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Editorial

,,Austria docet" überschreibt Prof. Dr. ,,Austria docet" Kurt Ganzinger seinen Beitrag für die vierte Ausgabe 1991 der „Geschichte Über einige Beiträge Österreichs zur Entwicklung der Pharmazie." der Pharmazie und des Apothekenwesens Hier darf erinnert werden, daß vor nunmehr 65 Jahren, am 18. August 1926, in Hall bei Innsbruck die Gesell­ Von Kurt Ganzinger, Wien schaft für Geschichte der Pharmazie gegründet worden ist. Sie wählte zu ) ( ihrem ersten Vorsitzenden den Öster• reicher Ludwig Winkler, nach seinem Im Oktober 1925 fand in Wien der „1. Kongreß der Internationalen Union ange­ Tode 1935 folgty wiederum ein Öster• stellter Apotheker" statt. Als im Verlauf der Tagung der Präsident der Union dem reicher, Ludwig Kofler. „Pharmazeutischen Reichsverband für Österreich" für die geleisteten Vorarbeiten Wichtige Veröffentlichungen der jun­ dankte und zugleich auch Iriit höchstem Lob die damals bereits in Österreich für gen Gesellschaft hatten österreichische die angestellten Pharmazeuten erzielten Errungenschaften auf beruflichem, wirt­ Themen. Der dritte Internationale schaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet würdigte, tat er dies mit den Worten Kongreß der Gesellschaft fand vom 14~ ,,Austria docet". - Rückschauend läßt sich dieser Ausspruch nicht weniger tref­ bis 17. Mai 1931 in Wien statt. Nach fend auf vorbildliche Entwicklungen anwenden, die sich in Österreich schon in den 1945, nun als Internationale Gesell­ Jahrzehnten um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in mehrfacher Hinsicht schaft für Geschichte der Pharmazie, sind drei Kongresse in Österreich abge­ im Bereich der Pharmazie und des Apothekenwesens vollzogen haben, die später halten worden. Vom 12. bis 16. Sep­ aber im Lande selbst weitgehend in Vergessenheit gerieten und die in ihrer überre• tember 1951 in Salzburg, vom 21. bis gionalen Bedeutung bis heute nicht voll erkannt worden sind. 25. September 1961 in Innsbruck und erneut vom 7. bis 11. Juni 1977 in Inns­ bruck. Die in Hall bei Innsbruck gelegte teressen höchst wirkungsvoll vertreten, „Saat" der Pharmaziegeschichte ist I. bis er 1938 nach der Vereinigung heute in vielen Ländern, neben eigen­ In Wien kann heuer der „Pharmazeuti­ Österreichs mit dem Deutschen Reich ständigen Entwicklungen wie in Frank­ reich, aufgegangen. sche Reichsverband für Österreich" auf aufgelöst wurde und erst seine Tä• 1946 Zahlreiche Wünsche bleiben trotzdem sein hundertjähriges Bestehen zurück• tigkeit wieder aufnehmen konnte. seit Jahrzehnten offen: So ist es trotz blicken. Gegründet im Jahr 1891 als Als Vereinsorgan und Fachzeit­ eines Beschlusses der Hauptversamm­ ,,Allgemeiner österreichischer Apothe­ schrift diente von 1896 bis 1906 der lung in im September 1963 ker-Assistenten-Verein", nahm er 1896 „Pharmazeutische Reformer" und von nicht gelungen, wenigstens für Europa den Namen „Allgemeiner österreichi• 1907 bis 1938 die „Pharmazeutische eine exakte pharmaziehistorische Bi­ scher Pharmazeuten-Verein" an. Als Presse", seit 194 7 ist dies die „Österrei• bliographie zu schaffen. Vielleicht soll­ sich ihm im Jahr 1911 sechs weitere chische Apotheker-Zeitung." te wenigstens auf Länderebene dieses gleichgesinnte Vereinigungen - darun­ Einen der Höhepunkte in der Ge­ Hilfsmittel erstellt werden. Wie oft ver­ raten, auch in den Beiträgen der Ge­ ter eine tschechische und zwei italieni­ schichte des Pharmazeutischen Reichs­ schichte der Pharmazie, Abhandlun­ sche - aus verschiedenen Teilen der verbandes bildet zweifellos die auf An­ gen einen Mangel an Kenntnis friiherer österreichischen Reichshälfte Öster• regung seines Präsidenten Franz Ditt­ Aufsätze! reich-Ungarns anschlossen, entstand rich (1889-1977) erfolgte Gründung Idealisten haben in 65 Jahren im Rah­ daraus der „Pharmazeutische Reichs­ der „Internationalen Union angestellter men der IGGP an dem heutigen Ge­ verband für Österreich" (1 ). Er hat Apotheker" (2). bäude der Pharmaziegeschichte ge­ dann über das Ende des Ersten Welt­ Dittrich stammt aus dem kleinen Ort baut, mögen sich auch in Zukunft genü• kriegs hinaus in der Republik Öster• Batzdorf im Sudetenland. Er hatte im gend Idealisten finden. Zu den beson­ reich, seit 1920 zugleich auch als „Ge­ Jahr 1912 an der Deutschen Universität ders Herausragenden gehört Professor Dr. Kurt Ganzinger in Wien. werkschaft der konditionierenden in Prag den akademischen Grad eines Armin Wankmiiller Pharmazeuten Österreichs", deren In- Magisters der Pharmazie erlangt und

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http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 MftfflMdtiMQ,@i;,,ßfJiM war schon 1913 zum Obmann des Ver­ gemäße, längst als überfällig empfunde­ eins deutscher Pharmazeuten in Böh• Erster Kongreß der Union ne Reformen noch nicht verwirklicht. men gewählt worden. ach einer Un­ So gab es z. B. dort noch keine einheitli­ terbrechung der beruflichen Tätigkeit che Regelung, wo einstige Kronländer durch seine Teilnahme am Ersten Welt­ Ein Jahr nach der Gründung der Union der Donaumonarchie - für die bis da­ krieg hat er diese in Böhmen fortge­ tagte in Wien vom 9. bis 12. Oktober hin das gleiche Apothekengesetz, die setzt, bis er sich im Jahr 1919 nach Wien 1925 der vom Pharmazeutischen gleiche Studienordnung und allgemein wandte. Hier trat er sogleich als Mit­ Reichsverband sorgfältig vorbereitete die Pharmacopoea Austriaca gegolten glied dem Pharmazeutischen Reichs­ „1. Kongreß der Internationalen Union hatte - nun mit einem anderen Staats­ verband bei, der ihn bereits im Jänner angestellter Apotheker", damals in der gebiet vereinigt waren: in Polen galten des folgenden Jahres zu seinem Präsi• Fachpresse gelegentlich auch „Union noch 1925 nebeneinander die russi­ denten wählte. Dittrich hat dann auch in konditionierender Pharmazeuten" ge­ sche, deutsche und österreichische, in späteren Zeiten wiederholt entschei­ nannt (5). Es waren Vertreter aus Bul­ Jugoslawien die österreichische, kroati­ dende Funktionen innerhalb der öster• garien, Deutschland, Jugoslawien, Po­ sche und serbische Pharmakopöe. reichischen Pharmazie mit Umsicht, len, der Tschechoslowakei und Ungarn Tatkraft, gesichertem Wissen und di­ erschienen, zusammen mit den Öster• plomatischem Geschick ausgeübt. So reichern also aus sieben Staaten von war er bis 1964 Präsident der Österrei• insgesamt neun Vereinigungen, da aus Die neue Studienordnung chischen Apothekerkammer und stand der Tschechoslowakei außer den tsche­ von 1922 bis 1967 als Obmann an der Spitze der chischen und deutschen auch die slowa­ Pharmazeutischen Gehaltskasse, deren kischen Pharmazeuten eine Abord­ Bestand er auch über die Jahre 1938 bis nung entsandten. Über die Lage der Pharmazie in Öster• 1945 hinweg gerettet hatte (3, 4). Der Kongreß beschloß die Satzun­ reich berichtete Franz Dittrich. Er ging Als im Herbst 1924 in Prag eine ge­ gen der Union und wählte den nunmehr zunächst auf die Reform des pharma­ meinsame Konferenz der tschechischen erweiterten Vorstand. Dabei wurde zeutischen Studiums ein. Diese war be­ angestellten Apotheker und der deut­ Erich Peiser als 1. Präsident bestätigt reits seit Jahrzehnten wiederholt erör­ schen angestellten Apotheker der und u. a. Franz Dittrich zum 1. Schatz­ tert worden, doch war es zuletzt wegen Tschechoslowakei stattfand, an der meister und der Direktor des Pharma­ des Weltkriegs noch immer zu keiner auch Vertreter des Verbandes deut­ zeutischen Reichsverbandes und Entscheidung in dieser Frage gekom­ scher Apotheker sowie des Pharmazeu­ Schriftleiter der Pharmazeutischen men. Nun aber konnte endlich, nicht tischen Reichsverbandes für Österreich Presse Richard Kurtics (1885-1962) zuletzt über eindringliche Vorstellun­ teilnahmen, schlug Dittrich eine engere zum 1. Schriftführer bestellt. Wien wur­ gen des Pharmazeutischen Reichsver­ Zusammenarbeit der konditionieren­ de damit zum Sitz der Union und ihres bands, im Jahr 1922 eine neue Studien­ den Pharmazeuten verschiedener Län• Sekretariats, das beim Pharmazeuti­ ordnung in Kraft treten. Damit entfiel der vor, die die Beseitigung der für die schen Reichsverband errichtet werden zunächst die bisher übliche Praktikan­ Assistentenschaft unleidlichen Verhält• sollte. tenzeit in einer Apotheke oder das „Ti­ nisse sowie die Verbesserung der wirt­ Bei der feierlichen Eröffnung des rocinium", wie es in Österreich zusam­ schaftlichen und gesellschaftlichen La­ Kongresses konnte Peiser als Ehrengä­ men mit der abschließenden Prüfung ge der Assistenten zum Ziele haben ste Vertreter der Behörden, der Wis­ genannt wurde (lat.: tiro = Rekrut, sollte. Es war' dabei zunächst vor allem senschaft, der österreichischen Phar­ Lehrling). Die Pharmazeuten begannen an Deutschland und an die Nachfolge­ mazeutischen Gesellschaft und des jetzt unmittelbar nach der seit 1920 für staaten der einstigen Donaumonarchie Wiener Apothekerhauptgremiums als · sie obligaten Reifeprüfung an einem gedacht. der Organisation der Apothekenbesit­ Gymnasium als ordentliche Hörer der So kam es am 2. Oktober 1924 zur zer begrüßen. Allgemein wurde der philosophischen Fakultät ein sechsse­ konstituierenden Sitzung der „Interna­ Kongreß als ein einzigartiges Ereignis mestriges Studium, das sie mit dem aka­ tionalen Union angestellter Apothe­ in der Geschichte der Pharmazie emp­ demischen Grad eines Magisters der ker". Zum Vorsitzenden wurde Erich funden. Pharmazie (Ph. Mr., Mag. pharm.) ab­ Peiser (1886-1951) gewählt. Er war Im Verlauf der Tagung hatten die De­ schlossen. Im neuen Studienplan war seit 1920 in Berlin Geschäftsführer des legierten Gelegenheit, ausführlich über der Umfang mancher bestehenden Fä• 1904 gegründeten Verbandes deut­ die Lage der angestellten Apotheker, cher, vor allem der Pharmakognosie, scher Apotheker, der seit 1922 als aber auch der Pharmazie im allgemei­ nicht unwesentlich erweitert worden, Reichsfachgruppe dem Gewerkschafts­ nen in ihren Ländern zu berichten. Ihre und es waren neue Studienfächer hin­ bund der Angestellten (GDA) angehör• Ausführungen sind wörtlich nach dem zugekommen, wie Physikalische Che­ te. Der Pharmazeutische Reichsver­ stenographischen Protokoll in einer mie, Hygiene (mit Übungen), Pharma­ band stellte mit Franz Dittrich seinen 40 Druckseiten starken Beilage zur kodynarnik und Toxikologie, sowie Stellvertreter, jeder der beiden tsche­ ,,Pharmazeutischen Presse" wiederge­ Vorlesungen über theoretische Grund­ choslowakischen Verbände war mit geben. Sie bieten ein anschauliches Bild lagen der Rezeptur und Übungen zur einem Beisitzer im Vorstand vertreten. von der schwierigen und unsicheren pharmazeutischen Technik. Auch eine Zweck der Union sollte es sein, die Lage, in der sich die Pharmazie in die­ Vorlesung über Geschichte der Phar­ Lage der einzelnen Organisationen der sen von politischen und wirtschaftli­ mazie war vorgesehen. Nach der Erlan­ angestellten Apotheker verschiedener chen Krisen betroffenen Nachkriegs­ gung des Magistergrads war eine ein­ Länder kennenzulernen und auf dieser jahren befand. Vor allem hatten die an­ jährige Praxis als Aspirant in einer Erkenntnis zum Wohle aller angestell­ gestellten Apotheker vielfach unter der Apotheke vorgeschrieben. Wer zu­ ten Apotheker ihre soziale, wirtschaftli­ enormen Geldentwertung und der nur nächst aber noch seine Studien fortset­ che und kulturelle Besserstellung zu er­ schleppend folgenden Anpassung der zen wollte, konnte nach Vorlage einer reichen sowie die Gesamtinteressen der Arzneitaxe und deshalb auch ihrer Ge­ Dissertation aus dem Gebiet der Che­ Pharmazie zu wahren und zu fördern. hälter zu leiden. Fast überall waren zeit- mie, Botanik oder Pharmakognosie das

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Doktorat der Philosophie erwerben liehen Apotheken und Anstaltsapothe­ land dem Kollegen Dittrich und dem und sich dann, wenn er dies vorzog, als ken höchst wünschenswert wäre. Ein Pharmazeutischen Reichsverband so­ Doktor der Pharmazie bezeichnen. Gesetzesantrag, der dafür noch im Jahr wohl für die Vorarbeiten zur Gründung 1918 im Reichsrat eingebracht worden der Union mit warmen Worten ge­ war, kam wegen des Zerfalls der Do­ dankt, wie auch für alles, was sie auf so­ naumonarchie nicht mehr zur Abstim­ zialem Gebiet geleistet haben, wobei er Die Bedeutung der mung. Erst der Nationalrat der Repu­ an die von ihm geprägten Worte ,,Aus­ Allgemeinen Gehaltskasse blik beschloß nach einem neuerlichen tria docet" erinnerte. Antrag das Gehaltskassengesetz vom Es läßt sich jetzt nicht mehr feststel­ 30. Juli 1919. Da dies aber nicht mehr len, wann dieser Ausspruch zum ersten Im folgenden berichtete Dittrich zu­ für die Nachfolgestaaten Österreich• Mal getan worden ist. Dittrich hat aber nächst kurz über das in Österreich be­ Ungarns galt, war für diese der Wunsch noch lange danach, wenn in späteren stehende und grundsätzlich auch für die nach einer Gehaltskasse noch lange Ge­ Jahren bei einem festlichen Anlaß des konditionierenden Pharmazeuten gel­ genstand wiederholter Diskussionen, damals Erreichten gedacht wurde, gele­ tende vorbildliche „Allgemeine Ange­ der auch die Union in späteren Jahren gentlich den Satz „Austria docet in stelltengesetz" mit seinen Bestimmun­ noch beschäftigt hat. pharmacia" zitiert. - gen über wöchentliche Arbeitszeit, Ur­ Die Pharmazeutische Gehaltskasse In der Folgezeit gab es Kongresse der laub, Kündigungsfristen und Abferti­ war bald imstande, auch weitere Lei­ Internationalen Union angestellter gung bei Lösung eines Dienstverhält­ stungen für ihre Mitglieder zu erbrin­ Apotheker im Abstand von zwei Jah­ nisses. gen, so die Gewährung von Urlaubs-, ren: 1927 in Budapest mit Teilnehmern Dann aber gab er eine eingehende Krankheits- und Kündigungsansprü• aus Dänemark, Finnland, Norwegen Darstellung der „Pharmazeutischen chen, eine Abfertigung im Erlebens­ und Schweden, 1929 in Prag, wo der Gehaltskasse". Diese war als ein Instru­ oder Todesfall und ein „Sterbequartal" Beitritt der Union zur Federation Inter­ ment des sozialen Ausgleichs innerhalb für die Witwe, Übersiedlungshilfen und nationale Pharmaceutique (FIP) be­ der Pharmazie nach einem vom Zen­ Gehaltsvorschüsse. Aber auch Leistun­ schlossen wurde, und 1931 in War­ tralkomitee der Apothekerkorporatio­ gen an den Arbeitgeber waren vorgese­ schau mit Vertretern von 14 Vereini­ nen unter Zustimmung der Assisten­ hen: Hatte ein Angestellter Anspruch gungen aus zwölf Ländern und mit na­ tenschaft ausgearbeiteten Plan als Ver­ auf mehr als drei Wochen Urlaub, so er­ hezu 800 Besuchern. ein auf Basis freiwilliger Mitgliedschaft hielt der Apotheker für die vierte und Der für 1933 in Berlin geplante gegründet worden und konnte am fünfte Woche eine Urlaubsvergütung in 5. Kongreß unterblieb infolge der ver­ 14. Oktober 1908 als „Allgemeine Ge­ Höhe von 90 Prozent der Gehaltskas­ änderten politischen Lage in Deutsch­ haltskasse der Apotheker Österreichs" senumlage. land. Er fand 19 34 in Wien statt, jedoch ihre konstituierende Hauptversamm­ Neben der Gehaltskasse bestanden wegen der nun auch in Österreich ange­ lung in Wien halten. Die Gehaltskasse noch die auf das Jahr 1913 zurückge• strebten Bildung eines geschlossenen sollte ein Bindeglied zwischen selbstän­ hende „Pharmazeutische Krankenkas­ Berufsstands gemeinsam mit dem digen und angestellten Apothekern sein se für Österreich"und das 1914 gegrün• ,,1. Internationalen Treffen der Apo­ und ein neues Gemeinschaftsgefühl in­ dete „Pharmazeutische Pensionsinstitut thekenbesitzer" als „Internationaler nerhalb des Berufsstandes begründen. für Österreich". Diesen konnten Mit­ Apothekerkongreß". Schließlich gab es Die dem Verein angehörenden Apothe­ glieder beider Standesgruppen angehö• nurmehr jeweils eine Vorstandssitzung kenbesitzer hatten für jeden Assisten­ ren. Im Vorstand aller drei Institute wa­ der Union anläßlich des FIP- Kongres­ ten eine gleich hohe Quote an die Ge­ ren sowohl Dienstgeber wie Dienstneh­ ses 1935 in Brüssel und 1937 in Preß• haltskasse zu entrichten, die daraus den mer vertreten. Zur Vereinfachung der burg bei der Tagung des Verbandes der angestellten Pharmazeuten ein nach Verwaltung waren alle drei zu den ;;ver­ angestellten Apotheker in der Slowa­ einem allgemein gültigen Besoldungs­ einigten Pharmazeutischen Standesin­ kei. Die politischen Ereignisse des Jah­ schema - nach der geleisteten fachli­ stituten für Österreich" mit Sitz in Wien res 1938 bedeuteten vollends das Ende chen Dienstzeit, nach Familienstand zusammengeschlossen. der Internationalen Union angestellter und Ortsklasse, die sich nach den am Als vorteilhaft erwies sich schließlich Apotheker nach 14 Jahren ihres Beste­ Dienstort herrschenden Lebenshal­ die Gründung eines Spar- und Darle­ hens. tungskosten richteten - abgestuftes hensinstituts unter dem Namen „Phar­ Gehalt über Post oder Bank anwies. makred". Dieses konnte die Einlagen Dadurch sollten vor allem die Pharma­ seiner Mitglieder bald zur Beteiligung II. zeuten von der Sorge befreit werden, in an zwei Apotheken und zur Gewährung fortgeschrittenem Lebensalter wegen von Darlehen an weitere Apotheken Verfolgt man die Geschichte der Phar­ höherer Gehaltskosten gekündigt zu verwenden. Aus deren Bilanzen war die mazie und des Apothekenwesens in werden und sich dann mit einem niedri­ Vertretung der angestellten Pharma­ Österreich weiter zurück, so trifft man geren Gehalt abfinden zu müssen. Auch zeuten über die allgemeine Ertragslage bald auf eine Zeit, in der sich gleichfalls der Abwanderung von Pharmazeuten der Apotheken wohl informiert und da­ beispielhafte fortschrittliche Entwick­ in den Drogistenberuf sollte damit vor­ her ein gut unterrichteter Partner bei lungen feststellen lassen, für die man gebeugt werden. Verhandlungen über die Arzneitaxe mit gutem Recht den Satz „Austria do­ Während die Wiener Apotheker und über neue Geh~tsansprüche der cet in pharmacia" in Anspruch nehmen rasch in großer Mehrheit der Gehalts­ Mitarbeiter. könnte. kasse beitraten, zögerten die Landapo­ Die Versammlung folgte Dittrichs Es ist dies eine Epoche, die etwa ein­ theker. Besonders gering war die Betei­ Ausführungen mit großem Interesse einhalb Jahrhunderte vor der Grün• ligung in den polnischen, südslawischen und bedankte sich mit lebhaftem Bei­ dung der Internationalen Union ange­ und italienischen Kronländern. Die fol­ fall. Erich Peiser hatte bereits am Vor­ stellter Apotheker mit dem Jahr 1770 genden Jahre zeigten bald, daß eine ob­ abend anläßlich des Festkommerses ihren Anfang nimmt und sich bis in das ligatorische Mitgliedschaft aller öffent- zur Begrüßung der Gäste aus dem Aus- zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts

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http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 MMMdtifdQ,fli,,MiM erstreckt. Es sind E reignisse, die später Der erste der zehn Paragraphen um­ oder Geselle zu arbeiten und dort auch in Österreich selbst bei den Pharmazie­ fassenden Instruktion für die Apothe­ die Vorlesungen zu besuchen, so mußte historikern weitgehend unbeachtet ge­ ker bestimmt, daß „eine Apotheke zu er die Kenntnisse, um den strengen An­ blieben und in Vergessenheit geraten führen niemand erlaubet werden soll, forderungen der Prüfer zu entsprechen, sind und deren Bedeutung auch im Ver­ der nicht an einer erbländischen Uni­ im Selbststudium oder bei seinem gleich zu der Entwicklung in anderen versität, der eine medizinische Fakultät Lehrherrn erworben haben. Erst die Ländern nicht erkannt worden ist So einverleibt ist, ordentlich examiniert medizinische Studienordnung vom Jahr konnten sie denn auch in den Darstel­ worden" ist. Nach den vom kaiserlichen 1804 schrieb für jedermann als zwin­ lungen der Geschichte der Pharmazie Leibarzt und Protomedikus Anton gende Voraussetzung für die Zulassung in Deutschland und in umfassenden Störck (1731-1803) im Jahr 1775 ver­ zur Prüfung für den Apothekerberuf pharmaziehistorischen Werken bis in faßten und im Druck erschienenen „In­ den einjährigen Besuch der Vorlesun­ die jüngste Zeit nicht die ihnen zukom­ stituta facultatis medicae Vindobonen­ gen über Naturgeschichte, Chemie und mende Beachtung finden. Das mußte sis" bestand das Examen der Pharma­ Botanik vor. Aber das war immerhin dann dort auch manchmal zu kleinen zeuten aus je einer mündlichen Prüfung einige Jahre früher als in irgendeinem Ungenauigkeiten und Mißverständnis• über ihre Kenntnis der Arzneipflanzen, anderen Land des Deutschen Reiches. sen führen, wie im folgenden zu zeigen über Materia medica et pharmaceutica, In der zwischen 1714 und 1797 unter sein wird. sowie über Chemie und die gesamte habsburgischer Herrschaft stehenden Haben sich doch in Österreich die hi­ Pharmazie. Waren diese theoretischen Lombardei mit der Hauptstadt Mai­ storisch interessierten Pharmazeuten Prüfungen erfolgreich bestanden, wur­ land unternahm erst Kaiser Joseph II. bis zur Mitte unseres Jahrhunderts den dem Kandidaten chemisch-phar­ (1780-1790) entscheidende Schritte weitgehend auf die Geschichte einzel­ mazeutische Operationen genannt, die zur Reform des medizinischen Unter­ ner Apotheken oder der Apotheken in er zu erläutern und praktisch auszufüh• richts und des Gesundheitswesens. Er einem mehr oder minder lokal begrenz­ ren hatte. Dann wurde er zur Ablegung berief mit Johann Peter Frank ten Bereich beschränkt, gelegentlich des Eides zugelassen und ihm ein Di­ (~745-1821) einen der berühmtesten auch auf Pharmazeutisch-Biographi­ plom ausgehändigt, das ihn berechtigte, Arzte der Zeit zum Professor der prak­ sches, doch ohne auf die Entwicklung eine öffentliche Apotheke zu erwerben tischen Arzneischule und der Klinik an der Arzneitherapie, der pharmazeuti­ oder als Provisor zu leiten. die Universität Pavia und ernannte ihn schen Wissenschaften oder des Ge­ Als bereits im Jahr 1749 an der Wie­ 1786 zum Protophysikus und General­ sundheitswesens im allgemeinen Bezug ner Universität ein Lehrstuhl für Che­ direktor des Medizinalwesens in der zu nehmen. Beispielhaft dafür sind etwa mie und Botanik, zusammen mit einem Österreichischen Lombardei und im die zahlreichen Beiträge über Apothe­ chemischen Laboratorium und einem Herzogtum Mantua (9). Als solcher ken aus dem weiten Gebiet der Öster• botanischen Garten errichtet worden entwarf Frank eine Apothekerordnung, reichisch-ungarischen Monarchie, wie war, sollte das nicht nur die medizini­ die 1788 in Kraft getreten ist und ent­ sie einst in Wien in der „Pharmazeuti­ schen Studien, sondern auch das Apo­ scheidende Verbesserungen im Apo­ schen Post" veröffentlicht wurden und thekenwesen fördern. Fortan waren alle thekenwesen zur Folge hatte. Sie ver­ Dr. Hans Heger (1885 bis 1940) als Lehrjungen und Gesellen der Wiener fügte u. a., daß künftig der Vorsteher Herausgeber zwisclien 1896 und 1932 Apotheker verpflichtet, ein Jahr lang einer Apotheke zwei Jahre als Gehilfe in sieben umfangreichen Heften unter mit Erfolg an der Universität die für die in Mantua oder Pavia verbracht und dem Titel „Apothekenbilder aus Nah Medizinstudenten bestimmten Vorle­ dort an der Universität Vorlesungen und Fern" nochmals erscheinen ließ. sungen aus Chemie und Botanik zu be­ über Botanik, Chemie und Materia me­ suchen, wo sie einen beträchtlichen Teil dica besucht haben mußte. Damit war der Hörer stellten (7). Dies galt dann für die Apotheker in diesem Teil Ober­ auch für die anderen Universitäten in italiens eine Ausbildung an der Hoch­ den habsburgischen Ländern, sobald schule eingeführt, und die Österreichi• Die Reform des dort ein Lehrer für Chemie und Bota­ sche Lombardei sollte darin zum Vor­ Gesundheitswesens in der nik bestellt war: seit 1759 an der vor­ bild für ganz Italien werden. Kremers Habsburger Monarchie derösterreichischen Universität Frei­ und Urdang bemerken hierzu (irrtüm• burg im Breisgau, seit 1769 an der Uni­ lich unter Angabe der Jahreszahl 1778): versität für das Königreich Ungarn in „lt was Austrian regulations (Piano di Unter der österreichischen Herrscherin Tyrnau in der Slowakei ( die bald darauf regolamento perle farmacie della Lom­ Maria Theresia (reg. 1740 bis 1780) er­ nach Buda und später nach Pest verlegt bardia austriaca) that gave the impulse folgte im Geiste des aufgeklärten Abso­ wurde) und seit 177 5 in Prag. for progressive pharmaceutical legisla­ lutismus eine großangelegte Reform Das hat wohl Adlung-Urdang zu der tion in as a whole" und ferner „lt des Gesundheitswesens in ihren Län• Bemerkung veranlaßt: ,,Ein festes Vor­ was .. . Austrian legislation ... that ma­ dern. Höhepunkt war die im Jahr 1770 und Ausbildungsprogramm bringt in de academic study and exarnination a erlassene „Gesundheitsordnung (Sani­ Österreich, damals ein wesentlicher, ja requirement for pharmacists in this tätsnormativ) für alle k. k. Erblande", wichtigster Bestandteil des Deutschen area" (10). Franks Apothekerordnung die im gleichen Jahr in lateinischer Reiches das 18., im Gebiete des heuti­ für die Österreichische Lombardei fand Sprache auch im Königreich Ungarn gen Deutschland erst das 19. Jahrhun­ bald auch in Deutschland Beachtung. veröffentlicht wurde. Sie enthält u. a. dert" (8). Und doch erscheint im Sani­ Sie wurde mehrfach in deutscher Spra­ ausführliche Instruktionen für alle in tätsnormativ von 1770 noch der Nach­ che publiziert und in den folgenden den Erbländern praktizierenden Ärzte, satz: ,,Zu diesem Examen kann sich Jahren wiederholt als beispielhaft aus­ für Wundärzte und Bader, für die Apo­ jeder Apotheker-Jung stellen, nachdem führlich erörtert. theker und die Hebammen, dazu auch er die überall üblichen Jahre der Lehre Das in Paragraph 2 der Instruktion für den Wortlaut des von ihnen vor der Zu­ oder seines Tyrocinii erstrecket hat". die Apotheker von 1770 als „ehestens lassung zu ihrem Beruf zu leistenden Hatte einer keine Gelegenheit gehabt, zum Vorschein kommender Codex Eides (6). in einer Universitätsstadt als Lehrling pharmacopoeus" angekündigte neue

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Arzneibuch ist 1774 als Pharmacopoea der Provinzialpharmakopöe aus den (1766-1839). Er hatte in den Jahren Austriaco-provincialis erschienen (11 ). Jahren zwischen 1776 und 1790 damit zwischen 1788 und 1791 einen vom einfach ihren Abschluß gefunden hat. Kaiser gewährten Studienaufenthalt in Das mußten so auch Kremers und Ur­ Deutschland, den Niederlanden, Eng­ dang (13) und Urdang und Dieckmann land, Frankreich und Italien verbracht, (14) in ihren Ausführungen über deut­ wobei er sich im Sommer 1790 einige Pharmacopoea sche und österreichische Arzneibücher Zeit in Paris aufhielt und dort u. a. am Austriaco-provincialis übernehmen, weil ihnen als Quelle al­ Versuch einer Übertragung der von lein jene Veröffentlichung von 1931 er­ Antoine-Laurent Lavoisier (1743 bis reichbar war. 1794) geschaffenen chemischen No­ Was hier unbeachtet blieb, ist die menklatur ins Deutsche beteiligt war. Tatsache, daß jetzt die Titel lauten: Nach seiner Rückkehr nach Wien wur­ Wie der Name zeigt, galt es nun einheit­ „Pharmacopoea Austriaco-provincialis de er bald als adjungierter Professor lich in allen Provinzen des weiten Habs­ emendata" (1794) und „Oesterreichi­ der Chemie und Botanik mit der Unter­ burgerreichs. Es hat das 1729 einge­ sche Provinzial-Pharmacopoee. Umge­ stützung seines Vaters im Lehramt be­ führte und zuletzt 1770 noch einmal ge­ arbeitete Auflage" (179 5). Dazu erklärt traut. Sein 1793 erschienenes „Lehr­ druckte Dispensatorium Pharmaceuti­ die bereits vom 10. November 1793 da­ buch der allgemeinen und medizini­ cum Austriaco-Viennense und in den tierte Vorrede (im Wortlaut von 1795): schen Chemie" zählt zu den ersten an­ Ländern der böhmischen Krone das ,,Die äußerst wichtigen Fortschritte, tiphlogistischen Werken in Deutsch­ Dispensatorium Pharmaceuticum Pra­ welche seit mehreren Jahren durch ge­ land. So wurde in der Pharmacopoea gense von 1750 abgelöst. Von diesen naue ärztliche Beobachtungen und Austriaco-provincialis emendata dem beiden, ganz im Zeichen der galenisch­ hauptsächlich durch wiederholte Ver­ bisher gebräuchlichen Namen die neue arabistisch-chemiatrischen Polyphar­ suche und gegründete Erfahrungen na­ Bezeichnung nach Lavoisier als gleich­ mazie stehenden stattlichen Foliobän• turforschender und rastloser Chymi­ berechtiges Synonym hinzugesetzt, also den unterschied es sich nicht nur durch sten gemacht wurden, haben sowohl in etwa „Lapis infernalis - Nitras Argen­ sein handliches Oktavformat, sondern der Auswahl der Arzneimittel als auch ti", ,,Flores Zinci - Oxydum Zinci sub­ vor allem seinem Inhalt nach durch eine in der Zusammensetzung und Verferti­ !imatum", ,,Aethiops mineralis - Sul­ weitgehende Vereinfachung des Arz­ gung derselben wesentliche Verbesse­ phuretum Hydrargyri". In einem An­ neischatzes. Beschrieb die letzte Aus­ rungen hervorgebracht. Deswegen fand hang mit etlichen Arzneimitteln, die die gabe des Wiener Dispensatoriums, in man notwendig, die bisher gebräuchli• Apotheker in ihren Offizinen nicht vor­ neunzehn Klassen eingeteilt, noch über che Pharmacopoee ganz umzuarbeiten rätig halten mußten, weil sie entweder 1600 Composita und Praeparata, so und zum allgemeinen Wohl, so viel es von den Ärzten nur selten verschrieben waren es in der Provinzialpharmako­ möglich war, zu verbessern. Man hat bei wurden oder ihre Arzneikräfte noch pöe von 1774 nicht mehr als 503. Erst­ dieser Auflage minder wirksame und nicht hinlänglich erprobt waren, er­ mals enthält hier ein österreichisches selten gebräuchliche Arzneien ausge­ scheint die neue chemische Bezeich­ Arzneibuch auch ein Verzeichnis der lassen und sie durch solche ersetzt, wel­ nung sogar an erster Stelle (15). insgesamt 526 offizinellen Simplicia che durch Erfahrung als vorzüglich Damit hat die Österreichische Pro­ aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tier­ anerkannt sind". vinzialpharmakopöe von 1794 die La­ reich, wobei die Stammpflanzen und So waren es nun nicht mehr als 289 voisiersche Nomenklatur viel weitge­ Tiere durchwegs nach dem System von offizinelle Simplicia und 399 Composi­ hender verwendet als die ebenfalls Linne (1707-1778) benannt sind. Be­ ta und Praeparata. Und da man „zur 1794 erschienene Pharmacopoea Hi­ merkenswert ist, daß unter den drei Zusammensetzung und Verfertigung spana, von der Crosland bemerkt: ,,The Verfassern der Provinzialpharmakopöe der Arzneien solche Vorschriften ge­ new terms were used in an index to the neben dem Protomedikus Störck und wählt hat, welche die einfachsten sind pharmacopoeia and not in the main dem Professor der Chemie und Botanik und den jetzigen medizinischen und part of the book" (16). Und was bis heu­ Nicolaus Joseph Jacquin (1727- 1817) chymischen Kenntnissen entsprechen", te weitgehend unbekannt geblieben gleichrangig der Besitzer der Wiener enthielt das Electuarium anodynum sein dürfte: Der letzten Ausgabe der Apotheke „Zum schwarzen Bären" Jo­ vulgo Theriaca nunmehr bloß 16 Be­ Provinzialpharmakopöe ist es zu ver­ hann Jakob Well (1725-1787) er­ standteile, während es im Electuarium danken, daß spätestens seit 1794 die scheint, war doch die Herausgabe einer seu Theriaca Andromachi von 1774 chemische Nomenklatur Lavoisiers an Pharmakopöe im 18. Jahrhundert noch noch 57 waren und im Theriak des An­ der Universität Freiburg im Breisgau fast ausschließlich Sache der Ärzte. dromachus nach dem Wiener Dispen­ Gegenstand der Vorlesungen und Prü• Der Jahrgang 1931 der in Wien her­ satorium von 1729 nicht weniger als 69. fungen für Mediziner und Pharmazeu­ ausgegebenen „Pharmazeutischen Mo­ Zudem hat man „die alten, oft barba­ ten gewesen sein muß und daß sie seit natshefte" enthält einen umfangreichen rischen Benennungen der Arzneimittel damals bereits einer nennenswerten ,,Beitrag zur Geschichte der Österrei• hier mit schicklicheren vertauscht, zur Zahl von Apothekern in Süddeutsch• chischen Pharmacopoeen" (12). Den Verminderung allen Irrtums aber die al­ land geläufig war. (Das war fünf Jahre Abschnitt über die Provinzialpharma­ ten Namen immer auch beigefügt" und vor dem Erscheinen der Pharmaco­ kopöe beendet hier der lapidare Satz: ist „bei den chemischen Zusammenset­ poea Borussica in Berlin, deren an­ „Im Jahre 1794 ist die letzte lateinische zungen den philosophischen Benen­ tiphlogistische Nomenklatur überdies und ein Jahr später, 1795, die letzte nungen desjenigen chymischen Lehrsy­ nicht Lavoisier folgt, sondern jener, die deutsche Ausgabe der Pharmacopoea stems gefolgt, welches gegenwärtig bei­ der Professor an der Universität Halle Austriaco-provincialis erschienen". nahe allgemein angenommen ist". F. A. Carl Gren (1760- 1798) im Jahr Man möchte danach meinen, ,daß die Zu den Bearbeitern der verbesserten 1795 in seinem „Neuen Journal der Reihe der verhältnismäßig vielen, un­ Provinzialpharmakopöe von 1794 ge­ Physik" veröffentlicht hat) (17). Galt tereinander nur unwesentlich verschie­ hört neben N. J. Jacquin nun auch des­ doch die Provinzialpharmakopöe auch denen Neuausgaben und Nachdrucke sen Sohn Joseph Franz Jacquin in Vorderösterreich; das waren der

