brunnenkunstwerk das Wasser in jedoch anzunehmen, dass sie innerhalb der Stadt- Rohrleitungen in die Stadt und verteilte es in ver- mauern abgehalten wurden, um die Befestigung als schiedene Kumpfe, an denen die Anwohner das Schutz zu nutzen. Ursprünglich wurden dazu Wasser schöpfen konnten. Um 1560 wurde die sicherlich der Marktplatz, eventuell auch Krool als Anlage erneuert und zwei neue Brunnenhäuser, eines Nebenmarkt oder zumindest Abstellgelände ver- im Tal und eines am Berg – am Winterplatz neben wendet. Daneben kommt ebenso die breite Neu- 423 der Bornpforte – errichtet . Erneuerungen folgten stadt in Frage428. Erst in späterer Zeit – vermutlich in den Jahren 1822, nachdem bereits im Winter im Verlauf des 16. Jhs. – wurden die Jahrmärkte vor 424 1819/20 das untere Brunnenhaus abgebrannt war . die Stadtmauern verlegt, dafür würde u.a. auch die Verkehrstechnische Neuerungen und damit die Überbauung der Südostecke des Marktplatzes mit Verlegung des Hauptverkehrsweges durch die Stadt dem Rathaus und dem Haus Oberscholthes spre- brachte der Bau des östlich der Stadt gelegenen Erd- chen. Wo jedoch bis ins 19. Jh. hinein die Jahr- dammes über den Äschersbach, der sogenannten märkte durchgeführt wurden, ist nicht gesichert. Alsfelder Brücke, die zwischen 1586-1599 errichtet Anzunehmen ist, dass sie westlich der Stadt statt- wurde. Gleichzeitig wurde die Neupforte – als fanden. Nur dort befanden sich genügend weitläu- neuer Zugang in die Stadt – durch die Stadtmauer fige ebene Flächen, im Gegensatz zu den sonst mehr oder weniger steil abfallenden Geländekanten. Der Eintrag Markplazz an der Chaussee nach Gießen

420 WALBE, Kunstdenkmäler S. 177, 179, 193; Kulturdenk- mäler. 421 GLASER, Beiträge S. 39; WALBE, Kunstdenkmäler S. 215- 425 THEUNER, Ansichten Tafel 6; HESS, Städtegründungen 217, 219-220; HStAD P 11 Nr. 216/1. Noch in den 1480er S. 46; WALBE, Kunstdenkmäler S. 170; UHLIG/JÄGER Jahren hatte die Burg der damaligen Landgräfin Anna als Städte S. 54. Residenz ausgereicht. Vgl. ECKHARDT, Schloss S. 59. 426 Kulturdenkmäler, heute Krool 3. 422 Der Brunnen wurde erst 1979/80 wiederentdeckt. GLASER, 427 Dafür spricht u.a., dass die kaiserliche Privilegierung finan- Beiträge S. 2-3, verweist auch darauf, dass alte Brunnen ziell eine ziemliche Belastung darstellte und die Grün- zugeschüttet wurden. berger sich nur dann etwas davon erwarten konnten, wenn 423 Das obere Brunnenhaus trägt die Inschrift 1582. sie bereits entsprechend positive Erfahrungen in diesem 424 WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; GLASER, Beiträge S. 95- Bereich hatten. DEMANDT, Regesten Nr. 986/C. 98; HABICHT, Chronik S. 8. 428 HESS, Städtegründungen S. 52.

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(vgl. Chaussee-Karte von 1790 auf dem Sonder- Um 1780 erfolgte die Trockenlegung des Anto- blatt) sowie der Flurname „Auf dem Gallusmarkt“ niterteiches, gelegen südlich der Antonitermühle, an der heutigen Londorfer Straße sind Indizien dessen Spuren noch heute anhand der Feuchtwie- dafür, dass in diesen heute überbauten Bereichen senbepflanzung und der Reste der Uferverbauung einst die Märkte abgehalten wurden, worauf heute sichtbar sind432. Vermutlich hatte auch er der Fisch- noch die Gallusstraße und der Standort der Gallus- zucht gedient, wie der naheliegende Baumgarten- halle hinweisen. Seit 1826 wurde versucht, den teich, von dem ebenfalls unbekannt ist, wie lange er Markt auf die „Laimenkaute“ – also an die bereits gewerblich genutzt wurde. 1790 geplante Stelle – zu verlegen. Dies wurde aller- Im Zuge des Chausseebaus 1775-90 erfolgte eine dings seitens der Regierung bis 1838 verzögert und weitere innerstädtische Verlagerung des Verkehrs. Im wahrscheinlich erst mit der Vollendung des Chaus- Nordosten wurde die Stadtmauer durchbrochen und seebaus durchgesetzt. Das andere Gelände wurde somit die Verlängerung der Alsfelder Straße, ehemals durch den Eisenbahnbau durchschnitten und seit Neugasse genannt, stadtauswärts auf die dortige 1869 wurde der Markt stattdessen in der „Käswiese“ Chaussee nach Alsfeld geführt. Mit dieser Verlegung abgehalten. Gerade im 19. Jh. zeigte sich anhand verloren sowohl Stangenröder Pforte als auch der der massiven Beschwerden und Verlagerungen, dass Burggemünder Weg völlig an Bedeutung. man nicht mehr gewillt war, den Schmutz, den Tau- sende von Schweinen während des Marktes verur- Es sollte auch bis zum Abbruch der Stadtbefesti- sachten, zu akzeptieren429. gung nicht mehr lange dauern. Der Großteil der Stadtmauer wurde 1824 auf sechs Fuß (ca. 1,8 m) Im Jahre 1605 wurden bei einem Brand in der Höhe abgetragen433. Gleichzeitig wurden sicherlich Vorstadt Höfe 23 Gebäude – nahezu die gesamte auch die Tore und Türme niedergelegt. Der Bau des Bausubstanz – zerstört. Über den Wiederaufbau Wachthauses 1810434 lässt allerdings vermuten, dass liegen keine Informationen vor, allerdings steht zu die Antoniterpforte schon früher abgebrochen vermuten, dass zur damaligen Krisenzeit dieser eher wurde und dieses neue Gebäude nur noch als Kon- langsam erfolgt sein dürfte. trollstelle ohne wehrtechnische Bedeutung diente. Die Schäden, die durch den Dreißigjährigen Für einen frühen Abbruch der Antoniterpforte Krieg verursacht worden waren, können nur mehr spricht darüber hinaus, dass auch das Haus Markt- anhand jener Bauten nachvollzogen werden, die in gasse 20 etwa zeitgleich entstanden ist, das über die der Zeit danach bis in das 18. Jh. hinein entstanden ehemalige Stadtmauer hinweg gebaut wurde (vgl. waren, wovon auch heute noch ein Teil vorhanden Kap. VI., Abb. Nr. 7). Im Bereich Antonitergarten ist430. An öffentlichen Gebäuden erfolgten im und um den Diebsturm blieben höhere Mauerreste 18. Jh. der Neubau der Kaplanei am Brückelchen ebenso erhalten wie der Turmstumpf, das heutige um 1700, das nicht näher zu datierende Brauhaus Rondell, der nördlichste Teil der Stadtbefestigung. am Winterplatz, das 1716 errichtete Schulhaus zwi- Waren die ehemaligen Hospitäler der vorrefor- schen Kirchen- und Winterplatz sowie der Neubau matorischen Zeit St. Peter und St. Nikolai bereits der Kirche St. Paul in den Jahren 1723-1740. Doch im Verlauf des 17. und 18. Jhs. verschwunden, blie- nicht nur als Zeichen des Wiederaufbaues, als viel ben die Gebäude des St. Elisabeth-Hospitals nörd- mehr jener einer wiedereinsetzenden Konjunktur ist lich der Stadt am Siechberg bis 1817 erhalten, dann zumindest die private Bautätigkeit zu werten, wie erfolgte auch ihr Abbruch435. Die Alten- und Kran- sie sich an manchen Häusern am Markplatz, etwa kenpflege oblag nach wie vor nur dem Spital in der der alten Post, in der Marktgasse, der Alsfelder Neustadt. Straße oder selbst in der Barfüßergasse zum Teil zeigte. Allerdings blieb die Situation der kommu- nalen Finanzen damals derart angespannt, dass beim Neubau der Neustädter Kirche St. Paul auf einen Kirchturm verzichtet wurde431.

429 STIKA, Geschichte S. 60-61. 430 Vgl. Kulturdenkmäler. 431 MÜLLER-HILLEBRAND, Brauhaus S. 315; KÜTHER, Kirchen- gemeinde S. 385; WALBE, Kunstdenkmäler S. 167, 206-207; 432 HStAD P 11 Nr. 1909. GLASER, Beiträge S. 69-70; ERDMANN, Stadtschule 433 HABICHT, Chronik S. 4; HESS,Städtegründungen S. 49, S. 400, 404; Kulturdenkmäler. Beispiele hierfür finden sich 68. heute Marktgasse 4, 9, 11, 16, 18, Marktplatz 3, 4, 7, 8, 9, 434 MÜLLER-HILLEBRAND, Tore S. 315-316; WALBE, Kunst- Alsfelder Straße 4, 7, 9, 11, 12, 15, Barfüßer- denkmäler S. 176. gasse 2, 4, 10, 20. 435 HABICHT, Chronik S. 217; GLASER, Beiträge S. 90-93.

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Die schon längere Zeit als baufällig geltende Bis weit ins 19. Jh. reichte der Stadt zur Besied- Stadtpfarrkirche wurde nach dem Einsturz des Tur- lung der Bereich innerhalb der ehemaligen Befesti- mes 1816 zur Gänze abgerissen. Ein Neubau kam gung aus, abgesehen von den Mühlen, die seit jeher erst um die Jahrhundertmitte 1846-52 am gleichen aufgrund des Wasserverlaufs in der Talsenke lagen. Ort zustande436. Allerdings entschied man sich Nur vereinzelt entstanden nach und nach bebaute dafür, 1846 das sogenannte d’Outrepontsche Haus Blöcke entlang des Steinweges, südlich der Neustadt am Marktplatz abzutragen, um so einen direkten bzw. im Gebiet nördlich der Höfe. Im städtischen Zugang zum Kirchenneubau zu erhalten, wodurch Umland dominierten lange Zeit Äcker und Wiesen, die Kronengasse als neuer Verkehrsweg entstand437. nur nahe der Stadt auch durch Gärten durchgesetzt. Schon kurz davor, 1830, hatte der Marktplatz insofern Veränderungen erfahren, als das ehemalige alte Rathaus und die ehemalige Schirn Ecke Markt- gasse-Marktplatz abgetragen und durch einen Neu- bau ersetzt wurden. 1841 erfolgte, vermutlich unter Verwendung von Teilen der ehemaligen Stadtbefes- tigung, der Bau des Gefängnisses an der nordöst- lichen Stadtseite438.

436 KÜTHER, Kirchengemeinde S. 382-384; WALBE, Kunst- denkmäler S. 172, 199-204. 437 KÜTHER, Kirchengemeinde S. 383-384. 438 HStAD P 11 Nr. 14057/1-2.

