Hintergrundinformationen zur Neuzeit, 1500 n. Chr. bis heute

Martin Schmutz Herkunft Der historische Martin Schmutz wurde als Sohn von Hans Uli Schmutz aus dem solothurnischen Nachbarsdorf Mümliswil und Barbara Elliker aus geboren. Am 31. August 1642 wurde er in Langenbruck getauft. Martins Mutter muss wenige Jahre nach seiner Geburt gestorben sein. Der bei seiner Geburt bereits 46 Jahre alte Vater Hans Uli vertraute daraufhin seinen Sohn Verwandten in Langenbruck an, heiratete ein drittes Mal und zog wieder zurück nach Mümliswil. Martin heiratete mit 24 Jahren am 11. Juni 1666 in der Kirche St. Peter in Oberdorf Maria Schneider von Langenbruck und übernahm 1670 als Senn und Lehenmann den Hof „Vorderer Kall“ bei , später „Schmutzberg“ genannt. Die Sennen gehörten, was ihre wirtschaftliche Potenz anbelangte, zur dörflichen Mittel- oder Oberschicht. Es war durchaus möglich als Lehenssenn eines städtischen Herrn sich erfolgreich wirtschaftlich zu etablieren. Martin starb 1731. Er gilt in Eptingen mit seinen fünfzehn Kindern als Stammvater des Familiengeschlechts „Schmutz“. Bild: Ausschnitt aus den Aufnahmen von Georg Friedrich Meyer, 1680. Amt Farnsburg mit Ruch-Eptingen und dem Sennhof „Im Kallen“(grün markiert).

Leben und Laster Sein Lebensporträt ist kurz im Buch „Familienfoschung im Baselbiet“ von Werner Hug (2002) zusammengestellt und diente als Ausgangspunkt für die eben gehörte Geschichte. Sein Onkel Jost, der Dorfname „Bärbels Marti“, sein Aussehen und seine Erlebnisse an diesem Markttag sind frei erfunden. Körpergrösse, Kleidung, Frisur und Accessoires repräsentieren aber einen durchschnittlichen jungen Mann seiner Zeit. Mit einer Körpergrösse von etwa 168cm lag er im Mittel der Männer. Bis zur Mitte des 17. Jh. hatte der Tabakkonsum alle Bevölkerungsschichten der Region, auch die gehoberen, in seinen Bann gezogen. Die neue Sitte verbreitete sich ursprünglich von England her kommend vor allem durch die im Dreissigjährigen Krieg umherziehenden Soldaten sehr rasch in ganz Europa. Die ersten in Baselland archäologisch nachgewiesenen Pfeifen wurden aus der Kurpfalz und Frankreich importiert. Ab dem 18. Jh. beherrschten Manufakturen aus Gouda und dem Westerwald den Markt und belieferten auch Basel massenweise mit weisstonigen, schlanken Tonpfeifen. Bild: Stammbuch des Basler Goldschmiedes Johann Heinrich Schrotberger (1670-1748), Fol. 25, 1669 (Historisches Museum Basel). Mit einer glühenden Kohle – gehalten durch eine Feuerzange – wird die Pfeife angezündet.

Amtshausgasse 7 Telefon 061 552 50 88 www.archaeologie.bl.ch Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion Postfach Fax 061 552 69 60 Kanton Basel-Landschaft 4410 Liestal [email protected] Archäologie und Museum

Wirtschaft und Handel Die Familie des Onkels darf zur dörflichen Oberschicht gezählt werden. Der Besitz eines mit Ziegeln gedeckten Wohnhauses bedeutete gehoberen Wohnkomfort, den sich in der zweiten Hälfte des 17. Jh. nicht jeder leisten konnte. Den teuren Unterhalt von Zugtieren wie Pferden und Stieren konnten nur reiche Bauern, Wirte und Handwerker tragen. Gerade in Passorten wie Langenbruck boten Pferde gute Einkommensmöglichkeiten. Ab Mitte des 16. Jh. nahm das Verkehrsvolumen über den oberen Hauenstein stetig zu. Der schlechte Strassenzustand machte bei breiten Lastwagen das Vorspannen von bis zu 15 Pferden nötig. Zug- und Saumpferde waren also gefragt. Im Weiteren entstanden im ganzen Tal Pferdewechselstationen, die oft von Gastwirten betrieben wurden. Wagner und Hufschmiede kümmerten sich um den reibungslosen Durchgangsverkehr. Neben dem Transitverkehr zwischen den Niederlanden und dem Grossen St. Bernhard und dem Rhonetal war auch der regionale Austausch bis Bern und Basel bedeutend. Mitte des 18. Jh. wurden zur Hauptsache Salz, Wein, Käse, Kolonialwaren, Tabak, Reis und Textilien transportiert. Bild: Hölstein Hauptstrasse 17, Gasthaus Rössli. Erbaut 1685-1690 durch den Basler Bürger Johann Merian als Station für den Vorspanndienst der schweren Pferdefuhren über den oberen Hauenstein.

