Kompositorische Auseinandersetzung Mit Schallaufzeichnung, 1900–1930
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Jenseits einer Reihe ‚tönender Punkte‘ Kompositorische Auseinandersetzung mit Schallaufzeichnung, 1900–1930 Dissertation zu Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg vorgelegt von Ralph Kogelheide Hamburg 2017 Vorsitzender der Prüfungskommission: Prof. Dr. Oliver Huck Erstgutachter: Prof. Dr. Oliver Huck Zweitgutachter: Prof. Dr. Friedrich Geiger Tag der mündlichen Prüfung: 19. September 2017 Vorwort Ich danke Prof. Dr. Oliver Huck, der diese Arbeit von Anfang an mit großer Offenheit und vielen Anregungen begleitet hat und bei dem ich zu jeder Zeit eine offene Tür gefunden habe. Ebenfalls danke ich Prof. Dr. Ivana Rentsch und Prof. Dr. Friedrich Geiger für die vielen hilfreichen Gespräche und Anregungen. Darüber hinaus möchte ich mich für die Unterstützung bedanken bei Dr. Martin Elste und Dr. Werner Grünzweig, Tobias Reichard und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Doktorandenkolloquiums am Institut für Historische Musikwissenschaft der Universität Hamburg. Diese Arbeit wäre ferner in dieser Form nicht zustande gekommen ohne die Hilfe zahlreicher engagierter Archi- vare, privater Schallplattensammler und Diskographen. Der größte Dank gilt meiner Frau für ihr Vertrauen in mich, ihre Begeisterung für dieses Projekt und die Unterstützung dabei, nie das Ziel aus den Augen zu verlieren. Inhalt Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. 7 Einleitung ......................................................................................................... 9 . Für und Wider ein „Aufschreibesystem von in der Musik ..................................................................................................... 23 2. Institutionalisierung, sozialer Ort und Repertoire der Schallplatte (1900–1930) ....................................................... 37 3. Originalkompositionen für die Gramophone Company, Fonotipia und Pathé (1900–1912) .................................................................. 59 4. Schallaufzeichnung in der Debatte um die „Mechanisierung der Musik .................................................................... 91 5. Schallaufzeichnung im Musiktheater und als Schauspielmusik ................................................................................ 121 6. Kompositorische Rezeption via Schallaufzeichnung ............................. 141 7. Der Gesang der Nachtigall und die Kunstfähigkeit der Schallaufzeichnung......................................... 163 Zusammenfassung .......................................................................................... 191 Anhang ............................................................................................................. 195 Online-Ressourcen und Datenbanken .......................................................... 213 Verzeichnis der zitierten Aufnahmen .......................................................... 215 Verzeichnis der zitierten Noten .................................................................... 223 Verzeichnis der zitierten Quellen ................................................................. 227 Verzeichnis der zitierten Literatur ................................................................ 235 Abkürzungsverzeichnis Arnold Schönberg Center, Wien A-Was Biblioteca cantonale di Locarno, Locarno CH-Lobc Akademie der Künste, Berlin D-Bda Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Dresden D-Dl Institut für Historische Musikwissenschaft, Hamburg D-Hmi Deutsches Musikarchiv, Leipzig D-LEdm Bayerische Staatsbibliothek, München D-Mbs Det Kgl. Bibliotek, Aarhus DK-A Bibliothèque nationale de France, Paris F-Pn EMI Archives, Hayes GB-EMI British Library, London GB-Lbl Biblioteca musicale Gaetano Donizetti, Bergamo I-BGi Biblioteca comunale di Milano, Mailand I-Mcom Biblioteca del Conservatorio di Musica Santa Cecilia, Rom I-Rsc Biblioteca della Fondazione Ugo e Olga Levi, Venedig I-Vlevi New York Public Library, New York US-NYpl UC Santa Barbara Library, Santa Barbara US-SB Library of Congress, Washington D.C. US-Wc Matrizennummer Mx. Nr. Katalognummer Kat. Nr. 7 8 Einleitung In dem Foxtrott Die zerbrochene Schallplatte (1929) des dänischen Komponisten Laurits Howalt wird mit musikalischen Mitteln das ‚Springen einer Schallplatte nachgeahmt. Die Komplimente, die der Protagonist seinem „Fräulein Irma mit- hilfe der Schallplatte machen wollte, verkehren sich dabei in unschmeichelhafte Tiernamen. Weil ich fühl Sympathie und noch mehr für Fräulein Irma, kauft ich ihr ein Grammophon. Dann erwarb ich für sie eine Platte bei ner Firma mit dem Schlager der Saison. Ich brachte ihr die Platte hin, doch leider war ein Sprung darin. Als erfreut meine Maus schnell die Platte spielen ließ, da