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III. Siedlungstopographische Entwicklung von Eine grundlegende Änderung im Grundriss der der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Stadt setzte in den späten 1860er Jahren ein. Der Beginn des 21. Jahrhunderts wesentliche Anstoß ging dabei vom Bau der Eisen- bahnlinie von Gießen nach Fulda aus, die 1869 bis 1. Die zweite Hälfte des 19. und die erste Hälfte Grünberg und 1870 bis Alsfeld in Betrieb genom- des 20. Jahrhunderts (1839/43 bis 1945) men wurde444. Damit hatte Grünberg Anschluss an die überregionale Main-Weser-Bahn bekommen. Den Auftakt zur neuzeitlichen Entwicklung der Mit der Eröffnung der Nebenstrecke nach Londorf Siedlungstopographie Grünbergs bildete die teil- im Jahre 1896 und von dort weiter nach Lollar weise Niederlegung der Stadtbefestigungen. Obwohl sowie die Fortführung der privaten Butzbach- einzelne Türme, etwa die Bornpforte439, bereits im Licher-Eisenbahn im Jahre 1909 bis nach Grünberg Laufe des 18. Jhs. verschwanden und im Zuge des wurde die Stadt zu einem regionalen Bahnknoten- Chausseebaues 1775/90 ein Mauerdurchbruch für punkt. Indes entwickelte sich der benachbarte die Alsfelder Straße im Nordosten erfolgte, wurden Bahnhof in Mücke bald zu einer bedeutenden Kon- die Niederlegung der Tortürme und Tore sowie der kurrenz und überflügelte Grünberg besonders im Abbruch der Stadtmauer auf maximal 6 Fuß (ca. Güterverkehr seit 1890 um ein Vielfaches445. 440 1,8 m) Höhe erst bis 1824 durchgeführt . War seit Die Trasse der -Bahn von Gießen alters her die Nord-Süd-Verbindung der Kurzen nach Fulda wurde im Norden in etwa 400 m Ent- Hessen, also die Altstraße von Frankfurt nach Leip- fernung von der ummauerten Altstadt an Grünberg zig, die wichtige Verkehrsader durch Grünberg, so vorbei geführt. Für eine möglichst gerade Strecken- erhielt mit dem Bau der Chaussee von Gießen nach führung durch das leicht hügelige Gelände waren Grünberg auch die West-Ost-Richtung eine gewisse dabei verhältnismäßig geringe Geländeeingriffe Aufwertung. Diese Straße war zwar bereits 1790 nötig. Nach Westen verlief die Trasse durch einen projektiert, konnte aber aufgrund der kriegerischen wenige Meter tiefen Einschnitt, nach Osten Rich- Ereignisse erst in den Jahren zwischen 1808 und tung Lehnheim musste hingegen ein Damm aufge- 441 1832 umgesetzt werden . Im Zuge dieser infra- schüttet werden. Die Butzbach-Licher-Eisenbahn strukturellen Änderungen entwickelte sich der zweigte etwa hinter der Gallus-Halle in der Gieße- Bereich der „Höfetränke“ zu dem Verkehrsknoten- ner Straße nach Süden hin ab und überwand mit punkt, der er bis zum heutigen Tag geblieben ist. leichtem Gefälle in einem großen Bogen und einer Konkrete Folge war zunächst die teilweise Niederle- S-Kurve rund 60 Höhenmeter hinunter nach dem gung der Mauern um die „Höfe“ und des südwest- südwestlich gelegenen Queckborn. Die Bahn nach lichen Eckturmes der Klostergarten-Ummauerung Londorf zweigte dagegen „Am Siechberg“ nördlich sowie der Antoniterpforte. Das hier wahrscheinlich der Stadt von der Hauptlinie ab und wendete sich um 1810 entstandene Wachthaus war einerseits ohne große Höhenunterschiede nach Norden hin in Ersatz für die Antoniterpforte, andererseits vor das Lumdatal. allem aber Chausseehaus für die Überwachung des Transitverkehrs442. Die bedeutendesten Einschnitte Ohne dass direkte Wachstumsimpulse verant- in die innerstädtische Baustruktur waren hingegen wortlich gemacht werden könnten, hat die Führung zweifellos der Neubau der Stadtkirche in den Jahren der Bahntrassen die siedlungstopographische Ent- zwischen 1846 und 1852 sowie der 1846 erfolgte wicklung der Stadt bis weit in das 20. Jh. hinein Abriss des d’Outrepontschen Hauses, womit ein bestimmt. Das erste große Stadterweiterungsgebiet direkter Zugang vom Marktplatz zum Kirchenneu- steht zweifellos in direktem Zusammenhang mit der bau geschaffen wurde und dadurch eine neue Straße, Bahn, insofern die Londorfer Straße und die Bahn- die Kronengasse, entstand443. hofstraße eine Gründerzeitbebauung erhielten. Beide waren alte Ausfallstraßen. Die Bahnhofstraße folgt zunächst dem Weg nach Burggemünden, der aber weiter nach Nordosten abzweigt, während die Bahnhofstraße gerade auf das Bahnhofsgebäude 439 Zumindest ist dieser Torturm in der Ansicht von Jakob zuführt. Der alte Weg nach Burggemünden hatte Konrad JUSTUS aus dem Jahre 1743 nicht mehr eingetra- bereits um 1600 mit dem Bau der Alsfelder Brücke gen; vgl. Abdruck auf der Städtemappe. und mit dem Chausseebau zwischen 1775/90 und 440 KÜTHER, Weg S. 321. 441 Vgl. den Planentwurf zum Chausseebau aus dem Jahre 1808/32 an Bedeutung verloren und degenerierte 1790, auf dem beiliegenden Sonderblatt und Karte 29 a-b im Geschichtlichen Atlas von Hessen. 442 MÜLLER-HILLEBRAND, Tore S. 315. 443 STIKA, Grünberg bei Abb. 23; KÜTHER, Kirchengemeinde 444 MOELLER,Entwicklung S. 73; LÜDER, Bahnhof S. 526-528. S. 383. 445 MOELLER,Entwicklung S. 52-53.

41 Hessischer Städteatlas – Grünberg im Zusammenhang mit der Bahnverbindung gewerbe noch Jahrzehnte hin dominierend, ohne schließlich auf das Niveau eines landwirtschaft- dass sich hier ein regelrechtes Industriegebiet her- lichen Erschließungsweges für die nordöstliche ausgebildet oder eine größere Fabrik durchgesetzt Feldflur. Die Trasse der Butzbach-Licher-Eisenbahn hätte. Einen vielversprechenden Anfang machte zwar bildete dagegen noch nach der Einstellung des bereits 1870 die mechanische Weberei von Hein- Bahnverkehrs die Begrenzung des großen Neubau- rich Semler II. in der Gießener Straße, die jedoch gebietes der 1970er Jahre im Südosten der Stadt. bald wieder einging448. Aber noch Anfang des 20. Jhs. Ihr hangparalleler Verlauf wird im Grunde von der wurde mitten in der Stadt (Marktplatz 2) eine neue Condomer, Konrad-Adenauer-, Goethe- und Kant- Textilproduktionsstätte eingerichtet, doch auch das straße aufgenommen. 1912/13 errichtete dreistöckige Wohn- und Ge- Von einem regelrechten Gründerzeitboom wird schäftshaus mit entsprechendem Lager der Firma man in Grünberg jedoch nicht sprechen können. Jacob Repp jr. in der Neustadt setzte keinen blei- Der Umstand, dass der Bahnhof erst im Jahre 1880 benden siedlungstopographischen Impuls. Ledig- – also rund ein Jahrzehnt nach der Aufnahme des lich mit dem Fabrikneubau der Firma Heinrich Bahnverkehrs – erbaut wurde, lässt eine gewisse Schmidt I. 1911 auf dem Semler’schen Grundstück Skepsis gegenüber dieser verkehrstechnischen Revo- in der Gießener Straße wurde das Gewerbe vor die lution erahnen und verweist aber vor allem auf die alten Stadtmauern verlegt. fehlende wirtschaftliche Innovationskraft vor Ort. Blieb die administrative und wirtschaftliche Diese Skepsis war zu einem Teil sogar berechtigt, Funktion der Stadt also eher unter dem Durch- ging doch mit dem Bahnbau der „für Grünberg schnitt von Städten vergleichbarer Größe, so entfal- lebenswichtige Straßentransport sehr stark“ zurück tete sich das Bildungswesen recht beachtlich, was und selbst die überregionale Funktion als Vieh- auch seinen Niederschlag in der entsprechenden markt hatte sich damals nach Gießen verlagert446. Bautätigkeit fand. In der Schulstraße südlich des Die Bebauung der Londorfer und der Bahnhof- Diebsturmes entstand außerhalb des alten Mauer- straße verlief dann auch vergleichsweise verhalten. ringes mit der 1888 errichteten Volksschule und An bedeutenden öffentlichen Gebäuden sind hier besonders dem 1911 bezogenen (Real-)Gymnasium erst das 1898/99 in der Londorfer Straße errichtete ein regelrechtes Schulzentrum, mit dem die von Sparkassengebäude, das 1900 bezogene Postgebäu- alters her wichtige Funktion der Stadt als Schulort de beim Bahnhof und das 1901 bezogene Amts- für das weitere Umland behauptet und weiter aus- gericht zu nennen447. Ergänzt wurden diese öffent- gebaut werden konnte449. lichen Gebäude durch rund zwei Dutzend privater, Zwischen diesen Schulbauten sowie der Schleife teilweise recht repräsentativer Wohn- und einige der Frankfurter Straße, der „Neuen Chaussee“, ent- wenige Geschäftshäuser. standen ebenfalls noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Kleinkinderschule (1887, Frankfurter Straße 4)450 Stadt damals nicht recht in Schwung kam, ist zum und einige Wohnhäuser, worin sich die Siedlungs- Teil mit dem Verlust ihres Status als Kreisstadt im entwicklung für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg Jahre 1874 zu erklären, wodurch die Stadt in admi- dann aber auch erschöpfte. nistrativer Hinsicht ihre Mittelpunktfunktion ver- Indes wurden mit der Trassierung und teilweisen lor. Ebenso wurde in Grünberg keine Garnison ein- Bebauung der Schulstraße und der Gartenstraße gerichtet, was für viele kleinere hessische Städte im noch vor dem Ersten Weltkrieg die Wachstumsach- Kaiserreich ein wichtiger Wachstumsimpuls war. sen der Zwischenkriegszeit angelegt451. Die wirt- Damit ging der Geldsegen der französischen Repa- schaftlich allgemein schwierigen Zeiten hemmten rationszahlungen in Form von Förderungen öffent- freilich eine umfassende Bautätigkeit weitgehend. licher Bauten und vor allem von kaufkräftigen preu- Da Beschäftigungsmöglichkeiten fehlten, wurden ßischen Beamten und Militärs weitgehend an der keine größeren genossenschaftlichen oder kommu- Stadt vorbei. nalen Siedlungsbauten in Angriff genommen. Die Entsprechend bescheiden entfaltete sich auch das Stadt schrieb im Jahre 1921 aber immerhin in den Wirtschaftsleben. Während sich andernorts neue „Höfetränkgärten“ ein neues Wohnbaugebiet452 Branchen ansiedelten, blieb in Grünberg das Textil-

448 STIKA, Textiles Zentrum S. 472-476. 449 ERDMANN, Stadtschule S. 404; FUNK, Gymnasium S. 407. 446 UHLIG/JÄGER, Städte S. 55 mit Anm. 1. 450 STIKA, Kindergarten S. 418. 447 CONRAD, Bezirkssparkasse S. 503; KÜTHER, Weg S. 327; 451 KÜTHER, Weg S. 329. STIKA, Grünberg Abb. 46. 452 KÜTHER, Weg S. 333.

