<<

Brennpunkt Media Stadt der Verleger

um ihr Image zu bemühen,heißt es in den Lokalgazetten.Fast noch ALLEN UNKEN- bedeutsamer ist der Plan, die Kultur- und Musikwirtschaft in zu pflegen. So wird es bald eine neue Philharmonie,ein Entertainment-Center und ein Musikgründerzentrum geben. RUFEN ZUM Doch blicken wir ein Stück weit zurück: Untrennbar mit der Stadt verbunden sind die Printmedien. 1830 wurde Hamburg als „Deutschlands zeitungsreichste Stadt“ bezeichnet.Nicht weniger TROTZ: HAMBURG als siebzig Zeitungen hat es dort gegeben.Die zweite Zeitungsblüte entstand nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Kontrolle der alliierten Siegermächte. Zu den in dieser Zeit lizenzierten Titeln IST DER MEDIEN- gehören viele der heute noch erscheinenden Zeitungen und Zeit- schriften:„Stern“,„Der Spiegel“,„“,„“ und andere. Getragen wurden diese Publikationen von herausragenden STANDORT Journalisten-Unternehmer- und Verlegerpersönlichkeiten: , Henri Nannen, , John Jahr, Heinrich Bauer, Thomas Ganske, Gerd Bucerius – um nur einige zu nennen. NUMMER EINS. Diese Personen machten Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg zum größten bundesdeutschen Zeitschriften- und Zeitungsplatz. ZWEIFELSOHNE – HAMBURG ÜBT AUF VERLEGER Doch welches Bestreben hatten die Verleger? War „Zeitungmachen“ und Journalisten noch immer einen größeren Reiz aus als . damals die Lizenz zum Gelddrucken? In der Tat glaubte man das, Die Diskussion um die stärker werdende Resonanz der Bundes- sofern man von der britischen Besatzungsmacht die Erlaubnis dazu hauptstadt für Kreative,Film, und Fernsehen ändert zunächst erhielt.Doch was die Verleger antrieb,war die Motivation,die Politik einmal nichts an dem Image,das die Hansestadt als Medien- und in die eigenen Hände zu nehmen.„Vor 1933 hatten wir Politik und Verlagszentrum hat.Bundesweit vereinigt Hamburg die höchsten Zeitungen anderen überlassen – das war schief gegangen.Diesmal Beschäftigtenzahlen in der Medienwirtschaft auf sich.Mit 61 326 meinten wir, selber Hand anlegen zu müssen“, schrieb Gerd Arbeitsplätzen verteidigt Hamburg seinen Spitzenplatz vor Berlin Bucerius,Herausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“,41 Jahre später (58 886), München (53 230) und Köln (37 850). Das geht aus einer in einem Bericht. Und weiter: „Dass man mit Zeitungen Geld Studie des BAW-Instituts für Wirtschaftsforschung in Bremen hervor. verdienen – und verlieren – konnte, das ist uns wohl allen damals Die Handelskammer hat in ihrer Halbjahresbilanz 12 392 Medien- nicht in den Sinn gekommen.“ Unternehmen gezählt. Sicherlich ist die Stadt nicht in wirklich allen Bereichen führend: ALS „STURMGESCHÜTZ DER DEMOKRATIE“ In Köln und München sitzen mehr TV-Sender, in Berlin mehr verstand der Publizist und Verleger Rudolf Augstein sein Nach- Kinofilmproduzenten und Buchverlage. Doch Hamburg hat die richtenmagazin „Der Spiegel“ – insbesondere in den 50er- und 60er- größte Breite an Top-Unternehmen und Kreativagenturen. Jahren, als der „Spiegel“ innenpolitische Skandale aufdeckte. Und vor allem: Fast 50 Prozent der Marktanteile der deutschen Exemplarisch dafür ist die so genannte „Spiegel-Affäre“ 1962. Publikumspresse werden von den drei Hamburger Großverlagen Journalisten des Nachrichtenmagazins wurde die Veröffentlichung Bauer,Springer und Gruner + Jahr gehalten.Schätzungen zufolge militärischer Geheimnisse vorgeworfen. Die „Spiegel-Affäre“ erwirtschaftet die Medienwirtschaft einen Umsatz von jährlich entfachte die Debatte um die Pressefreiheit, aus der sie nach 25 Milliarden Euro.Für Wirtschaftssenator Gunnar Uldall sind das Fakten,die dafür sprechen,dass Hamburg vital und leistungsfähig ist. Viel Zeit zum Ausruhen hat die Stadt nicht. In den ver- gangenen drei Jahren musste der Senat einige Rück- schläge verkraften:Der Umzug des Musikverlags Universal und des Phonoverbands an die Spree,die Niederlage bei der Olympia-Bewerbung sowie die Entscheidung, dass AXEL SPRINGER (L.) Gründer der „“ der Schallplattenpreis „Echo“ in Berlin bleibt. Groß- ereignisse wie die Bambi-Preisverleihung und die World RUDOLF AUGSTEIN Awards seien erste Schritte der Stadt, sich wieder aktiv „Spiegel“-Herausgeber

