title Die Presse issue 14/05/2016 page 6 Wenn der Genosse Vorsitzender geht... Wachablöse. Seit dem Jahr 1945 hat die SPÖ erst acht Parteichefs "verbraucht". Nicht immer war das Ende v/i& <5iND "ffy* einer Ära harmonisch - ganz VM- im Gegenteil.

Ende der "Ära Faymann" als SPÖ- Vorsitzender und Bundeskanzler Dashatte sich zwar schon länger abge- zeichnet, trotzdem kam es dann am Montag überraschend. Nach all den massiven Rück- trittsaufforderungen konnte Werner Fay- mann Freund und Feind mit seinem sponta- nen Entschluss doch noch verblüffen. In der Sozialdemokratischen Partei hat es schon ganz andere Abschiede eines Vorsitzenden gegeben als jenen des Jahres 2016. Als im April 1945 - nach der Einnahme Wiens durch die Rote Armee - die Sozialisti- sche Partei gegründet werden sollte, fehlte der logische Parteiobmann, Karl Seitz. Der alte Herr, einst der erste Bundespräsident nach 1919, später Bürgermeister von Wien und letzter Vorsitzender der Sozialdemokra- tischen Arbeiterpartei bis 1934, war noch nicht aus der KZ-Haft zurückgekehrt. Er soll- te erst später schwer krank nach Wien heim- kehren. Die Geschäfte führte indessen der 55-jährige Rechtsanwalt Adolf Schärf. Im Wiener Rathaus, das vom Bombenhagel ver- schont geblieben war, pendelte Schärf tage- lang zwischen zwei Salons hin und her, um die ehemaligen Sozialdemokraten und die Revolutionären Sozialisten der Zwischen- kriegszeit zu einer einzigen Partei vereinigen 1967 setzte als neuer SPÖ-Chef den Wahlverlierer Pittermann aufs Altenteil. Der war nicht erfreut. [ .Oie Presse'/Ironimus. 1969 ] zu können. Am 14. April glückte es endlich. Die SPÖ war geboren.Im "Roten Salon". lige Heimkehr des Kaisersohnes Otto von der Wahlniederlage(die ja nur eine kleine scher Endzeit hatte er Wichtiges gelernt: Er Habsburg, die fast tödliche Parteikrise um war, immerhin behielt Kreisky die relative enthielt sich in der Pension jeglicher Kom- SchlüsselfigurAdolf Schärf Franz Olah, der an die Macht drängte, die Mehrheit) titelte, dass Karl Blecha Parteiob- mentare aus der "Muppet-Loge". So wurde Adolf Schärf nicht nur Mitunter- Reformunwilligkeit, was den Proporz im mann werden könnte, war Feuer am Dach. Der frühere OMV-Manager Klima tat zeichner der UnabhängigkeitserklärungÖs- staatlichen Rundfunk betraf - all dies hatte Kreisky wütete, der Unglücksbote in Gestalt sein Bestes, konnte jedochdie Seele der Par- terreichs, gemeinsam mit Leopold Figl von Pittermann an der Parteispitze zu verantwor- des "Presse"-Redakteurs wurde ins Parla- tei nicht wirklich erreichen. Die Partner- der ÖVP und Johann Koplenig von den Kom- ten. Und als 1966 die SPÖ katastrophal ab- ment zitiert, dort musste Blecha all seine schaft mit der ÖVP unter dem besserwisseri- munisten. In mehreren Koalitionsregierun- stürzte, war klar, dass sich Pittermanns Tage Ambitionen sofort dementieren, die er tags schen Vizekanzler Schüssel gestaltete sich gen diente er als Vizekanzler, denn inzwi- dem Ende zuneigten. zuvor geoffenbart hatte. Dabei wäre das Ar- unbehaglich - auch für das Land. Die EU- schen war er auch zum Parteichef gewählt Doch was war zu tun? Wie sollte man rangementdurchaus sinnvoll gewesen. Krei- Ratspräsidentschaft absolvierte man anei- einen verdienten Parteiführer absägen, der sky aber - krank und sehr reizbar - wollte au- nandergekettet nolens volens mit Anstand, sich kaum einsichtig zeigte? Das Parteiorgan tonom entscheiden. doch 1999 ging man getrennteWege. "Arbeiter-Zeitung"unter der Chefredaktion Und so entschied er nach der Wahl 1983 DIE WELT Klima auf Franz Kreuzers initiierte eine "Zukunftsdis- - falsch. Er zwang das Kanz- gab entnervt BIS GESTERN kussion", die Genossen Norbert Leser und leramt und den Parteivorsitz auf, arrangierte Schüssel hatte vor der Nationalratswahl an- Ernst Koref brachten erstmals den Namen mit FPÖ-Obmann Friedrich Peter eine rot- gedroht, Oppositionsführerzu werden, sollte von Bruno Kreisky (55) als Anwärter ins blaue Koalition, was ständige Spannungen seine Partei nur drittstärkste Fraktion wer- VON HANS WERNER SCHEIDL Spiel. All dies zum großen Verdruss des Ap- zwischen diesen ungleichen Partnern zur den; nachdem das eingetreten war, entnervte parats, den Pittermann immer noch meister- Folge hatte. er den Bundespräsidenten Klestil und sein worden. Karl Seitz trug die Würde eines Eh- haft beherrschte. Verhandlungsgegenüber Klima, bis dieser renvorsitzenden bis zu seinem Tode 1950. Sturmtiefaus Mallorca aufgab. Während Schüssel mit Jörg Haiders Schärf blieb Parteichef, auch als er im Czettel versus Kreisky Und der abgetreteneParteiführer tat ein Üb- Hilfe Bundeskanzler wurde, ging die Suche Mai 1957 als Nachfolger des verstorbenen 1967 war das Spiel vorbei. Der große alte riges. Aus der Armbrustergasse oder aus nach einem Klima-Nachfolger in der SPÖ Theodor Körnerzum Bundespräsidentenge- Mann mit der meisten Reputation, Karl Mallorca feuerte er ständig böse Interview- los. Der linke Flügel favorisierte den adeligen wählt wurde. Ein Unikum: Erst zwei Tage da- Waldbrunner, sollte an die Spitze treten. Salven gegen seine Epigonen ab, die er alle- schöngeistigen Wissenschafts- und Ver- nach legte er seine Parteiämterund auch das Doch er schlug das Angebot aus gesundheit- samt als unfähig abqualifizierte. Ein Fressen kehrsminister Caspar Einem; die rechte, Mitgliedsbuch zurück. lichen Gründen aus. In letzter Not zauberten für die Zeitungen, eine Qual für die Akteure, pragmatische Schwinge hätte lieber Innen- die Gewerkschafter den amtierenden Innen- die lang stillhielten, weil Kreisky immerhin minister Karl Schlögl gesehen. Die Kluft war Helmer oder Pittermann? minister Hans Czettel aus dem Hut, der aber Ehrenvorsitzender der Partei war. nicht zu überbrücken. Ein neuer Parteivorsitzender war zu wählen. eine Kampfabstimmung auf dem Sonderpar- 1986war die Qual - wenigstens für Sino- Da gab es zwei Anwärter. Logischer Favorit teitag 1967 ablehnte. Dass er damit der Partei watz - vorbei. Im Gefolge des Waldheim- NotlösungGusenbauer wäre der populäre Innenminister Oskar Hel- einen guten Dienst erwies, sollte erst später Wirbels (in den sich der Kanzler aus Partei- Statt dass Heinz Fischer damals zugegriffen mer gewesen, aber mehr Wind machte der bekannt werden: Kleine Jugendsünden wäh- räson verstrickt hatte) trat Sinowatz zunächst hätte, suchte man verzweifelt nach einer witzige und schlagfertige Klubobmann Bru- rend der NS-Zeit hätten wohl kein gutes Bild vom Kanzlerposten zurück, nach einem Jahr Notlösung. Kantiger Oppositionsführer - das no Pittermann (52). Der gelernte Mittel- auf einen sozialistischen Parteiführer gewor- auch als Parteichef. Immerhin konnte er wäre nicht nach dem Geschmack Fischers schullehrer und Jurist lieferte sich legendäre fen. noch selbst den Nachfolger bestimmen, gewesen. So kam der frühere Juso-Chef und Rededuelle mit Hermann Withalm von der Pittermann musste sich ins Unvermeidli- nämlich . Dass dieser mit der frischgebackene Bundesgeschäftsführer Al- ÖVP, während Helmer eine ausgleichende che fügen, der strahlende Sieger Bruno Krei- Volkspartei eine rot-schwarze Koalition ein- fred Gusenbauer zum Zug. Er schaffte sogar Rolle in der Koalitionsregierung