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http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 NMMRN!tHR,Ml 11 MiM Literatur und Anmerkungen Breisgau und jene verstreut gelegenen theke nachzuweisen hatten. Darüber hinaus mußten sie jedoch sechs anstelle habsburgischen Territorien zwischen (1) Nowotny, Otto: Zur Geschichte des Pharma­ dem Schwarzwald und Günzburg an von nur vier Gymnasialklassen, sowie zeutischen Reichsverbandes für Osterreich. der Donau, zwischen Rottenburg am die philosophischen Studien mit den Österr. Apoth.-Ztg. 35 (1 981) 325-330. eckar und Konstanz am Bodensee, Fächern Logik, Mathematik, Physik, (2) Nowotny, Otto: Geschichte der Internationa­ die nach dem Frieden von Preßburg aturgeschichte und Technologie be­ len U nion angestellter Apotheker. Österr. Apoth.-Ztg. 38 (1986) 789- 791. 1805 an die Länder, Baden, Württem• sucht haben. Das spezielle Fachstudium (3) Anonym: In memoriam Mag. pharm. Franz berg und Bayern fielen (18, 19). war dem der Apotheker gleich, doch Dittrich. Österr. Apoth.-Ztg. 31 (1977) 150. Im Jahr 1794 erschien auch in Mai­ hatte ein Kandidat für das Doktorat der ( 4) Anonym: Mag. pharm. Franz Dittrich, Öster­ land eine Ausgabe der Pharmacopoea Chemie zwei Jahre am Unterricht in reich, gestorben. Pharm. Z tg. 122 (1977) 31 6. Chemie teilzunehmen, eine von ihm (5) Pharmazeutische Presse. 30 (1925) 203 bis Austriaco-provincialis emendata für 218, 235-239, Beilage zu Folge 22 (40 Sei­ die Österreichische Lombardei und das über einen chemischen oder verwand­ ten). Herzogtum Mantua (20). Damit hat die ten Gegenstand verfaßte Dissertation (6) Ganzinger, Kurt: Das österreichische Sani­ neue chemische Nomenklatur auch in vorzulegen und eine strenge mündliche tätsnormativ von 1770 und die Pharmazie. und praktische Prüfung erfolgreich ab­ Veröff. Int. Ges. Gesch. Pharmazie N. F. Bd. einem bedeutenden Teil Oberitaliens 40. 1973, S. 53- 69. bei Ärzten und Apothekern Eingang zulegen (22). Nach ihrer Promotion er­ (7) Ganzinger, Kurt: Zur Geschichte des Phar­ gefunden. freuten sich die Doktoren der Chemie maziestudiums an der Universität Wien. Von sinngemäß jener Rechte, welche den der Entstehung eines geregelten pharmazeu­ Doktoren der Medizin und der Chirur­ tischen Unterrichts bis zum Jahre 1848. Österr. Apoth.-Ztg. 19(1965) 311-316. gie gebührten. Das Studium für das (8) Adlung, A., G. Urdang: Grundriß der Ge­ Die weitere Entwicklung Doktorat der Chemie galt an der medi­ schichte der deutschen Pharmazie. Berlin im 19. Jahrhundert zinischen Fakultät auch in den folgen­ 1935, S. 133. den Studienordnungen, wurde jedoch (9) Ganzinger, Kurt: Johann Peter Frank und die Apothekerordnung für die Österreichische 1859 zum Doktorat der Pharmazie um­ Lombardei. Österr. Apoth.-Ztg. 35 (1981) Im nächstfolgenden Österreichischen benannt und erst 1889 in der bisherigen 410-414. Arzneibuch, der Pharmacopoea Aus­ Form aufgehoben. Die letzten Promo­ (10) Sonnedecker, G.: Kremers and Urdang's Hi­ triaca von 1812, erscheinen die chemi­ tionen dieser Art erfolgten an der Uni­ story of Pharmacy. Fourth Edition. Philadel­ phia 1976, p. 60, 63. schen Bezeichnungen nach Lavoisier an versität Wien im Studienjahr 1891/92. (11) Ganzinger, Kurt: Die österreichische Provin­ erster Stelle und die alten Namen der Insgesamt hatten in Wien bis dahin die­ zial-Pharmakopöe (1774-1794) und ihre Arzneien als Synonyma danach. Dieses sen Grad 106 Pharmazeuten erworben, Bearbeiter. Zur Geschichte der Pharmazie 14 Arzneibuch enthält zudem als eines der von denen sich später nicht wenige als (1962) 17- 24. (12) Zekert, Otto: E in Beitrag zur Geschichte der ersten im Anhang ein Verzeichnis von akademische Lehrer oder erfolgreiche Oesterreichischen Pharmakopoeen. Pharm. 29 chemischen Reagenzien und eine Unternehmer bewähren konnten. Monatshefte 12 (1931) 2-4, 22- 25, 55-57, Tabelle über das spezifische Gewicht Die folgende Zeit allerdings verhielt 75-76. bei 14 °R für 33 offizinelle Flüssigkei• sich im Zeichen der Restauration und (13) Wie Anm. (10), 427. (14) Urdang, Georg, Hans Dieckmann: Einfüh• ten. des Absolutismus in Österreich allen rung in die Geschichte der deutschen Phar­ Bereits mit der medizinischen Stu­ Neuerungen gegenüber abweisend. So mazie. Frankfurt/M. 1954, S. 83. dienordnung von 1810 war der bisher kam es weder zur Gründung eines vom (15) Ganzinger, Kurt: Die Übernahme von Lavoi­ nur aus fünf \y'ochenstunden im Win­ Apothekergremium unabhängigen siers neuer chemischer Nomenklatur in das tersemester bestehende Unterricht in Apothekervereins noch einer Fachzeit­ österreichische Arzneibuch von 1794. Sud­ hoffs Arch. 58(1974) 303- 311. Chemie auf das ganze Studienjahr aus­ schrift. Die medizinische Studien- und (16) Crosland, M. P.: Historical Studies in the gedehnt worden. Es war nun üblich, die Prüfungsordnung von 1833 vermehrte Language of Chemistry. London 1962. Pharmazeuten nach Abschluß ihrer den zwei Jahre umfassenden Lehrgang (17) Ganzinger Kurt: Zur Geschichte der chemi­ Prüfung mit dem niederen akademi­ für Pharmazeuten zwar um weitere Wo­ schen Nomenklatur in den amtlichen Arznei­ büchern. Beiträge z. Gesch. d. Pharmazie 32 schen Rang als „Magister der Pharma­ chenstunden in den bereits üblichen ll3d. 31] (1 980) 33- 37. zie" zu bezeichnen, so wie die Wund­ Fächern, berücksichtigte aber nicht die (18) Wolz, W.: Pharmazeutische Ausbildung an ärzte nach Besuch des niederen Kurses pharmazeutische Warenkunde oder der Universität Freiburg im Breisgau und im der Chirurgie an der Universität als Pharmakognosie. Dieses Studienfach Oberrheingebiet. Freiburg i. Br. 1960, S. 13-46 (Pharmazeutische Ausbildung ,,Magister der Chirurgie". war seit 1820 an der Wiener Universität während der österreichischen Herrschaft am Im Jahr 1812 geruhte der Kaiser „zur durch Dozenten vertreten, deren Vorle­ Oberrhein). Erzielung einer höheren Ausbildung in sungen aber nicht zwingend besucht (19) Diepgen, P. , E. Th. Nauck: Die Freiburger der Chemie und zur größeren Empor­ werden mußten. Auch die österreichi• medizinische Fakultät in der österreichi­ schen Zeit. Freiburg i. Br. 1957. bringung solcher Gewerbe, Fabriken schen Arzneibücher blieben nun in (20) Scherer, Alexander Nicolaus: Literatura und Manufakturen, welchen physisch­ ihrer Anlage bis zur vierten Ausgabe Pharmacopoearum collecta. Lipsiae et Sora­ chemische und naturhistorische Kennt­ von 1836 unverändert. Das mag wohl viae 1822, S. 29. nisse zu Grunde liegen . . . die Kreie­ nicht zuletzt darauf beruhen, daß Jo­ (21) Ganzinger, Kurt: Zur Geschichte des Dokto­ rates der Pharmazie in Österreich. Veröff. rung von Doktoren der Chemie aller­ seph Franz Jacquin bis ins hohe Alter Int, Ges. Gesch. Pharmazie N. F. Bd. 36, gnädigst zu genehmigen" (21 ). Die enge das Lehramt der Botanik und Chemie Stuttgart 1970, S. 39-57. Verbindung mit der Pharmazie blieb in seiner Person vereinigte und an der (22) Ganzinger, Kurt: Die ersten pharmazeutisch­ dadurch bestehen, daß die Kandidaten Herausgabe der Pharmakopöen einen chemischen Dissertationen an der Universi­ tät Wien. Communic. Hist. Artis Med. 77 für die Erlangung dieses Grades, der maßgeblichen Anteil hatte. Erst der (Vol. XXI) (1976) 81- 87. nur von den Universitäten in Wien und 185 3 erlassene „Lehrplan für das Magi­ in Prag verliehen werden konnte, vor sterium der Pharmazie" berücksichtigte der Aufnahme ihres Studiums alle auch als neue Studienfächer die Experimen­ Anschrift des Verfassers: für die Pharmazeuten erforderlichen talphysik und die Pharmakognosie, und Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. Kurt Ganzinger Voraussetzungen, also die Lehr- und erst 1855 erschien die Pharmacopoea Penzinger Str. 5 8 Gehilfenzeit in einer öffentlichen Apo- Austriaca ed. V in zeitgemäßer Form. A-1140 Wien

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sich im Gefolge der Medizin in Gestalt Überzeugter Praktiker und der sog. ,,Iatrochemie" bzw. der „Che• miatrie" zu begreifen, um auf diese Wei­ streitbarer Theoretiker: se zu einem gewissen akademischen Selbstverständnis zu gelangen. Und so Johann Friedrich August Göttling treffen wir an der Jenaer Universität, wie überall bis in das 18. Jh. hinein, vor­ Von Rüdiger Stolz, Jena wiegend auf Mediziner, die sich auch um die Entwicklung der Chemie Ver­ dienste erworben haben (3, 4 ). Am 3. Februar 1792 wandte sich der vielseitige Jenaer Medizinprofessor Georg Gegen Ende des 18. Jh., zur Zeit Friedrich Christian Fuchs (1760-1813) an seinen Weimarer Landesherren mit Göttlings also, begann sich die Situa­ einem Beschwerdebrief, in dem er beklagte, daß der Professor der Philosophie tion gravierend zu verändern. Geistig Göttling „ganz gegen die Statuten der medicinischen Fakultät" Vorlesungen über vorangetrieben durch das auf Natur, „Arzneimittel-Chemie" halte und daß dies doch wohl dem Ansehen der Medizin Vernunft und Nützlichkeit orientierte nicht zuträglich sei (1). Aufklärungsdenken wurde das rationa­ le, vor allem von den experimentieren­ den Naturwissenschaften geprägte 18. Jh. im besten Sinne auch zu einem Dieses Schreiben von Fuchs, der in Jena richtet worden. Dies kam einer Revolu­ chemischen Jahrhundert. Zunächst neben Medizin zeitweilig auch über Ex­ tion auf dem akademischen Boden noch paradigmatisch bestimmt von der perimentalchemie (von 1781 bis 1786) gleich, gehörte doch nach dem tradier­ Phlogiston-Theorie des Ex-Jenaer Arz­ und pharmazeutische Chemie (von ten Selbstverständnis der Mediziner tes und Chemikers Georg Ernst Stahl 1784 bis 1796) gelesen hat, zeugt von ,,die Chemie von jeher als N ominalpro­ (1659-1734), brachte es in seiner Mit­ doppelter Betroffenheit. Denn es rich­ fessur zur medizinischen Fakultät . . . te aufsehenerregende Entdeckungen tete sich sowohl gegen die Person Gött­ (da erst R. S.) die Ärzte .. . der Chemie gasförmiger Verbindungen hervor, die lings als auch gegen die von ihm vertre- zur Geltung verholfen und sie zu einem sich als überaus folgenreich, weil theo­ tene Sache. ' Teilgebiet der Wissenschaft erhoben riebeladen, erweisen sollten. Schließ­ hätten" (2). lich vermochten die im letzten Drittel In seinem neuen Amte hatte der des 18. Jh. vorwiegend von dem Fran­ frischgebackene Professor Göttling be­ zosen Antoine Laurent Lavoisier Der Stein des Anstoßes reits ab Ostern 1789 Vorlesungen über (1743- 1794) und seinen Anhängern Experimentalchemie, allgemeine Che­ ausgeteilten antiphlogistischen Pau­ mie und Technologie angekündigt, die kenschläge das gesamte chemische Für den vom herzoglichen Landesher­ er im Winterhalbjahr 1789/ 90 durch Theorien- und Begriffssystem umzu­ ren Carl August und von dessen Gehei­ ein pharmazeutisches Praktikum und stürzen und damit auch eine Neuorien­ men Rat und Förderer der Wissen­ zwei Jahre später durch pharmazeuti­ tierung des naturwissenschaftlichen schaften Johann Wolfgang von Goethe sche Vorlesungen komplettierte. Denkens auszulösen (6, 7). Die bislang protegierten Apotheker, Chemiker und Die Betroffenheit des Mediziners vorwiegend empirisch-qualitativ orien­ Technologen Johann Friedrich August Fuchs war also verständlich, zumal sich tierte Naturbetrachtung mußte nun­ Göttling (1753-1809) war im Jahre aus der Geschichte unschwer der „Al­ mehr sich um Ordnung und Quantifi­ 1789 an der Philosophischen Fakultät leinvertretungs-Anspruch" der Medizin zierbarkeit bemühenden naturwissen­ der Universität Jena eine außerordent­ gegenüber der Chemie ableiten ließ. schaftlichen Denk- und Arbeitsweisen liche Professur für Chemie, einschließ­ Bekanntlich war der Chemie im 16. und das Feld räumen. Der „Stein des Ansto­ lich Pharmazie und Technologie einge- 17. Jh. lediglich die Chance geblieben, ßes" Göttling stand inmitten der unge­ heuren Dynamik jener Zeit. Obwohl - oder weil - sein akademischer Lebens­ weg recht untypisch war, verstand er sich als unvoreingenommener Wegbe­ reiter jener Umwälzung, die in der Wis­ senschaftshistoriographie häufig auch als „chemische Revolution des 18. Jh." bezeichnet wird.

Wer war Johann Friedrich August Göttling?