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(Bismarckstraße und Diebsturmstraße) aus, das bis (1) In dem bereits angelegten Baugebiet im zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit knapp Westen der Stadt wurden nach und nach Schul- zehn Häusern locker bebaut wurde und damit einen straße, Bismarckstraße, Färbgraben und Kantstraße Anschluss an die Schulstraße erhielt. Die Höfeträn- mit den kleineren Erschließungswegen bebaut. Mit ke, ein letzter Rest des Stadtgrabens und noch 1903 dem Ausbau der Bismarckstraße 1959/60 zwischen von der Stadt für die Fischzucht verpachtet, wurde Schulstraße und Frankfurter Straße wurde zudem im Zuge dieser Bautätigkeit 1928 zugeschüttet453. der von Nord nach Süd verlaufende Durchgangs- Flächenhaft relevante Baugebiete sind für die verkehr aus der Altstadt herausverlegt. Diese Maß- Zwischenkriegszeit insgesamt nicht auszumachen. nahme stand im Zusammenhang mit dem Ausbau Es wurden eher Baulücken in den Stadterweite- der Bundesstraße 49, deren Verlauf durch den rungsgebieten der Vorkriegszeit geschlossen, so etwa Antonitergarten verlegt und die Alsfelder Brücke in der Londorfer, Gallus- und der Bahnhofstraße. erhöht wurde. Mit dem Abriss des Wachthauses Weitere Bauten erfolgten in den 1920er Jahren auch 1967 und der Planierung der Höfetränke erhielt der in der Schleife der Frankfurter Straße mit einigen gesamte Kreuzungsbereich schließlich seine heutige großen Wohnhäusern im Villenstil. In den 1930er Form. Jahren setzte sich die Bebauung in der Schulstraße (2) Der östlich der Bahnhofstraße gelegene zögerlich weiter nach Westen fort. Bereich bis zur Bahnlinie im Norden und der Mit dem 1931/32 gebauten Freischwimmbad Geländekante zum Äschersbach wurde von der rund 500 m östlich der Altstadt wurde damals aber Jahnstraße und dem Lehnheimer Weg erschlossen ein Kristallisationskern für die öffentliche Bautätig- und bebaut. Südlich daran anschließend, Richtung keit in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Klostergartenmauer wurde 1952/53 die Pfarrkirche geschaffen454. „Sieben Schmerzen Mariens“ der seit 1914 beste- Einen weiteren Ansatzpunkt für die Nachkriegs- henden katholischen Gemeinde errichtet, die nicht entwicklung stellt die 1931/32-36 errichtete Fabrik- zuletzt durch die Flüchtlinge und Vertriebenen 456 anlage der Firma Repp an der Straße nach Lauter erheblichen Zuwachs erlebt hatte . südöstlich der Stadt dar455. (3) Noch weiter nach Osten wurde der Ziegel- berg und der Alte Weickartshainer Weg bebaut. 2. Von 1945 bis 2005 Nördlich der Bundesstraße 49 entstand auf dem Äschersberg ein völlig neues reines Wohngebiet, das Trotz einzelner Mauerdurchbrüche und Neubauten erstmals in keinem organischen Zusammenhang im Laufe des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jhs. mit der Entwicklung der städtischen Siedlungs- blieben das Raster der Straßen und die Bebauungs- topographie bzw. einem älteren Wege- oder Straßen- blöcke in der Altstadt von Grünberg bis in die system stand. Die Bebauung begann hier in der 1960er Jahre im wesentlichen unverändert erhalten. Breslauer und Berliner Straße und wuchs bald mit Auch die Entwicklung der Baugebiete außerhalb jener am Ziegelberg zusammen. der ehemaligen Stadtbefestigung verlief zunächst (4) Die beträchtliche Bevölkerungszunahme in noch überschaubar. Dies änderte sich in der Nach- der Nachkriegszeit ließ auch bald die schulischen kriegszeit. Seit den frühen 1950er Jahren setzte ein Einrichtungen zu eng werden und im Dezember Bauboom ein, der mit kürzeren Unterbrechungen 1966 wurde die „Mittelpunktschule“ in der Wald- und mit unterschiedlichen Akzentuierungen im straße bezogen. Diese Schule für Kinder aus Grün- Grunde bis in die Gegenwart anhält. berg und 18 umliegenden Dörfern liegt rund 1.250 Zunächst galt es für die rund 850 Flüchtlinge m östlich der Altstadt. Sie bildet zusammen mit der und Vertriebenen – immerhin rund ein Drittel der 1952/53 nördlich des Tannenköppels errichteten damaligen Stadtbevölkerung –, die mit dem Kriegs- Sportschule des Hessischen Fußballverbandes, dem ende nach Grünberg gekommen waren, Wohnraum bereits seit 1931/32 bestehenden Schwimmbad mit zu schaffen. Für die Zeit bis um 1970 lassen sich daran anschließendem Campingplatz, der Freizeit- dabei vier Schwerpunkte der Bautätigkeit aus- stätte der Arbeiterwohlfahrt nördlich der Weickarts- machen: hainer Straße sowie den Anlagen mehrerer Grün- berger Sportvereine ein großzügiges Bildungs- und Freizeitviertel457.

453 STIKA, Grünberg bei Abb. 28, Abb. 30. 454 KÜTHER, Weg S. 336. 456 HORNEF, Werden S. 391, 398. 455 STIKA, Textiles Zentrum S. 474. 457 SEIFERT, Planungsexkursion S. 69-70.

43 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Noch in den 1960er Jahren bildeten sich die straßen zu angelagerten Parkplätzen erschlossen Ansätze für die wichtigsten siedlungstopographi- werden. Die in den 1970er Jahren diskutierten Vor- schen Veränderungen der 1970er Jahre heraus. schläge, Rabegasse und Alsfelder Straße in eine Fuß- Nördlich der Bahnlinie an der Londorfer Straße gängerzone umzuwandeln, wurden allerdings nur in nahm das Metallwerk Windelsbleiche 1961 zu- Ansätzen umgesetzt459. Den Auftakt bildete der nächst in einer Holzhalle seine Produktion auf458. Abriss der alten Schule auf dem Kirchplatz 1966 Damit wurde die Herausbildung eines großflächi- und der Burg 1969. In diesem Bereich sowie Krool gen Industriegebietes in Gang gesetzt, das sich mit und Neupforte wurden in den folgenden Jahren dem seit dem Jahre 1972 an der Ecke Londorfer noch zahlreiche Hofreiten abgerissen und durch und Robert-Bosch-Straße entstandenen Gebäude- Neubauten bzw. Parkflächen ersetzt. Mit den komplex der Firma Elektro Systembau Bender wei- 1970/73 erbauten und die Ansicht der Altstadt von ter nach Norden fortsetzte. Die Ausweitung ist hier Osten her dominierenden Terrassenhäusern im bis heute noch nicht abgeschlossen und hat mit der Bereich der abgerissenen Burg wurde „ein erster – in neuen Anschlussstelle an die Autobahn 5 bei Lumda seiner Baugestaltung nicht unumstrittener – Akzent im Jahre 2004 einen nochmaligen Wachstumsim- für die moderne Stadtsanierung gesetzt“460. In dem puls erfahren. Schließlich wurde mit der Bebauung Block zwischen Schloss- und Linsengasse sowie Als- „Am alten Turm“ von der Frankfurter Straße hinab felder Straße entstanden 1975 ein Parkdeck sowie jenes Gebiet im Südwesten erschlossen, dass dann 1984 ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit im Laufe der 1970er und 80er Jahre meist mit den dem das östlich Ende der Linsengasse sogar über- durchaus zeittypischen Einfamilienhäusern bebaut baut worden ist. Am Nordrand der Altstadt wurde wurde (Condomer, Konrad-Adenauer-, und Goethe- im Jahre 1989 in den Bogen der noch vorhandenen straße). Die Grenze bildet hier grob die Trasse der Stadtmauer auf teilweise bis dahin unbebaut geblie- bereits 1955 stillgelegten Butzbach-Licher-Eisen- benen Gartenparzellen ein großer Wohn- und bahn. Hatte schon die Bebauung der Condomer Geschäftskomplex gesetzt, der unter anderem die Straße 50-70 den Bahndamm vereinnahmt, so geht Filiale der Deutschen Post und Arztpraxen beher- die seit 2004 entstehende kleine Wohnsiedlung am bergt. „Am Renthof“ bei dem Diebsturm wurden nordwestlichen Ende dieses Wohngebietes mit der 1985 zwei große Scheunenkomplexe abgerissen und Willy-Brandt-Straße und der Mragowo-Straße über durch Grünanlagen und Parkplätze ersetzt461. die Bahntrasse hinaus und wird im Norden nahe an Die für die neueste Entwicklung der Grünberger die Bundesstraße 49 rücken. Siedlungstopographie wichtigste Entscheidung war Relativ isoliert steht die Bebauung des Mühlen- wohl die Ausweisung des Baugebietes im Baum- weges an der Straße nach Lauter gegenüber der Tex- gartenfeld. In einer ersten Stufe seit dem Jahre 1983 tilfabrik Repp, die noch bis in die 1960er Jahre hin- und in einer zweiten dann seit 1996 erfolgte die ein expandieren konnte. Die Bebauung des Müh- Bebauung dieses Bereiches mit mittlerweile annä- lenwegs setzte sich dann noch in den 1970er Jahren hernd 200 Ein- und Zweifamilienhäusern. Ähnlich fort. wie bei der Besiedlung des Äschersberges rund drei Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen sind Jahrzehnte zuvor entstand damit südlich der Stadt die landwirtschaftlichen Betriebe in der Innenstadt an der Straße nach Hungen ein völlig neues Wohn- Grünbergs seit den 1960er Jahren verschwunden. gebiet ohne Zusammenhang zur bestehenden Stadt Zum einen wurden die Betriebe nicht anders als in bzw. zu älteren Raumstrukturen. den umliegenden Dörfern aufgegeben, zum ande- Der damit erreichten Ausdehnung des städti- ren entstanden rund ein halbes Dutzend Aussiedler- schen Siedlungsraumes in einer Nord-Süd-Erstre- höfe an der Queckbörner Höhe im Südwesten und ckung von gut 3 km und einer West-Ost-Erstre- im Wartgrund nördlich der Stadt. ckung über gut 2,5 km wurde mit der Indienst- Seit den 1960er Jahren veränderten sich jedoch nahme eines Stadtbusbetriebes im Jahre 1997 Rech- 462 viele Bereiche der Innenstadt durch Umbau bzw. nung getragen . Abriss einzelner Gebäude bzw. ganzer Bebauungs- blöcke ganz erheblich. Hinter diesen Veränderun- gen stand der Plan, die Attraktivität Grünbergs als 459 SEIFERT, Planungsexkursion S. 67-69; MOEWES, Entwick- Einkaufs- und Wohngebiet zu steigern. Hierzu sollte lungsgutachten. die verkehrsberuhigte Altstadt von Verteilerstich- 460 UHLIG/JÄGER, Städte S. 45; SEIFERT, Planungsexkursion S. 69. 461 Frdl. Mitteilung von Fr. FRIEDRICH, Stadtverwaltung Grünberg, vom 30. Aug. 2005. 462 Frdl. Hinweise von Fr. HOHMANN und Hrn. WIEGAND, 458 BRINKER, Metallwerk S. 490. Stadtverwaltung Grünberg, vom 10. Juni 2005.

