Ausg. Nr. 77 • 30. Oktober 2009 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Dauerwahlkampf Die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen haben Spannung in das zuvor freundschaftliche Verhältnis der Koalitionsparteien zueinander gebracht. Der Wahlkampf für 2010 scheint damit eröffnet zu sein. Foto: BKA/HBF Andy Wenzel Symbolcharakter? Bundeskanzler Werner Faymann am 20. Oktober 2009 nach dem wöchentlichen Ministerrat – diesmal ohne seinen Vizekanzler Josef Pröll. Dieser weilte nämlich mit seinen Finanzministerkollegen beim informellen Ecofin in Göteborg.

nfang Oktober, also drei Wochen nach gung der anstehenden Probleme würde alle partner verantwortlich. Die beiden waren da- Ader Landtagswahl in Vorarlberg und Kräfte erfordern. Die nächste Nationalrats- mals ziemlich gefordert, wird doch die eine Woche nach der in Oberösterreich, wahl finde erst 2013 statt, bis dahin werde Regierung Gusenbauer/Molterer eher als stand die großkoalitionäre Wetterlage noch man die vielen gemeinsamen Vorhaben Ringkampf, denn als funktionierende Koa- auf „heiter“. Die ÖVP genoß ihre Wahler- umzusetzen versuchen. Damit habe man, so lition in die Geschichtsbücher eingehen. Als folge, hielt sich aber im Großen und Ganzen hieß es, ausreichend zu tun. Faymann und Pröll dann am 23. November mit Häme zurück, bewies damit dem SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann be- 2008 verkünden, sie hätten sich auf die Bil- Koalitionspartner SPÖ Pakttreue. Es sei mühte sich, auch als Bundeskanzler seine dung einer gemeinsamen Regierung geei- während der vorhergegangenen Legislatur- bereits bewährte Rolle eines Moderators bei- nigt, ließ dies auf eine „neue Art“ des Regie- periode (Regierung Gusenbauer I vom 11. zubehalten: Er war nämlich in der letzten rens hoffen. Eine Regierung sei eine Form Jänner 2007 bis 2. Dezember 2008) genug Regierung gemeinsam mit dem damaligen der Partnerschaft, die zwar nicht die Unter- gestritten worden. Man sei doch schließlich Landwirtschafts- und heutigen Finanzmini- schiede der Parteien verleugne, die aber Ent- mit einer Koalitionsvereinbarung angetreten, ster und Vizekanzler Josef Pröll (der ist in- schlossenheit zeige, im gemeinsamen Weg deren Umsetzung ohnehin einiges an ge- zwischen auch Bundesparteiobmann der für Österreich, erlärte Faymann damals. meinsamem Einsatz erfordere. Die Bewälti- ÖVP) für die Koordinierung der Koalitions- Lesen Sie weiter auf der Seite 3

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 2 Die Seite 2

Aus dem Inhalt

Nationalrat beschließt weitere Verschärfung des Fremdenrechts 6 Vollversammlung des Öster- reichischen Seniorenrates 8 Neues Haus der EU in Wien 14 Prof. Jerzy Buzek im Interview 18 3. gemeinsame Regierungssitzung Österr. Seniorenrat tage im Parlament S 8 Hohe Auszeichnung für SI Paul Weiland S 49 Österreich und Ungarn 20 Russische Unterstützung für Österreichs UNO-Vorsitz 22 Schlüsselfaktor in der langfristigen Stabilisierung des Balkans 23 »Österreich«-Eurobarometer 24 Franz Fischler erläutert 27 Europa nachhaltig kommunizieren 30 LH Durnwalder und LR Mussner übergeben 20 Fertighäuser 31 Hilfe für die Milchbauern 32 Interview mit Prof. Jerzy Buzek S 18 Raumzeit auf dem Prüfstand S 57 Die Bedeutung von Wettbewerb für Wachstum und Beschäftigung 36 Österreichs Wirtschaftswachstum dreht wieder ins Plus 37 Inlands- und Nahmärkte im Visier 38 Wiener Immobilienmarkt – hohes Entwicklungspotential 40 Gustieren, bestellen, genießen! www.austriangrocery.com 41 Ansprache von Bundespräsident »Österreich«-Eurobarometer S 24 Heinz Fischer zum Nationalfeiertag 43 Edvard Munch und das Unheimliche S 62 Spielberg feiert Stadterhebung 44 Strudlhofstiege ist wieder wie neu 45 2 x Silber für Tulln 46 Wien bekommt Helmut-Zilk-Platz 47 Neue Erdäpfelvielfalt in Wien 48 Hohe Auszeichnung für Superintendent Paul Weiland 49 Festlicher Empfang für Diakone 52 Gold von Wien für Brüder Leichter 53 »Praemium Imperiale« Hilfe für die Milchbauern S 32 Bildbericht: Das Grazer Zeughaus S 67 für Alfred Brendel 54 Otto Tausig für Lebenswerk geehrt 55 USA ehren oö. Fliegenfischer 56 Raumzeit auf dem Prüfstand 57 Neue Technologie gegen drohende Phosphorknappheit 58 Österreich am Weg zur Innovationsführerschaft 59 Wittgenstein- und START- Preisträger 2009 60 Wissen braucht Raum 61 Ansprache des Bundespräsidenten S 43 E. Munch und das Unheimliche 62 Kampf um die Stadt – Wien um 1930 S 77 Achtes Kunstprojekt für Salzburg 65 Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich Journal Das Zeughaus in 67 Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Schober-Str. 8/1. Für Kampf um die Stadt - Wien 1930 77 den Inhalt verantwortlicher Herausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lektorat: Maria Krapfenbauer. jede Art 100 Jahre Stadttheater Baden 80 der Veröffentlichung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. 1. Wiener Filmmusik-Preis 82 Fotos: S. 1 BKA/HBF Andy Wenzel; Parlament/Carina Ott; Vertretung der EU-Kommission in Österreich; ÖVP/Jakob Serie »Österreicher in Hollywood« – Glaser, ORF/Milenko Badzic, Dieter Schewig, NASA, The diesmal: Celia Lovsky 84 Munch Museum/The Munch Ellingsen Group, Michael Kärnten: Abenteuerland im Schnee 86 Mössmer/Österreich Journal, Fondation Oskar Kokoschka, Archiv Vorarlberg Tourismus / Roman Horner. Im Land der Skipioniere 89 Im Land der Skipioniere S 88

In Zusammenarbeit mit dem Auslandsösterreicher-Weltbund und »Rot-Weiss-Rot« – http://www.weltbund.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 3 Innenpolitik

„Daher gibt es aus meiner Sicht keine ebenfalls im März 2009, wurde gefolgt von Die Abstände werden größer Verlierer“, so Faymann weiter, „sondern als einem Stimmenverlust in Höhe von 9,63 Pro- Auch wenn beide Parteien nicht gemein- Gewinn etwas, was der Politik dringend not- zent (ÖVP: -2,7) bei der Wahl zum Europäi- sam zur Nationalratswahl angetreten sind, tut – Glaubwürdigkeit bei den Wählerinnen schen Parlament im Juni 2009. auch wenn sie eine Koalitionsvereinbarung und Wählern. Daß zwei Parteien, die das Auch bei der Landtagswahl in Vorarlberg getroffen haben, die sie – wie sie nach wie Beste für das Land wollen, in der Lage sind, im September 2009 war es der SPÖ nicht vor versichern – auch einhalten wollen, so konsequent, gemeinsam und engagiert zu ar- gelungen, den Trend umzukehren, und verlor trifft doch in vielen Themenbereichen voll- beiten.“ Und Pröll ergänzte, für die ÖVP sei trotz neuem Spitzenkandidaten 6,81 Prozent kommen unterschiedliches Verständnis von klar, daß die Regierungsarbeit gemeinsam der Stimmen (ÖVP: -4,1). Mit einigem Ban- der Zukunft des Landes aufeinander. Nein, aufgenommen werde. „Dabei sollen aber we- gen erwartete man das Ergebnis der Land- nicht das Ziel unterscheidet sich so wesent- der Konturen noch Unterschiede verwischt tagswahl in Oberösterreich, die exakt zwei lich, sondern der Weg dorthin. Und so ist die werden, aber die ÖVP wird ihren Beitrag für Wochen später abgehalten wurde. Dort muß- tägliche Auseinandersetzung über den näch- Österreich leisten.“ te die SPÖ mit einem Minus von 13,4 Pro- sten Schritt – dessen Richtung und Weite – zent den größten Stimmverlust hinnehmen. in den ersten Monaten der Regierung Fay- »Kuschelkurs« Umfragen ließen die Sozialdemokraten noch mann-Pröll nicht so nach außen gedrungen- Und dieses Vorhaben von Faymann und kurze Zeit vor der Wahl mit einem wesent- war, wie es die Jahre zuvor passierte. Da hat- Pröll wurde nicht nur angekündigt, sondern lich besseren Ergebnis rechnen – der damali- ten sich die Beteiligten via Originaltext-Aus- setzte sich auch im politischen Alltag durch. ge SP-OÖ-Chef und LH-Stellvertreter Erich sendungen der Presseagentur (APA) Da gab es kaum noch Sticheleien zwischen Haider gab gar seiner Hoffnung Ausdruck, er mehrmals täglich ausgerichtet, was man von den Parteisekretariaten, Kanzler und Vize- könne den (jetzt wieder) amtierenden VP- einem Vorschlag des jeweils anderen gehal- kanzler traten nicht nur gemeinsam, sondern Landeshauptmann Josef Pühringer ablösen, ten hatte. Dann hatten aber Faymann und Pröll auch einig auf – was heimische Medien dazu dessen ÖVP 3,4 Prozent zulegte. ihre Parteien ebenso im Griff, wie die Wirt- brachte, von einem „Kuschelkurs“ zu spre- „Ich weiß, wie sehr Erich Haider und sein schaftskrise das ganze Land im Griff hatte. chen und wohl ein wenig der Erinnerung an Team sich in Oberösterreich eingesetzt Die gemeinsamen – und vielfach auch über den medial wirksameren Konfliktkurs der haben, und darum tut mir dieses Ergebnis unsere Grenzen hinaus als zielführend be- Vorgänger nachhingen. Denn Kontroversen besonders leid“, so SP-Bundesparteivor- zeichneten – „Feuerwehraktionen“ haben ihre wurden über Monate hindurch vorrangig sitzender Werner Faymann am Abend des Wirkung gezeigt und lassen Österreich in sei- zwischen Regierung und Opposition ausge- Wahltages. Die Niederlage in Oberösterreich ner Wirtschaftleistung nicht so absacken, wie tragen – und das hat für Titelseiten nicht im- sei nicht schönzureden. Nun sei es besonders dies in vielen anderen Ländern der Fall ist. mer genug „Fleisch“. wichtig, so Faymann damals, „Reformen Die Wirtschaftskrise, also der gemeinsa- Das Ergebnis der Nationalratswahl im schärfer anzugehen“ und „daß wir mit aller me „Außenfeind“ der Regierung, ist zwar Oktober 2006, bei der die SPÖ mit -1,17 Pro- Kraft weiterarbeiten. Gegen Arbeitslosigkeit nicht bezwungen, aber die Dringlichkeit der zent einen – wenn auch geringen – Verlust und Kriminalität, für eine Bildungsreform, Maßnahmen hat nachgelassen. Jetzt, wo es hinnehmen mußte (ÖVP: -8,0), setzte den für das beste Gesundheitssystem“, so Fay- gilt, Nachwirkungen der Krise und über (Po- Beginn einer Reihe von Enttäuschungen für mann. litker-)Generationen hinausgeschobene Alt- die Sozialdemokratie: Bei der Landtagswahl ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Pröll lasten (Verwaltungsreform, Pensionssystem, in Niederösterreich (März 2008) bereitete ein kommentierte die SP-Niederlage, aus dem Steuerreform) in Angriff zu nehmen, gibt es Minus von 7,91 Prozent bereits schwere „Ergebnis ist klar: wer Konfrontation und ausreichend Stoff, sich wieder gezielter der Kopfzerbrechen (ÖVP: +1,00). Die Stim- Untergriffigkeit sät, wird Wahlniederlagen eigenen Wählerschaft zuzuwenden. Das geht mung zwischen Bundes-SPÖ und -ÖVP war ernten.“ natürlich nicht, ohne die eigene Lösungs- ohnehin denkbar gedämpft. Aus der SPÖ NÖ Damit ließen es die beiden Parteichefs – kompetenz hervorzuheben und, ebenso na- verlautete bereits vor dem Wahlgang, man vorerst – bewenden. Von der SPÖ gab es türlich, die des Regierungspartners zu zer- hätte ohnehin gewußt, daß gegen den lang- keine Kampfrufe, von der ÖVP keine Häme. pflücken – zum Beispiel: jährigen VP-Landeshauptmann Erwin Pröll Das hielt aber gerade so lange, bis aus der nicht viel auszurichten gewesen wäre. Das SPÖ – vor allem aus den SP-regierten Bun- Prölls »Projekt Österreich« traditionell „schwarze“ Niederösterreich blieb, desländern Salzburg und Steiermark – ver- ÖVP-Chef Josef Pröll rief, in seiner trotz aller Bemühungen, „schwarz“. mehrt Stimmen laut wurden, die einen Kurs- Eigenschaft als Finanzminister, am 14. Ok- Im Juni 2008 stellte sich für die SPÖ ein wechsel forderten, von der SP Kärnten und tober ins Foyer des Finanzministeriums, um Verlust von 10,39 Prozent der Stimmen bei der SP Vorarlberg kam der Ruf nach einem der interessierten Öffentlichkeit sein „Pro- der Landtagswahl in Tirol ein (ÖVP: -9,39). „klareren Kurs“. Die „stärkere Profilierung“, jekt Österreich“ vorzustellen. Das bedeute, Auch in Tirol konnte die ÖVP ihren Landes- die Kanzler Werner Faymann als Vorhaben es sei etwas auf dem Weg, es gebe ein Ziel hauptmann halten. Mit einem Minus von benannt hatte, um Mitgliedern und Wählern und es gebe noch viel Arbeit. „Die Her- 6,08 Prozent folgte die nächste Enttäuschung die eigenen Inhalte besser vermitteln zu kön- ausforderungen, die vor uns liegen, sind ge- bei der Nationalratswahl im September 2008 nen, war also zu wenig. Faymann erklärte waltig: Neue Technologien, die demografi- (ÖVP: -5,38); im März 2009 folgte bei der nach Oberösterreich, „zu ändern ist nichts“. sche Entwicklung, die immer stärkere inter- Landtagswahl in Kärnten einem Minus von Und er sah Oberösterreich als regionale An- nationale Vernetzung und Abhängigkeit 9,69 Prozent der nächste Verlust (ÖVP: gelegenheit: „Mich können Sie an National- sowie der Klimawandel gehören bewältigt“, +5,19). Der Verlust von 6,03 Prozent bei der ratswahlen messen. Und die nächste ist in so Pröll. Jetzt seien auch noch die Folgen der Landtagswahl in Salzburg (ÖVP: -1,4), vier Jahren.“ weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise da-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 4 Innenpolitik zugekommen. „Wie wir mit dieser schwieri- gen Situation umgehen werden, liegt aber ausschließlich an uns. Wir können sie ver- drängen und den Kopf in den Sand stecken. Oder aber: erkennen und handeln.“ Öster- reich sei ein starkes und selbstbewußtes Land. Und Pröll will, daß „wir Österreich voranbringen“. Österreich brauche eine Agenda für ein „Neues Wachstum“. „Das ist zu allererst na- türlich ein neues ökonomisches Wachstum. Es geht aber auch um eine Veränderung un- seres Selbstverständnisses, ein Wachstum unseres Selbstvertrauens, und unserer Be- reitschaft, die Aufgaben, die vor uns liegen, zu erkennen und sie entschlossen anzuge- hen.“ Und dieses „Neue Wachstum“ sei kei- ne ausschließlich wirtschaftliche Herausfor- derung, sondern habe auch weitreichende po- litische und gesellschaftliche Dimensionen. In der Außenpolitik setzt Pröll auf eine bessere Zusammenarbeit innerhalb völker- Foto: ÖVP/Jakob Glaser rechtlich etablierter Organisationen und Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll präsentiert sein »Projekt Österreich«. möchte Österreich als Standort für interna- tionale Organisationen attraktiver machen, den Ausgaben zu sparen, müßten in einer ten. Auch dieser erteilte der Forderung des wobei der Fokus auf genau jenen Wirt- Verwaltungsreform Doppelgleisigkeiten und Koalitionspartners ÖVP, die Hacklerrege- schaftsräumen liegen soll, denen alle Prog- unklare Kompetenzverteilung beseitigt wer- lung vor 2013 abzubrechen, eine klare Ab- nosen für die kommenden Jahre die größten den. Prölls langfristiges Ziel ist ein gemein- sage. „Wir brauchen in diesem Land so et- Wachstumschancen einräumen. samer Öffentlicher Dienst in Österreich. Er was wie Vertrauen und Sicherheit. Die Men- Als die wichtigsten Ziele für den werde dem Bundeskanzler daher vorschla- schen müssen wissen, daß der Nationalrats- Finanzplatz Österreich nennt Pröll: gen, nächstes Jahr eine Art Konklave zu beschluß vom September 2008, der noch da- 1. Vertrauen der Sparer und Anleger in die machen. Auf Basis der bis dahin vorliegen- zu einstimmig war, bis 2013 gilt“, so Finanzwirtschaft durch klare Regelungen den Expertenvorschläge sollten Bundes- Hundstorfer, der weiter ausführte, daß ein für Finanzdienstleistungen und eine kon- kanzler, Finanzminister, Landeshauptleute abrupter Abbruch der Hacklerregelung nicht sequente Verfolgung von Anlegescha- und die Spitzen der Verwaltung verhandeln, nur ein Vertrauensbruch, sondern auch mit densfällen zurückgewinnen. „bis weißer Rauch“ aufsteige. Es sei an der hohen Kosten verbunden wäre, da ca. die 2. Noch mehr Biß für die Finanzmarktauf- Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen, fordert Hälfte jener, die derzeit in die Langzeit- sicht in Österreich durch erweiterte Er- Pröll alle Akteure auf. versichertenregel fallen, arbeitslos werden mittlungsbefugnisse und schärfere Sank- Für heftigste Debatten nach dieser An- würden. tionsmöglichkeiten sowie die letztins- sprache sorgte wohl das Thema „Hackler- „Fakt ist, daß die Langzeitversicherten- tanzliche Bilanzaufsicht. regelung“, die Pröll angesprochen hatte. regelung bis 2013 Wirksamkeit hat“, unter- 3. „Financial Education“, das „1x1“ der Über deren erst ab 2013 vorgesehes Auslau- strich der Sozialminister, der weiter erklärte, Finanz- und Volkswirtschaft, als mittel- fen sollte man, so Pröll, schon vorher nach- daß er bis Jahresende einen Vorschlag prä- fristiger Bestandteil jeder schulischen denken – schließlich koste sie jetzt schon sentieren werde, „wie es nach 2013 weiter- Ausbildung und 700 Mio. Euro im Jahr, Geld, das man besser geht“. So wie im Regierungsprogramm vor- 4. neue Wege zum Schutz von Kundengel- etwa in der Bildung einsetzen könnte. gesehen, werde die Hacklerregelung danach dern, um für mögliche künftige Banken- auslaufen. „Es wird hier aber kein abruptes krisen organisatorisch gerüstet zu sein. Faymann: Nicht mit mir Auslaufen geben“, so Hundstorfer, der sich Bundeskanzler Werner Faymann nahm an zuversichtlich zeigte, daß man sich mit dem Als weitere wichtige Themen erläuterte Pröll dem Vortrag Prölls im Finanzministerium Koalitionspartner rasch über die Etappen und die Leitlinie der Bildungspolitik (Eignung, nicht teil, er hatte für diesen Vormittag eine Schritte des Auslaufens einigen werde. Neigung, Leistung), seinen Wunsch nach 70 SP-Bundesvorstandssitzung einberufen. In FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache Millionen Euro für Forschung und Entwick- einem kurzen Pressegespräch danach bekräf- erklärte zu Prölls Rede, dieser setze seine lung, eine Gesundheitsfinanzierung aus tigte er einmal mehr seine Position zum The- Ankündigungspolitik fort, der große visio- einem Topf, die Sicherung des Pensions- ma „Hacklerregelung“ bis 2013. Mit der näre Entwurf fehle völlig, und seiner Aus- systems und warum er an keine Einführung SPÖ wird es keine Verkürzung der Hackler- sage, daß er keine neuen Steuern wolle, kön- neuer Steuern, aber an ein „Sozialkonto für regelung geben. Ich stehe zu meinem Wort.“ ne man erfahrungsbedingt kaum Glauben jeden“ denke. Schließlich kündigte er ein Sozialminister Rudolf Hundstorfer werde schenken. Die Ankündigung eines „Kon- Konklave zur Verwaltungsreform an. Um bei eine Pensionslösung für nach 2013 erarbei- klaves“ zeige zudem, daß in der Bundesre-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 5 Innenpolitik gierung offenbar eklatanter Kommunika- der Beantwortung eines Dringlichen Antrags Die Zahl der „Baustellen“, deren Abar- tionsmangel herrsche. zur Umsetzung eines Transferkontos von beitung eine sehr deutliche Abgrenzung zum BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher BZÖ-Obmann Bucher im Nationalrat. „Was mitregierenden Gegenüber zulassen, ja ge- sieht „nichts als schwarzen Rauch. Prölls alles zu den zu dokumentierenden Transfer- radezu herausfordern, ist groß. Ebenso groß Bauplan für sein ,Projekt Österreich‘ fehlt leistungen gehört und wie ein solches Konto wie die Notwendigkeit vor allem für die So- gänzlich das visionäre Feuer“. Für fast ein genau aussehen soll, wurde nicht definiert, zialdemokraten, nach den Einbußen bei den Jahr als Finanzminister seien die Lösungs- hier wurde um den heißen Brei geredet. Der zurückliegenden Wahlen „Ecken und Kan- ansätze sehr dürftig. Bucher: „Der ,Schulden- Grund liegt auf der Hand: Es soll ein ten“ zu zeigen, wie es nicht nur von der Ba- vize‘ beklagt sich hier über seine eigene Neidkonto werden und eine Neiddebatte ent- sis seit geraumer Zeit erwartet wird. Und die schwache Leistung.“ Zudem sei es mehr als fachen“, so Faymann. Zeit drängt, denn im kommenden Jahr ste- fraglich, ob die zer- hen drei heikle Termi- strittene Koalition sich ne bevor: die Land- auch nur zu kleinen tagswahlen in der Stei- „Reförmchen“ durch- ermark, im Burgen- ringen könne. land und in Wien. Die Harald Walser, Bil- turnusmäßige Bun- dungssprecher der Grü- despräsidentenwahl, nen, zeigt sich ent- die ebenfalls 2010 auf täuscht. Im Bildungs- dem Kalender steht, bereich sei Prölls Re- wird ja nicht vorran- de von Biederkeit und gig als parteipolitisch altbekannten Stand- gesehen, denn Heinz punkten gekennzeich- Fischer, der amtieren- net gewesen, „er hat de Bundespräsident, damit nur bei der bil- ist zwar aus der SPÖ dungspolitischen Be- gekommen, gilt aber tonfraktion seiner Par- nicht als SPÖ-Kandi- tei punkten können“. dat, sondern wird von „Von den dringend dort nur unterstützt, notwendigen Reform- Die »Hacklerregelung« wurde nicht nur für Schwerstarbeiter erfunden, sondern wenn er sich zu einem für all jene Frauen, die 40 Jahre, und Männer, die 45 Jahre gearbeitet haben. schritten hin zu einem neuerlichen Antreten modernen Schulsystem ist nichts zu er- „Die Wirtschaftskrise und ihre Folgen entscheiden sollte – was als so gut wie sicher kennen, die Forderung nach Erhalt der Viel- verursachen Kosten und belasten den öf- scheint. Ob die ÖVP einen Gegenkandidaten falt im Schulsystem gleicht einer gefähr- fentlichen Haushalt. Es kommt aber nicht in positionieren wird, ist noch nicht entschie- lichen Drohung“, zumal Österreich der in- Frage, daß wir die Arbeitnehmerinnen und den. Mit zahlreichen Namen wurde bereits ternationalen Entwicklung seit Jahren hin- Arbeitnehmer oder die Schwächsten in unse- spekuliert, es gab – fast – ebensoviele Ab- terherhinke. rer Gesellschaft zur Kasse bitten, sie werden sagen (wie, zum Beispiel, von NÖ Landes- diese Rechnung nicht bezahlen“, so der hauptmann Erwin Pröll oder Wirtschafts- »Transferkonto« Bundeskanzler. Die geeigneten Maßnahmen kammer-Präsident Christoph Leitl). Die In einem Interview mit der Tageszeitung zur Begleichung dieser Kosten seien unter Wahrscheinlichkeit, daß die ÖVP einen „bür- „Wirtschaftsblatt“ erklärte Finanzminister anderem die Verwaltungsreform, die drei gerlichen Kandidaten“ gemeinsam mit der Josef Pröll, warum seine Idee eines Trans- Milliarden Euro einbringe, außerdem wirt- FPÖ und dem BZÖ unterstützen könnte, ist ferkontos notwendig sei, um mehr Transpa- schaftliches Wachstum durch Konjunktur- praktisch auszuschließen. Aus dem BZÖ war renz und Gerechtigkeit zu schaffen. „Es förderung, und – auf europäischer Ebene – zu vernehmen, man könne sich Claudia braucht Transparenz, Gerechtigkeit, eine auch eine Europäische Finanztransaktions- Haider, Witwe nach dem vor einem Jahr ver- klare Übersicht der öffentlichen Transfer- steuer und das Ende der Spekulationsfrist bei unglückten Kärntner Landeshauptmann Jörg zahlungen an alle – quer über die Gebiets- Aktiengeschäften. „Ein Transferkonto hin- Haider, als Kandidatin für das höchste Amt körperschaften, Bund und Länder hinweg.“ gegen wäre ein schlechter Beitrag, denn alle im Lande vorstellen. Diese Überlegungen Es gehe darum, klare statistische Daten zu Zuschüsse, Beihilfen und Kulturförderungen tauchen, vor allem im Boulevard, wohl noch erhalten, um endlich ein aussagekräftiges zu dokumentieren und zu verwalten stünde die nächsten Wochen auf – eben, bis sich Bild über die Verteilung in Österreich zu er- einer Verwaltungsvereinfachung entgegen“, Fischer entschieden hat. Und das sollte nicht halten. Es gehe nicht darum, diese Daten kritisierte Faymann auch den Kostenfaktor mehr lange auf sich warten lassen. öffentlich zugänglich zu machen. eines Transferkontos. „Die Sozialdemokratie Bleibt eigentlich nur mehr anzumerken, Bundeskanzler Werner Faymann reagier- setzt sich für Steuergerechtigkeit ein. Wer daß sich heimische Medien nun beschweren, te auf Prölls Vorstellungen, ein Transferkon- den konsequenten Abbau von Sozialleistun- daß die Regierung nicht so viel streiten, son- to einzurichten, „heißt, ein Neidkonto einzu- gen vorantreibt, hat mit unserer entschiede- dern – angesichts der vielen großen Proble- richten. „Doch wir setzen uns gegen eine nen Gegnerschaft zu rechnen“, fand der me des Landes – lieber zusammenarbeiten Neiddebatte und gegen jede Art von Sozial- Bundeskanzler mehr als deutliche Worte in sollte. Es herrscht, so scheint’s, doch wieder

Foto: http://www.bilderbox.biz abbau zur Wehr“, sagte Faymann zuletzt in Richtung ÖVP. Nachfrage nach dem „Kuschelkurs“.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 6 Innenpolitik Nationalrat beschließt weitere Verschärfung des Fremdenrechts Gegenstände der Debatte waren das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 und eine Vorlage zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.

m 21. Oktober wurde nach eingehender Verfolgung, Verstümmelung und Mord – rechtskräftiges Verfahren im Asylbereich ADebatte im Hohen Haus über die Regie- wovor Menschen in anderen Ländern flüch- durch alle Instanzen beschieden bekom- rungsvorlagen zur Verschärfung des Frem- ten – seien in Österreich kaum vorstellbar. men haben. denrechts abgestimmt – und sie wurden mit Dennoch sei es eine Realität, die von der ös- Für minderjährige Flüchtlinge braucht es der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ange- terreichischen Bundesregierung ein Höchst- besonderen Schutz. Es sei aber nicht ge- nommen. „Wenn die Grünen klagen, alles maß an Verantwortung verlange. Daher sei rechtfertigt, daß immer mehr Personen wäre zu restriktiv und zu streng und die FPÖ ein geordnetes Fremdenrecht human und falsche Angaben über ihr Alter machen. und BZÖ klagen, alles sei zu wenig streng, gerecht. Fekter: „Politischer Populismus auf Daher gebe es auch die Möglichkeit, eine dann weiß ich mich Röntgenuntersuchung auf dem richtigen Weg, zur Altersfeststellung nämlich ausgewogen, zu machen. rechtsstaatlich und für Wer ein Verwandt- die Sicherheit in Ös- schaftsverhältnis terreich arbeitend“, er- nicht gesichert durch klärte Innenministerin Dokumente belegen Maria Fekter bei der kann, soll die Mög- Debatte im Plenum lichkeit haben, dies des Nationalrates. mit einer DNA-Ana- „Seit Jänner haben lyse zu tun. die österreichischen Wer von unserer Asylbehörden 16 Pro- Rechtsordnung zent der Asylverfah- Schutz erwartet, muß ren positiv erledigt. sie auch einhalten, Beim Rest – immerhin verwies Fekter auf be- über 12.100 Fälle – schleunigte Verfahren lagen gar keine Asyl- für Straffällige. gründe vor. 1169 neu- erliche Asylanträge wurden abgewiesen. Sie dem Rücken von Verfolgten ist verwerflich“, Drei Grundsätze sind für Fekter als Kon- waren als Folgeanträge nicht zulässig. Und so die Ministerin. Die Ministerin nannte ihre sens außer Streit zu stellen: seit Jahresbeginn wurden 1178 Personen in Eckpunkte für ein geordnetes Fremdenrecht: Das Recht auf Asyl ist unantastbar, ein anderes EU-Land überstellt, weil Öster- Wer bei uns Schutz sucht und nachweis- Asylmißbrauch müssen wir effizient reich nicht für das Asylverfahren zuständig lich verfolgt ist, erhält diesen Schutz. bekämpfen und war. Wer bei uns arbeiten will, muß sich aber die Gesetze, die das Hohe Haus be- Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass um eine Arbeitserlaubnis und Aufent- schließt, müssen auch vollzogen werden. die überwiegenden Verfahren, die wir ab- haltsbewilligung kümmern. Das hat mit Wer nicht hier bleiben kann und darf, wickeln, für Personen gemacht werden, die dem Asylrecht aber rein gar nichts zu tun. muß in sein Herkunftsland zurück. nicht hier bleiben können. Daher ist es not- Die Asylwerber müssen selbst mitwirken, wendig, diese Verfahren rascher und effi- um rasche Entscheidungen zu erreichen. Österreich habe eine große humanitäre Ver- zienter zu gestalten. Es ist ein Faktum, daß Damit sie sich nicht ungerechtfertigt dem antwortung, „und dafür werde ich immer ein- unsere finanziellen Kapazitäten durch Asyl- Asylverfahren entziehen, sind bereits in treten“. Daher biete nur ein geordnetes Frem- mißbrauch erheblich in Mitleidenschaft gezo- der ersten Phase des Verfahrens Melde- denrecht raschen und effizienten Schutz für gen werden“, so Fekter weiter. „Wir müssen verpflichtungen nötig. Verfolgte und garantiere Sicherheit für Ös- die Hintertür für Schlepper und Kriminelle Auch der Trick, immer neue Asylanträge terreich. Es mache den Markt für Menschen- schließen, damit wir die Vordertür für ver- zu stellen, um die Abschiebung zu verei- handel und Schlepperei unattraktiv. „Nur ein folgte und bedrohte Flüchtlinge offen hal- teln, muß abgestellt werden. Niemand geordnetes Fremdenrecht macht Österreich ten.“ Ihr Ziel sei, Österreich zum sichersten darf sich dem Vollzug der Gesetze entzie- sicherer, und wer sich dagegen entscheidet, Land der Welt mit der höchsten Lebensqua- hen. Über einen Folgeantrag kann künftig leistet Vorschub für Mißbrauch und Schlep- lität zu machen. Mit einem geordneten Frem- auch trotz Abschiebung entschieden wer- perei“, appellierte Fekter an die Abgeordne-

Foto: ÖVP / Jakob Glaser denrecht werde Sicherheit gestaltet. den, weil diese Personen bereits ein ten, ihren Beitrag dafür zu leisten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 7 Innenpolitik

Pendl: Raschere Verfahren stimmungen, die noch dazu kaum politi- Nötigung erst beim zweiten Mal als straffäl- und Mißbrauch abschaffen schen Weitblick zeigen und auch nicht ge- lig gelten, hieße das: „Ein Schuß ist frei“. Otto Pendl, Sicherheitssprecher der SPÖ, eignet sind, die Menschen in unserem Land Bei rechtskräftig Verurteilten sei deren An- warnte davor, heikle Gesetzesmaterien wie endlich vor ungezügeltem Asylmißbrauch trag verspielt und seien daher abzuschieben. die Asyl- und Fremdenrechtsnovelle zu miß- und permanente Missachtung des Fremden- Dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet sei brauchen, um Menschen zu verunsichern. Er rechtes tatsächlich und nachhaltig zu schüt- durch das Fehlen von Fingerabdrücken auf kritisierte vor allem die destruktive Haltung zen“, so Herbert weiter. Identitätskarten für Fremde und Karten für der Oppositionsparteien. Generelles Krimi- Darüberhinaus sei auch die Exekutive Geduldete – während sie in Pässen ohne wei- nalisieren aller AsylwerberInnen sei ver- einmal mehr von dieser Bundesregierung im teres vorgesehen seien. Westenthaler: „Was werflich: „Alle Menschen, die gerechtfertigt Stich gelassen worden: „Mit der Bagatelli- Sie mit diesen Gesetzen machen, ist eine Auf- um Asyl ansuchen, haben es, werden es und sierung von Strafbestimmungen in diesem enthaltsverfestigung für Fremde!“ Schließ- sollen es auch bekommen. Alle, die jedoch Fremdenrechtsänderungsgesetz – so ist bei- lich sei auch grundsätzlich jeder Folgeantrag versuchen, unser Asylrecht zu umgehen, wer- spielweise die Schlepperei oder auch die im Verdacht, daß er eingebracht wurde, um den im Gesetzesvorschlag auch berücksich- Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt im Bun- zu verzögern. „Irgendwann ist es aber aus, tigt. Wir wollen Mißbrauch ausschalten und desgebiet nunmehr nur noch eine Verwal- deshalb sind Folgeanträge abzuschaffen.“ Maßnahmen setzen, damit wir zu raschen tungsübertretung – und den schon erwähnten Verfahren kommen.“ komplizierten und unpraktikablen Gesetzes- Korun: Weiter scharfe Asyl sei eine „Frage der Gerechtigkeit, der bestimmungen sind der Exekutive auch Kritik an Novelle Grundwerte, der europäischen Rechte, der weiterhin alle Möglichkeiten genommen, Grüne, Vertreter der Zivilgesellschaft Menschenrechte, aber auch unseres Rechts- gegen die offenkundigen Mißstände im sowie der Ökumenische Rat der Kirchen ha- staates“, machte Pendl deutlich. Und weiter: Fremden- und Asylbereich effizient und wir- ben einmal mehr Kritik an der geplanten „Ich lade Sie ein, die Frage einer zusätz- kungsvoll vorgehen zu können“, so Herbert Verschärfung des Fremdenrechts geübt. Die lichen Erstaufnahmestelle, eines Schubkom- abschließend. Grüne Nationalratsabgeordnete Alev Korun petenzzentrums und faire Quotenaufteilun- sprach bei einer Pressekonferenz von „Miß- gen aller Bundesländer zu diskutieren. Westenthaler: Zum Schutz der Bevölke- brauch der Politik und des Parlamenta- Außer Wien, Niederösterreich und Ober- rung Grenzkontrollen wieder einführen rismus“, der Schriftsteller Robert Menasse österreich erfüllt leider niemand die Aufnah- BZÖ-Sicherheitssprecher Peter Westen- warnte vor einer „radikalen Entsolidarisie- mequoten bei Asylwerbern.“ thaler erklärte in seinem Debattenbeitrag, rung der Gesellschaft“. Der Ökumenische Pendl nutzte die Gelegenheit, um sich bei „zwei Drittel der Österreicher haben Sorge, Rat zeigte sich in einer Aussendung „äußert allen am Gesetzesentwurf beteiligten Exper- weil für sie die Grenzöffnung ein Grund für besorgt“ über negative Entwicklungen im ten sowie bei der Exekutive für ihre hervor- die Kriminalitätszunahme ist“. Mittlerweile Asyl- und Menschenrechtsbereich. ragende Arbeit zu bedanken. seien auch die Landeshauptleute Pröll (NÖ, Wenn Verschärfungen des Fremdenrechts Anm.) und Niessl (Bgld., Anm.) dieser Mei- Probleme lösen würden, „hätten wir längst Herbert: Mißstände im Fremden- nung. „Das können Sie nicht wegdiskutieren keine mehr“, so Korun und verwies auf ver- und Asylbereich prolongiert Frau Minister“, wandte sich Westenthaler an gangene Gesetzesänderungen. Das Gegenteil Werner Herbert, Mitglied des Innenaus- Innenministerin Fekter. „Um den Sorgen der sei aber der Fall, da die Regierung nun „sehen- schusses und freiheitlicher Bereichsprecher Österreicher Rechnung zu tragen“, brachte den Auges eine Gruppe ohne Rechte schafft“. für den Öffentlichen Dienst, stellte in seinem Westenthaler einen Entschließungsantrag Sowohl ein Anstieg bei Schubhäftlingen als Debattenbeitrag im Hohen Haus fest, „die ein, wonach „zum Schutz der Bevölkerung auch das Ende der Einbürgerungen in Öster- hohen Erwartungshaltungen, die nach den die Grenzkontrollen wieder einzuführen reich bezeichnete sie als Folge der Geset- Vorfällen im Flüchtlingslager Traiskirchen sind.“ zesänderung. Schubhaft werde nur auf Basis samt der Forderung nach raschen Verfahren „Es ist hoch an der Zeit, ein klares Signal „ethnischer und rassischer Gründe“ ver- und der rigorosen Durchsetzung von Ab- gegen die Kriminalität zu setzen“, forderte hängt, ergänzte Menasse, der das als „blan- schiebungen von Personen die sich wider- Westenthaler. Er kritisierte, daß die Asyl- ken Faschismus“ bezeichnet. rechtlich im Bundesgebiet aufhalten im Vor- rechtsnovellen nichts gebracht hätten. In den Der Obmann von „Asyl in Not“, Michael feld mit dieser Regierungsvorlage in der Be- Jahren 2001 bis 2007 – „während unserer Genner, kritisierte auch die Streichung der völkerung und auch der Polizei erzeugt wur- Regierungsbeteiligung“ – sei die Zahl der Subventionen für unabhängige Beratungsstel- den, sind einmal mehr nicht erfüllt worden.“ Asylanträge von 30.000 auf 10.000 pro Jahr len für Schubhäftlinge. Nachdem sich die erst im März dieses zurückgegangen als Folge der strengen Zu- Patrick Topoke, der als Vertreter der Be- Jahres im Nationalrat beschlossen Fremden- wanderungsbestimmungen. In nur einem Jahr troffenen an der Pressekonferenz teilnahm, rechtsänderungen als unpraktikabel und der Großen Koalition sei die Zahl wieder um attestierte den Taktiken der Regierung „ras- uneffizient erwiesen hätten, sei zu Recht 33 Prozent gestiegen. „Wir sind bereits das sistische Züge“. Durch immer neue Gesetze großer Handlungsbedarf im Fremden- und fünftattraktivste Land in Europa für Asy- werde es den Betroffenen erschwert, sich zu Asylrecht gegeben gewesen. „Wenn man sich lanten“, so Westenthaler. Als „Hohn gegen- orientieren und zu integrieren. Österreich aber anschaut, was bei dieser nun in Rede über einem Rechtsstaat“ bezeichnete er das sieht Topoke als multikulturell, nur werde stehenden Regierungsvorlage herausgekom- Differenzieren zwischen Verfahren an Lan- das von der Regierung nicht erkannt. Extre- men ist, dann ist das wahrlich nicht viel und des- und Bezirksgerichten und deren Aus- me Vorwürfe kamen auch vom Kulturrat eine Prolongierung komplizierter und daher wirkung auf das Asylverfahren. Wenn De- Österreich: „Rechtsextreme Forderungen von schwer zu vollziehender gesetzlicher Be- likte wie Diebstahl, Körperverletzung und gestern sind heute Regierungsprogramm“.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 8 Innenpolitik Vollversammlung des Öster- reichischen Seniorenrates Im Rahmen der Vollversammlung des Österreichischen Seniorenrates am 8. Oktober im Parlament wurde ein Leitantrag zur Beschlußfassung vorgelegt.

er Österreichische Seniorenrat, die ge- Dsetzliche Interessenvertretung der älte- ren Generation, sieht als Hauptziel seiner Ar- beit eine vollständige und gleichberechtigte Teilhabe der Seniorinnen und Senioren am gesamten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen in Österreich.

