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01.03.15 1. MÄRZ 2015 WSBE-HP BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT::: 20 BELICHTER: FARBE:

20 DAS GESPRÄCH WELT AM SONNTAG NR. 9 1. MÄRZ 2015

„Schenk dem Mann einen Drink ein“

Sie provoziert seit mehr als 30 Jahren. Mit Texten, Videos und inszenierter Nacktheit. ist jetzt 56 und immer noch die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten. Ein Gespräch über Verletzungen, Meinungsfreiheit und warum Jay Z ihr einen Korb gab

Die „Queen of Pop“ hat ins HauptDquartier des Die Fotoserie war Auftakt einer medialen Wel- Auktionshauses Sotheby’s an der East Side von le, die sich jedes Mal auf Neues aufbaut, wenn ein Manhattan geladen. Ein Ort mit symbolischer neues von ihr erscheinen soll. Vom Eklat Die sozialen Strahlkraft: Hier wechselt zeitgenössische Kunst um den Hacker, der im Dezember alle noch un- für Millionen von Dollar die Besitzer. Das mag fertigen Songs der neuen CD „Rebel Heart“ ins man in Zeiten der Gratis-Kultur im Netz auch als Netz gestellt hatte, bis zu ihrem spektakulären Netzwerke Statement werten: Kunst hat einen Sturz auf der Bühne bei den Brit Awards vor ein “ Wert. Die kleine Gruppe von Journalisten muss in paar Tagen. Jeder Auftritt von Madonna gebiert einem Souterrain warten, das an Warteräume in „breakings news“. Und in diesem Ausnahmezu- geben vielen Kfz-Zulassungsstellen erinnert – nur dass es bei stand versucht sie das Höchstmaß an Kontrolle zu behalten. Die Kameraleute sind fertig, wir set- VON MARTIN SCHOLZ zen uns, und sie erklärt mir, was ich ja eigentlich eine falsche schon weiß: „Martin, dieses Interview wird an- Sotheby’s nicht mal Fenster gibt. Eine Stunde hat ders ablaufen als andere. Wir werden ein Trink- sie sich schon verspätet. Es wird noch länger dau- spiel spielen. Ich sage Ihnen, wie es läuft: Für je- Form von Mut ern. Kollegen aus Japan, den USA, Italien und de dumme Frage, die Sie mir stellen, müssen Sie Frankreich warten auf ihren Einsatz. Interviews ein Glas Tequila trinken. Wenn Sie mir eine ver- mit Madonna sind rar: Zu ihrem letzten Album blüffende Frage stellen, muss ich ein Glas Tequila vor drei Jahren hatte sie lediglich ein Interview trinken.“ Kontrolle und Inszenierung. Ihre Mar- „ für Deutschland gegeben. 15 Minuten soll es ge- kenzeichen. Für einen kurzen Moment muss ich dauert haben. Diesmal sollen es 20 Minuten wer- an den ersten „Indiana Jones“-Film denken, an den. Aber so sicher ist sich ihre Entourage da das Trinkgelage zwischen der Film-Freundin von auch nicht. Das hänge vom Gesprächsverlauf und Harrison Ford und einem nepalesischen Troll. ihrer Laune ab. Zwei Stunden später ist der erste Nach 20 Gläsern kippt der Troll volltrunken vom Kollege dran, nach 15 Minuten kommt er zurück, Stuhl, die Frau prostet ihm noch mal triumphie- erzählt den anderen, man müsse Tequila trinken, rend zu. für jede Frage, die ihr nicht gefällt. Wie viele Glä- Nachdem Sie erfuhren, dass unfertige Fas- MADONNA diges Schwert. Man kann über all diese Kanäle auf ser er trinken musste? Eins. „Solange wir uns WELT AM SONNTAG: Googeln Sie sich ei- sungen Ihres kompletten neuen on- SÄNGERIN UND großartige Weise mit Menschen kommunizieren. nicht mit Handschellen an den Stuhl ketten und gentlich selbst? line verfügbar waren, haben Sie sechs Songs GESAMTKUNSTWERK Aber die Leute können sich auch darin verste- auspeitschen lassen müssen“, sagt ein italieni- MADONNA: Ob ich mich selbst google? Nein. eiligst fertig produziert, die man dann kaufen cken. Sie können anonym bleiben und extrem de- scher Kollege – alle lachen. Sollte ich das denn? Also, ich finde, für diese Fra- konnte. Im Nu