SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript

Autor: Evi Seibert Gesprächspartner: Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlandes Redaktion: Evi Seibert SWR Studio Sendung: Samstag, 18.08.2018.2018, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR

SWR Interview der Woche vom 18.08.2018

SWR: Herr Hans, eine Station Ihrer Ausbildung hat diese Woche bundesweit für Diskussionen gesorgt: Sie haben Zivildienst gemacht. CDU Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer macht sich ja gerade Gedanken darüber, ob ein allgemeines, verpflichtendes soziales Jahr für Schulabgänger nicht sinnvoll wäre, für uns als Gesellschaft. Was ist denn Ihr Standpunkt dazu?

T.H.: Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass wir noch mal über das Verhältnis von Bürgern und Gesellschaft reden. Dass wir darüber reden: Gibt es vielleicht auch ein Bedürfnis, seinem Land oder seiner Gesellschaft auch etwas zurückzugeben, für das, was man erhält. Man erhält ein hervorragendes Sozialsystem, man erhält eine kostenlose Ausbildung, Schulbildung. Man bekommt Infrastruktur. Und von daher halte ich es für nachvollziehbar, dass viele junge Menschen auch sagen, ich möchte hier etwas zurückgeben und sich auch schon heute für freiwillige Dienste entscheiden. Das zu institutionalisieren noch mal in einer Nachfolge der Wehrpflicht, die wir ja einmal hatten in Deutschland, halte ich für eine sehr diskussionswürdige Sache und ich finde es gut, dass die Generalsekretärin der CDU das angestoßen hat.

SWR: Was ist denn Ihre Meinung?

T.H.: Ich glaube, dass es Sinn macht, eine verpflichtende, oder zumindest mal eine geförderte Dienstzeit noch mal einzuführen, denn es bringt tatsächlich alle gesellschaftlichen Schichten auch nochmal zusammen. Diese Vorstellung, dass wir in Deutschland von Beginn an gesellschaftliche Schichten haben, die sich nie miteinander vermischen, nie Einblick in das Leben der anderen sozusagen erhalten, die halte ich für eher erschreckend, und deshalb würde ich das sehr begrüßen.

SWR: Was haben Sie denn aus Ihrem sozialen Dienst mitgenommen, was Sie eben zu dieser Meinung bringt?

T.H.: Also mich hat vor allem in meiner Dienstzeit geprägt, dass es eben auch Menschen gibt, die benachteiligt sind. Dass es Menschen gibt, die schwer erkrankt sind und dass die ganz individuelle Hilfen benötigen. Und ich habe gesehen, wie hart in der Pflege gearbeitet wird. Und das ist noch heute etwas, was mich umtreibt, wie wir die Arbeitsbedingungen für die Menschen in der Pflege und allgemein im medizinischen Bereich verbessern können.

SWR: Fachkräftemangel ist ja eins der Zukunftsthemen. Schon jetzt dauert es ewig, wenn man Handwerker braucht. Viele Betriebe müssen schließen, weil es keinen Nachwuchs, keine Lehrlinge gibt. Wie bekommt man deutsche Jugendliche und auch ihre Eltern dazu, nicht unbedingt studieren zu „müssen“, also dem Handwerk auch wieder ein besseres Image zu geben?

T.H.: Es ist ganz wichtig, dass wir jungen Leuten mitgeben, dass Abitur nicht das Allheilmittel ist. Das ein Studium, eine akademische Ausbildung nicht zwingend dazu führt, dass man finanziell Erfolge Interview der Woche :  2 erzielt. Wir müssen ganz früh auch noch mal sagen, erfolgreiche Berufsleben können sich auch im Handwerk, können sich im Mittelstand und können sich nach einer fundierten Ausbildung abspielen und deswegen sollten wir jungen Leuten Mut machen, auch eine Ausbildung anzustreben.

SWR: Stichwort „Spurwechsel“. Wenn junge Flüchtlinge eine Lehre machen oder einen Job machen und gut integriert sind, dann sollen sie bleiben dürfen, auch wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Das hat Ihr Ministerpräsidentenkollege Daniel Günther angestoßen. Seitdem geht es munter hin und her, was sagen Sie?