Am 5. Juli 1753 (und nicht wie häufig fälschlich zu lesen ist 17 5 5) als Sohn des Pfarrers Johann Friedrich Göttling und Abb. 1: Anläßlich des Doppel-Jubiläums „350 Jahre chemisches Labor und seiner Ehefrau Christina geb. Wurtzler 200 Jahre chemischer Lehrstuhl" von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Derenburg bei Halberstadt geboren, im Jahre 1989 herausgegebene Gedenkmedaille verlebte Göttling nach dem frühen Tod (Entwurf: G. Böhnisch-Metzmacher, Jena). · seines Vaters (1758) eine .entbehrungs-

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http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 MffirtNrtN!MY,ßii,MJiM reiche Jugendzeit (8). icht eben begei­ von seinem Prinzipal ob ihres „Beob­ stert nahm Göttling 16jährig eine Apo­ achtungsgeistes" und ihrer „Quellen­ thekerlehre in Langensalza auf. Sein treue" mit lobenden Worten bedacht obet Lehrherr war kein geringerer als Jo­ wu rde (12). Bereits ein Jahr später be­ ~ d) e n ~ ·~ u _d) gründete Göttling mit dem „Almanach t f hann Christian Wiegleb (1732- 1800), fh der zu einem der bedeutendsten deut­ oder Taschenbuch fuer Scheidekünstler und Apotheker" eine eigene Zeitschrift, 0d)eibcftm~fet unb ~P'otbefct schen Apotheker und aturforscher . ClUf avancieren sollte. Bei Wiegleb erwarb die er über 20 Jahre redigierte. Göttling t,4j! 1780. sich Göttling insbesondere die prakti­ verfolgte mit diesem Periodikum das ~'* schen Grundlagen des chemisch-phar­ Ziel die interessantesten Bemerkun­ mazeutischen Arbeitens. Er machte gen ~~d neue, in der Chemie gemachte sich zugleich die Lebensmaxime seines Entdeckungen zu sammeln, solche, Lehrherrn zu eigen, die da lautete: womöglich, zu prüfen, und mit eigenen ,,Zweifeln ist der Anfang der Wissen­ berichtigenden Bemerkungen zu schaft; wer an nichts zweifelt, prüfet durchweben" (13). Daß es ihm damit nichts; wer nichts prüfet, entdeckt sehr ernst war, beweist die Tatsache, nichts; wer nichts entdeckt, ist blind und daß er in seinem „Almanach . .." von muß blind bleiben" (9). Dieser Grund­ 1789/ 90 unverzüglich ein Verzeichnis satz sollte sich für Göttlings spätere der neuen französischen chemischen wissenschaftliche Arbeit als richtungs­ Nomenklatur abdruckte und damit als britte Auf& neue burd,gefe!,ene ,tujlAgt. , gebend erweisen. Doch zunächst mußte einer der ersten Naturforscher in Göttling noch zahlreiche Wissenslük• Deutschland das antiphlogistische Sy­ m3 e im a r, ken ausfüllen, was vorwiegend autodi­ stem Lavoisiers bekannt machte (14). in btr .f.,ofmAnniflf}en ~u~~Clnblungr .'+ daktisch und in angestrengter Nachtar­ Die frühen publizistischen Aktivitä• beit erfolgte. ten Göttlings waren das eine, seine '· 1774 finden wir Göttling als Provi­ praktischen, zumeist analytischen Er~ Abb. 2: Titelblatt von Göttlings „Alma• sor, d. h. als Gehilfen in der Hof-Apo­ folge das andere. So war Göttling zu nach oder Taschenbuch für Scheide­ theke zu Weimar wieder. Diese wurde dieser Zeit ebenso erfolgreich mit der künstler und Apotheker", eines der zur damaligen Zeit vom vielseitigen Untersuchung „eines mißliebigen sal­ ersten chemisch-pharmazeutischen und einflußreichen Apotheker, Arzt zigten Auswuchses" an den Mauern des Periodika. und Naturforscher Wilhelm Heinrich Schlosses Schwarzburg (1782) beschäf• Bucholz (1734-1798) geleitet. Gött• tigt wie mit der Analyse einer angeblich Universität Jena als außerordentlicher ling verdankte Bucholz nicht nur viele bei Ilmenau entdeckten Heilquelle Professor für Philosophie mit Lehrauf­ nützliche Hinweise, sondern auch die (17 84) oder mit der „Erklärung der ver­ trag für Chemie, einschließlich Phar­ Bekanntschaft mit dem Landesvater, schiedensten atmosphärischen Gasar­ mazie und Technologie, an. Zuvor hatte Herzog Carl August, sowie mit dessen ten". Des weiteren erteilte er Ärzten er noch eine wichtige akademische Ratgeber, dem vielseitig interessierten und Apothekern dankbar aufgenom­ Hürde zu nehmen, seine Promotion Geheimrat Johann Wolfgang von Goe­ mene Ratschläge, wie man sich vor zum Dr. phil. Diese meisterte er am the. Goethe, der 177 5 in das kleine thü• „verfälschten Waren" schützen kann 24. Januar 1789 ohne lateinische Dis­ ringische Residenzstädtchen Weimar (15 , 16). sertationsschrift. gekommen war und nahezu ein halbes Es nimmt also nicht wunder, daß Jahrhundert die geistigen, kulturellen man auf diesen erfolgreichen und sach­ und wissenschaftlichen Geschicke des kundigen Apothekengehilfen aufmerk­ Herzogtums, insbesondere die seiner sam wurde. Es lag nahe, ihn für die Das Lebenswerk Göttlings Metropolen Weimar und Jena beein­ Übernahme einer akademischen Tätig• flußt hat, schätzte die chemisch-phar­ keit an der Jenaer Universität vorzube­ mazeutische Kompetenz von Bucholz reiten. Dem Charakter des insbesonde­ Des frischgebackenen Professors Gött• über alle Maßen: ,;Nas "die Chemie be­ re auf Nützlichkeit orientierten 18. Jh. ling vordringliches Ziel bestand nun- trifft, so dürfen wir uns derselben vor­ entsprechend kamen vor allem solche . mehr darin, das theoretische und prak­ züglich rühmen. Herr Bergrat Bucholz dringend benötigten und bislang ein tische Niveau der naturwissenschaftli­ hat von den frühesten Zeiten her mit wenig vernachlässigten Gebiete wie chen Bildung seiner Zeit zu erhöhen der Wissenschaft gleichen Schritt ge­ ,,Scheide- und Arzneikunst" sowie „Ge­ und insbesondere die Chemie aus ihrer halten und die interessantesten Erfah­ werbekunde" in Frage. Durch Vermitt­ tradierten Rolle als „Dienerin der Phar­ rungen teils selbst gemacht, teils zuerst lung von Goethe und Bucholz und mit maceutik und der Medizin" zu befreien. mitgeteilt und ausgebreitet" (10). Die­ Hilfe eines herzoglichen Stipendiums Göttling war fest davon überzeugt, daß ses Lob wog schwer, denn Goethes wurde es Göttling 1785 möglich, zur „in der Pharmazie, Technologie oder Wort war wie auf anderen Gebieten so Vorbereitung auf seine Universitäts• Fabrikwissenschaft, Oekonomie und auch in der Chemie von besonderem laufbahn ein zweijähriges Studium der Metallurgie ... ohne chymische Grund­ Gewicht (11). Naturwissenschaften an der Universität sätze nichts auszurichten sei" (17). Des­ Im Grunde genommen hat sich je­ Göttingen zu absolvieren. Anschlie­ halb bot er seinen Hörern auch prakti­ doch Göttling seinen akademischen ßend konnte er sich auf einer Studien­ sche Exkursionen nach Ilmenau, Saal­ Weg selbst geebnet, indem er ständig reise durch die Niederlande und durch feld, in den Harz sowie ins Erzgebirge durch Leistung auf sich aufmerksam England mit neuen Erkenntnissen auf an (18). machte. Bereits in seiner Gehilfenzeit chemisch-technologischem Gebiet ver­ Das Schwergewicht von Göttlings bei Bucholz verfaßte er ein erstes Buch, traut machen. theoretischer und praktischer Tätigkeit eine „Einleitung in die pharmazeuti­ Auf diese Art bestens gerüstet, trat läßt sich in sieben Punkten zusammen­ sche Chymie für Lernende" (177 8), die Göttling 1789 seine Tätigkeit an der fassen:

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l. In Göttlings Beitrag zur Entwick­ misches Probircabinet", 1790) ökono• (6) Strube, 1., R. Stolz und H. Remane: Ge­ lung der Pharmazie, der vor allem in der mische Bedeutung erlangten; schichte der Chemie. Berlin 1986. (7) Vgl. insbes. Steinmetz, M. (Hrsg.): Geschich­ Aus- und Weiterbildung von Apothe­ 7. In Göttlings Beiträgen zur Lösung te der Universität Jena 1548/ 58-1958. kern sowie in der eigenen Tätigkeit als gewerblicher und technologischer Pro­ 2 Bde. Jena 1958 sowie S. Schmidt, (Hrsg.): praktischer Apotheker sichtbar wurde; bleme, die in seine mit Betriebsbesichti­ Alma mater Jenensis - Geschichte der Uni­ 2. In Göttlings Beitrag zur Populari­ gungen verbundenen Vorlesungen ein­ versität Jena. Weimar 1983. (8) Wie Anm. (3) sowie Möller, R.: Chemiker sierung der antiphlogistischen Chemie, flossen und die bei der Herstellung von und Pharmazeut der Goethe-Zeit. Eine Skiz­ der ihn in Deutschland in die vorderste Soda und Kochsalz (1781) sowie von ze des Lebens und Schaffens Johann Fried­ Reihe der Verfechter dieses neuen Rübenzucker (1799) praktisches Ge­ rich August Göttlings. In: Pharmazie 17 theoretischen Systems stellte; wicht erhielten. (1962) 624; A. Schmitson: Johann Friedrich August Göttling. Jena 1811; H. Schelenz: Ge­ 3. In der von Göttling entwickelten Da umfangreiche Aussagen zu all schichte der Pharmazie Berlin 1904; antiphlogistischen Lichtstoffkonzep­ diesen Punkten hier aus Platzgründen H. Grünbaum: Die chemische Verwand­ tion, mit deren Hilfe er die neue Theo­ nicht möglich sind, sollen sie weiteren schaftslehre in Goethes Wahlverwandtschaf­ rie zu beweisen und auszudifferenzie­ Publikationen vorbehalten bleiben. Ins­ ten. In: Chemiker-Ztg. 32 (1908) 1173; J. Schiff: Johann Friedrich August Göttlings ren suchte; besondere über Göttlings antiphlogisti­ Briefe an Goethe. In: Jahrbuch der Goethe 4. ln Göttlings umfänglichen experi­ sche Lichtstoff-Konzeption wurde bis­ Gesellschaft 14 (1928) 130; A. Adlung: Jo­ mentellen Arbeiten, deren Vielfalt le­ lang wenig reflektiert. hann Friedrich August Göttling. In: Apothe­ diglich angedeutet werden kann und die Die Wirkung von Göttlings Gedan­ ker-Ztg. (1930) 500; F. Ferchl: Chemisch­ pharmazeutisches Bio- und Bibliographikon. letztlich Ergebnis seiner Arbeitsmaxi­ kengut -blieb nicht nur auf Jena be­ Mittenwald 1937; W. Schneider: Der Apo­ me war. Diese lautete: ,,Das Studium schränkt. Es fand Eingang in die ge­ theker Göttling. ln:Pharm. Ind. 17 (1955) 28; der Chemie erfordert eine Menge Er­ samteuropäischen Auseinandersetzun­ W. Aigner: Die Beiträge des Apothekers Jo­ fahrungen, womit man vertraut seyn gen um die Anerkennung des antiphlo­ hann Friedrich August Göttling (17 55-1809) zur Entwicklung der Pharma­ muß, und wozu man blos durch Selbst­ gistischen Systems, die bekanntlich erst zie und Sauerstoffchemie. lnaugural-Diss. an experimentieren gelangen kann" (19); zu Anfang des 19. Jh. ihren Abschluß der Fakultät für Chemie und Pharmazie der 5. In Göttlings Rolle als Lehrer der fanden. Johann Friedrich August Gött• Univ. München. München (1985); W.-H. Chemie und Pharmazie sowie in seiner ling kann in Deutschland mit Fug und Hein und H.-D. Schwarz (Hrsg.): Deutsche Apotheker-Biographie (Bd. 43). Stuttgart Eigenschaft als Verfasser eines umfang­ Recht als ein früher Wegbereiter dieser 1975, S. 216; NDB, Bd. 6, S. 580; Poggen­ reichen Schrifttums, das eine Vielzahl Entwicklung bezeichnet werden. dorff I, Sp. 923. von Einzelpublikationen und mehr als (9) Wiegleb, J. Ch.: Historisch-kritische Unter­ 20 monographische Lehr- und Nach­ suchung der Alchemie oder der eingebilde­ ten Goldmacherkunst. Weimar 1777, S. IV schlagewerke umfaßte, beispielsweise (10) Zit. nach: Möller, R.: Chemiker und Pharma­ • Almanach oder Taschenbuch für zeut der Goethe-Zeit. In: Pharmazie 17 Scheidekünstler und Apotheker (1962) 625. (1780- 1802) Literatur und Anmerkungen (11) Voigt, W., U. Sucker: Johann Wolfgang von Goethe. Biographien hervorragender Natur­ • Technologisches Taschenbuch für (1) Döbling, H.: Die Chemie in Jena zur Goethe­ wissenschaftler, Techniker und Mediziner. Künstler, Fabrikanten und Metallurgen zeit, Jena 1928, S. 2. Bd. 38, Leipzig 1982, S. 67 / 68. (1786) (2) Wie Anm. (1 ), S. 4. (12) Göttling, J. F. A.: Einleitung in die pharma­ • Versuch einer physischen Chemie (3) Chemnitius, F.: Die Chemie in Jena von Rol­ zeutische Chemie für Lernende. Altenburg finck bis Knorr (1629-1921 ). Jena 1929 so­ 1778. Vorrede von W. H. S. Bucholz, S. V für Jugendlehrer beym Unterricht wie u. a. A. Gutbier: Goethe, Großherzog (13) Göttling, J. F. A.: Almanach oder Taschen­ (1792) Carl August und die Chemie in Jena. Jena buch für Scheidekünstler und Apotheker auf • Beytrag zur Berichtigung der an­ 1926; H. Döbling: Die Chemie in Jena zur das Jahr 1790. Weimar 1790, S. A 1 (Vorbe­ tiphlogistischen Chemie, auf Versuche Goethezeit. Jena 1928; W. Poethke: Über die richt). Entwicklung,des In stituts für Pharmazie und (14) Wie Anm. (13), S. 147. gegründet (2 Bände, 1794- 1798) Lebensmittelchemie der Friedrich-Schiller­ (15) Wie Anm. (10), S. 626. • Handbuch der theoretischen und Universität Jena. In: Pharmazeut. Zentralhal­ (16) Zit. nach: Gutbier, A.: Goethe, Großherzog praktischen Chemie (3 Bände, 3. Teil le für Deutschland 93 (1954) 129; W. Horn: Carl August und die Chemie in Jena. Jena als Handbuch der Pharmazie, 1798 bis Pharmazie und Pharmakologie an der Uni­ 1926, s. 9. versität Jena von 1548/ 58 bi s 1854/ 64. Jnau­ (17) Göttling, J. F. A.: Allgemeine Übersicht der 1800) gural-Diss. an der Mathemat.-Naturwiss.­ Chemie als Einleitung zu Hagens Lehrbuch • Praktische Anleitung zur priifenden Techn. Fakultät der Univ. Jena. Jena 1974; der Experimentalchymie. Jena 1786, S. 3/ 4. und zerlegenden Chemie (1802) R. Stolz: Chymia Jenensis. In: Wiss. Z. Univ. (18) Wie Anm. (17), S. 16. • Physisch-chemische Encyclopädie Jena. Reihe Alrna Mater Jenensis, H . 7, Jena (19) Göttling, J. F. A.: Elementarbuch der chemi­ (1989); M. Steinmetz (Hrsg.): Geschichte der schen Experimentierkunst. Teil I, Jena 1808, oder physisch-chemischer Hausfreund Universität Jena 1548/ 58 bis 1958, 2 Bde., S. m. (3 Bände, 1804-1807) Jena 1958; S. Schmidt (Hrsg.): A!ma mater • Elementarbuch der chemischen Ex­ Jenensis - Geschichte der Universität Jena. perimentierkunst (2 Bände, 1808 bis Weimar 1983. (4) Horn, W.: Pharmazie und Pharmakologie an 1809). der Universität Jena von 1548/ 58 bis 1854/ 6. In Göttlings Bemühungen um die 64. lnaugural-Diss. an der Mathemat.-Natur­ Prof. Dr. habil. Rüdiger Stolz Verbreitung chemischer Kenntnisse, wiss.-Techn. Fakultät der Univ. Jena. Jena Inst. für Geschichte der Medizin, die mit der Herstellung und dem Ver­ (1974) 34. Naturwiss. und Technik (5) Wie Anm. (3) sowie insbes. E. Giese, B. von Ernst-Haeckel- Haus kauf von transportablen Kleinstlabora­ Hagen: Geschichte der Medizinischen Fakul­ der Friedr.-Schiller-Universität torien und den dazu gehörenden Ar­ tät der Friedricli:schiller- Universität Jena. Berggasse 7 beitsvorschriften (,,Vollständiges ehe- Jena 1958. 0-6900 Jena