Quellenlage Wichtige methodische Hilfsmittel sind in der Bauforschung die aus der Zeit ab dem späteren 17. Jahrhundert vermehrt zur Verfügung stehenden Bild- und Schriftquellen. Eines der beiden bedeutendsten und umfassendsten Bildwerke sind die Skizzenbücher und Vermessungen von Jakob und Georg Friedrich Meyer. Vater und Sohn kartierten seit 1668 unter anderem sämtliche altbaslerischen Gemeinden in Vogelschauperspektive. Hundert Jahre später liefert Emanuel Büchel zwischen 1745 und 1766 ebenfalls zu jeder Gemeinde detaillierte Darstellungen und erlaubt der Forschung, spannende Vergleiche mit den Meyerschen Karten zu ziehen. Die umfassenden in den Jahren 1748-1763 herausgegebenen Aufzeichnungen des Chronisten Daniel Bruckner in seinem „Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel“ erhalten viele wertvolle Hinweise und Zahlen zu Gebäuden und deren Konstruktionsarten. Für das 19. und 20. Jahrhundert liefern die zwischen 1807 bis 1955 in jeder Gemeinde geführten Brandversicherungsbücher Informationen zu Besitzer, Konstruktionsweise, Raumfunktionen und Umbauten. Eine für die Bauforschung unentbehrliche Datierungshilfe ist die Dendrochronologie. Die Messung der Wachstumsringe der Bauhölzer erlaubt das Fälldatum des Baumes auf ein halbes Jahr genau zu bestimmen. Da die Balken meist grün, das heisst nach dem Fällen direkt verbaut wurden, lassen sich Gebäude und Holzelemente genau datieren. Bild: Buus Hauptstrasse 8. Entnahme einer Holzprobe mit einem Hohlbohrer zur Holzaltersbestimmung mit Hilfe der Dendrochronologie. Spätgotische Decke von 1551/52d.

2

Umwelt und Gesellschaft Landschaftsbild und Siedlungsentwicklung Die Besiedlung – der Landesausbau – der alten Basler Ämter Farnsburg, Homburg, Liestal, Ramstein, Waldenburg (heutige Bezirke Liestal, Sissach, Waldenburg) war bezüglich dem Bestand an Dörfern und Weilern seit dem 14. Jh. grossteils abgeschlossen. Das in der frühen Neuzeit bestehende Siedlungsbild basierte auf der Weiterentwicklung der fränkischen und alemannischen Niederlassungen und der sich herausbildenden Dreifelderwirtschaft mit vorherrschendem Flurzwang, also die Beschränkung der Besiedlung innerhalb vorgegebener Gemarchungen. Als neu hervorgekommene Dörfer können Hersberg, Nusshof und Tecknau bezeichnet werden. Sie wurden im Mannschaftsrodel von 1585 noch als Höfe aufgeführt, galten Ende 17. Jh. in den Volkszählungen dann jedoch bereits als Dörfer. Als kleine Industriesiedlungen mit Eisenwerken entstanden 1658 der Weiler Niederschöntal in Füllinsdorf und 1660 die Neue Welt in Münchenstein. Dorfabgänge und Hofwüstungen der frühen Neuzeit sind bisher noch wenig erforscht. Ein Beispiel ist „Ickten“ oder „Yttigkon“, einst nördlich von Sissach gelegen und zu Beginn des 15. Jh. aufgelassen. Die Dorfbewohner übersiedelten nach Sissach. Der teilweise bis 1829 herrschende Flurzwang erschwerte eine eigentliche Besiedelung ausserhalb der streng definierten Dorfgemarchung. Ausnahmen bildeten die bereits im 17. und frühen 18. Jh. entstandenen Alp- und Sennhöfe. Meist dienten sie als herrschaftliche Gutshöfe der direkten Versorgung mit Milchprodukten eines Adels- oder Vogteisitzes oder einzelnen Basler Herrschaftsfamilien. Gerade die Basler hatten wegen der Seidenbandweberei einen steigenden Kapitalüberhang und bekundeten ab Ende des 17. Jh. ein zunehmendes Interesse an Landkäufen. Mitte 18. Jh. sind für die Basler Landschaft 64 Sennereien bekannt. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jh. wurde die Ausweitung der Siedlungen über den Etter hinaus dank der Lockerung des Flurzwangs möglich. Es entstanden die heute noch die Landschaft prägenden Aussiedlerhöfe. Die Bevölkerung der alten Balser Ämter hatte gegen Ende des 17. Jh. ihren vorläufigen Bevölkerungshöchststand erreicht. Es darf mit etwa 3000 Haushaltungen à jeweils knapp 6 Personen gerechnet werden, was etwa 19000 Bewohnern entspricht. Erst mit der merklichen Verbreitung der Posamenterei ab 1740 verbesserten sich im ganzen mittleren und oberen Baselbiet die Lebensbedingungen, was zu erneutem Bevölkerungsanstieg führte. Vergleiche der Siedlungen auf den Skizzen von Georg Friedrich Meyer aus den 1660-80er Jahren und den Stichen Emanuel Büchels aus den 1740-60er Jahren zeigen innerhalb der rund achtzig Jahre eine markante Zunahme der Häuser. Bild: Langenbruck gegen Westen. Emanuel Büchel um 1755. Es bestehen bereits diverse Alphöfe.