118 absatzwirtschaft Sonderheft 2004 Brennpunkt Media Stadt der Verleger

Brandstwiete.Nicht allein der Umzug war damals das wirkliche Ereignis, sondern das schrille Interieur, gestaltet vom dänischen Architekten und Designer Verner Panton. Der Zeit-Verlag, Heimat von Deutschlands größter DR. GERD BUCERIUS (L.) meinungsbildender Wochenzeitung „Die Zeit“, liegt Mitbegründer „Die Zeit“ mitten im Zentrum. 1968 übernahm Marion Gräfin Dönhoff die Chefredaktion,die mit dem Herausgeber HENRI NANNEN Gerd Bucerius in engem Kontakt stand und die „Stern“-Erfinder Weichen für das Blatt stellte. Nach dem Tod des Verlegers Gerd Bucerius erwarb die Holtzbrinck- heutiger Sicht gestärkt hervorging.Dieser Fall macht deutlich,dass Gruppe aus Stuttgart den Zeit-Verlag. die Macht der Regierung in einem demokratischen Staat – zumin- Direkt an der Elbe steht das Gebäude von Gruner + Jahr.Der Verlag dest in diesem Fall – Grenzen hat. zog 1990 vom so genannten „Affenfelsen“ an der Alster in einen Der Generationswechsel brachte es mit sich, dass in den meisten futuristisch anmutenden Stahlkomplex, der an zwei miteinander Großverlagen heute der managementgeführte Unternehmenstypus verbundene Schiffe erinnert. Europas größter Zeitschriftenverlag vorherrscht.Das von den Gesellschaftern eingesetzte Management gibt rund 120 Titel in mehr als zehn Ländern heraus. Zu den nimmt die Verlegerrolle wahr.Also nicht in der Vollverantwortung populären Titeln gehören „Stern“,„Gala“,„Geo“ und „Brigitte“. als Eigentümer,sondern als Vorstand oder Geschäftsführer.Verle- Der Heinrich Bauer Verlag, 1874 als Druckerei gegründet, ist der ger zu sein muss heute nicht unbedingt eine Lebensaufgabe sein. älteste Großverlag in Hamburg.Bauer produziert 120 Zeitschriften Die Verweildauer ist begrenzt, und die Anforderungen sind ge- in 13 Ländern.35 Titel werden in Deutschland publiziert,insbesondere wachsen. Sie verstehen viel vom Sparen, von Innovationen ist die Fernseh- und unterhaltende Frauenzeitschriften („Maxi“, „Neue Rede und von Direktmarketing, nicht zu vergessen das Bestreben Revue“,„Neue Post“,„TV Hören und Sehen“,„TV Movie“,„Auf einen nach internationaler Expansion.Die Verlage stehen heute sicherlich Blick“). Hier zu Lande liegt in jedem zweiten Haushalt eine nicht vor größeren Herausforderungen als die Verleger damals.Neu „Bauer“-Zeitschrift. hingegen ist die Schnelligkeit, mit der sich neue Vermarktungs- „Bild“ – Europas meistverkaufte Tageszeitung – stammt aus dem möglichkeiten ergeben. Doch Vermarktungsmaschinen seien Axel Springer Verlag. Das Zeitungshaus hat seine Keimzelle und Verlage nicht,betonte Dr.Martin Schuster,Vorstandsmitglied der eine Verlagszentrale in Hamburg,der Unternehmenssitz liegt jedoch Gruner + Jahr AG, in einem Interview im September dieses Jahres in Berlin. (www.absatzwirtschaft.de/communication). An der Außenalster residiert der Jahreszeiten-Verlag, der zur Auch der Technologie-Schub setzt die Verlage unter Druck. Es ist Ganske-Gruppe gehört, und sich auf Zeitschriften wie „Für Sie“, eine Frage der Zeit, bis der faltbare Bildschirm kommt, der sich „Feinschmecker“ u.a.konzentriert.Nicht weit davon entfernt liegt wie ein Handy in jeder Jackentasche verstauen lässt. das moderne Gebäude der Verlagsgruppe Milchstraße.Schon wegen der schönen bunten Kuh-Plastiken hinterlässt der Verlag bei TYPISCH FÜR DIE HAMBURGER VERLAGE sind Passanten einen bleibenden Eindruck. Zu den populären Titeln ihre Netzwerke und ihre Beteiligungsbereitschaft. Und den gehören „TV-Spielfilm“,„Max“,„Tomorrow“ und „Fit For Fun“. Kampf um den Werbekuchen nehmen die Verlage betont sportlich. Wenn auch der Löwenanteil des Umsatzes im Hamburger Verlags- Der Konzern ist zu drei Viertel an dem Verlagshaus gewerbe auf die Großen entfällt, so sind die Verlage von Spezial- Gruner + Jahr beteiligt, dem wiederum ein Viertel des „Spiegel“ und Fachzeitschriften wie der Paul Parey Verlag mit den Titeln „Wild gehört. Der Spiegel-Verlag besitzt eine Tochtergesellschaft, und Hund“,„Fisch & Fang“ und „Reiter Revue“ oder der Seehafen die das „“ herausgibt.Der Verlag Gruner + Jahr Verlag („Schiff & Hafen“) nicht zu vernachlässigen. und die „Zeit“ unterhalten gemeinsam die Henri-Nannen-Journa- Als Zulieferer der Redaktionen stehen in der Hansestadt zahlreiche listenschule – benannt nach dem „Stern“-Gründer. Die meisten Presse- und Informationsdienste wie die Deutsche Presseagentur Verlage sitzen an der Elbe und an der Alster. Augsteins Erbe „Der dpa,Text- und Bildagenturen zur Verfügung. Erfolgsgeschichten Spiegel“ ist für Bahnreisende kaum zu übersehen.Im Januar 1969 schreiben auch die Buchverlage (Hoffmann und Campe, Carlsen zogen Verlag und Redaktion des Hamburger Nachrichten- Verlag, Rowohlt-Verlag). Doch wichtiger als die Namen der Magazins aus dem Backstein-Block am Speersort in den neuen, Unternehmen sind die Menschen,die dort arbeiten,und der Hafen, erheblich helleren und modernen Glasturm des Hamburger ein allseits beliebter Treffpunkt für die Medien-Community.  Architekten Werner Kallmorgen an der Ecke Ost-West-Straße/ Sandra Fösken

120 absatzwirtschaft Sonderheft 2004