Stellung der Seniorinnen und Senioren in der Gesellschaft Die Seniorinnen und Senioren in Öster- reich sind politisch und gesellschaftlich sehr aktiv und bilden einen wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft. Um eine völlig gleich- berechtigte Teilhabe mit allen anderen Be- völkerungsgruppen sicherzustellen, verlangt der Österreichische Seniorenrat insbesonde- re die Umsetzung folgender Maßnahmen: Uneingeschränkte Akzeptanz des Öster- reichischen Seniorenrates als 5. Sozial-

partner durch alle Verantwortungsträger Alle Fotos: Parlament / Carina Ott der österreichischen Politik, insbesondere Andreas Khol, Präsident des Österreichischen Seniorenbundes, Bundespräsident durch gleichberechtigte Beteiligung an Heinz Fischer und Karl Blecha, Präsident des Österreichischen Pensionistenver- sämtlichen Sozialpartnergesprächen in bandes vor dem Parlament (v.l.) seniorenrelevanten Bereichen. sowie Förderung des uneingeschränkten dieses PIPH an Stelle des Verbraucherpreis- Volle Mitbestimmung der Seniorinnen und Zugangs der älteren Generation zur mo- index (VPI) dar. Senioren auf allen Entscheidungsebenen dernen Informationstechnologie, um eine Der Österreichische Seniorenrat vertritt (Bund, Land, Gemeinden, Sozialversi- Diskriminierung der Seniorinnen und mit diesem legitimen Ziel keine unfinanzier- cherung, etc.). Senioren zu verhindern. bare Forderung, sondern arbeitet konsequent Einführung der bei der letzten EU-Wahl für die Sicherung der Lebensgrundlage der bewährten Vereinfachungen im Bereich Werterhaltung der Pensionen mehr als 2 Millionen Pensionsbezieher und der Briefwahl auf allen Ebenen. Die materielle Absicherung im Alter ist ist sich seiner Verantwortung gegenüber fol- Verankerung des Diskriminierungsver- Voraussetzung für alle Arten der sozialen genden Generationen vollkommen bewußt. botes auf Grund des Alters in der Ver- Teilhabe und für die Autonomie des Men- Die Wertsicherung der Pensionen ist fassung sowie Grundrecht auf Alterssi- schen. Sie ist überdies eine Grundvoraus- überdies die Grundlage des Vertrauens auch cherung einschließlich der Werterhaltung setzung für eine demokratische Gesellschaft. künftiger Generationen in unser hochwerti- bestehender Pensionen. Das geltende Regierungsübereinkommen ges Pensionssystem, das sich seit vielen Jahr- Ausbau und Förderung des Dialoges der hat die Werterhaltung der Pensionen zugesi- zehnten bewährt hat und bewiesenermaßen Generationen zur Stärkung der Genera- chert. Diese Werterhaltung kann nur die die sicherste Form der Alterssicherung der tionensolidarität. Anwendung des von der Statistik Austria un- heute Jungen darstellen wird. Die langfristi- Ausgewogene und dem tatsächlichen abhängig ermittelten Preisindex für Pen- ge Finanzierung steht auf sicheren Beinen Bild der Seniorinnen und Senioren ent- sionistenhaushalte (PIPH) gewährleisten, und die Staatszuschüsse sind gemessen am sprechende Berichterstattung der Me- der bereits Richtschnur für die Verhandlun- BIP in den letzten Jahren gesunken. Die dien. gen der Pensionsanpassungen der letzten nachhaltige Sicherstellung der Finanzie- Verstärkte staatliche Anerkennung und Jahre war. rungsgrundlagen der gesetzlichen Pensions- Unterstützung der Freiwilligenarbeit von Eines der vorrangigen Anliegen des versicherung soll die Einführung wertschöp- Seniorinnen und Senioren. Österreichischen Seniorenrates stellt daher fungsbezogener Elemente für die Bemes- Förderung der Mobilität der Seniorinnen die gesetzliche Verankerung der jährlichen sung des Dienstgeberbeitrages zur Pensions- und Senioren in allen Lebensbereichen Anpassung der Pensionen auf der Grundlage versicherung gewährleisten. Eine aktive

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Bundespräsident Heinz Fischer am Rednerpult, auf der Regierungsbank Vertreter des Österreichischen Seniorenrates und auf den Abgeordnetenplätzen Seniorenvetreter und geladene Fachleute. Arbeitsmarktpolitik um die Erwerbsquote Bereich der Mindestsicherung hat eine An- langfristig ausgeglichenen Gebarung sowie älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- passung der Richtsätze für Ausgleichszula- die schrittweise Entschuldung der sozialen mer zu erhöhen, wird unterstützt. genbezieher über die jeweilige Armutsgefähr- Krankenversicherungsträger. Zur Finanzie- Der Österreichische Seniorenrat weist dungsschwelle zu erfolgen sowie wird ein rung unseres Gesundheitswesens tritt der auch darauf hin, daß ein finanzieller Transfer bundeseinheitlicher Heizkostenzuschusses Österreichische Seniorenrat, neben dem nicht nur von der jüngeren Generation zur in Höhe von 250 Euro für die Bezieher von Ausschöpfen noch vorhandener Sparpoten- älteren, sondern in gewaltigem Ausmaß auch kleineren Pensionen gefordert, wobei län- tiale dafür ein, nicht nur Löhne und in umgekehrter Richtung erfolgt. Neben dem derspezifisch bessere Regelungen bestehen Gehälter, sondern auch wertschöpfungsbe- Vererben von Gütern tragen die Seniorinnen bleiben müssen. zogene Elemente sowie Erträge aus Kapital und Senioren auch durch Unterstützung in zur Beitragsbemessung heranzuziehen. materieller (z.B. Schenkungen) und immate- Gesundheitswesen Die Garantie des Leistungsniveaus in der rieller Weise (z.B. Betreuung von Enkel- Der Österreichische Seniorenrat tritt für medizinischen Versorgung ohne Altersbe- kindern) zur Hebung des Wohlstandes und einen uneingeschränkten und gleichen Zu- schränkung und die Verbesserungen in der der Lebensqualität der Jüngeren bei. gang zum Gesundheitswesen für alle Ver- Qualitätsorientierung werden ebenso be- Finanzielle Absicherung im Alter setzt sicherten – unabhängig vom Alter und Ein- grüßt, wobei die Kosten für die Versicherten überdies eine ausreichende Lebensstandard- kommen – ein und unterstützt die im Zusam- stabil bleiben müssen und es zu keinen Bei- sicherung der Witwe/des Witwers sowie des menhang mit der Gesundheitsreform durch tragserhöhungen oder neuen Selbstbehalten zu Hause bleibenden Ehegatten voraus, den Hauptverband der Sozialversicherungs- kommen darf. Eine Zwei-Klassen-Medizin, wenn der andere ins Pflegeheim muß. Im träger genannten Ziele der Sicherstellung der wie sie in anderen Ländern leider schon

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am Rednerpult; auf der Regierungsbank haben Andreas Khol, Präsident des Öster- reichischen Seniorenbundes, und Karl Blecha, Präsident des Österreichischen Pensionistenverbandes, platzgenommen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 10 Innenpolitik praktiziert wird, muß unter allen Umständen gehörige umgesetzt wurde. Die beitragsfreie Pensionssicherungsbeiträgen für Beamte verhindert werden. Mitversicherung sowie die gänzliche Über- und weitere Berufsgruppen ihren Sinn verlo- Einsparungsmöglichkeiten im Heilmittel- nahme der Pensionsbeiträge durch den Bund ren haben und nicht weiter aufrecht erhalten bereich ohne Verschlechterung der Behand- ab der Pflegestufe 3 des zu pflegenden An- werden dürfen. lungsqualität durch den Einsatz von kosten- gehörigen leisten einen wertvollen Beitrag Überdies ergeben sich gegen die Rege- günstigeren wirkstoffgleichen oder wirkstoff- für die Pflege in den eigenen vier Wänden. lungen verfassungsrechtliche Bedenken, ins- ähnlichen Arzneispezialitäten werden von der Offen bleibt aber die Frage der Einrich- besondere bei Neupensionisten, deren Pen- älteren Bevölkerung angenommen, wenn dies tung eines Pflegefonds. Der Seniorenrat sion nicht unter die Regelung der früheren mit einer entsprechenden Aufklärungsarbeit spricht sich dafür aus, daß die Finanzierung Pensionsautomatik gefallen und bei deren einhergeht. Im Bereich der Prävention und von Pflege und Betreuung nicht über die Bemessung bereits die Verlängerung der der Gesundheitsförderung sieht der Österrei- Belastung des Faktors Arbeit, sondern aus Bemessungszeit zum Tragen gekommen ist. chische Seniorenrat darüber hinaus langfri- Steuermitteln erfolgen soll. Ein Sozialversi- Der Österreichische Seniorenrat fordert stig erhebliche Einsparungsmöglichkeiten. cherungsmodell mit Beiträgen wird in die- daher – gedeckelt bis zu 75 Prozent der Maßnahmen zur Hebung der Senioren- sem Zusammenhang daher abgelehnt. Die Höchstbeitragsgrundlage – die Streichung des sicherheit, mit dem Ziel der Reduzierung Pflegevorsorge ist aus der Sozialhilfe her- § 13a Pensionsgesetz und der Regelungen von Seniorenunfällen sowie Bewußtseinsbil- auszulösen, die steuerliche Finanzierung betreffend den Pensionssicherungsbeitrag dung durch Information der älteren Men- sollte über zweckgebundene Steuereinnah- anderer Berufsgruppen, beispielsweise der schen über die Gefahren des täglichen Le- men zur Sicherung eines erstklassigen Pfle- Post-, Bahn-, oder Landesbediensteten. bens dienen nicht nur dem Wohl der älteren gesystems erfolgen. Die Arbeiten der – im Regierungspro- Generation sondern ersparen der Allgemein- Zur Zielerreichung einer möglichst lan- gramm vorgesehenen – Arbeitsgruppe zum heit enorme Folge- und Behandlungskosten. gen Betreuung zu Hause ist ausreichendes Thema „Pensionssicherungsbeitrag für nie- Pflegegeld eine weitere wesentliche Voraus- drige Versorgungsleistungen“ sind unter Steuerliche Gleichbehandlung setzung. Der Österreichische Seniorenrat Einbeziehung der Sozialpartner, somit auch Seitens des Österreichischen Senioren- fordert daher eine jährliche automatische des Österreichischen Seniorenrates, umge- rates wird die grundsätzliche steuerliche Valorisierung des Pflegegeldes an die stei- hend aufzunehmen. Beitragsfreie Mitversi- Gleichbehandlung von Pensionsbeziehern genden Pflegekosten sowie die Beschleuni- cherung für kinderlose Ehepartner. Derzeit und sonstigen Lohnsteuerpflichtigen bzw. gung und Vereinheitlichung des Pflegegeld- muß für die Krankenversicherung des kin- Aktiven eingefordert und nachfolgende Vor- verfahrens. Damit jene nicht bestraft wer- derlosen Ehepartners ein Zusatzbeitrag von schläge eingebracht: den, die sich einen gewissen Lebensstandard 3,4 Prozent durch den Versicherten bezahlt Einführung einer weiteren Steuerstufe erarbeitet haben und im Alter Pflege und werden. Dies bedeutet gerade für Pensio- mit 20 Prozent für die ersten 200 bis 300 Betreuung benötigen, wird der Wegfall des nisten eine erhebliche Belastung, die über- steuerpflichtigen Euro sowie eine Ver- Zugriffs auf das Eigenheim und die Woh- dies als ungerecht empfunden wird. breiterung der Tarifstufen. nung im Pflege- und Betreuungsfall, der Die Wiedereinführung der beitragsfreien Gleichbehandlung von Pensionistenab- Wegfall des Regresses bei Vermögensüber- Mitversicherung für kinderlose Ehepartner setzbetrag und Arbeitnehmerabsetzbetrag gabe an Kinder und Kindeskinder vor Heim- würde für rund 20.000 beitragszahlende samt Verkehrsabsetzbetrag durch Wegfall unterbringung und die österreichweite Anhe- Pensionisten, eine deutliche finanzielle Ent- der Einschleifregelung. bung des Schonvermögens verlangt. lastung bedeuten. Nach Auskunft des Gleichstellung der Pensionisten mit Arbeit- Hauptverbandes betrugen die Einnahmen in nehmern hinsichtlich der Negativsteuer. Anhebung des Grenzbetrages der gesetzlichen Sozialversicherung daraus bei der Pensionsanpassung Anhebung und Valorisierung der pau- für 2008 ca. 13,5 Millionen Euro. schalierten Freibeträge (Außergewöhn- Mit der (per 1. November 2008 in Kraft Die politisch Verantwortlichen werden liche Belastungen) wegen Behinderung getretenen) Anpassung für 2009 konnte aufgefordert, die gesetzlichen Änderungen bzw. Krankheitendiätverpflegung. erreicht werden, daß der „Deckel“ der Pen- baldmöglichst vorzunehmen. Um zusätzli- Anerkennung der Pflegekosten als Aus- sionsanpassung von 55 Prozent der Höchst- che Belastungen der sozialen Krankenver- sergewöhnliche Belastungen durch Weg- beitragsgrundlage auf 60 Prozent angehoben sicherung zu vermeiden, muß diese Maß- fall des Selbstbehaltes. wurde und somit Pensionen bis zu 2412 Euro nahme vollständig finanziell abgegolten Anpassung bzw. Erhöhung weiterer Ab- die volle Abgeltung der Preissteigerungen werden. setzbeträge und der Sonderausgaben. erhalten haben. Ein großer Teil der mittleren Streichung der Umsatzsteuer auf rezept- bis höheren Pensionen hat von dieser Rege- Sofortmaßnahmen für pflichtige Medikamente. lung profitiert, dennoch wird eine weitere Pensionskassen-Pensionisten Steuerliche Absetzbarkeit der Spenden Anhebung des Deckels auf 75 Prozent der Mit Bedauern muß der Österreichische auch an Hilfs- und Seniorenorganisa- Höchstbeitragsgrundlage (somit auf dzt. Seniorenrat feststellen, daß in der laufenden tionen durch Ausweitung der Liste der 3015 Euro) im Sinne der Gleichbehandlung Diskussion zur Optimierung des Pensions- begünstigten Empfänger. als notwendig angesehen. kassensystems die bereits geschädigten Pensionskassen-Leistungsberechtigten nahe- Finanzierung der Pflege Abschaffung des Pensions- zu unbeachtet bleiben. Seit dem Jahr 2000 Der Österreichische Seniorenrat freut sicherungsbeitrages haben diese rund 60.000 Bezieher Verluste sich, daß die langjährige Forderung nach bes- Alle Seniorenorganisationen vertreten die von bis zu 45 Prozent bei ihrer Zusatzpen- serer sozialer Absicherung für pflegende An- Auffassung, daß die Bestimmungen zu sion hinnehmen müssen.

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Der Österreichische Seniorenrat fordert für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Zweitens wollte er auch gegenüber Karl daher, daß die Politik ihre Mitverantwortung die Arbeiten zur Erstellung des im Bundes- Blecha und Andreas Khol ein Zeichen der an der derzeitigen Pensionskassenproble- Seniorengesetz vorgesehenen Seniorenpla- Verbundenheit setzen, beide seien für ihn der matik auch verstärkt für die Gruppe der Pen- nes aufgenommen hat, und verleiht der Hoff- Beweis, daß man eine politische Gesinnung sionskassen-Pensionisten wahrnimmt und ef- nung Ausdruck, daß dieser Grundlagen für haben und sich dennoch mit ganzer Kraft fektive Sofortmaßnahmen wie die Einführung ein besseres Verständnis der Anliegen der dem gemeinsamen Ganzen verpflichtet füh- eines Abfindungssteuermodells umsetzt, wo- älteren Menschen in Österreich darstellt. len könne. „Ich habe gefestigte, politische, mit unter definierten Rahmenbedingungen http://www.seniorenrat.at demokratische Prinzipien, die auf dem euro- die Steuerfreistellung der künftigen Renten- päischen Menschenbild beruhen, immer leistungen durch eine einmalige pauschale Bundespräsident Heinz Fischer höher geschätzt als politische Beliebigkeit“, Besteuerung aus dem Deckungskapital mit Das Staatsoberhaupt dankte eingangs für so der Bundespräsident. einem begünstigten Steuersatz erfolgt. die „liebenswürdige“ Einladung, die er aus Als dritten Grund nannte er, daß diese Um derzeitige und künftige Leistungs- mehreren Gründen gerne angenommen ha- Vollversammlung des Seniorenrates auch die bezieher aus Pensionskassen der betrieb- be. „Erstens möchte ich persönlich meinen Möglichkeit biete, bestimmte Darstellungen lichen Vorsorge vor weiteren Abstürzen des zu korrigieren und die ältere Generation ge- Finanzsystems zu schützen, ist darüber hin- gen unverdiente Kränkungen in Schutz zu aus eine Generalüberholung des Pensions- nehmen. „Ich lese in manchen Medien über kassensystems im Sinne einer Wertsicherung die angebliche ,graue Gefahr‘, ich lese von und Kapitalgarantie vorzunehmen. Altersegoismus, von der ,Kukident-Genera- tion‘ etc. Eine völlig unakzeptable Aus- Ermäßigungen für drucksweise. Das sind keine Argumente, das Seniorinnen und Senioren ist kein Umgangston gegenüber der älteren Der Bund und die Länder werden aufge- Generation, und das weise ich mit aller fordert, im Rahmen der nächsten Finanz- Entschiedenheit zurück.“ ausgleichsverfahren die freie Fahrt für alle Mit Hinweis auf die, „erfreulicherweise“, Seniorinnen und Senioren ab dem 70. Le- steigende Lebenserwartung aber auch auf bensjahr auf allen öffentlichen Verkehrs- den sehr angespannten Staatshaushalt mahn- mitteln sowie den freien Eintritt für alle te Fischer, auf dem Boden der Realität zu Seniorinnen und Senioren in allen öffent- bleiben und Fakten zur Kenntnis nehmen. lichen Museen und Ausstellungen in ganz „Ich bin sicher, daß auch die Vertreter der Österreich zu beschließen. Senioren Einsicht in gesamtgesellschaftliche Umgehend hat die ÖBB die erfolgreiche Gegebenheiten haben, aber sie haben das 7-Euro-Aktion wieder aufzunehmen sowie Recht, sich gegen Stimmungsmache zur die Vorteilscard für Seniorinnen und Se- Wehr zu setzen. Die Generationen gegenein- nioren einheitlich ab dem 60. Lebensjahr ander auszuspielen, lehne ich mit Entschie- sowie allen Beziehern einer Invaliditäts,- denheit ab.“ Bundespräsident Heinz Fischer Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähig- Im Gutachten der Kommission zur lang- keitspension zu gewähren. großen Respekt für die Leistungen jener Ge- fristigen Pensionssicherung für das Jahr neration zum Ausdruck bringen, die zum 2009 sei ersichtlich, zitierte Fischer, daß im Unser Europa Aufstieg der Zweiten Republik ganz ent- Jahr 2004 rund 2,88 Prozent des Bruttoin- Angesichts der Tatsache, daß sich Ent- scheidende Beiträge geleistet hat. Sind wirk- landsproduktes für die Pensionsversicherung scheidungen auf europäischer Ebene auch lich eindrucksvoll. Ich konnte viele Phasen aus Bundesmitteln verwendet wurden, und verstärkt auf die älteren Menschen in Öster- des Wiederaufbaus unseres Landes aus näch- daß die Prognose für das Jahr 2012 in einer reich auswirken, setzt sich der Österreichi- ster Nähe beobachten und viele der Akteure ähnlichen Größenordnung lieg. „Es mag sche Seniorenrat dafür ein, daß ein Geset- selber kennenlernen: Leopold Figl, zum schon sein, daß durch die Finanz- und Wirt- zesinitiativrecht des Europäischen Parla- Beispiel, als 10jähriges Kind, Adolf Schärf, schaftskrise diese Zahlen, wie das bei Pro- ments eingeführt wird, die österreichische Koref und Jochmann im Parlament; die gnosen immer wieder vorkommt, noch Ver- Bevölkerung in geeigneter Weise nach jeder Sozialminister Meisl und Proksch, aber auch änderungen erfahren; dann muß man sich Ratssitzung informiert wird sowie, daß für die erste Sozialministerin Grete Rehor, damit auseinandersetzen. Aber diese Diskus- alle wichtigen „EU-Gesetze“ Beratungen in Präsident Friedrich Hillegeist, Robert Uhlier sion muß sachlich geführt werden und das den zuständigen Ausschüssen des National- und andere“, so Heinz Fischer. Eines der Ge- Prinzip einer gerechten Lastenverteilung rates und des Bundesrates stattfinden, wobei heimnisse dieser Generation sie die Fähig- muß in der Betrachtung bleiben.“ allen österreichischen Abgeordneten zum keit zur Zusammenarbeit: Streiten sei keine Mit der Lebenssituation älterer und alter Europäischen Parlament ein Rederecht ein- Kunst, aber die Fähigkeit Brücken zu bauen, Menschen verantwortungsvoll umzugehen, zuräumen ist. über Gegensätze sachlich zu diskutieren und sei auch deshalb notwendig, weil „wir die den gemeinsamen Nenner zu finden, das Kaufkraft dieser wichtigen Bevölkerungs- Bundesseniorenplan habe uns stark gemacht. „Dich darf sagen, gruppe erhalten wollen“. Das sei für unsere Der Österreichische Seniorenrat freut daß ich auch als Bundespräsident versuche, Volkswirtschaft insgesamt wichtig. „Wir sich, daß das zuständige Bundesministerium diesen Erfahrungen Rechnung zu tragen.“ wissen ja, daß alles, was sich die ältere

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Generation erspart – und das sind in Summe Jung und Alt müßten Herausforderungen ben, daß die Zukunft im gegenseitigen Auf- sehr beträchtliche Beträge – letzten Endes „gemeinsam meistern“. Prammer forderte hetzen von Jung und Alt, In- und Ausländern auf die eine oder andere Art an die nächste auch ein, den Jugendlichen zu signalisieren, sowie Arbeitgebern und Arbeitnehmern Generation weitergegeben wird. Daher ist es daß sie auch in Zukunft mit öffentlich finan- liegt. „Im Miteinander liegt die Stärke der auch unredlich und unwürdig, den Eindruck zierten Pensionen rechnen können. Die Auf- Vergangenheit und die Stärke der Zukunft zu erwecken, daß es zwischen den Älteren rechterhaltung des öffentlichen Pensions- für unser Land“, bekräftigte Faymann. und Jüngeren einen gnadenlosen Vertei- systems sei ein bedeutendes Anliegen. Eben- Der Bundeskanzler unterstrich in seinen lungskampf gibt“, so Fischer. Jeder ältere so wichtig sei die Sicherung langfristiger Grußworten weiters, daß es in der Krise um Mensch sei einmal jung gewesen und jeder Kaufkraft der SeniorInnen, sowie das Garan- Zweierlei gehe: Zum Einen sei dies das junge Mensch werde – hoffentlich – eines tieren einer bestmöglichen Gesundheitsver- „Gegenhalten“ und zum Anderen gelte es, Tages der älteren Generation angehören. sorgung. „Die SeniorInnenorganisationen sind die „Schlüsselfaktoren für die Zukunft unse- „Wenn junge Menschen Verständnis für die wichtig für die älteren Menschen“, wünsch- res Landes jetzt in Angriff zu nehmen“. Hier ältere Generation haben, dann haben sie letz- te Prammer dem Seniorenrat abschließend komme der Bildung sowie der Forschung ten Endes Verständnis für ihre eigene Zu- alles Gute und eine erfolgreiche Vollver- und Entwicklung zentrale Bedeutung zu. In kunft.“ sammlung. der Frage einer in die Tiefe gehenden Bil- „Auf dieser Basis und vor diesem Hin- dungsreform, bei der u.a. auch die Themen tergrund möchte ich die Bundesregierung Doppelgleisigkeit und Dienstrechtsänderun- ersuchen und einladen, Entscheidungen über gen „offen angesprochen werden müssen“, den Anteil der älteren Generation am Volks- sind es „nicht nur die jungen Menschen, die einkommen – und damit meine ich Entschei- wissen, daß es um ihre Zukunft geht, es sind dungen über das gerechtfertigte Ausmaß von die Mütter, die Väter und die Großeltern, die Pensionserhöhungen, aber auch über das sehr genau wissen, daß Politik für unser faktische Pensionsantrittsalter sachlich – Land auch die Zukunftschancen für unsere faktenbasiert und im Interesse des Gesamt- Jungen als zentrales Thema hat“. wohles unserer Gesellschaft zu treffen.“ Er wisse, daß „junge Menschen noch Gleichzeitig appellierte Fischer an die äl- nicht ganz davon überzeugt sind, daß die tere Generation, ihre Erfahrung weiterhin in sozialen Sicherheiten, die heute gelten, auch den Dienst unseres Gemeinwesens zu stellen noch für sie gelten“. Daher sei man gemein- und das, „was Sie aus der Geschichte gelernt sam gefordert, zu beweisen, „daß wir mit haben, an die Jüngeren weiterzugeben“. Nachhaltigkeit die langfristige Finanzierung Schließlich erinnerte der Bundespräsi- dieser sozialen Netze garantieren“, so Fay- dent daran, daß es in Österreich 1,9 Millio- mann, der abschließend nochmals unter- nen Menschen gebe, die heute älter als 60 strich, daß jene Bereiche, „auf die wir heute Jahre und ca. 665.000 Menschen gebe, die stolz sein können, von Menschen erkämpft älter als 75 Jahre seien. und aufgebaut wurden, die heute schon in „Ich gratuliere Ihnen und uns“, schloß der Pension sind“. Bundespräsident, „daß die ältere Generation in Form des Österreichischen Seniorenrates Bundeskanzler Werner Faymann Pröll: Geringer Spielraum eine angesehene und wirksame Vertretung Faymann: SeniorInnen Finanzminister Josef Pröll verdeutlichte, hat. Diese Vertretung ist kein Selbstzweck. hohen Respekt erweisen wie gering der Spielraum bei der geforderten Sie erfüllt Aufgaben im Interesse unserer Bundeskanzler Werner Faymann betonte Pensionserhöhung im kommenden Jahr sein Mitmenschen und ich wünsche dem Öster- in seinen Grußworten, daß den SeniorInnen, werde. Man beginne zwar nicht bei null, reichischen Seniorenrat für die kommende „die mit ihrer Arbeit dafür gesorgt haben, aber es würde hart verhandelt werden. „Es Arbeitsperiode weiterhin viel Erfolg.“ daß unser Land – auch dank seiner sozialen ist unverzichtbar, daß wir uns alle gemein- Systeme und sozialen Errungenschaften – zu sam am Riemen reißen.“ Die Zukunft der Prammer: Solidarität der den besten der Welt zählt, hoher Respekt, Pensionen sei ein hoch emotionales Thema, Generationen steht im Mittelpunkt Sympathie und Bewunderung zu erweisen über das in der Vergangenheit Regierungen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist“. Die SeniorInnenvertreterInnen seien gestolpert und Wahlen entschieden worden wandte sich an die Mitglieder der SeniorIn- wichtige „InteressenvertreterInnen unseres seien, konkretisierte der Finanzminister we- nenorganisationen im Parlament: „Wir sind Vaterlands“, so Faymann. „Wir lassen uns nige Tage später, als er sein „Projekt Öster- gut beraten, den älteren Generationen herz- nicht gegeneinander ausspielen. Wir sind es reich“ präsentierte. Er erinnerte sich an eine lich zu danken!“ Die älteren Generationen gemeinsam, die wir uns unserer Geschichte Zeitungsmeldung in den letzten Wochen, die hätten der mittleren Generation den Weg bewußt sind, aus der Geschichte lernen, die ihn außergewöhnlich berührt habe, deren geebnet und würden auch für Österreichs Zukunft gemeinsam gestalten und das Zu- Überschrift dazu gelautet habe: „Junge rech- Kinder und Enkelkinder wichtige PartnerIn- sammenleben fördern.“ Auch bezüglich der nen nicht mehr mit einer Pension.“ Für ihn, nen darstellen. Im Kern der Gesellschafts- Zukunftsfragen Bildung, Chancen der jun- auch als Familienvater, sei ist diese Aussage debatte stünde die Solidarität der Gene- gen Menschen, gehe es um ein „Miteinander nicht nur alarmierend, sondern auch bestür- rationen: „Voneinander zu profitieren und zu in der Gesellschaft“, so der Bundeskanzler, zend gewesen. Sie bedeute nämlich nichts lernen muß im Mittelpunkt stehen.“ der jenen eine klare Absage erteilte, die glau- anderes, als daß die Jugend nicht mehr an

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 13 Innenpolitik den Generationenvertrag glaube, daß sie Wir brauchen mehr generationenübergrei- rungen der Pensionistenverbände bei der Ver- massive Zweifel an der Generationengerech- fende Solidarität. Solidarität heißt, daß sammlung des Seniorenrates. „Trotz der nach tigkeit habe. „Und können wir ihnen das wir die Leistungen der Menschen aner- wie vor andauernden Wirtschaftskrise for- verdenken?“, fragte Pröll und weiter: „Und kennen, die in den vergangenen Jahr- dern die rot-schwarzen Pensionsbonzen Ble- auch Sie werden es nachvollziehen können, zehnten den Wohlstand unseres Landes cha und Khol eine Erhöhung der Pensionen wenn Sie folgende Zahlen hören: Wenn je- erarbeitet haben. Aber Solidarität heißt weit über das gesetzliche Maß hinaus. Öster- mand im Jahr 1970 seinen 60. Geburtstag auch, daß wir die Spielräume für die Men- reich steht vor einem Budgetkollaps, die gefeiert hat, konnte er mit einer durchschnitt- schen, die Österreich in Zukunft gestalten Arbeitslosigkeit steigt dramatisch an, daher lichen Lebenserwartung von 75 Jahren rech- werden, nicht verschwindend gering wer- müssen auch die Senioren einen Beitrag lei- nen. Heute sind es bereits 81 Jahre – 6 Jahre den lassen.“ sten, denn der Generationenvertrag kann länger. Das ist die gute Nachricht. Im glei- keine Einbahnstraße sein“, so Bucher. chen Zeitraum ist das effektive Zugangsalter Der BZÖ-Chef wies darauf hin, daß die zur Pension gesunken: Von 62 Jahre auf 59 Pensionisten mit Khol und Blecha durch- Jahre. Was bedeutet diese Kombination auf- schlagskräftige Interessensvertreter besäßen, steigender Lebenserwartung und gesunke- die fest in ihren Parteien verankert seien. nem Zugangsalter? Das heißt nichts anderes Jugend, Mittelstand und jene, die dieses Sy- als: Der Pensionist aus dem Jahr 1970 ist mit stem erhalten würden, verfügten hingegen 62 in Pension gegangen und wurde 75 Jahre über keine Interessensvertretung. „Das BZÖ alt, hat also 13 Jahre Pension bezogen. Der wird der Anwalt der jüngeren Generation, Pensionist von heute geht mit 59 in Pension des Mittelstandes beziehungsweise der Lei- und wird 81 Jahre alt. Er wird 22 Jahre seine stungsbereiten sein.“ Und er könne sich Pension beziehen. Allerdings: Von dieser nicht vorstellen, „daß die Großeltern wollen, Pensionsleistung hat er nur einen Teil selbst- daß ihren Enkelkindern die Zukunftschancen eingezahlt! Und: Heute sind 1,4 Mio. Öster- genommen werden“, so Bucher. reicherinnen und Österreicher über 65 Jahre alt. Im Jahr 2030 werden es 2,1 Millionen Antonov: Unsagbare Chuzpe sein. 50 Prozent mehr als heute. Um sich von Khol und Blecha auszurechnen, was das heißt, braucht man „Die Forderung der Präsidenten des Se- kein Pensionsexperte zu sein. Und auch kein niorenrats, Andreas Khol und Karl Blecha, Finanzminister“, so Pröll. nach Anerkennung als Sozialpartner ist eine Generationenübergreifende Solidarität Verhöhnung demokratischer Grundsätze“, so sei das Rückgrat unserer Gesellschaft, so die Seniorensprecherin der Grünen Wien. Im Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll Pröll weiter. Wenn dieses Rückgrat breche, Seniorenrat sind nicht alle SeniorInnen ver- gehe Österreich schweren Zeiten entgegen. Und darauf, so Josef Pröll, gelte es be- treten, sondern nur die SeniorInnenvereini- „Ich sage ganz klar: Jede Pensionistin und sonders bei den bevorstehenden Pensionsan- gungen von SPÖ, ÖVP und FPÖ. Kleinere jeder Pensionist kann sich darauf verlassen, passungen zu achten. SeniorInnenvereinigungen, wie etwa die daß in bestehende Pensionen nicht eingegrif- Grünen SeniorInnen, hätten keine Chance, in fen wird. Aber ich weiß, daß auch viele Pen- Kickl: Pensionsraub dem Gremium Mitglied zu werden. „Die sionistinnen und Pensionisten die Dramatik Der freiheitliche Generalsekretär, Herbert Grünen fordern, daß zumindest die SeniorIn- der Entwicklung erkennen. Und daß sie Kickl, nahm anläßlich einer „Pressestunde“ nenvereinigungen aller im Parlament vertre- Verständnis dafür haben, wenn ich aus Soli- im ORF, wo Sozialminister Rudolf Hunds- tenen Parteien auch im Österreichischen Se- darität mit den Jungen folgendes fordere: torfer zu Gast war, zum Thema Pensionen niorenrat vertreten sein sollen“, so Antonov. Wir müssen die umfassenden Pensions- Stellung. „Die Menschen, die Jahrzehnte in „Daran haben aber Khol und Blecha ganz sicherungsreformen wirken lassen! Unser ein Pensionssystem eingezahlt haben, haben offensichtlich kein Interesse. Nicht zuletzt Pensionssystem wird durch eine Reihe ein Recht darauf, daß sie die ihnen von der dürfte es dabei auch um pekuniäre Interessen von Ausnahmeregelungen völlig aus dem Bundesregierung zugesagten Pensionsan- gehen: von der Seniorenförderung – die im Gleichgewicht gebracht. Diese Ausnah- sprüche schlußendlich auch erhalten“, und Jahr 2007 rund 1,5 Mio Euro betrug – gehen meregelungen begünstigen einige wenige Kickl stellte sich damit klar gegen die Aus- 95 Prozent an den roten Pensionistenverband auf Kosten aller anderen. Hier muß rasch setzung der „Hacklerregelung“, die in die- und den schwarzen Seniorenbund“, so Anto- Fairness im System hergestellt werden! sem Zusammenhang heftig diskutiert wird. nov. Das Zusammenspiel zwischen Hacklerre- „Das ist genauso Pensionsraub, wie die Ver- Die Forderung nach Anerkennung als So- gelung, Invaliditätspension, Schwerar- weigerung einer adäquaten Erhöhung der be- zialpartner erscheint angesichts der undemo- beitspension und der regulären Alterspen- stehenden Pensionen entsprechend dem Pen- kratischen Zusammensetzung des Senioren- sion muß neu geordnet werden. sionistenpreisindex“, meinte Kickl. rates allerdings so, als würden SPÖ und ÖVP Unser Ziel muß es sein, daß mehr Men- den Anspruch erheben, daß nur sie im Natio- schen das Regelpensionsalter auch tat- Bucher: Forderungen der Pensionisten- nalrat die österreichische Bevölkerung ver- sächlich gesund und erfolgreich errei- verbände maßlos überzogen treten dürfen. Khol und Blecha sind rück- chen! Nur so ist unser Pensionssystem Als „maßlos überzogen“ bezeichnet BZÖ- trittsreif, ihr Demokratieverständnis ist auch für die Zukunft gesichert! Chef Klubobmann Josef Bucher die Forde- höchst fragwürdig“, schloß Antonov.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 14 Österreich, Europa und die Welt Barroso und Buzek eröffneten neues Haus der EU in Wien EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Parlamentspräsident Prof. Jerzy Buzek, Bundespräsident Heinz Fischer, EU-Kommissarin Benita Ferrero- Waldner, Vizekanzler Josef Pröll, Außenminister Michael Spindelegger und Wiens Bürgermeister Michael Häupl trafen einander zur feierlichen Eröffnung. Alle Fotos: Europäische Union/APA-OTS/Preiss Am 16. Oktober wurde das neue Gebäude für die Europäische Kommission und das Europäische Parlament in der Wiener Wipplingerstraße unter dem Beisein hochrangiger Ehrengäste feierlich eingeweiht. ie europäischen öffentlichen Räume EU-Kommissionspräsident José Manuel regionaler und lokaler Ebene aufs Engste zu- Dgehen auf eine neue gemeinsame Initiati- Barroso erklärte im Vorfeld der Eröffnung: sammenarbeiten.“ ve von Kommission und Europäischem „Ein Europa der Menschen braucht mehr Das neue Gebäude befindet sich am Stand- Parlament zurück. Es handelt sich um modern Dialog und Information. Die Bereitschaft ort der ehemaligen ÖGB-Zentrale in der gestaltete Mehrzweckräume, die die breite zum Dialog mit den Bürgern und den gesell- Wipplingerstraße 35 im 1. Wiener Gemeinde- Öffentlichkeit und vor allem junge Menschen schaftlichen Gruppen ist ein Markenzeichen bezirk und beherbergt nicht nur die Öster- zur Teilnahme an Veranstaltungen über euro- dieser Kommission und wird auch weiterhin reich-Vertretung der EU-Kommission, son- päische Themen einladen sollen. Der europä- eine entscheidende Rolle spielen. Die Kom- dern auch das Informationsbüro des Europäi- ische öffentliche Raum in Wien ist der neunte mission wird sich künftig noch mehr anstren- schen Parlaments. Dies sei auch „ein Zeichen seiner Art. Diese Einrichtung gibt es bereits in gen, um in den Mitgliedsstaaten und in den der exzellenten Kooperation zwischen Kom- Madrid, Dublin, Tallinn, Rom, Lissabon, Regionen stärker präsent zu sein und mit den mission und EU-Parlament“, erklärte Barro- Stockholm, Berlin und Kopenhagen. Auch in Menschen vor Ort in Kontakt zu treten. Ge- so. Riga, Prag und Helsinki wird bis Ende 2009 meinsam mit dem Europäischen Parlament Vizepräsidentin Margot Wallström erklär- ein derartiger europäischer öffentlicher Raum wird sie auf die Bürger zugehen und sich ihrer te, die „europäischen öffentlichen Räume sind entstehen. Am 16. Oktober wurde das soeben Fragen und Anliegen direkt annehmen. Wir ein zentrales Element der Kommunikations- fertiggestellte neue Gebäude für die Europä- dürfen uns aber nichts vormachen: Damit die strategie der Kommission. Dabei geht es uns ische Kommission und das Europäische Par- EU stärker ins öffentliche Bewußtsein rückt, vor allem darum, durch Präsenz vor Ort die lament mitten in Wien eingeweiht. müssen alle Verantwortlichen auf nationaler, EU der Bevölkerung näher zu bringen.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 15 Österreich, Europa und die Welt

Auch EU-Parlamentspräsident Prof. Jerzy Buzek betonte, daß beide Institutionen bemüht seien, „auf europäischer und nationa- ler Ebene“ mehr auf die Bürger einzugehen. Dazu brauche es Büros, wo man mit den Menschen reden könne: „Mit denen, die dafür sind und mit jenen, die dagegen sind.“ Um dies zu verwirklichen sei auch der Lissabon- Vertrag wichtig, so Buzek: „Er bringt auch die nationalen Parlamente ins Spiel. Es ist dies ein guter Vertrag, weil er uns die Instrumente in die Hand gibt, uns in den Dienst der Bürger zu stellen.“ Er sei optimistisch, daß der Vertrag bald in Kraft treten werde. In Irland hätten EU und nationale Verantwortungsträger vor dem zweiten Referendum gezeigt, daß man fähig sei, auf Sorgen und Bedenken der Bürger einzugehen. (Lesen Sie ein Interview mit dem EU-Parlamentspräsidenten im v.l.: Wolfgang Hiller (Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments), Prof. Jerzy Buzek (Präsident des Europäischen Parlaments), José Manuel Barroso Anschluß an diesen Beitrag). (Präsident der Europäischen Kommission) und Mag. Richard Nikolaus Kühnel Auch Bundespräsident Heinz Fischer (Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich) brach eine Lanze für den „Lissabon-Vertrag“: „Das ist eine neue Etappe im europäischen Prozeß. Ich bin überzeugt, daß sich ein Euro- pa auf der Basis des Lissabon-Vertrags leich- ter tun wird, daß demokratische Elemente dazu kommen und Erfahrungen berücksich- tigt werden, die man gemacht hat. Wir können mit realistischem Optimismus und optimisti- schem Realismus in die Zukunft schauen.“ Allerdings verwies Fischer indirekt auch auf Probleme rund um den Vertrag: „Das Projekt Europa funktioniert nicht nach präzi- sen Vorgaben, das ist ein demokratischer Pro- zeß. Auch kritische Meinungen haben ihre Berechtigung, sie ermöglichen einen dialekti- schen Prozess des ,Pro und Kontra‘, der fair, pluralistisch und erfolgreich verlaufen möge.“ Der Vertrag wurde bisher in 26 der 27 Mitgliedsländer ratifiziert. Anhängig ist die Tschechische Republik, wo Präsident Vaclav Benita Ferrero-Waldner (EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik), José Manuel Barroso (Präsident der Europäischen Kommis- Klaus als letztes EU-Staatsoberhaupt seine sion) und Bundespräsident Heinz Fischer. Unterschrift unter den Lissabon-Vertrag noch verweigert. Zudem ist eine Klage gegen das Dieses Haus werde ein Ort der Begegnung Zusammenarbeit. Wir brauchen noch mehr Abkommen anhängig. sein, ein Dialogforum, eine Arena für offene, Transparenz, einen kritischen, durchaus kan- zukunftsorientierte, konstruktive Debatten tigen Dialog.“ Aber der Sinn und Zweck der EU-Kommissarin Ferrero-Waldner über und für Europa. Richard Kühnel, Ober- EU an sich müsse dabei außer Streit stehen: „Ich freue mich sehr, heute bei der Er- ster Vertreter der EU-Kommission in Wien, Gerade weil die Union in unserer globalisier- öffnung des neuen ,Hauses der Europäischen Wolfgang Hiller, Leiter des Informationsbü- ten Welt letztlich das Fundament unserer Union‘ zu sein. Dieses Haus demonstriert be- ros des EP, und ihre Teams hätten in den letz- Lebensqualität sei, so die Kommissarin. reits durch seine Architektur Offenheit, Trans- ten Monaten ja bereits einiges in diese Rich- Dieses „Europa erklären“, dieses ständige parenz und Bürgernähe. Das sind genau jene tung angestoßen. Werben um Vertrauen, sei nicht nur Aufgabe Prinzipien, die unsere Union weiterhin hoch- „Solche Debatten braucht unsere Union. der europäischen Institutionen und Politiker. halten muß, um das Vertrauen ihrer Bürge- Denn bei kaum einem Thema haben sich lei- „Sondern es ist kollektiver Auftrag an uns rinnen und Bürger zu behalten und im ,globa- der so viele Legenden in den Köpfen festge- alle: an Politik und Wirtschaft, an Sozial- len Dorf‘ zu bestehen“, so Benita Ferrero- setzt wie beim Thema ,Europa‘. Man muß partner, Medien und Bürgergesellschaft, in Waldner, Kommissarin für Außenbeziehun- immer über Inhalt und Mehrwert einzelner Brüssel, Wien, den Ländern und Gemeinden. gen und Europäische Nachbarschaftspolitik europäischer Entscheidungen diskutieren – Wir dürfen das Zukunftsthema Europa nicht (und frühere Außenministerin Österreichs). das ist ja der Kern unserer demokratischen jenen überlassen, die einfach die Zugbrücken

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 16 Österreich, Europa und die Welt

im Energie- und Infrastrukturbereich), die fle- xible Auslegung der Wettbewerbsregeln und v.a. mit konkreten Vorschlägen zur Neuge- staltung des europäischen Finanzsystems . Dazu komme, zweitens, daß unsere ehr- geizigen EU-Klimaziele und unsere europäi- sche Führungsrolle bei Vorbereitung des Ko- penhagener Weltklimagipfels die Union als echte Vorreiterin einer „grünen Wirtschaft“ positioniert haben. Drittens die Energiesicherheit: Die EU haben nicht nur in „Gaskrisen“ erfolgreich ver- mittelt, sondern sei dabei, Energiequellen und Lieferanten strategisch zu diversifizieren. „Zuguterletzt“, so Ferrero-Waldner, „ha- ben wir bei sensiblen Fragen für Österreich immer wieder eine gemeinsame Lösung ge- funden, die nicht nur gut für Österreich son- dern auch gut für Europa ist: ob beim Uni- v.l.: EP-Präsident Prof. Jerzy Buzek, Vizekanzler Josef Pröll, Außenminister Michael Zugang, bestimmten Wettbewerbsfällen, Spindelegger und Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich einer ökologischeren Verkehrspolitik oder etwa Übergangsfristen für energieintensive hochklappen wollen und damit leichtfertig Wirtschaftskrise und der internationalen Betriebe, etc.“ Diese Themen würden auch mit eben dieser Zukunft spielen.“ Sicherheit bis zum Klimawandel.“ beweisen: Die EU müsse sich als globaler Daß die Europakommunikation ein zentra- Europa müsse also dort entscheiden, wo es Akteur verstehen, wenn sie im 21. Jahrhun- ler Punkt im Regierungsabkommen ist, sei sinnvoll sei – dann aber entschlossen und effi- dert die Interessen ihrer Bürgerinnen und daher besonders wichtig. Österreichs Außen- zient! Und Ferrero-Waldner denkt, daß die Bürger wirkungsvoll vertreten wolle. „Ich bin minister Michael Spindelegger selbst habe mit seiner „Zuhör-Tour“ einen ganz wichti- gen Beitrag geleistet. „Die Kommunikation ist natürlich auch eine wesentliche Priorität der Kommission unter Präsident José Manuel Barroso. Wir ha- ben hier eine ganze Reihe von innovativen Initiativen gesetzt, von Bürgerforen mit bis- her 40.000 Teilnehmern über einen verstärk- ten Dialog mit den nationalen Parlamenten bis hin zu unseren Videos auf ,EU-Tube‘. Unsere Vertretungen in den Mitgliedsstaaten sind sozusagen ,Brückenköpfe‘ dieser Kom- munikationsarbeit“, so Ferrero-Waldner. Auch sie selbst sei in ihren zahlreichen Kon- takten mit Bürgerinnen und Bürgern in allen Bundesländern immer wieder, wenn man so wolle, „an vorderster Front“ tätig, um zuzu- hören, zu erklären, zu überzeugen. „Ich sehe in diesen Gesprächen immer Benita Ferrero-Waldner, EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und europäische eines: Viele Menschen sind zweifellos euro- Nachbarschaftspolitik skeptisch. Aber sie wollen nicht weniger Eu- Kommission in den letzten paar Jahren auch stolz, daß ich als Außenkommissarin dazu ropa , sondern – ganz zu Recht – eine besse- hierzu wichtige und richtige Weichenstellun- einen Beitrag leisten darf: z.B. durch die re, effektivere, transparentere EU; eine EU gen vorgenommen habe, auch wenn auf der Vertiefung unserer Nachbarschaftspolitik, um die ihnen etwas bringt.“ Deswegen müsse ewigen „Baustelle EU“ natürlich noch viel zu Krisenregionen an den Rändern der Union zu nicht bloß in der Kommunikation weitergear- tun bleibe. stabilisieren und damit Sicherheit für unsere beitetet werden. „Sie ist ja kein Selbstzweck. Als Beispiele nannte die Kommissarin den Bürger zu schaffen; durch den Ausbau unse- Sondern wir müssen weiter arbeiten für ein zentralen Beitrag, den die EU bei der Bewäl- rer strategischen Partnerschaften mit den greifbares ,Europa der Resultate‘, d.h. eine tigung der schweren Finanz- und Wirt- USA, China oder Indien, mit denen Europas Union, die echten europäischen Mehrwert lie- schaftskrise geliefert habe: durch die Koor- Wohlstand heute so verflochten ist; und nicht fert und die Themen angeht, die den Men- dinierung der europäischen Konjunkturpro- zuletzt durch aktives Krisenmanagement in schen berechtigte Sorgen bereiten – von der gramme, eigene EU-Wachstumsimpulse (v.a. Regionen, die auch auf Europas Stabilität