3

Siedlungsstruktur und Hauslandschaft Struktur und Hausbestand eines Dorfes wurden neben der Bevölkerungsentwicklung vor allem vom politischen und wirtschaftlichen System beeinflusst. So war Basel Stadt ab dem 15. Jh. neben einer Vielzahl von auswärtigen Gotteshäusern und reichen Privatpersonen grösster Landeigentümer der alten Landschaft. Die Verwaltungspraxis der Untertanengebiete entsprach noch dem mittelalterlichen System zur Zeit der kleinadligen Landesherren mit Bevogtung, Besteuerung und Unfreiheit der Untertanen. Mit den städtischen Bauvorschriften beginnt sich jedoch ab dem späteren 16. Jh. die bisherige Hauslandschaft zu verändern. Nach einer zweihundertjährigen Übergangszeit mit baulich-konstruktiven Übergansformen und dem Nebeneinander von Holz- und Steinbauten sind Siedlungsverdichtung und Versteinerungsprozess Mitte 18. Jh. abgeschlossen. Die in einem Tal oder einer Gemeinde jeweils vorherrschende Landwirtschaft bestimmte bis weit ins 19. Jh. hinein die Gebäudearten. So fanden sich in den oberen Ämtern Homburg und Waldenburg mit knapp der Hälfte der Fläche an Weideland und Matten vermehrt Feldställe und Heuscheunen. In den restlichen Ämtern benötigte die Viehwirtschaft lediglich einen Drittel des Landes. Dafür spielten bis in die 2. Hälfte des 18. Jh. Acker- und Rebbau eine bedeutendere Rolle, was sich u. a. in grosszügigen Ökonomiegebäuden und ebenerdigen Weinkellern im Baubestand niederschlug. Die zunehmende Privatisierung einzelner Landparzellen und die schlussendliche Aufteilung der Zelgen benachteiligte vor allem die finanzschwachen Kleinbauern, landlosen Tauner und Tagelöhner. Erbgänge und Aufteilungen führten zur Zersplitterung der Güter und einem Zusammenschmelzen des Landbesitzes. Kleinbauernbetriebe und die davon lebenden Familiengrössen nahmen zu. Wohnhäuser wurden geschossweise unter mehreren Parteien aufgeteilt, was den Einbau zusätzlicher Herdstellen und meist den Anbau einer Laube zwecks Erschliessung der oberen Geschosse mit sich brachte. Neubauten dieser Zeit besitzen bescheidene Ausmasse. Bild: Lupsingen Liestalerstrasse 13a/17a. Speicherbau. Kernbau 1551/52. Nachträglich ausgenommenes Türgewände zur Einlagerung grösserer Fässer.

Städtische Bauvorschriften Beinahe jedes Baselbieter Dorf erlebte im Lauf seiner Geschichte einen Brand, bei dem meist mehrere Häuser ein Raub der Flammen wurden. In Niederdorf verbrannten im Jahr 1627 19 strohgedeckte Häuser und 20 Scheuen. Lediglich ein Jahr später fielen einem weiteren Brand 29 Häuser zum Opfer! In verbrannten vier Häuser „just die, welche im Brand anno 1704 stehen geblieben“ waren.

