POLITISCHER SONDERBERICHT

Projektland: Datum: 06.06.2011

Politische Zeitenwende in Peru Der Linksnationalist Humala gewinnt die Präsidentenwahl

In der Stichwahl am 5.6.2011 haben sich die peruanischen Wähler in knapper Mehrheit für den Ex-Militär und Linksnationalist entschieden. Die rechtskonservative Konkurrentin , die Tochter des Ex-Präsidenten , unterlag somit nur knapp.

Gründe für die Wahl Humalas Die wachsende Unzufriedenheit der armen Bevölkerung, die nicht von dem jahrelangen Wirtschaftswachstum profitiert hat, zeichnet sich durch die anhaltenden Konflikte im Land ab. Die armen Bevölkerungsschichten haben sich für den Linkspopulisten Humala entschieden, da er versprach, die soziale Inklusion durch eine Verteilung des Wirtschaftswachstums voranzutreiben. Es scheint auch, dass viele Führungskräfte der Wirtschaft und Politik nichts aus der Vergangenheit gelernt haben. Als Alan García im Juni 2006 den 2. Wahlgang gegen Ollanta Humala gewann, hob der Präsident des peruanischen Industriedachverbandes (Sociedad Nacional de Industrias – SNI) hervor, dass die Politiker und Unternehmer nun die soziale Inklusion forcieren müssten. Bei Amtsantritt von Alan García hatten sowohl die Politiker als auch die Unternehmer den Slogan „soziale Inklusion“ schnell begraben. Nach fünf Jahren fällt vielen Politikern plötzlich wieder auf, dass die Umverteilung in der aktuellen Regierung leider wieder nicht dementsprechend forciert wurde.

Im zweiten Wahlgang haben am 5. Juni 2011 auch viele der bürgerlichen Mitte Humala gewählt. Ausschlaggebend hierfür war sicherlich, dass der Ex-Präsident Toledo und der peruanische Schriftsteller Humala kurz vor der Stichwahl ihre Unterstützung zusagten. Viele Intellektuelle und Menschenrechtsaktivisten sprachen sich dafür aus, Humala eine Chance zu geben, um eine Rückkehr in die Zeit des autoritären Fujimorismus zu verhindern. In dem Wahlkampf nach dem 1. Wahlgang war auffällig, dass Keiko Fujimori einen doppelten Diskurs wählte: Während sie sich in Kampagnen in der Metropole von ihrem Vater distanzierte, wurde in der Provinz wie z.B. in Puno Wahlkampf explizit mit Bildern des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori praktiziert. Am schwerwiegendsten war sicherlich, dass Keiko Fujimori mit einem Großteil von Fujimoristen zusammenarbeitet, die bereits ihrem Vater während seines Regimes treu zur Seite

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gestanden haben. Rey und sind die Hauptberater von Keiko Fujimori und haben bereits Alberto Fujimori in wichtigen Fragen beraten.

Wahlprogramm von Keiko Fujimori Das Programm der Partei „Fuerza 2011“ ist relativ inhaltsleer. In keinem der 58 Seiten findet sich ein Absatz zur Thematik „Menschenrechte“. Auch wird die Verurteilung des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori aufgrund von Menschenrechtsverletzungen und Korruption zu 25 Jahren Haft an keiner Stelle erwähnt. Der Sprecher der Partei Fuerza 2011, Rafael Rey, erläuterte, dass es logisch sei, dass die Partei die Menschenrechte respektiere, so dass dies nicht expliziert erwähnt werden müsse. Die Praxis der Regierung von Alberto Fujimori hat jedoch das Gegenteil bewiesen. Auffällig ist auch, dass in dem Wahlprogramm keine Aussage zum Militär gemacht wurde. Nach dem Rücktritt Alberto Fujimoris sind fast alle ranghohen Militärs wegen Korruption im Gefängnis gelandet, da auch viele von dem Regime korrumpiert wurden. Auch zum derzeitigen Geheimdienst DINI (Dirección Nacional de Inteligencia) - als Nachfolge des gefürchteten Geheimdienstapparates SIN (Servicio de Inteligencia Nacional) während des Regimes von Alberto Fujimori - werden keine Angaben gemacht. Es finden sich lediglich ein Absatz zu der Thematik „Bürgersicherheit“ und Vorschläge zu Fortbildungsansätzen und Besoldung von Polizisten. Erstaunlicherweise findet man keinen einzigen Vorschlag zur Bekämpfung des Drogenhandels und dem damit verbundenen „Narcoterrorismus“, obwohl Peru Platz 1 in der Kokaproduktion Lateinamerikas belegt. Alles ein Zufall? Keiko Fujimori hatte nach dem 1. Wahlgang deutlich moderatere Töne angeschlagen, in dem sie dem Wahlvolk in Lima entgegenjubelte, dass sie die „Demokratie, die Pressefreiheit und Menschenrechte“ verfechten werde.