klang es aus dem Trichter raus: ‚Reizendste, gestatten, es spricht für mich diese kleine Platte: ‚Ich liebe dich. Du bist – das weiß ich, eine ganz, eine ganz, eine ganz, eine ganz gescheite Kleine. Ich wünsch mir schon lange allein für mich gerad eine solche cou-, solche cou-, solche cou-, solche cou-, solche couragierte, nette, Kleine, solches schaf-, solches schaf-, solches schaf-, solches schaffensfreudige Ding wie dich. Drum sei nett ein bisschen, mein liebes Kind und gib mir ein Küsschen – geschwind.1 1 Der deutschsprachige Text von Theo Halton wurde transkribiert nach der Schallplatteneinspielung von Max Hansen mit Paul Godwin Tanz Orchester, Die zerbrochene Schallplatte (Howalt/Halton), Grammophon 23170, Mx. Nr. 2337 BH VI, (D-LEdm [ohne Signatur]). 9 Der Foxtrott antizipiert das Prinzip der geschlossenen Rille, das Pierre Schaeffer gegen Ende der 1940er Jahre zum zentralen Kompositionsverfahren der frühen Musique concrète machte, ohne dafür überhaupt eine Schallplatte zu benötigen. Stattdessen wird aus dem akustischen Effekt, der beim Abspielen einer defekten Schallplatte entsteht, eine musikalische Form, die musikalische Metrik und sprachliche Semantik unterläuft und augenscheinlich keinem schriftbasierten Musikdenken entstammt. Mit der analogen Schallaufzeichnung trat neben mündliche Tradierung und musikalische Schriftlichkeit ein drittes Verfahren zur Überlieferung von Musik.2 Liest man die einschlägigen Musikgeschichten des 20. Jahrhunderts, so betrifft das den Fortgang der Musikgeschichte allerdings nur eingeschränkt – indem nach 1950 die elektronische Musik eine kurze Blüte erlebte und sich die Rezep- tion musikalischer Werke veränderte.3 „Das Medium der musikalischen Reflexion [...] ist die Schrift.4 Prämissen wie diese haben dazu geführt, dass die Historische Musikwissenschaft bislang kaum nach der Bedeutung von mündlicher Tradierung oder Schallaufzeichnung für die kompositorische Arbeit gefragt hat. Hinzu kommt, dass die traditionellen musikanalytischen Methoden im Umgang mit nicht-schriftlich überlieferter Musik weitgehend unbrauchbar und Zeugnisse über die Bedeutung mündlicher 2 Thomas Forrest Kelly nennt musikalische Notation „a system to capturing sound und liest folgerichtig schriftliche Überlieferungen als „recordings. Er beabsichtigt damit, Notenschrift als eine technologische Errungenschaft zu würdigen, die es ermögliche, musikalische Informationen über ein Jahrtausend hinweg zu übertragen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Klangaufzeichnung mithilfe einer mit Symbolen operierenden Notenschrift unmöglich ist, vgl. Thomas Forrest Kelly, Capturing Music. The Story of Notation, New York 2015, S. 4f. 3 Vgl. Hermann Danuser, Die Musik des 20. Jahrhunderts (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft 7), Laaber 1984, hier S. 315–328 und Richard Taruskin, The late twentieth century (= The Oxford history of western music 5), Oxford 2005, hier S. 175–220. Zur veränderten Rezeption von Musik siehe die Überblicksdarstellung von Nils Grosch, „Medienwelten, in Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1900–1925 (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert), hrsg. von Siegfried Mauser und Matthias Schmidt, Laaber 2005, S. 201–. Grosch benennt zwar auch „Rückkopplungen auf das Musikleben etwa im Rahmen der Neuen Sachlichkeit (hier S. 219–227), diagnostiziert aber schlussendlich eine „prinzipielle Medienskepsis bei Komponisten, Musikritikern und -wissenschaftlern. 4 Carl Dahlhaus, „Über den Zerfall des musikalischen Werkbegriffs, in ders., 20. Jahrhundert. Historik, Ästhetik, Theorie, Oper, Arnold Schönberg (= Gesammelte Schriften 8), hrsg. von Hermann Danuser, Laaber 2005, S. 231–243, hier S. 237. 10 Tradierung für die kompositorische Arbeit naturgemäß selten sind. Schallauf- zeichnung hat hier dagegen deutlich sicht- und hörbare Spuren hinterlassen.5 Sie sind Untersuchungsgegenstand dieses Buches, in dem nach der kompositori- schen Auseinandersetzung mit Schallaufzeichnung zwischen 1900 und 1930 ge- fragt wird. Das Forschungsinteresse zielt explizit auf die musikalische Produk- tion. Schallaufzeichnung in ihrer Funktion als Reproduktionsmedium wird im Folgenden nur am Rande thematisiert. Schallaufzeichnung meint zwischen 1900 und 1930 vor allem die Schallplatten- aufnahme und deren Wiedergabe durch ein Grammophon. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts und insbesondere in der musikethnologischen Forschung spielte ferner der Phonograph eine Rolle, bei dem die Schallaufzeichnung auf einem Zylinder erfolgt. Äußerst eingeschränkt relevant sind innerhalb dieses Zeitraums die Aufzeichnung auf Tonband bzw. -draht sowie das Lichttonver- fahren. Die Schallaufzeichnung erfolgt bei all diesen Verfahren ähnlich – zumin- dest im Gegensatz zu Notenschrift –, weshalb generelle Aussagen über