4

Brände waren für die Stadt Basel immer mit Steuereinbussen und zusätzlichen Ausgaben für Unterstützungsgelder verbunden. Im Weiteren wurde der enorme Holzverbrauch für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ein ernsthaftes Problem. Speziell im Waldenburgertal verbrauchten neben dem angesiedelten Eisengewerbe und den Ziegeleien auch die im Tal weit verbreitete Schindeldeckung grosse Mengen an Holz. Umdeckungen waren nicht so einfach zu bewerkstelligen, da Ziegeldächer steiler sein mussten und daher den Einbau eines neuen Dachstuhles verlangten. Die erstbekannte vom Balser Rat erlassene Bauordnung stammt aus dem Jahr 1536. Es galt fortan die „Hüser einanderen nach schnurschlecht vnnd nit mer eins für das ander, wie bisher beschehen“ zu bauen. Im Weiteren wurde der Einbau von Kaminen aus brandschutztechnischen Gründen obligatorisch. Dennoch barg das Aneinanderbauen der Häuser trotz den trennenden massiven Brandmauern bei einem Brandausbruch natürlich auch Risiken. So fielen im Jahr 1723 in Sissach 11 Häuser und etliche Scheunen einem Brand zum Opfer. Um mit der Behebung der Baumängel zu beginnen, erhielt das Landstädtchen Liestal unter Androhung der Enteignung der Hofstatt oder des baufälligen Gebäudes gerade einmal einen Monat Zeit. In stadtnahen Gemeinden wie Muttenz und wichtigen Marktflecken wie Buckten griffen die Vorschriften zur Versteinerung des Hausbestandes schneller als in abgelegenen kleineren Dörfern. Um dem neuen Bedarf an Ziegeln gerecht zu werden, wurden im Laufe des 17. Jh. auf behördliches Geheiss mehrere Ziegeleien eingerichtet. Brett- oder Legschindeln werden zwei- bis dreifach verlegt, es liegen also immer zwei bis drei Holzschichten versetzt übereinander. Dies ist möglich, da die Dachneigung mit 18 bis 20 Grad relativ flach ist. Die Fixierung erfolgte durch quer über die Dachfläche gelegte und mit schweren Steinen beschwerte Latten. Zu unterscheiden sind die kleinformatigen „Federschindeln". Diese werden bei der Einfachverlegung von Biberschwanzziegeln unter die Stossfuge zweier Ziegel gelegt und dichten somit das Dach ab. Der einzige im Kanton noch erhaltene vollständig mit Federschindeln gedeckte Bau ist der Speicher von Bärenwil (16. Jh.). Die Federschindeln sind an seine steile Dachkonstruktion genagelt. Bild: Oberdorf Hauptstrasse 70, Gasthaus „Rössli“: Brett-/Legschindel. Masse 70x16x1cm. Fichtenschindeln hatten eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren. Dieses Exemplar ist noch unbenutzt.

5

Bautypen Vom Holz- zum Steinbau Das 16. bis 18. Jh. ist die Zeit eines Wandels vom herkömmlichen Holzbau zum Steinbau. Es herrschte eine typologische Vielfalt mit zeitlichen Überschneidungen und Mischformen. Für das Verschwinden der einst vorherrschenden Holzkonstruktionen waren neben den schlechten Erhaltungsbedingungen – einem Holzspeicher wurde eine Abschreibungsdauer von zehn Jahren zugeschrieben – wohl in erster Linie die Basler Bauvorschriften verantwortlich. Im Weiteren verloren hölzerne Kleinstbauten wie Speicher oder Feldställe mit der Unterkellerung und der Integration der Fruchtkammern direkt im Haus sowie dem Bau von Aussiedlerhöfen an Relevanz. Ihre Unbeständigkeit zeigt sich auch darin, dass Holzhäuser als Fahrhabe betrachtet wurden. So schreibt der Chronist Daniel Bruckner: „In den alten Zeiten waren die Wohnungen meistenteils sehr klein von Holz und mit Stroh bedeckt, daher um das Jahr 1500 allhier (Niederdorf) einige Einwohner weggezogen, ihre Häuslein abgebrochen und mit weggeführet haben…“. Die bekannten Restbestände aus dem 15. Jh. sind an einer Hand abzählbar.

- Waldenburg Adelberg 40. Bohlenständerwand von 1410. 2007 entfernt, fragmentarisch im Funddepot erhalten. - Obertor Laufen. Ins Tor von 1392 eingebaute Ständer-Bohlenkammer von 1432. Vollständig erhalten. - Münchenstein Dorfplatz 2. Teile eines Hochstudes von 1433. - Zunzgen Schulgasse 3a. Speicher, Wandpartien in Blockbauweise von 1456. - Hauptstrasse 82. Hochstudbau von 1476. 1996 abgerissen.