Geschichte der Pharmazie · 43. Jahrgang 1991 · Nr. 4 57

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wirkt. An si~ schließen sich ganz di cht Beiträge zur Kenntnis deutscher jeweils zwei lanzetthche Blatter und dann zwei dreizipfelige Blüten an. De Apotheken-Fayencen gleichen Dekor zeigt ein ebenfalls rn n HL gemarktes Gefäß aus einer Apoth~: IX. Gefäße mit Blattkranzdekor der Fayencefabriken kein Zierenberg bei Kassel, das sich irn Germanischen Nationalmuseum in in Kassel und Nürnberg Nürnberg befindet und von Ursula Kranzfelder in ihrem vorzüglichen Ka­ Von Wolfgang-Hagen Hein, Frankfurt talog beschrieben wurde ( 4 ). Man kann und Dirk Arnold Wittop Koning, also künftig Gefäße mit der auffallen­ den dunkelblauen dreiblättrigen Blüte oben, auch wenn sie keine Bodenmarke besitzen, der Kasseler Fayencefabrik Schon in den beiden ersten Mitteilun­ ter länger als die beiden äußeren waren zuschreiben. gen dieser Reihe* wurden Fayencegefä• (2). Diese Merkmale ermöglichen es, Die beiden nächsten Gefäße aus dem ße mit der in Kobaltblau ausgeführten auch unsignierte Gefäße mit diesem Besitz des Germanischen Nationalrnu­ Blattkranz-Kartusche abgebildet. Wie Dekor den Manufakturen in Frankfurt seums in Nürnberg tragen eine sehr dort ausgeführt, folgten die deutschen ocler Ansbach zuzuschreiben. ähnlich ausgeführte Kartusche in Ko­ Fayencemanufakturen im 18. Jahrhun­ Wir wollen hier zwei weitere durch baltblau. Aufgrund ihrer Bodenmarken dert mit dieser Form des Dekors dem besondere Merkmale charakterisierte (Buchstabenkombination und ausgezo­ Vorbild der Delfter Apothekengefäße, Fayencetypen mit dem Blattkranz be­ gene Zahl 4, die wie das alchemistische die weithin in Europa Anklang gefun­ handeln, die künftig auch bei unmar­ Zeichen für Zinn bzw. Jupiter aussieht) den und den Markt bestimmt hatten. kierten Stücken eine Zuschreibung zum wurden sie in der Nürnberger Fayence­ Da die Gefäße mit dem Blattkranzde­ Herstellungsort erlauben sollen. Das fabrik etwa um die gleiche Zeit wie das kor sich zur Ausstattung jeder Apothe­ erste Gefäß ist ein bauchiger Apothe­ Kasseler Gefäß angefertigt. Das beson­ ke eigneten, konnten sie von den Fabri­ kentopf von 13,7 cm Höhe aus der dere Merkmal der Blattkränze ist bei ken auf Lager gearbeitet werden. Sie Sammlung der Firma Hoffmann-La diesen Gefäßen, daß zwischen die Blät­ stellen heute gegenüber Gefäßen mit Roche AG in Grenzach (Abb. 1) (3). ter Beeren gestreut sind, und zwar so. einem speziellen Dekor wie einem Seine Kartusche ist in dem etwas tinti­ daß immer auf zwei Blattpaare ein Bee­ Apothekenwahrzeichen den weit über• gen, dunklen Blau ausgeführt, das für renpaar folgt. Auffällig ist weiter das wiegenden Teil der erhaltenen deut­ Erzeugnisse der 1680 gegründeten Ma­ Fehlen der beiden Seitenblüten neben schen Apothekengefäße des 18. Jahr­ nufaktur in Kassel typisch ist. Tatsäch• den großen eingerollten Blättern oben hunderts dar. lich trägt das Stück auf dem Boden die und die große Doppelschleife unten am Nur auf den ersten Blick wirkt dieser Kasseler Marke HL in ligierter Form, Kranz-Ende. Blattkranzdekor der verschiedenen die Hessenland bedeutet. Es dürfte der Das kaum mehr als Blüte anzuspre­ deutschen Fabriken einheitlich. Be­ Zeit zwischen 1750 und 1770 entstam­ chende Gebilde, das den Kranz oben trachtet man ihn genauer, dann zeigen men. Das Auffällige der Kartusche die­ krönt, besteht bei dem bauchigen Topf sich vielfältige Unterschiede. An der ses Blattkranzes ist die oben aufsteigen­ mit dem betonten Fuß (Abb. 2) aus drei Vereinigungsstelle der beiden Kranz­ de, kräftig ausgeführte dreiblättrige sti­ kreisrunden Blättern, hinter denen acht Enden oben ist meist eine stilisierte lisierte Blüte, die in etwa wie die Lilie Tupfen aufsteigen. Unter diesem Gebil­ Blüte in verschiedensten Ausführungen im französischen Bourbonenwappen de ragen in das Kranzinnere zwei Bee- eingefügt. An deren beiden Seiten tre­ ten fast immer zwei größere lanzettliche Blätter aus dem Kranz heraus. Ihnen schließen sich meist auf jeder Seite zwei kleinere stilisierte Blüten in Seitenan­ sicht an. Weiter unten unterbricht den Kranz dann auf dem „Äquator" auf bei­ den Seiten eine in Aufsicht gemalte Blü• te. Unten sind meist zwei sich kreuzen­ de Zweig-Enden und eine verschieden­ artig geformte Schleife angebracht. Für eine Gruppe der leider nie mit einer Bodenmarke versehenen Apo­ thekengefäße der Frankfurter Manu­ faktur konnte als bezeichnendes Merk­ mal ein unten am Kranz-Ende befindli­ ches Schleifchen herausgestellt werden (1 ). Charakteristisch für Ansbacher Gefäße mit diesem Blattkranzdekor war eine den Kranz krönende fünf• zipfelige Blüte, deren drei innere Blät- ·t Abb. 1. Im Vordergrund bauchiger Apo­ Abb. 2. Bauchiger Apothekentopf rfll rw thekentopf aus Kassel; im Hintergrund Fuß der Manufaktur Nürnberg. Gerrfla v • Beitr. Gesch. Pharmazie 37(1985) 20/240 und Albarello aus Kelsterbach. Sammlung sches Nationalmuseum, Nürnberg· in · 26/246 Hoffmann-La Roche, Grenzach Nr. PHM 2376 + 2198

~rr) 58 Geschichte der Pharmazie 43.Jahrgang 1991 · t' · http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 „ 1 MfflifflrttitöR,M11frJM

malt, sondern vier Kranzblätter. Das Stößt man also auf deutsche Apothe­ Einstreuen von Beeren in den Blatt­ kenfayencen, deren Blaudekor aus kranz, wie wir es auf beiden Fayencen Blattkranz und Beeren in Form der bei­ sehen, ist für eine große Zahl von in der den abgebildeten Beispiele oder ähnli• Nürnberger Fabrik entstandenen Apo­ chen, die Ursula Kranzfelder abbildete thekengefäßen eigentümlich, obgleich (5), besteht, dann kann bei Fehlen der diese Manufaktur durchaus auch Gefä• Manufakturmarken von Bayreuth und ße mit beerenlosem Blattkranz gefertigt Ludwigsburg auf Nürnberg als Herstel­ hat. lungsort geschlossen werden. Nun haben auch noch zwei andere deutsche Fayencefabriken Kartuschen ihrer Apothekengefäße mit Blattkranz Literatur und Anmerkungen und Beeren bemalt: Bayreuth und Lud­ wigsburg. Doch lassen sich deren Er­ (1) Hein, W.-H.: Eine Gruppe Frankfurter Fayen­ zeugnisse, ganz abgesehen von einer cen mit Blattkranzdekor. In. Beitr. Gesch. anderen Ausführung des Dekors, sehr Pharmazie 37 (1985) 20- 22. einfach von den Nürnberger Fayencen (2) Hein, W.-H. u. D. A. Wittop Koning: Gefäße mit Blattkranz und Beeren unterschei­ mit Bl attkranzdekor aus der Ansbacher Ma­ nufaktur. In: Beitr. Gesch. Pharmazie 3 7 den. Sie tragen nämlich immer die cha­ (1985) 26f. rakteristischen Bodenmarken Bay­ (3) Wie einem im Besitz des ersten der Verfasser reuths (die Buchstabenfolgen B. F. S., befindlichen Foto-Katalog zu entnehmen ist, B. P. F. oder B. P.) oder Ludwigsburgs befanden sich zwei solcher Gefäße einst in der Sammlung A. Michaelis, Berlin, vo n denen (die beiden gegenständig verschlunge­ das abgebildete jetzt in Grenzach ist. nen Buchstaben C). Von letzteren sind (4) Kranzfelder, U.: Zur Geschichte der Apothe­ Abb. 3. Albarello der Manufaktur Nürn• im übrigen bisher nur zwei Stücke be­ kenabgabe- und Standgefäße .. . Diss. Mün• berg. Germanisches Nationalmuseum, kannt geworden, die sich in der Samm­ chen 1982, S. 450, K 12. (5) Wie Anm. (4), S. 453-459. Nürnberg. lnv. Nr. Ke 1678 + 199 lung W. Teschke, Berlin, befinden. Im Gegensatz zu den immer durch ihre Manufakturmarke gekennzeichneten Anschriften der Verfasser: ren. Die analoge Krönung des Kranzes Gefäßen Bayreuths und Ludwigsburgs Prof. Dr. Wolfgang-Hagen Hein auf dem fast walzenförmigen Albarello sind offenbar viele Nürnberger Stücke Pfaffenwiese 53 (Abb. 3) besteht aus fünf Blütenblät• ohne Marke in den Handel gekommen, 6230 Frankfurt/Main 80 tern und neun zum Teil ineinander flie­ was vielleicht in ähnlicher Weise wie in 0oz. Dr. Dirk Arnold Wittop Koning ßenden Tupfen. Darunter sind im Frankfurt mit den Gepflogenheiten des Raphaelstraat 2 2 Kranzinneren hier keine Beeren einge- Messeplatzes zu erklären sein dürfte. NL-1077 P. V. Amsterdam

Berlin geboren (2). Während sein einzi­ Natron als Allheilmittel ger Bruder Carl Wilhelm das Kondito­ renhandwerk erlernte, legte August Arzneitherapie nach August Wilhelm Bullrich Wilhelm nach eigenen Angaben das preußische Examen zum „Apotheker Von Axel Helmstädter, Viernheim erster Klasse" ab (3). Im Jahre 1834 (4) erwarb er zusammen mit einem gewis­ sen G. Z . Knobloch die Berliner Seifen­ „Ja schon der Jäger aus Kurpfalz nahm oft und gerne ,BuUrich-Salz'" behauptet und Parfümeriefabrik Franz Carl Steg­ ein Werbespruch, dessen zweifelhafter historischer Wahrheitsgehalt hier nicht zur mann (5). Das seit 1827 bestehende (6) Diskussion steht. Das nicht zuletzt durch diese gefällige Art der Publikumswer­ und offensichtlich nicht ganz unbedeu­ bung bekannte Antazidum ist indes ohne Zweife l eine pharmaziehistorische Be­ tende Unternehmen nahm unter Bull­ trachtung wert, gehört es doch zu den ältesten deutschen Arzneifertigwaren. rich weiteren Aufschwung. Ein Bericht zur Berliner Gewerbeausstellung von 1844 lobt die „gute Beschaffenheit" der markanten Persönlichkeit. Einern Zei­ ehemals Stegmannschen Seifenartikel Apotheker August Wilhelm tungsbericht zufolge soll er durch seine (7), für die Bullrich, der seit 1843 die Bullrich (1802-1859) ,,trotz junger Jahre bereits schneewei­ Firma allein führte, sogar mit einem ßen Haare, sein durch eine scharfe Ad­ Preis ausgezeichnet worden sein soll lernase geziertes Gesicht und durch sei­ (8). Am 1. April 1851 eröffnete der ne jedem Modezwange abholde ,,Apotheker erster Klasse", ,,Parfüme• Das heute aus reinem Natriumhydro­ Tracht" aufgefallen sein (1) (Abb. 1). Er rie- und Toiletteseifenfabrikant" und gencarbonat bestehende Präparat trägt wurde am 31. Juli 1802 als Sohn von ,,Hoflieferant seiner Majestät des Kö• den amen des Berliner Apothekers August Siegismund und Friedericke nigs und seiner königlichen Hoheit des August Wilhelm Adolph BuUrich, einer Wilhelmine BuUrich geb. Reiche! in Prinzen Friedrich der Niederlande" (9)

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ein zweites Geschäftslokal in der Leip­ ziger tr. 30 (10). Der fromme und bi­ belfeste Mann (11) verstarb am 3. Juli 1859 in Berlin; seine Witwe M. BuUrich geb. Crudelius führte das Geschäft zu­ nächst weiter, verkaufte jedoch noch 1859 an einen gewissen W. C. E . E . Zoll (1 2). Bullrich hinterließ keine Kin­ der.

Bullrich als „Rathgeber bei Krankheitsfällen" Abb. 2: Autograph A. W. Bullrichs

Leiden Therapievorschläge, derer sich Wirkung äußert und nur mit den, durch Seine literarische Hinterlassenschaft der Leser „in Ermangelung des Bei­ gestörte Verdauung erzeugten Unrei­ weist den Fabrikanten als moderaten standes schulrechter Ärzte" im Notfall nigkeiten, die meist saurer Natur sind, Kritiker der ärztlichen Kunst seiner bedienen soll. Es verwundert nicht, daß zu thun hat, so ist die Methode die Ur­ Zeit aus. Auf einem Notizzettel neben allgemein bekannten Hausmit­ sachen der Krankheiten zu entfernen, (Abb. 2), dem einzig heute noch zu­ teln wie „Hoffmanns-Tropfen" und doch unzweifelhaft die beste." (23). Die 1 gänglichen Autographen August Wil­ Senfwickeln Heilmittel und Toilettear­ empfohlene Dosis von / 2 bis 1 Teelöffel helm Bullrichs, stellte er „ad vocem tikel des Hauses Stegmann eine heraus­ Substanz wurde alle ein bis zwei Stun­ Lutze" die skeptische Frage: ,,Kann eine ragende Stellung einnehmen (16). So den als Pulver oder in Form natronhal­ Universität mit der Doktorwürde den weist Bullrich unter anderem auf seine tiger Mineralwässer eingenommen. parfümiert und unparfümiert erhältli• che Cocos-Seife hin, die er zur äußeren Inhalt ca. 500 gr: Anwendung bei Gicht (17) sowie zur Behandlung verschiedener Hautkrank­ ,,Bullrichs Sodawasser" heiten (18) empfahl. Ob seiner angeb­ ::J lich guten Qualität und Heilkraft preist 0- er noch zahlreiche weitere Stegmann­ Bullrich setzte großes Vertrauen in die ..... 0., Präparate wie den „aromatischen Ba­ Heilkraft des Wassers, die er schon in ..c C: u (1) despiritus", ,,aromatische Schwefelsei­ der Bibel bestätigt sah (24). Den natür• Cl) ..... fe", ,,aromatischen Augentaback (!)", lichen Heilwässern lastete er an, nicht in .... ,,Niederländische Zahntinktur" (19), idealer Weise die richtige Verdauung ::J ,,Bandeuline- und Wachspommade" so­ wieder herzustellen. Sie enthielten zu­ z wie das von ihm selbst „in Form eines viele gelöste Stoffe und besäßen infolge doppelten Branntweins zusammenge­ ihres Gehaltes an Glauber- und Bitter­ setzte Extrait de Genievre compose" salz eine zu stark abführende Wirkung, (20). Letzteres sollte insbesondere die die den Körper zusätzlich schwäche Cholera schlagartig heilen: ,,Im Jahre (25). ,,Um diesem Uebelstande abzu­ Warnung vor Täuschung! 1849 ward ich zu einem Tischler geru­ helfen", bereitete der Berliner Apothe­ Für Haus und Küche unentbehrlich. fen, der an heftigen Cholera-Krämpfen ker im Jahre 1851 „Bullrichs Sodawas­ Erwachsene nehmen nach jeder litt [ .. .] . Nach einem Esslöffel voll ser". Gegensatz zu „Selterswasser" Mahlzeit 1 gestrichenen Teelöffel Im Extr[ait] de Gen[ievre], verfiel er in hef­ Gebrauchsanweisung auf Wunsch sollte es die Fähigkeit besitzen, auch gratis und franko. tigen Schweiss und hatte brennenden ,,im Körper verhärtete Unreinigkeiten" Durst, welcher mit Weißbier gelöscht zu lösen und, ohne den Körper anzu­ wurde, am anderen Tage war er außer greifen, die Verdauung zu unterstützen" Abb. 1: Portrait A. W. Bullrichs auf Bett, jedoch sehr angegriffen; den fol ­ (26). Herausragende Indikationen des historischer Bullrich-Salz-Packung genden Tag aber arbeitete er an der Ho­ Sodawassers waren Hämorrhoiden, belbank" (21). Bullrichs Heilungstheo­ Nervenkrankheiten, Lähmungen, Was­ medizinischen Verstand, oder eine wis­ rie basiert auf humoralpathologischen serscheu, Magenkrämpfe, Katarakt senschaftliche Bildung überhaupt ge­ Vorstellungen, die Körper- und „Säfte"­ und Kropf, dessen Entstehung Bullrich ben?". Er selbst bezeichnete sich als Reinigung gilt als elementare Grundla­ auf einen Mangel an Kohlensäure im „wissenschaftlich gebildeten Lehrer der ge der Genesung. Zur „Unterstützung Quellwasser zurückführte (27). natürlichen Heilkunst" (13). Mit diesem des Reinigungsgeschäftes der Natur" Zu Bullrichs Zeiten war der Haupt­ Selbstverständnis gab er 1853 einen (22) empfahl er fast in jedem Falle bestandteil des „Sodawassers", 115 Seiten starken „Rathgeber bei ,,kohlensaures Natron" (,, atrum car­ a2C03, bereits seit langem vor allem Krankheitsfällen" heraus (14). Hierin bonicum acidulum"), dessen umfassen­ als Antazidum bekannt (28). Das Be­ postulierte er drei Krankheitsursachen: de Heilkraft durch Beseitigung von sau­ merkenswerte an Bullrich-Salz liegt so­ ,, 1. Gestörte Verdauung und die da­ ren Unreinheiten zustande komme: ,,Es mit weniger in Zusammensetzung und durch erzeugten Unreinigkeiten (gastri­ verdient, indem es einen großen Theil Indikation des „Geheimmittels" (29) als sche), 2. Angegegriffene und leidende der Arzneimittel überflüssig macht, als in der Art und Weise seiner Vermark­ Nerven, 3. Vergiftung, wozu die An­ das seit Jahrhunderten gesuchte Uni­ tung, die dem „Chemischen Universal­ steckung zu rechnen ist" (15). Im fol­ versalheilmittel betrachtet zu werden. Reinigungs-Salz zum Auswaschen der genden macht er zu den verbreitetsten Wenn es gleich auf den Körper keine durch gestörte Verdauung in die Einge-

