Programmheft / Layout in Doppelseiten
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3. MITTWOCHSKONZERT 2020/2021 10. Februar 2021 Konzert ohne Publikum im Saal STUDIO 1 IM FUNKHAUS Direktübertragung im Hörfunk auf BR-KLASSIK und als Audiostream über br-klassik.de 20.05 Uhr: Musik und Gespräch. 20.30 Uhr: Konzert live aus dem Studio 1 Das Konzert kann anschließend 30 Tage nachgehört werden: rundfunkorchester.de/konzerte-digital br-klassik.de/programm/radio NOTTE ITALIANA Krassimira Stoyanova SOPRAN – ARTIST IN RESIDENCE Maximilian Maier MODERATION Münchner Rundfunkorchester Georg Stein LEITUNG PROGRAMM ALEXANDRA MARIA DIELITZ NOTTE ITALIANA Spukende Bräute, giftige Veilchen und tödliche Lawinen GIACOMO PUCCINI (1858–1924) PIETRO MASCAGNI (1863–1945) „Le Villi“ „Cavalleria rusticana“ Opera ballo in zwei Akten Melodramma in einem Akt Alfredo Catalani war ein ausgesprochen abgelenkten Schiffer ins Verderben lockt Orchesterarrangements: Orchesterarrangement: germanophiler Künstler, obwohl südli- – dieser Stoff war eine „Steilvorlage“ für Andreas Kowalewitz Andreas Kowalewitz che Gefilde seiner Gesundheit – er starb einen Komponisten, der sich von über- 39-jährig an Tuberkulose – wohl zuträg- sinnlichen Erscheinungen der deutschen Vorspiel zum I. Akt Intermezzo sinfonico licher gewesen wären. Wie Komponisten- Romantik weit mehr angezogen fühlte für Orchester für Orchester kollege Puccini stammte er aus Lucca als vom naturalistisch geprägten italieni- „La tregenda“ („Der Hexensabbat“) und studierte in Mailand, wo er sich als schen Verismo. Auch musikalisch orien- aus dem II. Akt FRANCESCO CILEA (1866–1950) Mitglied der antibürgerlichen Künstler- tierte sich Catalani an Meistern wir Carl für Orchester gruppe der „scapigliati“ („Zerzausten“) Maria von Weber oder Richard Wagner, „Adriana Lecouvreur“ mit französischer und deutscher Litera- was seiner symphonischen und farben- „Se come voi piccina io fossi“ Commedia-dramma in vier Akten tur auseinandersetzte. Vermutlich begeg- reichen Orchesterbehandlung anzuhören Szene und Romanze der Anna Orchesterarrangement: nete ihm in diesem Dunstkreis Heinrich ist. Die duftig geisterhafte, harfenrau- aus dem I. Akt Andreas Kowalewitz Heines berühmte Loreley: Die schöne schende Danza delle ondine (Tanz der Nixen) Nixe, die auf einem Felsen hoch über dem aus seinem Bühnenwerk Loreley vermit- „Ecco: Respiro appena“ – Rhein sitzt und durch ihren Gesang die telt zugleich Schönheit und Unberechen- GIOACHINO ROSSINI (1792–1868) „Io son l’umile ancella“ Romanze der Adriana aus dem I. Akt „La danza“ Tarantella napoletana Bearb.: Leopold Zeitlberger ALFREDO CATALANI (1854–1893) „Loreley“ GIACOMO PUCCINI (1858–1924) Azione romantica in drei Akten „Tosca“ „Danza delle ondine“ („Tanz der Nixen“) Melodramma in drei Akten aus dem III. Akt Orchesterarrangement: Caterina Calderoni „La Wally“ Dramma lirico in vier Akten „Vissi d’arte, vissi d’amore“ Orchesterarrangements: Arie der Tosca aus dem II. Akt Andreas Kowalewitz Vorspiel zum IV. Akt für Orchester „Ebben? Ne andrò lontana“ Der Komponist Alfredo Catalani fühlte sich von Themen aus der deutschen Romantik sehr angezogen, Arie der Wally aus dem I. Akt wie er mit seinen Opern Loreley und La Wally bewies. 