Die ältesten nachweisbaren säkularen Steinbauten sind jünger und stammen mit wenigen Ausnahmen erst aus der Mitte des 16. Jh. Die Befundlücke mag an den mangelnden Datierungsmöglichkeiten von Mauerwerk, also einem Nichterkennen der alten Substanz liegen. Andererseits scheint der Kleinadel bis zu seinem Niedergang in den Burgen residiert zu haben, und ein Bedarf an repräsentativen Steingebäuden im Dorf war bis zur städtischen Machtübernahme noch nicht vorhanden. Spätestens ab den 1550er Jahren manifestierten sich dann aber herrschaftlicher Besitz und städtisches Beamtentum in Form von Steinhäusern nachweislich. Dabei handelt es sich zur Hauptsache um Meierhöfe, Zehntenscheunen, Pfarrhäuser, Spitäler, Mühlen, Zollstationen, Gast- und Gutshöfe – meist markante Solitärbauten. Der Steinbau blieb jedoch bis weit ins 17. Jh. die Bauart privilegierter Dorfbewohner. Bild: Diegten, Hauptstrasse 84. „Haus zu Tülliken“. Ein mit der Jahreszahl „1563“ versehenes Giebelfenster wurde in eine bereits bestehende Mauer eingebaut. Ende 15. Jh.?

6

Das Hochstudhaus Das Hochstudhaus war bis ins späte 17. Jh. der vorherrschende Bautyp für Wohn- und Ökonomie. Es erhielt seinen Namen durch die vom Boden bis unter den Firstbalken durchgehenden wuchtigen Hochstüden (Firstständern), die die ganze Last des Daches tragen. Die Unterkonstruktion des steilen Daches besteht aus am First eingehängten Rafenbalken, die bis über alle vier Ständerwände herunterzogen. Zusätzliche Verstrebungen verstärken die ganze Konstruktion. Den Unterbau bildet ein Rahmenwerk. Die Ständerzwischenräume werden mit Bohlen verschlossen. Die Innenaufteilung ergibt sich durch die Lage der Hochstüde. Bild: Diegten Hauptstrasse 82. Der bisher älteste in Baselland datierte Hochstud von 1476 wurde 1996 abgerissen.

Der Ständerbau Der Ständerbau gehört zusammen mit dem Hochstudbau zu den Gerüstbauweisen. Er weist ebenfalls ein tragendes Gerüst aus einem auf einem Steinfundament liegenden Schwellenkranz/einem Fussrahmen, einem Deckenrahmen und dazwischen stehenden Wand- und Eckständern auf. Zur besseren Stabilisation sind Ständer und liegende Balken teilweise mit Streben versteift. Im Unterschied zu den Hochstudbauten besitzt er einen vom Wandgerüst unabhängigen Dachaufbau. Bild: „Riedschürli“. Zur Heulagerung an abgelegenem Steilhang, umgeben von Matten. 1624.

Der Blockbau Der Blockbau ist der archaischste Bautyp und mit noch lediglich zwei Speicherbauten in Strickbauweise (mit Vierkanthölzern) vertreten. Im Vergleich zum alpinen und voralpinen Raum – dem heutigen Hauptverbreitungsgebiet – hat sich im Baselbiet diese Konstruktionsart nicht durchgesetzt. Im Laufe des 17. Jh. wurde sie von der bereits vorherrschenden Gerüstbauweise bedrängt. Charakteristisch für die Speicher ist der quadratische Grundriss von 3.5 bis 5m Seitenlänge. Der Schwellenkranz liegt auf vier Eckpfosten oder ist unterkellert. Die zwei Vollgeschosse – wobei das obere meist allseitig vorkragend ist – bilden sich aus in den Ecken überkämmten, liegenden Kanthölzern. Der Haupteingang befindet sich giebelseitig. Das Dach war ursprünglich mit Stroh oder kleinen Schindel gedeckt. Bild: Langenbruck Bärenwilstrasse 186A. Speicher in Strickbauweise von 1557.

7

Steingebäude Beim Steingebäude widerspiegeln Hausgrösse und -gestalt, Ausstattung und Qualität des Baumaterials die ökonomischen Verhältnisse der Bauherrschaft. Die sozialen Unterschiede und der Bevölkerungsdruck des späten 18. und 19. Jh. haben sich augenfällig am Baubestand niedergeschlagen. Gerade in einfacheren Gebäuden fehlt es häufig nicht an Einfallsreichtum und Recycling. Lokales Baumaterial und Eigenproduktionen stehen Importmaterialien und Massanfertigungen gegenüber. Bild: Sissach Schulstrasse 2. Der schmale Kopfbau widerspiegelt auch die engen Platzverhältnisse und die begrenzten Baulandreserven im Dorf. 18. Jh.