mit den sky gewann die Nationalratswahl 1970 und ging und seinem Vizekanzler, , den Sprung ins Kanzleramt, verspielte aber "Schwarzen" spielte. Am 8. Mai 1957 erkor beschwichtigte den verdienten Vorgänger das Außenamtüberließ, erboste Kreisky der- seinen Kredit bei den Genossen recht bald, ein Parteitag also Pittermann zum neuen mit dem Posten des Klubobmanns. Traurig art, dass er den Ehrenvorsitzzurücklegte und sodass ihn Michael Häupl vom Spielfeld Chef. Ohne jede Diskussion war dies mit der vertraute Pittermann einmal der "Presse" an: dem Parteiarchiv einen bitterbösen Be- nehmen musste. Durch die Schachfigur Wer- Funktion des Vizekanzlers verbunden. "Das Ende der Ära Kreisky wird fürchterlich schwerdebrief übersandte, der dort heute ner Faymann hatte sich der Bürgermeister Heute ist das Bild Pittermanns in der Er- sein." Versöhnt waren sie also nicht. Kreisky noch eingesehen werden kann. den einzigen Stadtrat vom Hals geschafft, der innerung unscharf, meistens überstrahlt von tat ein Übriges, um den Alten in die Pension unverhohlen die Nachfolge im Rathaus an- seinem Nachfolger, Bruno Kreisky. Aber Pit- zu schicken: Der Parteitag beschloss ein Al- Die lange Ära Vranitzky strebte. Im Nachhinein ist man stets geschei- termann war anfangs durchaus erfolgreich. terslimit für Neukandidaturen, so durfte Pit- Den früheren Bankmanager Vranitzky irri- ter: Wahrscheinlich wäre dies für beide Teile Seine SPÖ konnte am 10. Mai 1959 erstmals termann 1971 nicht mehr antreten. Das Al- tierten derlei Querschläger kaum. Er behielt die bessere Lösung gewesen - für Faymann die Volkspartei an Stimmen überflügeln. Al- terslimit blieb in den Statuten, Kreisky über- in der Partei und am Ballhausplatzdas Heft und für Michael Häupl. lein die Wahlarithmetik verschaffte der ÖVP sah dies völlig unbeeindruckt, als für ihn die in der Hand, manövrierte das Land während um ein Abgeordnetenmandatmehr. So blieb Zeit gekommen wäre ... Waldheims Präsidentschaftgeschickt durch Nächsten Samstag: es beim Vizekanzler. Immerhin aber hatte alle Untiefen. Selbst die Linken in der Partei, Ein anderes "Haus der Geschichte" - Das 125-Jahr- Pittermann eine gute Verhandlungsposition: Kreisky ohne Nachfolger zutiefst misstrauisch wegen Vranitzkys Prag- Jubiläum des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien. Das Außenministerium fiel an die SPÖ. Und Dass es 1983 nach Götterdämmerung ausse- matismus, hielten still. Dessen Antifaschis- der bisherige Staatssekretär Kreisky ersetzte hen würde, war schon lang vor dem Rücktritt mus war nämlich die einigende Klammer. Leopold Figl. Kreiskys zu ahnen. Mit dem Hinauswurf sei- 1997 ging Vranitzky nach zehn Jahren nes früheren Ziehsohns Kanzlerschaft aus eigenem Entschluss von IMPRESSUM: DIE WELT BIS GESTERN Olah, Habsburg,Wahlniederlage aus dem Regierungsteam 1980 hatte den al- Bord. Er müsse jetzt endlich die Weinfla- Redaktion: Prof. HansWerner Scheidl In den Turbulenzen der Sechzigerjahre hin- ten kranken Mann das Glück verlassen. schen in seinem Keller zählen, scherzte er. Telefon: 01/51414-444 gegen machte Bruno Pittermann als ewiger Plötzlich stand er ohne logischen Nachfolger Und erkor ohne wesentlichen Widerspruch E-Mail: [email protected] Juniorpartner eine wenig glückliche Figur. da und quälte sich nochmals in einen Per- seinen Finanzminister, , zum Die Welt bis gestern im Internet: Die hysterische Agitation gegen eine allfäl- sönlichkeitswahlkampf. Als "Die Presse" vor Nachfolger. Aus Kreiskys trauriger politi- diepresse.com/zeitgeschichte

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