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 17 Österreich, Europa und die Welt

Einfluß haben – ob in Afghanistan, dem Kau- kasus und dem Nahen Osten.“ All das zeige: Die EU sei heute unser Schutzschild und unsere gemeinsame „Ver- sicherung“. Der Vertrag von Lissabon, „der nun hoffentlich bald in Kraft treten kann, wird nicht zuletzt diese globale Schlagkraft Europas weiter stärken. Ich füge aber auch hinzu: Entscheidend für unsere europäische Zukunft sind im Endeffekt nicht institutionel- le Reformen.“ Entscheidend sei vielmehr un- ser politischer Wille, als Europäerinnen und Europäer gemeinsam Verantwortung zu über- nehmen. „Nur wenn wir uns aktiv aufstellen und mit einer Stimme sprechen, können wir die Welt nach den Wünschen unserer Bürger mit- gestalten. Dafür zu arbeiten ist für mich die beste Bürgernähe! In diesem Sinne wünsche Außenminister Michael Spindelegger: Das Europa-Haus möge sich schon bald zu ich diesem ,Europäischen Haus‘ und den hier einem lebendigen wie frequentierten Ort des Dialogs für Europa entwickeln. so aktiven Kolleginnen und Kollegen weiter- hin viel Erfolg! Ich bin sicher, daß es ein wertvoller Beitrag für unser Anliegen, die sächlich ein Haus und nicht mehr nur Räume europäischer Leuchtturm sein wird!“, schloß Bürger verstärkt einzubinden und attraktive in einem Bürokomplex. Dadurch ist Europa die EU-Kommissarin ihre Rede. ‚Andockstellen‘ für einen lebendigen Euro- in Wien sichtbarer geworden.“ Und er wies padialog zur Verfügung zu stellen.“ darauf hin, daß man sich auf lokaler Ebene Vizekanzler Josef Pröll „Wir wollen den Europa-Dialog weiter der europäischen Dimension durchaus be- Vizekanzler Josef Pröll erinnerte an das intensivieren und bürgernahe Informationen wußt sei. Schließlich würden drei Viertel „Wendejahr 1989“: „20 Jahre nach dem Fall zur Europäischen Union anbieten. Ich lade aller Entscheidungen in den Gemeinde- des Eisernen Vorhangs weiß Österreich als jeden einzelnen Bürger dazu ein, sich einzu- stuben von Beschlüssen der Europäischen Schnittstelle zwischen Ost und West, was bringen, mit zu gestalten, und dem Haus der Union direkt beeinflußt. Öffnung bedeutet.“ Gerade in Zeiten der Fi- Europäischen Union einen Besuch abzustat- „Der Reformvertrag von Lissabon, der nanz- und Wirtschaftskrise habe Europa „wie ten, um sich aus erster Hand zu informie- nun hoffentlich bald Realität werden sollte, selten zuvor Einigkeit und Handlungsfähig- ren“, so Spindelegger abschließend. vereinfacht nicht nur den Entscheidungsfin- keit bewiesen.“ dungsprozeß innerhalb der EU, sondern Bürgermeister Michael Häupl stärkt die Rolle der Kommunen innerhalb Außenminister Michael Spindelegger Wiens Bürgermeister Michael Häupl der EU“, so der Wiener Bürgermeister. Für Außenminister Michael Spindelegger sag- erklärte, „das ,Haus Europa‘, von dem so Europas Städte sei das Ziel, das Subsi- te, „Europa erklären ist Teamarbeit. Auch die gerne gesprochen wird, hat in Wien nun tat- diaritätsprinzip in der Realität umzusetzen, europäischen Institutionen und ihre Vertre- unverrückbar, unterstrich Häupl weiters. Bei tungen in den Mitgliedstaaten müssen mehr der Durchsetzung des Prinzips der Subsi- auf die Bürger zugehen und den ständigen diarität gehe es um die Möglichkeit der Mit- Dialog mit ihnen suchen. Nur so können Sinn entscheidung der Bürgerinnen und Bürger und Nutzen eines vereinten Europas unseren über sich selbst, über die Gestaltung der Bürgern letztendlich vermittelt werden.“ Der Städte, über die Gestaltung des städtischen Außenminister gab seinem Wunsch Ausdruck, Umfelds und letztlich über die Gestaltung das neue Europa-Haus möge sich schon bald Europas. zu einem lebendigen wie frequentierten Ort „Europa hat gerade jetzt, in dieser für uns des Dialogs für Europa entwickeln. alle wirtschaftlich schwierigen Zeit, bei der „Als Schnittstelle zwischen den Euro- Bevölkerung enorm an Akzeptanz gewon- päischen Institutionen und der Bevölkerung nen. Daß diese Akzeptanz sich weiter ver- kann das Europa-Haus und seine Repräsen- stärkt und erhalten bleibt, daran müssen wir tanten einen wesentlichen Beitrag leisten, arbeiten. Die EU ist nicht nur in Brüssel, um Entscheidungen, die auf europäischer sondern auch in Wien, Graz, Linz, Salz- Ebene getroffen werden, den Menschen zu burg – kurz, in all unseren Städten und Ge- erklären und verständlicher zu machen. meinden. In Österreich und in Europa. Dafür Meine Zuhörtour durch Österreich hat mir ist das neue Wien-Haus der Europäischen gezeigt, daß viele Bürger mehr Information Union mit ein Zeichen“, schloß Häupl. und mehr Diskussion zu Europa wünschen“, http://www.europarl.at so der Außenminister. „Dieses Haus ist ein Wiens Bürgermeister Michael Häupl http://ec.europa.eu/austria/index_de.htm

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 18 Österreich, Europa und die Welt Wir werden gemeinsam euro- päische Geschichte schreiben Der im Juli gewählte Präsident des Europäischen Parlaments, Prof. Jerzy Buzek, bringt als ehemaliger polnischer Premierminister viel politisches Geschick und große Symbolkraft in sein Amt ein. Ein Interview.

Herr Prof. Buzek, Sie werden der erste Prä- den Mitgliedsstaaten der EU in Verantwor- über weniger als in meiner Zeit als Regie- sident eines Europäischen Parlaments sein, tung des Europaparlaments liegen. Das soll- rungschef. Allerdings habe ich viel mehr Ar- dessen Befugnisse durch den Vertrag von ten ihnen die in den Wahlkreisen und in den beit in bezug auf meine vielseitigen Pflich- Lissabon entscheidend gestärkt werden. Wie Regionen gewählten Europa-Abgeordneten ten und die Pflege von Kontakten. bereiten Sie sich auf diese Reform vor? deutlich machen. Einem Parlamentspräsidenten stehen enor- me Möglichkeiten offen, politischen Einfluß Das gesamte Parlament bereitet sich vor. Wir auszuüben. Auch wenn solche Treffen keine arbeiten in Ausschüssen, in Delegationen, bindenden politischen Entscheidungen nach das Präsidium mit 14 Vizepräsidenten arbei- sich ziehen, kann ich oft Politiker von den tet auch daran, genauso wie die Konferenz Positionen des Europäischen Parlaments der Fraktionsvorsitzenden. In erster Linie überzeugen. Alle meine Kontakte aus der stärken wir unsere Beziehungen zu den Zeit als Regierungschef sind mir natürlich nationalen Parlamenten, die an der europäi- nützlich. Mein Treffen mit dem tschechi- schen Gesetzgebung teilhaben werden. Der schen Präsidenten Václav Klaus, der ein Vertrag gibt ihnen acht Wochen um Stellung recht schwieriger Partner ist, kann diesbe- zu beziehen. züglich ein gutes Beispiel sein. Mitentscheidung ist die nächste Sache. Prak- tisch alle EU-Gesetze werden in Zukunft Die Medien beizeichnen Sie als den „ersten vom Parlament gemeinsam mit dem Rat be- Parlamentspräsidenten aus einem ehemals schlossen. Daher kommt der Mitentschei- kommunistischen Land“. Hat dies 20 Jahre dung eine große Bedeutung zu. Wir werden Foto: European Community nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch uns bei sehr vielen Gesetzen einig werden EP-Präsident Prof. Jerzy Buzek eine Bedeutung? müssen. Bisher war das Parlament in vieler- lei Hinsicht eher ein Meinungsforum. Wir haben eine sehr große Verantwortung, Europa ist nach dem zweiten Weltkrieg über Nun bekommt das Parlament direkten Ein- mit den Bürgern zu kommunizieren. In allen Jahrzehnte entstanden. Während dieser Zeit fluß auf die Gestaltung des Haushalts, auf EU-Mitgliedsstaaten werden wir sogenannte war es für fast 50 Jahre durch einen Eisernen die Kohäsionspolitik, die Außenhandelspo- „Europa-Häuser“ eröffnen. Ihre Aufgabe wird Vorhang getrennt. Die Länder westlich des litik und die Landwirtschaft, Bereiche die es sein, Informationen zu vermitteln und als Eisernen Vorhangs haben eine andere Nach- besondere Bedeutung für die Mitglieds- Bindeglied zwischen dem Europaparlament, kriegsgeschichte. Nach dem Krieg standen staaten und ihre Bürger haben. der Kommission und den Bürgern zu wirken. sie auf der gleichen Seite und bauten an Die Rolle der EU-Diplomatie wächst enorm Diese Büros sollten auch den Europa-Ab- einer gemeinsamen Zukunft. Den Durch- an. So wird das Europäische Parlament, so geordneten dienen und Kontakte zu den bruch brachten die Vereinbarungen von wie auch alle anderen Parlamente, eine nationalen Parlamenten pflegen. 1950-51 und die Römischen Verträge von Aufsichtsfunktion ausüben und seine eigene 1957. Alle saßen sie an einem Tisch. Außenpolitik auf eine ganz andere Stufe Nach Pierre Pflimlin, der kurzzeitig franzö- Der tatsächliche Wandel kam mit dem stellen. Unsere Kontakte zu Parlamenten in sischer Premier war, sind Sie der zweite Par- Durchbrechen des Eisernen Vorhangs, denn Drittstaaten, v.a. im Rahmen der parlamenta- lamentspräsident seit den ersten Direktwah- in über 45 Jahren haben sich beide Hälften rischen Zusammenarbeit EMPA, EUROLAT len des Europaparlaments, der vorher Re- Europas ganz verschieden entwickelt. Die und EURNEST wird besondere Bedeutung gierungschef in einem Mitgliedsland war. durch den Krieg geschlagenen Wunden wur- erlangen. Die Beziehungen zum US-Kon- Wie wird Ihnen diese Erfahrung helfen? den anders versorgt. Deshalb war die Öff- greß und zu den Parlamenten der Weltmäch- nung des Eisernen Vorhangs so symbolisch. te Brasilien, China, Japan und Rußland blei- Die Arbeit des Parlamentspräsidenten hat Ich bin auf eine gewisse Art und Weise ein ben sehr wichtig. viel mit dem eines Premierministers gemein, Vertreter der Staaten, die auf der anderen vor allem wenn es um politische Erwä- Seite verblieben sind. So fühle ich dies, so Was möchten Sie gerne den Wählern sagen? gungen, Entscheidungsfindung und politi- bin ich gewählt worden und das höre ich sche Gespräche geht. über mich. Die Wähler sollten sich bewußt machen, daß Meine Entscheidungen betreffen nur das Aber ich vertrete die gesamte EU und dies zwei Drittel der gesamten Gesetzgebung in Europäische Parlament, daher entscheide ich ist ein Symbol, daß wir gleichgestellt sind

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 19 Österreich, Europa und die Welt und daß wir die gleiche Verantwortung für fördern und die Konkurrenzfähigkeit der EU Forschung in handfeste industrielle Techno- Europa tragen. Wir unterscheiden uns immer stärken. Wir reden hier über einen strategi- logien umsetzen können. Es ist ein Rad, das noch in unserer Entwicklung, in unserer schen Zweig der europäischen Wirtschaft. sich selbst antreibt, denn Innovationen sind Geschichte, aber das alles ist nicht mehr Die Förderung wird so lange aufrechterhal- immer profitabel. dominierend. Die Gemeinschaft dominiert. ten, wie europäische Wissenschaft und euro- Ich bin mir dieser enormen Verantwortung päische Universitäten die Ergebnisse ihrer Wir danken Ihnen für das Gespräch! bewußt, denn man darf ganz einfach nicht versagen. Wir werden gemeinsam europäi- Prof. Jerzy Buzek sche Geschichte schreiben. Jerzy Buzek, geboren am 3. Juli 1940 lonia-Schule für Diplomatie. Ehrendok- In ihrer Antrittsrede haben sie den Vorschlag im schlesischen ¦mi³owice, Polen. Mini- torwürde der Universitäten Dortmund, eingebracht, eine Europäische Energie-Ge- sterpräsident der Republik Polen und Ab- Seoul und Isparta sowie der Schlesischen meinschaft ins Leben zu rufen. Wie kann das geordneter des polnischen Parlaments Technischen Universität und an der Parlament beitragen, so daß eine solche (Sejm) in den Jahren 1997-2001. Technischen Universität Oppeln (Opole). Gemeinschaft Wirklichkeit wird? Unter seiner Führung trat Polen 1999 Seit 2004 Abgeordneter des Europäi- der NATO bei. 1997 initiierte er die Auf- schen Parlaments, gewählt mit dem besten Die EU antwortet auf die Erwartungen ihrer nahme von Beitrittsverhandlungen mit der Wahlergebnis in Polen. Vizepräsident des Bürger. Deshalb haben wir eine gemeinsame Europäischen Union. 1998 gründete er die European Energy Forum (EEF) seit 2004. Agrarpolitik, eine regionale Kohäsionspoli- „Stiftung für die Familie“ und 2002 das Berichterstatter für das 7. Rahmenprogramm tik, den Schengen-Raum, der unser Leben Institut für die Zivilgesellschaft „Pro für Forschung, technologische Entwicklung einfacher macht und einen Binnenmarkt, der Publico Bono“. Mitglied der Unabhängi- und Demonstration sowie für den Euro- unseren Wohlstand nährt. gen Selbstverwalteten Gewerkschaft Soli- päischen Strategieplan für Energietech- Die Energieprobleme waren vor zehn, zwölf darno¶æ, seit 1980 und Vorsitzender des nologie. Repräsentant des Europäischen Jahren nicht so herausragend. Nun aber sind ersten landesweiten Delegiertenkongresses Parlaments während der Parlamentswah- sie eines der größten und dringendsten Prob- der Solidarno¶æ 1981. Beteiligung an den len in der Ukraine 2004; unterstützte die leme in der EU. Hinzu kommt noch der Kli- geheimen regionalen und landesweiten Orangefarbene Revolution. 2006 wurde er mawandel. Strukturen der Gewerkschaft. Nach 1989 vom Monatsmagazin „Parliament Maga- Daher ist es höchste Zeit, eine gemeinsame Vorsitz des IV., V. und VI. Kongresses der zine“ als bester Abgeordneter des Euro- Energiepolitik ins Leben zu rufen, genauso Solidarno¶æ. Vor den Parlamentswahlen päischen Parlaments in der Kategorie wie wir andere Politikbereiche geschaffen 1997 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wirt- „Wissenschaftliche Forschung und Techno- haben. Wir haben in den Vertrag die „Ener- schaft der Gesellschaftlichen Bewegung logie“ ausgezeichnet. 2006 erhielt er die in giesolidarität“ aufgenommen und dieser Ver- AWS (Bürgeraktion Solidarität). Polen für Errungenschaften im Bereich der tragsbasis kommt eine herausragende Be- Universitätsprofessor. Studium an der Energiewirtschaft verliehene Auszeich- deutung zu. Schlesischen Technischen Universität, Fa- nung „Weiße Kohle“. 2007 wurde er vom Im Interesse unserer Sicherheit sollten wir kultät für Energietechnik. 1971-1972 Stu- Präsidenten des Europäischen Parlaments, die Gas-Quellen diversifizieren und gemein- dium im Rahmen eines Forschungsstipen- Hans-Gert Pöttering, anläßlich des 60. Jah- sam über Lieferungen von außerhalb Euro- diums an der Universität Cambridge (Ver- restags der Verkündung der Allgemeinen pas verhandeln. einigtes Königreich). Verfasser von ca. Erklärung der Menschenrechte mit der Um den klimatischen Veränderungen ent- 200 wissenschaftlichen Arbeiten, Patentin- Statuette einer Friedenstaube geehrt. Laut gegenzutreten, müssen wir grüne Energie haber. Universitätsdozent an der Schlesi- der polnischen Wochenzeitung „Wprost“ auf einer großen Basis entwickeln. Der schen Technischen Universität und an der und der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ Klimaschutz nötigt uns ebenfalls zu gemein- Technischen Universität Oppeln (Opole). wurde er 2008 zum besten polnischen samer Forschung und zur Entwicklung von Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Europaabgeordneten gewählt. Technologien zur sauberen Nutzung von fos- und technischer Gesellschaften. Bis 1997 Mitglied des Ausschusses für Industrie, silen Brennstoffen. wissenschaftlicher Direktor des Instituts Forschung und Energie sowie des Aus- der Polnischen Akademie der Wissen- schusses für Umweltfragen, Volksge- Als Europa-Abgeordneter und Wissenschaft- schaften in Gleiwitz (Gliwice). Vertreter sundheit und Lebensmittelsicherheit. ler waren sie stark in die EU-Förderung der Polens bei der Internationalen Energieagen- Mitglied der Delegation des Europäi- Forschung eingebunden. Warum ist die För- tur – Treibhausgas-Forschungsprogramm schen Parlaments im Parlamentarischen derung von Wissenschaft aus öffentlichen (1992-1997). 1997 Mitbegründer des Kooperationsausschuss EU-Ukraine sowie Mitteln so wichtig? Kann sie in diesen Deutsch-Polnischen Forschungsverbunds der Delegation für die Beziehungen zu den schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise wei- INCREASE für Umwelttechnik, Prozeß- Ländern Südostasiens und der Vereinigung terhin aufrechterhalten werden? sicherheit und rationelle Energieanwen- Südostasiatischer Nationen (ASEAN). dung. Gründer des Konsortiums für den Am 14. Juli wurde Jerzy Buzek mit Dadurch, daß wir uns grüner Energie zuwen- Schutz der Erdatmosphäre in Schlesien 86,18 Prozenz der abgegebenen Stimmen den und die Verbrennung fossiler Brennstof- 1994. In den Jahren 2002-2004 Prorektor für die kommenden zweieinhalb Jahre zum fe ohne den Ausstoß von Schadstoffen errei- der Akademie Polonia in Tschenstochau Präsidenten des Europäischen Parlaments chen wollen, entwickeln wir neue Bereiche (Czêstochowa) und Mitbegründer der Po- gewählt. der Wissenschaft. Wir wollen Innovation

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 20 Österreich, Europa und die Welt 3. gemeinsame Regierungs- sitzung Österreich und Ungarn Bundeskanzler Werner Faymann: »Beziehung zwischen Österreich und Ungarn ist Vorbild für ganz Europa.«

Vorne (v.l.): BM Doris Bures, BM Gabriele Heinisch-Hosek, Bundeskanzler Werner Faymann, Ungarns Ministerpräsident Gordon Bajnai, LH Hans Niessl, Vizekanzler Josef Pröll, BM Norbert Darabos, BM Claudia Schmied, BM Michael Spindelegger und ein Mitglied der ungarischen Regierung (von der wir leider keine Namen hatten). Hinten: 2.v.l.; StS Andreas Schieder, StS Rein- hold Lopatka, BM Niki Berlakovich; 2.v.r.: BM Reinhold Mitterlehner. Alle Fotos: BKA/HOPI-MEDIA / Bernhard J. Holzner

m 15. Oktober wurde in Eisenstadt die Bedeutung. Ich danke daher dem ungari- reicht werden konnten. „Wir schätzen die A3. gemeinsame Arbeitssitzung der Re- schen Premierminister Bajnai und seiner regelmäßig abgehaltenen Arbeitssitzungen gierungen der Republik Ungarn und der Regierung für die gute Kooperation zwi- unserer beiden Regierungen als Höhepunkt Republik Österreich abgehalten. Im Mittel- schen unseren beiden Ländern.“ der bilateralen Besucherkontakte. Sie bieten punkt der Gespräche standen wirtschaftliche Als Schwerpunktthema wurden die allge- uns die Möglichkeit, Fragestellungen von Fragen, aber auch die Themen EU, Bildung, meine Wirtschaftslage und die damit in Zu- politischer Relevanz gemeinsam zu erörtern Schule, Sicherheit und Naturschutz wurden sammenhang stehenden Fragen zu ihrer und Informationen über gemeinsame und diskutiert. Landeshauptmann Hans Niessl Bewältigung besprochen. Weiters wurde wechselseitige Projekte auszutauschen“, so begrüßte Bundeskanzler Werner Faymann über Fragen der inneren Sicherheit und über der Bundeskanzler. Sofern es in den gemein- und zehn österreichische Bundesminister gemeinsame Initiativen zur Kriminalitäts- samen Beziehungen Auffassungsunterschie- sowie den ungarischen Ministerpräsidenten bekämpfung diskutiert. Auf bilateraler und de gibt, werden diese in der bewährten ein- Gordon Bajnai und acht ungarische Minister multilateraler Ebene lag der Schwerpunkt vernehmlichen Form besprochen, „wie es im Schloß Esterházy. der Diskussionen auf Energie-, Umwelt- und sich für gute Freunde gehört“, so Faymann. Bundeskanzler Werner Faymann stellte Verkehrsfragen und es wurde die Koopera- „Wir möchten auch weiterhin unsere im Anschluß an die Sitzung fest, in wirtschaft- tion in Bildungs-, Kultur- und Wissenschafts- gemeinsamen Interessen abstimmen und auf lich schwierigen Zeiten gebe es für unsere fragen erörtert. Bundeskanzler Werner regionaler sowie auf internationaler Ebene - beiden Länder viel zu tun. „Wir müssen über Faymann und Premierminister Gordon vor allem im Kontext der Europäischen die Grenzen hinweg zusammenstehen und Bajnai unterzeichneten auch eine gemeinsa- Union – vertreten. In diesem Zusammen- die Herausforderungen annehmen. Unser me Erklärung, in der dem Wunsch nach einer hang bieten die zahlreichen Gremien, die wichtigstes Ziel kann es nur sein, wirtschaft- weiteren Vertiefung der Beziehungen beider sich in der bilateralen Zusammenarbeit be- liches Wachstum zu ermöglichen und die Länder Ausdruck verliehen wurde. währt haben, einen wesentlichen Eckpfeiler Beschäftigung zu steigern. Eine gute und Die Regierungen beider Länder stellten zur kontinuierlichen Bearbeitung grenzüber- verläßliche Zusammenarbeit und Partner- fest, daß bisher zahlreiche gemeinsame schreitender Fachfragen. Die Ministerinnen schaft ist gerade in diesen Zeiten von großer Projekte realisiert und vereinbarte Ziele er- und Minister der einzelnen Fachressorts ar-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 21 Österreich, Europa und die Welt beiten in diesen Bereichen sehr eng zusam- fahren haben. Heute verbindet uns eine ge- Ungarn und Österreich unterstrichen ihre men“, so Faymann. wachsene und bewährte partnerschaftliche Entschlossenheit, weiterhin dynamische Für- Einigkeit zeigten beide Regierungschefs Nähe“, erklärte Außenminister Michael sprecher für die europäische Integration der auch in der Frage der Ratifizierung des Lis- Spindelegger in Eisenstadt. Er und sein un- Westbalkanstaaten bleiben zu wollen. „So- sabonner Vertrages. „Keinesfalls dürfen garischer Amtskollege Péter Balázs disku- wohl der rasche Beitritt Kroatiens zur EU als Menschenrechte oder Ansprüche von Ver- tierten insbesondere weitere Möglichkeiten auch die europäische Perspektive des rest- triebenen geschmälert werden. Eine Benach- zur Vertiefung der Zusammenarbeit im Rah- lichen Westbalkan liegen im vitalen Inter- teiligung kommt für uns in keiner Form in men der Europäischen Union. Besondere esse unserer beiden Staaten“, sagte Spin- Frage. Wir verstehen, daß es noch Diskussio- Aufmerksamkeit wurde dabei der Vorbe- delegger, der zugleich anregte, im Rahmen nen geben kann. Diese dürfen aber nicht auf reitung der EU-Präsidentschaft gewidmet, der Regionalen Partnerschaft Ungarns, dem Rücken der Vertriebenen ausgetragen die Ungarn im ersten Halbjahr 2011 über- Österreichs, Polens, Tschechiens, der Slo- werden. Wir werden daher sehr genau darauf nehmen wird. „In der Union der 27 gewin- wakei und Sloweniens wieder verstärkt achten, welche Formulierungen in der nen regionale Kooperationen immer mehr an Aktivitäten für die Westbalkanstaaten zu set- Schlußphase des Ratifizierungsprozesses Bedeutung. Gerade kleinere Staaten wie zen. „Gerade für die Jugend dieser Länder, vorgeschlagen werden“, so Faymann. Österreich und Ungarn müssen ihre Kräfte die ja die Zukunft dieser Region entschei- „Wir sind uns darin einig, daß die heutige bündeln, um ihre Interessen bestmöglich dend mit gestalten wird, müsse noch mehr gemeinsame Regierungssitzung einen wich- getan werden, etwa durch die Einrichtung tigen Beitrag zur weiteren Vertiefung der eines Westbalkan-Stipendienfonds.“ hervorragenden Beziehungen Österreichs und Ungarns darstellt. Unsere gemeinsamen Sit- Mitterlehner setzt auf zungen sind ein Fixpunkt in den bilateralen verstärkte Kooperation Beziehungen zwischen Österreich und Un- Wirtschaftsminister Reinhold Mitterleh- garn. Wir haben daher vereinbart, diese ein- ner hat die Themen Energie und Tourismus zigartige Zusammenarbeit auf höchster poli- sowie die EU-Dienstleistungsrichtlinie an- tischer Ebene in der schon bewährten Form gesprochen. „Wir setzen große Hoffnungen fortzusetzen, so Faymann abschließend. in die anstehende nationale Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, die uns mehr Mög- Bajnai: Zusammenarbeit in der lichkeiten für grenzüberschreitende Koope- bewährten Form fortsetzen rationen bietet. Wir brauchen mehr Wettbe- Der ungarische Ministerpräsident Gordon werb und weniger Protektionismus, um Bajnai hob die 100jährige gemeinsame neues Wachstum zu fördern.“ Geschichte beider Länder und das beispiel- Zudem betonte Mitterlehner den großen gebend gute Verhältnis zwischen Ungarn Stellenwert des Tourismus: „Die Nahmärkte und Österreich für Europa hervor. Ebenfalls sind wichtiger denn je. Umso erfreulicher vorbildhaft sei die Kooperation im Bereich wäre eine Verstärkung der gemeinsamen der Kultur, so Präsident Bajnai und nannte touristischen Aktivitäten.“ Zuvor hatte der in die deutschsprachige Universität in Buda- LH Hans Niessl, Ungarns Ministerpräsi- Ungarn für Tourismus zuständige Minister dent Gordon Bajnai und Bundeskanzler pest als Beispiel. Er sprach weiters seine Werner Faymann (v.l.) Zoltan Varga die österreichischen Touris- Bedenken bezüglich der Effektivität der mus-Initiativen im Donauraum gelobt und Europäischen Verwaltung aus und wünschte durchsetzen zu können. Unser gemeinsamer zugleich neue Möglichkeiten für Koope- sich im diesem Zusammenhang die baldige Einsatz für den Westbalkan, die exzellente rationen angedacht – wie etwa grenzüber- Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch konsularische Kooperation und die Zusam- schreitende Radwege zwischen Österreich den tschechischen Präsidenten. menarbeit im Rahmen der Regionalen Part- und Ungarn. Beide Länder befürworteten, die Zu- nerschaft sind hierfür Erfolgsbeispiele. Un- Ein weiteres zentrales Thema der Re- sammenarbeit auf höchster politischer Ebene garn kann auch in seiner Vorbereitung auf gierungssitzung war der Energiebereich. in der bewährten Form fortzusetzen. Im seinen ersten EU-Ratsvorsitz selbstverständ- Mitterlehner betonte dabei die gemeinsame Zentrum künftiger Vorhaben steht unter lich auf unsere Unterstützung zählen“, so starke Rolle der beiden Länder für die anderem, einen integrierten Zugang zur Spindelegger. geplante Nabucco-Pipeline: „Angesichts der nachhaltigen Entwicklung der Region her- Der Außenminister betonte das große ös- steigenden Nachfrage nach Erdgas wird beizuführen. terreichische Interesse an der „Europäischen Europa durch Nabucco mit neuen und stabi- Strategie für den Donauraum“, die bis 2011 len Gasmengen versorgt werden, während Spindelegger: Kräfte in der EU bündeln umgesetzt werden soll: „Wir werden ge- den Lieferstaaten die Vorteile des europäi- „Bei der letzten gemeinsamen Regie- meinsam daran arbeiten, um die EU-Donau- schen Marktes offen stehen“, so der rungssitzung standen wir wenige Tage vor strategie zu einem Erfolgsprojekt des ungari- Wirtschaftsminister. Wichtig sei zudem der dem Schengenbeitritt Ungarns und heuer schen EU-Vorsitzes zu machen. Wir wollen Ausbau der europäischen Energienetze – wie feiern wir 20 Jahre Fall des Eisernen Vor- als Kernländer des Donauraums diese Chan- etwa der Györ-Leitung, für die inzwischen hangs – beide Ereignisse zeigen die enorme ce bestmöglich nützen, um das Zukunftspo- vom Wirtschaftsministerium alle Genehmi- Entwicklung, die die ungarisch-österreichi- tential der gesamten Region auszuschöp- gungen für den österreichischen Teil erteilt schen Beziehungen in den letzten Jahren er- fen.“ worden sind.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 22 Österreich, Europa und die Welt Russische Unterstützung für Österreichs UNO-Vorsitz Außenminister Michael Spindelegger traf russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau.

ußenminister Michael Spindelegger Aerklärte am 5. Oktober anläßlich seines Besuchs in Moskau, wo er in Vorbereitung auf Österreichs Vorsitz im Sicherheitsrat im November ein längeres Treffen mit dem rus- sischen Außenminister Sergej Lawrow hatte: „Ich freue mich über die Bereitschaft Ruß- lands, uns bei unserem Vorsitz im UNO- Sicherheitsrat tatkräftig zu unterstützen“, Österreich habe sich das konkrete Ziel ge- setzt, „den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten wieder an die Spitze der UNO-Agenda zu stellen. Wir wollen un- ter unserem Vorsitz im Sicherheitsrat die bestehenden internationalen Schutz-Instru- mente weiterentwickeln und modernisieren. Darfur, Sri Lanka, Kongo und andere rezen- te Konflikte zeigen, daß hier Handlungs- bedarf besteht. Ich habe daher meinen Kol- legen Lawrow, ebenso wie die anderen Part- ner im Sicherheitsrat, eingeladen dieses Vor- haben mitzutragen“, so Spindelegger weiter. Beide Außenminister erörterten auch jene internationalen Themen, die den Sicherheits- rat in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen werden. „Gerade in bezug auf den Iran zeigt sich, daß Rußland ein unerläß- licher Partner ist und in der internationalen Zusammenarbeit eine bedeutende konstruk- tive Rolle einnehmen kann. Der Umstand, daß Rußland bereit ist, bei der kontrollierten

Urananreicherung des Iran zu helfen, ist ein Foto: HOPI-MEDIA / Bernhard J. Holzner wesentlicher Bestandteil des geeinten Auf- Außenminister Michael Spindelegger (l.) traf bei einem offiziellen Arbeitsbesuch in tretens der internationalen Staatengemein- Moskau mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zu politischen Gesprä- chen zusammen. Thema war auch die Unterstützung für Österreichs UNO-Vorsitz. schaft gegenüber Teheran. Wir bauen darauf, daß Rußland seine Rolle auch weiterhin ver- abnehmen. Die EU und insbesondere auch die Wachstumsrate der Nächtigungen russi- antwortungsvoll gemeinsam mit den Part- die europäischen Bürger haben kein Ver- scher Touristen in Österreich durchschnitt- nern im Sicherheitsrat wahrnehmen wird.“ ständnis dafür, wenn bilaterale Probleme auf lich im zweistelligen Bereich. Hier gibt es „Energie ist und bleibt ein wesentliches ihrem Rücken ausgetragen werden. Der für beide Seiten noch viel Potential, das es Thema zwischen der Europäischen Union kommende Winter ist eine Gelegenheit, um zu nützen gilt“, so Spindelegger. Der Außen- und Rußland“, betonte Spindelegger, der auf das Vertrauen Europas in die Energie-Part- minister nützte die Gelegenheit, die auch die Besorgnis verwies, daß es diesen Winter nerschaft mit Russland wieder herzustellen“, noch ausständige Restitution österreichi- zu einer Neuauflage der Gaskrise kommen so der Außenminister. scher Kulturgüter anzusprechen: „Wenn- könnte. „Wir müssen sicherstellen, daß die Gegenstand der Gespräche waren auch gleich große Fortschritte erzielt wurden, ist europäischen Konsumenten nicht neuerlich bilaterale Themen: „Unsere Beziehungen zu die Rückgabe etwa der Bestände der jüdi- Opfer eines bilateralen Gas-Streits zwischen Russland sind traditionell eng und freund- schen Gemeinde Wien noch ausständig. Ich Russland und der Ukraine werden. Dabei schaftlich. Wie der zunehmende Tourismus vertraue darauf, daß hier eine rasche Lösung werden wir aber den beiden Parteien – Ruß- und Handel zeigen, ist Österreich für Ruß- gefunden wird.“ land wie Ukraine – nicht ihre Verantwortung land ein gefragter Partner. So liegt seit 2000 http://www.bmeia.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 23 Österreich, Europa und die Welt Schlüsselfaktor in der langfristigen Stabilisierung des Balkans Besuch von Außenminister Michael Spindelegger in Pristina und bei Österreichs KFOR Soldaten

sterreich und den Kosovo verbindet von ÖAnfang an eine freundschaftliche und enge Partnerschaft. Wir waren einer der Wegbegleiter des Kosovos in seine Unab- hängigkeit und haben den damaligen schwie- rigen Prozeß unter der Leitung von Martti Ahtisaari tatkräftig unterstützt“, erklärte Außenminister Michael Spindelegger am 9. Oktober anläßlich seines Besuchs im Kosovo. „Der Kosovo ist ein Schlüsselfaktor in der langfristigen Stabilisierung des Bal- kans. Unser vorrangiges Ziel ist und bleibt ein friedlicher, multiethnischer Kosovo, in dem alle Menschen, unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft in Wür- de und Sicherheit leben können“, so der Minister. Spindelegger weiter: „Das setzt aller- dings voraus, daß sich die Regierung aktiv um die serbische Minderheit bemüht. Ein Test werden dabei die Lokalwahlen im No- Fotos: HOPI-MEDIA / Bernhard J. Holzner BM Michael Spindelegger (l.) mit dem Präsidenten von Kosovo, Fatmir Sejdiu. vember sein. Ich hoffe, daß die serbische Be- völkerung sich zahlreich an diesem Wahl- allen voran die EU sind bereit zu helfen, Strukturen. Derzeit nehmen aus Österreich gang beteiligt. Es muß das Ziel der Regie- allerdings muß die Regierung in Pristina etwa 17 Polizistinnen und Polizisten, 2 Rich- rung in Pristina sein, aus diesen ersten Wah- auch die enge Zusammenarbeit mit EULEX- ter und 4 Justizwachebeamte an der Mission len im Kosovo ein ermutigendes Zukunfts- Mission suchen.“ EULEX teil. Zudem stellt Österreich im Rah- signal für alle Kosovaren zu machen“, unter- Österreich unterstützt seit der Unabhän- men der KFOR Mission mit knapp 700 Sol- strich Spindelegger. gigkeit den Kosovo beim Aufbau staatlicher daten das größte Kontingent aus einem Der Außenminister traf bei seinem eintä- Nicht-NATO Land. „Mit diesem internatio- gigen Besuch mit dem Präsidenten des Ko- nalen Engagement im Kosovo leisten wir sovo, Fatmir Sejdiu, sowie mit Premiermini- einen konkreten nachbarschaftlichen Stabili- ster Hashim Thaci zusammen. Am Rande sierungsbeitrag für die gesamte Region“, er- des Treffens mit Premierminister Hashim klärte der Außenminister. Thaci haben beide Politiker ein bilaterales „Österreich ist aber auch bilateral stark Rahmenabkommen über Entwicklungszu- engagiert. Wir wollen gerade im Wirtschafts- sammenarbeit unterzeichnet. Am Nachmit- bereich unsere Beziehungen gezielt ausbau- tag hat Spindelegger den österreichischen en“, so Spindelegger, der darauf verwies, KFOR Truppen und dem Kommendanten daß Österreich insbesondere in den Berei- der KFOR-Mission, Generalleutnant Markus chen Versicherung, Banken, Energie und Bentler, einen Besuch abgestattet. Bauwesen besondere Expertise anbieten „Die EU-Perspektive gilt für die gesamte könne. „Mit der heutigen Unterzeichnung Region des Westbalkan – somit auch für den eines Rahmenabkommens über Entwick- Kosovo“, betonte der Außenminister, der lungszusammenarbeit setzen wir einen wei- allerdings zugleich darauf verwies, daß der teren konkreten Schritt, um unsere Zu- Kosovo noch enormen Herausforderungen sammenarbeit auf eine gestärkte institutio- gegenüberstünde: „Das Hauptaugenmerk nelle Basis zu stellen. ich hoffe, daß wir auch muß auf die Stärkung der staatlichen Institu- bald Verhandlungen über ein Investitions- tionen und den Aufbau eines Rechtsstaates AM Spindelegger in einem KFOR Hub- abkommen aufnehmen können.“ liegen. Die internationale Gemeinschaft und schrauber auf dem Flug nach Pristina. http://www.bmeia.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 24 Österreich, Europa und die Welt »Österreich«-Eurobarometer Der vorliegende Bericht präsentiert die Österreich-Ergebnisse der 71. Standard- Eurobarometer-Befragung, die vom 12. Juni bis 6. Juli 2009 durchgeführt wurde.

ie Österreicher sahen sich im ersten andernorts in Europa. Doch es gab bereits Wirtschaftskrise ist endgültig in den Köpfen DHalbjahr 2009 vor allem mit zwei erste Anzeichen für bevorstehende Verschie- der Österreicher angekommen. Eine Mehr- Themen konfrontiert: Zum einen war dies bungen infolge der Krise. Von Frühjahr auf heit von 63 Prozent schätzt mittlerweile die die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise, Herbst 2008 befanden nur mehr 43 Prozent heimische Wirtschaftslage als schlecht ein. deren Auswirkungen mittlerweile auch die (-31 Pp) die Situation der europäischen Auch hinsichtlich der europäischen bzw. Realwirtschaft und den nationalen Arbeits- Wirtschaftslage für gut, mehr als jeder zwei- globalen Wirtschaftssituation bestätigt sich markt erreicht haben, zum anderen die Euro- te (54%) für schlecht. Noch schlechter beur- der Abwärtstrend. Und obwohl sich die Si- pawahl am 7. Juni, der ein intensiver Wahl- teilten die Österreicher die Weltwirtschaft: tuation am heimischen Arbeitsmarkt immer kampf vorausging. hier stimmten lediglich 27 Prozent der Aus- noch besser präsentiert als auf anderen euro- Zum Zeitpunkt der letzten Eurobaro- sage zu, diese befinde sich in einem guten päischen Märkten, hat sich der positive meter-Befragung begann die Finanz- und Zustand, 69 Prozent hielten sie bereits für Wert der Herbst-2008-Welle halbiert. Dem- Wirtschaftskrise gerade, sich global auszu- schlecht. Gleichzeitig stellte sich heraus, daß nach nennen bloß noch 30 Prozent der Öster- breiten. Die im Oktober 2008 zur Verfügung die Österreicher sich angesichts der Krise reicher die Situation „gut“, 69 Prozent befin- gestellten staatlichen Garantien für Kredite tendenziell der Europäischen Union anzunä- den sie für „schlecht“. Die Allgegenwär- zwischen den Banken waren ein erstes Indiz hern begannen. 47 Prozent der Österreicher tigkeit der Wirtschaftskrise drückt sich auch dafür, daß die Krise auch Österreich erreicht erkannten im Herbst 2008 in der Mitglied- in der Frage nach den beiden wichtigsten hatte. Nichtsdestotrotz waren die Österrei- schaft Österreichs Vorteile. Der Wert konnte Problemen des Landes aus: Jeweils 43 Pro- cher und Österreicherinnen zuversichtlich. sich im ersten Halbjahr 2009 halten. zent der Österreicher nennen die prekäre Dies bestätigte auch die letzte Eurobaro- Auch die Mitgliedschaft wurde vergange- wirtschaftliche Situation sowie die Arbeits- meter-Standard-Welle 70, die u.a. zeigte, daß nen Herbst mit 39 Prozent besser bewertet, losigkeit als die zwei dringendsten Proble- man in Österreich die wirtschaftliche Situa- mittlerweile liegt der Wert bei 41 Prozent. me, denen das Land im Juli 2009 gegenüber- tion des Landes durchaus besser beurteilte als Im Juli 2009 läßt sich konstatieren: Die steht. Grafik: Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich Die mitunter stärksten Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise spürt man am jeweiligen nationalen Arbeitsmarkt; hier erwarten sich 52 Prozent der Österreicher eher mehr als weniger Entscheidungen auf europäischer Ebene, um gegen die steigende Arbeitslosigkeit anzugehen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 25 Österreich, Europa und die Welt