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http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/65045 MfflMfititöR,föu@M weide gebrachten Unreinigkeiten" (30) Durch Ankauf und Umbau des Hau­ Jahre 1972, als die Firma in die Hand seine bis heute währende Berühmtheit ses Kurfürstenstraße 19 in Berlin konn­ eines Neffen der Witwe, Paul Spielha­ bescherte. Wann das von Bullrich so ten die Produktionsbedingungen erst gen jun., überging. Seit 1982 verfügt die sehr geschätzte Natron als Fertigarznei­ im Jahre 192 9 verbessert werden, nach­ Firma Delta-Chemie, Dr. Krauß & mittel eingeführt wurde, läßt sich nicht dem überaus originelle und erfolgrei­ Dr. Beckmann, Neu-Isenburg, über die mehr feststellen. Wahrscheinlich ge­ che Werbekampagnen Bekanntheits­ Rechte an Bullrich-Salz. langte es erst nach 1850, also relativ grad und Umsatz von „Bullrich-Salz" spät, in den Handel (31). gesteigert hatten. Hervorzuheben sind vor allem sogenannte „Affichenmän­ Literatur und Anmerkungen ner" als wandelnde Plakatsäulen. Sie trugen „überlebensgroße Negerköpfe (1) Pharm. Ztg. 42 (1897) 638. ,,Bullrich-Salz" aus Pappmache, an denen lange Mäntel (2) Frdl. Mitteilung Kirchenbuchstelle evang. befestigt waren, die ihre Träger völlig Zentralarchiv Berlin vom 30.April 1990. und seine Werbung (3) Archivalische Nachweise über Ausbildung verdeckten und ihnen nur durch einen und Prüfung ließen sich nicht ermitteln (frdl. schmalen Schlitz in Augenhöhe die Mitteilung Zentrales Staatsarchiv Merseburg Die Anfänge der industriellen Ferti­ Orientierung ermöglichten. Vorder­ vom 15. Mai 1990). Bullrich soll in der Berli­ gung liegen ebenfalls im dunkeln; fest und Rückseite waren mit gut lesbaren ner (?) Apotheke zum Schwarzen Adler Pro­ visor gewesen sein. Vgl. Holm-Dietmar steht nur, daß zwischen der Firma Au­ Werbetexten versehen. In Berlin kannte Schwarz: August Wilhelm Adolph Bullrich. gust Wilhelm Bullrich und dem Unter­ bald jedes Kind die originellen Bull­ - In: Dtsch. Apotheker-Biographie. Erg.-Bd. nehmen seines Bruders, Carl-Wilhelm rich-Salz-Riesen, und die bislang nicht Stuttgart 1986, S. 60. Bullrich, langjährige patentrechtliche dagewesene Art der Werbung brachte (4) Pharm. Ztg. 42 (1897) 638. Schwarz [Anm. (3)] nennt das Jahr 1835. Streitigkeiten bestanden, bevor beide relativ schnell die ersten meßbaren Er­ (5) Frdl. Mitteilung Geh. Staatsarchiv Preuß. zwischen 1922 und 1924 vereinigt wur­ folge" (34). Ferner sorgten große gelbe Kulturbesitz vom 7. März 1990 nach dem den (32). Paul Wever, ein langjähriger ·mechschilder an Berliner Ausfallstra­ Berliner Adreßbuch 1838; die Firma befand Mitarbeiter des Hauses, beschreibt an­ ßen sowie ansprechende Apotheken­ sich in der Stralauer Str. 33 in Berlin. (6) WieAnm.(4). schaulich die damaligen Produktions­ Dekorationen etwa in Form „transpa­ (7) Amtlicher Bericht über die allgemeine Deut­ bedingungen des Präparates: ,,Das Sie­ renter Großpackungen mit Innenbe­ sche Gewerbeausstellung zu Berlin. 3 Bde. ben des Pulvermaterials erfolgte mit leuchtung" für eine weite Verbreitung Berlin 1845; hier Bd. 2, 42. einer [ ...] primitiven Maschine, die mit des Antazidums. Schilder in Straßen- (8) Pharm. Ztg. 42 (1897) 638. (9) Allgemeiner Wohnungsanzeiger nebst Adreß- und Geschäftshandbuch für Berlin, dessen Umgebungen und Charlottenburg. Wer Bullrich-Salz erst einmal kennt Berlin 1856, 54 (i. flg. WAnz). Zur Aussage­ sich nie im Leben davon trennt. kraft derartiger Titel vgl. Elmar Ernst: Das ,,industrielle" Geheimmittel und seine Wer­ Bei jedem Brand ... die Feuerwehr, bung (Quellen und Studien zur Geschichte bei Sodbrenn' aber Bullrich her! der Pharmazie, 12) Würzburg 197 5, 107 u. 147. Ist Dir schlecht, so kann Dich retten: (10) Frdl. Mitteilung Geh. Staatsarchiv Preuß. Bullrich-Salz auch in Tabletten. Kulturbesitz, Berlin vom 7. März 1990. Hast Du zu Bullrich-Salz Vertrauen (11) Dies folgt z. B. aus seiner Schrift: Religion und Kirche, zur Beleuchtung der Schrift die wirst Du alles gut verdauen. Freimaurer und das Evangelische Pfarramt, S6 nötig wie die Braut zur Trauung aus der evangelischen Kirchenzeitung; eine Volksstimme. Berlin 1854. ist Bullrich-Salz für die Verdauung. (12) WAnz 5. Jg., 1860, 66 u. pers. Mitteilg. Fa. Hat Dein Corpus etwas Stauung Delta-Chemie, Neu-Isenburg vom 9. Januar Bullrich fördert die Verdauung. 1991. (13) Das undatierte und unsignierte Dokument Essen kannst Du ohne Pause gelangte 1897 mit der Sammlung Theodor hast Du Bullrich-Salz im Hause. Wagener, Berlin, ans Germanische National­ museum Nürnberg. Nähere Hinweise auf den Was der Faust für die Erbauung Adressaten bestehen nicht (frdl. Mitteilung ist Bullrich-Salz für die Verdauung. Germ. Nat. Mus. Nürnberg vom 7. Mai 1990). Eventuell handelt es sich um den in Anhalt-Köthen praktizierenden Homöopa• Abb. 3: Typische Zweizeiler aus der Bullrich-Salz-Werbung then Arthur Lutze (1813-1870), der lange nach Eröffnung einer homöopathischen Pra­ einem Handschwungrad versehen war bahnen, Zeitungsanzeigen und Rund­ xis die Promotion nachgeholt hatte, um seine Berechtigung zur Ausübung der Heilkunde und durch Muskelkraft betrieben wur­ funkdurchsagen taten ein übriges. Ge­ glaubhaft zu machen. Zu Lutze vgl. Wolf­ de. Das Siebgut fiel in eine große Kiste, worben wurde hauptsächlich in Form Dieter Müller-Jahncke: Der Homöopath aus der es wiederum von Hand, nämlich eingängiger Zweizeiler, die sich zum Arthur Lutze und seine Poliklinik in Köthen. Teil geradezu als „geflügelte Worte" Die rechtliche Auseinandersetzung um die mit einer Blechschaufel (Schütte) in Homöopathie. In: Pharm. Ztg. 130 (1985) die Abfüllmaschine befördert werden einbürgerten (Abb. 3). 816- 821. mußte. Das alles geschah unter erhebli­ Bis zu Beginn des Zweiten Weltkrie­ (14) Bullrich, August Wilhelm: Rathgeber bei cher Staubentwicklung, so daß alle, die ges und bis zum Tode des Firmeninha­ Krankheitsfällen, in Ermangelung des Bei­ in den niedrigen Kellerräumen damit zu bers Paul Spielhagen (1940) (35) flo­ standes schulrechter Ärzte. Berlin 1853. Sei­ ne früher erschienene Schrift: Aufschluß tun hatten, wie Müller aussahen. N atür• rierte „A. W. & C. W. Bullrich". Dann über die Cholera auf Erfahrung, nach wis­ lich wurde der Pulverstaub auch einge­ folgten schwere Jahre, die dank der In­ senschaftlichen Prinzipien, gestützt für Aerz­ atm et; und da Bullrich-Salz für den Ma­ itiative Paul Wevers jedoch überbrückt te und Nicht-Aerzte. Berlin 1849, war mir gen und nicht für die Lunge bestimmt werden konnten (36). Wever und die nicht zugängli ch. Bereits 1831 hatte Bullrich ein „Cholera-Präservatif" entwickelt [Bull­ ist, wirkte das keineswegs gesundheits­ Witwe Paul Spielhagens führten die Ge­ rich (1853) 20]. fördernd" (33). schäfte nach Kriegsende noch bis zum (15) Bullrich (1853) 8.

Geschichte der Pharmazie · 43. Jahrgang 1991 · Nr. 4 61

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1863 vom Bruder August Wilhelms und des­ (16) Insofern ist Bullrichs Veröffentlichung ein tränk nach Festmahlen den Champagner zu sen ehemaligem Mitarbeiter W. Assmann ge­ gutes Beispiel für die von Elmar Ernst beob­ ersetzen, welcher in vielen Fällen [.. .] Uebel­ gründet worden. Nach Aktenlage wurde am achtete, werbewirksame Rechtfertigung des keit und Erbrechen hervorbringt, während 6. September 1895 das Warenzeichen Origi­ Geheimmittelhandels durch vo rgebliche mein Soda-Wasser [... ] Behaglichkeit und nal Bullrich-Salz unter Nr. 11035 für die Fir­ Menschenfreundlichkeit; vgl. hierzu Ernst Wohlsein zur Folge hat." Bullrich (1853, ma C. W. Bullrich eingetragen, obwohl A. W. (1975) 146. Zur Aufzählung der Stegmann­ Rathgeber) 93. Bullrichs Unternehmen Priorität besaß. schen Produkte vgl. Bullrich (1853) (27) 1. c., 79. Letzteres erhielt erst am 8. November 1902 108-114. (28) Zur Geschichte der Antazida vgl. Wolfgang (17) Zu trockene Haut sollte zu heilsamen Aus­ Rösch u. Ulrike Meyer: Konservative Ulcus­ die Rechte an Bullrich-Salz zugesprochen dünstungen nicht in der Lage sein. Vgl. 1. c., Therapie im Wandel der Zeit. Bielefeld 1981, (Warenzeichen-Nr. 60516). Worauf sich die auf der in Abb. 1 ersichtliche „Markengesch. 34. 71 - 74. (18) 1. c., 48- 49. Zur Cocos-Seife vgl. 1. c. (29) Zur Definition des Begriffes „Geheimmittel" Nr. 58168" bezieht, ist unklar. 109- 110. vgl. ausf. Ernst (1975) 50- 53. (33) 1. c., 2. (19) ,,Einige Tropfen iederländische Zahntink­ (30) Archiv der Pharmacie 124 (1853) 109. (34) 1. c., 4. Zur damals üblichen Werbepraxis vgl. tur hingegen unter das Mundwasser, zum täg­ (31) In Bullrichs 1853 erschienenem „Rathgeber" Ursula Lill: Die pharmazeutisch-industri elle lichen Gebrauch gemischt, entfernen alle ist nur Natron als Substanz sowie das be­ Werbung in der ersten Hälfte des 20. Jahr­ Zahnschmerzen für immer." 1. c., 79. schriebene „Soda-Wasser" erwähnt. Pharm. hunderts (Quellen und Studien zur Ge­ (20) 1. c., 97. Ztg. 42 (1897) 638 nennt 1840 als Einfüh­ schichte der Pharmazie, 56). Stuttgart 1990. (21) l.c., 37. rungsdatum; zweifelhaft erscheinen Anga­ Sie erwähnt Bullrich-Salz indes nur am Ran ­ (22) 1. c., 29. ben, nach denen der Handelsname bereits de. (23) 1. c., 99. 1827 bestanden haben soll ; so Wilhelm Vers­ (35) Paul Spielhagen hatte 1920 das Unterneh­ (24) Bullrich, August Wilhelm: Ueber Heil wässer, hofen: Die Anfänge der chemisch-pharma­ men von der Familie Bullrich übernommen. natürliche und künstliche, und ihre Wirkung zeutischen Industrie Bd. 1 (1949) 11 8 und (36) Zum Schicksal des Unternehmens in den auf den menschlichen Körper in Rücksicht Fritz C. Müller: Wer steckt dahinter? - Na­ Kriegsjahren vgl.Wever (1974) 8- 11. auf die Gesundhei t. Berlin 1853, 8. men, die Begriffe wurden. Düsseldorf u. (25) Bullrich (1853, Rathgeber) 92-93. u. Bull­ Wien 1964. S. 62. rich (1853,H eilwässer) 12. Ist in Einzelfällen (32) Vgl. hierzu Paul Wever: E ntstehung und Ent­ dennoch ein Laxans indiziert, empfiehlt Bull­ wicklung der Firma A. W. und C. W. Bullrich. Anschrift des Verfassers: ri ch die Gabe vo n Rhabarber. Berlin 1974, 1-2 sowie pers. Mitteilg. Fa._ Dr. Axel Heimstädter (26) Ferner schreibt Bull rich von seinem Wasser: Delta-Chemie, Neu-Isenburg, vo m '! . Januar Einsteinstraße 10 ,,Auch ist es imstande, als angenehmes Ge- 1991. Die Firma C. W. Bullrich wa r im Jahre 6806 Viernheim

Eine Medikamentenrechnung ten Aarau praktizierten und selbst Arz­ neien verkauften, wußten, vereint mit von 1802 dem Unabhängigkeitsbestreben der Stadtväter, Monopolgelüste der beiden Von Hans-Rudolf Fehlmann*, Möriken Ortsapotheker zu verhindern. Auch eine ungesetzliche Ausübung des Arzt­ berufes von Wilhelm Wydler, Vater, Apotheker Wydler aus der schweizerischen Kleinstadt Aarau bemühte sich 1802, nützte diesem nichts, weil er in einem das französische Element der napoleonischen Helvetik in seine Medikamenten~ strengen Examen vor dem Bemischen rechnung einfließen zu lassen (z. B. Manne de Calabre, Pots et Bouteilles etc.). Medizin-Kollegium versagte. Diese Rechnung wurde der „Municipalitaet der Stadt Arau" für Lieferungen an Auf die Familie Wydler, die bis 1904 ,,den fränkischen Arzt" gestellt. Es erscheint reizvoll , die Arzneien mit zwei zeitge­ die Apotheke besaß, folgte die Familie nössischen Inventar-Listen von 1799 und 1844 aus der Klosterapotheke des Bene­ Göldlin-von Tiefenau, die heute in der diktinerklosters Muri (AG) zu vergleichen (siehe Tabelle). dritten Generation Besitzer ist.

(1761 - 1811 ), ebenfalls Apotheker, Die Apotheke Wydler vertrieb neben Heilmitteln auch Speze­ in Aarau reien. Er hatte die väterliche Apotheke Die Zeit der „Helvetik" im Jahre 1785 übernommen. im Kanton Aargau Im Aargauischen Staatsarchiv, Aa­ In der schweizerischen Kleinstadt Aa­ rau, Abteilung Helvetik, liegt als Origi­ rau betrieb seit etwa 1752 Wilhelm nal-Urkunde eine am 23. November Die alte Staatsordnung in der Schweiz Wydler nebeneinander das Gewerbe 1802 ausgestellte Rechnung für Liefe­ wurde durch die von Napoleon aufge­ eines Apothekers und eines Posthal­ rungen des Apothekers Jakob Wilhelm zwungene „Helvetik" (1798- 1802) ab­ ters. Sein Sohn, Jakob Wilhelm Wydler Wydler an den „fränkischen Arzt" in gelöst. Teile des heutigen Kantons Aar­ Aarau (Abb. 1). gau waren seit 1415 unter bernischer Ende des 18. ]h. war es für die bei­ Herrschaft. Bekanntlich marschierten den damaligen Kleinstadt-Apotheker 1798 französische [fränkische!] Trup­ * Dr. phil. habil. Willem F. Daems, CH-4144 Ar­ lesheim, und Stadtarchivar Dr.phil. Martin Pe­ schwer, einen einigermaßen lukrativen pen in die Schweiz ein, um dieses Land stalozzi, CH-5000 Aarau, danke ich für wertvol­ Umsatz zu erzielen. Die sechs bis zehn als Vasallenstaat zu gewinnen und den le Hinweise. Ärzte, die dazumal im wenig bevölker- bernischen Staatsschatz zu plündern.

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~ livre (Pfund)J'Schilling (solidus) d(d)- Denarius (Pfennig) 1 once=Unze Emetiq(ue) = Tartarus stibiatus, Syn. Emetique (-1) 6 onces Ipecacuanna 3" Opium depure et pulverise (2) 4~(Pfund) Manne de Calabre (Manna calabrensis) 2" folior(um) Sennae alex (andrinae) 6 " Tamarind(us) = (Fructus tamarindorum) 4 „ Ung(uen)t(um) ad scabiem (3) 1„ Ung Matris (4) 4„ ~(= Sa!) Ebshamensis = (Magnesium sulfuricum) (5) 4 „ Hordeum mundatu·m 4 „ Lignum Liquiritiae 3" Radix Lapathi acuti (z. B. Rhizoma rhei monachorum = Alpenampfer) 1 :! ,, Cerat(um) h_ (ni) (SATURN) Ceratum Saturni =: Unguentum Plumbi et al. (6) 2 ,. Syrup(us) de Alth(aea) fernel(ii) (7) 1 „ Syrup Diacod(ii) c(um) opio 2 " Syrup Rubi Idaei 1 '!,, Pulvis Rad(icis) Rhabarb(aris) opt(imus) 1 :! ,, Pulvis Crem(or) Tartar(i) = Cremor Tartari;

Tartarus depuratus C4 H50 6K 3'" Mell(is) optim(i) 1 „ Pillules Bellostij (8) a (i 1 ,/\ die once Pots et Bouteilles (Töpfe und Flaschen) Geldwerte: livre (Pfund)= alter Schweizerfranken Schilling (solidus) 20/1 = 1 Pfund Pfennig (denarius) 12 Pfennige= 1 J'

Abb. 1: Originalrechnung mit Transkription und Kommentar

Tabelle: Arzneibezeichnungen der napoleonischen Helvetik im Vergleich zu zwei Dieser Stadt-Staat konnte der Über­ lnventarlisten von 1799 und 1844 aus dem Benediktiner Kloster Muri macht der Franzosen nicht widerste­ hen, und wurde im M ärz 1798 zur Ka­ Medikament Inventar 1799 Inventar 1844 pitulation gezwungen. D en in Aarau einmarschierenden französischen Emetique = Tartarus - Tartarus stibiatus Truppen wurde ein begeisterter E mp­ stibiatus fang bereitet. General Brune rief Ver­ Ipecacuanna - R adix ipecacuana treter aus verschiedenen Kantonen Opium depure et pulverise - Opium pulveratum nach A arau, das in der Folge für kurze Zeit- vom M ärz bis September 1798 - Manne de Calabre Manna Manna calabrensis zur Hauptstadt der Schweiz erkoren Tamarind. Tamarindus crudus Tamarindus wurde. Nun mehrten sich die liberalen Unguentum ad scabiem - - Strömungen. E nde 1802 war zum Bei­ Unguentum M atris - U ngt. matris spiel bereits eine aargauische Verfas­ sung ausgearbeitet worden. Allerdings Sal E bshamensis - - blieb die Schweiz bis zum Zusammen­ Hordeum Mundatum (Gerstenzucker) H ordeum mundatum bruch der französischen Macht Ende Lignum liquiritiae Süßholzpulver Radix liquiritiae 1813 ein Satellitenstaat Frankreichs. Rad. lap athi acuti - Rad. lapathi acuti Ceratum Satumi E mplastr. Saturni E mplastr. Satumi Literatur und Anmerkungen Syrup de Althaea fernel - Syrup Althaeae (1) Z.B. Pharmacopoea Helvetica I (1865) Ph. H. Syrup D iacodii c. opio - Sirup. diacod. c. opio I, S. 232. (2) Nach Ph. H. II (Editio altera) II (1872): Opium Syrup Rubi idaei Syrup. Rubi idaei - pulveratum. (3) Ph. H. induas partes ... Basileae, 1771, S. 280. Pulvis R ad. Rhabarb. opt. Pulvis Rhei R adix rhabarbaris (4) Pharmacopoea uni versalis oder Uebersicht Cremor Tartar. Crem or Tartari Cremor Tartari der Pharmacopöen ... Zweiter Band, I- Z, Weimar, 1830, S. 354, Sp. 1 u. 2: Ceratum fus­ Mell.optim. Honig Mel crudum curn .. . s. matris, s. rnatris Theclae ... , oder: Pillules Bellostij - - Ph. H. !, S. 63: Emplastrum fu scum, Mutter­ pflaster, Emplätre de Ja mere Thecle .