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IV. Erläuterungen zum Kartenwerk, Aufbau der unter anderem Angaben über die Art der Grund- Karten und Hinweise zu ihren Quellen stücke, ob es sich um Gärten (Grabgarten), Äcker, Wiesen, Gehölze oder Grundgüter anderer Art han- 1. Katasterkarte 1839/43, 1:2.500 delt (siehe hierzu Legende zur Katasterkarte mit Farbsignaturen). Für einige weiß belassene Parzellen Die Katasterkarte von Grünberg beruht auf 33 Blät- liegen keine Informationen zur Nutzung vor. Wahr- tern aus dem Brouillon der „Parzellenkarten der scheinlich handelte es sich um Ödland oder Ver- Gemarkung Grünberg“ von 1839-1843 im Hessi- kehrsflächen im städtischen Besitz. schen Staatsarchiv Darmstadt. Die 14 Blätter der Die schriftlich in den Grundsteuerakten und Innenstadtlage befanden sich noch in den Bestän- Flurbüchern von Grünberg ab 1839 überlieferten den des Katasteramtes in Gießen und wurden nach Angaben ermöglichen es, ein bisher nicht vorliegen- der Bearbeitung für den Hessischen Städteatlas an des farbiges Bild der Stadt und ihrer Gemarkung das Staatsarchiv Darmstadt übergeben. Diese älteste herzustellen, das die Nutzung einer jeden Fläche in vollständige, exakt vermessene Katasteraufnahme und außerhalb der Stadt erkennbar macht, die nun von Grünberg besteht aus einer Vielzahl von Insel- erstmals vom Betrachter im Zusammenhang abgele- karten mit Grundrissen und Flurnamen. Die in sen werden kann. Die farbigen Katasterkarten des unterschiedlichen Größen im Maßstab 1:500, ca. Hessischen Städteatlas sind somit Quelle und Neu- 1:537,5 (Flur I, Blatt J) und 1:1.000 handgezeich- schöpfung zugleich: Quelle aufgrund ihrer Her- neten Karten enthalten keine Hinweise auf ihre kunft aus archivalischer Überlieferung der Gemar- geographische Ausrichtung, die Himmelsrichtung kungs- bzw. Parzellenkarten, der Katasterakten und ist in der Regel nicht vermerkt. Die Grundrisse wer- Flurbücher, Neuschöpfung infolge der Umsetzung den in unterschiedlichen Drehungen wiedergege- zu einem bislang nicht vorliegenden Gesamtbild ben, wobei die günstigste Ausnutzung des Zei- mit vereinheitlichtem Maßstab und informations- chenkartons für den jeweiligen Ausschnitt auf der tragender Farbgebung auf vorgegebenem Grundriss. Arbeitsvorlage entscheidend gewesen zu sein scheint. Zur Quellenedition gehören auch die Übernah- me und Wiedergabe der Flurnamen, die sich in der Die einzelnen Zeichnungen, welche die gesamte Originalüberlieferung der Gemarkungs- bzw. Par- Gemarkung von Grünberg, Ortslage der Stadt mit zellenkarten befinden. Die dortigen handschrift- umgebender Flur, umfassen, sind in vier Bänden lichen Eintragungen erscheinen in der Katasterkar- gesammelt. Grundlage für die vorliegende Publika- te im Druck. Unterschieden werden nach Schriftart tion im Hessischen Städteatlas bilden die Blätter und -größe die Bezeichnungen für Flur und A1, A2, B1, B2, C, D, E, F, G1, G2, H, J, M, TK Gewann, Platz, Gebäude und Hof, Verkehrsweg der Flur I; A, B, C, D, E der Flur II; A, B, C, D, E und Gewässer (siehe hierzu Legende zur Kataster- der Flur VII; A, B, C, D, E, F der Flur XXII; D, E karte). Fehlen im Original für die Stadtgeschichte der Flur XVII und A der Flur XXXVIII. wichtige Angaben, etwa die Bezeichnung von Während bei der Erstellung der Gemarkungskar- öffentlichen Gebäuden (hier besonders der Grund- te 1839/43 nie beabsichtigt worden ist, die Insel- riss der 1816 eingestürzten Stadtkirche), so werden karten zu einem Gesamtbild zusammenzufügen, diese für den heutigen Benutzer unverzichtbaren sondern damit lediglich die Unterlagen der Finanz- Informationen aus anderen, möglichst zeitnahen behörde zur Besteuerung von Grundbesitz ergänzt Quellen in die bearbeitete Karte übernommen und werden sollten, führt die Bearbeitung im Städteatlas in Klammern ergänzend hinzugesetzt. die Einzelblätter zu einer Rahmenkarte im Maßstab Als zusätzliche Interpretationshilfe enthalten alle 1:2.500 zusammen, um den genordeten Grundriss im Hessischen Städteatlas publizierten Katasterkar- von Grünberg in seiner umgebenden Flur wieder- ten Höhenlinien bzw., wo deren Angabe nicht mög- zugeben. lich war, Höhenpunkte, um die topographischen Die Kartenvorlagen des 19. Jhs. unterscheiden Gegebenheiten und die Niveauverhältnisse, etwa durch Kolorit zwischen Wohn- und Wirtschaftsge- steile Geländeabbrüche oder ausgedehnte ebene bäuden, enthalten jedoch keine Hinweise auf die Flächen, besser erkennbar zu machen. Die Hinzu- Nutzung der einzelnen Parzellen. Um die Kataster- fügung von Isohypsen und Höhenpunkten, die in karte dennoch in Farbe wiederzugeben und alle Flä- der Überlieferung des 19. Jhs. fehlen, erlaubt in chen nach ihrer Struktur und Beschaffenheit zu mancher Hinsicht Rückschlüsse auf die Stadtge- unterscheiden und darzustellen, wurde das „Grund- schichte, die ohne Geländekenntnisse unmöglich buch der Gemeinde Grünberg“ herangezogen, das blieben. So lässt sich mit Hilfe der Höhenlinien der ab 1851 angelegt worden ist; es liegt in acht Bänden Gang der Besiedlung besser ablesen, zur Ausdeh- im Stadtarchiv Grünberg. Das Grundbuch liefert nung der Stadt unbrauchbare Bereiche werden

45 Hessischer Städteatlas – Grünberg erkennbar und können von siedlungsgünstigen Jahren ausgegangen werden. Die genaue Größe und topographischen Voraussetzungen für die Stadtent- auch Lage der Siedlung lässt sich nicht mehr rekon- wicklung unterschieden werden. Die Höhenanga- struieren, es ist allerdings anzunehmen, dass sich die ben für den Innenstadtbereich Grünbergs, wieder- Besiedelung um bzw. vor der Burg verdichtete, bis gegeben in Form von Punkten, entstammen der zur ersten Umwallung hingegen nur eine lockere vom Hessischen Landesvermessungsamt 1968 Bebauung erfolgte. Ihre vermutete Ausdehnung ist erstellten „Höhenkartei Kreis Gießen, Gemeinde in rosa bzw. rosa gepunkteter Farbe angedeutet. Grünberg“. Die Höhenlinien in der umgebenden Flur wurden der digitalen Topographischen Karte Erste Hälfte 13. Jahrhundert467 1:50.000 des Hessischen Landesamtes für Boden- (Farbe: Orange) management und Geoinformation entnommen. Bereits im Laufe der letzten Jahre des 12. Jhs. – 2. Entwicklungskarte des Ortes vom Mittelalter nach der Zerstörung durch den Mainzer Erzbischof bis 1839/43, 1:2.500 – verstärkt jedoch in der ersten Hälfte des 13. Jhs., wurde mit dem planvollen Ausbau der Stadt Grün- Die Karte zur Veranschaulichung der siedlungs- berg begonnen. Besonders um Marktplatz, Rabe- topographischen Entwicklung Grünbergs vom und Marktgasse bis hin zu den Klöstern der Anto- Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jhs. basiert auf der niter und Franziskaner am westlichen Rand des Katasterkarte von 1839/43 im Maßstab 1:2.500. Stadtareals, dessen Ummauerung ebenfalls in diese Sie soll in größeren Zügen die räumlichen Verände- Zeit fällt, entstand rasch eine dichte Bebauung, die rungen bis zur Überschreitung des mittelalterlichen in oranger Farbe wiedergegeben ist. Der südöstliche Siedlungsraums aufzeigen, der aus dem ummauer- Teil mit mehreren Burgmannensitzen blieb ten Areal aus der Zeit um 1200, der vorstädtischen zunächst ebenso locker bebaut wie der nördliche Siedlung „Höfe“ und den Mühlen bestand. Sechs Teil des Altsstadtbereiches. Die wahrscheinliche Hauptphasen lassen sich im Betrachtungszeitraum Ausdehnung der weiteren Bebauung innerhalb der unterscheiden, die unter Zusammenfassung stadt- Stadtmauer wird in orange gepunkteter Farbe historisch prägender Ereignisse und Entwicklungen wiedergegeben. Die erst nach und nach erfolgende die entscheidenden räumlichen Entwicklungsschritte Aufsiedlung des städtischen Areals bis zum frühen wiedergeben und auf dem Kartenblatt in unter- 14. Jh. ist in gelboranger bzw. gelborange gepunk- schiedlichen Farbstufen dargestellt werden463. Die Ein- teter Farbe angelegt. tragungen erfolgten überwiegend auf Grundlage der schriftlichen Überlieferung und daraus hervorgegan- Zweite Hälfte 13. Jahrhundert468 gener Literatur. Erst für die Neuzeit lagen, begin- (Farbe: Gelborange) nend mit den Stadtansichten von Wilhelm Dilich, 464 Matthäus Merian d. Ä. und Jakob Conrad Justus In diese Zeit fällt die Entstehung und Bebauung der sowie einigen Plänen des 18. Jhs. aus den Beständen Neustadt sowie die Errichtung von deren Befesti- des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt, auch gung. Eine geschlossene Bebauung erfolgte haupt- graphische bzw. kartographische Materialien vor, sächlich entlang der zentralen Straße „Neustadt“ 465 die zur Bearbeitung herangezogen worden sind . sowie zum Teil entlang des Grabens und der Hintergasse. Im südwestlichen Bereich der Neu- Bis um 1200466 stadt um die Untergasse und entlang der Stadt- (Farbe: Rosa) mauer sowie im östlichen Bereich entlang der Stadtmauer blieb die Bebauung locker und ist in Auch wenn für die Zeit vor 1200 nur wenige knap- gelborange gepunkteter Farbe angelegt. pe chronikalische Belege und ansonsten erst für die Zeit danach schriftliche Zeugnisse über Grünberg Erste Hälfte 14. Jahrhundert469 vorliegen, kann dennoch von einer Besiedelung des (Farbe: Gelb) Platzes – ausgehend von der Burg – ab den 1170/80er Eine zweite vorstädtische Siedlung – die sogenannten Höfe –, die ebenfalls befestigt war, entstand zu 463 Siehe oben Kap. II.1.-3. mit ausführlichen Erläuterungen zur siedlungstopographischen Entwicklung Grünbergs. 464 Vgl. die Reproduktionen im Bildanhang dieses Textheftes bzw. auf dem Mappentitel. 467 Siehe dazu Kap. II.2. 465 Vgl. die Reproduktionen auf dem beiliegenden Sonderblatt. 468 Siehe dazu Kap. II.2. 466 Siehe dazu Kap. II.1. 469 Siehe dazu Kap. II.2.

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Beginn des 14. Jhs. Sie war im Nordwesten der Alt- 3. a) Umlandkarte 19. Jahrhundert (1823/40), stadt vorgelagert und umfasste die Gabelung der 1:25.000 Ausfallstraßen nach Westen (Gießen), Norden (Marburg) und Nordosten (Alsfeld), denen die dor- Die Grundlage der Ansicht aus dem 19. Jh. bil- tige Bebauung folgte. Zwar vermutlich älter, aber det die „Karte von dem Grossherzogthume Hes- erst in dieser Zeit belegt bzw. fassbar, sind die ersten sen“, die vom Großherzoglich Hessischen General- Mühlen, die Stadt- und die Antonitermühle, die quartiermeisterstab zwischen 1823 und 1840 aufge- außerhalb des Stadtgebietes im Brunnental lagen. nommen, 1832-50 vom Generalstab bearbeitet und All diese Bereiche sind in gelber Farbe bzw. die im Maßstab 1:50.000 herausgegeben worden ist472. lockere Bebauung in gelb gepunkteter Farbe Militärische Interessen lagen der Schaffung dieser gekennzeichnet. detaillierten Übersicht in erster Linie zugrunde. Schon in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. konzen- Spätes 14. bis 16. Jahrhundert470 trierten sich kriegerische Auseinandersetzungen (Farbe: Gelbgrün) nicht mehr nur auf einzelne Feldschlachten oder Belagerungen von fortifikatorisch wichtigen Punk- Mit gelbgrüner Farbe sind die wesentlichen sied- ten wie Burgen und Festungen, sondern sie wurden lungstopographischen Veränderungen vom späten als Flächenkriege durchgeführt, erfassten ganze 14. Jh. bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krie- Landschaften und machten so ausgedehnte Gebiete ges markiert: Innerhalb des Mauerberings war dies zum Schauplatz gegnerischer Kämpfe. Besonders die teilweise Überbauung des ehemals annähernd der Deutsche Krieg 1866 und der Deutsch-Franzö- rechteckigen Marktplatzes durch das spätere Rat- sische Krieg 1870/71 zeigten die Bedeutung der haus 1586/7 sowie des Hauses Oberscholthes, des Verkehrswege – Chausseen und Eisenbahnen – für Sitzes des landgräflichen Amtmannes bzw. Ober- die schnelle Verschiebung großer Truppeneinheiten schultheißen, ebenso wie die Bebauung des eben- und von Kriegsmaterial für den militärischen falls ehemals rechteckigen Platzes Krool vor der Erfolg. Burg. Das jetzige Haus Oberscholthes stammt zwar Für die Wiedergabe im Hessischen Städteatlas von 1720, doch lässt die Gestaltung des Rathauses, wurden Ausschnitte aus den Blättern „7: Allendorf“, dessen Südost- und Nordwestfassade in Stein ausge- „8: Alsfeld“, „11: Giessen“ und „12: “ auf führt ist, während die Nordwestfassade bis zum den Maßstab 1:25.000 vergrößert und zusammen Fundament aus Fachwerk besteht, darauf schließen, montiert. Die Karte gibt auch kleinere topographi- dass an seiner Nordwestseite ein Vorgängerbau sche Details, plastische Geländedarstellung, klare gestanden hat, der vermutlich zeitgleich mit dem Ortsgrundrisse, deutliches Gewässernetz sowie ins- Rathaus errichtet worden war. Auch die Anlage besondere das genaue Chausseen-, Straßen- und bzw. der Neubau der beiden Brunnenhäuser (1419 Wegesystem wieder. Karten solcher Qualität sind bzw. 1560/80) erfolgte in dieser Zeit. eine bedeutende Quelle für Landes- und Siedlungs- geschichte sowie für die historische Geographie. 1700 bis 1839/43471 Die Darstellung im vorliegenden Städteatlas ver- (Farbe: Blaugrün) anschaulicht Grünbergs Lage in einer großflächigen Feldflur oberhalb des am Ostrand der Stadt steil In diese Entwicklungsphase fällt die teilweise Über- eingeschnittenen Tales des Äschersbaches, einem bauung des Grabens zwischen Alt- und Neustadt. rechten Zufluss der Wetter. Während sich von Süd- Abgesehen von vereinzelter Bebauung in der Neu- westen bis nach Norden, also von Queckborn bis stadt selbst sowie außerhalb der Befestigung entlang Stangenrod, eine offene Feldflur hinzieht, in deren des Steinweges bis hin zur Steinmühle, erfolgte auch Mitte Grünberg liegt, sind nach Osten und Südosten entlang der Ausfallstraßen bei den Höfen nun ver- das Gebiet der ausgedehnten Forste des Laubacher einzelt eine Bebauung mit Hofstätten und Wirt- schaftsgebäuden außerhalb des Mauerringes. Diese letzte Stufe der siedlungstopographischen Entwick- lung wird in blaugrüner Farbe wiedergegeben. 472 Karte von dem Grossherzogthume Hessen, aufgenommen vom Großherzoglich Hessischen Generalquartiermeister- stab zwischen 1823 und 1840 und 1832-50 vom General- stab bearbeitet und herausgegeben. Die 31 einfarbigen Blätter dieses großmassstäbigen, flächendeckenden Karten- werks sind nachgedruckt vom Hessischen Landesvermes- 470 Siehe dazu Kap. II.3. sungsamt Wiesbaden. Zum Kartenwerk BARTH, Karte 471 Siehe dazu Kap. II.3. S. 185-192.