Mischformen Die „Hütte“ in Buus ist der letzte bekannte Hochstudbau, der vom Bestand her grossteils noch erhalten ist. Das Gebäude erfuhr im 18. Jh. erhebliche bauliche Veränderungen indem der Vielzweckbau zu einem reinen Wirtschaftbau umgebaut und eine Seite abgerochen und in Stein mit einem moderneren Sparrendach neu errichtet wurde. Dieses Nebeneinander von Holz- und Steinbau, Rafen- und Sparrendach spiegelt exemplarisch die entscheidenden Entwicklungsphasen des Hausbaus im Kanton Baselland. Ein weiterer versteinerter Hochstudbau von 1553 am Dübach in Rothenfluh wurde 2008 abgebrochen. Ein weiterer Zeuge der sich ändernden Konstruktionsweisen ist ein Hof im Langenbrucker Weiler Bärenwil. Die ursprüngliche Holzständerkonstruktion ist talseitig noch erhalten und umfasst Wohn- und Wirtschaftsbereich (primärer Vielzweckbau). Der Giebel der Ökonomie und die hangseitige Trauffassade wurden später ausgemauert, der Wohnteil durch einen gemauerten Anbau vergrössert. Auch beim letzten Strohdachhaus in Baselland, 1900 in Rothenfluh wegen der Bachkorrektion abgebrochen, handelte es sich um eine Mischbauweise. Das Walmdach lag über einer Hochstudkonstruktion, die Aussenwände waren versteinert. Neben den Argumenten, die für eine Versteinerung der Gebäude sprachen, führten auch praktische Überlegungen bauliche Veränderungen herbei. So wurden die „störenden“ Ständer und Stüde im Dachraum und im Tenn für eine bessere Raumnutzung zunehmend gekappt oder entfernt und das Walmdach durch ein Sparrendach mit liegendem Stuhl ersetzt, eine vom Unterbau unabhängige Dachkonstruktion mit freiem Dachraum. Bild: Buus Rickenbacherstrasse 16. Sogenannte „Hütte“ um 1970, heutiges Dorfmuseum. Ursprung im 16. Jh., prägende Umbauten im 18. Jh.

8

Baustile Von der Stadt beeinflusst An den Fassaden der Baselbieter Häuser finden sich heute typische Merkmale einzelner Stilepochen häufig nebeneinander. Jüngere Um- und Anbauten führten zu einem Stilgemisch. Die Trends aus der Stadt kamen mit Verspätung und hielten sich teilweise beharrlich noch Jahrzehnte in die bereits folgende kunstgeschichtliche Epoche hinein. Die städtische Verwaltung übte mit dem Bau der staatlichen und kirchlichen Gemeindegebäude starken Einfluss auf Gestaltungselemente und Ausstattung aus und setzte Massstäbe. Städtische Wohnkultur wurde von der lokalen Bevölkerung als erstrebenswert erachtet und zuerst von der kapitalstarken, dörflichen Oberschicht wie Müller, Schmiede, Wirte und Metzger umgesetzt. Die Untertanen hatten in Gebäude- und Gewerbefrondiensten beim Hausbau Hilfe zu leisten. Trotz städtischen Einschränkungen und Zunftzwang gewann das ländliche Handwerk im 18. Jh. immer mehr an Gewicht. Und es vermochten sich neben den Basler Einflüssen durchaus lokale Kunsthandwerke und gestalterische Eigenheiten durchzusetzten. Bekannt für Tür- und Fenstergewände sind die Hemmiker Steinmetze, deren Handwerk im 19. Jh. eine Blüte erlebte und deren Schaffen sich bis heute erhalten konnte. Sie verarbeiteten den lokal vorkommenden gelben Schilfsandstein. Bild: Hauptstrasse 42. Bürgerhaus 16. Jh. Grosse Mauerflächen und kleine Fensteröffnungen bestimmen die spätgotische Fassade.

Spätgotik Der spätgotische Stil prägt die ersten Steingebäude. Als typisch gotisch werden die Asymmetrie der Fassadengestaltung und Fensterverteilung, Treppengiebel, rundbogige Türen und Tenntore sowie Mehrfachfenster und gekehlte Gewände bezeichnet. Gewisse Gestaltungselemente wie Fenster mit Hohlkehle oder Fase halten sich bis ins 18. Jh. hinein. Reine Wohnbauten besassen häufig einen quadratischen Grundriss. Bei Vielzweckbauten waren die Wohnteile ein oder zwei Räume breit und zwei oder drei Räume tief. Bedingt durch die zunehmende Verdichtung mit der Bildung von Häuserzeilen waren sie relativ schmal und hoch. Jüngere Erweiterungen wie Keller, zusätzliche Ställe, Schöpfe und Remisen wurden auf den tiefen Parzellen hinter dem Haus angebaut. In Weinbaugegenden ist der ebenerdig angelegte Keller typisch. Fehlte ein Gang, befand sich der Eingang meist auf der hinteren Hausseite oder führte giebelseitig durchs Tenn direkt in die rückwärtig untergebrachte Küche. Die Stube war vor der Küche strassenseitig angelegt. Die Ökonomien besassen etwa