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(7) Ph. H. in duas partes, a. a. 0 .: "Syru pus de A!­ seinen Pillen (um 1800) keine anderen Pur­ (5) Sal anglicus: ,,Epsom and Ewell, engl. Stadt in giermittel als Sennesblätter und Rhabarber­ der Grafsch. Surrey, Bittersalzquellen (Epso­ thaea Femelii", Jean Franc,ois Femel pulver genommen. - Wider die Lustseuche·. mer alz)", nach: Knaurs Lexikon, Droemer (1497- 1558), Arzt Heinrich II. von Frank­ Knaur, 1978, S. 220, Sp. 1. reich. Anschrift des Verfassers: (6) Pharmakopoe fü r das Königreich Bayern, (8) ~ellostische Pillen", nach Wolfgang Schnei­ Apotheker Dr. phil. Hans-Rudolf Fehlmann eue Bearbeitung (1856), Deutscher Apothe­ der: Geheimmittel & Spezialitäten, Lexikon ker Ve rlag Stuttgart, 1988, mit einem ach­ zur Arzneimittel-Geschichte, Govi-Verlag, Quartierweg 18 wort von Wolfgang Schneider, S. 3JJ. Frankfurt/M., 1969, S. 33:" ...B ellost habe zu CH-5115 Möriken (AG)

gebruik der Scheikundige Probeermid­ Early European influences delen ten nutte van Pachters en Landei­ genaars, gelijk ook tot verscheidene an­ on Japanese pharmacy dere nuttige oogmerken. Uit het En­ gelsch, naar de tweede oorspronglijke The reception of a text book written by uitgave, vertaald en met de Aanmerkin­ Johann Bartholomaeus Trommsdorff gen van den Heer J. B. Trommsdorff, vermeerderd, uitgegeeven door Adol­ phus Ypey". - As the ties were close by Wolfgang Goetz*, Reinheim between and the in the first half of th 19th century already, this Dutch version was employed by Triggered by the appearance of H. Okuno's book "Chemistry in the Edo ear", where a handwritten copy of a Trommsdorff textbook is reproduced, it is briefly Yoan Udagawa. As back-up for his work Udagawa described, how part of his work influenced pharmaceutical literature in Japan in Y. utilized a number of additional Europe­ the early 19th century. an textbooks, mainly those available in Dutch translations. Among his referen­ lt was in 1824 when the German phar­ • with his correspondence (4) he was ces is also Trommsdorffs „Systemati­ macist Heinrich Bürger (1806-1858) in contact with most of the contempora­ sches Handbuch der gesarnmten Che­ (1) came to Japan as the first European ry chemists and pharmacists of impor­ mie" (7). This handbook encompassed pharmacist. This first personal contact tance in Europe eight volumes in the first edition, beco­ was followed fairly quick:ly by the ap­ • this correspondence contributed not ming available between 1800 and 1807, pearance of European pharmaceutical only to his „Journal der Pharmacie", the and another eight volumes as the se­ literature, forming the basis for „Seirni first real pharmaceutical periodical at cond edition, appearing in the years Kaiso", ,,not only the first Japanese sy­ all, that he edited 1793 till 1834, but al­ 1805 till 1820. stematic chemistry textbook, but also so to the distribution and translation of The literature that Y. Udagawa ba­ the best chemistry textbook published the many textbooks he published (5). sed his own book on, which became far in the Edo era" (2). For „Seirni Kaiso" two of them were more than just a compilation because The author Yoan Udagawa (1798 till of particular importance. The first one he included the results of self-perfor­ 1846) described in the preface of „Sei­ is „Chemie für Dilettanten oder Anlei­ med experiments, assured that it was mi Kaiso" that he utilized as basis tung die wichtigsten chemischen Versu­ the very modern chemistry, relying on among others books published by Joh. che . .. anzustellen" (6). This book was the work of A. L. Lavoisier (1743 till Barth. Trommsdorff (Erfurt, 1770 till published originally by William Henry 1794), that was introduced to Japan. 1837). (177 5-1836) with the title „An epito­ Therefore, a very sound and solid basis Trommsdorff was one of the most fa­ me of chemistry". When Trommsdorff was formed, from which the Japanese mous European pharmacists of his time published his German translation in scientists, chemists and pharmacists. (3). This had the following main rea­ 1803, he added to the text a Jot of own could start their own work. sons: remarks. This edition was taken as basis The international partnership, that • he founded in 1795 an institute, that by Adolph Ypey (1749- 1820) for the was functional in the early decades of laid the basis for pharmaceutical and Dutch edition that he prepared. The full the !9th century has parallels in our chemical education in Germany; more titlei under which the book appeared in times and not only for the experimental than 300 students from all over Europe Amsterdam still in 1803 was „Chemie, chemistry and pharmacy, but also for attended his courses voor beginnende liefhebbers, of aanlei­ the history of both sciences. - So, the ding, om de nuttigste Sc;heikundige work of J. B. Trommsdorff is not only • Dedicated to the memory of the late Mr. Yama­ Proeven, zonder groote kosten en een quoted by H. Okuno (see ref. 2), but al ­ da, Director of Kanto Kagaku, Tokyo, who sup­ wijdloopigen toestel, in het werkte stel­ so recently by S. Nemoto in her „Histo­ ported the development of links between Japa­ len, benevens eene Aanleiding, tot het ry of pharmacy" (8). nese and European his torians of pharmacy. - onderzoek der Minerale Wateren, der The autor acknowledges gratefully the help of The Japanese Society fo r the History Prof. Tsuji and of Mrs. Hisamoto and Maejima, Mineralen, der Vergiften, der Pharma­ of Pharmacy is striving for more intense Kanto. ceutisch Chemische bereidingen, en't links to the International Society for the

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History of Pharmacy. The existing con­ wie Teile seines Werkes die pharmazeu­ Trornmsdorff (1770- 1837)", edited by Wolf­ nections could be documented by the tische Literatur im Japan des frühen 19. gang Götz. Acta historica Leopoldina Nr. 18 (1987) part 1. - In total the correspondence greeting messages that were published Jahrhunderts beeinflußten. encompasses appr. 1400 letters. in that issue of the societie's journal, (5) Götz, Wolfgang: Bibliographie der Schriften that was dedicated to its 20th anniver­ von Johann Bartholomäus Trommsdorff. Ver­ sary. lt therefore seems to be justified to öff. Int. Ges. Geschichte d. Pharmazie N. F. Bd. 54, Stuttgart 1985 (with an English intro­ say, that the early European influences duction). have triggered momentum being still ef­ References (6) For details see ref. (5), here p. 50. A second, fective today, hopefully for mutual be­ expanded German edition appeared in 1807; nefit. the Dutch version experienced a second edi­ (l) Ishiyama, Y: A brief chronology of Dr. Hein­ tion in 1806. rich Bürger. In: Japanese Studies in the History (7) Details for this book, the different volumes, of Science Nr. 9 (1970) 107-113. translations and reviews can be found ibido Zusammenfassung (2) Okuno, Hisateru: Chemistry in the Edo era. p. 34-35. Tokyo 1980, p. 54 (Japanese). (8) Published in the „Bulletin" of the Meiyaku (3) Götz, Wolfgang: Evol ving education and indu­ Museum of Pharmacy No. 1 (1986) 9-11. 1980 erschien in Tokio das Buch „Che­ strialization and its impact on pharmacy in mie in der Edo-Zeit" von H. Okuno. Germany during the first half of the 19th cen­ Darin wird die Abschrift eines tury. Jap. J. Hist. Pharmacy 20 (19 85) No. 1 Author's address: (summary). Dr. Wolfgang Götz Trommsdorff-Lehrbuches abgebildet. (4) The first 136 letters are published in „Der Poststr. 7 Das war Anlaß, kurz zu beschreiben, Briefwechsel vo n Johann Bartholomäus 61Q.7 Reinheim

sowie die wissenschaftlichen Leistun­ gen des Jubilars zu betrachten. Würdi• IGGP-MITTEILUNGEN gungen zum 60. und 65. Geburtstag fin­ für die Mitglieder der Internationalen Gesellschaft den sich in: Pharm. Ztg. 116 (1971) für Geschichte der Pharmazie e. V 1896, 121 (1976) 2106, Schweiz. Societe Internationale d'Histoire de Ja Pharmacie Apoth.-Ztg. 114 (1976) 542 und Nova International Society for the History of Pharmacy Acta Paracelsica 10 (1982) 53. Unübertroffen ist die liebevoll und detailreich verfaßte „Laudatio" des IGGP-Organisation Würzburger Medizinhistorikers Prof. Dr. Dr. Gundolf Keil in der „Daems­ Präsident: Sekretär: Dr. Klaus Meyer, Prof. Dr. Yngve Torud, Oslo Warendorfer Straße 54, D-4740 Oelde Festschrift" zum 70. Geburtstag. Das Generalsekretär und Schatzmeister: Tel.: 0 25 22/23 26 Werk „gelerter der arzenie, ouch apote Dr. Gerald Schröder, Graf-Moltke-Str. 46, ker", erschien 1982 als Band 24 der D-2800 Bremen 1, Tel.: 04 21 / 345 5 25 Versandstelle der Veröffentlichungen: Bremische Volksbank 34 519 900 (BLZ Bärbel Liebernickel, Deutscher 291900 24) oder Deutsche Apotheker­ Apotheker Verlag, Postfach 1010 61, und Ärztebank, Bremen 01135 910 D-7000 Stuttgart 10 (BLZ 29090601). Tel.: 0711/2582270

1955 kam Willem Daems in die Persönliches Schweiz zur AG, . 1970 verlieh die Gemeinde Arlesheim ihm und seiner Familie das Bürger• recht. So wurde Arlesheim für den Jubi­ Zum 80. Geburtstag von lar zur zweiten Heimat; von hier aus er­ Dr. Willem F. Daems, Arlesheim folgten seine vielfältigen geisteswissen­ schaftlich fundierten Aktivitäten und Am 3. Dezember 1991 feierte Apothe­ noch heute ist der Jubilar ein uner­ ,,Würzburger Medizinhistorischen For­ ker Dr. Willem Frans Daems, Pharma­ schöpflicher Quell anthroposophi­ schungen". zie- und Medizinhistoriker, in Arles­ schen, mediaevistischen, paracelsi­ Die darin enthaltene Bibliographie heim/Sch weiz bei guter Gesundheit sei­ schen, naturphilosophischen und er­ von Willem F. Daems nennt 250 Titel, nen 80. Geburtstag. fahrungsmedizinischen Gedankenguts. davon rund 70 speziell pharmazie- und Sein Pharmaziestudium absolvierte Das abgeschlossene achte Jahrzehnt medizinhistorischen Inhalts. Diese gilt er in Amsterdam und promovierte in bietet erneut Gelegenheit Rückschau es nunmehr durch nachstehende Titel Leiden zum Doktor der Philosophie. zu halten und das menschliche Umfeld zu ergänzen:

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Digestio: Sinn oder Unsinn. Zur Geschichte eines Themenwahl und Schwerpunktbildun­ er von 1976 bis 1984 gewählter Vize­ alchemistisch-pharmazeutischen Prozesses. In: gen dokumentieren das fest umrissene präsident war, und organisierte den Festschr. f. A. Lutz und J. Büchi. Zürich 1983, Arbeitsfeld des Jubilars in der achten FIP-Kongreß 1984, der in Budapest s. 151 - 179. stattfand. Prof. Zalai engagierte sich Synonymenvielfalt und Deutungstechnik bei den Lebensdekade. Zu seinem Ehrentag nomina plantarum medievalia. In: Perspektiven und für die Zeit hernach mögen Willem auch in der Internationalen Gesell­ der Pharmaziegeschichte (= Festschr. f. Rudolf Daems und seine liebe Familie von gan­ schaft für Geschichte der Pharmazie, Schmitz zum 65. Geburtstag). Graz 1983, zem Herzen alle denkbar guten Wün• deren Präsident er in den Jahren s. 29-37. 1981 -1989 war.Als 1977 in Innsbruck Van kersepitten en witte laurierbladeren. oti ties sche begleiten. bij een recente tekstuitgave. Nederl. Tijdschrift Gottfried Schramm, Zürich gewähltes Mitglied der „Academie In­ voor Taal- en Letterkunde 100(1984) 151- 153. ternationale d'Histoire de la Pharma­ Radix Ratanhiae - die Droge mit einer gesicherten cie" hat er im April 1991 in Prag eine Geschichte. Deutsche Apoth. Ztg. 121 (1981) schöne und wichtige Funktion über­ 46-52. Professor Karoly Zalai Mensch und Pflanze. Die Heilpflanze in Vergan­ nommen: Prof. Zalai _wurde zum Präsi­ genheit, Gegenwart und Zukunft (= Weleda­ zum 70. Geburtstag denten der „Academie" gewählt. Bei Schriftenreihe, 11). Arlesheim 1983, 15 S., ill. dieser Gelegenheit erhielt er - in Aner­ Zur Tradition in der Heilkunst. In: Wissenschaft Am 26. August 1991 feierte Prof. Dr. und Tradition (Hrsg. Paul Feyerabend ...) . Zürich Karoly Zalai, Ordinarius für Gesetzge­ kennung seiner bisherigen Arbeit - die 1983, S. 239- 246. bung, Administration und Geschichte Schelenz-Plakette durch den Präsiden­ Idiosynkrasie - Anaphylaxie - Allergie. Skizze der Pharmazie an der Semmelweis­ ten der Internationalen Gesellschaft für zur Begriffsgeschi chte. Korrespondenzblätter für Geschichte der Pharmazie und die Aerzte (Arlesheim / Schwäbisch Gmünd) 11 3/ Universität in Budapest, seinen 70. Ge­ 1985, s. 5- 8. burtstag. Der Jubilar entstammt einer Conci-Medaille durch den Präsidenten Die Vorlesungs nachschrift des Leidener Praelec­ bekannten ungarischen Apothekerfa­ der Italienischen Akademie für Ge­ tors Johan Broen in einer Bündner Arztpraxis des milie. Das Studium an der Universität schichte der Pharmazie verliehen. 18. Jahrhunderts. In: ,,Istoria dall a Madaschegna", [Österr. Apoth.-Ztg. 45 (1991} 788]. Festschr. für Nikolaus Mani. Pattensen/Ran. 1985, Budapest schloß er 1943 mit seiner s. 189- 197. Sponsion zum Magister und 194 7 mit Johann Anton Grass vo n Portein 16 84-1770. der Promotion zum Doktor der Phar­ * Arzt, Chirurg, Zahnarzt, Harndiagnostiker, Phar­ mazie ab. mazeut, Viehdoktor und Dorfpolitiker. Chur 1985. 334 s., ill. Danach trat Dr. Zalai in die Apothe­ Den 85. Geburtstag beging am 28. No­ lta Wegman. Zürcher Zeit 1906-1920. Erste ärzt­ ke der Familie ein. Nach der Verstaatli­ vember 1991 Mag. pharm. Leo Romig, li che Krebsbehandlung mit der Mistel. chung der privaten Apotheken arbeite­ Verpächter der Schloßapotheke in Ett­ 1986, 71 S., 11 Abb. te er als pharmazeutischer Fachinspek­ Medizinhistorische Noti zen zum Paracelsus-Con­ lingen. Als treuer Besucher vieler Kon­ silium (1535) für Abt Johann Jakob Russinger von tor im Budapester Kontroll-Laborato­ gresse, besonders für Geschichte der Pfäfers. In: Willem F. Daems und Werner Vogler, rium. 1962 nahm er das Angebot der Pharmazie, ist er vielen bekannt gewor­ Das medizinische Consilium des Paracelsus für Pharmazeutischen Fakultät, die Stelle den. In Bild und Film hat er die Tagun­ Abt Johann Jakob Russinger vo n Pfäfers, 1535. des Direktor-Stellvertreters der Uni­ Einsiedeln 1986, S. 19-31. gen festgehalten. Melissengeist. Untersuchung zu einer spätmittelal­ versitätsapotheke zu übernehmen, an; terlichen Wunderdroge. In: Veröff. d. Schweiz. Ges. zur gleichen Zeit erhielt er den Auftrag, f. Geschichte d. Pharmazie, 7. Zürich 1987, Vorlesungen über „Pharmazeutische Zum 100. Geburtstag von Ludwig S. 25 - 29. Gesetzgebung und Betriebsordnung" und das erste Mistelprä parat Iscar zur Koller (1891-1952), dem zweiten Krebsbehandlung. In: Misteltherapie. Eine Ant­ zuhalten. Präsidenten der heutigen IGGP wo rt auf die Herausforderung Krebs. Stuttgart Die Habilitationsdissertation Dr. Za­ 1987, S. 35 - 44. lais behandelte das Thema: ,,Grundla­ Am 30. November 1891 wurde in Paracelsus und die Idee der Heilpflanze. In: Um­ gen der Pharmazeutischen Administra­ Dornbirn, Vorarlberg, Ludwig Kofler welt & Gesundheit, Heft 5/ 6 (1986/ 87) 47- 52, und in: Nova Acta Paracelsica (Einsiedeln) NF 3/ tion, die Bewertung des Arzneimittel­ als Sohn des dortigen Apothekenbesit­ 1988, S. 60- 68. verbrauches." Die Habilitation erfolgte zers Carl Kofler geboren. In jungen J ah­ Doktor Singeisens Hausapothke. In: z' Rieche 1973, 1980 wurde er als Professor zum ren, 1925, als Professor der Pharmako­ 1988. Ein heimatliches Jahrbuch. Rieben 1988. Ordinarius ernannt. Von 1984 bis 1990 gnosie nach Innsbruck berufen, hat er Melissa officinalis - Von der Panazee zur Essentia cordis. In: Artes Mechanicae in middeleeuws Eu­ war er Dekan der Fakultät. viele Mikromethoden in die analytische ropa (= Archief en Bibliotheekwezen in Belgie, Die wissenschaftliche Arbeit von Chemie eingeführt. Die „Koflerbank" Extranummer 34). Brüssel 1989. S. 151 - 161. Professor Zalai spiegelt sich in mehr als trug seinen Namen weit über die Gren­ Die Melisse - Essentia cordis. Korrespondenz­ 200 Publikationen und Fachbüchern zen Österreichs hinaus. Dr. Ludwig blätter für Aerzte (Arlesheim / Schwäbisch Gmünd) 120/ 1988, S. 10- 15. sowie in den von ihm geleiteten Disser­ Winkler, erster Vorsitzender der dama­ Pharmaco-botanie in de middeleeuwen . In: Artes tationen seiner Schüler wider. Die wich­ ligen Gesellschaft für Geschichte der Mechanicae en Europe medievale (= Archi ves et tigsten Forschungsgebiete sind die ge­ Pharmazie und als Dozent Kollege Kof­ Bibliotheques de Belgique, Numero speciale, 34). schichtliche Entwicklung der pharma­ lers an der Universität Innsbruck, Bruxell es 1989, S. 19- 24. Frühjahr 1527: Theophrast von Hohenheim im zeutischen Wissenschaften, internatio­ weckte in ihm das Interesse an der Haus „zum vord eren Sesel", Totengässlein 3, Ba­ nale wissenschaftliche Beziehungen, Pharmaziegeschichte. Nach dem frühen sel. In: Nova Acta Paracelsica (Einsiedeln) NF 4/ Entwicklung der Ausbildung, Arznei­ Tod Winklers 1935 wurde Kofler gebe­ 1989, s. 43- 56. mittelutilisation, Gestaltung der Apo­ ten, den Vorsitz der Gesellschaft zu (mit Ria Jansen-Sieben): Chirurgie op rijm. In: Ar­ tes Mechanicae en Europe medievale (= Archives theken und das Apothekennetz in Un­ übernehmen. Mit seiner Wahl sollte der et Bibliotheques de Belgique, umero speciale, garn. internationale Charakter der Gesell­ 34). Bruxelles 1989, S. 163- 189. Seit 1943 ist Professor Zalai Mit­ schaft gesichert werden. Kofler stellte Die historische Weleda. Namensgeberin der Wele­ glied der Ungarischen Pharmazeuti­ sich zur Verfügung und übte das Präsi­ da-Heilmittelbetriebe (= Weleda-Schriftenreihe, 20). Dornach:1991. 40 S., 9 Abb. schen Gesellschäft, der er elf Jahre lang dentenamt bis zum Ende des Zweiten Nomina simplicium medicinarum ex synonymarüs als Generalsekretär zur Verfügung Weltkriegs im Mai 1945 aus. medii aevi collecta [für 1991 in Vorbereitung[. stand, acht Jahre war er ihr Präsident Nekrolog: Wannenmacher, R.: und vier Jahre Co-Präsident. In dieser Österr. Apoth.-Ztg. 6 (1952) 523-527 Zeit knüpfte er Kontakte zur FIP, in der (mit Bild).