47 Hessischer Städteatlas – Grünberg

Waldes zu erkennen, also der Ausläufer des Vogels- brachte die entscheidenden Veränderungen und berges. Bemerkenswert sind die damals offenbar Impulse zur Ausdehnung des Siedlungsbereichs, unbewaldeten Kuppen des Münsterer Berges süd- dessen Wachstum bis zum beginnenden 21. Jh. lich von Queckborn, des Hohebergs nordöstlich noch immer nicht abgeschlossen ist. von Göbelnrod sowie der Höllerswarte westlich von Fünf Zeitstufen zeigen den Gang der Stadterwei- Grünberg. Am rechten Kartenrand ist das Seen- terung von 1839/43 bis 2005474. Die Angaben über bachtal zu erkennen. Höhenlinien und Höhenanga- die Ausdehnung der Besiedlung wurden teilweise ben fehlen. Die groben Schraffuren geben jedoch den topographischen Karten im Maßstab 1:25.000 einen vagen Eindruck vom Relief, insbesondere in entnommen, die zu den Jahren 1911, 1923, 1963 der unmittelbaren Umgebung von Grünberg. Deut- und 1996 existieren. Da diese Schnitte mit den lich hebt sich in dieser Zeit der mittelalterliche gewählten, die allgemeine Geschichte und die stadt- Grundriss Grünbergs und der nordwestlich vorge- geschichtlichen Entwicklungen berücksichtigenden lagerten vorstädtischen Siedlung der „Höfe“ ab. Schwellenjahren 1918, 1945 und 1970 nicht exakt Abgesehen von den Mühlen am Äschersbach sowie übereinstimmen, wurden weitere Informationen der Warte im Norden und den beiden Ziegeleien aus der ortsgeschichtlichen Literatur, den Unter- nach Nordosten, gab es damals offensichtlich noch lagen des städtischen Bauamtes und aus Befragun- keinerlei Bebauung außerhalb der mittelalterlichen gen von Anwohnern zum Gang der Bebauung ver- Siedlungsfläche. Noch deutlich zu erkennen sind arbeitet. Der Stand 2005 wurde auf der Grundlage die Züge der Stadtmauer zum Brunnental hin, der beiliegenden Stadtkarte 1:5.000 erstellt, die auf sowie südlich der Neustadt und um den Antoniter- einer Montage der vom Landesamt für Bodenma- garten. Die übrigen Mauern waren offensichtlich nagement und Geoinformation Marburg (ehem. zum Zeitpunkt der Kartenaufnahme bereits nieder- Katasteramt Gießen) gepflegten „Automatisierten gelegt bzw. auf 6 Fuß Höhe abgetragen worden. Liegenschaftskarte“ basiert. Die Stufen der Sied- Drei Chausseen führen von Grünberg weg: nach lungsentwicklung sind flächig in der jeweiligen Westen in Richtung Gießen, nach Nordosten in Farbe angelegt. Damit kann und wird nicht der Richtung Alsfeld, nach Süden in Richtung Hungen. Anspruch erhoben, parzellengenau die Bebauung Sonst zeigt die Karte, abgesehen von der nach Nor- wiederzugeben. Dies ist angesichts der oft in älteren den führenden Landstraße nach Londorf, nur Baugebieten noch jahrzehntelang bestehenden Bau- schmale Wege von nachgeordneter Bedeutung. lücken nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Besonders hinzuweisen ist auf den Damm der Als- Ausgehend vom Zustand des Ortes zur Zeit des felder Brücke, der das Tal des Äschersbaches über- Urkatasters 1839/43 (siehe Karteneintrag in blau- brückt, und auf den „Färbgraben“ genannten Teich violett) werden die weiteren Hauptphasen räum- an der Chaussee nach Gießen. licher Ausdehnung in unterschiedlicher Farbgebung dargestellt, um den Verlauf der Bebauung und die 3. b) Umlandkarte und Entwicklung der Stadt schließlich erreichte Besiedlungsdichte mit graphi- von 1839/43 bis 2005, 1:25.000 schen Mitteln sichtbar zu machen. Die Eintragun- gen der Jahre 1918 (violett), 1945 (rot), 1970 Der Ausschnitt aus den Topographischen Karten (orange) und 2005 (gelb) beziehen sich auf die mit von 1991/96473 will in der Gegenüberstellung zum Wohnhäusern bzw. mit Nutzgebäuden bestandenen gleichen Blattausschnitt von 1823/40 die siedlungs- Parzellen. Die Verkehrsflächen (Straßen und Plätze) topographische Entwicklung in der städtischen sind weiß belassen. Gemarkung veranschaulichen. Bis in die zweite Der Altstadtkern von Grünberg mit dem Verlauf Hälfte des 19. Jhs. blieb Grünberg im wesentlichen der Gassen rechts und links der Hauptachse Rabe- auf den mittelalterlichen Siedlungsraum innerhalb gasse-Marktplatz-Alsfelder Straße und der Kirch- der Mauer und den Bereich der vorstädtischen Sied- platz heben sich deutlich ab. Der östliche Teil der lung „Höfe“ beschränkt. Erst der Eisenbahnbau Altstadt, insbesondere die Geländekante zum Brun- nental ist durch den Abriss der Burg und den Kom- plex der 1970/73 erbauten sogenannten Terrassen- 473 Topographische Karte 1:25.000, Blatt 5319 Londorf, Hes- häuser gekennzeichnet. Dennoch bildet dieser Kern sisches Landesvermessungsamt Wiesbaden, Stand 1996, nach wie vor das herausragende topographische Ausgabe 1998; Blatt 5320 Burg-Gemünden, Hessisches Merkmal der Karte. Augenfällig ist aber auch die Landesvermessungsamt Wiesbaden, Stand 1996, Ausgabe Trasse der Eisenbahn. Die Straßen – die von West 1998; Blatt 5419 Laubach, Hessisches Landesvermessungs- amt Wiesbaden, Stand 1996, Ausgabe 1998; Blatt 5420 Schotten, Hessisches Landesvermessungsamt Wiesbaden, Stand 1991, Ausgabe 1995. 474 Vgl. Kap. III.

48 Hessischer Städteatlas – Grünberg nach Nordost verlaufende Bundesstraße 49 sowie 5. Übersichtskarte Hessen, 1:750.000 die Landesstraßen 3007 nach Süden und 3127 nach Legende zur Katasterkarte, 1:2.500 Norden – folgen immer noch den alten Trassen. Ebenso ist auf die vier Siedlungsbereiche hinzu- Die Karte 1:750.000 zeigt das Bundesland Hessen weisen, die ohne direkten Bezug zur Altstadt und in seinen seit 1945475 gültigen Grenzen unter Ein- ihrer Erweiterungsgebiete nach dem Zweiten Welt- beziehung der räumlichen Übergänge zu den sechs krieg entstanden sind: das Industriegebiet (Temper- Nachbarländern Nordrhein-Westfalen, Niedersach- wiesen) im Norden, Ziegelberg und die Schulen im sen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg und Osten sowie schließlich das Baumgartenfeld im Rheinland-Pfalz. Die Übersicht veranschaulicht die Süden. geographische Lage und Verteilung der Städte Arol- sen, , Butzbach, Dieburg, Hom- 4. Stadtkarte 2005, 1:5.000 berg/Ohm, Limburg, Michelstadt und Wetter, die zur ersten Lieferung des Hessischen Städteatlas Die jüngste Darstellung von Grünberg zeigt das gehören, sowie von Grünberg, Hessisch Lichtenau, Atlasblatt 1:5.000 aus dem Jahr 2005. Bei dieser Frankenberg und Hirschhorn, der Städte der zwei- Karte handelt es sich um eine Montage der Blätter ten Lieferung. Die aufgenommenen Flüsse und in 4_9606, 4_9806, 4_9604 und 4_9804 der „Auto- Schummerung angedeuteten Gebirgszüge bieten matisierten Liegenschaftskarte“ die vom Landesamt Orientierungshilfen im Raum und lassen jene für Bodenmanagement und Geoinformation Mar- Gebiete hervortreten, in denen aufgrund der Gelän- burg (ehem. Katasteramt Gießen) laufend fortge- desituation besonders günstige Bedingungen bzw. schrieben wird. Abgesehen von den stilisierten weniger geeignete Voraussetzungen für die Sied- Schraffuren für steile Geländeabbrüche liefert diese lungsentwicklung und damit für die Herausbildung Karte keine Informationen zur Topographie, dafür von Städten herrschten. erlaubt sie die Lokalisierung jedes einzelnen Hauses mit Hausnummer und Parzellennummer. Der untere Abschnitt des Atlasblattes enthält die Legende zur Katasterkarte von 1839/43 mit Erläu- Deutlich hebt sich hier der nierenförmige Alt- terungen zu Farben, Signaturen und Beschriftun- stadtbereich mit seiner kleinen unregelmäßigen Par- gen, die in der Darstellung von Grünberg im 19. Jh. zellierung von der jüngeren Bebauung des 19. und verwendet worden sind. Darüber hinaus finden sich vor allem des 20. Jhs. ab. Während größere und hier die Nachweise über alle Quellen, auf denen die kleinere Industriebetriebe Standorte entlang der historische Katasterkarte beruht und die zu ihrer Eisenbahnlinien und mit Anschluss an die Bundes- Bearbeitung herangezogen worden sind. Gesondert straße 49 bzw. Landesstraße 3127 einnehmen und werden die Angaben über die Herkunft der Höhen- im wesentlichen auf den Norden konzentriert blei- punkte aufgeführt. ben, entwickeln sich im Osten und Süden reine Wohngebiete.

475 REULING, Verwaltungs-Einteilung S. 171, 175-176 mit Karte 26b Verwaltungseinteilung 1939 und 1955, Sonder- karte Hessen 1946.