9

die gleiche Fläche wie der Wohnteil. Dieses Grundrisskonzept verharrte über Jahrhunderte. Zwischen Küche und Stube stand eine massive Brandschutzmauer. Die restlichen Innenwände waren Ständerkonstruktionen mit eingenuteten Brettern oder ausgemauerten Gefachen. Die Decken besassen in den unteren Geschossen häufig in die Balken eingeschobene Bretter oder waren mit einer untergehängten Blenddecke verkleidet. Bild: Bubendorf, Hauptstrasse 119. Gasthaus „Rössli“. Deckenmalerei Erdgeschoss von 1694/95.

Barock Erste barocke Elemente treten gegen Ende des 17. Jh. auf und halten sich bis etwa in die 1860er Jahre. Frühe Elemente sind wohl die gekoppelten Fenster mit schlichten, geraden Stürzen und Türgewände mit Oblichtern. Herrschaftliche Bauteile sind die externen, häufig polygonal ausgeführten Treppentürme. Einfachere Gebäude begnügten sich mit giebelseitig oder rückwärtig angebauten Lauben zur Erschliessung der oberen Geschosse. Die Wände der Wohnräume des 18. Jh. wurden mit Graubandmalereien verziert. Reiche Hausbesitzer leisteten sich eine bemalte Stubendecke. Die 2. Hälfte des 18. Jh. und der Beginn des 19. Jh. ist die Zeit der Fassadenneugestaltungen. Meist wird die alte kleingliedrige, spätgotische Fensterverteilung aufgelöst und durch grosse, regelmässig angeordnete stichbogige Öffnungen ersetzt. Die Wohnräume erhielten mehr Licht, der Einbau von Kachelöfen steigerte die Wohnqualität zusätzlich. Die Stubendecken wurden getäfelt (markante Zierleisten). Bild: Liestal Rathausstrasse 9. Alte Stadtschreiberei von 1563/64. Barocke Deckenmalerei im 2. Obergeschoss von Ende 17. Jh.

Klassizismus Im 18. und 19. Jh. kann vielfach ein deutlicher Verlust an grosszügigem Raumangebot und baulicher Qualität beobachtet werden. Häuser von landlosen Tagelöhnern und Taunern sowie auf die Heimposamenterei ausgerichtete Betriebe besitzen einen stark redimensionierten Wirtschaftsteil. Andererseits entstehen herrschaftliche Bauernhäuser als Einzelbauten vor dem Dorf mit einem einheitlichen Krüppelwalmdach über Wohn- und Wirtschaftsteil. Die klassizistische Fassadensymmetrie wird geprägt durch hochrechteckige Fenster und Türe mit Konsolengesims. Die Stuben besitzen Wand- und Deckentäfelungen, es treten die ersten Tapeten auf. Mit dem Machtverlust von Baselstadt und der schlussendlichen Kantonstrennung 1833 wurden sämtliche städtische Beamtenhäuser neu dem Kirchen- und Schulgut Baselland zugeschlagen. Bild: Binningen Schlossgasse 2. Imhof-Haus, Kernbau von 1590er, Tapeten vom 19. Jh.

10

Innovationen Dachziegel Das Zieglerhandwerk wurde von der Balser Regierung bereits Mitte 15. Jh. gefördert. Die ältesten Ziegeleien in den alten Ämtern befanden sich in Gelterkinden – zuständig für Farnsburg und Homburg, hatte die Ämter Waldenburg und Ramstein zu versorgen. Sie waren obrigkeitliche Anstalten und stellten neben Ziegeln auch Backsteine und gebrannten Kalk her. 1614 erhielt das Städtchen Waldenburg zur besseren Versorgung eine eigene Ziegelhütte, 1760 wurde wegen der grossen Nachfrage eine zweite gebaut. Ein spezielles Merkmal der Waldenburger Ziegel ist ihre helle Farbe. Der Wechsel von Stroh-, resp. Schindelbedachung zur harten Ziegeldeckung verlangte neue Dachstühle mit anderer Neigung. Um bei dem kostspieligen Umbau weitere Ausgaben zu sparen, wurden die Ziegel nur einfach statt doppelt verlegt, was weniger Ziegel benötigte. Doppeldeckungen verlangten zudem einen stärkeren Stuhl. Die Ziegeldeckung hat sich in den oberen Ämtern erst im 18. Jh. wirklich durchgesetzt. So standen 1807 in Rothenfluh noch mindestens 16 strohgedeckte Häuser. Bild: Einfach gelegte Biberschwanzziegel, wobei die Fingerstriche das Regenwasser in die Ziegelmitte führen. Die Spalten zwischen zwei Ziegeln müssen mit Federschindeln unterlegt werden.