2 3 NOTTE ITALIANA NOTTE ITALIANA barkeit dieser Wasserwesen. Denn auch reits die Wahl ihres Haustieres schließen: wenn wir in der Oper die psychologische Die stolze Hoferbin Walburga Strommin- Motivation der Loreley erfahren (sie wurde ger hält sich einen Lämmergeier in der einst von ihrem Geliebten verraten), bleibt guten Stube und macht auch sonst vieles die Wirkung der betörenden Sirene auf anders, als man es in den Ötztaler Alpen das männliche Geschlecht verheerend. gewohnt ist. Dass Catalani es mit der Ört- lichkeit musikalisch nicht so genau Im 20. Jahrhundert machte die Geier- nahm, beweist die Tatsache, dass er die Wally Karriere im volkstümlichen Heimat- berühmte Arie „Ebben? Ne andrò lontana“ film. Doch schon kurz nach seinem Er- der Titelheldin von La Wally Jahre zuvor scheinen war der gleichnamige Erfolgs- als Chanson groenlandaise komponiert hatte. roman der Münchner Autorin Wilhelmine Aus toskanischem Blickwinkel sind Grön- von Hillern in acht Sprachen übersetzt land und Tirol wohl ähnlich wüste Ge- und 1887 in Fortsetzungen in einer italie- genden, und tatsächlich kündigt Wally nischen Tageszeitung abgedruckt worden. hier ihren Rückzug auf die einsame Und wieder war Catalani fasziniert von Hochalm an: Den vom Vater ausersehenen einer Frau, die der ultramontanen Män- Mann heiraten? Niemals – lieber lebt sie nerwelt gefährlich wird. „Schrankenlos allein auf dem Gletscher, der sich im Vor- war ihr Mut und ihre Kraft, schroff und spiel zum IV. Akt durch gleichsam er- Le Villi. Gemälde von Bartolomeo Giuliano (1906) unzugänglich ihr Sinn“ – darauf lässt be- starrte Flötenakkorde ins Bild schiebt. Doch Wallys Herz schlägt immer noch für den feschen Hagenbach, auch wenn Giacomo Puccini startete seine Karriere Ein Beispiel ist das Intermezzo vor dem sie ihm zeitweise nach dem Leben trach- ebenfalls mit einem Abstecher in die zweiten Teil, ein entfesselter Auftritt der tete. Und als sich trotz dieses kleinen deutsche Romantik: Der seit Jahren im jungfräulichen Geisterwesen (Hexensabbat). Missverständnisses endlich das große Lie- Pariser Exil lebende Heinrich Heine hatte Wie bei Adolphe Adam starben sie an ge- besglück ankündigt, lassen Catalani und 1835 durch seine Schrift De l’Allemagne brochenem Herzen, weil sie von ihrem Librettist Luigi Illica eine tödliche Lawine seine neuen Landsleute mit der Sage der Bräutigam verlassen wurden. Es handelt durchs Happy End rollen. Das Publikum Willis vertraut gemacht. Dort beschrieb sich also – ähnlich wie bei den Loreley- bei der Mailänder Uraufführung 1892 er sie als „Bräute, die vor der Hochzeit Nixen – um eine pauschale Rache am un- jubelte über das exotische Schnee-Finale gestorben sind“ und im Grab keine Ruhe getreuen Männergeschlecht. Das Gesche- von La Wally, Pultlegende Arturo Tosca- finden können. Denn die „Tanzlust, die hen verlegten Puccini und sein Librettist nini war so beeindruckt, dass er eine sei- sie im Leben nicht befriedigen konnten“, Ferdinando Fontana von der Rheingegend ner Töchter nach der heroisch-halsstarri- treibt sie allnächtlich in die Welt zurück, in den Schwarzwald, der auf Italienisch gen Protagonistin benannte. wo sie junge Männer buchstäblich zu als „Foresta nera“ schon klanglich düstere