Das zentrale europapolitische Ereignis der Arbeitslosigkeit im ersten Halbjahr 2009 Erwartungen an die der ersten Jahreshälfte 2009 stellte die Wahl schätzen die Österreicher ihre persönliche nächsten 12 Monate zum Europaparlament am 7. Juni dar. Dieser berufliche Situation ebenfalls gut ein (67%, Wenn es um die nächsten 12 Monate geht, ging ein Wahlkampf voraus, der seinen Fo- EU: 52%). Auch die finanzielle Situation des sind die Österreicher reserviert optimistisch. kus zu einem überwiegenden Teil auf natio- eigenen Haushalts sehen Herr und Frau Vor allem für die persönlichen Bereiche „Le- nale Belange legte. Zentrale Themen des Österreicher noch nicht in Gefahr; 71 Pro- ben im Allgemeinen“, „finanzielle Situation Wahlkampfs waren die Wirtschaftskrise, Ar- zent (EU: 65%) sagen, diese sei gut. des Haushalts“ und „persönliche Berufssitua- beitslosigkeit sowie die erhöhte Kriminali- tion“ erwarten sich die Österreicher mehr- tätsrate in Österreich. Unter den wenigen Einschätzung Österreichs heitlich, daß diese unverändert bleiben. Ar- EU-Themen nahm der EU-Beitritt der Tür- und Europas in der Krise beitslose und Studenten gehen am ehesten kei einen zentralen Platz ein. Auch spielte Wenn es um die Einschätzung nationaler von einer Veränderung in diesen Bereichen im die Frage der Wahlbeteiligung den gesamten und europäischer Stimmungen und Lagen nächsten Jahr aus. Auf Österreich und Euro- Wahlkampf hindurch eine wesentliche Rolle. geht, sind die Österreicher zunehmend pessi- pa sehen die Österreicher deutlich turbulen- Die allerorts diskutierte Frage war, wie viele mistischer. Blickt man auf diverse Konsum- tere Zeiten zukommen. So glaubt bereits mehr Österreicher sich von der Wichtigkeit der statistiken, scheint die Wirtschaftskrise noch als jeder Dritte, daß sich die österreichische Rolle des Europäischen Parlaments überzeu- nicht real im Alltag vieler Menschen ange- Wirtschaft im nächsten Jahr verschlechtern gen ließen und wie viele schlußendlich den kommen. Allerdings registrieren die Österrei- wird (36%). Dem halten 23 Prozent entge- Gang zur Urne antreten würden. cher durchaus, daß sich national wie interna- gen, die an einen Konjunkturaufschwung glau- Wie erwähnt beherrschten beide The- tional die Lage zunehmend schlechter darstellt. ben. Dennoch sind auch in dieser Frage jene men – Wirtschaftskrise wie Europawahl – Nur noch 36 Prozent (-24 Pp) der Öster- in der Mehrheit, die von einer Stagnation der im letzten halben Jahr die nationalen Medien reicher bewerten die heimische Wirtschafts- nationalen Wirtschaft ausgehen (39%). Dies und dürften somit einen nicht gering zu lage positiv, 63 Prozent (+25 Pp) schätzen erscheint in Zeiten der Konjunkturkrise, die schätzenden Einfluß auf das allgemeine sie eher schlecht ein. Dabei sind es vor allem ein hohes Maß an Instabilität und Unsicher- Meinungsbild sowie die Indikatoren dieser die älteren Mitbürger, die die nationale heiten mit sich bringt, doch auffällig. Befragungswelle haben. Über die detaillier- Wirtschaft zunehmend in Gefahr sehen, die Für den europäischen Wirtschaftsraum ten Auswirkungen soll der folgende Bericht jüngeren 15- bis 24jährigen sind hingegen befürchten 41 Prozent der Österreicher eine Aufschluß geben. Eines bleibt jedoch vorab am optimistischsten. Die Lage der europäi- Verschlechterung in den nächsten 12 Mona- festzuhalten: Europa und die Europäische schen Wirtschaft wird im Vergleich noch ten. Europaweit teilen nur 28 Prozent diese Union waren im letzten halben Jahr thema- schlechter bewertet; 73 Prozent glauben, es Meinung, insgesamt glaubt eine Mehrheit tisch um ein Vielfaches stärker präsent im gehe der europäischen Wirtschaft schlecht. der Europäer an eine stabile Entwicklung der öffentlichen Diskurs als in den vorangegan- Im Europaschnitt sind es 68 Prozent, die das europäischen Wirtschaft trotz Krise. gen Jahren. Direkt anschließend an diese sagen. Am schlechtesten aber wird die Situa- Auch die Entwicklung, die der nationale Einleitung folgt eine Zusammenfassung der tion der globalen Wirtschaft gesehen. Daß es Arbeitsmarkt im nächsten Jahr nehmen wird, Hauptergebnisse. Danach sollen allgemeine ihr gut gehe, sagen nur noch 19 Prozent der wird von einem großen Teil der Österreicher Fragen sowie die Einschätzung der persön- Österreicher und 15 Prozent der Europäer. negativ gesehen (45%). Insbesondere die lichen Situation einen Ausgangspunkt zur Die Lage am heimischen Arbeitsmarkt Selbständigen fürchten hier eine Verschlech- weiteren Betrachtung der Ergebnisse liefern. wird ebenso wie die wirtschaftliche Situation terung am Arbeitsmarkt (51%). Auffallend Anschließend daran folgen die Ergebnisse zunehmend negativ gesehen. Die internatio- ist, daß die jüngeren Österreicher in allen zu einigen der Schlüsselfragen zur momen- nale Konjunkturkrise hat in den letzten Mo- Fragen tendenziell optimistischer sind als tanen Wirtschaftskrise. Im Kapitel „Vertrauen naten zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit die älteren. Nicht nur schätzen die 15- bis in nationale und internationale Institutionen" geführt, dies haben auch die Menschen in 24jährigen ihre eigene Situation am positiv- befaßt sich der Bericht mit einem weiteren Österreich registriert. Waren es im Herbst sten ein, sondern sie gehen auch eher von zentralen Thema. Die Einstellungen der Ös- 2008 noch 61 Prozent, die dem österreichi- Verbesserungen oder zumindest einer stabi- terreicher zur Europäischen Union und ihren schen Arbeitsmarkt ein gutes Zeugnis aus- len Lage für die nächsten 12 Monate aus. Institutionen bilden den zweiten Schwer- stellten, sind es im Juli 2009 um die Hälfte we- punkt des vorliegenden Berichts. Im Anhang niger (30%). Dennoch liegt Österreich damit Vertrauen in nationale und befinden sich die technischen Spezifika- weit über dem EU-Durchschnitt (13%). internationale Institutionen tionen sowie der nationale Fragebogen. Mit Bezug auf diese Ergebnisse ist es Wie auch in dieser Befragungswelle, lie- nicht weiter überraschend, daß die Österrei- gen die Österreicher traditionell über dem Allgemeine Stimmung cher die gegenwärtige wirtschaftliche Situa- EUDurchschnitt, wenn es um das Vertrauen und Ausgangslage tion sowie die Arbeitslosigkeit als die beiden in nationale Institutionen geht. Die Justiz Die Österreicher definieren sich nach wie wichtigsten Probleme nennen (jeweils 43%), genießt in dieser Frage das größte Vertrauen vor in erster Linie durch ihre nationale Iden- denen sich Österreich als Land momentan (73%, EU: 48%). Den politischen Parteien tität (95%). Nichtsdestotrotz fühlen sich be- stellen muß. Auf persönlicher Ebene empfin- vertrauen in Österreich 40 Prozent der Men- reits 78 Prozent der Österreicher als Europäer. den die Österreicher hingegen die Inflation schen, der Wert ist damit leicht im Steigen Dabei bewerten die Österreicher ihr Leben und die steigenden Preise als wichtigstes begriffen. Europaweit vertrauen lediglich 19 überdurchschnittlich positiv. 85 Prozent der Problem (51%). An zweiter Stelle rangiert Prozent aller Europäer den politischen Par- Befragten sind mit ihrer persönlichen Lebens- aber bereits die gegenwärtige prekäre wirt- teien ihres Landes. Der österreichischen situation zufrieden (EU: 77%). Trotz steigen- schaftliche Situation (25%). Bundesregierung und dem österreichischen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 26 Österreich, Europa und die Welt

Nationalrat vertrauen weit mehr als die Hälf- nächst der Euro als Einheitswährung, für 46 der EU in den Bereichen Arbeitslosigkeits- te aller Österreicher (jeweils 58%). Damit Prozent die Freiheit, überall in der EU zu rei- bekämpfung (Mittelwert: 3,9), Kriminalitäts- liegt Österreich auch in dieser Frage deutlich sen, zu studieren und zu arbeiten. Ex aequo bekämpfung (Mittelwert: 4,3) und der Ge- über dem EU-Durchschnitt (jeweils 32%). am zweiten Platz liegt allerdings bereits die währleistung wirtschaftlichen Wachstums Das Vertrauen in die Europäische Union Assoziation mit einer höheren Kriminalitäts- (Mittelwert: 4,5). Eine Mehrheit der Öster- bleibt im Vergleich zu den vorherigen Be- rate, die besonders unter den älteren Mit- reicher (71%) spricht sich weiters für eine fragung weitestgehend konstant, steigt sogar bürgern stärker ausgeprägt ist. Europäische Währungsunion mit dem Euro leicht an (44%, +2 Pp). Dennoch gibt es in als einheitliche Währung aus. Die Erweite- Österreich eine relative Mehrheit, die der Institutionen der Europäischen Union rungsskepsis ist in Österreich weiter hoch: EU nicht vertraut (49%). Am stärksten ver- Ähnlich wie die nationalen Institutionen nur jeder vierte Österreicher könnte sich die trauen die Länder Ostmitteleuropas der EU, sind auch die Institutionen der Europäischen Aufnahme weiterer Länder in die Union vor- allen voran Estland (68%), die Slowakei und Union in Österreich überdurchschnittlich be- stellen, 67 Prozent reagieren ablehnend. Rumänien (jeweils 65%). Europaweit er- kannt. Das Europaparlament erreicht dabei reicht der Vertrauenswert im Juli 2009 er- einen Bekanntheitswert von 89 Prozent (EU: Zukunft der EU neut 47 Prozent und erweist sich somit trotz 89%), die Europäische Kommission von 83 Interessanterweise wünschen sich die Ös- Krise und Europawahl erstaunlich stabil. Prozent (EU: 78%) und die Europäische terreicher durchgehend in allen abgefragten Der UNO vertrauen abschließend 57 Prozent Zentralbank kennen in Österreich 86 Prozent Bereichen mehr Entscheidungen auf europä- in Österreich, das damit einmal mehr über (EU: 75%). ischer Ebene. Insbesondere in den Bereichen dem EU-Durchschnitt liegt (53%). Leicht über dem EU-Durchschnitt ist im Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung Wahljahr 2009 das Vertrauen der Österrei- sowie der Zusammenarbeit im Bereich For- Österreichs Mitgliedschaft in der EU cher ins Europaparlament (50%, EU: 48%). schung und Innovation erkennen die Öster- Der leichte Aufwärtstrend, der sich in den Der Europäischen Kommission vertrauen 43 reicher zunehmend die Notwendigkeit einer beiden zentralen Fragen nach der Einschät- Prozent der Österreicher (EU: 44%). 45 Pro- gemeinsamen europäischen Zusammenarbeit. zung der Mitgliedschaft Österreichs in der zent vertrauen der Kommission eher weni- Allerdings gilt es, das Subsidiaritätsprinzip Europäischen Union zuletzt zeigte, hält auch ger, ein Wert, der vor allem von den älteren stets zu berücksichtigen: Die Österreicher er- im Juli 2009 weiter an. 41 Prozent (EU: 53%) Mitbürgern und Frauen forciert wird. Der warten sich von der EU vor allem einen ge- der Österreicher finden, die Mitgliedschaft Europäischen Zentralbank vertrauen in Zei- wissen Nutzen und ein effizientes Reagieren Österreichs in der EU sei eine gute Sache, 38 ten der Krise 58 Prozent der Österreicher. auf ihre Alltagssorgen, und sie erwarten sich Prozent (EU: 28%) sind unentschieden und Österreich liegt dabei weit über dem EU- von der EU augenscheinlich, in jenen Berei- lediglich 19 Prozent (EU: 15%) geben an, sie Durchschnitt von 44 Prozent. chen besonders aktiv zu werden, in denen der wäre eine schlechte Sache. In der Frage, ob Nationalstaat nicht mehr alleine effizient re- Österreichs Mitgliedschaft dem Land Vorteile Demokratie und Mitsprache agieren kann. Dies stellt sich gerade in Zei- verschaffen würde, antworten erneut 47 Pro- Die Österreicher haben mehrheitlich das ten der globalen Wirtschaftskrise deutlich dar. zent (EU: 56%) zustimmend, für 43 Prozent Gefühl, ihre Stimme zähle zwar etwas im (EU: 31%) ist dies nicht der Fall. Auffallend eigenen Land (69%), jedoch nicht, daß ihre Bekanntheit des EU-Vorsitzes ist, daß sowohl die österreichischen wie auch Stimme in Brüssel gehört würde: nur 37 Pro- Die Österreicher sind überdurchschnittlich die europäischen Werte in beiden Fragen zent stimmen der Aussage „Meine Stimme gut über die jeweiligen Ratspräsidentschaf- erstaunlich stabil sind. Wirtschaftskrise und zählt in Europa“ zu. Eine relative Mehrheit ten informiert. Von der tschechischen Rats- Europawahl dürften sich somit weder be- der Österreicher befürchtet außerdem, daß präsidentschaft im ersten Halbjahr 2009 ha- sonders positiv noch negativ auf die grund- Österreichs Stimme innerhalb der EU nicht ben immerhin 55 Prozent der Österreicher – sätzliche Einstellung der Bevölkerung zur genug zählt (48%). Daß Österreichs Inter- und damit deutlich mehr als im europäischen Union ausgewirkt haben. essen in Brüssel berücksichtigt werden, Durchschnitt (34%) – gehört oder gelesen. Ebenfalls erwähnenswert ist der lineare glaubt folgerichtig nur jeder Dritte (32%). Besser informiert sind im Ländervergleich Abwärtstrend, der in beiden Fragen in Öster- nur die Slowaken (68%), am schlechtesten die reich mit höherem Alter sichtbar wird. Beurteilung wichtiger Briten (13% haben von der Präsidentschaft Schätzen beispielsweise noch 55 Prozent der EU-politischer Bereiche etwas gehört oder gelesen, 86% nicht). Über 15 bis 24jährigen die Mitgliedschaft Öster- Entgegen dem Trend, die EU vor allem die Präsidentschaft Schwedens ab 1. Juli ha- reichs als eine gute Sache ein, sind es nur als technokratisches, wirtschaftliches und ben in Österreich zum Zeitpunkt der Befra- mehr 36% Prozent der über 55jährigen, die lobbyistisches Projekt wahrzunehmen, beur- gung – die im übrigen vor 1. Juli zu Ende dies so sehen. Auch das Image der EU steigt teilen die Österreicher die Union gerade in war – 41 Prozent etwas gehört oder gelesen. in Österreich leicht an: 34 Prozent haben ein den Bereichen Forschung (Mittelwert: 5,6 Auch hier liegt Österreich erneut über dem positives, 28 Prozent ein negatives Image. auf einer 10stufigen Skala, auf der 1 „sehr EU-Durchschnitt (21%). EU-weit genießt die Union bei 45 Prozent schlecht“ und 10 „sehr gut“ bedeutet), De- der Europäer ein positives Image, bei 16 mokratie (Mittelwert: 5,6) und Gesundheit Diese Studie Prozent hingegen ein schlechtes. (Mittelwert: 5,3) am besten. Auch bei der wurde im Auftrag der Generaldirektion Wenig überraschend sind die beiden Top- Gewährleistung der Energieversorgung be- Kommunikation durchgeführt und auch von Assoziationen, die die Österreicher im urteilen die Österreicher die Arbeit der Union dieser koordiniert. Dieser Bericht wurde für Zusammenhang mit der Europäischen Union gut (Mittelwert: 5,3). Am schlechtesten hin- die Vertretung der Europäischen Kommis- haben. Für 55 Prozent bedeutet die EU zu- gegen bewerten die Österreicher die Leistung sion in Österreich verfaßt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 27 Österreich, Europa und die Welt Franz Fischler erläutert Der ehemalige EU-Kommissar, er war für den großen Bereich Landwirtschaft zuständig, hatte anläßlich der Tagung des Auslandsösterreicher-Weltbundes in Innsbruck (siehe Ausgabe 76) in einem Vortrag die Ergebnisse der Eurobarometer- Studie erläutert. Lesen Sie hier seine Beantwortung einiger Publikumsfragen.

Was machen die nationalen Institutionen und das gesamte EU-Budget für alle Bereiche. bald einmal einer diese, nach welchen Re- wofür übernehmen diese die Verantwortung? Da kann man sich also vorstellen, daß eine geln auch immer, passiert hat, dann ist er Was sind Gemeinschaftsaufgaben? reine Übertragung der Aufgaben auf europä- innerhalb der EU gleich zu behandeln. Und Fischler: Einer der großen Vorteile des Ver- ische Ebene nicht sehr viel weiterhelfen wird, es ist verständlich, daß sich der Bürger dage- trages von Lissabon ist es, daß mit ihm eine weil man dafür kein Geld zur Verfügung hat. gen auflehnt. Das sind also Beispiele für substantielle Verbesserung zustandekommt. Da wird dann entgegengehalten, man könnte Prüfsteine, an denen sich zeigen wird, wie Aber der Bereich, in dem es auch in Zukunft doch einiges koordinieren. Ja, das ist zweifel- die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen die meisten Schwierigkeiten geben wird, sind los richtig, aber trotzdem fehlt es zur Zeit Nationalstaaten und der EU sinnvoll be- jene Aufgaben, die werkstelligt werden weder der National- kann. Diese Fragen staat, noch die Ge- werden Europa die meinschaft für sich nächsten zehn Jahre lösen können: die ge- bestimmen. meinsamen – und in Wahrheit die wirklich Warum ist es beim ös- großen Aufgaben. terreichischen Bürger Ein Beispiel: Es leuch- nicht angekommen, tet wohl jedem ein, daß unser Land der daß Österreich die große Gewinner in Wirtschaftskrise für der EU ist? sich allein nicht lösen Fischler: Es ist schon kann. Aber es leuchtet richtig, daß eine – auch jedem ein, daß einigermaßen korrek- sie in Brüssel genau- te – Information die sowenig gelöst wer- Basis für ist. Wenn den kann – sondern, man den Bürgern Din- daß es darauf an- ge erzählt, die so ein- kommt, klarzulegen, fach nicht stimmen wie die unterschied- oder einfach die Infor- lichen Ebenen eine Franz Fischler bei der Erläuterung des Eurobarometers in Innsbruck. mation zu wenig ist, solche Krise mitein- ist es schwierig, einen ander lösen können. Da kommt dann die daran, daß es dem einzelnen Bürger klarge- guten Eindruck zu hinterlassen. In dieser sogenannte Koordinationsfunktion ins Spiel. macht wird, welchen Teil der sozialen Frage Richtung passieren auch Fehler. Ich glaube Es muß praktisch jeder mit jedem reden, der eigene Staat in Angriff nimmt und was aber, daß auch eine noch so korrekte und sonst ist das Ende der Geschichte, daß wie- woanders erledigt werden soll. Da bleibt dann noch so gute Information und auch noch so der jeder gegen jeden losgeht, daß man sich der müde Eindruck beim Bürger, daß Europa klare Fakten nicht ausreichen, um die abzuschotten beginnt – wie man ja da und zuständig ist, er aber „von Europa“ zu hören Einstellung der Bevölkerung gewinnen zu dort schon als mögliche Lösung hören kann. bekommt, daß es auch nicht zuständig ist. können. Wir sollten nicht unterschätzen, Man setzt, wie es heißt, dann wieder auf die Wenn ich ein Arbeitsloser bin, hilft mir das daß, zum Beispiel, das Wahlverhalten von eigene Kraft und gibt sich Illusionen hin, daß nicht wahnsinnig viel weiter, weil ich den Menschen sehr stark emotional und nicht nur man übernationale Aufgaben auf einmal be- Eindruck habe, ich bin der Bauer am Schach- rational gestaltet ist. Da spielen Sympathie ginnt, national zu lösen. Dasselbe gilt für The- brett, der hier herumgeschoben wird. Des- und Antipathie, da spielen Vorurteile, men wie den Klimawandel oder die Energie- halb ist die Frustration dem eigenen Staat Erfahrungen eine gewaltige Rolle – bishin politik, die ja auch unmittelbar zusammen- und Europa gegenüber immer größer. zur Angst. Wenn wir heute feststellen, wir hängen. Ein weiteres Beispiel ist die Immigration. Es brauchen Europa zur Bewältigung der Krise, ist für die Bürger nicht nachvollziehbar, daß ist dies sicher aus der Angst geboren, daß wir Es wird oft eine „sozialere Union“ gefordert. es an den verschiedenen „Eingangstoren“ zur in ähnlichen Verhältnissen landen könnten, Kann die EU so etwas umsetzen? Europäischen Union unterschiedliche Vor- wie in der großen Krise in den 30er-Jahren Fischler: Alleine das Sozialbudget der Bun- schriften gibt, unter welchen Voraussetzun- des vergangenen Jahrhunderts. Es ist sicher

Foto: Österreich Journal desrepublik Deutschland ist zu Zeit höher als gen jemand diese „Türe“ passieren darf. So- auch ein Problem, daß eine wachsende

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 28 Österreich, Europa und die Welt

Angst vorherrscht, andere Kräfte in der Welt über das entscheiden, was in der Welt Sache ist und immer weniger Europa. Es gibt genü- gend Studien, die sagen, wenn die aktuelle Entwicklung noch zehn oder 15 Jahre so läuft, wirtschaftlich Europa nur noch die Nummer 4 sein wird auf der Welt. Und wenn man hört, wie weit die außenpolitischen Meinungen innerhalb der europäischen Staaten auseinandergehen, wenn jeder seine eigenen außenpolitischen Süppchen kocht und das alles nach wir vor wichtiger ist, als einen gemeinsamen Sitz im Sicherheitsrat zu haben, dann ist das letztlich auch aus einer gewissen Sorge, wenn nicht sogar aus einer Angst vor der Zukunft heraus geboren. Man muß aber schon feststellen, daß Kommuni- kation ein zweiwegiger Prozeß ist: etwas, wo ich als Bürger einen Adressaten habe, wo ich weiß, daß ich mit dorthin mit einer Frage wenden kann. Da sind noch echte Mankos vorhanden. Und wenn man diese emotionale

Seite ignoriert, dann darf man sich nicht Foto: Österreich Journal wundern, daß die Sache nicht funktioniert. Franz Fischler: »Beim Thema Gentechnik steckt die EU in einem Dilemma.« Schauen wir zurück in die Geschichte des 19. Jahrhunderts, im wesentlichen die ich Ihnen einfach meinen Standpunkt: Das, gik. Ich würde empfehlen, das ein wenig ge- Geburtsstunde der Nationalstaaten – deren was die „grüne“ Gentechnik bisher kann, da lassener zu sehen und nicht auf die Verspre- Konstitutiva waren hauptsächlich Feinde von sehe ich praktisch keinen Nutzen für den chungen der Gentechnik-Lobby zu sehr zu außen. Und diese Phänomene sind ja nicht Konsumenten. Denn es gibt, im großen und hören, sondern den Hausverstand walten zu einfach verschwunden, die gibt es ja noch. ganzen, nur drei Konzepte. Das eine beruht lassen. Worauf man aber als Konsument Und all das muß man berücksichtigen, wenn darauf, daß man mithilfe von Gentechnik wirklich bestehen muß, ist, daß ich auf ein- man in Europa weiterkommen will. eine Pflanze gegen ein Pflanzenschutz- oder fache Art und Weise erkennen kann, ob ich Unkrautvernichtungsmittel resistent macht. ein Produkt kaufe, das gentechnisch verän- Sind die Europa-Befürworter eher Jugend- Das sind dann die sogenannten „Roundup- derte Organismen enthält, oder nicht. Das ist liche, oder mehr Ältere? Ready Soja Beans“. Das gibt es natürlich also bereits gesetzlich geregelt. Fischler: Wenn sie die 38 Prozent der Be- auch für Mais und jede Menge anderer Streit hingegen gibt es noch, wenn es darum völkerung nehmen, die für die EU sind und Pflanzen. geht, ob der Bauer die Freiheit hat, zu ent- diese nach Altersklassen ordnen, dann sehen Das zweite Konzept ist die Einpflanzung scheiden, ob er gentechnisch veränderte Sie, daß der relative Prozentsatz bei den eines Gens – hauptsächlich – in den Mais, Pflanzen anbauen will, oder nicht. Das Teuf- unter 20jährigen doppelt so groß ist, wie bei das dazu führt, daß der Pflanzensaft im Sten- lische an der Geschichte ist aber, daß man- den über 60jährigen. Tendentiell ist nach wie gel für gewisse Schmettlerlingslarven giftig che Bauern, die das nicht wollen, damit vor die jüngere Generation stärker pro Euro- wirkt. Damit wird ein wichtiger Schädling rechnen müssen, daß die ihren von den pa als die ältere. Wenn Sie das nach Ge- des Mais geschützt. Auch hier ist der Nutzen Nachbarfeldern infisziert werden – weil sich schlechtern aufgliedern, dann sind es weni- für den Konsumenten gleich Null. Noch da- der Anrainer eben für gentechnisch verän- ger Frauen, die dafür sind, als Männer. zu, wo er auch nicht billiger ist, als der ande- derte Pflanzen entschieden hat. Da muß man re. Somit kann ich jeden Konsumenten ver- entsprechende Vorkehrungen treffen, weil Am Beispiel Gentechnik hat man den stehen, der sagt: Ich brauche keine Gentech- das so nicht der Fall sein kann. Da ist die EU Eindruck, die EU möchte Österreich etwas nik, ich will Gentechnik-freie Produkte kau- bisher der Meinung gewesen, daß diese Auf- aufzwingen. Warum stellt sich das so dar? fen. In Europa hat man diesem Wunsch auch gabe, wie man das regelt, den einzelnen Mit- Fischler: Man muß erst einmal unterschei- Rechnung getragen, indem man gesetzlich gliedsstaaten überlassen wird. Diese haben den, von welcher Art der Gentechnik man eine entsprechende Kennzeichnung vorgege- aber keinen Gefallen daran gefunden, son- spricht. Es gibt, etwa in der Pharmaindustrie, ben hat. Obwohl wir damit auch ein wenig dern versuchen jetzt ständig, diese Aufgabe jede Menge Gentechnik, gegen die sich kein unglaubwürdig sind. Soll, zum Beispiel, in zurück nach Brüssel zu schicken. Das Pro- Mensch aufregt. Im Gegenteil, große Phar- Österreich, gentechnisch veränderter Mais blem soll dort gelöst werden. Da ist nun die maunternehmen, wie die Novartis, stellen dazu verwendet werden, ein Schwein zu füt- Union als Ganzes in einem gewissen kein einziges Medikamente mehr her, das tern, dann ist das verboten. Wenn ich Fleisch Dilemma, denn von Staats wegen zu verbie- nicht auf der Gentechnik basiert. Sie meinen von einem mit gentechnisch verändertem ten, „grüne“ Gentechnik einzusetzen, ist nur mehr die „grüne“ Gentechnik, also die Ver- Mais gefütterten Schwein verkaufe, ist das durchsetzbar, wenn zunächst ein Risiko wendung in der Landwirtschaft. Dazu sage nicht verboten. Das ist österreichische Lo- nachgewiesen wird. Dieses muß nicht groß

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 29 Österreich, Europa und die Welt sein, aber irgendein Risiko, das wissen- morgen zu lösen. Es ist richtig, da stecken ken hindurch auch ganz gut funktioniert. schaftlich erkannt wird, muß gegeben sein. wir in einem gewissen Dilemma. Wie kom- Wenn Sie diesen Stammpfeiler der Union Bis jetzt hat dieses Risiko niemand nachge- men wir da heraus? Ich denke, es kann nur beibehalten wollen, werden Sie unter den wiesen, nochdazu, wo derzeit weltweit 200 mit konkretem Handeln reagiert werden. Mitgliedsstaaten keinen finden, der bereit Millionen Hektar mit gentechnisch verän- Und den Mitgliedsstaaten muß klar werden, wäre, etwa die Urkaine zu finanzieren. Und derten Sorten bebaut werden. Wenn nun die daß den Menschen gesagt werden muß, daß das trifft dann besonders auf Staaten zu, bei EU akzeptieren würde, daß dies einzelne das gemeinsame Europa zur Lösung von denen man darüber streiten kann, ob sie über- Mitgliedsstaaten einfach verbieten, würde Problemen beiträgt und nicht verursacht. haupt zu Europa gehören, wie dies bei der dies ein Panel vor der World Trade Associa- Türkei der Fall ist. tion (WTO) und Hunderte Millionen Euro an Wo liegen die Grenzen Europas? Strafzöllen nach sich ziehen. Dadurch ist die Fischler: Man kann darüber viel philoso- Warum Brüssel und Straßburg? EU gewissermaßen Gefangene ihrer eigenen phieren. Um es einfach zu machen, bringe Fischler: Jeder vernünftige Mensch wird fra- Mitgliedsstaaten, die nämlich als Mitglieder ich ein Zitat von einem unverdächtigen gen, warum machen die drei Wochen der WTO jeder einzeln und für sich diese Zeugen, damals noch ein gewisser Josephus Parlament in Brüssel und eine Woche in Regelung mit dem nachweisbaren Risiko Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI. In Straßburg – und das jeden Monat? Es ist ja unterzeichnet haben. einer Bischofssynode in Rom hat eben diese nicht nur, daß die Akten der Parlamentarier Frage Kardinalprimas Jozef Glemp von Po- hin- und hergeführt werden müssen, auch Ist die Europäische Union zu schnell len gestellt mit dem Hintergrund, ob da viel- jeder Kommissar hat in Straßburg ein eige- gewachsen? leicht sogar einmal Rußland dazugehören nes Büro. Es ist nicht zu verstehen – mit Aus- Fischler: Stellen Sie sich vor, man hätte ge- könnte. Ratzinger sagte damals: „Europa nahme der Tatsache, daß bei der Gründung sagt, man solle mit der großen Erweiterung kann man nicht geographisch definieren, Eu- der Europäischen Union die Franzosen dar- noch weiter zuwarten. Und dafür hat es wohl ropa kann man nur historisch, besser kultu- auf bestanden haben, daß es einen französi- viele Argumente gegeben wie: die Demokra- rell bestimmen.“ In Wirklichkeit sollte man, schen Standort geben muß. Das steht mit tien dort sind noch nicht reif genug, die fan- was die Europäische Union anbelangt, klei- Straßburg in den europäischen Verträgen – gen ja erst an, Demokratie zu lernen, etc., nere Brötchen backen und bescheidener sein. und ist nur mit Zustimmung der Franzosen etc. Doch welcher verantwortungsvolle Poli- Denn, wenn man ehrlich ist, ist es genauso dort wieder herauszubekommen, weil das tiker wäre das Risiko eingegangen, das in eine Fiktion, wenn man EU und Europa einen einstimmigen Beschluß erfordert. Bis einer solchen Konzeption durchaus vorhan- identisch setzt. Auf Jahrzehnte und auf jede heute hat niemand etwas nennen können, den ist, daß es am Ende des Tages auch in abschätzbare Zeit hin ist es undenk- und was man den Franzosen Gutes tun könnte, eine ganz andere Richtung gehen könnte, nicht machbar, daß alle geographisch in Eu- damit sie auf den Standort Straßburg ver- weil ja Rußland und andere Interessen nicht ropa liegenden Staaten Mitglieder der Union zichten würden. schlafen. Auch China macht ja Werbung für sein können. Da brauche ich noch gar nicht sein Gesellschaftsmodell. Von daher glaube über Rußland philosophieren. De facto ist es Wie kann es sein, daß man das Gefühl hat, ich, war es vollkommen richtig, diese Erwei- so, daß die Balkan-Staaten eine Zusage ha- daß die eigenen EU-Abgeordneten nicht die terung zu realisieren – wissend, daß man ben, sie könnten früher oder später Mitglie- „erste Wahl“ sind, wenn sie nach Brüssel sich da einige Schwierigkeiten einhandelt. der werden, wenn sie die Voraussetzungen geschickt werden? Was jetzt fehlt, ist, daß zu wenig darüber erfüllen. Die meisten erfüllen diese nicht, es Fischler: Um es ein wenig bildlich darzu- nachgedacht wird, wie man die nächsten wird also eher später als früher sein. Natür- stellen: Wenn Sie die ORF-Fernsehsendung Schritte setzen soll. lich können die Schweiz und Norwegen jeder- „Zeit im Bild 1“ nehmen, die hat eine Sende- zeit beitreten – Nettozahler sind immer herz- dauer von 20 Minuten. Wenn Sie nun die Ist das vereinte Europa schon greifbar, oder lich willkommen – aber dann ist im großen Zeit, etwa für den Wetterbericht und ähnli- ist es noch weit entfernt? und ganzen Schluß. Es kann sich, zumindest ches abziehen, bleiben vielleicht 10 Minuten Fischler: Wenn es uns gelingt, die Jugend nach jetztigen Gegebenheiten, kein Mensch für politische Beiträge übrig. Jetzt stellen Sie dazu zu bewegen, zu sagen, „Europa ist vorstellen, daß man ein Land wie die Ukraine, sich einmal vor, was – auch – in Wien pas- cool“, haben wir schon sehr viel erreicht. Moldawien oder Weißrußland in die Union sieren würde, wenn zumindest einmal pro Aber das gelingt zur Zeit zu wenig, und zwar aufnimmt. Das ist auf absehbare Zeit un- Woche der österreichische Europapolitiker deshalb, weil man sich zu stark zum Teil in denkbar – außer, man würde eine ganz ande- zu Wort käme. Alle Pressesprecher der Mi- bürokratiebeladenen Projekten verfängt und re EU im Auge haben. nister würden gemeinsam beim ORF anru- nicht zu wirklichen Lösungen kommt son- Sie dürfen nicht vergessen: Ein ganz wesent- fen, und fragen, was denn das für eine Schwei- dern zu Kompromissen, die dann von den licher Bestandteil des Funktionieren der EU nerei wäre. Es gäbe doch wichtigere The- Menschen als eher „faule“ Kompromisse derzeit ist das, was man „Kohäsionspolitik“ men. Denn die nationalen Themen sind im- empfunden werden. Auch da spielt viel nennt, sprich, daß man versucht, den ärme- mer noch wichtiger als die europäischen. Da Emotionales eine Rolle. Und es gibt derzeit ren Regionen unter die Arme zu greifen, so- sollen sie ein Magazin machen, um 23 Uhr auch zu wenig Leadership auf den politi- daß sie sich besser entwickeln können und 50, oder so. Das ist die Realität, diese Frage schen Bühnen – gerade in Europa. Die Spin- sich allmählich, so ist zumindestens die Hoff- entscheidet sich nicht allein am Vermögen Doktoren haben viel zu sehr das Sagen und nung, an den Durchschnitt der Union annä- oder Unvermögen der Europapolitiker, son- es wird zu wenig langfristige Politik ge- hern. Das hat ja in verschiedenen Regionen, dern auch daran, wieviel Europa die nationa- macht. Die wirklichen Probleme, die wir denken Sie an Irland, an den Raum Lissa- le Politik in der Information überhaupt zu- haben, sind aber auch nicht von heute auf bon, denken Sie an Südspanien, einige Strek- läßt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 30 Österreich, Europa und die Welt Europa nachhaltig kommunizieren Österreich und die EU – auch knapp 15 Jahre nach dem Beitritt unseres Landes ist dieses Verhältnis von Ambivalenz geprägt.

bwohl gerade Österreich von EU-Mit- Im Rahmen der Aktion „Europaschirm“, welche Bereiche auf nationalstaatlicher Ebe- Ogliedschaft und EU-Erweiterung profi- getragen von der Wirtschaftskammer Öster- ne geregelt werden und wo die EU zuständig tiert hat, ist der öffentliche und mediale Dis- reich und dem Österreichischen Gemeinde- ist. Von Medien und politisch Verantwortli- kurs in nicht unbeträchtlichem Ausmaß von chen wird schließlich nicht selten verschwie- EU-Kritik, ja ausgeprägter Skepsis beherrscht. gen, daß Österreich bei EU-Entscheidungs- Ein paradoxes Phänomen, schließlich zeigen prozessen gleichberechtigt eingebunden ist Umfragen, daß eine Mehrzahl der Österrei- und mitentscheidet. cherInnen der EU-Mitgliedschaft positiv All diese Aspekte bilden einen potentiel- gegenübersteht. len Nährboden für EU-Skeptizismus. Daher Die Zustimmung zum EU-Beitritt im Juni ist weiter kontinuierliche Informationsarbeit 1994 war nicht zuletzt das Resultat einer gefragt. Wesentlich sind ein zielgruppenge- gemeinschaftlichen Informationsarbeit von rechter Ansatz sowie ein offener Dialog über Regierung, Sozialpartnern, Interessensvertre- Vorteile und Defizite des Integrationsprozes- tungen, Vereinen und Initiativen – ein positi- ses. Es muß deutlich gemacht werden, wie ver Schwung, der jedoch nach dem Beitritt gerade der/die einzelne im täglichen Leben zusehends an Elan eingebüßt hat. Kontinuier- von der Mitgliedschaft profitiert. Ein klares liche Information ist aber angesichts der Bekenntnis der Entscheidungsträger zu Eu- komplexen Strukturen und Abläufe auf euro- ropa, ein Zusammenwirken aller maßgeb- päischer Ebene eine grundlegende Vorausset- lichen Akteure, wäre vonnöten. zung, um Sinn und Mehrwert des Europäi- Die ÖGfE sieht sich einer offenen EU- schen Integrationsprozesses zu vermitteln. Informationsstrategie verpflichtet. Erfolgrei- Die Österreichische Gesellschaft für che Initiativen wie die Informationsarbeit für Europapolitik (ÖGfE) ist bestrebt, diesem Jugendliche und Senioren sollen gemeinsam

Grundsatz entsprechend, die europäische Foto: Schnür / ÖGfE mit unseren Partnern intensiv fortgeführt, Integration breiten- und öffentlichkeitswirk- Paul Schmidt, Strategien zum Dialog mit explizit EU-skep- sam zum Thema zu machen – Europa nach- Geschäftsführender tischen Gruppen entwickelt werden. Die haltig zu kommunizieren. Als parteipolitisch Generalsekretär der ÖGfE ÖGfE lädt alle herzlich ein, sich an diesem unabhängige Plattform auf sozialpartner- Dialog über den Europäischen Integrations- schaftlicher Basis hat die ÖGfE die wesent- bund, konnte das Thema „Europäische Inte- prozeß zu beteiligen. lichen Schritte des Integrationsprozesses be- gration“ direkt in rund 120 Gemeinden gleitet, wobei der EU-Beitritt, die Einfüh- transportiert werden. Neuer Generalsekretär rung des Euro sowie die Erweiterung beson- Die gestiegene Beteiligung an den Wah- „Der Europäische Integrationsprozeß dere Schwerpunkte darstellten. len zum Europäischen Parlament macht betrifft uns alle: sein Mehrwert mu´ß konti- In den vergangenen Monaten stand die deutlich, daß die EU in Zeiten der Finanz- nuierlich kommuniziert und erklärt werden. Informationsarbeit zu den Wahlen zum Euro- und Wirtschaftskrise im Bewußtsein der Insbesondere EU-skeptische Zielgruppen päischen Parlament im Mittelpunkt der Ak- Menschen an Relevanz gewonnen hat. Wie sollen, in einem offenen und objektiven Dia- tivitäten. In Zusammenarbeit mit dem Bun- Umfragen der ÖGfE zeigen, ist die Zahl log, verstärkt angesprochen werden“, hält desministerium für europäische und interna- jener, die für den Verbleib Österreichs bei Paul Schmidt, der neue geschäftsführende tionale Angelegenheiten, der Vertretung der der EU eintreten, auf 72 Prozent gestiegen. Generalsekretär der ÖGfE, der in den letzten Europäischen Kommission und dem Infor- Ebenso meint eine Mehrzahl, daß die Zu- drei Jahren stv. Leiter der Repräsentanz der mationsbüro des Europäischen Parlaments in sammenarbeit auf EU-Ebene bester Garant Oesterreichischen Nationalbank in Brüssel Wien waren österreichweit drei Wanderaus- ist, der Krise zu begegnen. war, fest. Gemeinsam mit Klaus Liebscher, stellungen auf Tour. Bei rund 170 Diskus- Trotz positiver Tendenz gibt es nach wie der der ÖGfE als Präsident vorsteht, sieht es sionsveranstaltungen an Schulen konnten vor gravierende Kommunikationsdefizite, Schmidt als vorrangige Aufgabe an, die mehr als 25.000 SchülerInnen direkt erreicht wenn es gilt, den Mehrwert des Integrations- Österreichische Gesellschaft für Europa- werden. Weiters war die ÖGfE auf Bildungs- prozesses zu vermitteln. So sind etwa der Ver- politik weiterhin als überparteiliche und und Seniorenmessen sowie in 31 Wiener trag von Lissabon oder die EU-Erweiterung unabhängige Plattform auf sozialpartner- Pensionistenwohnhäusern mit einem umfang- in der öffentlichen Wahrnehmung oft negativ schaftlicher Basis zu positionieren. reichen Informationsangebot vertreten. besetzt. Weiters herrscht Unklarheit darüber, http://www.euro-info.net

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 31 Aus Südtirol LH Durnwalder und LR Mussner übergeben 20 Fertighäuser »Wir wissen, wie schwer es für die Bewohner von Ocre ist, in die Normalität zurückzukehren, und hoffen, daß diese Häuser zumindest einen kleinen Beitrag zu dieser Rückkehr leisten.«

it diesen Worten hat Landeshauptmann MLuis Durnwalder am 21. Oktober ge- meinsam mit Landesrat Florian Mussner 20 Fertighäuser übergeben, die das Land für die Erdbebenopfer in den Abruzzen errichtet hat. Der staatliche Zivilschutz, heute vertre- ten durch dessen Chef Guido Bertolaso, hat dem Land die Ortschaft Ocre – 1000 Ein- wohner, zwölf Kilometer von L’Aquila ent- fernt – als Einsatzort zugewiesen. In den Fraktionen San Felice und San Panfilo sind so 20 Fertighäuser entstanden, in denen 72 Bürger von Ocre Platz finden werden. Zur Verfügung gestellt werden Wohnungen für zwei, vier bzw. sechs Personen, die in spätestens einer Woche bezugsfertig sind. „Es ist wichtig, daß die Bewohner von Ocre Häuser in ihrem Heimatort beziehen können und nicht abwandern müssen“, so Durnwal- der bei der Übergabe der Fertighäuser an die Waren innerhalb einer Woche bezugsfertig: 20 Fertighäuser haben LH Durnwalder und LR Mussner der Gemeinde Ocre übergeben Gemeinde Ocre. „Das Land, alle beteiligten Fachleute und Die Arbeiter haben dafür gesorgt, daß rund standen, während wir in San Felice mit der die ausführenden Unternehmen haben alles 35.000 Kubikmeter Erde bewegt und drei starken Hangneigung zu kämpfen hatten“, so daran gesetzt, die Häuser schnellstmöglich Kilometer Kabel verlegt worden sind. „Die Mussner, der die Arbeit der Projektanten fertigzustellen, damit die Bewohner nicht Arbeiten waren überaus anspruchsvoll, auch hervorgehoben hat: „Sie mußten die Projekte länger in Zelten ausharren müssen“, so der weil die uns zugewiesenen Baugründe in in kürzester Zeit erarbeiten und konnten sich Landeshauptmann. Die Häuser – allesamt San Panfilo unter archäologischem Schutz dabei nur auf wenige Informationen stüt- Klimahäuser B - umfassen eine Fläche von zen“, so der Landesrat. 1270 Quadratmetern und eine Kubatur von Landeshauptmann Durnwalder hat sich 4440 Kubikmetern, sie werden vollständig bei Gianmatteo Riocci, dem Bürgermeister eingerichtet. Errichtet wurden sie im Auftrag von Ocre, bedankt: „Er hat uns unsere Arbeit des Landes vom Unternehmen „Unionbau“, nicht durch allzu viele bürokratische Aufla- die Firma „Jungmann“ hat für die Einrich- gen erschwert und die Bevölkerung der Ge- tung gesorgt. Neben den 20 Fertighäusern meinde hat für Kost und Logis für unsere hat das Land zudem Plattformen für elf wei- Arbeiter gesorgt“, so Durnwalder, dessen tere Häuser zur Verfügung gestellt, die vom Dank zudem an die ausführenden Unterneh- staatlichen Zivilschutz errichtet werden. men ging: „Sie haben flexibel und schnell Insgesamt wurden rund 2,5 Millionen Euro gearbeitet, sodaß wir die Häuser nicht nur in die Erdbeben-Hilfe investiert. rechtzeitig vor Wintereinbruch, sondern auch Landesrat Mussner erinnerte daran, daß vor dem geplanten Zeitpunkt übergeben die Infrastruktur-Arbeiten von Fachleuten können“, erklärte der Landeshauptmann. des Landesstraßendienstes erledigt worden Riocci seinerseits hob die Qualität der zur sind. Jeweils rund ein Dutzend von ihnen Verfügung gestellten Häuser hervor. Er habe waren in 15-Tage-Schichten im Einsatz, ins- bereits eine Menge an Fertighäusern gese-

gesamt 110 Tage oder 1300 Stunden lang, Fotos: Südtiroler Landesregierung hen, diejenigen, die Südtirol zur Verfügung und zwar – wie betont wurde – in freiwilli- LH Durnwalder bei der Begehung des stelle, gehörten allerdings zu den qualitativ ger Arbeit auch über die Dienstzeit hinaus. Areals in Ocre besten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 32 Wirtschaft Hilfe für die Milchbauern 280 Mio. Euro mehr für krisengeschüttelte EU-Milchbranche – Berlakovich: EU-Kommission kommt unserer Forderung endlich nach Foto: BMLFUW/Kern Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich (mit Milchkanne) traf in Wien mit seinen europäischen Amtskollegen zu einem Gespräch über die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 und zu einem Milchgipfeltreffen zusammen.