standen Sie weltweit auf Platz struktive, herablassende, negative und diskrimi- Zwei Stunden später als vereinbart bin ich an ge können Sie gleich einen Tequila trinken. (sie eins der iTunes-Charts. Hat das Ihrem Album Madonna Louise Ciccone wurde am 16. Au- nierende Dinge sagen. Die sozialen Netzwerke ge- der Reihe, werde durch eine große Ausstellungs- greift nach der Tequila-Flasche) letztlich nicht eine immense Aufmerksamkeit gust 1958 in Bay City im US-Staat Michigan ben vielen Menschen eine falsche Form von Mut. halle geführt, vorbei an Andy Warhols „Portrait of IHRE MANAGERIN: (aus dem Hintergrund) Was verschafft? geboren. Nach der High school begann sie In dieser Hinsicht sind sie sehr gefährlich. Ich a young woman“, das für 2,7 Millionen Dollar soll das denn? Ich finde, das ist eine großartige Noch mal: Ich fühle mich nicht gut damit. Sicher eine Tanzausbildung an der University of meine das jetzt nicht nur auf mich bezogen. Das ausgelobt wird. In einem abgesperrten Bereich Frage. hat es mich gefreut, zu sehen, dass sich viele Michigan, die sie jedoch abbrach. Sie zog betrifft viele Menschen und beileibe nicht nur wartet Madonna auf einem Stuhl. Sie trägt ein en- MADONNA: Okay, dann eben nicht. (sie stellt die Menschen für meine neue Musik begeistert ha- nach New York, lernte Gitarre und Schlag- Künstler. Nehmen Sie nur Phänomene wie das ges, ärmelloses und sehr figurbetontes Kleid, fin- Flasche wieder auf den Tisch zwischen uns) ben. Nur ging es dabei um Songs, von denen ich zeug, spielte mit Bands und Musikern – unter Cyber-Bullying. Im Netz geschehen sehr viele gerlose Spitzenhandschuhe. Sie erhebt sich, und MANAGERIN: Nein, tut mir leid, du bist hier ja gar nicht wollte, dass sie erscheinen. Sie wurden anderem mit dem französischen Disco-Star verrückte, zerstörerische Dinge. Das hat nichts während ich ihr die Hand gebe, fingert ihr ein die Richterin. Also schenk dem Mann einen Drink aber dennoch veröffentlicht. Das hat mir nicht Patrick Hernandez („Born To be Alive“). 1983 mit Popmusik zu tun. Hair-Stylist noch eine blonde Strähne aus dem ein. gefallen. Denn die Leute haben meine unfertigen erschien ihr erstes Album „Madonna“. Mit Gesicht. Wir sind von drei Kamerateams umge- MADONNA: Okay. Jetzt sei aber mal still da hin- Songs im Netz kommentiert, Schlussfolgerungen mehr als 300 Millionen verkauften Ton- Die öffentliche Wahrnehmung Ihrer Person ben, die das Gespräch filmen und aufzeichnen. ten. „Ob ich mich jemals google?“ So was. (sie daraus abgeleitet und sie haben sie bewertet. Das trägern ist sie die kommerziell erfolgreichs- besingen Sie gleich in mehreren der neuen Mein eigenes Aufnahmegerät durfte ich nicht schenkt mir ein Glas ein, randvoll. Nimmt dann ihr ist ... das ist nicht richtig. te Sängerin der Welt. Zu ihren herausragen- Lieder. Eine „Joan of Arc“, singen Sie, seien mitnehmen, weil es, auf dem Tisch liegend, die eigenes in die Hand) den Alben gehören „True Blue“, „Like A Sie nicht, in „Veni, Vidi, Vici“ beschreiben Sie, Ästhetik des Raumes gestört hätte. Der Raum ist Das ständige Kommentieren neuer Entwick- Prayer“ und „“. Sie hat in zahlrei- ständig würde jede Bewegung von Ihnen kri- im Grunde kein Raum, sondern ein Madonna- Soll ich den Tequila jetzt gleich trinken, oder lungen und Ereignisse ist Alltag in der digita- chen Filmen als Schauspielerin mitgewirkt: tisiert, nur die Musik habe Sie gerettet. Im Ti- Schrein. An den Wänden hängen Collagen von kann ich bis nach dem Interview warten? len Welt. Sie selbst machen davon auf Insta- Erfolge hatte sie in „Susan ... verzweifelt telsong „Rebel Heart“ erzählen Sie, wie Sie , die alle nur ein Thema haben: Ma- (sie geht nicht darauf ein, hebt ihr Glas) Was sagen gram und Twitter regen Gebrauch. Wie hal- gesucht“ und „“. Doch meist konnte sie wurden, wer Sie sind. Was war der Antrieb, donna. „Mögen Sie Keith Haring?