Kamine Das herkömmliche Prinzip des Rauchhauses mit Rauchküche, einem über der Herdstelle installierten gewölbeartigen Funkenfang (Hurd) aus einem lehmverschmierten Rutengeflecht und frei durchs Dach austretendem Rauch war vorwiegend in Holzhäusern verbreitet und hatte viele Vorteile. So diente der Rauch dem Räuchern von Fleisch und dem Trockenhalten der Fruchtgarben und des Korns. Russ konservierte den Dachstuhl und hielt Ungeziefer fern. Mit zunehmender Versteinerung und Ziegeldeckung kamen im Zuge des besseren Brandschutzes und der Steigerung der Wohnqualität erste geführte Rauchabzüge in ländlichen Bauten auf. Was bereits in mittelalterlichen Burgen vorhanden ist, scheint für Bauernhäuser zu Beginn des 17. Jh. noch selten. Die ältesten Hinweise von Kaminen liefern die Zeichnungen von Hans und Nicolaus Bock aus dem Beginn des 17. Jh. Die über die Dachhaut ragenden Schlote blieben bis weit ins 18. Jh. hinein die Ausnahme. Noch auf den Dorfansichten von Emanuel Büchel sind erst wenige dargestellt. Befunde aus der Mitte des 16. und dem 17. Jh. bezeugen hingegen jeweils einen an den Kaminhut angeschlossenen Rauchkanal, der bereits im Dachraum endete. Der Rauch wurde von da durch spezielle Rauchöffnungen im Giebel abgeleitet. Erst seit dem späten 19. Jh. wurden vermehrt Räucherkammern im Dachgeschoss installiert und die Kamine definitiv über die Dachhaut gezogen. Bild: Bubendorf Hauptstrasse 119, Gasthaus „Rössli“. Diverse Kaminläufe 17.-19. Jh.

11

Kachelöfen Das häusliche Leben der Bauern spielte sich in der Stube, dem oft einzigen beheizbaren Zimmer ab. Der multifunktionale Raum diente dem Wohnen, Arbeiten und Schlafen. Mit dem Einbau eines Kamins und der Abtrennung der Küche vom Eingangsbereich wurden die Wohnräume rauchfrei. Die zwei ältesten in Baselland noch intakten Öfen stammen aus dem 17. Jh. Der Turmofen des Schlosses Wildenstein im Bubendorf mit reliefiertem Rapportmuster stammt aus dem Jahr 1638. Beim Ofen im Gasthaus Rössli in Oberdorf handelt es sich um ein ursprünglich in Augst eingebautes Exemplar von 1699. Es wurde im Zuge der Renovation der Gaststube im Jahr 2000 neu gesetzt. Erst als sich gegen Ende des 18. Jh. und im 19. Jh. durch die Posamenterei ein gewisser Wohltand ausbreiten konnte, wurden die Baselbieter Bauernstuben mit Kachelöfen ausgestattet. Dabei findet sich in den Ortschaften eine relativ homogene Ofenlandschaft vor, deren Vielfalt der Ausführungen in Stadtnähe zunimmt. Das lokale Hafnergewerbe hat lediglich einen geringen Stellenwert erlangt. Einige Öfen stammen von der Hafnerfamilie Strub aus Läufelfingen, die 1790 und 1850 das Zentrum der Oberbaselbieter Kachelproduktion ausmachten. Daneben haben wir Kenntnisse einer Familie Straumann von mit einer Produktion im 18. Jh. (Nelkenmuster). Über die Hafnereien Kunz in Itingen und Senn in Sissach sind keine weiteren Angaben erhalten. Demnach muss es sich beim Hauptbestand der Kachelöfen um Auftragsarbeiten auswärtiger Hafner aus der Stadt Basel oder dem Aargau handeln. Eine Zuordnung und genaue Datierung sind häufig jedoch nicht möglich, da selten Kacheln signiert oder datiert sind. Diverse grüne Öfen (Nelkenmuster) aus dem 19. Jh. stammen zumindest vom Hafnermeister Schmid aus Gipf mit bemalten Kranzkacheln (Fayence) von Maler Hans Egli in Aarau. Bild: Gelterkinden Tecknauerstrasse 17. Ofen von „s’Hafnersjokeb“, dem Läufelfinger Hafner Hansjakob Strub. 1807. Das Nelkenmuster war ab Ende 17. Jh. bis um 1850 die beliebteste Kachelverzierung.

12