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Ein Diplom des Norddeutschen Apo­ Deutschen Gesellschaft für Geschichte Nachruf theker-Vereins. Ebda 16 (1964) 5- 6, der Pharmazie, mit der Ferdinand­ 1 Abb. Schlemmer-Medaille der Deutschen Am 30. September 1991 ist Apotheker Asteriscus. Ebda 16 (1964) 17-19, Pharmazeutischen Gesellschaft ausge­ Erwin Mosch in Cascais (Portugal) ge­ 5 Abb. zeichnet. storben. In Liegnitz/Schlesien am Asteriscus (Diskussion); Ebda 17 26. April 1902 als Sohn des Bäcker• (1965) 29. meisters August Wilhelm Mosch gebo­ Scripta polemica. Ebda 18 (1966) Promotionen ren, besuchte er in seiner Heimatstadt 17-19, 1 Abb. die Oberrealschule bis zur Primarreife. Übersetzung der Publikation von Gio­ An der Technischen Universität Carola Die Praktikantenzeit absolvierte er ab vanni Carbonelli: Farmacie e Farmaci­ Wilhelmina zu Braunschweig wurde 1. April 1920 in der Engel-Apotheke in . sti in Italia nel secolo XVI, Roma 1912. Apotheker Udo Puteanus mit der Dis­ Breslau und ab 1. April 1922 bis Ebda 19(1967) 18-19. sertation „Die Apothekerkammern in 31. März 1923 in der Stephanien-Apo­ Zur Geschichte der portugiesischen Westdeutschland (1945-19 56) im theke in Dresden. Nach dem Vorexa­ Pharmazie - eine Übersicht. Ebda 19 Spannungsfeld der Kontroversen um men in Dresden verbrachte Mosch die (1967) 28- 31, 2 Abb. und 20 (1968) die Heilberufskammern unter beson­ Assistentenzeit vom 1. April 1923 bis 3- 5, 1 Abb. derer Berücksichtigung von Nieder­ 30. September 1923 in der Internatio­ Portrait eines portugiesischen Apothe­ sachsen und Kurhessen Kassel" zum nalen Apotheke in , vom kers der Biedermeierzeit. · Ebda 21 Dr'. rer. nat. promoviert. Die Arbeit 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1923 (1969) 12- 14, 3 Abb. wurde an der Abteilung für Geschichte in der Löwen-Apotheke in Dresden Das Zirkular zur Eröffnung einer Apo~ der Pharmazie und der Naturwissen­ und vom 1. Januar bis zum 31. März theke in Lissabon (1729). Ebda 22 schaften unter Leitung von Prof. Dr. 1924 in der Schloß-Apotheke in Lieg­ (1970) 19- 21, 2 Abb. Erika Hickel angefertigt. nitz. Es folgten von 1924 bis 1926 vier Kleine Mitteilung: Bernardino Antonio Semester Pharmaziestudium an der Gomes. Ebda 23(1971) 6, 1 Abb. Universität in Breslau. Aktiv ist Mosch Ein Lissaboner Apotheken-Inventar. bei der Landsmannschaft Vandalia ge­ Ebda 25 (1974) 28- 31, 26 (1975) Vorankündigung wesen, ursprünglich einer Pharmazeu­ 13-15 und 26 (1975) 22. ten-Verbindung.Nach dem pharmazeu­ Werke des Valerius Cordus in Biblio­ Die nächste Biennale der Deutschen tischen Staatsexamen in Breslau folgte theken Portugals. Ebda 26 (1979) 23. Gesellschaft für Geschichte der Phar­ die Kandidatenzeit in der Engel-Apo­ Pulvis Sympathicus - Die Werbung für mazie muß leider vom Frühjahr 1992 theke in Breslau, der Boxbergerschen ein Diaphoreticum in Portugal. Ebda 28 auf den Herbst verlegt werden und fin­ Hofapotheke in Bad Kissingen und der (1976) 25-26. det vom 16. bis 18. Oktober 1992 in Mönckeberg-Apotheke in Hamburg. Der Apotheker Pedro Jose da Silva - Binz auf Rügen statt. Die Approbation als Apotheker erteilte Ein unbekannter Lebenslauf. Ebda 31 Die Tagung wird gemeinsam mit der die Preußische Regierung mit Datum (1980)65-71,2 Abb. A.Wankmüller Scheele-Gesellschaft Mecklenburg/ Berlin 4. Juni 1928. Am 1. Juli dessel­ Vorpommern veranstaltet. ben Jahres trat Mosch in die Firma Bay­ * Vorgesehen ist: Anreise Freitag, 16. Ok­ er Leverkusen ein und wurde ab 1. No­ tober, am späteren Nachmittag evtl. vember 1928 mit dem Aufbau eines Bereits am 4. April 1990 verstarb Pater Mitgliederversammlung. Samstag Vor­ pharmazeutischen Büros in Portugal Vinco Velnic - Pater Justin - , langjäh• träge, Sonntag Festveranstaltung zum beauftragt. Hier erlebte er das Kriegs­ riges Mitglied der IGGP und emer..Mit­ 250. Geburtstag Scheeles. ende 1945 und die Schließung des Bü• glied der Academie Internationale ros. Nach schwierigen Jahren konnte er d'Histoire de la Pharmacie im Alter von Ende 1949 den Wiederaufbau der 77 Jahren. Nach dem Studium der Sonstiges Bayer-Farma, Lirnitada, in Lissabon Theologie (Abschluß 1938) studierte er übernehmen und hatte von 1956 bis Pharmazie und erwarb in Zagreb 1946 Ende 1966 die Gesamtleitung der Bay­ denM.A. Noch 1954 besuchte er einen Die Alte Apotheke in Bochum, Inhaber er-Niederlassung in Portugal inne. Kurs für Bibliothekare an der Bayeri­ Apotheker Günter Verres, begeht 1991 Auch im Ruhestand - ab 1. Januar schen Staatsbibliothek in München. Ab ihr 300jähriges Jubiläum. Aus diesem 1967 - lebte E. Mosch weiterhin in 1956 arbeitete er in der ältesten Apo­ Anlaß wurde am 10. November 1991 Cascais. Er widmete sich verstärkt theke von Dubrovnik, als Bibliothekar im Stadtarchiv eine umfangreiche, se­ pharmaziegeschichtlichen Nachfor­ der Kirchenbibliothek und Kustos des henswerte Ausstellung eröffnet, die schungen, deren Ergebnisse er in einer pharmazeutischen Museums. Nach voraussichtlich bis Ende Januar 1992 Reihe von Arbeiten in den Beiträgen 1958 bis 1979 führten ihn theologische besichtigt werden kann. Bei der Eröff­ zur Geschichte der Pharmazie publi- Aufgaben in andere Landesteile. Velnic nung überbrachte Apotheker Dr. Klaus Meyer, Mitglied des Vorstandes und 1 zierte. Die IGGP gedenkt in Trauer veröffentlichte über 40 pharmaziehi­ eines langjährigen aktiven Mitglieds. storische Arbeiten. Sekretär der IGGP, eine Grußadresse.

Verzeichnis der Veröffentlichungen: * Betrachtungen zu einem Schreiben des Auszeichnungen Für Historiker und Sammler: Portugiesen Pires an den König Dom Fachkataloge des Antiquariates Manuel, in dem er ihm am 27. Januar Während des Deutschen Apothekerta­ Kohlhauer 1516 einen Bericht über die Drogen In­ ges 1991 in Berlin wurde Apothekerin Das auf Geschichte der Pharmazie, Medizin diens sendet. Beitr. Gesch. Pharmazie Rotraud Mörschner, Berlin, Vorsitzen­ und Naturwissenschaften spezialisierte An­ 14(1962) 28-31. de der Regionalgruppe Berlin der tiquariat Carl-Ernst Kohlhauer, Feuchtwan-

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gen, kündigt fü r das laufende Jahr drei 1734, Anton von Störcks Basisarbeiten zur bzw. der Hannoverana; das schwedische Buchkataloge an, die auch für den historisch Phytotherapie (1760- 69) oder B. Tralles' Arzneibuch von 1849 wird ebenso offeriert interessierten Apotheker vo n Interesse sein voluminöses Werk (1757-1762) über das wie dasjenige der Vereinigten Staaten (zwei­ dürften: Opium in der Therapie. ter Druck, Washington 1855). Unter den • E rschienen ist Kohlhauers Angebot • Als nächstes kommt al s Katalog 46 „Ge­ deutschen Arzneibüchern findet sich das r. 45. Dieses vereinigt zwei Themen, die schichte der Medizin und Naturwissen­ DAB I von 1872 - zusätzlich noch in der aktuell im Gespräch sind: ,,Homöopathie schaften". deutschen Übersetzung Buchners; das DA­ und aturheil verfahren". Das Schwerge­ • Katalog 47 „Geschichte der pharmazeuti­ B II (1 882) liegt in der offiziell en deutschen wicht dieser Offe rte liegt auf den frühen sch en un d organischen Chemie" enthält den Version vor, ferner Drucke des dritten, vier­ bzw. ersten, oft grundlegend wichtigen Wer­ einschl ägigen Teilbestand der Bibliothek ten und fünften DAB, also all e diejenigen ken aus diesen Gebieten. Als bemerkens­ eines namhaften Fachhistorikers. Ergänzt Ausgaben, die noch vor dem Ersten Welt­ wert hervorzuheben aus diesem Katalog durch Ti tel aus dem Bücherlager der Firma krieg erschienen. sind u. a. Samuel Hahnemanns „Apothe­ Kohlhauer, kommt mit di esem Katalog eine Abschließend sei auf ein Spitzenstück kerl exikon" in vier Bän den (1793- 99) - ein recht umfangreiche fachhistorische Arbeits­ hingewiesen, das Kohlhauer wegen seiner begehrtes Sammelobjekt speziell auch für biblioth ek zum Angebot. Manches nur noch Seltenheit, seiner pharmaziehistorischen den Apotheker. Von Hahnemann ferner sei­ schwierig zu findende Buch ist darin ver­ Bedeutung (und sicher auch wegen des Wer­ ne Übersetzung der „Materia medica" Cul­ zeichnet; die ältesten Werke stammen aus tes) besonders ausführlich beschrieben hat, lens (1790) und eine größere Reihe seiner dem 18. Jahrhundert, während die überwie• und das eine Quelle für die Geschichte des E rstveröffentlichungen zur Homöopathie gende Anzahl der Bücher neueren Datums deutschen Arznei- und Drogenhandels im aus „Hufelands Journal", davon die früheste (a ber zumeist längst vergriffen) ist. 16. Jahrhundert darstellt: Die Rede ist vom vo n 1797. Auch eine der ersten „Organon"­ Auch das Angebot an Pharmakopöen, Frankfurter Meß-Katalog des Nicolaus Bas­ Ausgaben wird angezeigt. Bedeutende Wer­ das Kohlhauer zusammengetragen hat, er­ seus im Druck des Jahres 1582. ke in diesem Katalog sind weiterhin Hufe­ scheint bemerkenswert: Valerius Cordus' Die besprochenen Kataloge können von 1 lands „Makrobiotik" (Erstausgabe von Dispensatorium (ein Druck von 1627) ist Interessenten angefordert werden beim An­ 1797), Frü.hes zur Hydrotherapie, Diätetik vertreten, eine württembergische Pharma­ tiquariat Carl-Ernst Kohlhauer, Graser­ und Reformbewegung, ferner Paullinis be­ kopöe von 1771 oder eine Borussica von weg 2, D-8805 Feuchtwangen. Telefo n: rühmt-berüchtigte „Dreckapotheke" von 1827, fern er früh e Ausgaben der Bavarica (0 98 52) 92 92; Telefax: (0 98 52) 40 37

Inhaltsverzeichnis 1991 Themen: Schwan-Apotheke zu Dresden­ Friedrich 38 Apothekerberuf, 750 Jahre, Neustadt 27 Fundarek 3 Briefmarke 17 Sertürner, Dr. phil. oder Ganzinger 49 Arzneimittelwerbung in Norditalien, Ehrendoktor? 34 Goetz 64 Entwicklung 44 Sertürner-Brief von 1816 38 Hein 58 „Austria docet" 49 Vipernschnüre aus Venedig 41 Helmstädter 59 Bullrich - Natron als Allheilmittel 59 Hübner 27 Chemie in der Slowakei, Sonstiges Lipan 6 Entwicklung 3 Mader 41 Dispensatorium des Valerius Antiquariat Kohlhauer, Fachkataloge 67 Meyer 1,2,34 Cordus 20 Pohl 11 Göttling, Überzeugter Praktiker und Internationaler Kongreß für Geschichte der Pharmazie Stolz 55 streitbarer Theoretiker 55 Wittop Koning 58 Hochschule in der Zeit des in Prag 1, 30, 46 Peisvergabe des Wettbewerbs „Private Nationalsozialismus: Die Pharmazie Persönliches in Braunschweig 11 Offizinapotheken in der ehemaligen Iasinschi und seine Zeit 6 DDR" 16 Daems, W.F. 65 Japanese pharmacy, Early European Kofler, L. 66 influences (Trommsdorff) 64 Autoren: Mosch,E. 67 Medikamentenrechnung von 1802 62 Bartels 20 Rornig, L. 66 Paracelsusbild des ausgehenden Benzenhöfer 33 Velnic, V. 67 20. Jh. 33 Cattelani 44 Vitolo, A.E. 15 Sammeln Sie pharmaziegeschichtliche Dressendörfer 17 Wittop Koning, D .A. 31 Objekte? 1 Fehlmann 62 Zalai, K. 66

' delberg, unter Mitarbeit von Dr. Axel H eimstäd• . Jede Verwertung der „Geschichte der Pharma­ Geschichte der Pharmazie ter, Heidelberg, und Prof. Dr. Armin Wankmüller Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Ge­ zie" außerhalb der Grenzen des Urheberrechts­ Tübingen (für die IGG_P-Mitteilungen). ' Gesetzes ist unz_ulässig und strafbar. Dies gilt ins­ schichte der _Pharrnazie e. V. und Mitteilungsblatt Redaknonelle Bearbeitung: Bärbel Liebernickel besondere für Ubersetzung, Nachdruck, Mikro­ der Internanonalen Gesellschaft fü r Geschichte Stuttgart, Telefon 0711 / 2 58 22 70. ' der Pharmazie e. V. v_erfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie Herausgeberbeirat: Dr. K. Barteis, Lohr; Dr. w. für die Speicherung in Datenverarbeitungsanla­ „Geschichte der Pharmazie", bis 1989 „Beiträge Dressendörfer, Bamberg; Priv.-Doz. Dr. Ch. Fried­ gen. zur Geschichte der Pharmazie", erscheint vier­ rich, Greifswal d; Dr. K. Meyer, Oelde; Prof. Dr. telj ährlich als regelmäßige Beilage der Deut­ A.Wankmüller, Tübingen. schen Apotheker Zeitung. Bei Einzelbezug jährlich 19,80 DM, Einzelheft © _1991 . Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart. Verantwo rtlich für den Inhalt: Prof. Dr. W.-D. 6,- DM (einschließlich der gesetzlichen Umsatz­ Müller-Jahncke, Friedrichstraße 3, 6900 Hei- Pnnted m F. R. Germany. steuer, un Ausland zuzüglich Versandkosten). ISSN 0939-334X

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