“, fragt sie zur Sie in Deutschland, wenn Sie anstoßen? ten Sie da die Balance? weder Kritiker noch Publikum überzeugen. jetzt den Menschen Madonna zu offenbaren? Begrüßung. Ja, antworte ich. Es seien ihre Bilder, Ja, wir leben in einer digitalen Welt. Aber Dieb- Auch ihr Debüt als Regisseurin mit dem Das war jetzt keine bewusste Entscheidung. Auf die da an den Wänden hängen, fügt sie hinzu. Sie Prost. stahl ist weder in der digitalen noch in einer an- Film „W.E.“ war ein Flop. Sie war mit Schau- meinem letzten Album hatte ich ja auch einige hat sie eigens für diese Interviews hierher brin- Post? deren Welt akzeptabel. Die Menschen brauchen spieler und Filmregisseur Guy autobiografische Songs. Ich schreibe immer gen lassen. „Ich bin gern von meiner Kunst umge- heute wieder einen moralischen Kompass. Es ist Richie verheiratet, und hat zwei leibliche Songs, die eine persönliche Ausrichtung haben. ben“, säuselt sie, „das inspiriert mich.“ Nein. Prost – mit einem „r“ dazwischen. wichtig, dass wir Moralvorstellungen haben. Ich Kinder sowie zwei aus Malawi stammende Es dürfte nicht nur um Inspiration gehen. Jede Okay, Prost. (stößt mit ihrem Glas an). Mein Glas weiß ehrlich gesagt nicht, warum Sie in dem Zu- Adoptivkinder. Ihre neue CD„Rebel Heart“ Aber diesmal haben Sie die Schutzschilde un- der Collagen ist auch ein Statement: „Madonna ist leer. (sie nimmt einen imaginären Schluck) Ups, sammenhang auf die digitale Welt abheben. (Universal) erscheint am 5. März. Eine Welt- ten gelassen. Warum? on nude pix: so what?“ (Madonna über ihre da war ja doch noch was drin. Wie kommen Sie tournee folgt. Das sind eben die Gedanken, die mir zu der Zeit Nacktbilder: Na und?) Das Zitat geht auf einen nur darauf, dass ich mich selbst googeln könnte? Unveröffentlichte Songs sind ja schon früher durch den Kopf gegangen sind. Das hatte auch mit frühen Eklat zurück. Kurz nachdem sie Mitte der gestohlen und dann auf irgendwelchen Boot- den Musikern zu tun, mit denen ich zu der Zeit ar- 80er zum Weltstar aufgestiegen war, waren Hätte ja sein können, vielleicht, um zu erfah- leg-Alben illegal verkauft worden. Heute sind beitete, mit der intimen Atmosphäre und sicher Nacktbilder an die Öffentlichkeit gelangt, die sie ren, welche Wellen der „Leak“ Ihres neuen gestohlene Songs aber nicht nur weltweit ver- auch damit, dass die Lieder zunächst nur mit Ge- im Alter von 18 hatte machen lassen. An ihrer „Na Albums im Netz noch geschlagen hat. fügbar, sondern jeder gibt seinen Senf dazu – sang, Gitarre oder Piano entstanden. Das schuf ei- und?“-Haltung hat sich bis heute nichts geändert. Ich bin immer noch sehr, sehr aufgebracht darü- was Sie ja offensichtlich sehr gestört hat. Ha- ne Stimmung, die mich dazu inspirierte, in den Madonna hat ihre Nacktheit und Sexualität im- ber. Dieser Diebstahl ist auch so eine Art Symbol, ben Sie nach dieser Erfahrung einen anderen Texten intim, offen und, ja, verletzlich zu sein. Und mer wieder inszeniert – in ihrem „“-Fotoband er sagt viel aus über die Gesellschaft, in der wir Blick auf die sozialen Netzwerke, die Sie so habe ich jetzt eben Persönliches von mir mit der in den 90ern und zuletzt mit Aktfotos für eine heute leben. Das deprimiert mich. Es ist ein Miss- selbst so exzessiv nutzen? Öffentlichkeit geteilt, Dinge offenbart, die ich vor- Zeitschrift, die sie im Alter von 56 machen ließ. brauch. Die sozialen Netzwerke sind wie ein zweischnei- her vielleicht nicht offen ausgesprochen hätte.

Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: ??/WAMS/WSBE-HP Chef vom Dienst Artdirector Textchef Chefredaktion 01.03.15/1/Thema7 CCI 5% 25% 50% 75% 95% 01.03.15 1. MÄRZ 2015 WSBE-HP BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT::: 21 BELICHTER: FARBE:

1. MÄRZ 2015 WELT AM SONNTAG NR. 9 DAS GESPRÄCH 21

STIMME EINES MITARBEITERS IM HIN- Kritik. Im Gegensatz zu anderen Pop-Aktivis- TERGRUND: Sorry, wir müssen die Speicherkar- ten scheint man Ihnen diese Rolle nicht abzu- te auf einer Kamera wechseln. Dauert etwa 30 Se- nehmen. Trifft Sie das? Ich will nicht kunden. Es stimmt, ich habe wegen meines Engagements MADONNA: Muss das sein? Die Zeit ist so wert- in Malawi viel Kritik einstecken müssen, weil voll. ich, weil ... Nein, andersrum: Sehen Sie, ich habe “ Der Mitarbeiter fingert an der Kamera herum, es den Aids-Waisen von Malawi nicht deshalb ge- über dumme dauert ein paar Minuten, die wie eine Ewigkeit er- holfen, weil ich glaubte, auf diese Weise meine scheinen. Madonna bleibt fast regungslos sitzen, die Popularität erhöhen zu müssen. Ich engagiere Dinge singen Hände im Schoß gefaltet. Man sieht, dass sie die mich dort, ganz gleich, ob mir Leute deshalb an- Muskeln an ihren Armen anspannt – und traut sich erkennend auf die Schulter klopfen oder nicht. kaum hinzuschauen. So stellt man sich den Vesuv Ich habe diese Hilfsaktionen auch nicht deshalb vor, kurz bevor er ausbricht. unternommen, weil ich möchte, dass mich die MITARBEITER: Wir haben es gleich. Leute deshalb lieben. Ich helfe Menschen, weil MADONNA: Ihr habt keine Speicherkarten be- ich Menschen helfen möchte. Punkt. Aber die „ reit? Was passiert denn hier? Leute werden mich weiter kritisieren, ganz Ich frage mich zweierlei: a) Geht das jetzt alles gleich, was ich mache. von der ohnehin knappen Zeit ab? und b) Mit wel- Frage macht man um Himmels willen nach so Das ist Ihnen also doch nicht egal? einer Vollbremsung weiter? Die Tequila-Flasche ist Was zählt ist: Ich lasse nicht nach in meinem En- noch zu vier Fünfteln voll. gagement, ich muss meinen Kurs halten. Ich bin MITARBEITER: Alles klar. Malawi allein schon wegen meiner Kinder ver- MADONNA: So, jetzt können Sie weitermachen. bunden. Sehen Sie, in ein so armes Land zu kom- men, in dem die Menschen so wenig zum Leben Ihr Credo als Künstlerin war immer „express haben, ist zunächst eine ernüchternde Erfahrung. yourself“, ganz gleich, wie stark Ihnen der Dann aber zu sehen, dass sie dennoch Lebens- Wind von Kritikern, Moralhütern und immer freude empfinden, ihre Fähigkeit zum Lachen wieder auch von der Kirche ins Gesicht blies. nicht verloren haben, dass sie mit anderen teilen, Nach dem Terroranschlag auf das französi- obwohl sie selbst so wenig haben – dass sie ihr sche Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ haben Leben als solches wertschätzen, das hat mich tief auch Sie sich solidarisch gezeigt und „Je suis beeindruckt und sehr bewegt. Bob Geldof stand Charlie“ gepostet. Ungeachtet der weltweiten kürzlich ja auch wieder in der Kritik wegen seines Solidarität gab es in der Folge weitere Protes- Band-Aid-30-Projekts und der damit verbunde- te, Anschläge und Tote. Haben wir noch die nen Ebolahilfe. Sie kennen ja das Sprichwort: No Meinungsfreiheit, für die Sie sich auch immer good deed goes unpunished – keine