ngesichts der dramatischen Milchmarkt- und die EU-Finanzminister müßten den nun- bis Februar 2011 kommen. Außerdem sei Alage sollen im EU-Landwirtschaftshaus- mehr 280 Mio. Euro nun noch zustimmen. heute eine Notfallklausel beschlossen wor- halt 2010 zusätzliche 280 Mio. Euro für die „Es ist erfreulich, daß die EU-Kommis- den. Demnach müsse die Kommission bei europäischen Milcherzeuger bereitgestellt sion der beim Milchgipfel in Wien konkreti- Auftreten eines größeren Problems am werden. Dies wurde insoferne notwendig, sierten Forderung nach einer größeren Un- Milchmarkt nicht erst eine Ratssitzung ab- als im EU-Raum die Preise, die die Milch- terstützung für die europäischen Milchbäue- warten, um rasch reagieren zu können. bauern erlösen, drastisch zurückgegangen rinnen und -bauern nachkommt und 280 Mio. Was den Vorschlag der Kommission zum sind und vielfach deren Existenz gefährdet Euro an zusätzlichem Geld bereitstellt. Das nationalen Ankauf von Milchquoten von je- ist. war eine unserer zentralen Forderungen. Ich nen Bauern, die aufgeben wollen, betrifft, EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer erwarte mir, daß das Europäische Parlament zeigte sich Berlakovich hingegen skeptisch. Boel ging am 19. Oktober somit auf die vehe- und die EU-Finanzminister dieser Maßnah- Er habe das immer als defensive Maßnahme menten Forderungen vieler EU-Mitglieds- me rasch zustimmen. Wichtig ist mir, daß gesehen. Es sei nicht sinnvoll, die Landwirte staaten – darunter auch Österreich – nach das Geld dann unmittelbar den Milchbauern aus der Milchproduktion herauszudrängen. weiteren Hilfen für diese krisengeschüttelte zugute kommt“, betonte Landwirtschaftsmi- Im Hinblick auf die vor dem Ratsgebäude Branche ein. Sie habe „ihre Taschen geleert nister Niki Berlakovich. abgehaltenen Protestkundgebungen von rund und noch 280 Mio. Euro aufgetrieben“, er- Was die Verteilung der zusätzlichen 5000 Bauern, die vom European Milk Board klärte Fischer Boel zu Beginn des EU- Agrar- Mittel auf die einzelnen EU-Länder betrifft, (EMB) organisiert wurden, das kleinere Ver- ministerrates in Luxemburg. meinte der Ressortchef, daß sie sich an der bände, wie die österreichische IG Milch oder Die Agrarminister aus 21 EU- Mitglieds- Milchproduktion orientieren könnte. Die den Bundesverband Deutscher Milchvieh- staaten hatten sich nach einem von Bundes- Summe für Österreich könnte bei 4 bis 5,5 halter (BDM), vertritt, meinte der Minister: minister Nikolaus Berlakovich initiierten Tref- Mio. Euro liegen. Positiv wertete Berlako- „Wir können keine unendlich hohen Erzeu- fen eine Woche zuvor in einem gemein- vich zudem, daß die Intervention für Butter gerpreise versprechen. Aber die Milch- samen Brief unter anderem für einen mit 300 und Magermilchpulver bis Februar 2010 fort- bauern können erwarten, daß wir etwas für Mio. Euro ausgestatteten, neuen Milchfonds gesetzt werde. Sollte es notwendig sein, sie tun. Leider kommt es auch zu radikalen ausgesprochen. Das Europäische Parlament könne es auch noch zu einer Verlängerung Tendenzen, das ist bedauerlich.“ Auch der

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 33 Wirtschaft

Deutsche Bauernverband (DBV) distanzier- und teilweise widersprüchliche Ziele zu er- läufig, heißt es in dem Bericht. Darüber hin- te sich von der Demonstration. Mit den dis- reichen; dazu gehören das Marktgleichge- aus wird festgehalten, daß sich der Erzeuger- kutierten 280 Mio. Euro bewege sich der wicht, die Preisstabilisierung für Milcher- und der Verbraucherpreis für Milch nicht EU-Agrarministerrat in die richtige Rich- zeugnisse und die Sicherung einer angemes- parallel entwickeln, da sie unterschiedlichen tung, auch wenn die Summe nicht ausreiche, senen Lebenshaltung für Erzeuger sowie die Einflüssen unterliegen. Der Hof empfiehlt meinte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der daher eine regelmäßige Beobachtung des europäischen Milchprodukte“, heißt es in Preisbildungsprozesses im Lebensmittelsek- Copa/Cogeca: Auch andere EU- dem Bericht. tor durch die Kommission. „Die Konzentra- Agrarbereiche brauchen Hilfe tion der Verarbeitungs- und Handelsunter- Die Dachverbände der EU-Bauern und nehmen darf die Milcherzeuger nicht in die ihrer Genossenschaften (Copa und Cogeca) Lage von Preisnehmern drängen und die begrüßten die 280 Mio. Euro für den Milch- Möglichkeiten der Endverbraucher, ange- sektor, sprachen sich jedoch für mehr Maß- messen an Preissenkungen beteiligt zu wer- nahmen aus, um die Krise in allen EU- den, nicht einschränken“, wird im Hinblick Agrarbereichen zu lösen. „Das Handeln der auf die zunehmende Handelskonzentration EU-Kommission geht nicht weit genug. angemerkt. Auch viele Produzenten in allen Agrarbe- Im Zusammenhang mit dem Ziel, Milch- reichen, besonders im Schweinefleisch-, erzeugern eine angemessene Lebenshaltung Getreide-, Olivenöl-, Zuckerrüben- und Rin- zu sichern, stellt der Hof fest, daß das stati- dersektor haben mit großen Schwierigkeiten stische Durchschnittseinkommen der Milch- zu kämpfen. Noch nie zuvor hatten wir eine erzeuger im Beobachtungszeitraum gleich Situation, in der jeder einzelne Agrarbereich blieb oder sogar anstieg. Dies sei auf eine unter Druck gestanden ist. Weitere Markt- Reihe von Gründen zurückzuführen, wie et- maßnahmen müssen eingeführt werden, da- wa eine höhere Produktivität, den wachsen- mit diese Bereiche überleben können und den Anteil der Beihilfen am Einkommen der um ein weiteres Zugrundegehen der ländli- Milcherzeuger und auf die stetig abnehmen- chen EU-Regionen abzuwenden. Europa de Zahl der Betriebe. kann nicht mit Landwirten weitermachen, die am Rande des Bankrotts stehen“, beton- Konzentration der Milcherzeugung hat negative Auswirkungen auf te Copa-Präsident Padraig Walshe. Foto: European Communities, 2009 Berggebiete EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel Warnung des EU-Rechnungshofs hat »ihre Taschen geleert und noch Zwischen 1995 und 2007 nahm in der Während die EU-Kommission sowohl an 280 Mio. Euro aufgetrieben«. EU-15 die Zahl der Milchbetriebe um die der geplanten jährlichen Erhöhung der Produktion wirksam durch Hälfte ab. Der Trend zur Konzentration der Milchquoten sowie an deren Abschaffung im Quoten eingeschränkt Produktion dürfte sich fortsetzen und be- Jahr 2015 festhält, warnte wenige Tage zu- Bezüglich des Marktgleichgewichtes ge- schleunigen, wenn die Erzeugung in den am vor der Europäische Rechnungshof vor den langt der Hof zu dem Schluß, daß die Milch- wenigsten begünstigten Gebieten zurückgeht Folgen dieser Maßnahmen: In einem am quoten die Produktion wirksam einge- oder verschwindet, und in den Regionen mit 15. Oktober veröffentlichten Sonderbericht schränkt haben, jedoch im Vergleich zur intensiver Landwirtschaft eine Konzentra- stellt der Rechnungshof fest, „daß die Aufnahmefähigkeit des Marktes lange Zeit tion der Erzeugung zu beobachten sein wird, Milchquoten die Produktion wirksam einge- zu hoch angesetzt waren. Der Hof empfiehlt, geben die Experten des Rechnungshofes zu schränkt haben“ und im Vergleich zur Auf- die Entwicklung des Milchmarktes weiter zu bedenken. Es sollten daher Strategien über- nahmefähigkeit des Marktes sogar einige überwachen, „um zu verhindern, daß die Li- legt werden, mit denen sowohl die spezifi- Zeit zu hoch waren. beralisierung des Sektors zu einer neuen schen Probleme der benachteiligten Regio- Der Hof empfiehlt, die Entwicklung des Überproduktion führt. Andernfalls könnte nen – vor allem der Berggebiete – als auch Milchmarktes weiter zu überwachen, „um zu sich das Ziel der Kommission, das Regulie- die Auswirkungen der geographischen Kon- verhindern, daß die Liberalisierung des Sek- rungsniveau durch eine Art Sicherheitsnetz zentration der Milcherzeugung auf die Um- tors zu einer neuen Überproduktion führt“. möglichst gering zu halten, schnell als unre- welt bewältigt werden können. Er warnt auch davor, daß die Milchproduk- alisierbar erweisen“, gibt der Hof zu beden- tion in der Union in die Gunstlagen abwan- ken. Anteil der EU am Welthandel sinkt dern könnte und speziell die Berggebiete Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit dadurch unter Druck kommen würden Quoten bewirkten Stabilisierung wird festgestellt, daß der Anteil der EU am In dem nunmehr vorliegenden Sonder- der nominellen Erzeugerpreise Welthandel mit Milcherzeugnissen seit 1984 bericht überprüft der Rechnungshof, ob die Zum Ziel der Preisstabilisierung stellt der schrumpft. Die europäischen Erzeuger für EU-Marktsteuerungsinstrumente für Milch- Rechnungshof fest, daß sich der nominale Grunderzeugnisse (Butter und Milchpulver) erzeugnisse ihre wichtigsten Ziele seit Ein- Erzeugerpreis für Milch in den Jahren 1984- seien auf den Märkten nur bei entsprechend führung der Quoten im Jahr 1984 umgesetzt 2006 gegenüber der Zeit vor der Quotenein- hohen Weltmarktpreisen wettbewerbsfähig. haben. „Die von der Union verfolgte Milch- führung wenig verändert habe. Der reale Lediglich die Hersteller von Käse und ande- politik ist darauf ausgerichtet, weitreichende Wert des Erzeugerpreises war jedoch rück- ren Erzeugnissen mit hohem Mehrwert

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 34 Wirtschaft könnten am globalen Markt mit langfristigen se erlauben, so wie vom Parlament im Sep- Grenze zu senken, ab der die Abgabe erho- Marktanteilen rechnen. Die Kommission tember gefordert, erklärte Fischer Boel dem ben wird. Der restliche Anteil der Über- und die Mitgliedsstaaten sollten sich daher Landwirtschaftsausschuß. Die Abgeordneten schußabgabe würde weiterhin von der EU vorrangig auf die Bedarfsdeckung des euro- nahmen eine Änderung am Gesetzesvor- erhoben, an den EU-Haushalt gezahlt und päischen Binnenmarktes konzentrieren und schlag vor, nach der diese Maßnahme nur zur EU-weiten Umstrukturierung des Sek- erst ergänzend auf die Herstellung von Käse befristet bis April 2010 gelten soll. tors verwendet werden, so wie bisher. und anderen Erzeugnissen mit hohem Nationale Regierungen sind nicht ver- Mehrwert, die ohne Budgethilfe für den pflichtet, die zusätzliche Geldstrafe zu erhe- Weltmarkt exportfähig sind. ben. Zudem wäre es eine befristete Maßnah- me, die von April 2009 bis April 2010 läuft. Kritische Faktoren bei Liberalisie- Das Parlament hat die Maßnahmen mit rung des Milchsektors beachten 480 Stimmen bei 109 Gegenstimmen und 27 Im Hinblick auf die geplante Abschaf- Enthaltungen verabschiedet, sie müssen nun fung der Milchquoten ab 2015 verweist der noch vom Ministerrat angenommen werden, Rechnungshof auf „kritische Faktoren, die um in Kraft treten zu können. bei der Liberalisierung des Milchsektors zu berücksichtigen sind“. Als Beispiele für Wlodkowski: Großer Erfolg des öster- mögliche negative Auswirkungen werden reichischen Landwirtschaftsministers die Erhöhung der Milchproduktion bei „Wir sind sehr froh darüber, daß sich die gleichzeitigem Sinken der Erzeugerpreise Europäische Kommission endlich bewegt hat und eine Verringerung des Betriebseinkom- und 280 Mio. Euro aus nicht verbrauchten mens trotz Erhöhung der erzeugten Mengen Agrargeldern für Europas Milchbauern zur

genannt. Steigende Überschüsse könnten zu Foto: Landwirtschaftskammer Österreich Verfügung stellen will. Der besondere Dank einem höheren Exporterfordernis und letz- ÖkR Gerhard Wlodkowski dabei gilt Landwirtschaftsminister Nikolaus tendlich zu sinkenden Weltmarktpreisen füh- Präsident der Landwirtschaftskammer Berlakovich, dem es gelungen ist, mit insge- ren, geben die Experten zu bedenken. Österreich und der Steiermark samt 21 EU-Staaten ein konkretes Hilfspro- Der zweite Legislativvorschlag würde gramm für die europäische Milchwirtschaft EU-Abgeordnete für Hilfspaket den Mitgliedstaaten einen Teil der Über- zu erstellen, für das sich nun die Kommis- Größtenteils positiv reagierten die Mit- schußabgabe (Geldstrafe der Bauern, die sion offensichtlich erwärmen konnte. Dieses glieder des Landwirtschaftsausschusses des mehr als die Ihnen erlaubte Quote produzie- Geld soll den Milchmarkt in Europa stabili- Europäischen Parlaments am 19. Oktober auf ren) zur Verfügung stellen, welche sie zur- sieren, damit sich der Erzeugerpreis für die das von der Kommission vorgeschlagene zeit erheben, wenn die Milcherzeugung die Bauern wieder erholen kann“, erklärte Hilfspaket für die europäischen Milchbauern. erlaubte nationale Produktionsmenge über- Gerhard Wlodkowski, Präsident der Land- Der Ausschuß war am Rande der Plenar- schreitet. Diese zusätzlichen Mittel könnten wirtschaftskammer Österreich, zur Zusage tagung zu einer Sondersitzung zusammenge- sie zur Umstrukturierung des Milchmarktes der Europäischen Kommission. kommen, um sich mit den Vorschlägen zu verwenden. „Obwohl die europäische Milchanliefe- befassen. Das Europäische Parlament hatte Dieser zusätzliche Anteil entstünde, rung im laufenden Jahr um ca. 0,9% gesun- im vergangenen September gefordert, die wenn ein Mitgliedsland sich entscheidet, die ken ist, gibt es wegen starker Export- EU müsse auf die Probleme der Milchbauern auch mit finanzieller Hilfe reagieren. In manchen EU-Ländern hat sich der Milch- preis seit 2007 halbiert, entsprechend sind die Einnahmen der Milchbauern eingestürzt. In einer getrennten Abstimmung über den Haushalt für das nächste Jahr befürwortete das Parlament am 22. Oktober jedoch die Einrichtung eines Fonds mit 300 Mio. Euro. Die Parlamentarier billigten auch einen Antrag, der es der Kommission ermöglicht, schnell Gegenmaßnahmen bei Störungen am Milchsektor zu treffen, d. h. wenn die Preise auf dem Gemeinschaftsmarkt deutlich stei- gen oder sinken. Die Kommission hat diese Befugnisse bereits für andere Sektoren der Landwirtschaft, z.B. den Fleisch- oder Zuk- kermarkt.

Mit den neuen Befugnissen könnte die Foto: ÖVP / Jakob Glaser Kommission auch die private Lagerung von Die Milchkannen werden 365 Tage im Jahr frisch gefüllt – auch wenn sie den Milch- verschiedenen Produkten einschließlich Kä- bauern wesentlich weniger Einkommen bringen, als die früher noch der Fall war.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 35 Wirtschaft

Rückgänge und eines etwas schwächeren Verbrauches von Milchprodukten einen er- heblichen Überschuß am EU-Markt. Die nun in Aussicht gestellten Geldmittel und die bereits laufenden Maßnahmen, wie Export- stützung und Intervention, aber auch stärke- re Belastung der Überlieferer, sollen mithel- fen, den Absatz zu steigern und die Anliefe- rung zu verringern, damit wieder ein Gleich- gewicht zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt werden kann. Somit können wir verhindern, daß die EU-Interventionslager bei Butter und Milchpulver weiter anwach- sen“, ergänzte Wlodkowski.

Agrarpolitik hat gehandelt „Neben den bereits gesetzten Maßnah- men, wie Einlagerung und verstärkter Ex- port, Einführung einer Milchkuhprämie und Vorziehen der EU-Ausgleichszahlungen hat die Agrarpolitik in Österreich auch in Rich- Foto: AMA / Gert Eggenberger tung Bauern, die ihr Lieferrecht überschrei- Stephan Mikinovic, GF der AMA Marketing und Dir. Helmut Petschar, Präsident der ten, ein Signal gesetzt: Bereits diesen Som- Vereinigung Oesterreichischer Milchverarbeiter (VÖM) bei der Pressekonferenz zum Thema »Milchprodukte - Neue Herausforderung fuer die Klassiker des mer wurden im Marktordnungsgesetz Rege- Lebensmittelhandels« vor dem 1. AMA Milchforum in Pörtschach. lungen beschlossen, die das Überliefern von Milch über die einzelbetriebliche Milchquo- Petschar, beim AMA-Milchforum in Pört- noch sehr hoch. Klarer Sieger in diesem te hinaus im laufenden Jahr wesentlich ver- schach in Kärnten. Der Absatz von Milch- Match ist die länger haltbare ESL-Milch, die teuern. Wir wollen nicht nur Hilfe von produkten im heimischen Handel präsentiere schon fast ein Drittel des Gesamtmarktes außen, wir setzen auch selbst Maßnahmen“, sich insgesamt relativ stabil, berichtete der (32%) ausmacht. Leicht erholt hat sich mit so Wlodkowski weiter. Geschäftsführer der AMA Marketing, Ste- einem Marktanteil von 19% die Haltbar- phan Mikinovic. milch. Die österreichischen Konsumenten Milchmarkt ab 2015 Er zeigte sich mit Petschar darüber einig, geben jährlich pro Kopf im Schnitt 39 Euro „Es ist eine Tatsache, daß in der EU die daß die heimischen Molkereien künftig vor im Handel für Trinkmilch aus. An der Spitze Milchquotenregelung ab dem Jahr 2015 nicht allem mit Frische, Qualität und Herkunft im Bundesländervergleich liegen dabei die mehr existieren wird. Experten auf europäi- punkten können. Nachdem im ersten Halb- Kärntner mit mehr als 45 Euro. scher und österreichischer Ebene arbeiten jahr 2010 die gesamte Palette österreichi- derzeit an Modellen, die mithelfen sollen, scher Milchprodukte auf kontrollierte Gen- Frische und Herkunft bleiben einerseits die Milchproduktion auch in den technikfreiheit umgestellt sein wird, werde wichtigste Kaufargumente Berg- und benachteiligten Gebieten weiter- man auf den In- und Auslandsmärkten ver- Damit sich die österreichische Milch- führen zu können und andererseits Europas stärkt mit diesem Merkmal zu punkten ver- wirtschaft auf den immer härter umkämpften Milchwirtschaft wettbewerbsfähig zu ma- suchen, so Petschar. In- und Auslandsmärkten weiterhin gut be- chen. Die bäuerliche Interessenvertretung haupten könne, müsse sie sich mehr denn je bringt jedenfalls in diese Verhandlungen den Milchabsatz im Handel stabil – auf ihre Stärken konzentrieren, waren sich Standpunkt der heimischen Erzeuger ein und ESL-Milch gewinnt dazu Mikinovic und Petschar einig: „Der günstige sucht konkret nach Lösungen für eine gesi- Die im heimischen Lebensmittelhandel Preis ist zwar für jeden zweiten Konsumen- cherte Milchwirtschaft in Österreich. Denn gekauften Mengen an Milchprodukten sind ten ein wichtiges Kaufargument, aber bei das ist nicht nur im Interesse tausender derzeit insgesamt relativ stabil, berichtete weitem nicht das einzige. In einer Fessl- Bauernfamilien, das wollen auch die Mikinovic. Zieht man das jeweils 2. Tri- GfK-Umfrage vom November 2008 haben Konsumenten“, so Wlodkowski. mester (Mai bis August) der Jahre 2008 und 73% der Befragten die Frische der Ware als 2009 als Vergleichszeitraum heran, so ist so- oberstes Kriterium genannt, gefolgt von der AMA: Milchwirtschaft kann verstärkt gar eine leichte Steigerung erkennbar. Der heimischen Herkunft mit 64%“, berichtete mit Gentechnikfreiheit punkten Pro-Kopf-Verbrauch an Konsummilch (Trink- Mikinovic. Als drittes wesentliches Kaufkri- „Die Signale am europäischen Milch- milcherzeugnisse inklusive Joghurt und terium könne die kontrollierte Gentechnik- markt sind derzeit wieder positiv. Für eine Sauermilch) war im Jahr 2008 mit 80,4 kg so freiheit zu einem Wettbewerbsvorteil der Trendwende sind aber noch weitere Maß- hoch wie nie zuvor. Allerdings hat es in die- heimischen Molkereien – insbesondere auch nahmen auf EU-Ebene notwendig“, erklärte sem Segment deutliche Verschiebungen ge- auf den Auslandsmärkten – werden, unter- der Präsident der Vereinigung Österreichi- geben: Die klassische Frischmilch verliert strich Petschar. Hier verfüge Österreich in scher Milchverarbeiter (VÖM) und Ge- seit Jahren, ihr Anteil ist auf 49% gesunken, Europa gewissermaßen über ein Alleinstel- schäftsführer der Kärntnermilch, Helmut im europäischen Vergleich ist er aber immer lungsmerkmal.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 36 Wirtschaft Die Bedeutung von Wettbewerb für Wachstum und Beschäftigung in Österreich Die Intensität des Wettbewerbs steht nicht hoch im Kurs auf der wirtschafts- politischen Agenda in Österreich. Österreich teilt diese Unterschätzung mit vielen kleinen Volkswirtschaften, aber auch mit Frankreich und Italien.

n Österreich als kleinem Land mit weni- den Bereichen Wachstum, Beschäftigung und reich vorgegeben (Fluglinie, Einzelhandel). Igen Konzernzentralen versuchte die Wirt- Einkommensverteilung größere wirtschaftli- Sanktionen wegen Kartellbildung und schaftspolitik bis weit in die 1990er-Jahre, che Erfolge. Am höchsten ist die Wettbe- Marktmißbrauch werden nur vereinzelt das Entstehen von großen internationalen werbsintensität unter den europäischen Län- national, primär aber von der EU verhängt. Unternehmen zu forcieren und kleine inlän- dern in Dänemark, das seine exzellente Posi- Dies hat nicht nur mit der Gestaltung der dische Unternehmen vor übermächtiger Kon- tion in Wirtschaftsleistung, Beschäftigung und Institutionen zu tun, sondern beginnt mit dem kurrenz zu schützen. Nach der Integration in Ökologie der Kombination von Investitions- Fehlen einer Wettbewerbsgesinnung in Ös- die Europäische Union und der Öffnung des anstrengungen, aktivierender Sozialpolitik terreich. Die Bedeutung des Wettbewerbs für Ostens hat Österreich weiter profitiert: Das und hoher Wettbewerbsintensität verdankt. Arbeitsplätze und Innovationen wird nicht früher hohe Handelsbilanzdefizit ist wegge- genügend erkannt. Es gibt keine vorwärtsge- schmolzen, die Leistungsbilanz ist hoch ak- Reformdruck von außen richtete Wettbewerbspolitik, die ohne direk- tiv, Österreich ist einer der größten Inve- Die Rahmenbedingungen für den Wettbe- ten Bezug zu einem Anlaßfall Wettbewerbs- storen in Zentral-, Ost- und Südeuropa. werb haben sich in den letzen 20 Jahren ent- schwächen orten und beheben würde. Grün- scheidend geändert. Der größte Druck für dungen sind noch immer teuer und zeitauf- Österreich nur an 11. Stelle rechtliche Veränderungen ging von der EU- wendig, die Reform des Venture-Capital- unter 29 Ländern Ebene aus. Die faktische Intensivierung des Marktes zur Forcierung innovativer Gründun- Laut OECD weist Österreich jedoch vor Wettbewerbs geht auf den EU-Beitritt, die gen vollzieht sich sehr schwach, Unterneh- allem im Dienstleistungsbereich Liberalisie- Ostöffnung und die Globalisierung zurück. men wachsen nach ihrer Gründung nur lang- rungsdefizite auf. Würden diese beseitigt, Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es, Per- sam. Der Preisauftrieb war im Jahr 2008 – dann könnte die gesamtwirtschaftliche Pro- sonen und Unternehmen zu Veränderungen wenig überraschend – in Österreich in jenen duktivität mittelfristig bis langfristig um 0,4 zu befähigen und die Fairness des Wettbe- Sektoren höher, in denen der Wettbewerb Prozentpunkte pro Jahr rascher wachsen. werbs zu garantieren. Ausbildungsschwächen schwächer ist (Energie, Nahrungsmittel, Das WIFO hat die Wettbewerbsintensität in und temporäre Beschäftigungsprobleme sind Arzneimittel). Nach Abflachen der Inflation Österreich nach einem weiter gefaßten An- wirtschaftspolitisch offensiv zu lösen, immer verloren auch die Maßnahmen zur Forcie- satz einem internationalen Vergleich unter- mit Blick auf künftige Chancen und Stärken. rung des Wettbewerbs wieder an Dynamik. zogen. Dazu wurden zwölf Indikatoren ver- Entsprechend hat sich das Wettbewerbsrecht Wettbewerbselemente fehlen auch im Uni- wendet, die teilweise aus qualitativen Ein- gewandelt – vom Schutzgedanken für beste- versitätssystem und an den Schulen. Hier er- schätzungen von Führungskräften stammen, hende Betriebe zur Forcierung eines fairen, folgt mehr vertikale Differenzierung als teilweise aus Daten über Zeit und Kosten offenen Wettbewerbs. An die Stelle der Ge- horizontale Leistungsmessung. von Betriebsgründungen, die Häufigkeit von werbepolitik i. e. S. trat immer mehr eine Die Wirtschaftskrise wird die Frage nach Förderungen und Subventionen, die Höhe aktive, gründungsfreundliche Politik für der Intensität des Wettbewerbs, nach der Re- und Persistenz von Gewinnen und die Höhe Klein- und Mittelbetriebe, die für einen gro- gulierung von Sektoren und dem Eingreifen der Export- und Importströme. ßen Teil der Beschäftigung, aber auch der zugunsten inländischer Unternehmen neu Österreich nimmt nach diesen Indikato- Innovationen und Dienstleistungen verant- stellen. Sie darf nicht dazu führen, bestehen- ren die 11. Stelle von 29 Ländern ein. Diese wortlich sind und eine symbiotische Ergän- de Strukturen zu perpetuieren, sondern soll Position ist angesichts der außerordentlich zung zu inländischen und internationalen genutzt werden, künftige Bedürfnisse früh hohen Pro-Kopf-Einkommen nicht adäquat – Großbetrieben darstellen. aufzuspüren. Eine Verschärfung der Gewerbe- süd- und zentraleuropäische Länder liegen Die Institutionen der Wettbewerbspolitik ordnung wird diesmal im Gegensatz zu den wie Österreich im Mittelfeld. Führungskräf- wurden ebenfalls reformiert, sie entfalten Krisen 1873 und 1929/1932 unterbleiben, te bemängeln das zu große Ausmaß der Sub- aber nicht immer ihre volle Wirksamkeit und eher sollten die Chancen zur Schaffung von ventionen, den hohen Finanz- und Zeitauf- sind nicht ausreichend mit Ressourcen aus- Arbeitsplätzen durch weitere Liberalisierung wand für Betriebsgründungen und Defizite gestattet. Sie sind aber auch nicht optimal der freien Berufe genutzt werden. Fusionen in der Gesetzgebung zur Wettbewerbspoli- positioniert und deshalb auch nicht beson- und Größe werden im Gefolge der Krise kri- tik. ders wirksam. Fusionen werden in Österreich tischer betrachtet werden: „too big to fail“ Gemäß Querschnittsvergleichen erzielen so gut wie nie abgelehnt, Bedingungen wer- wird zu einem Problem der Wirtschafts- Länder mit höherer Wettbewerbsintensität in den eher von der EU-Ebene denn von Öster- politik.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 37 Wirtschaft Österreichs Wirtschafts- wachstum dreht wieder ins Plus Ergebnisse des OeNB-Konjunkturindikators vom Oktober 2009 – Österreichs Exporte im Fahrwasser der Krise gebremst

ie Konjunkturaussichten für das zweite der Realwirtschaft mit einer Verzögerung De facto zum Stillstand kam im Umfeld DHalbjahr haben sich zuletzt deutlich ver- von einigen Monaten. Bis August gingen ge- der Wirtschafts- und Finanzkrise der heimi- bessert. Gemäß den aktuellen Ergebnissen genüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres sche Kapitalverkehr mit dem Ausland: Ös- des OeNB-Konjunkturindikators ist für das 67.000 Arbeitsplätze verloren. Trotz Kurz- terreichs strategische Unternehmensbeteili- dritte und vierte Quartal 2009 mit einem arbeit und steigender Schulungen stieg daher gungen, Wertpapierinvestitionen sowie Ver- Wachstum des realen BIP von jeweils 0,4% die Zahl der Arbeitslosen im Jahresabstand anlagungen aus Krediten und Einlagen bra- (saison- und arbeitstägig bereinigt, im Ver- um 55.000. Angesichts verhaltener Wachs- chen in Summe um mehr als 66 Mrd. Euro gleich zum Vorquartal) zu rechnen. Dies be- tumsaussichten muß für heuer und nächstes ein. Bemerkenswert ist der Veranlagungs- deutet nach vier Quartalen mit schrumpfen- Jahr von einem weiteren Anstieg der Ar- stopp der österreichischen Banken im aus- der Wirtschaftsleistung eine Rückkehr zu beitslosigkeit ausgegangen werden. ländischen Einlagengeschäft: Nachdem im positiven Wachstumsraten. Für das Gesamt- ersten Halbjahr 2008 noch 27,5 Mrd. Euro jahr 2009 ergibt sich aufgrund des massiven Österreichische Außenwirtschaft investiert worden waren, zogen die Banken Einbruchs zu Jahresbeginn ein Rückgang der im 1. Halbjahr 2009 in den ersten sechs Monaten 2009 netto so- Wirtschaftsleistung um 3,6%. Die Wachs- Der heimische Leistungsbilanzüberschuß gar 3,3 Mrd. Euro von ausländischen Konten tumsprognose für das zweite Halbjahr beruht fällt mit +3,3 Mrd. Euro infolge des schwieri- ab. Gleichzeitig reduzierten sie die grenz- im wesentlichen auf der Erholung weicher gen globalen Wirtschaftsumfeldes im ersten überschreitende Kreditvergabe von 12,4 auf Faktoren wie Finanzmarkt- und Stimmungs- Halbjahr 2009 spürbar geringer aus als im 0,8 Mrd. Euro. Die Finanzverpflichtungen indikatoren. Angesichts der noch ausstehen- Vergleichszeitraum 2008. Güterein- und -aus- Österreichs im Ausland wurden im ersten den Bestätigung durch „Hard Facts“ wie fuhren brechen um jeweils rund ein Viertel Halbjahr 2009 per Saldo um 5,9 Mrd Euro Industrieproduktion und Exporte ist das Pro- ein, Dienstleistungen verlieren je knapp ein zurückgeführt (nach einem Verpflichtungs- gnoserisiko überdurchschnittlich groß. Ge- Zehntel. Weiterhin in der Flaute liegt auch aufbau von knapp 54 Mrd Euro). Vollständig genüber der letzten Veröffentlichung des Österreichs Kapitalverkehr mit dem Ausland. eingebrochen ist hier per Saldo die Finanzie- Konjunkturindikators vom Juli 2009 wurde Abgesehen von einer rückläufigen Außenhan- rung der heimischen Banken durch ausländi- die Wachstumsprognose für das dritte Quar- delsfinanzierung wird im ersten Halbjahr sche Einlagen: Nachdem im ersten Halbjahr tal um 0,7 Prozentpunkte nach oben revi- 2009 auch das Finanzgeschäft mit Unterneh- 2008 noch mehr als 31 Mrd. Euro bei inter- diert. mensbeteiligungen und Wertpapieren sowie nationalen Geldgebern aufgenommen wur- Wichtigster Grund für die nun deutlich mit Krediten und Einlagen reduziert. den, war im Berichtszeitraum 2009 netto so besseren Wachstumsaussichten im zweiten Österreichs Leistungsbilanz erreicht trotz gut wie keine Nachfrage nach ausländischen Halbjahr ist die raschere Erholung der Welt- des globalen Konjunkturtiefs im ersten Finanzmitteln feststellbar (0,3 Mrd. Euro). wirtschaft. Dabei erweisen sich die großen Halbjahr 2009 mit +3,3 Mrd Euro ein gutes Österreichs Wertpapierinvestoren, die „Emerging Markets“ China und Indien zu- Ergebnis. Verglichen mit dem – durch die ihre Veranlagungen bereits in der ersten Jah- nehmend als globale Wachstumslokomotive. Krise noch relativ unbelasteten – Vergleichs- reshälfte 2008 um rund 90% auf 2,3 Mrd. Bereits im zweiten Quartal ist das Wachstum zeitraum 2008 (+5,5 Mrd Euro) bedeutet es Euro zurückgenommen hatten, stießen im in fast allen großen Wirtschaftsräumen über jedoch erwartungsgemäß einen deutlichen ersten Halbjahr 2009 per Saldo sogar Pa- den Erwartungen gelegen. Rückgang (-40%). Österreich exportierte piere um 1,8 Mrd Euro ab. Umgekehrt wur- Hinzu kommen zwei Faktoren, die das Waren im Gegenwert von 47,2 Mrd Euro (- den auch ausländische Wertpapierinvest- Wachstum im zweiten Halbjahr zusätzlich 25%) und importierte ein Handelsvolumen ments in Österreich um drei Viertel auf stützen. Einerseits tragen die Konjunktur- von 48,5 Mrd Euro (-22%). Die Güterbilanz 3,4 Mrd. Euro deutlich reduziert. pakete, die in Österreich wie in zahlreichen drehte nach einem Überschuß von 0,9 Mrd Österreichische Direktinvestoren tätigten anderen Staaten eingeführt wurden, zu einer Euro damit ins Minus (-1,3 Mrd Euro). im ersten Halbjahr 2009 per Saldo nahezu Stabilisierung der Nachfrage bei. Anderer- Weiterhin robust zeigte sich das Reise- keine Zukäufe, nachdem sie im Vergleichs- seits läßt der in den vergangenen Monaten verkehrsgeschäft, das im ersten Halbjahr zeitraum 2008 noch mehr als 11 Mrd. Euro beobachtete massive Abbau der Lager im 2009 ein Plus von 4,2 Mrd Euro erwirtschaf- investiert hatten. Der Zufluß aus internatio- zweiten Halbjahr positive Impulse der La- tete (Vergleichszeitraum 2008: 5,1 Mrd nalen Unternehmensbeteiligungen nach gerinvestitionen erwarten. Mit dem Auslau- Euro). Ausländische Gäste gaben mit 7,6 Österreich (einschließlich Konzernkredite) fen dieser teils vorübergehend wirkenden Mrd Euro jedoch um 7% weniger in heimi- hat sich auf netto rund 3 Mrd. Euro halbiert. Faktoren ist jedoch die Gefahr einer Wachs- schen Beherbergungsbetrieben aus als zu- Die offiziellen Währungsreserven wur- tumsabschwächung im Laufe des Jahres letzt. Gleichzeitig weiteten österreichische den im ersten Halbjahr 2009 transaktionsbe- 2010 verbunden. Touristen ihr Budget für Auslandsreisen auf dingt um 2 Mrd Euro verringert. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt folgt 3,4 Mrd Euro etwas aus. http://www.oenb.ac.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 38 Wirtschaft Österreich-Werbung: Inlands- und Nahmärkte im Visier BM Mitterlehner und ÖW-Chefin Stolba präsentierten Winterkampagne – Inlands- und Nahmärktekampagne wirkt und wird auf den Winter ausgedehnt.

irtschafts- und Tourismusminister Rein- Whold Mitterlehner und die Geschäfts- führerin der Österreich Werbung, Petra Stol- ba, präsentierten am 12. Oktober die In- lands- und Nahmärktekampagne zur Stär- kung des heimischen Winter-Tourismus. Mitterlehner zog dabei ein vorläufiges Resümee über den Verlauf des Sommers. Von Mai bis August lag die Zahl der Nächti- gungen bei 46 Millionen, was einen Rück- gang von 1,8 Prozent bedeutet. Während ausländische Gäste 31,5 Millionen mal in österreichischen Betten schliefen (minus 2,9 Prozent) legten die Nächtigungen der In- länder um 0,6 Prozent auf 14,5 Millionen zu. Bei den Ankünften ist dieser Trend sogar noch stärker zu sehen: Die der Ausländer gingen um 2,9 Prozent auf acht Millionen zurück, die der Inländer stiegen um 2,6 Pro- zent auf 4,4 Millionen.

Gästerekord im August – Guter September Der August war nach Ankünften sogar der beste August aller Zeiten. Noch nie ha- ben so viele Gäste Urlaub in Österreich ge- macht, wie in diesem Hochsommer. Wegen des guten Wetters sind auch für den Sep- tember wieder gute Zahlen zu erwarten. Be- sonders erfreulich ist, daß die Ankünfte aus allen in der Inlands- und Nahmärktekampag- ne beworbenen Ländern – Deutschland, Ita- lien, Tschechien, Schweiz und Österreich – die Ankünfte gestiegen oder zumindest gleich geblieben sind. „Das ist die Bestäti- gung, daß die Inlands- und Nahmärktekam- pagne der Österreich Werbung der richtige Schritt war“, sagte Mitterlehner. Das Wirt- schaftsministerium stellt dafür für heuer drei

Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, Foto: ÖW/Andreas Hofer die Wirtschaftskammer eine Million. Innsbruck mit dem Goldenen Dachl – ein Sujet aus der Winterkampagne 2009/10: „Die Zahlen für den August und für die Nur einen Katzensprung vom Skigebiet entfernt, unter der etwa 2500 m hohen ersten sieben Monate des Jahres zeigen, daß Innsbrucker Nordkette, wird es im Dezember besonders gemütlich. Wie in allen großen und kleinen Städten Österreichs, fasziniert auch in Innsbruck ein Advent- angekündigte Katastrophen nicht stattfin- markt mit Weihnachtsschmuck, Kunsthandwerk und funkelnden Lichterketten. den“, sagte Mitterlehner im Hinblick auf die Gebratene Maroni und Glühwein sind das dazu passende Menü. Kritiker, die seit Monaten eine Aufstockung des Budgets um bis zu 50 Millionen Euro um den heimischen Tourismus nachhaltig zu Experten prognostizieren für die kom- fordern. „Mehr Geld allein hilft nicht. Da stärken.“ Eine davon ist die Inlands- und menden Monate nachhaltige Auswirkungen braucht es vielfältige Anstrengungen aller, Nahmärktekampagne für den Winter. auf das Konsumverhalten, also verstärkte

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 39 Wirtschaft

Spargesinnung. Dazu kommt das immer kurzfristigere und oft vom Wetter abhängige Buchungsverhalten. „Angesichts dieser Rah- menbedingungen wird die Wintersaison si- cherlich kein Spaziergang“, erklärte ÖW- Geschäftsführerin Petra Stolba. Die Österreich Werbung ist für diesen Winter gerüstet. „Dank des Sonderbudgets sowie interner Budgetumschichtungen kön- nen wir diesen Winter – wie schon im Früh- jahr – auch daheim und in den für die Win- tersaison relevanten Nahmärkten verstärkt die Werbetrommel für Urlaub in Österreich rühren. Die bisherigen Ergebnisse der Som- mersaison bestätigen unsere Strategie: Tou- rismusmarketing kann zwar fehlendes Haus- haltseinkommen nicht ersetzen, aber die Nachfrage verstärken und so dazu beitragen, unser Stück vom insgesamt kleiner werden-

den Urlaubs-Kuchen zu vergrößern“, so Foto: ÖW/Andreas Hofer Stolba. Kinderskikurs – Urlaubsglückl – ein weiteres Sujet aus der Winterkampagne 2009/10 Nachdem die Inlands- und Nahmärkte- kampagne im Sommer gut gewirkt hat, ist es Winterträume werden aber nicht nur in sen. Österreich muß sich noch klarer positio- nur logisch, eine weitere Kampagne für den Österreich, sondern auch in den besonders nieren und die Strukturen im Bund, den Winter zu starten. Von der heurigen Sonder- winteraffinen Märkten Deutschland, Tsche- Ländern und den Destinationen besser koor- dotation des Wirtschaftsministeriums wer- chische Republik, Großbritannien und den dinieren“, sagte Mitterlehner. den dafür 1,5 Millionen Euro verwendet. Niederlanden erfüllt. Bis 11. November kann Umgesetzt wird das in einem Strategie- Damit stehen der Österreich Werbung für die eingereicht werden, danach wählt eine Jury prozeß, der am 30. Oktober in Schönbrunn Bewerbung des Winters um zehn Prozent jene 13 Träume aus, die dann im Laufe der mit einer Enquete starten wird. Ausgangs- mehr Mittel zur Verfügung als im vergange- Wintersaison von den Landestourismusorga- punkt für die neue Tourismuskoordination nen Jahr. Weltweit gibt die ÖW für das Win- nisationen erfüllt werden. ist die von Bundesregierung und Nationalrat termarketing rund 15 Millionen Euro aus. Ab 13. November lassen wir es schneien. initiierte Plattform Bund-Bundesländer. Da- Kernstück der Kampagne ist die Aktion Auf http://schneeflocke.austria.info kann nach werden Arbeitsgruppen zu den vier „Österreich erfüllt Winterträume“. Gemein- man mit einer virtuellen Schere seine ganz Schwerpunkten Marketing, Finanzierung sam mit dem heimischen Tourismus erfüllt persönliche Schneeflocke basteln. Ab Ein- und Förderungen, Infrastruktur und wirt- die Österreich Werbung die schönsten Win- bruch der Dunkelheit wird diese auf das schaftliche Rahmenbedingungen neue Zu- terträume. Alle Österreicher sind aufgerufen, Wiener Museumsquartier projiziert. Via gänge erarbeiten. Aber auch die Bewerbung ihren ganz persönlichen Wintertraum auf Webcam können die Schneeflocken dann aus Österreichs durch die ÖW, die Bundesländer http://www.austria.info/wintertraum einzu- der ganzen Welt beobachtet werden und stim- und die Destinationen soll besser abge- geben. Je origineller, schöner und ausgefal- men so wirkungsvoll auf die Wintersaison stimmt werden. Im Februar sollen dann die lener der Traum ist, desto höher sind die ein. Ebenfalls von den tatsächlichen Wetter- Ergebnisse dieses Strategieprozesses präsen- Gewinnchancen! Dabei gibt’s nur eine wich- und Schneeverhältnissen unabhängig sind tiert werden. tige Voraussetzung: der Traum muß in Öster- die Schneebälle, die per e-mail von reich realisierbar sein. http://schneeballschlacht.austria.info aus Förderungen sichern Finanzierung Verstärkt wird die Aktion durch Medien- verschickt – oder noch zutreffender – gewor- Das Wirtschaftsministerium hat schon zu kooperationen mit den auflagenstärksten fen werden können. Jahresbeginn die Förderungen für die Tou- Bundesländermedien. „Gemeinsam mit die- rismusbranche aufgestockt, um Finanzie- sen Medien ,verführen‘ wir die Österreicher Verbesserungen bei Marketing rungsengpässe zu vermeiden und Verbesse- zum Träumen und zeigen das großartige und Infrastruktur rungen des Angebotes zu ermöglichen. Die- Wintertraum-Potenzial Österreichs auf. Kon- Zusätzliche Werbung ist aber nicht die se Förderungen, die über die Tourismusbank krete Wintertraum-Angebote der Betriebe einzige Maßnahme, die den österreichischen ÖHT ausgezahlt werden, kommen gut an. werden ebenfalls in den Medien vorgestellt; Tourismus in seiner herausragenden Position Die ÖHT hat von Jänner bis Ende September damit unterstützen wir die Branche unmittel- als Nummer Zehn bei den Reiseverkehrs- die Zahl der Förderungen um 43 Prozent auf bar bei ihren Verkaufsaktivitäten“, sagte einnahmen weltweit stärken soll und mit 1005 aufgestockt. Das geförderte Investi- Stolba. dem er im weltweiten Vergleich Marktantei- tionsvolumen ist um 20 Prozent auf 623 Online-Werbung, 24-Bogen-Plakate und le dazu gewinnen soll. Wichtig ist es, das Millionen Euro gestiegen. Für die neu einge- Hörfunkspots auf Ö3 und im Privatradio Angebot stetig zu verbessern und die Aktivi- führten erp-Kleinkredite gingen 80 Anträge stellen sicher, daß jeder Österreicher in den täten besser zu koordinieren. „Wir dürfen in ein, 54 davon wurden bereits genehmigt. kommenden Wochen ins Träumen kommt. unseren Anstrengungen jetzt nicht nachlas- http://www.austria.info/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 40 Wirtschaft Wiener Immobilienmarkt – hohes Entwicklungspotential

ien ist heute eine der wohlhabendsten sentlich höhere Quadratmeter-Umsätze ge- WStädte Europas. Das Wohlstandsni- nerieren“, so Madlencnik. Die Spitzenren- veau erreicht 125 Prozent des Österreich- dite im Shopping Center-Bereich lag Mitte Durchschnitts und mehr als 180 Prozent des 2009 bei zirka 6 bis 6,25 Prozent bei leicht EU-Mittels und basiert vorwiegend auf der steigendem Trend. Die besonders beliebten hohen Dienstleistungskompetenz. Über 300 Top-Einkaufsstraßen Wiens wie die Kärnt- internationale Konzerne haben in Wien ihre ner Straße oder die Mariahilfer Straße verfü- Konzernzentrale für Aktivitäten in der Re- gen über ungefähr 200.000 m² Einkaufsflä- gion eingerichtet. „Der Standort Wien profi- chen. Auf Grund des geringen Angebotes an tiert unter anderem von der sehr guten Infra- Neuvermietungsflächen wird das Mietni- struktur, dem hohen Maß an Sicherheit und veau in den sehr guten Lagen voraussichtlich sozialer Stabilität“, betont Reinhard Madlenc- stabil bleiben. Die Spitzenrenditen liegen nik; Leiter Real Estate in der Bank Austria. derzeit bei rund 4 bis 4,5 Prozent.

