Künstlerischer Opportunismus in Der Malerei Und Plastik Des Dritten Reiches
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Künstlerischer Opportunismus in der Malerei und Plastik des Dritten Reiches Vom Fachbereich für Geistes- und Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig zur Erlangung des Grades Doktorin / Doktor der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Heike Hümme M.A. aus Salzgitter Eingereicht am: 20.12.2004 Mündliche Prüfung am: 03.06.2005 Referent: Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke Korreferent: Prof. Dr. Johannes Zahlten Druckjahr: 2005 Heike Hümme Künstlerischer Opportunismus in der Malerei und Plastik des Dritten Reiches Mein Dank gilt Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke, Prof. Dr. Zahlten, Dr. Anja Hesse und Michael Böhm sowie Freunden und Familie für Verständnis, Zuspruch, Rat und Tat. Künstlerischer Opportunismus in der Malerei und Plastik des Dritten Reiches Eine Gesellschaft von Widerständlern, Opfern und Tätern? Oder: Von der Schwierigkeit im Umgang mit dem künstlerischen Erbe des Dritten Reiches Gegenstand und Schwerpunkt der Untersuchung 5 Kunst und Künstler in der Zeit des Dritten Reiches Überblick über die kunsthistorische Forschung 16 I. Kunst im Nationalsozialismus - Kunst im Konsens 1.1. „Kunst ist eine erhabene und zum Fanatismus verpflichtende Mission“ – Zur Bedeutung und Funktion von Kunst im Nationalsozialismus 28 1.2. Kunstideologische Grundlagen 32 1.3. Kunstpolitische Maßnahmen 36 Die NS-Kunstpolitik kurz nach der Machtübernahme Innere Widersprüche: Die »Expressionismus-Debatte« 1933/34 Die ‚aktive’ Kunstpolitik ab 1936 1.4. »Sie hatten 4 Jahre Zeit...« - Gelenkte Kunst – gewollte Anpassung 44 II. Bildhauer im Dritten Reich - Der stilistische Wandel in der Plastik seit 1933 2.1. Vom Traditionalismus zum Heroismus: Plastik im Dritten Reich 49 2.2. Stil und Stilwandel: Bildhauer nach der »Machtergreifung« 58 2.2.1. Heroenkult im pseudoklassizistischen Gewand: Arno Breker 60 Stationen eines Lebens Von Affirmation und Indoktrination: Wesen und Gehalt der Brekerschen Werke nach 1933 Das Jahr 1936 als Wendepunkt in Brekers Œuvre Arno Breker: Ein Künstler am Scheideweg 2.2.2. Appell und Mahnung: Georg Kolbe und die Denkmale zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkrieges 96 Georg Kolbe - Ein geschätzter Bildhauer vor, während und nach dem Nationalsozialismus Stilmerkmale seiner nach 1933 entstandenen Denkmalsplastik Von Kontinuitäten und Brüchen: Kolbes systemkonforme Gefallenenmale im Vergleich zu früheren Werken dieses Sujets Georg Kolbe - Zwischen Anbiederung und Ablehnung 2.2.3. Überlebensgroße Männerfantasien: Fritz Klimsch und die weibliche Aktplastik 127 Fritz Klimsch – Vita Weibliche Aktplastik als Spiegel der nationalsozialistischen Vorlieben Klimschs weibliche NS-Plastik im Vergleich zum Frühwerk Von Kontinuität und Konzession III. Maler im Dritten Reich - Der stilistische Wandel in der Malerei seit 1933 3.1. Von wirklichkeitsfernem Realismus und fortschrittlichem Rückschritt: Die Malerei des Dritten Reiches 156 3.2. Stil und Stilwandel: Maler nach der NS-Machtübernahme 162 3.2.1. Allegorien nationalsozialistischer Allmachtsfantasie: Werner Peiners historisierende