49 Hessischer Städteatlas – Grünberg

V. Gebäudeverzeichnis Antonitermühle AB: Dickelsmühle, Holzmühle Das vorliegende Gebäudeverzeichnis soll dem Benutzer der L: nahe dem Quellgebiet Wildgrube Kartenblätter, insbesondere der historischen Entwicklungskar- EW: 1372 ten, und dem Leser der Begleittexte in möglichst knapper Form U: um 1700 die wesentlichen Daten und Fakten zu den für die Stadtent- A: 1935 wicklung wichtigen Bauten erschließen sowie deren Lokalisie- LQ: ZIMMER, Müllerwesen S. 437-438, 443; BAUR, rung in den Karten erleichtern. Die einschlägigen Informatio- Hessische Urkunden 1 Nr. 1062; HstAD P 11 nen wurden aus den Schriftquellen, den publizierten archäolo- Nr. 1909 gischen Befunden und der wichtigsten Literatur gezogen, ohne Antoniterpforte dass Vollständigkeit beansprucht werden soll. Es sind die greif- AB: Saupforte baren Bauwerke seit der frühesten Besiedlung aufgenommen L: nordwestliches Ende der Marktgasse sowie die Gebäude des 19. und besonders des 20. Jahrhunderts, M: Torturm letztere sofern sie zur Erklärung der neuzeitlichen Siedlungs- EB: um 1200 entwicklung von Bedeutung sind. U: um 1500 Dachaufbau mit Ecktürmchen A: um 1810 Die Gebäudedaten ordnen sich nach folgenden Kriterien: LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; DILICH, Chronica nach S. 104 AB andere Bezeichnung L Lage Apotheke FFunktion 1) L: Marktplatz MMaße/Bauart EW: 1687 EB Erbauung/Anlage 2) L: Rabegasse, bei der niedergelegten Frankfurter Pforte EW Erwähnung EB: 1824 UUmbau/Renovierung LQ: KÜTHER, Apothekenwesen S. 529, 531 AAbriss/Auflösung NNeubau Augustinerinnenkloster LQ Literatur/Quellen AB: Spital L: in der Neustadt Die häufigen Namens- und Nutzungsänderungen einzelner F: seit 1541 Spital Bauten erforderten eine Kriterieneinteilung in AB (andere EB: um 1500 Bezeichnung) und F (Funktion) bei dem jeweiligen Hauptein- EW: 1457, 1493 trag, auf den Querverweise hinführen. U: 1853, 2002-2005 A: Säkularisierung 1530/31 Alsfelder Brücke LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 168, 198; GLASER, L: östlich der Stadt Beiträge S. 89; HABICHT, Chronik S. 223; F: Überbrückung des Brunnentals Landgrafen-Regesten online Nr. 6597 EB: 1586-1599 U: 1959 Außenbau LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 170; UHLIG/JÄGER, → Marstall Städte S. 54 Backhaus Amtsgericht L: anstelle der Franziskanerkirche, nicht näher zu L: Londorfer Straße lokalisieren EB: 1901 EB: 16. Jh. A: 1945 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 168 N: 1956 LQ: STIKA, Grünberg bei Abb. 46 Badehaus/-stube christliches Antoniterkloster L: beim Arnsburger Hof am Winterplatz, nicht L: im Nordwesten der Stadt näher zu lokalisieren EW: 1242 EW: 1400, 1446, 1461 U: 1391 (Brand) LQ: KÜTHER, Burggründung S. 137, 140, 141; A: Säkularisierung 1527 ECKHARDT, Klöster Nr. 925 N: 1577-1582 (Schloss) LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 167-168, 172, 179 jüdisches → Klosterkirche → Mikwe → Marstall → Mönchsbau Bahnhof → Schloss L: Bahnhofstraße → Universitätsbau EB: 1880 U: 1896, 1910, 1945 Antonitergarten LQ: LÜDER, Bahnhof S. 527 AB: Schlossgarten L: jenseits der Stadtmauer, zwischen Antoniter- und Barfüsserkloster Stangenröder Pforte → Franziskanerkloster EB: 1500 (Umfassungsmauer mit Türmen) A: teilweise 1959 (Ausbau der Bundesstraße 49) Befestigungswerke LQ: Landgrafen-Regesten online Nr. 4961; WALBE, → Graben Kunstdenkmäler S. 173; UHLIG/JÄGER, Städte S. 54 → Stadtmauer

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→ Tore/Pforten Evangelische Kirche → Türme → Stadtpfarrkirche → Hospitalskirche St. Paul Bornpforte L: Winterplatz Frankfurter Pforte F: Verbindung zum Brunnental L: südwestlich an der Ecke Rabegasse – Graben M: Torturm M: Torturm EB: um 1200 EB: um 1200 EW: 1230, 1478 A: 1824 A: 1824 (oder bereits 1743) LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172 LQ: BAUR, UB Arnsburg Nr. 15; KÜTHER, Burg- gründung S. 137; WALBE, Kunstdenkmäler S. Franziskanerkloster 172; JUSTUS, Grünberg L: südwestlich entlang der Stadtmauer EW: 1250, 1285, 1350 Brauhaus A: zum Teil im 16. Jh. L: Winterplatz A: Säkularisierung 1528 EW: 1446 LQ: ECKHARDT, Klöster Nr. 916; WALBE, Kunst- U: 1920 denkmäler S. 197; GLASER, Beiträge S. 85 N: 18. Jh. LQ: KÜTHER, Burggründung S. 137; MÜLLER-HILLE- Friedhof BRAND, Brauhaus S. 315; GLASER, Beiträge S. 153 christlicher 1) L: um die Stadtpfarrkirche Brunnenhaus EB: um 1200 1) oberes EW: 1273, 1353/66, 1589 L: Winterplatz A: 1785 EB: um 1419 LQ: FRANZ, Heina 1 Nr. 593; GLASER, Beiträge Nrn. N: 1582 13, 51; HABICHT, Chronik S. 143; 2) unteres HESS, Städtegründungen S. 61 L: Brunnental 2) L: in der Neustadt EB: um 1419 EB: 13. Jh. U: 1819/20, 1831 EW: 1304, 1589 N: 1560 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 173; GLASER, Beiträge LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; GLASER, S. 69, Nr. 51 Beiträge S. 98; HABICHT, Chronik S. 8 3) L: 800 m nördlich der Altstadt EB: 1975 Brunnenkunst L: zwischen oberem Brunnenhaus und Brunnental jüdischer F: Wasserleitung, die 60 Höhenmeter überwindet L: am Kaiserberg bzw. gegenüber, nicht näher zu EB: 1419 lokalisieren U: 1822 EW: 1624, 1764 N: 1560 LQ: GLASER, Beiträge S. 116; HStAD P 11 Nr. 1909 LQ: KÜTHER, Burggründung S. 138; WALBE, Kunst- denkmäler S. 172; GLASER, Beiträge S. 95-97 Galgentor L: bei dem Diebsturm Burg EB: um 1200 L: Winterplatz A: 1824 EB: 1186 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 171-172 A: 1969 N: 1195, 1553 Gefängnis LQ: GLASER, Beiträge S. 39; WALBE, Kunstdenkmäler S. 215-217, 219-220; HStAD P 11 Nr. 216/1 L: am Gefängnisweg EB: 1841/42 Burggemünder Pforte U: Anfang der 1950er Jahre zum Wohnhaus L: Vorstadt Höfe, Straße Richtung Burggemünden LQ:HStAD P 11 Nr. 14057/1-2; mündl. Mitteilung der Besitzerin EB: 14. Jh. → A: 1824 Wachthaus → Diebsturm LQ: GLASER, Beiträge S. 36; HABICHT, Chronik S. 4

Dickelsmühle Göbelnröder Pforte → Antonitermühle L: Vorstadt Höfe, Richtung Gießen EB: 14. Jh. Diebsturm A: um 1810 L: westlich hinter dem Renthof LQ: GLASER, Beiträge S. 36; HABICHT, Chronik S. 4 F: diente angeblich im Mittelalter als Gefängnis M: 25 m hoch Graben EB: um 1200 L: vor der Stadtmauer, zwischen Höfetränke und U: 1895, 1966 Brunnental, vermutlich auch vor dem nordwest- LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 174; STIKA, Grünberg lichen Mauerabschnitt bis zum Bau der Mauer bei Abb. 5-7; GLASER, Beiträge S. 36; Kultur- um den Antonitergarten um 1500 denkmäler EB: erste Hälfte 13. Jh.

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LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172 Hospital St. Petrus L: ca. 400 m südlich der Stadt, an der Straße nach Haus Oberscholthes Friedberg, vgl. Flurnamen „Die Petersgärten“ L: Marktplatz EW: 1314, 1381, 1389 F: Amtshaus des Oberschultheißen A: 1619 EB: 1720 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 165, 199; GLASER, LQ:Kulturdenkmäler Beiträge S. 93; BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 476; ECKHARDT, Klöster Nr. 283 Heiligkreuzkapelle L: im Brunnental bei Tertiarierklause, nicht näher zu Judenschule lokalisieren L: Judengasse, nicht näher zu lokalisieren EW: 1444, 1467 EW: 1387, 1395 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 199; GLASER, Beiträge LQ: BATTENBERG, Quellen Nr. 498; LÖWENSTEIN, S. 95 Quellen Nr. 169

Hof des Deutschen Ordens in Marburg Kapellen L: vor der Stangenröder Pforte, nicht näher zu → Heiligkreuzkapelle lokalisieren → Kapelle St. Elisabeth EW: 1320, 1337 → Kapelle St. Nikolaus LQ: WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382; → Kapelle St. Petrus ECKHARDT, Klöster Nr. 233 Kapelle St. Elisabeth Hof des Klosters Arnsburg L: beim Hospital St. Elisabeth, nicht näher zu L: am Winterplatz, nicht näher zu lokalisieren lokalisieren EW: 1228, 1341 EW: 1465 LQ: POSSE, Codex Nr. 290; BAUR, UB Arnsburg A: 1817 Nr. 695 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 199; ECKHARDT, Klöster Nr. 615 Hof des Klosters Haina L: unbekannt Kapelle St. Nikolaus EW: 1261, 1312 L: beim Hospital St. Nikolai, nicht näher zu LQ: FRANZ, Haina 1 Nr. 348, 2 Nr. 189 lokalisieren EW: 1380, 1393 Hof des Klosters Wirberg A: vermutlich 17. Jh. L: „Antoniusgasse“, gegenüber „Antoniuskirche“, LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 199; ECKHARDT, vermutlich südwestlicher Bereich der Rosengasse Klöster Nr. 282; GLASER, Beiträge S. 92 EW: 1303, 1476 LQ: BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 434; Kapelle St. Petrus ECKHARDT, Klöster Nr. 1176 L: beim Hospital St. Petrus, nicht näher zu Hof des Stiftes St. Stephan zu Mainz lokalisieren L: unbekannt EW: 1314, 1381, 1389 EW: 1480 A: 1619 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 199; ECKHARDT, LQ: DEMANDT, Regesten Nr. 988 D 58 Klöster Nrn. 218, 283, 295; GLASER, Beiträge S. 93 Hospital → Spital Kaplanei AB: Zweites Pfarrhaus Hospital St. Elisabeth L: Brückelchen 1 AB: Siechenhaus F: 1562 bis 1839 zweites Pfarrhaus L: ca. 600 m nördlich der Altstadt an der Straße N: um 1700 nach Burggemünden, „Am Siechberg“ LQ: KÜTHER, Kirchengemeinde S. 385; Kulturdenk- EW: 1465, 1491, 1493 mäler A: 1817 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 165, 199; GLASER, Kerker → Beiträge S. 90; ECKHARDT, Klöster Nrn. 615, 638 Gefängnis

Hospital St. Nicolai Kirchen AB: Sondersiechenhaus evangelische AB: Spital zu den guten Leuten → St. Maria L: Vor der Neustadt am Steinweg, nicht näher zu → St. Paul lokalisieren - mit Kirchhof katholische, Sieben Schmerzen Mariens EW: 1320, 1359, 1380, 1393 L: Am Rondell A: vermutlich 17. Jh. EB: 1953 LQ: WYSS, UB Deutschordens-Ballei 2 Nr. 382; LQ: HORNEF, Werden S. 398 WALBE, Kunstdenkmäler S. 165, 199; ECKHARDT, Klöster Nrn. 282, 1061; HABICHT, Chronik S. 217; Kirchenbau GLASER, Beiträge S. 92, der eventuell den → Antoniter Gebäudekomplex ca. 150 m nördlich der Steinmühle meint (vgl. Siedlungsent- Kirchhof wicklungskarte) → Friedhof