Büromarkt bewegt sich nur langsam Leistbare Wohnungen tragen Der Wiener Büromarkt gehört zu den sta- zur Attraktivität Wiens bei bilsten Büromärkten in Europa. Im Gegen- Der Neubaubedarf wird im wesentlichen satz zu anderen westeuropäischen Metropo- von der demografischen Entwicklung beein- len wie London mußte er etwa keinen dra- flußt, vor allem von der Zahl der Haushalte. matischen Rückgang bei den Spitzenmieten Foto: http://www.moessmer.at Die aktuelle Wirtschaftskrise dämpft die verzeichnen. Seine eher langsamen und un- neue Büroflächen auf den Markt kommen Wohnungsnachfrage wenig. Zwar wird der spektakulären Bewegungen haben sich gera- werden. „Damit geht die Angebots-Nachfra- Kauf von Wohnungen für die Eigennutzung de in der aktuellen Situation als Vorteil er- ge-Schere auf und der Druck auf die Mieten, teilweise verschoben, gut ausgestattete Ob- wiesen. Trotzdem hat die Krise auch in Wien insbesondere für Büros in weniger guten La- jekte in Ballungsräumen werden allerdings im ersten Halbjahr 2009 zu einem spürbaren gen und in weniger guter Qualität, wächst“, weiterhin kräftig nachgefragt. Rückgang bei der Neuproduktion von Büro- sagt Schestauber. Eine Eigenheit des Wiener Wohnbaus ist flächen sowie bei der Vermietungsleistung Die Spitzenrenditen sind im ersten Halb- die Dominanz gemeinnütziger Bauvereini- geführt. „Obwohl sich auch der Wiener Im- jahr 2009, verglichen zu 2008, leicht gestie- gungen, die langfristig zwei Drittel der Woh- mobilienmarkt den Auswirkungen der inter- gen und lagen je nach Projekt in einem Be- nungen in der Stadt bauen. Im Bundes- nationalen Wirtschaftskrise nicht entziehen reich von zirka 5,5 bis 6 Prozent. Aus heutiger durchschnitt liegt deren Anteil bei deutlich kann, sind diese deutlich geringer als in vie- Sicht ist eine Stabilisierung auf dem aktu- weniger als der Hälfte. Der Erfolg der Woh- len anderen europäischen Hauptstädten“, ellen Niveau zu erwarten, ein weiterer leich- nungspolitik in Wien läßt sich unter anderem hebt Madlencnik hervor. ter Anstieg ist jedoch nicht auszuschließen. an der relativ moderaten Marktpreisentwick- In Wien gibt es derzeit einen Bestand an lung erkennen, auch wenn in Wien, wie in Büroflächen von etwas über 10 Millionen m². Einzelhandel: verschärfter Wettbewerb den meisten Großstädten, relativ hohe, loka- Kamen laut CB Richard Ellis 2008 noch zir- Mit rund 1,3 Millionen m² (inkl. Shop- le Preisunterschiede auftreten. ka 250.000 m² dazu, werden für dieses Jahr ping City Süd) befinden sich zirka 37 Pro- Der Wiener Wohnungsmarkt ist trotz nur mehr rund 180.000 m² neu gebaute Bü- zent der österreichischen Einkaufszentrums- unterdurchschnittlicher Neubautätigkeit und roflächen erwartet. Gleichzeitig soll die Ver- verkaufsflächen in Wien. Rund ein Viertel überdurchschnittlich wachsender Haushalts- mietungsleistung von ungefähr 400.000 m² aller Einkaufszentren sind in der Bundes- zahlen in den letzten Jahren noch stabil ge- im Vorjahr auf unter 300.000 m² zurückge- hauptstadt angesiedelt. Ihre Struktur wird da- blieben. Das heißt ein Großteil der Woh- hen. „In den vergangenen Jahren lag die bei klar vom Modehandel dominiert. So liegt nungsnachfrage hat vorerst auch ein markt- Neuproduktion unterhalb der Vermietungs- laut RegioPlan der Anteil der Modebranche konformes Angebot gefunden und stärkere leistung, wodurch es zu einem langsamen, in den Wiener Einkaufszentren bei 30 Pro- marktverzerrende Nachfrageüberhänge konn- relativ stetigen Anstieg der Mieten kam“, zent, gefolgt von rund 20 Prozent Lebens- ten vermieden werden. „Dabei kommt dem erklärt Bank Austria Immobilienanalystin mittelgeschäften. Je größer die Einkaufszen- öffentlichen Engagement im Wohnbau, in Karla Schestauber. Der Leerstand bei Büros tren sind, desto höher ist in der Regel auch Form des gemeinnützigen und subventio- liegt in Wien im Premiumsegment derzeit der lokale Bekleidungsanteil. „Die Einkaufs- nierten Sektors, sicher eine stabilisierende bei zirka 5 bis 6 Prozent, was dem untersten zentren versuchen, die Baumärkte und Mö- Rolle zu“, faßt Schestauber zusammen. Um Bereich im europäischen Vergleich ent- belhäuser mit ihren geringeren Quadratme- jedoch die Attraktivität Wiens zu sichern, spricht. 2010 dürfte sich die Leerstandsrate ter-Umsätzen abzusiedeln. Für die freiwer- wird es künftig höhere Neubauraten als zu- allerdings stärker erhöhen, da deutlich mehr denden Flächen suchen sie Mieter, die we- letzt brauchen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 41 Speziell für AuslandsösterreicherInnen Gustieren, bestellen, genießen! Auf www.austriangrocery.com finden Freunde der österreichischen Küche bereits rund 2500 Markenartikel »Made in Austria«!

anner, Darbo, Almdudler, Pischinger, Dankschreiben, die wir bekommen, sind oft Shops auszuhandeln, zudem wird, im Ge- MMirabell … immer mehr österreichi- wirklich rührend. So bedankt sich beispiels- gensatz zu vielen anderen Shops, auf die sche Lebensmittelproduzenten erkennen die weise eine Kundin aus Deutschland für die Einhebung von Kreditkartengebühren ver- Vorteile eines Online-Shops. Doch dessen (Expreß-)Zustellung von zwei Sachertorten, zichtet, denn auch hier bewies Patzal sein Erstellung ist eine schwierige, langwierige die innerhalb von 20 Stunden bei ihr einge- Verhandlungsgeschick – alles zum Nutzen und, vor allem, kostenintensive Angelegen- langt waren. Ein 80jähriger Kunde aus Fran- seiner Kunden. heit. Aus diesem Grund greifen immer mehr zösisch Polynesien ist ganz begeistert, weil Markenhersteller auf AustrianGrocery.com er das erste Mal seit über 20 Jahren wieder Firmen entdecken zurück. Hier ist es Geschäftsführer Michael eine Leberknödelsuppe genießen kann. Das AustrianGrocery.com Patzal und seinem Team gelungen, eine sind nur zwei kleine Beispiele, die uns aber Aber nicht nur viele Private, auch eine ste- Produktpräsentation vom Feinsten in die vir- zeigen, daß einerseits die Nachfrage nach ös- tig wachsende Zahl an Unternehmen greift tuelle Welt des Internet zu zaubern. Was vor terreichischen Produkten – aufgrund der ho- auf das Service von AustrianGrocery.com rund zweieinhalb Jahren als Hobby begann, hen Qualität und dem Gefühl, etwas von zu zu: Schnitten oder Mozartkugeln eignen sich wird aufgrund der täglich steigenden Nach- Hause am Tisch zu haben – auch in (Krisen-) ideal als Give-aways bei Firmenpräsenta- frage aus aller Welt zum Vollzeitberuf für Zeiten wie diesen steigt, und wir andererseits tionen, auf Messen, oder auch als kleine, das gelernte Grafik-As Patzal. auch auf dem richtigen Weg sind“, so Patzal. aber besondere Präsente für langjährige Ge- Die unzähligen Bestellungen sorgen aber Aufgrund der stark angestiegenen Paket- schäftskunden und Mitarbeiter zu verschie- nicht nur für viel Arbeit, sondern auch für zahlen war es Patzal auch möglich, niedrige- densten Anlässen, wie Jubiläen, Geburtsta- mindestens ebensoviel Freude. „Die vielen re Transportkosten als zum Einstand seines ge, Weihnachten und Ostern. So ordert bei- spielsweise eine in Irland ansässige Werbe- agentur für die Kundenpräsentation in einem Wiener Innenstadthotel Dutzende AIDA- Mozartwürfel als kleine Aufmerksamkeit für die Anwesenden, oder Banken sind rund um den Weltspartag froh über die Großpackun- gen an Süßigkeiten, an die man sonst nur schwer herankommt – Austrian Grocery.com kann sie aber günstig und rasch zustellen. Auch die New Yorker Philharmoniker zähl- ten schon zu den Kunden von Austrian Grocery.com für ihre regelmäßig stattfinden- den Mozartkonzerte für Kinder. Wer nun denkt, Michael Patzal wäre da- mit zufrieden, der irrt: Neben dem gleich- bleibend hohen Servicefaktor wird nämlich, sozusagen hinter den Kulissen, auch eifrig am weiteren Ausbau des Shops gearbeitet. So sind seit kurzem an die 450 Wein-, Sekt- und Fruchtsaftspezialitäten von namhaften Herstellern (die Auflistung auch nur eines Querschnittes würde diesen Rahmen spren- gen) neu im Getränkesortiment zu finden. Manner und Mirabell haben sich, neben dem Alt Wiener Schnapsmuseum und der Kon- ditorei AIDA, für die Installation eines eige- nen Exklusiv-Shops entschieden – auf diese Weise findet man deren süße Verführer noch einfacher und rascher.

Alles für den Kunden Auf Anfrage besorgt AustrianGrocery.com

Abbildungen: AustrianGrocery.com auch Produkte, die die nicht im Stan-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 42 Speziell für AuslandsösterreicherInnen

dardsortiment enthalten sind. In erster Linie wir eine kleine Auszeit“, bittet Michael die aktuellen Sonderangebote informiert, handelt es sich hier um Wurstspezialitäten Patzal – mit einem Augenzwinkern – um erfahren Details über die einzelnen Produkte wie Käsekrainer oder Leberkäse, für die eine Verständnis, daß sein Team an Wochenenden und lernen die neuen Artikel kennen. geschlossene Kühlkette unabdingbar ist, um oder Feiertagen nicht erreichbar ist. den Erhalt der hohen Ausgangsqualität ge- AustrianGrocery.com bietet ihren Kun- Weihnachten steht vor der Tür währleisten zu können. So können überall den übrigens etwas, was sonst kaum zu er- Feinste Lebkuchen, einzigartige Weih- auf der Welt problemlos Feste mit „österrei- gattern ist: Im ersten Bruchware-Shop wer- nachtsmarmelade oder Bratapfellikör – das chischem Touch“ veranstaltet werden, wie den Manner-Produkte, die qualitativ absolut sind nur einige der schmackhaften Produkte, zum Beispiel 2008 während der EURO in der „Normalware“ entsprechen. Wegen Über- die sich in den Weihnachts-Geschenkkörben der österreichischen Botschaft in Dublin. produktion oder kleinen optischen Fehlern der AustrianGrocery.com finden. Unterneh- Großen Wert legt AustrianGrocery.com (etwa Bruch) werden sie aber vom Hersteller men wie Privatpersonen nutzen traditionell die bei der Kundenbetreuung vor allem darauf, günstiger abgegeben – zu Ihrem Vorteil! Möglichkeit Geschäftspartner, Familie, Freun- daß alle Anfragen so rasch wie nur möglich de und Bekannte mit Präsenten aus der Hei- beantwortet werden. „Es ist für mich einfach Immer informiert mat zu erfreuen. Generell sind in der Weih- eine Frage der Höflichkeit, daß man Kunden Großer Beliebtheit unter Tausenden nachtskategorie alle süßen Schätze versteckt, nicht zu lange warten läßt. Das Büro der Stammkunden erfreut sich vor allem der et- die Milka, Manner & Co. in der Adventzeit AustrianGrocery.com ist daher von Montag wa 14tägig versandte Newsletter der Austrian zu bieten haben. Besonderer Beliebtheit er- bis Freitag praktisch rund um die Uhr be- Grocery.com. Die Vorteile für die Empfän- freuen sich traditionell die Adventkalender. setzt – nur am Wochenende brauchen auch ger liegen auf der Hand: Sie sind immer über http://www.AustrianGrocery.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 43 Chronik Ansprache von Bundespräsident Heinz Fischer zum Nationalfeiertag

Guten Abend, liebe Österreicherinnen Für das kommende Jahr 2010 sagt die pa erfordert, bis zum Jahr 2020 die Emis- und Österreicher! Mehrheit der Wirtschaftsforscher zwar wie- sionen um mindestens 20% im Vergleich zu Der österreichische Nationalfeiertag ist der langsam ansteigendes Wachstum voraus, 1990 und um 80% bis zum Jahr 2050 zu ein Tag, der für mich jedes Jahr mit sehr aber es wird – trotz großer gemeinsamer reduzieren. positiven Gefühlen besetzt ist. Anstrengungen – leider noch keine Ent- Die große und weltweite Klimakonferenz Es geht nicht nur um die historische Be- lastung auf dem Arbeitsmarkt geben. in Kopenhagen im kommenden Dezember deutung dieses 26. Oktober, an dem im Jahr hat die ebenso schwierige wie existenziell 1955 das Neutralitätsgesetz als Instrument wichtige Aufgabe, weltweite Vereinbarun- österreichischer Friedenspolitik beschlossen gen zu erarbeiten, die diesem Ziel gerecht wurde. werden. Österreich wird an dieser Konferenz Es geht um unsere rot-weiß-rote Identität, sehr aktiv mitarbeiten. um gemeinsame Grundwerte und Prinzipien. Bemühungen um Umwelt- und Klima- Damit meine ich Frieden, Demokratie, schutz müssen von uns allen sehr ernst ge- Gerechtigkeit – insbesondere auch soziale nommen werden. Jeder einzelne kann und Gerechtigkeit – und den Rechtsstaat, dem soll dazu seinen Beitrag leisten. wir besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, damit das Vertrauen in unseren Liebe Österreicherinnen und Österrei- Rechtsstaat erhalten bleibt. cher! Es geht auch um die Verantwortung für Erlauben Sie mir noch eine kurze An- unsere Mitmenschen, die nicht nur vom merkung zur Bundespräsidentenwahl im Staat, sondern auch von vielen Mitbür- kommenden Jahr. gerinnen und Mitbürgern und von unseren Ich werde häufig gefragt, ob ich für eine karitativen Organisationen in wirklich bei- zweite Amtsperiode zur Verfügung stehe. spielhafter Weise wahrgenommen wird. Ich denke, der Nationalfeiertag sollte

Dafür heute ein herzliches Wort des Dankes. Foto: ORF/Milenko Badzic nicht für die Präsentation einer persönlichen Und es geht auch um unsere aktive Mit- Bundespräsident Heinz Fischer Entscheidung verwendet werden. Aber der arbeit am Projekt der europäischen Zusam- kommende Monat November wird der rich- menarbeit. Die Krise ist also noch nicht überwunden. tige Zeitraum sein, diesbezüglich Klarheit zu Es gehört zu den Aufgaben des Bundes- Wir sind weiterhin gefordert, die Wirt- schaffen. präsidenten, Brücken zu bauen zwischen schaft anzukurbeln, Arbeitslosigkeit zu be- Die eigentliche Wahlwerbung sollte dann verschiedenen Auffassungen, verschiedenen kämpfen und den Menschen eine Perspek- im kommenden Jahr so kurz wie möglich Institutionen, verschiedenen Parteien und tive zu geben. und so fair wie möglich sein. zwischen verschiedenen Menschen. „Alle Vor allem junge Menschen dürfen in Öster- Menschen sind frei und gleich an Würde und reich nicht arbeitslos auf der Straße stehen. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Rechten geboren“, heißt es in der berühmten Außerdem müssen wir aus Fehlern und Lassen Sie mich schließen mit der Fest- Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus Fehlentwicklungen der vergangenen stellung, daß es keine perfekte Demokratie der Vereinten Nationen. Diesen Grundsatz Jahre lernen. und keine fehlerlose Politik gibt. dürfen wir auch im täglichen Leben nie aus Ich meine damit abenteuerliche Spekula- Dennoch haben wir viele gute Gründe, den Augen verlieren. tionen, mangelndes Verantwortungsbewußt- auf Österreich stolz zu sein und uns zu freu- sein, zu wenig Kontrolle oder Exzesse bei en, in diesem schönen und friedlichen Land Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bonuszahlungen. Das alles hat zu dieser Kri- leben zu können: Stolz z.B. auf Kultur und Am Nationalfeiertag des vorigen Jahres se mit beigetragen. Wissenschaft, auf die hohe Lebensqualität, habe ich auf die heranrückende Finanz- und Daraus müssen Konsequenzen gezogen aber auch auf unsere wirtschaftliche Lei- Wirtschaftskrise hingewiesen. Unsere Wirt- werden. stungsfähigkeit, und unser Bemühen um so- schaftsforscher haben damals vorhergesagt, zialen Ausgleich. daß es zumindest in den Jahren 2009 und Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und als schönes, friedliches und soziales 2010 in ganz Europa und auch in Österreich Europaweit und weltweit sind wir auch Land wollen wir Österreich auch an die deutlich niedrigere Wachstumsraten und beim Klimaschutz gefordert. Wissenschafter nächste und übernächste Generation weiter- steigende Arbeitslosigkeit geben wird. aus allen Kontinenten sind sich einig, daß geben. Dazu ist die Bereitschaft zu gemein- Heute wissen wir, daß im laufenden Jahr eine globale Klimaerwärmung um mehr als samen und zukunftsorientierten Anstrengun- 2009 in Österreich sogar mit einem Wachs- 2 Grad Celsius verheerende Folgen für die gen erforderlich. tumsrückgang von mehr als 3% zu rechnen Natur und für die Menschheit hätte. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und ist. Eine erfolgreiche Gegenstrategie in Euro- wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 44 Chronik Spielberg feiert Stadterhebung Rasanter Aufstieg vom Dorf zur blühenden Stadt

sehen, der mehr als nur ein ,Zuhause in den eigenen vier Wänden‘ bietet. Der Ausbau von Infrastruktur und Lebensqualität hat mit dem Bevölkerungszuwachs der letzten Jahrzehnte Schritt gehalten – im öffentlichen wie im privaten Bereich.“ Mit Motorsport- veranstaltungen, einem 18-Loch-Golfplatz und einer Reitanlage hat sich Spielberg nicht nur als attraktiver Tourismus-Standort eta- bliert. Der Elektromotorenhersteller Austria Antriebstechnik AG ist mit rund 600 Mit- arbeitern auch ein bedeutender Wirtschafts- motor für die Region. Einen großen „Sohn Spielbergs“ dürfte die Stadterhebung vermutlich auch freuen: Wie historische Untersuchungen ergeben ha- ben, lebten nämlich die Vorfahren des ameri- kanischen Starregisseurs Steven Spielberg vor mehr als 200 Jahren als Bauern in unmit- telbarer Nähe zum Österreichring. Als sie in Foto: Land Steiermark / Manfred Liebminger die Ukraine auswanderten, gaben sie sich Bürgermeister Kurt Binderbauer mit der Stadterhebungsurkunde, die er kurz zuvor den Namen „Spielberg“ als Erinnerung an von LH Franz Voves (r.) überreicht bekommen hatte. ihre Herkunft. Bleibt nur noch abzuwarten, eit 23. Oktober darf sich Spielberg in der meinde im Bezirk Knittelfeld. Bürgermeister ob Steven Spielberg – wie seine unvergeßli- SSteiermark „Stadt“ nennen! Rund 500 Kurt Binderbauer über das Erfolgsgeheimnis che Filmfigur „ET“ – „nachhause telefo- Spielbergerinnen und Spielberger waren da- der Vorzeigestadt: „Spielberg wird von vie- niert“ und zur Stadtehre gratuliert. bei, als Landeshauptmann Franz Voves len Menschen als attraktiver Wohnort ange- http://www.spielberg.at Bürgermeister Kurt Binderbauer die Urkun- de zur Stadterhebung überreichte. „Spielberg ist ein Beispiel für prosperierende kommu- nale Entwicklung durch die Bereitschaft, im Gemeinderat konstruktiv zusammenzuarbei- ten und Synergien von überregionalen Netz- werken zu nutzen, gleichzeitig aber auch unkonventionell und unbürokratisch an die Lösung gemeinschaftlicher Fragen und Probleme heranzugehen“, so Voves in seiner Festrede. „Die Erhebung zur Stadt ist nicht nur Auszeichnung und Zeichen für die starke Entwicklung Spielbergs in den vergangenen Jahrzehnten, sie ist auch eine Aufwertung für den Bezirk“, freut sich der Bezirkshaupt- mann von Knittelfeld Werner Wurzbach. Der Aufstieg Spielbergs zur Stadt verlief rasant: Nur wenige Jahre nach der Verlei- hung eines eigenen Gemeindewappens wurde Spielberg 1986 zur Marktgemeinde erhoben. Heute, nicht einmal ein Vierteljahr- hundert später, ist das Herz des Aichfeldes die jüngste von insgesamt 35 steirischen Städten. Seit den Siebzigerjahren hat sich die Bevölkerungszahl auf 5500 Einwohner ver-

doppelt, damit ist man die zweitgrößte Ge- Foto: Stadtgemeinde Spielberg

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 45 Chronik Strudlhofstiege ist wieder wie neu m 14. Oktober erfolgte das offizielle ABauende für die rund einjährige Instand- setzung der Strudlhofstiege. Die feierliche Wiedereröffnung wurde im Beisein von Wiens Planungsstadtrat Rudi Schicker und Be- zirksvorsteherin Martina Malyar begangen. Der Grundsatz der Instandsetzung lautete: Altes Aussehen – moderne Technik, der von der MA 29 – Brückenbau und Grundbau voll umgesetzt wurde. „In Wien zu Fuß unterwegs zu sein zahlt sich aus, denn oft kann man die schönsten Winkel der Stadt nur so erkunden. Erst wenn man die nun restaurierte Stiegenanlage im Alsergrund zwischen Strudlhofgasse und Liechtensteinstraße als FußgängerIn hinun- ter flaniert und sich auf die literarischen Spu- ren von Heimito von Doderer begibt, kann man in aller Ruhe dieses bedeutende Jugend- stil-Bauwerk begutachten. Die Erneuerung dieser Stiegenanlage ist ein weiteres Beispiel Foto: MA 29 / Wurscher dafür, wie sorgsam Wien mit historischer Die neu revitalisierte Strudlhofstiege in ihrer ganzen Pracht. und auch kulturell bedeutender Bausubstanz Zur Instandsetzung des Bauwerks umgeht“, betonte Stadtrat Schicker. Zum historischen Bauwerk Ein wesentlicher Grundsatz war, daß Die Strudlhofstiege ist nicht nur ein lite- Die Stiege ist aus Mannersdorfer Kalkstein während der Bauzeit die Stiege auch mittels rarisches, sondern auch ein bauliches Juwel erbaut. Die Anlage wird von einem zwei- provisorischer Stiegenlösungen immer be- im Alsergrund. Umso wichtiger war der be- geteilten Beckenwandbrunnen geschmückt. gehbar blieb. Die Mobilität der Benutzer hutsame Umgang mit der Bausubstanz und Am unteren Ansatz führen zwei geschwun- wurde durch die Bauarbeiten nicht behin- den einzelnen Materialien bei der Sanierung, gene Stiegenläufe zum oberen Becken. Die- dert, die wichtige Verbindung zwischen die von der MA 29 – Brückenbau und Grund- ses wird von einer Kopfmaske als Wasser- Währinger Straße und Liechtensteinstraße bau durchgeführt wurde. Daß hier nur Spe- speier an der Stiegenwand geschmückt. Auf war über eine Holzkonstruktion immer ver- zialisten ans Werk dürfen ist natürlich klar. dem ersten Treppenabsatz befindet sich eine fügbar. Erneuert wurden vor allem der Stein- In diesem Fall sind es aber vorwiegend Spe- mosaikverkleidete Nische mit einem Fisch- und Metallbestand inklusive der Kandelaber. zialistinnen, die mit viel Liebe und künstle- maul als Wasserspeier. Mittels dreier Ram- Die Anlagen der beiden Brunnen wurde rischem Überblick die einzelnen Materialien pen wird der Höhenunterschied von rund ebenso neu hergestellt. Herausragend ist zu neuem Glanz bringen. 11 Metern zwischen der Strudlhofgasse und dabei die Rekonstruierung der Brunnenan- Vor allem die Steinarbeiten und die der Bolzmanngasse überwunden. lage im oberen Bereich. Die nicht histori- Metallkonservierung wurden durch zwei sche Fliesenverkleidung wurde neu gestaltet, diplomierte Metallkünstlerinnen und eine Der Namensgeber Peter von Strudel in langer Recherche konnte das historische Steinrestauratorin betreut. Erfahrung konn- Die Strudlhofstiege erinnert an den Hof- Vorbild für den Fischkopf, der als Wasser- ten sie schon bei vielen historischen Objek- und Kammermaler Peter von Strudel. Er speier fungiert, gefunden werden. In Anleh- ten sammeln, die ihnen bei der Instand- wurde um 1660 in Cles (Trentino, Italien) nung an die ursprüngliche Gestaltung wurde setzung der Strudlhofstiege zu Gute kom- geboren und starb am 4. Oktober 1714 in das Relief aus Donaukies in Handarbeit nach- men. Ihre Tätigkeit war über die gesamte Wien. Er errichtete 1690 den Strudelhof und gebildet. Die Gehwege aus Asphalt wurden Bauzeit nötig, da dieses Bauwerk in mehre- wurde später zum Direktor der Kunstaka- durch eine Betondecke mit rutschsicherer ren Abschnitten erneuert wurde. Die größte demie gewählt. Sein Werk als Bildhauer und Waschbetonoberfläche ausgetauscht, die sich Herausforderung an die Restauratorinnen Maler bildet in Österreich den Übergang an der historischen Bausubstanz orientiert. war, das alte Aussehen der Stiege mit moder- zum Hochbarock. Wie es sich für Wien so Aus den Mitteln des Altstadterhaltungs- nen Mitteln und Materialien zu erhalten. gehört, ging im Laufe der Jahre ob der aku- fonds wurden für die Arbeiten mehr als Neben der aufwendigen Arbeit vor Ort ge- stischen Vereinfachung das „e“ im Namen 107.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die hörte natürlich auch eine intensive Grund- von Strudel verloren. Heute lautet daher die Gesamtbaukosten betrugen rund 1,5 Millio- lagenforschung an den einzelnen Werkstof- veritable Frage – Strudel oder Strudl, die un- nen Euro. fen und in den diversen Archiven dazu. beantwortet bleiben muß.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 46 Chronik 2 x Silber für Tulln Die niederösterreichische Bezirksstadt an der Donau konnte sich gegen fast 300 Gemeinden und 200 Projekten durchsetzen und punktete beim internationalem »LivCom«-Wettbewerb.

ie Blumenstadt Tulln überzeugte bei Dden „International Awards for Liveable Communities 2009“ mit ihrer Zukunftspla- nung, dem Wahren des kulturellen Erbes, ihrem sensiblen Umgang mit vorhandenen Umweltressourcen und mit der in Europa einzigartigen ökologischen Gartenschau „Garten Tulln“. Bei der Siegerehrung in Pilsen (Tschechische Republik) am 12. Ok- tober erhielten die Stadtvertreter dafür zwei Silber-Medaillen. 293 Gemeinden und 196 Projekte aus 18 Nationen beteiligten sich bei den „Inter- national Awards for Liveable Communities 2009“ (Internationaler Wettbewerb zur Aus- zeichnung lebenswerter Gemeinden) um Medaillen. In die zweite Runde, zur Ab- schlußpräsentation in Pilsen (Tschechische Foto: Andreas Pimperl Republik), schafften es 57 bzw. 28 von Juryvorsitzender Yoritaka Tashiro und Generalsekretär Alan Smith (1.u.4.v.l.) der internationalen LivCom Awards 2009 gratulierten Thomas Uibl und Sandra Pfister ihnen. Tulln ging gleich zwei Mal ins Ren- (Prokurist und Marketing-Verantwortliche der Garten Tulln, 2. u. 3. v.l.), Bürger- nen: als Gemeinde und mit dem in Europa meister Willi Stift, Julia Hambrusch (Gartenleiterin Garten Tulln), Consulter einzigartigen Projekt „Garten Tulln“, der Matthias Zawichowski und Stadtamtsdirektor Franz Lasser (v.l.) zu den 2 Silber- ersten ökologischen und dauerhaften Gar- Medaillen. tenschau. Versilbertes Spezial-Projekt „Vor allem in einer dynamischen und Daß man im Wettstreit mit Städten wie »Garten Tulln« wachsenden Stadt wie Tulln ist die soziale z.B. Gold Coast City (Kanada), Riad (Saudi- Im Rahmen der „LivCom Awards“ wer- Komponente sehr wichtig. Vereine stellen Arabien), Dubai (Arabische Emirate), den jedes Jahr auch Preise für innovative etwas Verbindendes dar: Unabhängig von Yokohama (Japan) zwei Mal Silber holen Projekte vergeben, die ebenso zukunfts- Alter und Herkunft kommen Menschen zu- konnte, freut Bürgermeister Willi Stift: trächtig wie umweltbewußt sind und welche sammen, um sich einem gemeinsamen Hobby „Tulln setzt sich auf vielfältige Weise dafür sich positiv auf die örtlichen Naturräume zu widmen. Das fördert die Integration und ein, einen lebendigen, zukunftsfähigen und auswirken bzw. diese fördern. Die „Garten steigert den Zusammenhalt“, zeigt sich Vize- vor allem umweltfreundlichen Ort mit hoher Tulln“ ist hierfür ein Paradebeispiel. Umge- bürgermeister Peter Eisenschenk erfreut – Lebens- und Freizeitqualität für Bevölke- ben vom revitalisierten, 450.000 m² großen einerseits über die große Akzeptanz der Ver- rung und Gäste zu schaffen. Daß wir dafür und direkt am Stadtzentrum gelegenen eine bei den Tullner Bürgern und anderer- auch laufend internationale Anerkennung Tullner Augebiet hat sich die erste langfristi- seits über die Auszeichnung als vereins- bekommen, ehrt uns natürlich!“ Die Be- ge Gartenschau als ökologisches Kompe- freundlichste Gemeinde. zirks-Hauptstadt hat im Jahr 2004 beim tenzzentrum etabliert. Bereits nach einein- Die knapp 15.000-Einwohnergemeinde „LivCom Award“ Bronze geholt und vergan- halb Saisonen konnte man den 500.000sten Tulln unterstützt die insgesamt 150 Vereine genes Jahr bei der Entente Florale als erste Besucher begrüßen. auf vielfältige Art und Weise. So wurden Stadt Europas eine zweite Gold-Medaille 2008 rund 226.600 Euro an Bar-Subventio- nach Hause gebracht. Vereinsfreundlichste Gemeinde nen an alle Vereine ausgeschüttet. Gemeinde- Die internationale „LivCom“-Fachjury Vereine bilden das Rückgrat einer Ge- eigene Räumlichkeiten können teilweise ko- gab Tulln Höchstbewertungen für seine meinde. Mit ihren sozialen, kulturellen und stenlos genutzt werden. Für Vereinsveran- Zukunftsplanung, dem Wahren des kulturel- sportlichen Angeboten leisten sie einen staltungen werden Ehrenpreise zur Verfü- len Erbes sowie dem sensiblen Umgang mit wichtigen Beitrag zur Lebensqualität der gung gestellt. Bei dem seit über 15 Jahren vorhandenen Umweltressourcen. Beein- Bevölkerung. Die insgesamt 115 Tullner Ver- von der Stadtgemeinde organisierten Aktiv- druckt zeigten sich die Experten aus den Be- eine werden von der Stadtgemeinde mit ca. sommer können Vereine und Institutionen reichen Stadtentwicklung, Umweltmanage- 226.600 Euro gefördert. Dieses Engagement den jungen Gemeindebürgern ihre Sport- ment und Landschaftspflege auch von der zum Wohle der Bürger wird nun ausgezeich- und Freizeit-Angebote präsentieren und Nachhaltigkeit und der ökologischen Aus- net: Tulln ist die vereinsfreundlichste Ge- somit neue Mitglieder werben. richtung der „Garten Tulln“. meinde im Bezirk. http://www.tulln.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 47 Chronik Wien bekommt Helmut-Zilk-Platz Wien bekommt einen Helmut-Zilk-Platz: Die Fläche zwischen Augustinerstraße, Albertinaplatz, Tegetthoffstraße und Führichgasse in der Inneren Stadt wird nach dem, vor einem Jahr verstorbenen, Altbürgermeister benannt.

ieser Platz veranschaulicht, wie Helmut DZilk die Stadt geprägt und beeinflußt hat. Die bewegte Geschichte des Platzes ist durch das Hrdlicka-Mahnmal, dessen Ent- stehung neben dem Künstler auch maßgeb- lich ihm zu verdanken ist, allgegenwärtig. Darüber hinaus beherbergt er Kultureinrich- tungen, wie die Albertina und das Film- museum sowie den Tirolerhof und das Cafe Mozart“, so Kulturstadtrat Andreas Mailath- Pokorny am 27. Oktober. Vor dem Zweiten Weltkrieg befand sich hier der Philipphof, ein Gründerzeithaus, das 1883/84 nach Plänen von Carl König errich- tet wurde. Am 12. März 1945 kam es zum schwersten Luftangriff auf Wien während des Zweiten Weltkrieges, wobei nahezu aus- Foto: MA 21 A schließlich das historische Stadtzentrum Ereignisse von 1938 – von Parteien, Medien säule („Heldentod“) ist dem Gedenken an bombardiert wurde. Hierbei wurde das Areal und Öffentlichkeit sehr breit geführt. Es war alle Opfer des Krieges gewidmet. um den Albertinaplatz nahezu komplett zer- schließlich Helmut Zilk, der in seiner dama- stört. Der Philipphof und sein Luftschutz- ligen Funktion als Wiener Bürgermeister die Helmut Zilk wurde am 9. Juni 1927 in Fa- keller stürzten ein und begruben vermutlich Diskussion mit einer dezidierten Entschei- voriten geboren. Nach einer Karriere als 300 Menschen unter sich. Die genaue Opfer- dung zugunsten des Albertinaplatzes been- Volks- und Hauptschullehrer wechselte Zilk zahl ist unbekannt, da nicht alle Toten gebor- dete. Das fertig gestellte Mahnmal wurde am 1955 zum Rundfunk. Dort baute er unter gen werden konnten. 21. Juni 1991 der Öffentlichkeit übergeben. anderem das Schulfernsehprogramm auf, Der Platz wurde planiert; anstelle des Das „Mahnmal gegen Krieg und Faschis- arbeitete als Ombudsmann und wurde mit Philipphofs wurde eine Grünfläche angelegt, mus“ besteht aus mehreren Teilen: den „Stadtgesprächen“ und „In eigener Sa- von der 1988 ein Teil für das Mahnmal ge- „Der straßenwaschende Jude“ erinnert an che“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt. gen Krieg und Faschismus abgetrennt wurde. die Entwürdigung und Erniedrigung, die der Von 1967 bis 1974 war er Programmdirektor Es soll im Zentrum der Stadt der Opfer von gnadenlosen Verfolgung und Ermordung des ORF. Krieg und Holocaust gedenken und gleich- vorangingen. Der damalige Wiener Bürgermeister zeitig an ein „Niemals wieder“ gemahnen. „Orpheus betritt den Hades“, eine in Leopold Gratz machte ihn 1979 zum Kultur- Am 24. November 1988 wurde das noch einem Marmorblock aufgehende Männerge- stadtrat. Fred Sinowatz berief Zilk schließ- unvollendete Mahnmal mit einer Gedenkver- stalt, ist Mahnmal für die Bombenopfer und lich 1983 als seinen Nachfolger ins Unter- anstaltung, zu der mehr als tausend Men- den Opfertod jener, die dem Nationalsozia- richtsministerium, allerdings kehrte der rüh- schen kamen, feierlich enthüllt. Die Zeit- lismus unter Einsatz ihres Lebens widerstan- rige SPÖ-Politiker bereits ein Jahr später als historikerin Erika Weinzierl hielt in Anwe- den haben. Bürgermeister ins Rathaus zurück. In den senheit zahlreicher Politiker und hochrangi- Auf dem „Stein der Republik“ sind Aus- folgenden zehn Jahren seiner Amtszeit wid- ger Vertreter der Religionsgemeinschaften züge aus der damals formulierten Regie- mete sich Zilk besonders dem Stadtbild. Bei die Ansprache. Dieser Enthüllung ging je- rungserklärung sowie die Namen jener Män- seiner ersten Kommunalwahl 1987 wurde doch eine heftige öffentliche Diskussion ner verewigt, die sie unterschrieben haben. diese Politik mit einer absoluten Mehrheit voraus. Der Konflikt entzündete sich im Das „Tor der Gewalt“ – Die Skulptur zur von fast 55 Prozent für die SPÖ belohnt. Im wesentlichen an der Standortfrage: Während Linken („Hinterlands-Front“) soll an die Op- Dezember 1993 stand Zilk als Opfer der die einen, allen voran die Wiener ÖVP, den fer des Massenmordes erinnern, der in den ersten Briefbombenserie im Rampenlicht der Morzinplatz bevorzugten, sprach sich die Lagern und Gefängnissen von den National- Öffentlichkeit, wobei seine linke Hand Wiener Stadtregierung – unter Verweis auf sozialisten verübt wurde, ebenso an die Op- schwer verstümmelt wurde. den historischen Bezug und den einstimmig fer des Widerstandes und der Verfolgung aus Am 24. Oktober 2008 starb Helmut Zilk gefassten Beschluß von 1983 – im Wiener Gründen nationaler, religiöser und ethni- an Herzversagen. Seit 1978 war der beliebte Gemeinderat für den Standort vor der Alber- scher Zugehörigkeit, geistiger und körper- SPÖ-Politiker und Ehrenbürger der Stadt tina aus. Die Debatte wurde auch im Lichte licher Behinderung und sexueller Orientie- Wien mit Operetten- und Musicalstar Dag- des Gedenkjahres 1988 – man gedachte der rung. Die Figurengruppe der rechten Tor- mar Koller in dritter Ehe verheiratet.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 48 Gastronomie & Kulinarisches Neue Erdäpfelvielfalt in Wien Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima präsentierte erste Ernte alter Kartoffelsorten. Starköche kredenzten ihre besten Erdäpfelgerichte.

ioletta, Muresan, Pinki und Ciclamen – Vklingende Namen, die man auf den ersten Blick nicht gerade mit Erdäpfeln in Verbindung bringen würde. Doch genau dar- um handelt es sich: um alte Sorten von Kar- toffeln, die von Biobäuerinnen im Waldvier- tel gezüchtet und in Zusammenarbeit mit Slow Food Wien und der Arche Noah, der Gesellschaft für die Erhaltung der Kultur- pflanzenvielfalt, auf den Bioflächen der Stadt Wien ausgesät wurden. Jetzt war die Zeit der ersten Ernte gekommen. Am 21. Oktober lud Umweltstadträtin Ulli Sima zum Wiener Abend mit Erdäpfelvielfalt und „Gemisch- tem Satz“ auf die Summerstage ein.

