Geschichte Der Versicherung in Der Schweiz
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Geschichte der Versicherung in der Schweiz Geschichte der Versicherung in der Schweiz Einleitung 2 Spätzünder Schweizer Versicherungsmarkt: 1850–1914 5 Swiss Re 16 Die Schweizer Versicherer werden international: 1914–1945 25 Aufbruch in die Weltwirtschaft: 1945 bis heute 33 Spätzünder Schweizer Versicherungsmarkt – 1850 – 1914 Einleitung Die eigentliche Entstehung der Versicherungsindustrie begann in der Schweiz mit der Gründung des Schweizer Bundesstaates. Während im Vorreiterland Grossbritannien bereits Ende des 17. Jahrhunderts erste moderne Versicherungsunternehmen gegründet wurden, konnten privatrechtliche Versicherungsgesellschaften in der Schweiz erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Fuss fassen. Zuvor verhinderte die unein- heitliche Gesetzgebung der Kantone und ihre geringe Grösse die Bildung einer tragfähigen Versicherungsindustrie. Begannen nach 1820 erste Bemühungen, Assekuranzunternehmen zu gründen, sollte es doch bis ins späte 19. Jahrhundert dauern, bis der Versicherungsgedanke auf breiteres Interesse in der Bevölkerung stiess. Doch die zwei Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachten das Geschäft der Schweizer Versicherer erneut in Gefahr. Allerdings boten sich auch Chancen: Durch die unruhigen Zeiten auf dem europäischen Kontinent suchten die Unternehmen immer wieder Wachstumsmärkte, die sich ihnen vor allem in Übersee boten. Dadurch internationalisierten sich die Schweizer Versicherer früher als manche ihrer Wettbewerber und bauten die hiesige Branche zu einem Industriezweig aus, dessen Bedeutung heute weit über den Heimmarkt hinausgeht. 2 Swiss Re Geschichte der Versicherung in der Schweiz Swiss Re Geschichte der Versicherung in der Schweiz 3 4 Spätzünder Schweizer Versicherungsmarkt: 1850–1914 Alfred Escher war der erste Industrielle, der ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Gründung privater Versicherungsunternehmen vorantrieb – 150 Jahre nachdem sich in Grossbritannien Kaufleute und Reeder erstmals im Kaffeehaus des Edward Lloyd in London getroffen hatten, um Seeversicherungen abzu- schliessen, und damit eines der wichtigsten Ver- sicherungszentren der Welt initiiert hatten. Ausländische Versicherer waren schon Zudem fehlte dem Land der direkte länger in der Schweiz vertreten. Seit Zugang zum Meer. Andere Länder den 1830er Jahren tätigten französische betrieben eine Handelsflotte, die eine Lebens- und Feuerversicherer wie Transportversicherung im grösseren La Nationale, Le Phénix und L’Union hier Stil erforderte und den Aufbau des Geschäfte, später kamen auch deutsche Versicherungswesens vorantrieb. und britische Versicherer hinzu. Die Schweiz konnte nicht mit dergleichen aufwarten. Aus diesen Gründen kamen Doch erst mit der Gründung des Schwei- erste Impulse für die Gründung einer zerischen Bundesstaates 1848 kamen privaten Versicherungswirtschaft in der heimische Versicherer hinzu. Zuvor war Schweiz aus dem Ausland. die Schweiz ein wirtschaftlich unein- heitliches Gebiet. Jeder der 25 Kantone Dies änderte sich mit Alfred Escher, hatte eigene Einfuhrzölle und Währungen. der der Überzeugung war, dass der junge Wer auf nationaler Ebene Versicherungen Schweizer Bundesstaat nur dann erfolg- verkaufen wollte, hatte keine andere reich sein könne, wenn es gelingen würde, Wahl, als sich bei jedem Kanton eine den breiten Mittelstand sozial zu stabili- eigene Lizenz zu besorgen. Die Enge der sieren. In genossenschaftlich organisierten in Stände und Talschaften aufgeteilten Lebensversicherungsvereinen sah er Wirtschaftsräume verhinderte den für die ein marktwirtschaftliches Instrument Versicherung nötigen Risikoausgleich. zur sozialen Sicherung von Bauern- und Handwerkerfamilien. Links: Am Ostersonntag 1633 brannte die St. Leodegar Kirche in Luzern bis auf die Grundmauern ab. Swiss Re Geschichte der Versicherung in der Schweiz 5 Spätzünder Schweizer Versicherungsmarkt: 1850–1914 Deswegen arbeitete Escher ab 1857 mit Conrad Widmer zusammen, dem Gründer der Schweizerischen Lebens- Frühe Formen der Versicherung versicherungs- und Rentenanstalt, der heutigen Swiss Life. Escher gab in der Schweiz Widmers Geschäftsmodell mit der ebenfalls noch jungen Schweizerischen Kreditanstalt eine Art «Rückversicherung». Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Parallel dazu schlossen sich alleinstehende Er war überzeugt, dass Versicherung nur beruhte der Gedanke der Versicherung Handwerkergesellen zu Bruderschaften funktionieren könne, wenn sich genügend vor allem auf dem christlichen Gebot zusammen, die Beiträge erhoben, kranke Menschen bereit erklären würden, der Nächstenliebe. Eine wichtige Rolle Mitglieder unterstützten und sich um eine Prämien einzuzahlen. Die Kreditanstalt spielte die nachbarliche und berufs- angemessene Beerdigung von Verstorbe- leistete mit 15 Millionen Franken Gewähr ständische Solidarität. Klöster, Stifte nen kümmerten. In Zürich ist ein solcher für die von der Rentenanstalt einge- und Städte gründeten Spitäler und Zusammenschluss von Wollenschläger- gangenen Versicherungsverträge. Spendhäuser als Speichergebäude und Wollenwebergesellen erstmals 1336 Als Gegenleistung für die Garantie durfte für die Spendensammlung für Arme dokumentiert. die Kreditanstalt die Geschäftsleitung und in Not geratene Bürger. und die Hälfte des Aufsichtsrates stellen, erhielt anfänglich 40 Prozent des Gewinns und bekam alle Gelder der Versicherung zur Verwahrung. Als zweite Sicherungs- massnahme beteiligte sich die Regierung selbst. Drei Sitze im Verwaltungsrat der Rentenanstalt waren für die Regierung des Kantons Zürich reserviert. Die Idee trug Früchte. Neben der Renten- anstalt entstanden zwischen 1858 und 1878 sechs weitere Lebensversicherer, darunter La Suisse, Société d’Assurances sur la Vie, die Basler Lebensversicherungs- gesellschaft und La Genevoise. Zur Bedeutung der Transportversicherung Zwar bildete sich in der Schweiz als Binnenland keine Schifffahrtsversicherung heraus, doch dank ihrer frühen Industriali- sierung und engen Handelsbeziehungen entwickelte sich die Transportversicherung zu einem wichtigen Motor für die Schweizer Versicherungsindustrie. Die Gründer dieser Sparte waren häufig Händler aus der Textil- und Stickerei- Branche und Industrielle. Für sie waren Schiffstransporte häufig die einzige Möglichkeit, ihre Waren in entfernte Absatzmärkte zu bringen. Das barg Risiken. Zwar boten ab 1850 deutsche, französische und englische Versicherer die Deckung von Baumwolle von der «Pflanze bis zur Spindel» an, doch die hiesigen Textilfabrikanten wollten nicht Nach Brandkatastrophen war es üblich, dass die Geschädigten eine Bettelerlaubnis bekamen, dauerhaft Prämien an ausländische um ihre Not zu lindern. Unternehmen zahlen, sondern selbst das Versicherungsgeschäft betreiben. 6 Swiss Re Geschichte der Versicherung in der Schweiz Ein früher Vorläufer der Personenversi- Es folgten die kantonalen Brandversiche- cherung waren in der Schweiz die rungsanstalten. Kurz nach der Gründung Leibrentenverträge. Vor allem Wohlhabende der Helvetischen Republik 1798 unternahm nutzten sie zur Altersvorsorge. Der Versi- der Staat einen Schritt zur Absicherung cherte leistete eine Einmalzahlung und der Feuergefahr. Einer der ersten Vorschläge erhielt eine Jahresrente zwischen 8 und zur Gründung einer freiwilligen nationalen 12 Prozent. Das Rentenkapital nahmen «Brand-Assekuranz-Anstalt» kam von der vor allem Städte entgegen, das Geld Regierung. Das Projekt scheiterte am verwendeten sie zur Finanzierung öffent- Widerstand der Kantone und der kurzen licher Aufgaben. Für das einfache Volk Lebensdauer der Helvetischen Republik. wurden Begräbniskassen eingerichtet, Allerdings erkannten die fortschrittlicheren meist auf Grundlage der lokalen Zunft- unter den Kantonen bald nach deren Ende organisationen. Sie garantierten anfangs 1803, dass die Versicherungsidee soziales die Kosten der im Todesfall vorgeschrie- und finanzielles Potential besass. Nach der benen Rituale wie Begräbnis, Totengeleit Annahme der Napoleonischen Verfassung oder Prozessionen. An manchen Orten 1803 wurden erste Feuerkassen gegründet. entwickelten sich diese Sterbekassen im Gebete zum Heiligen Florian ersetzten lange Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts zu Zeit die Feuerversicherung. Der Schutzpatron lokalen Sozialversicherungen, die gegen der Feuerwehr soll als Kind einen Brand wöchentliche Beiträge die wirtschaftlichen eigenhändig mit einem Eimer voll Wasser Folgen von Krankheit und Unfall deckten. gelöscht haben. Vereinzelt waren auch die Frauen und Kinder der versicherten Handwerker renten- berechtigt. Erste Sachversicherungen entstanden im 18. Jahrhundert in Form von Wetterkassen bei Ernteausfall. Diese Kassen verlangten keine regelmässigen Prämienzahlungen, sondern es wurde im Schadenfall bei den nicht betroffenen Bauern Geld für die Geschädigten gesammelt. Ähnlich solidarisch ging es bei Tierseuchen und Hagelschäden zu. Die Absicherung von Brandschäden wurde vorwiegend durch den Brandbettel organisiert. Dafür erhielten von einem Brand betroffene Familien einen Steuer- oder Bettelbrief, der ihnen den Verlust bescheinigte. So konnten sie von Tür zu Tür ziehen und um milde Gaben bitten. Allerdings waren die Ergebnisse gering. Zu viele Leute waren selber arm, nicht selten klopften auch Betrüger an. Brände gehörten zu den häufigsten Katastrophen im 18. und 19. Jahrhundert. Viele Schäden waren nicht versichert. Im Verlauf der allmählichen Liberalisierung des Wirtschaftslebens im 18. und 19. Jahrhundert verloren diese solidarischen Versicherungsformen an Bedeutung. Stattdessen entwickelten sich neue Formen. 1782 wurde in Zürich die erste private