T.H.: Für mich klingt „Spurwechsel“ sehr stark nach „Schlupfloch“ und wir sollten nicht falsche Anreize setzen, unter der Vorgabe Asylrecht, dann am Ende eine völlig andere Art der Migration nach Deutschland zu wählen. Deswegen halte ich es für ganz wichtig, hier eine klare Trennung vorzunehmen. Andererseits, wenn jemand eine Ausbildung hat, die hier dringend gebraucht wird, dann sollte er auch nicht schlechter behandelt werden, als jemand der im Ausland ist. Ihn sozusagen nochmal in die Heimat zurückzuschicken, um ihm dann die Möglichkeit zu geben im Rahmen eines qualifizierten Einwanderungsrechtesdann noch mal teilzuhaben, das macht auch keinen Sinn.

SWR: Wie würden Sie das gestalten? Es ist ja eine relativ einfach zu verstehende Geschichte, die da grade diskutiert wird. Also junge Menschen, die eine Ausbildung machen, oder gemacht haben, die gut integriert sind, die aber nicht anerkannt sind als Flüchtlinge und eigentlich abgeschoben werden müssten. Was machen wir mit denen?

T.H.: Die müssen nach meinem Dafürhalten, wenn sie trotzdem hierbleiben wollen, das gleiche Verfahren durchlaufen, wie Menschen, die eben nicht in Deutschland sind.

SWR: Das heißt, sie müssten sich dann quasi in einem zu schaffenden Einwanderungsrecht dort nach Punkten oder wie auch immer beweisen.

T.H.: Genau, sie müssten sich beweisen, sie müssten bewertet werden und würden auf das gleiche Niveau gestellt werden wie Menschen, die eben außerhalb von Deutschland sind. Und dann habe ich überhaupt gar kein Problem damit, wenn sie eben hierbleiben.

SWR: Das heißt, wir müssten aber relativ bald, um das überhaupt zu können, ein Einwanderungsgesetz bekommen, nach dem man das bemessen kann?

T.H.: Ja, natürlich. Da haben sich die Koalitionäre ja zum Glück auch drauf verständigt, in der ganzen Zuwanderungsdebatte. Und ich bin der festen Überzeugung, so negativ die Zuwanderungsdebatte konnotiert war in den letzten Jahren, kann es uns gelingen, Zuwanderung auch zu etwas Positivem zu machen, was unser Land auch voranbringt und das hilft letztendlich auch all denjenigen, die hier sind, weil sie unsere Hilfe benötigen.

SWR: Abgesehen von den Menschen, denen wir die Tür öffnen nach Deutschland per Einwanderungsgesetz, kommen ja nach wie vor viele über das Mittelmeer geflohen, die das Traumziel Deutschland haben. Die kommen jetzt verstärkt über Spanien. Das heißt auch, sie kommen eher nicht mehr über Italien und Österreich an der bayerischen Grenze an. Sie können es sich an den Fingern abzählen, wann sie bei Ihnen im ankommen, denn sie werden ja eher über Frankreich anreisen, wenn sie über Spanien kommen. Haben sie das Problem schon auf dem Radar? Bei ihnen gibt es ja kaum Kontrollen zwischen Deutschland und Frankreich.

T.H.: Wir sind wirtschaftlich mittlerweile so sehr in Richtung Frankreich aber auch in Richtung Luxemburg ausgerichtet, dass man einfach sagen muss, dass wir hier von diesen offenen Grenzen Interview der Woche :  3 auch tatsächlich abhängig sind. Deswegen müssen Kontrollen, so sie notwendig sind, auch so erfolgen, dass diejenigen die tagtäglich hier durchfahren und einpendeln und auspendeln, davon auch unbehelligt sind.

SWR: Was planen Sie denn in dem Fall, dass mehr Flüchtlinge über Frankreich und dann eben über die Deutsch-Französische Grenze kommen könnten?

T.H.: Man muss dann sehr engmaschig vor allem auch in der Bahn kontrollieren. Wir stellen fest, dass eben sehr viele über die Züge, über den Schienenverkehr nach Deutschland kommen. Deswegen ist es da notwendig, dass auch unsere europäischen Partner in den Zügen kontrollieren. Auch Frankreich, auch Spanien, denn die Vorstellung, dass man kurz nach der deutschen Grenze dann raushüpft, die wäre irrig. Man kann sich eben nicht aussuchen, wo man Asyl beantragt, das ist eben der Grundgedanke und da stellen wir einfach fest, dass das Dublin-Abkommen nicht funktioniert, es hat noch nie funktioniert, es funktioniert auch heute nicht und deswegen ist es zwingend erforderlich, dass wir hier mit den europäischen Ländern, mit den Partner auch diskutieren darüber, wie wir klare Rücknahmeabkommen vereinbaren. Das hat die Kanzlerin mit Spanien getan, es müssen aber weitere Gespräche folgen.