Erdäpfelgerichte von Amann, Cmyral, Domschitz und Gerer Gleich vier prominente Köche präsentier- ten ihre besten Erdäpfelvariationen mit den Foto: RK / Christian Houdek ursprünglich fast in Vergessenheit geratenen Starköche und Erdäpfel als Stars auf der Summerstage: Slow Food Wien Obfrau Erdäpfelsorten. Denise Amann, Inhaberin und Barbara van Melle, StRin Ulli Sima, Christian Domschitz, Denise Amann und Köchin des Restaurants Noi, kochte Man- Florian Cmyral (v.l.) goldwickler mit Ziegenfrischkäse auf Vio- Erdäpfelvielfalt in Wien. Die alten Sorten Die Gene der alten Sorten konnten jedoch lettagröstl mit Liebstöckel, Florian Cmyral, sind durch die Industrialisierung der Land- gerettet werden. Nach einer Saatgutvermeh- „Chef de Cuisine“ des Salut, kredenzte einen wirtschaft von den Äckern verschwunden. rung durch die Biobäuerinnen im Wald- orientalischen Erdäpfelsalat. Christian Dom- viertel wurden die Sorten kürzlich wieder schitz vom Vestibül verwöhnte die Besu- eingesetzt. cherInnen des Events auf der Summerstage mit Mohnnudeln und Erdäpfelkompott und Slow Food – Bewegung verstärkt Reinhard Gerer wartete mit Rösti und Sar- Nachfrage nach Vielfalt dellen auf. Durch den Abend führte Barbara Durch Slow Food und andere Bewe- van Melle, Obfrau von Slow Food Wien. gungen, die neben Genuß auch die biologi- sche Landwirtschaft und die Erhaltung der Stadt Wien als Bio-Pionier Artenvielfalt in den Mittelpunkt stellen, Die Stadt Wien ist eine der größten Bio- steigt auch die Nachfrage nach mehr und bäuerinnen Österreichs. Das Stadtgut Lobau/ abwechslungsreicheren Sorten im Handel. Essling wurde bereits 1987 auf biologische Bewirtschaftung umgestellt und zählt damit Genußvolles, regionales Essen und Trin- zu den Pionieren im biologischen Landbau. ken auf der »Terra Madre Austria 2009« Jährlich werden dort 500 Tonnen Bio-Erd- Die Erdäpfel werden erstmals auf der äpfel geerntet. Nun leistet das Stadtgut wie- „Terra Madre Austria 2009“ vom 28. bis 29. der Pionierarbeit. Durch den Anbau alter, Oktober 2009 im Wiener Rathaus zu kaufen fast in Vergessenheit geratener Erdäpfel- sein. sorten. Bei der „Terra Madre Austria 2009“ kön- „Die Stadt Wien nimmt ihre Verant- nen BesucherInnen im Arkadenhof des wortung für den Schutz der Artenvielfalt Wiener Rathauses Produkte, die nach Slow wahr. Diese alten Sorten bieten eine wohl- Food-Kriterien hergestellt wurden, verko- schmeckende, interessante Abwechslung für sten, kennenlernen und kaufen. Der Eintritt die Küche und werden schon in Kürze wie- Foto: Terramadre / Bernhard Kaar ist frei. Veranstalter sind die Stadt Wien und der im Handel erhältlich sein“, freut sich Frische, ungetrocknete Safran-Ernte Slow Food Wien. Umweltstadträtin Ulli Sima über die neue aus der Wachau http://www.terramadre.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 49 Religion und Kirche Hohe Auszeichnung für Superintendent Paul Weiland Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll: Vertrauensvolle Zusammenarbeit - Weiland: Auszeichnung für die Evangelische Kirche und ihren Einsatz für Menschen

it dem „Silbernen Komturkreuz mit MStern“ für Verdienste um das Bundes- land Niederösterreich ist der evangelische Superintendent Paul Weiland am 10. Okto- ber ausgezeichnet worden. Landeshaupt- mann Erwin Pröll verlieh das Ehrenzeichen im Rahmen eines Festaktes in Schloß Hain- dorf anläßlich des 60. Geburtstages von Paul Weiland. Dabei bezeichnete der Landes- hauptmann den aus dem Burgenland stam- menden Superintendenten als „gewachsenen Niederösterreicher“, der ein „ganz wertvol- les Mitglied der Familie Niederösterreich“ geworden sei. In einer Zeit, in der es „immer mehr Fra- gen und immer weniger Antworten“ gebe, brauche es „anerkannte Seelsorger“ wie Wei- land. „Wir leben in einer Gesellschaft der schnellen Nachrichten, nicht gelungen ist es allerdings, bleibende Botschaften zu instal- lieren“, bemerkte der Landeshauptmann. Weiland gelinge es, sich auch kritisch Trends entgegenzustellen, sich auch „selbst zu hin- terfragen“, „kluge Antworten“ zu geben und „klare Werte zu leben“. Daß die Zusam- menarbeit zwischen Kirchen und Land funk- Foto: Dieter Schewig tioniere, sei kein Schlagwort, sondern werde Landeshauptmann Erwin Pröll (l.) und Superintendent Paul Weiland ständig vertrauensvoll praktiziert. Eine Öku- mene, die getragen ist von Toleranz und Re- tum dürfe sich nicht unkritisch mit Macht dankten Weiland für die seine Hilsbereit- spekt, sieht der Landeshauptmann als „Vor- einlassen, sagte der Bischof. In der evangeli- schaft und sein Engagement, aber auch für bild für das Zusammenleben“ in Niederös- schen Kirche werde das Leitungsamt „kolle- seine Fähigkeit, „mit klarem Profil offen mit terreich. gial, synodal, ohne Gewalt, nur durch das anderen Kirchen zu kommunizieren“. Wort“ ausgeübt. Dabei gelte es darauf zu Angesichts der großen Zahl der Gra- Bischof Bünker: Demut ist Kind der achten, „was dem jeweils anderen dient“, tulanten aus dem kirchlichen und öffent- Freiheit und nicht der Herrschaft etwa jenen, „die nicht wissen, warum sie in lichen Leben Niederösterreichs aber auch Dem Festakt vorausgegangen war ein Schubhaft oder armutsgefährdet sind“. darüber hinaus dankte Weiland für das „re- Dankgottesdienst, in dem Bischof Michael Als „dienstältester Pfarrgemeindekura- spektvolle und freundschaftliche“ Mitein- Bünker predigte. Darin wandte sich der tor“ dankte Synodenpräsident Peter Krömer ander. „Es ist ein Privileg mit Ihnen und Bischof gegen eine falsches Verständnis des im Namen der ehrenamtlichen und weltli- Euch gemeinsam unterwegs sein zu dürfen“, Begriffes „Demut“. Richtig verstanden sei chen AmtsträgerInnen Weiland für sein „per- so der Superintendent. Die Auszeichnung Demut „ein Kind der Freiheit und nicht der sönliches Vorbild in Tun und Handeln“, sieht Weiland als Würdigung der Evangeli- Herrschaft“. Demut dürfe weder Maske für besonders auch für das „deutliche Bemühen schen Kirche, die sich einsetze für Men- Selbstherrlichkeit noch falsche Selbstunter- um das geistliche Führen und Leiten“. Der schen, die keine Stimme mehr haben, „die schätzung sein. „Wirklich siehst du dich nur römisch-katholische Weihbischof Anton nicht mit Leistung oder Herkunft punkten in der Haltung der Demut“, so der Bischof Leichtfried wiederum zeigte sich dankbar können“. Immer wieder gehe es darum, wörtlich. Demut – Thema der Predigt Wei- für das „engagierte ökumenische Miteinan- „ohne Rentabilitätsdenken auf die Würde lands bei seiner Amtseinführung im Jahr der“. Superintendentialkuratorin Erna Mo- jedes einzelnen hinzuweisen“. 1998 – sei „eine der schönsten Blumen auf der und Senior Karl-Jürgen Romanowski, Unterlegt war der Festakt mit an die dem Feld der Menschlichkeit“. Das Christen- die gemeinsam den Festakt moderierten, Wand projizierten Karikaturen aus der Feder

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 50 Religion und Kirche des Amstettner Pfarrers Siegfried Kolck- Thudt. Sie zeigten den Superintendenten, seinen römisch-katholischen Amtskollegen und den Landeshauptmann in typischen Si- tuationen. Organisiert wurde das Fest vom niederösterreichischen Superintendential- ausschuß. Die Liturgie des Dankgottes- dienstes gestalteten Seniorin Birgit Schiller und die stellvertretenden Superintendential- kuratorin Veronika Komuczky.

Pröll: »Unglaubliche Nähe und großes Wohlwollen zwischen Kirche und Land« Das gute Klima der Zusammenarbeit zwischen Land und Kirchen prägte das tradi- tionelle „Ökumenische Mittagessen“, zu dem Landeshauptmann Erwin Pröll die Ver- treter der Evangelischen und der Römisch- Geburtstags-Empfang vor dem Schloß Haindorf in Langenlois

den Menschen ausmachen und tragen“. Den kirchlichen Würdenträgern dankte er „für Ihr Wort und Ihre Seelsorge“, die es dem Land ermöglichten, „traditionell verwurzelt und gleichzeitig mit offenem Auge nach vorne zu gehen“. Denn bei allen Entscheidungen und Herausforderungen tue man gut daran, „auch dankbar daran zu denken, daß wir den Schutz und die Begleitung von oben brau- chen“. Die sozialen Einrichtungen der Kir- chen bezeichnete Pröll als „wichtige Ergän- zung der Arbeit des Landes“. Kardinal Christoph Schönborn bedankte sich für die „bewährte Tradition“ des öku- menischen Mittagessens. Der Kardinal ortet in der Zivilgesellschaft eine „Sehnsucht nach einem schützenden Dach“ und eine Suche nach „Verortung und Beheimatung“. Es sei eine große Herausforderung an die Kirchen, Klöster und Glaubensgemeinschaf- oben: Propst Maximilian Fürnsinn, Weih- bischof Anton Leichtfried, SI Paul Wei- land und Gattin Marianne und Landes- hauptmann Erwin Pröll (v.l.) rechts: Superintendentialkuratorin Erna Moder und Senior Mag. Karl-Jürgen Romanowski moderierten den Festakt katholischen Kirche vier Wochen zuvor ins Landhaus geladen hatte. In seiner Ansprache betonte der Landeshauptmann die „unglaub- liche Nähe und das große Wohlwollen zwi- schen den Kirchen und dem Land“ und ver- sicherte, auch in der Zukunft dieses Mitein- ander pflegen zu wollen. Die „krisenhaften Erscheinungen“ der vergangenen Monate hätten gezeigt, daß ´“das schnelle Geld nicht alles im menschlichen Leben ist“, bleibend

seien vielmehr „die immateriellen Werte, die Fotos: Dieter Schewig

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 51 Religion und Kirche

sich im Namen der Evangelischen Kirche für che im freien Staat“ habe sich auch in Öster- die Einladung und zeigte sich „froh und reich bewährt, so der Superintendent. Die dankbar“ über das Verhältnis von Kirche und Kirchen und der Staat seien eigenverant- Staat „in Eigenverantwortung, aber doch im wortlich und doch miteinander unterwegs. Miteinander“. Dieses Miteinander sei „ein Als gemeinsame Bereiche nannte Weiland glaubwürdiges Zeugnis für unsere Arbeit hier etwa das Engagement für den freien und unsere gemeinsamen Anliegen“. In die- Sonntag, den Religionsunterricht, die Mili- sem Zusammenhang erinnerte der Superin- tärseelsorge oder das Bewahren von Kultur- tendent, der gemeinsam mit Seniorin Birgit gütern. Der Superintendent kündigte bei Schiller und Senior Karl-Jürgen Romanow- dem ökumenischen Mittagessen auch an, ski an dem Treffen teilnahm, an die Barmer daß der „Weg des Buches“, ein Pilgerweg Theologische Erklärung, die vor 75 Jahren auf den Spuren der Bibelschmuggler, künftig „wegweisend“ das Verhältnis zwischen Kir- um einen Abschnitt in Niederösterreich er- che und Staat definiert habe. Die „freie Kir- weitert werden soll.

Superintendent Paul Weiland und Geschäftsführer des Evangelischen Presseverbandes von 1979 – 1998. Geboren am 14. September 1949 in Rot- tenmann, Steiermark; aufgewachsen in Seit 1. September 1998 Superintendent der Stadtschlaining im Burgenland; Studium Evangelischen Kirche A. B. in Niederös- terreich mit Amtssitz in St. Pölten. Foto: Dieter Schewig der Theologie an der Evangelisch-theolo- Bischof Michael Bünker bei der Predigt gischen Fakultät der Universität Wien von Mitglied der Synode A. B. und der Gene- im Dankgottesdienst 1969 bis 1975. Abgeschlossen mit dem ralsynode der Evangelischen Kirche in Examen pro candidatura (Magister). ten, „offen auf diese Erwartungshaltung Österreich. zuzugehen“ statt sich abzukapseln. Manch- Religionslehrer an Wiener AHS von 1975 Derzeit auch Präsident der Österreichi- mal fehle es am „wachen Zugehen auf die – 1977. Vikar in der Evangelischen Pfarr- schen Bibelgesellschaft, Obmann des Zivilgesellschaft, die mit Religion und Glau- gemeinde Wien-Währing und im Amt für Evangelischen Bundes in Österreich, Ob- be wenig Erfahrung hat“. Besorgt äußerte Hörfunk und Fernsehen in den Jahren 1977 mann des Evangelischen Presseverbandes sich der Kardinal über die Arbeitslosenzah- – 1979. Abgeschlossen mit dem Examen in Österreich, Mitglied in zahlreichen len. Insgesamt scheine es, daß man „die Lek- pro ministerio (Pfarramtsprüfung) im Jän- kirchlichen Gremien und Einrichtungen, tion aus der Krise noch nicht gelernt“ habe. ner 1979. darunter in der Gemischten Evangelisch/ Schönborn plädierte für eine Wirtschaft, die Ordination am 11. März 1979 durch Bi- Katholischen Kommission und im Ökume- „auf Nachhaltigkeit statt auf schnelle Ge- schof Oskar Sakrausky; Pressepfarrer der nischen Rat der Kirchen in Österreich. Be- winne“ ausgerichtet sei. Hier sei die Wach- Evangelischen Kirche A. u. H. B. in Öster- rater des Lutherischen Weltbundes in Genf samkeit von Kirche und Politik gefordert. reich in Kommunikationsfragen. Superintendent Paul Weiland bedankte Foto: NLK Schleich Weihbischof Anton Leichtfried, SI Paul Weiland, Landeshauptmann Erwin Pröll, Kardinal Christoph Schönborn und Propst Maximilian Fürnsinn – dieses Gruppenfoto entstand anläßlich des »Ökumenischen Mittagessens« im September in St. Pölten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 52 Religion und Kirche Festlicher Empfang für Diakone Freiwillig Engagierte stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt – Diakone aus ganz Österreich in Rankweil mit LH Herbert Sausgruber

it einem Empfang im Vinomnasaal in MRankweil begrüßten Landeshaupt- mann Herbert Sausgruber und Rankweils Bürgermeister Martin Summer am 24. Ok- tober die rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der österreichweiten Tagung der Diakone. Das bundesweite Treffen dient dem Austausch und der Vernetzung ebenso wie der gemeinsamen Fortbildung. „Freiwillig enga- gierte Menschen leisten einen wichtigen Bei- trag für den Zusammenhalt in unserer Ge- sellschaft. Die zumeist ehrenamtlich tätigen Diakone erfüllen neben ihrem Dienst am Al- tar auch einen wichtigen Dienst für all jene, die auf Hilfe angewiesen sind“, lobte der Lan- deshauptmann das umfangreiche soziale En- gagement. In Vorarlberg gibt es derzeit 20 Diakone, die haupt- und ehrenamtlich in den Pfarren arbeiten. In Österreich sind derzeit insgesamt knapp 600 Diakone tätig, mehr als 70 befin- den sich in Ausbildung. Der Großteil der LH Herbert Sausgruber begrüßte rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Diakone engagiert sich ehrenamtlich im Vinomnasaal in Rankweil Dienste der Katholischen Kirche. Zu ihren Diskussion im Rahmen der Tagung zwar Leiter des Diakonatskreises in der Diözese Aufgaben zählt die Seelsorge in der Pfarre nicht liefern. Dennoch förderten die Gesprä- Feldkirch, Gerold Hinteregger, dankte der ebenso wie in den Krankenhäusern oder den che wertvolle Impulse und neue Erkennt- Landeshauptmann für die gewissenhafte Gefängnissen. Daneben sind viele als Reli- nisse zu Tage. Vorbereitung und Durchführung der Tagung gionslehrer tätig, predigen in den Pfarren, im Vinomnasaal. Für einen gemütlichen Fest- sind Wortgottesdienstleiter oder Taufspender Dank an das Organisatorenteam abend sorgte anschließend der Kabarettist oder wirken im Begräbnisdienst. Und auch Dem Organisatorenteam rund um den Markus Linder. die erfolgreiche Privatinitiative „Tischlein deck Dich“, die Bedürftigen Lebensmittel zur Verfügung stellt, wurde von einem Dia- kon, dem Vandanser Elmar Stüttler, ins Le- ben gerufen. Alle zwei Jahre organisieren die Diakone eine bundesweite Tagung, die der Fortbildung, aber auch dem gegenseitigen Kennenlernen dient. In Vorarlberg tagten die Diakone zuletzt vor 20 Jahren.

Zwischen Liturgie und Diakonie Heuer thematisierten die Diakone im Bil- dungshaus Batschuns ihr eigenes Wirken im Spannungsverhältnis von Liturgie und Dia- konie. Die beiden kirchlichen Grundfunk- tionen, auf der einen Seite der Gottesdienst und auf der anderen Seite der Dienst am Nächsten, sollten eigentlich gleichwertig sein. Im Bewußtsein vieler Christen nimmt die Liturgie allerdings eine Vormachtstel-

lung gegenüber der Diakonie ein. Eine end- Foto: VLK/Dietmar Mathis gültige Klärung der Frage vermochte die LH Sausgruber im Gespräch mit Bischof Anton Leichtfried (Diözese St. Pölten)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 53 Personalia Gold von Wien für Henry und Franz Leichter

ach einer Begrüßung durch Bürgermei- an der Columbia University. Nach Abschluss Nster Michael Häupl und in Anwesenheit des Studiums im Jahr 1957 war er als von Stadtrat Rudolf Schicker wurden am Rechtsanwalt für unterschiedliche Kanzleien 15. Oktober Franz S. Leichter und Henry O. tätig. 1963 wurde er ins Team von US- Prä- Leichter von Vizebürgermeisterin Renate sident John F. Kennedy berufen, wo er eine Brauner im Wappensaal des Wiener Rathau- Position im „Peacecorps“ einnahm. Schließ- ses mit der Ehrenmedaille in Gold der lich kehrte er in seine Profession zurück und Bundeshauptstadt Wien ausgezeichnet. gründete eine eigene Kanzlei in New York „Henry O. Leichter und Franz S. Leichter City, zu deren Kunden u.a. zahlreiche öster- repräsentieren einen wichtigen Teil der Ge- reichische Unternehmen und das Österrei- schichte Wiens mit all ihren hellen und dunk- chische Olympische Komitee zählten. Henry len Stunden. Beide haben ihre Kindheit in Leichter engagierte sich auch politisch in New Wien verbracht und mußten aufgrund der York City und war unter den führenden Re- politischen Verfolgung ihrer Eltern Käthe formkräften innerhalb der Demokratischen und Otto Leichter sowie aufgrund der Nürn- Partei im Bundesstaat New York, darunter berger Rassengesetze vor den Nazis flüch- Eleanor Roosevelt und dem früheren Gou- ten. Beiden haben sich immer ihrem Wien verneur Herbert H. Lehman. Henry Leichter stark verbunden gefühlt und haben ganz fungierte u.a. auch als State Committeeman wesentlich zur Wiederherstellung des An- der Demokratischen Partei und engagierte Henry O. Leichter und Franz S. Leichter sehens Wiens und Österreichs in den USA gemeinsam mit Vbgmin Renate Brauner sich in mehreren Wahlkampagnen. beigetragen“, so Brauner in ihrer Laudatio. und Stadtrat Rudolf Schicker Franz S. Leichter ging wie sein Bruder „Henry und Franz Leichter haben nie ver- Foto: media wien auf das Swarthmore College. Nach dem gessen, woher sie gekommen sind. Die Ge- College-Abschluß 1952 studierte Franz in burtsstadt Wien verneigt sich vor zwei her- März 1935 verhaftet, wobei Käthe Leichter Harvard Rechtswissenschaften. Nach sei- ausragenden Botschaftern Wiens. Ihr Le- nach wenigen Tagen und Otto Leichter nach nem ersten Studienjahr wurde er in die US- benswerk ist gekennzeichnet von Mensch- drei Monaten aus der Haft entlassen wurden. Armee einberufen und diente in Fernost. lichkeit, Respekt vor anderen, dem großen Otto und Käthe Leichter gehörten zwischen Danach schloß er sein Studium ab und war Drang nach Gerechtigkeit, Freiheit und dem 1934 und 1938 in der Illegalität zum engsten mehr als 50 Jahre als Anwalt tätig. Er war in entschiedenen Eintreten für Schwächere“, so Kreis der „Revolutionären Sozialisten“. Im dieser Zeit u.a. Anwalt des österreichischen Brauner. Zuge des Anschlusses entschloß sich Otto Konsulats in New York sowie des österreichi- Henry Leichter wurde als Heinz Leichter Leichter zur umgehenden Flucht aus Öster- schen Kulturinstituts. Auch Franz Leichter 1924 in Wien als erster Sohn von Käthe und reich. Trotz intensiven Drängens von Otto beteiligte sich an der Reformbewegung Otto Leichter geboren, 1930 wurde der Leichter erkannte Käthe Leichter die imma- innerhalb der Demokratischen Partei in New zweite Sohn Franz Leichter geboren. Käthe nente Gefahr der Verfolgung durch die York. 1968 wurde er in das Abgeordneten- Leichter promovierte 1918 bei Max Weber Nationalsozialisten zu spät und wurde am haus des Bundesstaates New York gewählt. in Nationalökonomie, war Mitarbeiterin von 30. Mai 1938 von der Gestapo inhaftiert. Sie 1974 zog er in den Senat des Bundesstaates Otto Bauer und baute in den zwanziger Jah- wurde u.a. mit Rosa Jochmann im Konzen- New York ein. In seiner Amtszeit als Man- ren das Frauenreferat der Wiener Arbeiter- trationslager Ravensbrück interniert und im datar beschäftigte er sich insbesondere mit kammer auf. 1921 heiratete sie den sozialde- März 1942 in Bernburg/Saale ermordet. Otto den Themen Bankwesen, KonsumentInnen- mokratischen Journalisten Otto Leichter. Leichter gelang es mit den Söhnen über schutz, Umweltpolitik, Nahverkehr, Wahlre- Der studierte Jurist Otto Leichter war Mit- , Vichy-Frankreich und Lissabon 1940 form und Wahlkampffinanzierungsreform, begründer des Verbandes der sozialdemokra- nach New York zu emigrieren. Antidiskriminierung, leistbarem Wohnen tischen Studenten und Akademiker und ab Henry O. Leichter beteiligte sich als jun- und trat als Gegner der Todesstrafe auf. Nach 1925 Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“. Im ger Soldat der US- Armee an der Befreiung seinem Abschied aus dem Parlament in Zuge der Februar-Ereignisse des Jahres 1934 Deutschlands und Österreichs. 1946 beende- Albany 1998 wurde Franz Leichter 2000 von und des damit einhergehenden Verbots der te er seinen Militärdienst und besuchte bis Präsident Bill Clinton zum Direktor des Sozialdemokratie in Österreich gingen 1948 das Swarthmore College in Pennsyl- „Federal Housing Finance Board“ bestellt Käthe und Otto Leichter in die Schweiz ins vania. Danach ging er u.a. als Mitarbeiter im und 2001 von dessen Nachfolger George W. Exil. Büro des US-Hochkommissars für Deutsch- Bush bestätigt. Dabei war er bis zu seinem Nach ihrer Rückkehr Ende 1934 mußten land nach Europa zurück. Nach dieser Ausscheiden aus dem Amt 2006 federfüh- sie ihre Wohnung in Wien aufgeben und zo- Tätigkeit kehrte Henry Leichter in die USA rend an einer Reform der Richtlinien des gen nach Mauer (NÖ). Dort wurden sie im zurück und studierte Rechtswissenschaften „Affordable Housing Program“ beteiligt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 54 Personalia »Praemium Imperiale« für Alfred Brendel Der österreichische Pianist wurde gemeinsam mit Zaha Hadid, Richard Long, Hiroshi Sugimoto und Tom Stoppard von Prinz Hitachi in Tokio geehrt. Foto: DauthKaun Public Relations, Berlin Prinz Hitachi überreicht dem österreichischen Pianisten Alfred Brendel den »Praemium Imperiale« in der Kategorie Musik. ie fünf diesjährigen Preisträger des Beethovens sämtliche Klavierwerke ein. Der Preis in der Kategorie Theater/Film Dinternationalen Kunst- und Kulturprei- 2008 beendete er seine professionelle Kar- geht an den britischen Schriftsteller Tom ses »Praemium Imperiale« erhielten am riere nach sechs Jahrzehnten mit einer Ab- Stoppard, einen der wichtigsten modernen 22. Oktober von der Japan Art Association schiedstournee. Dramatiker weltweit, dessen Stücke sich ihre Auszeichnungen. Seine Hoheit Prinz In der Kategorie Malerei wurde dieses durch außergewöhnliche sprachliche Sensi- Hitachi, jüngerer Bruder des japanischen Jahr Hiroshi Sugimoto geehrt. Der japani- bilität auszeichnen. Sein literarischer Durch- Kaisers Akihito und Schirmherr der Stiftung, sche Fotograf schafft anspruchsvolle Arbei- bruch kam mit „Rosenkrantz and Guilden- überreichte die weltweit höchste Ehrung zeit- ten von herausragender technischer Qualität. stern are Dead“, einem absurden Drama über genössischer Kunst in Tokio – im September Dabei geht es ihm nicht um das Einfangen zwei Nebencharaktere aus Shakespeares hatte er bereits die Bekanntgabe in Berlin eines Moments, sondern um Bilder, die das „Hamlet“. durch seine Anwesenheit geehrt. Gegenteil von „Schnappschüssen“ sind – Außer den fünf Preisträgern des „Prae- Auch die diesjährigen Preisträger wurden und stets auf einem klaren künstlerischen mium Imperiale“ wurden bereits bei der feier- von der Japan Art Association in Tokio wie- Konzept basieren. lichen Bekanntgabe in Berlin und in Anwe- der für ihr einzigartiges Lebenswerk, für Der britische Land-Art Künstler Richard senheit Ihrer Kaiserlichen Hoheiten Prinz ihren Einfluß auf die internationale Kunst Long wurde in der Kategorie Skulptur ausge- und Prinzessin Hitachi die Gewinner des und Kultur sowie für die gesellschaftliche zeichnet. Seine Konstruktionen beeindrucken „Praemium Imperiale Grant for Young Bedeutung ihrer Werke gewürdigt. Dotiert ist durch ihre Einfachheit, basieren auf der Be- Artists 2009“ ausgezeichnet. die Auszeichnung, die auch der „Nobelpreis ziehung zwischen Mensch und Natur. Seit Die Japan Art Association hat den ange- der Künste“ genannt wird, mit jeweils rund 40 Jahren geht Richard Long im künstleri- sehenen Kunstpreis „Praemium Imperiale“ 111.000 Euro. Dazu verlieh Prinz Hitachi schen Schaffensprozeß auf seine ganz eigene vor über 20 Jahren ins Leben gerufen. Vor- jedem der Geehrten im Rahmen der Zere- Weise vor: Steine oder Holz werden in ein- geschlagen werden die jeweiligen Gewinner monie eine Urkunde und eine Medaille. fachen geometrischen Formen wie Kreisen, jeweils von den Internationalen Beratern. In der Kategorie Musik wurde Alfred Ellipsen, Kreuzen oder Linien angeordnet. 103 Künstlerinnen und Künstler sind seit Brendel geehrt. Der österreichische Pianist Den „Praemium Imperiale“ in der Kate- Bestehen geehrt worden, darunter u.a. Mar- ist für Interpretationen bekannt, die sich gorie Architektur erhält Zaha Hadid. Ihre tha Argerich, Pina Bausch, Claudio Abbado, durch intellektuelle Tiefe und hohe Authen- avantgardistischen Ideen und revolutionären Georg Baselitz, Leonard Bernstein, Ingmar tizität auszeichnen. Brendels Repertoire ist Konzepte haben der modernen Architektur Bergmann, Christo & Jeanne-Claude, Ornet- sehr umfangreich und umfaßt insbesondere neue Sichtweisen eröffnet. Hadids eigenwil- te Coleman, Norman Foster, Frank Gehry, die klassischen Werke deutscher und öster- lige und visionäre Arbeiten sind sehr ab- David Hockney, Anselm Kiefer, Akira Kuro- reichischer Komponisten, deren spieleri- strakt, geprägt von geraden Linien und schar- sawa, Yayoi Kusama, Ken Loach, Issey sche, poetische Nuancen er stets durch sei- fen Winkeln, dabei zugleich von fließender Miyake, Renzo Piano, Maya Plisetskaya, nen klaren, sensiblen Anschlag hervorzuhe- Formgebung mit verflochtenen geometri- Steve Reich, Bridget Riley und Niki de Saint ben weiß. Als erster Pianist spielte er schen Kurven. Phalle.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 55 Personalia Otto Tausig für Lebenswerk geehrt Publikumspreis für Birgit Minichmayr, Ausstattungs-Nestroy zum 5. Mal an Martin Zehetgruber, Martin Kusej bester Regisseur

„Der Weibsteufel“ im Akademietheater holte neben dem Preis für Minichmayr noch zwei weitere Nestroys, nämlich jenen für die beste Regie, mit dem Martin Kusej prämiert wurde, sowie die bereits fünfte Auszeich- nung für die Ausstattung von Martin Zehet- gruber – in diesem Jahr für seine Riesen- Baumstämme in „Der Weibsteufel“. Als „Beste deutschsprachige Auffüh- rung“ wurde das Jelinek-Stück „Rechnitz (Der Würgeengel)“ in den Münchner Kam- merspielen ausgezeichnet, der Spezialpreis ging an das Wiener Koproduktionshaus „brut“. Bereits im Vorfeld bekannt waren der Autorenpreis für Roland Schimmelpfen- nings „Besuch bei dem Vater“ sowie für das theatercombinat mit „bambiland“ als beste Off-Produktion. Die zehnte Nestroy-Gala en- Foto: RK / Alexandra Kromus dete mit einem Empfang im Wiener Rathaus. Otto Tausig, StR Andreas Mailath-Pokorny und Sona McDonald Die Nestroy-Preise werden seit dem Jahr m Abend des 12. Oktober wurden im Salzburger Festspielen. Der Nestroy für die 2000 vergeben und sollen dem österreichi- ACircus Roncalli auf dem Wiener Rat- beste Nebenrolle ging an Sona MacDonald schen Theater und seinen AkteurInnen eine hausplatz zum 10. Mal die Nestroy-Theater- für ihre Rolle im „Talisman“ im Theater in würdige Anerkennung ihrer Leistungen aus- preise vergeben, die Verleihung moderierten der Josefstadt, jener für den besten Nach- sprechen. Die alljährliche Veranstaltung Christoph Wagner-Trenkwitz und Nicolaus wuchs an Gerrit Jansen für seinen „Bertram“ wird vom „Verein Wiener Theaterpreis“ aus- Hagg. Mit dem Preis für sein Lebenswerk in Shakespeares „Ende gut, alles gut“ im gerichtet und maßgeblich von der Kulturab- wurde der 87 jährige Otto Tausig geehrt, der Kasino am Schwarzenbergplatz. teilung der Stadt Wien unterstützt. über 50 Jahre lang als Schauspieler, Regis- seur und Dramaturg im In- und Ausland tätig gewesen ist. Seit seinem Bühnenabschied als „Schnoferl“ in Nestroys „Mädl aus der Vorstadt“ war er weiterhin regelmäßig im Film und beim Fernsehen zu sehen. Sein Herzensblut gibt er für die Unterstützung der Entwicklungshilfe, der er schon lange seine sämtlichen Gagen spendet. Es sei ein biß- chen gemein, schon jetzt für das Lebenswerk ausgezeichnet zu werden, denn dieses sei ja noch nicht beendet, so Tausig in seiner Dan- kesrede. Eine doppelte Auszeichnung gab es für Mimin Birgit Minichmayr, die den erstmals verliehenen Publikumspreis in Empfang neh- men durfte und zusätzlich als beste Haupt- darstellerin für ihre Rolle in „Der Weibs- teufel“ im Akademietheater geehrt wurde. Foto: RK / Schaub-Walzer Den Preis für den besten Hauptdarsteller Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Karin Kathrein, Vorsitzende der Nestroy- erhielt Andre Jung für seine Darstellung des Jury, Franz Wohlfahrt, Generaldirektor Novomatic AG, Otto Tausig, Bernhard Paul, „Krapp“ im Beckett/Handke-Abend bei den Direktor des Circus Roncalli, Autor und Schauspieler Nicolaus Hagg

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 56 Personalia USA ehren Fliegenfischer Oberösterreichischer Fliegenfischer Roman Moser empfing US-Ehrung – Fixer Platz in der New York Hall of Fame

m 17. Oktober wurde der Gmundner AFliegenfischer Roman Moser in die „Hall of Fame“ des New Yorker Fliegen- fischermuseums aufgenommen, das bis dato nur Amerikanern und – posthum – auch Eng- ländern vorbehalten war. Moser ist damit auch der erste noch lebende Europäer und deutschsprachige Fliegenfischer, dem diese Ehrung im Catskill Fly Fishing Center and Museum in Livingston Manor (NY) zuteil wurde. Seine Bronzeplakette wird dann Sei- te an Seite mit der von Robert Redford in der Hall of Fame hängen, der für die Regie des Films „a river runs through“ geehrt wurde. Der Film löste einen regelrechten Fliegen- fischerboom aus. Fliegenfischen ist übrigens nicht nur eine beliebte Outdoor- Aktivität der naturverbundenen Amerikaner, sondern bei rund acht Millionen Fliegenfischern in den USA (im deutschsprachigen Raum lediglich 25.000) ein bedeutender Wirt- schaftsfaktor. 62 renommierte US-Fliegenfischer und Fliegenbinder wurden seit der Gründung des Museums in die Hall of Fame aufgenom- men. Darunter sind Persönlichkeiten wie Theodore Gordon, Nick Lyons, Ernest

Schweibert, Everett Garrison, Hoagy B. Car- Foto: Roman Moser GmbH michael Jr., etc. Gemeinsam mit Moser wer- Moser ist der erste noch lebende Europäer und deutschsprachige Fliegenfischer, den auch posthum die Briten Frederick Hal- der im Catskill Fly Fishing Center and Museum in Livingston Manor verewigt wurde. ford (Vater des Trockenfliegenfischens) und roither zurück, dessen Schüler Moser war), tüchtigung“ begradigt wurden, versucht er G.E.M. Sues (Erfinder der Nymphenfliege) heute auch als „Austrian Style“ bekannt. den Salmoniden ihren artgerechten Lebens- geehrt. Wer also ins „Allerheiligste“ des New 2009 brachte Moser dazu erstmals die DVD raum zurück zu geben. Daß dieser Spagat York Fliegenfischermuseums kommt, muß „Werfen im Dreivierteltakt“ heraus – ein ab- zwischen Ökonomie und Ökologie möglich schon was drauf haben, ein Nicht-Amerika- soluter Renner in der Szene. ist, sieht man am Fluß Ager, den Moser be- ner muß um so besser sein. Mit 30 war Moser das „enfant terrible“ wirtschaftet. Er war es auch, der schon vor vie- Moser wird in Summe für seine Ent- der internationalen Fliegenbinderszene: mit len Jahren die „Whitlock Vibert“-Box – eine wicklungen und Erfindungen geehrt, mit der seinen impressionistischen Fliegenmustern Art Brutkasten für Salmoniden zum Wieder- er der Fliegenfischerei weltweit seinen un- aus den Synthetikfasern von Badezimmer- aufbau schwindender Fischbestände – aus verkennbaren Stempel aufgedrückt hat. In teppichen und dem Einsatz von Messingper- den USA nach Europa zurück gebracht hat. der internationalen Fachliteratur zum Thema len brachte er den alteingesessenen Platzhir- Wenn Moser nicht gerade irgendwo in ist der Name Roman Moser nicht mehr weg- schen das Fürchten bei. Die letzten 30 Jahre der Welt Vorträge und Kurse hält und an den zudenken. widmete sich Moser – neben seiner Haupt- großen Flüssen dieser Erde neue Entwick- „Der Einzug in die Hall of Fame ist für tätigkeit als Lehrer an der HAK Gmunden – lungen ausprobiert, werkt er im stillen Käm- mich zweifellos die Krönung meines der Weiterentwicklung von Bindematerialien, merchen vor sich hin – denn die Ideen gehen Lebenswerkes“, freut er sich deshalb zu die heute überall in der Welt des Fliegen- ihm nie aus. Nächstes Projekt ist sein von Recht. Schon mit zehn Jahren sammelte Mo- fischens im Einsatz sind. Vor allem aber ist Fliegenfischern schon mit Spannung erwar- ser beim „Schratzenzupfen“ am Steg vor der ihm die nachhaltige Gewässerbewirtschaf- tetes Buch – eine Zusammenschau seiner Haustür im Traunsee seine ersten Erfahrun- tung (river management) ein Anliegen. jahrzehntelangen Aktivitäten, gespickt mit gen. Von da an ging es steil bergauf. Mit 25 Als vehementer Verfechter der Renaturie- Episoden von Begegnungen mit namhaften war er ein Meister des Gebetsroither-Wurf- rung von Flüssen, die in den 50er- und 60er- Fliegenfischern u.v.m. stils (geht auf den Gmundner Hans Gebets- Jahren unter dem Euphemismus „Abflußer- http://www.romanmoser.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 57 Wissenschaft & Technik Raumzeit auf dem Prüfstand Gammastrahlenmessung bestätigt Einsteins Relativitätstheorie

as Fermi Gammastrahlen-Weltraum- Dteleskop sendet seit einem Jahr wissen- schaftliche Daten zur Erde. Über eintausend einzelne Gammalichtquellen konnten bereits entdeckt werden. Nun berichten die beteilig- ten Wissenschaftler – unter ihnen der Inns- brucker Astroteilchenphysiker Olaf Rei- mer – in der Fachzeitschrift Nature über eine Messung, die neue Einblicke in die Struktur von Raum und Zeit geben. Die Gravitation ist eine in der Physik vieldiskutierte Wechselwirkung, die sich nicht so recht in andere physikalische Theo- rien einfügen will. In seiner Relativitäts- theorie hatte Albert Einstein Raum und Zeit in einer einheitlichen vierdimensionalen Struktur, der Raumzeit, vereinigt, über deren Krümmung sich auch die Schwerkraft zwi- schen zwei Massen vermittelt. Um die Gra- vitation mit den anderen fundamentalen Wechselwirkungen zu versöhnen, gehen viele neue Theorien davon aus, daß diese Raumzeit bei kleinsten Längen (etwa 1035 Meter) eine schwammige Struktur haben kann. In Konsequenz würden sich dann bei- spielsweise hochenergetische Gammastrah- len geringfügig langsamer fortbewegen als niederenergetisches Licht. Dies würde aller- dings Einsteins Annahme widersprechen, daß jede elektromagnetische Strahlung – Foto: NASA Radiowellen, Infrarotlicht, sichtbares Licht, Über eintausend einzelne Gammalichtquellen konnten mit dem Fermi Gammastrah- len-Weltraumteleskop bereits identifiziert werden. Röntgenstrahlung und Gammastrahlung – sich mit der gleichen Geschwindigkeit durch Messung widerlegt diejenigen Theorien, bisher beobachtete Bewegung. Auch die ein Vakuum bewegen. welche eine lineare Abhängigkeit zwischen Gammastrahlung mit der höchsten je beob- Energie und Lichtgeschwindigkeit vorhersa- achteten Energie (33,4 Milliarden Elektro- Einstein behält Recht gen“, sagt Olaf Reimer vom Institut für nenvolt oder die 13 milliardenfache Energie Das Fermi Gammastrahlen-Weltraum- Astro- und Teilchenphysik der Universität des sichtbaren Lichts) wurde im September teleskop und andere Satelliten haben am 10. Innsbruck, der seit vielen Jahren am Fermi- bei einem weiteren Ausbruch gemessen Mai 2009 einen kurzen Gammastrahlen- Projekt beteiligt ist. „Mit einer Wahrschein- (GRB 090902B). Ein anderes Ereignis ausbruch (GRB 090510) beobachtet, der lichkeit von 100 Millionen Milliarden hatten (GRB 080916C) produzierte die höchste je vermutlich von der Kollision zweier Neutro- die beiden Photonen die gleiche Geschwin- gemessene Gesamtenergie: das 9000fache nensterne herrührte. Das Ereignis fand in digkeit“, betont Reimer, „Einsteins Relativi- einer typischen Supernova. „Das Fermi Gam- einer 7,3 Milliarden Lichtjahre entfernten tätstheorie bleibt also unangetastet.“ mastrahlen-Weltraumteleskop ist jetzt seit Galaxie statt, und doch konnten die Meß- mehr als einem Jahr in Betrieb“, erzählt Olaf instrumente auf dem Fermi-Satelliten zahl- Zahlreiche Erfolge Reimer. „Es durchsucht alle drei Stunden reiche Gammastrahlenphotonen dieses 2,1 Se- Mit den Instrumenten an Bord des 4,5 Ton- den gesamten Himmel mit einer in diesem kunden dauernden Ausbruchs einfangen. nen schweren Satelliten konnten in nur Wellenlängenbereich unerreichten Auflö- Zwei davon hatten eine deutlich unterschied- einem Jahr zahlreiche neue Rekorde in der sung und Empfindlichkeit. Wir erhalten ein liche Energie, sie differierte um das Millio- Gammaastronomie aufgestellt werden. Bei immer detaillierteres Bild des Universums. nenfache. Und doch kamen die beiden Pho- dem oben erwähnten Gammastrahlenaus- So haben wir bereits über eintausend Gamma- tonen nach ihrer sieben Milliarden Jahre bruch wurde Materie mit einer Geschwin- strahlenquellen entdeckt, das sind fünf Mal dauernden Reise mit weniger als einer Se- digkeit von 99.99995 Prozent der Licht- mehr als wir bisher kannten“, so Reimer. kunde Abstand bei der Erde an. „Diese geschwindigkeit ausgestoßen, die schnellste http://www.nasa.gov/fermi

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 58 Wissenschaft & Technik Neue Technologie gegen drohende Phosphorknappheit Die Lagerstätten für das lebenswichtige Element Phosphor reichen noch 150 Jahre. Ein TU-Team entwickelt eine neue Technik für Phosphor-Recycling, um dem drohenden Mangel gegenzusteuern.