Tode tanzen. Ganz klar ein Stoff fürs Assoziationen weckt. Dabei wirkt die Tanztheater, weshalb bis heute Adolphe Ouvertüre noch denkbar harmlos und Adams Ballett Giselle ou Les Willis von schildert die pastorale Idylle um das Förs- 1841 als berühmteste Version der Sage terhaus von Annas Vater. Als Roberto un- gilt. Puccini wiederum bezeichnete sein mittelbar nach der Verlobung mit Anna erstes Bühnenwerk Le Villi als „Opera nach Mainz reisen muss, legt ihm seine Catalanis Oper La Wally basiert auf dem Roman Die Geier-Wally (1873) der deutschen Schriftstel- ballo“, da Tanznummern bei diesem beunruhigte Braut ein Sträußchen Ver- lerin Wilhelmine von Hillern. Stoff natürlich handlungsrelevant sind. gissmeinnicht in den Koffer (Arie „Se come 4 5 NOTTE ITALIANA NOTTE ITALIANA seinen ersten und leider auch einzigen römischen Polizeichef Scarpia: Um die Welterfolg landen sollte: Pietro Mascagni! schöne Sängerin Floria Tosca in seine Seine Cavalleria rusticana gilt als Inbe- Arme zu zwingen, schreckt er selbst vor griff des Verismo. Deutsche Nebelschwa- der Verhaftung und Folterung ihres Lieb- den weichen der Sonne Siziliens, roman- habers Mario Cavaradossi nicht zurück. tische Märchenwesen einer archaischen Angesichts dieser zynischen Machtkalku- Dorfgesellschaft. Das berühmte Intermezzo lation bricht Toscas ästhetisch-morali- sinfonico schildert einen friedlichen Oster- sches Weltbild zusammen: Wie kann sie, morgen mit frommen Kirchgängern, die immer nur der Liebe, der Kunst und doch Vorsicht: Eifersucht, Verzweiflung dem Glauben lebte, mit einem solch aus- und die unerbittliche „Bauernehre“ – so weglosen Schicksal „belohnt“ werden die deutsche Entsprechung des Titels – („Vissi d’arte, vissi d’amore“)? Die naive spinnen bereits ein mörderisches Netz. Fassungslosigkeit dieser Arie lässt kaum Das Messer sitzt oft recht locker dort, vermuten, dass Tosca ihrem Peiniger we- „wo die Zitronen blüh’n“. nig später ein Obstmesser in die Brust rammen und ihn mit einem heiseren Auch Puccini ließ bald die Naturgeister „Muori, dannato!“ („Stirb, Verdammter!“) hinter sich, um sich in seiner Oper Tosca ins Jenseits schicken wird. Man gönnt es blutvolleren Charakteren des „echten ihm, und Mord auf offener Bühne gehört Lebens“ zuzuwenden. Etwa dem grausa- schließlich zu den dramaturgischen men, triebhaften und hinterhältigen „Errungenschaften“ des Verismo. Giacomo Puccini (1858–1924) Pietro Mascagni (1863–1945) voi piccina io fossi“). Die Blümchen haben Jury sich offenbar nicht die Mühe machte, nicht den erwünschten Erfolg, denn in das unleserliche Manuskript zu entziffern. Mainz wird Roberto von einer „Sirene“ Dem gut vernetzten Arrigo Boito – Mai- zu einer „Orgie“ verführt – ein Sachver- länder Literat, Komponist und später halt, über den das Opernpublikum leider Verdis kongenialer Librettist – ist es zu nur durch einen Erzähler informiert wird. verdanken, dass die Willis bis heute nicht Jedenfalls vergisst er seine Anna recht nur in verstaubten Schubladen spuken. gründlich und kehrt erst nach ihrem Tod Er begeisterte einflussreiche Sponsoren in den Schwarzwald zurück, wo die Willis für das bei Sonzogno durchgefallene ihm bereits auflauern. Es heißt „Damen- Werk, das sich somit im Mai 1884 auf