gute Tat so starkgemacht haben? bleibt unbestraft. Die Menschen misstrauen Leu- Nein. Wir leben heute in sehr beängstigenden ten wie Geldof, die selbstlos und großherzig sind. Zeiten. Was in Frankreich passiert ist, spiegelte Es fällt Menschen offenbar schwer, diesen Cha- eine zunehmende Intoleranz wider. Es gibt im- rakterzug zu akzeptieren und wertzuschätzen. Sie mer mehr Menschen, die es zulassen, dass Igno- sind immer misstrauisch. Sie denken immer, du ranz und Angst ihre Handlungen und Entschei- verfolgst andere Ziele. Auch wenn das nicht so dungen diktieren. Die Kunst wird unterdrückt – ist. So ist die Welt nun mal. durch Zensur, durch Faschismus. Wenn Künstler daran gehindert werden, sich frei auszudrücken, Sie sind dem Ruf Geldofs zweimal gefolgt: ist das der Untergang der Zivilisation. Wir brau- 1985 bei Live Aid, 2005 bei Live 8. Sie sangen chen Kunst, um zu überleben. Menschen brau- 2005 mit einer jungen äthiopischen Frau, Bir- chen Kunst – Literatur, Musik, Gemälde, all diese han Woldu, die als Kind bei der Hunger-Kata- Kunstformen. Kunst ist Teil unserer Mythologie. strophe in Äthiopien beinahe gestorben wäre Sie inspiriert uns, spendet uns Trost, Kunst ist und nur dank der Ärzte vor Ort überlebt hat- die Schulter, an der wir uns ausweinen können. te. Geldof hat für dieses Jahr, das Jahr des Sie hilft uns, uns nicht allein auf dieser Welt zu G-7-Gipfels, Aktionen in Aussicht gestellt – fühlen. Wenn Sie Künstler zum Schweigen brin- ohne konkret zu werden. Wenn er Sie nun gen, ist das so, als würden sie jedem sagen: Ihr wieder anriefe, wären Sie wieder dabei? dürft künftig kein Wasser mehr trinken. Insofern Das hängt schon davon ab, mit welchem genau- sind die Anschläge in Frankreich und ihre Folgen en Ziel er das diesmal machen würde. Und was sehr beängstigend. in meinem Leben zu dem Zeitpunkt gerade an- steht. Es gibt viele Faktoren, die ich erst mal be- Der Terror zeigt Wirkung: Die „New York Ti- rücksichtigen müsste, bevor ich Ja oder Nein sa- mes“ hat erklärt, dass sie die Mohammed-Ka- gen würde. rikaturen von „Charlie Hebdo“ nicht zeigen werde. AL MUSIC

ERS Das stimmt. Ich kann nur hoffen, dass Künstler, Ich habe mir noch ein Assoziationsspiel für statt nun noch ängstlicher zu werden, künftig Sie ausgedacht. mehr Risiken eingehen. Künstler müssen ihre Oh, Sie wollen auch spielen? /CF (4); UNIV

S Meinung sagen können – das ist wie eine Art Bil- dungsauftrag. Künstler bringen Menschen zusam- Sagen wir so: Ich arbeite mich ein bisschen A NEW men, das muss heute mehr denn je Teil der Spra- an Ihrem Album-Titel „Rebel Heart“ ab. Der che von Kunst sein. soll ja aussagen, dass es in Ihnen, wie in vie-

GES/CAMER len von uns, sowohl eine rebellische als auch Wie meinen Sie das genau? eine romantische Seite gibt. Ich habe mal Be- DP IMA D Ich will nicht über dumme Dinge singen, son- griffspaare herausgesucht – Persönlichkeiten, dern darüber, dass wir mit Kunst die Menschen Orte, Kunstwerke –, die sich einem dieser Po- zusammenbringen. Wie John Lennon in „Imagi- le zuordnen ließen. Sie müssen sich für einen ne“. Oder in seinem Song „One entscheiden. Love“. Das ist unser Job, wir bringen Menschen Cool. Wenn’s nicht klappt, schenke ich Ihnen die zusammen. nächsten Tequilas ein. Warum nicht? Madonna am Lagerfeuer. dachte ich zuerst daran, Rapper