SWR: Noch ein bisschen CDU Innenschau: Ihr ebenfalls junger Ministerpräsidentenkollege Daniel Günther hat jetzt mal alle Scheuklappen über Bord geworfen und darüber philosophiert wie es wäre, wenn die CDU mit der LINKEN zusammengehen würde. Außer ihm fand das erstmal kaum einer gut. Und Sie im Saarland? Sie haben ja da sitzen. Ich meine, der kennt zumindest schon mal Ihr Büro und die Staatskanzlei ganz gut…

T.H.: (lacht..) Also, ich bin jemand, der auch einen pragmatischen Politikstil prägt. Natürlich ist man auch im Gespräch mit dem Oppositionsführer hier im Saarland, das ist eine Grundvoraussetzung für eine Demokratie. Aber die Union muss aufpassen, dass die Steigerung von Pragmatismus eben nicht Beliebigkeit ist. Die CDU hat als Markenkern über die Jahrzehnte hinweg für sich beansprucht, dass sie verlässlich ist. Wir stehen für eine verlässliche Politik, wer CDU wählt, weiß was er bekommt. Und für uns ist eine Grundveranlagung in unsere DNA, dass wir eben nicht mit populistischen oder extremen Parteien kooperieren wollen. Wir wollen nicht mit einer AfD zusammenarbeiten und nein, wir wollen nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten. Das muss Grundsatz von CDU Politik sein und das möchte ich auch hier nochmal für meine Person ganz deutlich sagen, dass das für mich nicht in Frage kommt. Natürlich stellen wir auch fest, dass es insbesondere im Osten Deutschlands immer schwieriger wird, Mehrheiten zu organisieren. Aber Anspruch der CDU muss doch sein, dass wir alles daransetzen, zu verhindern, dass solch unklare Mehrheitsverhältnisse am Ende rauskommen und unser Anspruch muss es sein, mehrheitsfähig zu sein in Deutschland.

SWR: Jetzt aber mal die ganz konkrete Situation, was ist denn dann die Alternative? Wenn es jetzt keine Möglichkeit gibt, eine Regierung zu bilden, ohne mit der AfD zusammenzugehen. Also wenn es bedeuten würde, ich muss die LINKEN in irgendeiner Form mit ins Boot nehmen oder gar nicht regieren. Was dann? Minderheitsregierung? Ist das eine bessere Alternative? Sollten wir das mal versuchen?

T.H.: Wir müssen uns dann über den Fall unterhalten, wenn er auch tatsächlich eintritt…

SWR: …aber dann habe ich als Wähler ja trotzdem nichts davon. Dann sagen Sie ja im Vorfeld :Wir stehen wir etwas, und dann, wenn der Fall eintritt, reden wir nochmal neu. Das kann es ja auch nicht sein.

Interview der Woche :  4

T.H.: Erstens Mal ist dieser Fall ja noch nicht eingetreten und ich bin auch der festen Überzeugung, dass die Volksparteien insgesamt gut beraten sind, sich nochmal etwas unterscheidbarer zu machen. Und genau diese Debatte, die im Moment geführt wird, nach dem Motto: Wir müssen im Notfall mit jedem können, die führt dazu, dass die Volksparteien, dass grade die großen Parteien sich überhaupt nicht mehr von einander unterscheiden. Wir haben große Probleme in unserem Land, schauen Sie sich die Pflege an, schauen Sie sich das Thema Altersarmut an, das sind Dinge, die die Menschen umtreiben. Deshalb sollten wir jetzt keine theoretischen Debatten führen, sondern uns an die Abarbeitung der Problemstellungen machen.

SWR: Tobias Hans, der Ministerpräsident des Saarlandes, im SWR Interview der Woche. Vielen Dank Herr Hans.

T.H.: Ich danke Ihnen.