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Klause LQ: SCHMADEL, Volksbank S. 494, 498; WALBE, → Tertiarierklause Kunstdenkmäler S. 179 Klöster Mauern → Antoniterkloster → Stadtmauer → Augustinerinnenkloster → Franziskanerkloster Mikwe L: Judengasse, nicht näher zu lokalisieren Klosterkirche EW: 1387 L: neben der Antoniterpforte LQ: GLASER, Beiträge S. 116; BAUR, Hessische EW: 1342 Urkunden 1 Nr. 1181 U: 1757 N: um 1340-50, nach 1391 Mittelpunktschule LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 177, 179; ECKHARDT, L: Waldstraße Klöster Nr. 239; HStAD P 11 Nr. 218/1-2 EB: 1966 LQ: ERDMANN, Stadtschule S. 405 Landwirtschaftsschule und Bildungsstätte des deutschen Gartenbaues Mönchsbau L: Gießener Straße L: im Norden der Anlage des Antoniterklosters EB: 1960 EB: ab 13. Jh., mehrfach verändert U: 1970, 1971 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 179, 184; LQ: KÜTHER, Landwirtschaftsschule S. 414-415 Kulturdenkmäler Mühlen Lappenmühle → → Latzmühle Antonitermühle → Latzmühle → Lohmühle Latzmühle → Neumühle AB: Lappenmühle → Stadtmühle L: östlich der Steinmühle → Steinmühle EW: 1570 N: 17. Jh. Neupforte LQ: ZIMMER, Müllerwesen S. 437, 439, 444; L: im Nordosten Kulturdenkmäler F: Verbindung zur Alsfelder Brücke EB: nach 1586 Lohmühle A: 1824 1) L: bei der Steinmühle, nicht näher zu lokalisieren LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172 EW: 1624 2) L: bei der Stadtmühle, nicht näher zu lokalisieren Neumühle EB: 1628 AB: Universitätsmühle LQ: STIKA, Lohgerber S. 449-450 L: am Petersweg nächst dem Flachsbachwehr; an der Straße nach Hungen Mädchenschule EB: 1711 L: vermutlich in alter Schule EW: 1760 EW: 1608 U: 1844 LQ: GLASER, Beiträge S. 137; HABICHT, Chronik S. 38 LQ: ZIMMER, Müllerwesen S. 437, 439, 445

Marburger Pforte Neustädter Pforte L: Vorstadt Höfe, Richtung Marburg L: im Süden der Neustadt EB: 14. Jh. M: Torturm A: 1824 EB: um 1324 LQ: GLASER, Beiträge S. 36; HABICHT, Chronik S. 4 EW: 1327 U: 1401 (Schlussstein) Marktbrunnen A: 1824 1) L: im Süden des Marktplatzes LQ: SPRANKEL, Stadtansichten S. 152; BAUR, F: Schachtbrunnen UB Arnsburg Nr. 588 M: 36,6 m tief EB: 13. Jh. Pfarrhaus U: 1979/80 1) L: Kirchplatz A: 15. Jh. N: 1898 auf spätmittelalterlichem Vorgängerbau 2) L: im Norden des Marktplatzes, am Kleinen Markt LQ: KÜTHER, Kirchengemeinde S. 381, 384 EW: 1560 2) → Kaplanei A: 1897 3) AB: Theo-Koch-Haus LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172, 211; L: Neustadt 42 Kulturdenkmäler F: 1839-1958 zweites Pfarrhaus EB: zweite Hälfte 18. Jh. Marstall LQ: KÜTHER, Kirchengemeinde S. 385; AB: Außenbau HABICHT, Chronik S. 86 L: östlich des Antoniterklosters in der Rosengasse E: um 1500 Pforten U: 1911, 1962 → Tore/Pforten

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Post Schulen 1) Alte Post → Landwirtschaftsschule und Bildungsstätte des L: Marktplatz deutschen Gartenbaues EB: 1668 → Mädchenschule 2) Alte Post → Mittelpunktschule L: Marktplatz, Ecke Kronengasse → Realschule F: Zweite Hälfte 19. Jh. bis 1899 → Schule, Alte 3) Post → Sportschule des Hessischen Fußballverbandes L: Bahnhofstraße 30 → Volksschule EW: 1899 Schule, Alte U: 1946-50 L: Kirchplatz LQ: RÜHL, Aufzeichnungen S. 509, 521, 523; EB: 1716 Kulturdenkmäler A: 1966 LQ: ERDMANN, Stadtschule S. 400, 404 Rathaus 1) altes Siechenhaus AB: Schirn → Hospital St. Elisabeth L: Ecke Marktgasse – Alsfelder Straße F: Rat- und Ladenhaus Sondersiechenhaus EW: 1303 (Brotschirne), 1530 → Hospital St. Nicolai A: 1830 LQ: GLASER, Beiträge S. 129-130, 241; BAUR, Sparkasse Hessische Urkunden 1 Nr. 434; HABICHT, L: Londorfer Straße Chronik S. 6 EB: 1898/99 2) neues U: 1926, 1939 L: Marktplatz, Ecke Rabegasse A: 1945 EB: 1586-1587 N: 1949 EW: 1593 LQ: CONRAD, Bezirkssparkasse S. 503 U: 1822 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 210; GLASER, Beiträge Spital S. 152; HABICHT, Chronik S. 6 → Augustinerinnenkloster Realschule Spital zu den guten Leuten AB: Gymnasium → Hospital St. Nicolai L: Schulstraße EB: 1911 Spitalskirche U: 1926 → St. Paul N: 1956 LQ: FUNK, Gymnasium S. 407-410 Spitalsmühle → Stadtmühle Renthof L: vor dem Diebsturm Sportschule des Hessischen Fußballverbandes LQ: WALBE, Kunstdenkmäler 219; HStAD P 11 L: Tannenköppel Nr. 292 EB: 1953/54 U: 1966 Rondell LQ: KÜTHER, Sportschule S. 415-417 L: im Norden der Umfassungsmauer des Antoniter- gartens Stadtbrauhaus F: Reste eines Rundturmes → Brauhaus M: 6,5 m Innendurchmesser bzw. 9,4 m Außen- durchmesser Stadtkirche EB: um 1500 → St. Maria A: 1824 (Teilabriss) LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172-173; DILICH, Stadtmauer Chronica nach S. 104; MERIAN, Topographia M: 2 m stark, um die Altstadt ca. 1.300 m, um die nach S. 78 Neustadt ca. 750 m lang. EB: erste Hälfte 13. Jh. (Altstadt); erstes Viertel 14. Jh. Saupforte (Neustadt) → Antoniterpforte EW: 1309 U: 1309 Erweiterung Schirn A: 1824 auf eine Höhe von 6 Fuß, im Bereich der → Rathaus, altes Tore vollständig Schloss LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; Landgrafen- L: im Süden der Anlage des Antoniterklosters Regesten online Nr. 533; HABICHT, Chronik S. 4; HESS,Städtegründungen S. 49, 68 EB: 1577-1582, teilweise auf Vorgängerbauten → U: 1594 Graben → Tore/Pforten LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 177, 179, 193; → Türme Kulturdenkmäler; DEHIO, Hessen S. 363 Schlossgarten Stadtmühle → Antonitergarten AB: Spitalsmühle

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L: Brunnental, unweit der Wasserkunst Türme EW: 1330, 1494, 1535 1) namenloser Turm U: 1872 L: eckiger Turm an der Antonitergartenmauer LQ: ZIMMER, Müllerwesen S. 437, 439, 442; zwischen Stangenröder Pforte und Rondell ECKHARDT, Klöster Nr. 225 EB: um 1500 A: vor 1743 St. Georg LQ: DILICH, Chronica nach S. 104; MERIAN, Topo- → St. Maria graphia nach S. 78 2) namenloser Turm St. Maria L: Rundturm in der Mitte der Antonitergartenmauer AB: Pfarrkirche unserer lieben Frau und St. Georg EB: um 1500 L: Kirchplatz A: 1824 EB: 13./14. Jh. LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172-173; DILICH, EW: 1217, 1234 Chronica nach S. 104; MERIAN, Topographia A: 1816 nach S. 78 N: 1846-1852 3) namenloser Turm LQ: KÜTHER, Kirchengemeinde S. 382-384; WALBE, L: südwestliche Ecke der Antonitergartenmauer Kunstdenkmäler S. 172, 199-204 EB: um 1500 A: vor 1810 St. Paul LQ: DILICH, Chronica nach S. 104; MERIAN, Topo- AB: Spitalskirche graphia nach S. 78 L: neben Augustinerinnenkloster in der Neustadt 4) namenloser Turm EB: 13. Jh. L: nördlich der Neupforte EW: 1357 EB: um 1200 U: 1711 A: 1824 N: 1723-1740 LQ: DILICH, Chronica nach S. 104; MERIAN, Topo- graphia nach S. 78 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 167, 206-207; 5) namenloser Turm GLASER, Beiträge S. 69-70; DEHIO, Hessen S. 363 L: südlicher Rand der Altstadt, beim Brückelchen EB: um 1200 Stangenröder Pforte A: 1824 L: nördlich, am Weg nach Stangenrod LQ: THEUNER, Ansichten Tafel 6 M: Torturm EB: um 1200 → Diebsturm EW: 1320, 1337 → Rondell A: 1824 → Wartturm LQ: KÜTHER, Burggründung S. 136; WALBE, Kunst- → Wellerturm denkmäler S. 172; ECKHARDT, Klöster Nr. 233 Universitätsbau Steinmühle L: im Osten der Anlage des Antoniterklosters L: südöstlich der Neustadt, an der Straße nach Lauter F: Speicherbau des Antoniterklosters EW: 1629 M: 29 m lang, 9,75 m breit U: 1875 EB: um 1500 N: 1907 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 177, 179, 186-193 LQ: ZIMMER, Müllerwesen S. 437, 439; Kulturdenkmäler Universitätsmühle → Neumühle Synagoge L: Judengasse, nicht näher zu lokalisieren Volksschule EW: 1387 L: In der Heege LQ: BAUR, Hessische Urkunden 1 Nr. 1181 EB: 1888 U: 1904 Tertiarierklause der Franziskaner N: Zweitbau 1954 L: Brunnental bei der Heiligkreuzkapelle, nicht LQ: ERDMANN, Stadtschule S. 404-405 näher zu lokalisieren EB: 1444 Wachthaus L: an der Antoniterpforte LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 168; GLASER, Beiträge S. 198-199; Landgrafen-Regesten online Nr. 9152 EB: um 1810 F: Gefängnis bis 1847 A: 1967 Tore/Pforten LQ: MÜLLER-HILLEBRAND, Tore S. 315-316; WALBE, → Antoniterpforte Kunstdenkmäler S. 176 → Bornpforte → Burggemünder Pforte Waldschwimmbad → Frankfurter Pforte L: östlich der Stadt, nahe der Alsfelder Straße → Galgentor EB: 1932 → Göbelnröder Pforte LQ: FUNK, Grünberg S. 47 → Marburger Pforte → Neupforte Wartturm → Neustädter Pforte L: rund 1 km nördlich der Stadt → Stangenröder Pforte M: 12,5 m hoch, 5,4 m Durchmesser

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EW: 1372 Ziegelhütte LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 176; BAUR, Hessische 1) Obere Urkunden 1 Nr. 1055 L: 2 km nordöstlich der Altstadt an der Bundes- straße 49 Wellerturm EB: Anfang 19. Jh. AB: Weilerturm 2) Untere L: im Südosten zwischen Brückelchen und Graben L: Ziegelberg, 500 m östlich der Altstadt EB: um 1200 EW: 1618 M: 5,5 m innerer Durchmesser LQ: SPRANKEL, Stadtansichten S. 150; GLASER, A: 1835 Beiträge S. 6; STIKA, Grünberg bei Abb. 58 LQ: WALBE, Kunstdenkmäler S. 172; GLASER, Beiträge S. 35

56 Hessischer Städteatlas – Grünberg

VI. Literatur Hessische Gemeindestatistik 1960/61, Heft 1: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, hrsg. vom Hessischen Statistischen Landesamt Wiesbaden, 1964. 1. Quellen Hessisches Gemeinde Lexikon, URL: http://www.hessennet.de/ Analecta Franciscana sive chronica aliaque varia documenta ad gemeindelexikon/webbdb.asp, eingesehen am 27. Aug. 2005. historiam Fratrum Minorum spectantia 4, 1906. Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen, hrsg. vom Hes- Ausgewählte Strukturdaten über die Bevölkerung am 25. Mai sischen Statistischen Landesamt. Heft 1: Die Bevölkerung 1987 nach Gemeinden und Gemeindeteilen. Ergebnisse der Gemeinden 1834-1967, 1968. der Volkszählung 1987. 9: Landkreis Gießen. Statistische Historisches Ortslexikon des Landes Hessen, URL: Berichte, hrsg. vom Hessischen Statistischen Landesamt, http://www.uni-marburg.de/hlgl/lagis/hiolex.html, einge- 1989. sehen am 5. Apr. 2005.