Landschaftsmalerei 164 Lebenswerk – Lebensstationen Werner Peiner - Der neusachliche NS-Staatsmaler Peiners NS-Werke im Vergleich zu früheren, vor 1933 entstandenen Werken Kontinuität in der Anpassung 3.2.2. Der ‚Fall Franz Radziwill’: Magische Bilder des Krieges 200 Vita Radziwill und seine »Passionsbilder der Erde« Radziwills Kriegsbilder - eingeschränkt systemkonform Von Konzessionen und Kontinuitäten: Radziwills vor und nach 1933 ent- standene Bilder des Krieges Das Dilemma zwischen den ‚Fronten’: Ein Künstler zwischen Konformität und Konfrontation Der ‚Fall Radziwill’ IV. Maler und Bildhauer im Dritten Reich: Zwischen Anpassung, Vereinnahmung und Opportunismus 4.1. Kontinuitäten und Widersprüche: Formen und Phasen stilistischer Anpassung in der Malerei und Plastik des Dritten Reiches 236 4.2. Von Kooperation und Kollaboration: Ursachen und Motive stilistischer Anpassung 247 4.3. Folgen und Auswirkungen stilistischer Anpassung 253 V. Künstlerischer Opportunismus im Dritten Reich 5.1. Künstlerischer Opportunismus: Phänomen und Facetten 257 Integrativer Opportunismus Optionaler Opportunismus Analektischer Opportunismus 5.2. Von Integrität und Loyalität: Zur Beurteilung des künstlerischen Opportunismus 265 Schlussbetrachtung und Resümee VI. Zur politischen Verantwortung von Künstlern gestern und heute Ausblick 278 Abbildungen Abbildungsverzeichnis und –nachweis Quellen- und Literaturverzeichnis Eine Gesellschaft von Widerständlern, Opfern und Tätern? Oder: Von der Schwierigkeit im Umgang mit dem künstlerischen Erbe des Dritten Reiches Gegenstand und Schwerpunkt der Untersuchung Als am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, bedeutete dies eine entscheidende Zäsur in der (deutschen) Geschichte, die sich auch in der Bildenden Kunst manifestierte. Ihr innenpolitischer Kurs der »nationalen Erhebung« richtete sich gegen politisch Andersdenkende und vor allem gegen die Juden, die sie für die angeblich in der Weimarer Republik herrschende Anarchie verantwortlich machten. Die »Systemzeit«, wie sie diese Zeit nannten1, trage nicht nur für die wirtschaftlichen und politischen Probleme der 1920er und 1930er Jahre, sondern, gemäß ihrer Auffassung von der Kunst als Spiegel ihrer Zeit und Umwelt, auch für die „Epoche kulturellen Nieder- gangs“2 Verantwortung. Der Beginn der nationalsozialistischen Ära sollte daher das Ende der politischen Zerrissenheit und des „moralischen Verfalls“ 3 der Bevölkerung der Nach- kriegszeit im Allgemeinen markieren, weshalb neben der Zerschlagung der demokra- tischen Strukturen als ihr vorrangigstes Ziel auch die „restlose Ausmerzung“ der künst- lerischen Avantgarde als kulturpolitische Notwendigkeit galt.4 Bekanntermaßen gehört der Nationalsozialismus zu den historisch am gründlichs- ten aufgearbeiteten Epochen deutscher Geschichte und die einleitend skizzierten Er- kenntnisse mittlerweile zu Gemeinplätzen eines jeden Bürgers. Auch verdrängte die Er- forschung des NS-Machtapparates und die Aufklärung über seine hierarchischen Struk- turen die in der unmittelbaren Nachkriegszeit geprägte Überzeugung vom Dritten Reich als einem totalitären, monokratischen Staat: Hitler gilt heute keineswegs mehr als Dämon, allmächtiger Diktator oder als alleiniger Despot