Einschränkung der Pressefreiheit Bereits nach dem 1. Wahlgang wurden Journalisten verschiedenster Medien entlassen oder bedroht, wenn sie kritisch über das Regime Alberto Fujimoris und eine eventuelle zukünftige Präsidentschaft seiner Tochter berichteten. Gleiches galt, wenn der Präsidentschaftskandidat Humala zu human dargestellt wurde. Wie im Falle der Journalistin Patricia Montero, die im Jahr 2000 dem Fernsehkanal „Canal N“ einen qualitativen Schub gegeben hatte und nun schnell aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung verabschiedet wurde. Einige Journalisten (z.B. des Radiosenders „Radio Líder“) haben nun von selbst gekündigt. Sie wollten sich nicht den einseitigen inhaltlichen Vorgaben unterwerfen, kritische Kommentare zur Kandidatur Keiko Fujimoris zu unterlassen. Wenn bereits vor der definitiven Entscheidung, wer Präsident wird, solche Einschränkungen der Pressefreiheit zu verzeichnen waren, hatten viele Wähler der bürgerlichen Mitte sicherlich Zweifel, wie es während einer Regierung von Keiko Fujimori ausarten würde.

Wie bekannt wurde die Pressefreiheit während des Regimes von Alberto Fujimori zur reinsten Farce, da viele Verlage aufgekauft wurden und die Meinung von „oben“ diktiert wurde. Zwischen 1998 und 2000 ordnete Fujimori an, dass Montesinos sieben Zeitschriften der Boulevardpresse in Höhe von 22 Millionen USDollar aufkaufte. Folglich ein leichtes Spiel, einen Großteil der Bevölkerung anhand verzerrter

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Darstellung der Wahrheit zu manipulieren. Alberto Fujimori gehört gemäß des „Berichtes zum Stand der Korruption“ weltweit zu den „Top Ten“ der korruptesten Herrscher, nämlich Platz sieben. Der Bericht von Transparency International zeigt deutlich auf, dass Korruption die Entwicklung im Land und die ökonomische Entwicklung hemmt und die Armut erhöht. Keiko Fujimoris Stellungnahme hierzu war knapp und bündig, dass dies keine „objektive Darstellung“ sei. Die Zahlen sprechen jedoch für sich: Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 wurden ca. 6.000 Millionen USDollar aus der Staatskasse entwendet.

Die Rolle der Mitte-Rechts-Parteien und geringe Parteienbindung Versagt haben sicherlich auch die Kandidaten des Mitte-Rechts-Spektrums. Einige Wochen vor dem ersten Wahlgang lag eindeutig Humala bei den Wahlen vorn und an zweiter Stelle Keiko Fujimori. Da geschah der Fehler: Toledo rief die beiden anderen aussichtsreichen Kandidaten PPK (Pedro Pablo Kuczynski) und Castañeda auf, eine Allianz des Mitte-Rechts-Bündnis zu schmieden. Die vereinten Kräfte hätten ausgereicht, in den 2. Wahlgang zu kommen, um als demokratische Allianz den Kandidaten der „Extremen“ die Stirn zu bieten. Jedoch blieb auch dort jeder der beiden anderen Kandidaten (Castañeda und PPK) stur und wollte nicht auf die Kandidatur verzichten. Bereits vor dem ersten Wahlgang war klar, dass Castañeda, PPK und Toledo größtenteils um die gleiche Wählerschaft buhlen. Was dies bei der geringen Parteienbindung in Peru bedeutet, war bereits vor den Wahlen abzusehen. Die Gefahr, dass bei den Präsidentschaftswahlen wieder mal das kleinere Übel siegt, war vorhersehbar. Somit hat sich die bürgerliche Mitte selbst ein Bein gestellt und den Sieg eines Mitte-Rechts-Bündnisses in Peru mit verschuldet.

Auch das Verhalten von Castañeda und PPK hat sicherlich vielen Wählern der gemäßigten Mitte zu denken gegeben. Im letzten öffentlichen Auftritt von Keiko Fujimori vor der Stichwahl waren auch Castañeda und PPK, die im ersten Wahlgang bereits ausgeschieden waren, auf der Wahlkampfbühne vertreten, um ihre Unterstützung anzubieten. Die Präsidentin der PPC, Nano, hielt sich mit einer Empfehlung für die Stichwahl zurück und forderte lediglich auf, die Wahlentscheidung mit Sorgfalt zu prüfen.

Hierbei spielt auch die geringe Parteienbindung der Peruaner eine Rolle. Vor dem 1. Wahlgang gaben 75 bis 80 Prozent der peruanischen Wähler an, dass sie sich keiner bestimmten Partei zugehörig fühlen. Somit ist es auch nachvollziehbar, dass ein Großteil des Wahlvolkes unbeständig ist und demzufolge auch der Ausgang der Wahlen. In dem Nachbarland Brasilien bestätigt die Hälfte der Bevölkerung eine Parteienzugehörigkeit, so dass dies auch eine gewisse Berechenbarkeit für die Wahlprognosen und damit dem Wahlausgang in Brasilien bedeutet. In Mexiko geben 2/3 der Wähler an, dass sie Anhänger einer der nationalen Parteien sind. Wenn ein Großteil der Wähler an bestimmte Parteien gebunden ist, gibt es wenige Chancen, dass sich bei einer Wahl viele für eine Alternative entscheiden. Ganz anders in Peru: Wenn 80 Prozent der Peruaner keine Parteienzugehörigkeit besitzen, so können sich eine große Anzahl von Präsidentschaftskandidaten um die Wähler streiten. Hierbei ist wie im Falle Perus die Gefahr, dass Kandidaten mit ca. 15 bis 20 Prozent sich zu