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60 Hessischer Städteatlas – Grünberg

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UHLIG, Harald/JÄGER, Friedrich: Die Städte und Residenzen WEBER, Hans Heinrich: Der Hessenkrieg, Diss. Gießen 1935. Lich – Hungen – Laubach – Grünberg und der Vordere WEISS, Ulrich: Die Gerichtsverfassung in Oberhessen bis zum Vogelsberg, in: Willi SCHULZE/Harald UHLIG (Hrsg.): Ende des 16. Jahrhunderts (Schriften des Hessischen Landes- Gießener Exkursionsführer Mittleres Hessen, Bd. 3: amtes für historische Landeskunde 37), 1978. Vogelsberg, Rhön und nördliches Hessen, 1982, S. 1-59. WENCK, Helfrich B.: Hessische Landesgeschichte. Mit einem WAGNER, Georg W. J.: Beiträge zur Geschichte erloschener Urkundenbuch, 4 Bde., Darmstadt und Frankfurt 1783- adeliger Familien, in: Archiv für hessische Geschichte 6, 1803. 1850, S. 295-338. ZIMMER, Erhard: Das Müllerwesen in Grünberg, in: KÜTHER, WAGNER, Georg W. J.: Uebersichtliche Darstellung der in den Grünberg S. 434-445. Provinzen Starkenburg und Oberhessen erloschenen adeli- gen Familien, in: Archiv für hessische Geschichte 6, 1850, S. 263-273.

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VII. Abbildungen

Wilhelm DILICH, Ansicht Grünbergs von Nordosten, Kupferstich nach einer Federzeichnung, 1591 (THEUNER, Ansichten Tafel 6; SPRANKEL, Stadtansichten S. 149-150). Von links nach rechts sind zu erken- nen: die Neustädter Pforte, der Gebäudekomplex des Hospitals und die alte Kirche St. Paul, halb verdeckt vom Wellerturm ein Turm oder Torturm, sodann die Frankfurter Pforte, die Bornpforte, die Stadtpfarrkirche, davor die Burg, der Diebsturm, der Dachreiter des späteren Rathauses, die Antoniterpforte und die ineinander verschobenen Komplexe des Franziskaner- und Antoniterklosters, teilweise von dem davor stehenden Rundturm bei der Neupforte verdeckt und schließlich die vorstädtischen Gebäude der Höfe. Im Mittel- grund ist der damals neuaufgeschüttete Damm der Alsfelder Brücke deutlich zu erkennen. Dieses für die damalige Zeit imposante Bauwerk dürfte auch entscheidend für die Standortwahl des Künstlers gewesen sein.

Matthäus MERIAN, d.Ä., Ansicht Grünbergs von Norden, Kupferstich 1646 (MERIAN, Topographia nach S. 78; SPRANKEL, Stadtansichten S. 151-152). Von links nach rechts sind zu erkennen: der Rundturm bei der Neupforte, ein sonst unbekannter Turm, die Burg, davor die Stangenröder Pforte mit einem Turm, dem nach rechts drei weitere kurze Türme in der Klostergartenmauer folgen, die Bornpforte, die Stadtpfarr- kirche, die den Wellerturm und das Hospital verdeckt, sodann der Dachreiter des späteren Rathauses, die Frankfurter Pforte, davor das Antoniterkloster. Der langgestreckte Bau zwischen der Antoniterpforte und dem überlängt dargestellten Diebsturm dürfte die turmlose Kirche des Franziskanerklosters sein (vgl. HESS, Städtegründungen S. 67). Rechts folgen der Mönchsbau und die vorstädtischen Gebäude der Höfe mit der Burggemünder Pforte.

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Blick auf Grünberg von Nordosten, Fotografie, ca. 1940 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Der Blick auf die Stadt geht über den Damm der Alsfelder Brücke vor seiner Erhöhung im Zuge des Ausbaues der Bundes- straße 49 im Jahre 1959. Links neben dem Turm der Stadtpfarrkirche ist das dreistöckige Gebäude der Burg zu erkennen.

Die Burg in Grünberg, Fotografie, ca. 1960 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Von der mittelalterlichen Burg waren bereits zu Beginn der Neuzeit fast keine Spuren mehr vorhanden. Anfang des 19. Jhs. erinnerte noch ein kleiner Tümpel an den ehemaligen Burggraben (vgl. Urkatasterkarte 1:2.500 in dieser Atlas- mappe). Bei dem hier gezeigten 1969 abgerissenen Gebäude (erbaut 1553) handelt es sich um einen für die Jahrzehnte um die Mitte des 16. Jhs. typischen Renaissancebau, wie er als Amtshaus, Jagdschloss, Witwen- sitz u.ä. damals an vielen Orten der Landgrafschaft verwendet wurde. Die stadtzugewandte Fassade des drei- stöckigen verschieferten Fachwerkbaus folgt einer strengen Symmetrie. Rechts und links springen zwei Eckerker mit je zwei Fensterachsen vor. In der Mitte über dem Eingang befinden sind zwei Fensterachsen, rechts und links davon jeweils drei, wobei im linken Gebäudeteil vier Fenster nachträglich vermauert wor- den sind, wie an der Verschieferung deutlich zu erkennen ist. Die Doppeltür dürfte erst nach 1801 einge- baut worden sein (HStAD P 11 Nr. 216/1-2, Plan des Burggeländes und Grundriss der Burg). Die Neu- vermessung des Geländes im Zuge der Errichtung der Terrassenhäuser Anfang der 1970er Jahre hat als letzte Spur der Burganlage auch die Parzellengrenzen verwischt (vgl. Grundrissplan auf dem Sonderblatt in dieser Atlasmappe).

64 Hessischer Städteatlas – Grünberg tenstraße. Deutlich hervorgehobentenstraße. Deutlich ist r sten, Fotografie, ca. 1935 (StadtA sten, Fotografie, rünberg, ohne Signatur). Das außeror- Das rünberg, ohne Signatur). mbau. Am rechten mittleren Bildrand mittleren mbau. Am rechten echts davon befindet sich das Franzis- echts davon uftbild der Grünberger Innenstadt von Innenstadt uftbild der Grünberger nformationen zu dem „alten“ und L O G liefert viele Bild dentlich aufschlussreiche I Bild- Am unteren „modernen“ Grünberg. Gebäude rand die 1966 abgebrochenen (erbaut 1715/16), der alten Stadtschule sind die Mitte hinter der Kirchturmspitze abgerissenen Scheunen- der 1980er Jahre zu erkennen. am Renthof komplexe R seinem modernen vor kanerkloster U drängen sich jenseits der Höfetränke ein denen von Gebäude, halbes Dutzend der Bundes- viele 1959/60 dem Ausbau gefallen sind. Links straße 49 zum Opfer Textilfa- darüber liegt die 1911 errichtete Stra- brik H. Schmidt I. an der Gießener Schlot der Dampfkraft- ihrem ße. Hinter der sich die Bebauung anlage erstreckt Ga in der Bis- Kirche die Neuapostolische links, die sich und weiter marckstraße Trasse ziehende Westen nach weit bereits der Schulstraße.

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Das Schloss in Grünberg, Fotografie, 1913 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Links erhebt sich der mäch- tige um 1500 als Speicherbau des Klosters errichtete sogenannte Universitätsbau. Nach rechts aus der älte- ren Stadtmauer hervorspringend ist ein Erker und ein Fenster des ehemaligen Refektoriums zu erkennen, das erst nach 1757 abgerissen wurde (vgl. den Grundrissplan von 1757 auf dem Sonderblatt). Dahinter erhebt sich der Schlosstrakt zur Rosengasse, der von dem landgräflichen Baumeister Eberhard Baldewein zwischen 1577 und 1582 auf Vorgängerbauten errichtet wurde. Rechts schließt der im 16. Jh., nach 1757 und in den 1970er Jahren umgebaute Kirchenbau an (vgl. die Pläne von 1757 auf dem Sonderblatt). Im Vordergrund die Mauer des als Obstgarten genutzten Klostergartens. Deutlich ist die Mauernaht zwischen dem älteren Mauerwerk im unteren Bereich und der spitzen Mauerkrone zu erkennen, die vermutlich nach 1824 aufgeführt wurde, als die Mauern auf eine Höhe von 6 Fuß abgebrochen werden sollten.

Blick von den Höfen auf die Höfetränke, Fotografie, um 1908 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Links ragt das flache, um 1810 erbaute und 1967 abgerissene Wachthaus in das Bild, dahinter die Umfassungs- mauer des Klostergartens. Hinter den beiden Häusern auf der rechten Seite ist die 1928 verfüllte Höfe- tränke zu erkennen, deren Wasseroberfläche offensichtlich zwei bis drei Meter unter dem heutigen Straßenniveau lag.

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Blick aus einem Fenster des Hauses Bahnhofstraße 1 in die Marktgasse, Fotografie, um 1900 (StadtA Grün- berg, ohne Signatur). Die rechte untere Bildecke nimmt das Wachthaus ein. Der Blick geht über den tiefliegenden Klostergarten. Am Ende der Marktgasse ist der gusseiserne Brunnen zu erkennen, der den 1897 abgetragenen Vierröhrenbrunnen ersetzte.

Blick aus dem Rathaus auf den Marktplatz, Fotografie, 1895 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Die Datie- rung ergibt sich durch den hier dokumentierten Abriss des sogenannten Lutherhauses, einem spätgotischen Fachwerkbau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Rechts davon befindet sich noch der zwei Jahre später abgetragene Marktbrunnen. Das Eckhaus Alsfelder Straße 2, das kurz nach 1830 errichtete Gasthaus „Zum Englischen Hof“ steht am Platz der alten Schirne und des bis 1593 als Rathaus genutzten Gebäudes (MÜLLER-HILLEBRAND, Rathaus S. 291). Der Namen des Gasthauses erinnert an Alice (1843-1878), die Gemahlin Großherzog Ludwigs IV. von Hessen. Sie war die Tochter der Königin Viktoria von England und genoss dank ihres Engagements im Sozial- und Bildungswesen ein hohes Ansehen (vgl. Alicenstraße in Gießen). Wahrscheinlich gab der Erste Weltkrieg den Anlass zur Namensänderung des Gasthofes.

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Die Londorfer Straße vom Bahnhof aus gesehen, Fotografie, 1910 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Mit dem Bau der Sparkasse (1898) ganz links im Bild und dem Amtsgericht (1901) in der Mitte wurden wichtige Akzente für die Siedlungsentwicklung Grünbergs vor dem Ersten Weltkrieg gesetzt. Im Vorder- grund ein Teil des ehemaligen Gallusmarktfeldes.

Blick von Bahnhof in Richtung Innenstadt, Fotografie, um 1910 (StadtA Grünberg, ohne Signatur). Hinten der Diebsturm, links die spitze Abzweigung des Lehnheimer Weges, ehemals Burggemünder Straße. Neben der Londorfer Straße war die Bahnhofstraße die zweite wichtige Stadterweiterung vor dem Ersten Weltkrieg.

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