oder Sänger, Leu- Weil mir das unangenehm gewesen wäre und ich Ich würde manche Songs sicher besser hinbe- te aus dem Musikgeschäft eben, mit einzubezie- Sie haben das 2012 am Anfang Ihrer letzten Zwei Theaterstücke: „Wer hat Angst vor Vir- mich nicht wohlgefühlt hätte dabei. kommen als andere. Aber wenn ich mir Zeit näh- hen. Mir schwebten Leute vor, die überlebt hat- Welt-Tournee probiert, die in Tel Aviv be- ginia Woolf“, das Drama über die Hölle der me und richtig intensiv probte, dann könnte ich ten, Leute, die wahre Ikonen waren. Mir fiel aber gann. Das nächste Konzert gaben Sie in Abu Ehe von Edward Albee, oder „Romeo und Ju- Sie singen oft von der Dunkelheit, aber auch Ihnen mein ganzes Album auf der Gitarre vor- partout keiner ein. Dhabi. War das Ihr Versuch eines Brücken- lia“ von William Shakespeare? vom Licht, vom Feuer in der Dunkelheit. spielen. Und in dem Augenblick wären Sie dann schlags im Nahen Osten? „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Ja. ein sehr glücklicher Mann. Denn das wäre für Sie Nicht Ihr Ernst, oder? Ja. ja ein Exklusiv-Konzert. Wer weiß, vielleicht ma- Okay, das stimmt nicht ganz. Ich hatte schon ei- Warum? Es gibt einen alten Police-Song, in dem es che ich so was eines Tages. nen Namen parat. Ich habe Jay Z gefragt, ob er Und? Waren diese Auftritte für Sie „business Jetzt wollen Sie von mir auch noch wissen, wa- heißt: „You will see light in the darkness, you auf meinem Album mitmachen würde. Er hat mir as usual“? rum? Nein, so machen wir das nicht. Ich sage Ih- will make some sense of this.“ Haben Sie sich Könnten Sie sich das ernsthaft vorstellen, einen Korb gegeben. Und dann fragte ich Mike Das war kein gewöhnlicher Tourneestart. Als ich nen nur ganz spontan, was mich anspricht – mehr auf so eine Reise begeben? mal nur mit der Akustik-Gitarre auf Tournee Tyson. mich damals in Israel aufhielt, um meine erste nicht, keine nachträglichen Erklärungen. Ich beschreibe eine Reise, auf die wir uns alle stän- zu gehen? So wie es Bruce Springsteen vor Show vorzubereiten, gab es viel Gerede. dig begeben. Wir werden immer wieder herausge- ein paar Jahren gemacht hat? Das ist jetzt nicht unbedingt der naheliegen- Berlin oder Paris? fordert, müssen uns einen Weg bahnen aus der Oh gosh! Ich fürchte, ich würde mich schnell de Ersatz. Was für Gerede? Jetzt? In diesem Moment? Berlin. Dunkelheit heraus. Nur Licht kann uns aus dem langweilen. Ich finde: Zum jetzigen Zeitpunkt in seinem Le- Ob das Konzert eventuell abgesagt werden müss- Düsteren herausführen. Andererseits brauchen wir ben ist Tyson ein echter Superheld. Er ist durch te, wegen eines mutmaßlichen Bombenanschlags. Zwei Beatles-Songs: „Revolution“ oder „All auch die Dunkelheit, um das Licht als solches Das wäre in jedem Fall etwas völlig Überra- die Hölle und wieder zurückgegangen – und das Das war ein Drohszenario. Jeder war sehr nervös. My Loving“? wahrnehmen zu können. Die Vorstellungen von schendes nach all Ihren Stadien-Shows mit viele, viele Male. Er hat sich weiterentwickelt zu Aber ich fühlte mich wie ... Sehen Sie, Israel ist „Revolution“. Licht, Dunkelheit oder Feuer sind elementar, ur- zig Tänzern, Show- und Videoeffekten. einem beeindruckenden und inspirierenden Men- der Brennpunkt des Universums. Die Botschaft sprünglich. Das hat mich schon