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aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten herauskristallisieren. Wenn verschiedene Kandidaten zwischen 15 und 20 Prozent liegen, so bedeutet ein Verlust von 7 bis 8 Prozent bereits, dass ein Kandidat – wie im Falle Castañedas – innerhalb von ein paar Wochen von Platz 1 auf Platz 5 rutscht. Im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006 hatte Humala in den jetzigen Wahlen weniger Chancen (er lag 10 Prozent unter den Ergebnissen des Jahres 2006). Die Möglichkeit, wieder in den 2. Wahlgang zu kommen, resultierte nur aufgrund der immensen Parteienfragmentierung in Peru. Es hat sich bei diesen Wahlen auch wieder bewahrheitet, dass die Wähler sich nur an der Person orientieren, so dass Einzelpersonen um die Wahl konkurrieren und keine Parteien. Peru ist schon lange dafür bekannt, dass der Wähler am Wahltag strategisch denkt, wie er wählen kann, damit ein „nicht gewünschter“ Kandidat nicht zum Zuge kommt. Eine Demokratie ohne wirkliche Parteien – wie in Peru - ist dazu verdammt, dass die Wähler zu unberechenbaren Wechselwählern werden.

Erste Reaktionen auf den Sieg Humalas Keiko Fujimori gratulierte Humala zu seinem Erfolg und zeigte sich dialogbereit. Sie betonte, dass der eigentliche Sieger das Land Peru sein müsse. Auch viele lateinamerikanische Staatspräsidenten gratulierten. Chiles Präsident Sebastían Piñera gratulierte als erster südamerikanischer Staatsmann zum Wahlsieg.

Nun muss Humala beweisen, dass er einerseits Peru weiterhin als Standort für Investoren attraktiv gestaltet und andererseits die soziale Inklusion vorantreibt. Dies wird eine schwierige Aufgabe: Das Wahlergebnis hat einen Tag nach der Stichwahl einen historischen Kursrutsch an der Börse in Lima bewirkt. Der Handel wurde an der Börse in Lima vorzeitig abgebrochen, nachdem der Leitindex um 12,45 Prozent abgestürzt war. Die Ungewissheit, welche wichtigen Posten, u.a. der Posten des Wirtschaftsministers, in der Neuen Regierung mit welchen Personen besetzt werden, wirkt sich negativ auf den Markt aus. Deshalb eilt es, dass Humala in den nächsten Tagen sein Team vorstellt, um die Zweifel an der ökonomischen Kompetenz seiner Partei auszuräumen. Viele Peruaner befürchten, dass er die marktwirtschaftliche Öffnung, die dem Land die höchsten Wachstumsraten Lateinamerikas in den letzten Jahren bescherte, rückgängig machen könnte. Nach dem ersten Wahlgang räumte Humala ein, dass er im Falle eines Wahlsieges weder Privatbesitz enteignen werde, noch neue Steuern einführen werde.

Für die Stabilität des Landes ist nur zu hoffen, dass Humala diesen Spagat zwischen einem freundlichen Investitionsklima und der sozialen Inklusion gelingt. Denn eines ist klar, falls das Wirtschaftswachstum rapide sinken würde, gäbe es auch weniger Mittel für die Umverteilung. Die Erwartungshaltung der armen Bevölkerungsschichten ist enorm, so dass Humala überlegt die Umsetzung einer neuen Sozialpolitik angehen muss.

Den hauchdünnen Sieg Humalas hat er der gemäßigten Mitte zu verdanken, die ihm Glauben schenkten, dass sein neues Leitbild Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva sei. Nun muss Humala zeigen, dass er wirklich dem früheren radikal linksnationalistischen Kurs abgeschworen hat. Auf die neue Regierung warten viele Aufgaben, im Besonderen

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auch die Bekämpfung des Drogenhandels. In der Region Cusco machten die Narcoterroristas am Tag der Stichwahlen auf sich aufmerksam, indem sie 5 Soldaten erschossen. Sie sollten die Sicherheit der Wahlen in der Provinz „La Convención“ garantieren und fielen dort einem Racheakt der Narcosenderistas zum Opfer.

Bettina von Dungen

Die Autorin ist Auslandsmitarbeiterin in Lima, Peru

IMPRESSUM Erstellt: 06.06.2011 Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.V., Copyright 2011 Lazarettstr. 33, 80636 München Vorsitzender: Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.D., Senator E.h. Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf Verantwortlich: Christian J. Hegemer, Leiter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit Tel. +49 (0)89 1258-0 | Fax -359 E-Mail: [email protected], www.hss.de

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