des Dritten Reiches, der alleinverantwort- lich ist für die NS-Gewaltherrschaft und ihr bis dorthin unverstellbares Ausmaß an Gräuel- taten; ebenso wenig gilt der Nationalsozialismus heute noch als ‚Entgleisung’ oder wird als ‚Krankheit’ betrachtet, die Deutschland befallen hatte.5 Mag das Bemühen unmittelbar nach 1945, durch die Überzeichnung Hitlers’ Bedeutung und durch die breite Erörterung der Unterdrückung von Minderheiten die Eigenverantwortung der Mehrheit zu reduzieren, sogar auszuschließen, angesichts der Katastrophe und seiner Folgewirkungen auch ver- ständlich sein, es ist heute nicht mehr haltbar.6 Im Gegenteil, spätestens seit den 1960er/ 1 Z.B. Dresler, 1938, S. 50 2 Zitat Hansen,1942, S. 24 3 Zitat Dresler, 1938, S. 3 4 Zitat Hansen, 1942, S. 15 5 Zu dem als Intentionalismus bezeichneten Forschungsansatz siehe Kershaw, 2002, S. 20f./114ff. Zur Problematik Hitlers als „mephistophelischer Gestalt“ im Bereich Kultur siehe u.a. Richard,1982, S. 78f. 6 Schäfer, 1982, S. 114, deutete darüber hinaus auch die überproportionierte Behandlung des Widerstandes als ein Beleg des „gelähmten Bewußtseins“ der Nachkriegsgesellschaft. 5 70er Jahren und der in dieser Zeit gereiften Erkenntnis ‚chaotischer’ Herrschaftsstrukturen im Dritten Reich ist bekannt7, dass der demokratisch legalisierte Reichskanzler Adolf Hitler sich über die Anfänge der »Gleichschaltung« hinaus auf die deutsche Bevölkerung stüt-zen konnte: Sei es aus Überzeugung, Loyalität, Karriere- oder Geltungssucht, etc., un-zählige Helfer und Helfershelfer, seien es Persönlichkeiten in Amt und Würde, wie Joseph Goebbels oder Hermann Göring, oder auch nur der Nachbar von nebenan, der die Augen vor der Deportation einer jüdischen Familie verschloss, halfen, diese sehr spezielle Herr-schaftsform über Jahre hinweg zu legitimieren, aufrecht zu erhalten.8 Begriffe, wie ‚Kollektivschuld’ als einem, von den Alliierten nach 1945 geprägten Ausdruck zur Beschreibung der Täterschaft eines jeden Deutschen9, oder ‚Glück der späten Ge- burt’10, letztlich als Mahnung an die Nachfolgegeneration zu verstehen, nicht den mora- lischen Zeigefinger gegen die ehemals in der NS-Zeit Lebenden zu erheben, aber auch die von Martin Broszat geforderte „Historisierung“ des Nationalsozialismus11, der ‚Histori- ker-Streit’ von 1986, der um die Frage nach der Einzigartigkeit des deutschen Faschismus entbrannte, sowie die Debatte, die das 1996 in New York erschienene, alsbald ins Deut- sche übersetzte Buch »Hitler’s Willing Executioners/Hitlers willige Vollstrecker« von Daniel Goldhagen entfachte12, markieren Phasen der Aufarbeitung deutscher Vergangen- heit und Schuldbewältigung - und sind gleichermaßen Synonyme für Ohnmacht und Scham, für Verdrängung und Verharmlosung, Arroganz und Pauschalisierung, zugleich aber auch für das dringende Gebot der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit. 7 Insbesondere Broszat, Staat Hitlers 1992 (1. Auflage 1969), zeigte die Zersplitterung des NS-Machtappara- tes und die Komplizenschaft vieler Gruppierungen auf. Er gilt bekanntlich als einer der bedeutendsten Historiker des strukturalistischen/revisionistischen Forschungsansatzes, der der Theorie des autoritären Hitlerstaates das polykratische „Führerchaos“