immer inspiriert. Ich könnte vielleicht in einem Konzert ein paar schen. Das war der Grund, warum ich ihn fragte, meiner Show war Einheit, Einigkeit. James Dean oder Hugh Grant? Songs auf der akustischen Gitarre spielen – sagen ob er bei diesem Song mitmachen würde. Er singt (sehr schnell) James Dean. War diese Art von Songwriting für Sie so eine wir sechs. Ich glaube aber nicht, dass ich einen ja nicht und rappt eigentlich auch nicht. Er Von der Bühne in Tel Aviv sagten Sie: „Wenn Art technologische Entschlackungskur? Weg ganzen Abend nur auf einem Stuhl sitzen und Gi- spricht nur in dem Song. Wobei es das auch nicht es Frieden im Nahen Osten gibt, dann können Lara Croft oder Prinzessin Leia aus „Star von den überproduzierten, auftrainierten tarre spielen könnte. Es sei denn, ich könnte in richtig trifft, es ist eher ein Schimpfen und Ze- wir weltweit Frieden haben.“ Wars“. Beats – zumindest in der Phase des Schrei- der Zwischenzeit Stand-up-Comedy machen. tern. Das ist mein Job, deshalb bin ich hier, um so was Lara Croft. bens? zustande zu bringen. Für mich war Tel Aviv die Es gibt auf dem Album ja immer noch viele digi- Was genau würden Sie da machen? perfekte Stadt, um meine Tournee zu beginnen. Iggy Pop oder Sting. tale, elektronisch-synthetische Klänge. Dennoch Wenn ich zwischen den Songs Witze erzählen Obwohl es gefährlich war, wollte ich im Auge des Iggy Pop. sollte jeder Song diesen akustischen Kern haben. könnte und ein paar Gläser Tequila kippen könn- Orkans anfangen. Und direkt nach Tel Aviv in Ich wollte zeigen, dass ich fähig bin, die Lieder te. Das könnte vielleicht ganz interessant sein, Abu Dhabi aufzutreten, das war für mich fast poe- „Nymphomaniac“ von Lars von Trier oder am Ende darauf reduzieren zu können. Nur Gitar- nicht wahr? Glauben Sie, dass die Zuschauer zu tisch – die Region auf dem Tourneeplan zu ver- „Paris, Texas“ von Wim Wen ... re und Gesang. Von diesem Ursprung aus haben so einer Art Show von mir kommen würden? binden. Wenn ich ein Konzert in Palästina geben „Nymphomaniac“! Ich liebe diesen Film. sich einige Lieder dann zu etwas völlig anderem könnte, würde ich dort auftreten. Aber okay, entwickelt. Das wäre mal was ganz anderes. stattdessen ging ich nach Abu Dhabi. Godzilla oder King Kong? Wirklich? Hm. Lassen Sie mich mal darüber King Kong. Wenn ich Ihnen jetzt eine akustische Gitarre nachdenken. Als Aktivistin engagieren Sie sich vor allem in mitgebracht hätte, könnten Sie mir darauf al- Malawi, jenem südostafrikanischen Land, in „Fifty Shades of Grey“ oder „Love Story“ von le Songs Ihres neuen Albums vorspielen? Welche Fähigkeiten haben denn dem Sie zwei Kinder adoptiert haben. Sie fi- Erich Segal? Ja, das könnte ich. Nur ich, meine Stimme, eine für einen Gast-Auftritt in einem Ihrer neuen nanzieren dort jetzt den Bau von zehn Schu- MANAGERIN AUS DEM HINTERGRUND: Gitarre und meine Lieder – das würde ich hinbe- Songs empfohlen? len und eines Krankenhauses, stehen wegen Ohhh! kommen. Als ich den Text für den Song „Iconic“ schrieb, Martin Scholz im Gespräch mit Madonna Ihres Engagements aber immer wieder in der (sie zögert einen Moment) „Love Story“ (lacht).

Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: ??/WAMS/WSBE-HP Chef vom Dienst Artdirector Textchef Chefredaktion 01.03.15/1/Thema8 CCI 5% 25% 50% 75% 95%