hosphor ist ein lebenswichtiges Element. PDie Steuerung des Energiehaushalts in den Zellen von Pflanzen und Tieren oder die Zusammensetzung der Erbsubstanz DNA hängen direkt von seiner Verfügbarkeit ab. „Das Problem ist, daß die weltweit für die Industrie verfügbaren Phosphorreserven voraussichtlich nur mehr für etwa 150 Jahre reichen“, weiß Helmut Rechberger, Profes- sor für Ressourcenmanagement am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universi- tät Wien. Er und sein Team arbeiten in einer Kooperation mit dem Institut für Verfahrens- technik der TU Wien an der Entwicklung von Technologien, mit denen man bereits verbrauchten Phosphor aus Abwasser wieder zurückgewinnen kann. „Würde unsere Tech- nik in Österreich flächendeckend eingesetzt, so könnten wir mit dem Recycling-Phosphor bis zu 30 Prozent unseres gesamten Bedarfs decken“, ist Professor Helmut Rechberger überzeugt. Foto: TU Wien Helmut Rechberger, Univ.Prof. für Ressourcenmanagement Wichtiger Bestandteil von Dünger Phosphor hat vor allem in Düngemitteln dem Wiener Unternehmen Ash Dec Umwelt Gutes Phosphor-Erz bereits rar für die Landwirtschaft eine große Bedeu- AG ein neues Verfahren, bei dem die Pro Kopf und Jahr werden heute europa- tung. Eigentlich wäre im Boden reichlich Entwicklungsarbeit und die langjährige weit knapp sechs Kilogramm des immer Phosphor vorhanden, doch Pflanzen können Erfahrung der TU Wien auf dem Gebiet der rarer werdenden Phosphors verbraucht. Ex- nur einen Bruchteil davon tatsächlich aufneh- Wirbelschichtverbrennung zum Einsatz pertInnen erwarten, daß sich mit dem Wach- men. „Ob Pflanzen den Phosphor verwerten kommt. Dabei wird Klärschlamm zunächst sen der Weltbevölkerung und den sich global können, hängt davon ab, in welcher chemi- in konventionelle Verbrennungsanlagen ein- verändernden Ernährungsgewohnheiten der schen Form er vorliegt“, erklärt Rechberger. gebracht. „Die organischen Stoffe wie Hor- Verbrauch von Phosphor noch weiter be- In Abwässern ist die Konzentration des ver- mone und Medikamente werden dabei zer- schleunigt wird. Zudem liegen viele der wertbaren Phosphors zwar hoch, deshalb stört, die Schwermetalle wandern ins Rauch- noch vorhandenen Lagerstätten in politisch wurde zum Beispiel Klärschlamm früher als gas und werden herausgefiltert“, erklärt Be- instabilen Regionen. „Die qualitativ hoch- Dünger auf die Felder ausgebracht. „Hier nedikt Nowak, Projektassistent am Institut wertigen Erzvorkommen der Welt sind heute gibt es aber das Problem, daß im Klär- für Verfahrenstechnik, der TU Wien. Übrig großteils schon abgebaut“, weiß TU-For- schlamm auch viele Schadstoffe wie Schwer- bleibt Asche, in der der Phosphor hoch kon- scher Rechberger. „Weil aber das noch ver- metalle, künstliche Hormone und andere zentriert ist. Diese Asche wird bei einer fügbare Erz selbst immer mehr Schadstoffe Arzneimittel enthalten sind. Deshalb ist in Temperatur von 1000 Grad nochmals che- wie Cadmium oder Uran enthält, wird auch manchen Regionen die Ausbringung von misch und thermisch behandelt. „Bei diesem seine Aufbereitung immer kostspieliger“, Klärschlamm auf die Felder heute bereits Schritt verflüchtigen sich weitere Schwer- sagt er. „Damit ist es nur mehr eine Frage der verboten “, weiß der TU-Forscher. metalle, die dann aus dem angereicherten Zeit bis Phosphorrecycling ökonomisch kon- Gas heraus abgeschieden werden“, sagt kurrenzfähig wird.“ Phosphorkonzentrat aus Klärschlamm Nowak. Am Ende bleibt ein phosphorreiches http://www.iwa.tuwien.ac.at Unter dem Titel „Urban Mining“ entwik- Material zurück, das zu Dünger weiter verar- Videolink: kelt das Forschungsteam gemeinsam mit beitet werden kann. http://www.tuwien.ac.at/flash_video/091007urbanmining/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 59 Wissenschaft & Technik Österreich am Weg zur Innovationsführerschaft Chancen und Herausforderungen für Industrie und Wissenschaft.

sterreich ist am Weg zur Innovations- Öführerschaft – bestätigt der Rat für For- schung und Technologieentwicklung – und hat das Potential, durch Kommunikations- technologien und die Bildung intelligenter Ökosysteme Vorsprünge zu erreichen. Die Konferenz „Pathways to a Digital Future“ am 12. Oktober im Haus der Industrie disku- tiert die Chancen und Herausforderungen für Industrie und Wissenschaft auf dem Weg zum „Innovation Leader“. Österreich befindet sich in seiner FTI- Performance im internationalen Vergleich mit Ländern wie Frankreich, Irland, Belgien und den Niederlanden unter den „Innovation Followers“, also der Gruppe hinter den füh- renden Innovationsnationen („Innovation

Leaders“), wie der jüngst veröffentlichte Be- Foto: FTW Forschungszentrum Telekommunikation Wien richt „Strategie 2020“ des austrian council, Podiumsdiskussion anläßlich der Konferenz »Pathways to a Digital Future« Rat für Forschung und Technologieentwick- lung, bestätigt. Die Voraussetzung für Spit- schaffen, damit Österreich eine Spitzen- sicher und ohne Zeitverzögerungen ihr ge- zenstellungen und Vorsprünge in IKT setzt position bei der Entwicklung und Nutzung wünschtes Ziel erreichen“, erklärt Prof. die Bildung von strategischen IKT-Partner- von IKT einnimmt.“ Wolrad Rommel, Geschäftsführer des FTW. schaften zwischen Wirtschaft, Wissenschaft Intelligente Ökosysteme für Kommuni- Die Konferenz „Pathways to a Digital und Politik voraus. „Unser Ziel dabei ist die kation, Verkehr, Energie und Gesundheit Future“ in Kooperation mit der Industriel- Forcierung einer schnellen und bedarfsge- sind strategische IKT Wachstumsfelder für lenvereinigung anläßlich des zehnjährigen rechten Umsetzung exzellenter Forschung in nachhaltiges Wachstum in Zukunftsmärkten. Bestehens des FTW diskutiert die Chancen Produktinnovationen mit Markterfolg“, be- Treiber dieser Entwicklung sind innovative und Herausforderungen für Industrie und tonte Hannes Ametsreiter, Vorstandsvorsit- IKT Anwendungen wie das Internet der Zu- Wissenschaft auf dem Weg zur Innovations- zender der Telekom Austria Group. kunft, intelligente Transportsysteme, elektri- führerschaft Österreichs. Prominente Key „Erfolgreiche und innovative Produkt- sche Mobilität oder der Aufbau intelligenter Note Speakers waren Georg Kapsch, Vor- entwicklungen bedürfen einer intensiven Energiesysteme. standsvorsitzender Kapsch-AG, Hannes Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ein Beispiel ist die Weiterentwicklung Ametsreiter, Vorstandsvorsitzender Telekom Wissenschaft“, meint Harald Himmer, Gene- von Verkehr und Transport zu intelligenten Austria Group, Harald Himmer, Alcatel- raldirektor Alcatel-Lucent Austria. „Investi- Ökosystemen auf Basis verkehrstelemati- Lucent Austria, sowie Ulrike Baumgartner- tionen in Forschung und Entwicklung sind scher Innovationen. Die langfristige Vision Gabitzer, Vorstandsmitglied Verbund. essentiell, um den Standort Österreich als In- ist die Verwirklichung einer energieeffizien- Das Forschungszentrum Telekommuni- novationsführer zu positionieren und damit ten, bedarfsgerechten und sicheren Mobilität kation Wien (FTW) ist ein national führen- die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“ mit automatischem Fahren auf Straßen und des und international anerkanntes Zentrum Die Bedeutung der IKT für alle Lebens- Schiene. Aktuell erforscht und entwickelt das zur Erforschung und Entwicklung von Tech- bereiche unterstreicht Peter Koren, Vize- Forschungszentrum Telekommunikation nologien für die Kommunikationssysteme Generalsekretär der Industriellenvereini- Wien (FTW) gemeinsam mit Partnern aus der Zukunft. Die Initiative wird als K1-Zen- gung: „Die IKT werden in den nächsten Industrie und Wissenschaft das in Kommu- trum im Rahmen des österreichischen Kom- Jahrzehnten entscheidend für die internatio- nikationstechnologien steckende Potential petenzzentrenprogramms COMET von Bund nale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirt- zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf und Land Wien gefördert und weiter ausge- schaft, die Effizienz unserer öffentlichen der Straße. „Die Integration von Kommuni- baut. Wichtigstes Ziel des FTW ist die Stär- Dienste und unsere Lebensqualität sein. kationsnetzwerken in Verkehrssysteme ver- kung der Innovationskraft und der Wettbe- Unsere Wirtschaftsleistung und damit unsere sorgt Verkehrsteilnehmer, Fahrzeuge und In- werbsfähigkeit der Partner sowie dies Tech- Arbeitsplätze hängen zu einem hohen Grad frastrukturbetreiber in Echtzeit mit Informa- nologiestandortes Wien durch die Bünde- von diesen Technologien ab. Daher müssen tionen über Straßenzustände, Verkehrsdich- lung und den weiteren Ausbau vorhandenen wir entsprechende Rahmenbedingungen te, Fahrverhalten oder Unfälle, sodaß alle Wissens.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 60 Wissenschaft & Technik Wittgenstein- und START- Preisträger 2009 Rund 10 Millionen Euro für Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher – Forschungsfinanzierungsgesetz auf Agenda für neues Wachstum

issenschafts- und Forschungsminister WJohannes Hahn hat gemeinsam mit FWF-Präsident Christoph Kratky die heuri- gen Wittgenstein- und START-PreisträgerIn- nen präsentiert, die feierliche Verleihung folgt am 26. Jänner 2010. „Insgesamt wer- den den Preisträgerinnen und Preisträgern in den kommenden fünf bzw. sechs Jahren rund zehn Millionen Euro für ihre wissenschaft- lichen Arbeiten zur Verfügung stehen“, so der Minister. Der Wittgenstein- und die START-Preise als renommierteste und höchst dotierte öster- reichische Wissenschaftspreise werden be- reits zum 14. Mal verliehen. Heuer gibt es zwei Wittgenstein-Preisträger: Zum einen wird der Preis an den gebürtigen Bayern Jür- gen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien verliehen. Zum an- deren an den gebürtigen Vorarlberger Gerhard Widmer, der derzeit an der Linzer Foto: BMWF FWF-Präsident Kratky, Christoph Kratky, Gerhard Widmer, David Teis, BM Johannes Johannes-Kepler-Universität forscht. Der Hahn, Arthur Kaser, Thorsten Schumm, Ilse Fischer und Jürgen Knoblich (v.l.) Wittgenstein-Preis wird für bereits erbrachte außergewöhnliche wissenschaftliche Leistun- Wissenschaftsfonds FWF, der seit Bestehen „Wir sind generell auf einem sehr guten gen verliehen, beide Preisträger bekommen des Programms im Auftrag des BMWF die Weg“, so der Minister weiter. Österreich ist für die kommenden fünf Jahre jeweils 1,5 Mil- Abwicklung übernommen hat, seinen Dank bei den Investitionen in die Forschung heuer lionen Euro. aus. „Die Spitze, die mit dem Wittgenstein- unter die Top 3 der EU aufgestiegen und liegt Mit den START-Preisen werden junge Preis ausgezeichnet wird, braucht eine starke mit einer Forschungsquote von 2,7 Prozent Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher Basis, die gerade auch mit der Arbeit des weit über dem EU-Durchschnitt von 1,9 Pro- ausgezeichnet, sie bekommen eine namhafte FWF gefördert wird durch die kompetitive zent. „Um die Forschung auch künftig auf Summe für die Realisierung viel verspre- Vergabe von Projektmitteln, die Doktorats- verlässliche und stabile Beine zu stellen, ha- chender neuer Projekte. Die START-Preise kollegs oder auch die gezielten Frauenförde- be ich in Alpbach ein Forschungsfinanzie- sind jeweils mit 1,2 Millionen Euro für sechs rungsprogramme“, unterstrich der Wissen- rungsgesetz vorgeschlagen. Es soll das fi- Jahre dotiert und wurden heuer an zwei schaftsminiser. nanzielle Rückgrat für die heimische For- Preisträgerinnen und vier Preisträger verlie- Seit 1996 wurden 23 Wittgensteinpreise schung werden“, bekräftigte Hahn sein Vor- hen: Francesca Ferlaino (Leopold-Franzens- und 76 START-Preise vergeben und bis dato haben, das auch mit der Rede des Finanz- Universität Innsbruck), Ilse Fischer (Univer- rund 115 Millionen Euro zur Verfügung ge- ministers Rückenwind bekommen hat. „Das sität Wien), Arthur Kaser (Medizinische stellt. Mit dieser Förderung der Spitzenfor- Forschungsfinanzierungsgesetz steht weit Universität Innsbruck), Manuel Kauers (Jo- schung wird die Ausbildung junger Forsche- oben auf der Agenda für neues Wachstum.“ hannes-Kepler-Universität Linz), Thorsten rinnen und Forscher wesentlich unterstützt. Abschließend betonte Hahn: „Wir haben Schumm (Technische Universität Wien) Ein Wittgenstein-Preisträger beschäftigt hier heute die Spitze der Forschung. Aber für sowie David Teis (Medizinische Universität durchschnittlich 15 Mitarbeiterinnen und Mit- die Spitze braucht es Breite. Es ist mir ein Innsbruck). arbeiter, ein START-Preisträger durchschnitt- großes Anliegen, Menschen für Forschung „Auch heuer spiegeln die Preise die hei- lich 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. zu begeistern, sie mit den faszinierenden mischen Stärkefelder wider“, verwies der „Damit erfassen diese beiden Programme Forschungsleistungen in Berührung zu brin- Minister auf die Bereiche Computational mehr als 1000 höchstqualifizierte Stellen, gen. Ich darf an dieser Stelle etwa auf die science, Life science, Mathematik/Informa- die einen entscheidenden Beitrag zur Schaf- ‚Lange Nacht der Forschung‘ aufmerksam tik sowie Physik. Johannes Hahn sprach im fung von neuem Wissen in Österreich lei- machen.“ Heuer findet sie am 7. November Rahmen der Pressekonferenz auch dem sten“, sagte Hahn. statt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 61 Wissenschaft & Technik Wissen braucht Raum 1. Bauabschnitt des JKU-Science Parks fertig – Feierliche Eröffnung des neuen Mechatronikgebäudes an der Johannes Kepler Universität (JKU)

it einer symbolischen Schlüsselüber- Mgabe von Bundesimmobiliengesell- schaft (BIG)- Geschäftsführer Wolfgang Gleissner an JKU-Rektor Richard Hagelauer wurde am 9. Oktober der erste Bauabschnitt des Science Parks feierlich eröffnet. Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit und mit Kosten von etwa 30 Mio. Euro ist das 143 Meter lange Mechatronikgebäude das neue Prunk- stück am Campus. Im Anschluß an die Er- öffnungsfeier gab es ein „Open House“ für die Standortbevölkerung. Highlight dabei: Eine spektakuläre Leistungsschau der neu eingezogenen Mechatronikinstitute. Alleine die prominente Besetzung der Eröffnungsfeier unterstreicht die Bedeutung des Projektes: Neben zahlreichen Partnern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft werden auch der Bundesminister für Wissen- schaft und Forschung Johannes Hahn, Ober- österreichs Landeshauptmann Josef Pührin- ger und der Linzer Bürgermeister Franz Das neue Mechatronikgebäude an der Johannes Kepler Universität in Linz Dobusch den Feierlichkeiten beiwohnen. Mit der Form eines geknickten Körpers und einem Tragwerk, das wie eine Brücken- konstruktion ausgeführt ist, ist das Mecha- tronikgebäude optisch spektakulär. Auf einer Bruttogeschoßfläche von fast 20.000 m² ha- ben die rund 250 Bediensteten die Möglich- keit, Forschung und Lehre auf höchstem Niveau zu betreiben. Das Gebäude beherbergt die zuvor in der VOEST angesiedelten Mechatronikinstitute, zahlreiche Labors und Seminarräume. Durch die zusätzliche Einmietung externer For- Fotos: JKU Linz schungseinrichtungen (ACCM – Austrian Uni-Rats Vorsitzender GD Ludwig Scharinger, BM Johannes Hahn, JKU-Rektor Center of Competence in Mechatronics) Richard Hagelauer, BIG-GF Wolfgang Gleissner und LH Josef Puehringer (v.l.) ergeben sich hervorragende Synergieeffekte. Spatenstich für die Bauteile II und III reichen Maschinenbau, Elektrotechnik und „Mit der Eröffnung des 1. Bauabschnitts erfolgt. Das Bundesministerium für Wissen- Informatik gern als „Zehnkämpfer“ unter ist der erste große Schritt gesetzt, um die schaft und Forschung (BMWF) investierte den Technikern bezeichnet werden. An mehr JKU zu einer international renommierten rund 30 Millionen Euro in diesen Bau. „Zahl- als 20 Stationen wurden Forschungsarbeiten Universität mit hoher Bedeutung für Wirt- reiche Studierende und Lehrende profitieren vorgestellt und Einblicke in die Welt der Me- schaft und Industrie weiter auszubauen und davon“, so Hahn. „Wir konnten eine wich- chatronik gegeben – vom Labor im Scheck- vor allem auch die Anforderungen eines mo- tige Voraussetzung und gute Rahmenbedin- kartenformat über Motorenprüfstände und dernen Industriestandorts Oberösterreich zu gungen schaffen, um das vorhandene Ent- Aerodynamik im Windkanal bis hin zum sechs- erfüllen“, sagt Hagelauer. wicklungspotenzial entsprechend ausschöp- beinigen Roboter oder einem Radarsystem „Wir stärken mit der Mechatronik ein fen zu können“, ist Hahn überzeugt. für zukünftige Kraftfahrzeuge. „Mit bis zu wichtiges Zukunftsfeld“, so Wissenschafts- Das neue Mechatronikgebäude öffnete 1000 modernsten High-Tech-Arbeitsplätzen minister Johannes Hahn bei der Eröffnung. mit einem „Open House“ seine Pforten auch im Vollausbau wird sich der Science Park Mit dem Neubau für die Mechatronik wurde für die Standortbevölkerung. Höhepunkt war der JKU zum dynamischen Zentrum für For- nun der erste Bauteil des Science Parks ab- die Leistungsschau der Mechatroniker, die schung und Entwicklung in Oberösterreich geschlossen, im Sommer war bereits der wegen ihrer breiten Ausbildung in den Be- entwickeln“, betonte Hagelauer.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 62 Kultur Edvard Munch und das Unheimliche Von 16. Oktober 2009 bis 18. Jänner 2010 im Leopold Museum

dvard Munch, einer der wichtigsten euro- Epäischen Künstler, steht im Mittelpunkt der großen Herbstausstellung des Leopold Museum. Munchs Werk ist von Liebe, Angst und Tod bestimmt. Die symbolgeladene At- mosphäre verleiht vielen seiner Werke eine unheimliche Komponente. Die Seelenzu- stände, die innere Zerrissenheit des Künst- lers, manifestiert sich in drastischen Bild- findungen, wie etwa in den Werken „Angst“ oder „Das Geschrei“. Die Tragik in der sexuel- len Beziehung wird im Bild „Der Vampyr“ deutlich. Die Frau mit roten Haaren wie Schlangen, saugt dem „männlichen Opfer“ das Blut aus. Die Ausstellung „Edvard Munch und das Unheimliche“ spannt einen Bogen vom spä- ten 18. Jahrhundert (Piranesi, Goyas „Capri- chos“) bis zum frühen 20. Jahrhundert. Sigmund Freud wird 1919 in seinem Aufsatz „Das Unheimliche“ die sprachlichen, künst- lerischen und psychologischen Assoziatio- nen untersuchen, die mit diesem Begriff in Zusammenhang gebracht werden. Die Beschäftigung mit dem Unheimli- chen, Unerklärlichen und Unfaßbaren war in der bildenden Kunst schon immer vorhanden (Albrecht Dürer, „Ritter, Tod und Teufel“, die unheimlichen Phantasien des Hierony- mus Bosch, Johann Heinrich Füsslis „Nacht- mahr“). Die berühmten 1745-50 entstande- nen „Carceri“ des Giovanni Battista Piranesi bedrücken im 18. Jahrhundert durch die Stimmung des Unheimlichen und Unzu- gänglichen. Francisco de Goyas berühmte Radierung „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ (um 1799) ist ein Schritt in ein neues Denken, hundert Jahre später (1900) schreibt Sigmund Freud das epochale Werk, „Die Traumdeutung“. Nach den meisterhaf- ten Zyklen Goyas um 1800 sind vor allem Edvard Munch, Geschrei, 1895; Lithografie mit Fettkreide und Tusche auf Papier die Werke der Symbolisten in Deutschland, 35,3 x 25,3 cm; Munch-museet, Oslo; The Munch Museum/The Munch Ellingsen Group/VBK, Wien 2009 Frankreich, Belgien und Italien durchdrun- gen von unheimlichen Ideen. Am Ende die- unruhigende spürbar, aus dem heraus es ge- und die „Eremiten“, ein moderner Totentanz. ser Reihe stehen die Künstler Edvard Munch, schaffen wurde. Munch und andere waren Die Ausstellung gibt einen tiefgreifenden James Ensor und Alfred Kubin, deren Werke fähig das Verborgene sichtbar zu machen. Einblick in die seelischen Abgründe der ihre eigenen übersteigerten Ängste und Egon Schiele hat in seine frühen expres- künstlerischen Vorstellungswelten. Die „Vi- Seelenzustände in künstlerisch vollendeter sionistischen Jahren, 1911 und 1912, eine sionen des Unsichtbaren“ entführen in die Form dargestellt haben. Bisweilen erscheint, Reihe von beunruhigenden, mystischen Bil- Welt der (Alb-)Träume und Geister, in die etwa bei Munch, das Bild zunächst nicht dern geschaffen, wie zum Beispiel die „Of- Sphäre des Okkulten. Die Darstellungen der unheimlich, aber hintergründig ist das Be- fenbarung“, „Tote Stadt“, die „Selbstseher“ Ängste erzählen von Tod, Verlust, Sexualität

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 63 Kultur

Francisco de Goya, Aus dem Zyklus »Disparates«: Torheit der Furcht (Blatt 2/22), 1819-23; Radierung auf Papier, 30,9 x 42,9 cm; OÖ Landesmuseen, Sammlung Kastner oder auch vom „Bösen“. Die „Symbole des Unterbewussten“ werden hinter Masken ent- deckt, am Ende und am Beginn von Treppen, in Spiegeln, oder in unergründlichen Was- seroberflächen. Die Macht der geheimen, unvorstellbaren Geschichten, faszinierte die Künstler in vielerlei Hinsicht. Ein wieder- kehrendes Thema ist auch „Das unheimliche Heim“: Verunsicherung, Angst und Gefahr brechen ein in das scheinbar Sichere, Ver- traute der heimischen Umgebung. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen neben den Werken Edvard Munchs (u.a. die „Angst (Abends auf der Karl Johan Gate)“, „Die Pubertät“, „Das kranke Mäd- chen“, die „Madonna“, „Selbstporträt in der Hölle“) jene des Belgiers James Ensor, Bil- der von Arnold Böcklin und Gustave Moreau oder Cuno Amiets Triptychon „Hoffnung und Tod“, ein Schlüsselwerk des Symbolis- mus. Die Querverbindungen zur Literatur der Zeit zeigen sich unter anderem in der Rezeption Edgar Allan Poes bei Ensor und

Alfred Kubin, Das Grausen, um 1901/ 02; Tusche, Feder laviert, Spritztechnik

auf Katasterpapier; 32,5 x 31,1 cm Foto: Leopold Museum, Wien © Eberhard Spangenberg/VBK, 2009

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 64 Kultur

Kubin oder in den Illustrationen Felicien Rops’ zu „Les Diaboliques“ von Barbey d’Aureyville. Faszinierend sind die zu Georges Roden- bachs Roman „Brügge, die tote Stadt“ entstandenen Arbeiten von Fernand Khnoppf oder Georges Minne. Neben dem Munch Museum in Oslo, das mit über 30 Objekten Hauptleihgeber der Schau ist, sind u.a. das Musée Victor Hugo Paris, das Kunsthaus Zürich, das Nationalmuseum Oslo, das Museum voor Schone Kunsten Gent, das Museum Kröller-Müller in Otterlo, die Galleria d’Arte Moderna Turin, das Städel Museum Frankfurt und das Von der Heydt Museum Wuppertal weitere prominente Leihgeber. Der 300 Seiten starke, durchgehend farbig illustrierte Katalog läßt Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler und Psychologen zu Wort kom- men, die in ihren Aufsätzen unterschiedlichen Aspekten des Themas nachspüren: So werden die Bedeutung des Unheimlichen für das Schaffen Edvard Munchs oder James Ensors ebenso untersucht wie der Einfluß des Okkulten, des „Magnetismus“ und „Mesmerismus“ auf Künstler der Zeit. Das „Umkippen“ der Idylle ins Erschreckende, Irritierende bei Max Klinger ist ebenso Thema wie das besondere Stilmittel des Zwielichts und seine Bedeutung. Den wahrnehmungs- psychologischen Ursachen, weshalb wir etwas als irritierend, angst- einflößend oder eben unheimlich empfinden, ist schließlich ebenfalls eine eigene Betrachtung gewidmet. Die Ausstellung erhält fraglos durch die Präsentation von so vielen großformatigen Hauptwerken von Edvard Munch ihr Gepräge und ihre Bedeutung. Andererseits unterstreichen die Künstler James Ensor, der selten in Wien zu sehen ist, Alfred Kubin, Giovanni Battista Piranesi u.a. oben: Gustav Moreau, Le Victime [Opfer]; Öl auf Leinwand, das Thema und erweitern den Blick auf die künstlerischen Spielarten 80 x 65 cm; Musée Gustave Moreau, Paris der uneingeschränkten menschlichen Phantasie. Zudem erweckt alles unten: Max Klinger, Aus dem Zyklus »Eine Liebe«: Tod Geheimnisvolle und Unerklärliche Neugier und Interesse. (Opus X: Blatt 10/10), 1903: Radierung auf Papier, http://www.leopoldmuseum.org 68 x 52,5 cm, Privatbesitz

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 65 Kultur Achtes Kunstprojekt für Salzburg … … und die älteste Gemäldegalerie der Stadt ist wieder zugänglich Alle Fotos: Tourismus Salzburg GmbH Das achte Kunstprojekt in Salzburg unter dem Titel »Vanitas« ist in der der Chorkrypta des Salzburger Doms zu besichtigen.

er international renommierte französi- Boltanski schafft ein Bild der Vergänglich- Künstlers ist ein moderner „Totentanz“, Dsche Künstler Christian Boltanski hat keit, das dem Raum entspricht: Die Chor- während dessen Betrachtung hörbar die Zeit das achte Kunstprojekt in Salzburg geschaf- krypta war einst geweihter Kirchenraum, der verrinnt. „Ich möchte, daß man hier die Zeit fen und unter dem Titel „Vanitas“ ein Schat- auch als Grablege diente. Durch die behutsa- hören und spüren kann“, sagt Christian Bol- tenspiel in der Chorkrypta des Salzburger me Intervention des Künstlers entsteht der tanski über sein Werk. „Die Menschen kön- Doms inszeniert. Unweit davon wurde mit geschichtsträchtige Raum als mystischer Ort nen viel tun, aber sie können nicht gegen die der Eröffnung des Langen Ganges St. Peter neu und vereint die Spiritualität seiner Kunst Zeit kämpfen. Gott ist der Herr der Zeit.“ ein wichtiger Schritt in Richtung eines ein- mit der kirchlichen Aura. Die Chorkrypta des von Konrad III. zigartigen Museumsrundganges gesetzt. Christian Boltanskis Installation „Vani- (1181-1200) erbauten Doms wurde nach Das achte Kunstprojekt Salzburg nimmt tas“ besteht aus zwei Teilen, einem visuellen dem Brand von 1598 und dem folgenden eine besondere Stellung innerhalb der Skulp- und einem akustischen. An einer Wand im Abbruch des spätromanischen Doms zuge- turenprojekte der Salzburg Foundation ein, Raum befestigt der Künstler zwölf skizzen- schüttet. Bei den Domgrabungen (1956- denn es lädt den Betrachter an einen histori- hafte, feingliedrige Figuren aus Metallblech, 1958) wurde sie erstmalig freigelegt, aber schen Ort ein, der bislang unzugänglich war die von Kerzen angeleuchtet werden. Im erst anläßlich des Kunstprojekts Salzburg und eigens für das Projekt wiederhergestellt flackernden Licht werfen sie Schatten an die mit Christian Boltanski zu einem öffentli- wurde: In der Chorkrypta des spätromani- Wand, während in der Apsis die Projektion chen Raum gemacht, der nun allen Be- schen Salzburger Doms hat der französische eines schattenhaften Todesengels langsam suchern offensteht. Künstler Christian Boltanski unter dem Titel seine Kreise zieht. Dazu ertönt im Raum die Christian Boltanski (*1944) lebt und „Vanitas“ ein Schattenspiel inszeniert, das beständige Wiederholung einer automati- arbeitet in Malakoff bei Paris. Er war drei- sich sehr präzise auf den Ort einläßt. schen Zeitansage. Das Schattenspiel des mal auf der documenta in Kassel vertreten

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 66 Kultur und hat 2006 den renommierten Praemium Seit 2001 ließ die Erzabtei St. Peter die der stiftseigenen Kunstsammlung den licht- Imperiale für Skulptur erhalten. Lange Galerie renovieren, um sie für Be- durchfluteten Raum, der vom Dommuseum „Vanitas“ ist das achte Kunstprojekt, das sucher als Museum begehbar zu machen. aus, durch die Kunst- und Wunderkammer, die Salzburg Foundation seit dem Jahre 2002 Nun zieren 17 großformatige Gemälde aus zugänglich ist. mit namhaften internationalen zeitgenössi- Mit der Eröffnung der Langen Galerie schen Künstlern im Herzen der Mozartstadt rückt das Ziel eines europaweit einzigartigen Salzburg realisiert. Ein internationales, un- Museumsrundganges rund um den Domplatz abhängiges Kuratorenteam wählt jährlich ein Stück näher. Kernbereich des Themen- einen hochkarätigen Künstler aus, der nach schwerpunktes „Himmel und Erde in einer Salzburg eingeladen wird und dort seine Hand“ ist der Salzburger Residenz- und Dom- Ideen eines Kunstwerks für den öffentlichen bezirk. Der Salzburger Museumsleitplan Raum in der Stadt Salzburg entwickelt. Im sieht vor, die Einheit des Domplatzes auch Mittelpunkt steht die Absicht, innerhalb von im Inneren der ihn umgebenden Gebäude 10 Jahren einen städtischen Kunst- und wiederherzustellen und eine durchgängige Skulpturenpark von höchster Qualität zu Begehbarkeit von Residenz, Dom, Lange Ga- konzipieren und zu realisieren. lerie, Wallistrakt bis zur Franziskanerkirche http://www.salzburgfoundation.at zu schaffen. Ziel ist die Rekonstruktion der nach dem ersten Weltkrieg aufgelösten Ein- Die Lange Galerie der Erzabtei St. Pe- heit von weltlichen und kirchlichen Gebäu- ter – Salzburgs älteste Gemäldegalerie – ist den, Ausstattungen und Sammlungen. „Es nach 200 Jahren wieder zugänglich. Unweit wird so für Besucher ein Gesamterlebnis ge- des neuen Kunstwerkes wurde am 21. Sep- schaffen, das europaweit einzigartig ist“, er- tember 2009 die Lange Galerie der Erzabtei klärte Museumsreferent LH-Stv. Wilfried St. Peter nach 200 Jahren wieder zugänglich Haslauer: „Ich freue mich sehr darüber, daß gemacht. Der majestätische, 70 m lange Gang, die Lange Galerie nach rund 200 Jahren wie- der die ganze Fassade zum Domplatz ein- der für die Öffentlichkeit geöffnet wurde und nimmt, wurde 1657-1661 nach italienischem daß somit ein wichtiger Schritt zur Realisie- Vorbild erbaut und diente lange Zeit als rung des Rundganges gesetzt wird.“ Galerie für die Erzbischöfe. Detail aus dem Kunstwerk »Vanitas« http://www.stift-stpeter.at- Foto: Foto: Mag. Reinhard Weidl/Verlag St. Peter Mit der Eröffnung der Langen Galerie rückt das Ziel eines Museumsrundganges rund um den Domplatz ein Stück näher.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 67 Kultur Bestens gerüstet Das Zeughaus in Graz beherbergt die weltweit größte historisch gewachsene Sammlung an Harnischen, Helmen, Blankwaffen, Gewehren und Pistolen. All diese Objekte haben neben ihrer faszinierenden Geschichte eines gemeinsam – der Besucher darf sie nicht berühren, bewegen, drehen…

Von Leopold Toifl (Text) und Michael Mössmer (Fotos). Alle Fotos: http://www.moessmer.at Der Großteil des 1. Stocks wird von Handfeuerwaffen und Zubehör eingenommen

as heutige Landeszeughaus in der landschaftlichen Zeugwesens aber erst seit frühe Existenz eines Grazer Zeughauses bie- DGrazer Herrengasse entstand zwar erst dem beginnenden 16. Jahrhundert und zudem ten die um 1507 geschaffenen Zeugbücher in den Jahren 1642 bis 1645 und wurde mit bis 1567 praktisch ident mit der Historie des Maximilians, in denen die Grazer Waffen- dem Einbau seiner hölzernen Inneneinrich- Hofzeughauses. Bis dahin nämlich wurden bestände, besonders aber die „Artillerey“ tung bzw. der folgenden Einlagerung der die Waffenbestände zusammen mit den lan- mehrfach Erwähnung fanden. Zeugbestände zwei Jahre später völlig fertig desfürstlichen Armaturen verwahrt und Tätig waren die ersten Zeugwarte in gestellt. Es war aber nicht das erste Zeug- durch den jeweiligen Hofzeugwart betreut. einem Gebäude am heutigen Freiheitsplatz, haus, das die steirischen Landstände in Graz das 1838 abgerissen wurde und an dessen betrieben. Begonnen hatte alles schon we- Die ältesten Zeughäuser in Graz Stelle heute das Denkmal für Kaiser Franz I. sentlich früher, zu Beginn des 15. Jahr- Erste konkrete Schritte zur sachgerechten steht. Die Stadtansicht von Lorenz de Sype hunderts. So ist bekannt, daß nach dem Tod Lagerung und Betreuung der Armatursbe- und Wenzel Hollar zeigt am bezeichneten Herzog Ernsts des Eisernen († 1424) größe- stände in Graz unternahm der spätere Kaiser Ort einen aus dem Mittelalter stammenden re Mengen an Büchsen und Harnischteilen Maximilian I., indem er am 16. Jänner 1506 dreigeschoßigen Turm (markiert mit dem nach Wiener Neustadt transferiert wurden. den Georg Geroltinger zum hiesigen Zeug- Buchstaben „V“), an den sich südlich der in Es muß also schon damals eine gut bestückte wart bestellte. Mit Geroltinger beginnt die Richtung Hofgasse weisende Zeughausbau Rüstkammer in Graz bestanden haben. Aus- Reihe der namentlich bekannten Zeugwarte anschloß. Nördlich dieses Komplexes verlief reichend dokumentiert ist die Geschichte des in Graz. Einen weiteren Hinweis auf die die mittelalterliche Stadtmauer, östlich schloß

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 68 Kultur der zwischen 1581 und 1585 errichtete Re- gistraturtrakt („langer Stock gegen das Zeughaus“) der Burg an. Eingelagert waren hier nicht nur die lan- desfürstlichen Waffenbestände, sondern von 1527 bis 1570 auch jene der steirischen Land- schaft. Betreut wurden beide Vorräte aber durch den jeweiligen Hofzeugwart. Die ältesten Nachrichten über den Bauzu- stand dieses ersten Zeughauses datieren vom 18. Mai 1537. Damals klagte die Hofkam- mer, daß die Fenster des Gebäudes nur mit einfachen Kreuzgittern versehen waren. Weil man Brandstiftung und eventuelle Sabotage an den dort stehenden Geschützen befürchtete, erhielt der Zeugwart Adam von Trauttmansdorff den Befehl, die Fenster unverzüglich mit eisernen Läden zu verse- hen. Im Juli 1540 wiederum erwies sich ein Schwibbogen zwischen Hofzeughaus und Stadtmauer als derart baufällig, daß akute Einsturzgefahr drohte. Am 17. August erhielt Baumeister Johann Tschertte den Auftrag zur Reparatur. Die Instandsetzungen folgten mit Gewißheit, denn die Werkstatt des Zeug- hauses und die dort tätigen Zeugschmiede und Zeugschlosser spielten fortan beim Ausbau der Grazer Befestigungen ab 1544 eine nicht unwesentliche Rolle. Sie fertigten vor allem Eisenbestandteile und Bauwerk- zeuge. Weil die absolute Sicherheit in jenem alten Zeughauskomplex nicht mehr gegeben war – ein Diebstahl von Pistolen im Jahr 1563 legt Zeugnis davon ab – und wegen akuten Platzmangels entschlossen sich die Landstände zur Trennung ihrer Waffenbe- stände von den landesfürstlichen Armaturen. Im Herbst 1567 bestellten sie in der Person des aus Lichtenfels/Main stammenden Hans Schueler einen eigenen landschaftlichen Zeugwart und transferierten 1570 ihre Waf- Das Landeszeughaus in der Herrengasse entstand in den Jahren 1642 bis 1647. fen in Räumlichkeiten des kurz zuvor errich- teten Landhauses in der Herrengasse. Der nahe beieinander liegende Orte konzentriert, damit verbundenen Haidukeneinfällen des Großteil der Harnische und Handfeuer- doch bedeutete die dezentrale Lagerung bei Jahres 1605 und letztlich (1619-1622) durch waffen gelangte in eigens dafür adaptierte der Waffenausgabe im Ernstfall einen erheb- die Bedrohung der Steiermark durch den Dachkammern, während die schweren Ge- lichen Zeitverlust, ganz zu schweigen von ungarischen Magnaten Bethlen Gabor. schütze in Gewölben zu ebener Erde Auf- mangelnder Übersichtlichkeit. Waren im ältesten noch erhaltenen stellung fanden. Langspieße und Zündstricke Der Grund für den eklatanten Platzman- Zeuginventar von 1557, das sich allerdings wurden im Rindscheittrakt des Landhauses gel lag in den Rüstungsbestrebungen der auf die im alten Hofzeughaus gelagerten verwahrt. Als 1587 der Boden der letztge- Landschaft, die bedingt durch die Türken- landschaftlichen Zeugbestände bezog, 3596 nannten Rüstkammer einbrach, suchte man gefahr und die Verpflichtung zur Grenzver- Objekte verzeichnet, so steigerte sich deren nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten teidigung im letzten Viertel des 16. Jahrhun- Zahl auf 63.576 Stück im Jahr 1590 und wei- und fand solche im Rauberhof (heutiges derts bedeutende Waffenkäufe in den süd- ter auf 81.483 Stück im Jahr 1625. Es nimmt Joanneum), im Eisernen Tor, in Gewölben deutschen Produktionszentren Augsburg und also nicht Wunder, daß das erste Jahrzehnt der Landschaftsbastei und später auch im Nürnberg aber auch bei den heimischen des 17. Jahrhunderts eifrige Bestrebungen Paulustor. Handwerkern getätigt hatte. Abermals ver- sah, bessere Ordnung in die Rüstkammern Zwar waren die landschaftlichen Zeug- mehrt wurde die Zahl der Armaturen durch zu bringen und die an vielen Orten verstreut bestände im großen und ganzen auf relativ den Langen Türkenkrieg (1593-1606), den liegenden Waffen möglichst zentral einzula-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 69 Kultur gern. Besonders Zeugwart Wilhelm Hagen machte sich darum verdient. Auf seinen Vorschlag wurden mehrere Räumlichkeiten im Landhaus zur Armaturseinlagerung adap- tiert, zudem 1608 etliche Arkaden des Hofes zwecks Unterbringung von Geschützen ver- mauert. Damit erzielte man zwar eine weitere Zentralsierung, doch auf Kosten einer räum- lichen Beengtheit, die den aus Ranten bei Murau stammenden Geographen Martin Zeiller 1632 zur Bemerkung veranlaßte: „So haben auch die löblich Land Stände in deren ansehnlich erbauten Landhaus in der Her- rengasse gelegen, ein Zeughaus, welches mit groben Stücken, Rüstungen und Munition ziemlich versehen. Aber schad ist es, daß alles so eng beisammensein und übereinan- der liegen muß.“ Schwere Doppelhaken (l.) und leichtere Steinschlossgewehre (r.)

Errichtung des land- schaftlichen Zeughauses Natürlich wußten auch die Verordneten um diese Problematik, rangen sich aber er- staunlicherweise erst 1639 zum Bau eines ei- genen geräumigen Zeughauses zwecks Einla- gerung aller (!) Waffen und Rüstungen durch. Am 16. März erwarb die steirische Land- schaft das zwischen dem Landhaus und der Wohnung des Freiherrn Karl von Stadl gele- gene Radmannsdorf’sche Haus um 3900 Gul- den und begann nach dreijährigen Vorberei- tungsarbeiten und der Beschaffung von Bau- materialien mit dessen Umgestaltung zu einem Zeughaus. Verantwortlich für den Bau zeichnete der Tessiner Baumeister Antonio Solar, mit dem die Landschaft am 15. Juli 1642 einen ent- sprechenden Vertrag schloß. Zu errichten Stellagen mit Arkebusierreiterharnischen und zugehörigen Helmen war ein fünfgeschoßiges Arsenal mit einem gemauerten Gewölbe zwischen Parterre und erster Etage, Steinböden im ersten Stock und im Dachboden sowie Holzböden in den anderen Geschossen. Der hölzerne Dach- stuhl mußte ziegelgedeckt sein. Unterstützt durch den Bauschreiber Adam Wundegger ließ Solar zuerst den rückwärti- gen Teil des Radmannsdorf`schen Hauses abbrechen und bis Ende Oktober 1643 durch einen völligen Neubau ersetzen. Anfang Jänner 1644 erbat dann Wundegger von den Verordneten weitere Weisungen betreffend „fortfahr: vnd Prosequierung mit dem Ratt- mannstorferischen Zeughauß gepew“ und erhielt folgend den Auftrag, „zu yeztange- hunder bequemen Zeitt“ auch den zur Her- rengasse gelegenen Trakt niederreißen zu lassen und den Neubau in die Wege zu leiten. Zwecks Kostenersparung verwendete man Landsknechtsharnische (an den Wandfeldern) und Reiterrüstungen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 70 Kultur

Viele der Gewehre des Landeszeughauses sind durch Beineinlagen verziert. nicht nur neues Baumaterial, sondern auch eisenbeschlagener Fensterbalken zu Jahres- vom Abbruch des Radmannsdorf`schen mitte 1647. Die Metallarbeiten stammten von Haus herrührendes Zeug. Von jetzt an gingen der Schlosserin Elisabeth Kipferlin, Dach- die Arbeiten zügig voran und spätestens im stuhl und Böden von Georg Kalchhammer, Herbst 1644 präsentierte sich das neue Zeug- für die farbliche Ausgestaltung war der Ma- haus von außen gesehen im heutigen Zu- ler Stefan Rötz zuständig. Seit dem Frühjahr stand. Als Merkmal seiner Wehrhaftigkeit 1647 fertigte der Tischler Balthasar Guetl flankieren bis heute die 1646 vom Bildhauer die Inneneinrichtung des Zeughauses und Hans Mamol geschaffenen Steinfiguren von schuf dabei äußerst funktionelle Gestelle, Mars und Minerva das Eingangsportal. Holzwände und Regale. Insgesamt 107 namentlich bekannte Per- Der erste Stock war bestückt mit insge- sonen (Handwerker und Taglöhner) teilten samt 73 Gewehrrechen, die die Handfeuer- sich in die von Wundegger ausbezahlten Löh- waffen trugen. Die schweren Doppelhaken ne von 13.738 Gulden 1 Schilling 21 Pfen- dagegen lagen auf speziellen Halterungen nig. In rund zweijähriger Bauzeit waren zwischen den Fenstern. Die zweite Etage 26 Klafter Stein (für den Unterbau), 598.600 präsentierte sich zweigeteilt: hier lagerten Mauerziegel, 56.500 Dachziegel, 5700 Pfla- Harnische und teilweise auch Gewehre auf sterziegel, 350 Hohlziegel, 4500 Schindeln Stellagen, während die Pistolen in den als und 1836 Bodenbretter verlegt worden. Als verschließbare Kästen adaptierten Wandni- Bindemittel dienten 764,5 Startin Kalk, schen lagen. Die spezifische Einrichtung des 94.600 Nägel und 764 Klampfen. 1997 Fuh- dritten Stocks waren so genannte Zwerch- ren Sand wurden zum Neubau gekarrt, wände (quer im Raum stehende Holzwän- 1139 Fuhren Schutt mußten weggeführt wer- de), auf denen die Landsknechtsharnische den. Aus 4720 „Gemainen Latten“ und 75 hingen. Als besonders ausgeklügelt galt die „Truchen Latten“ entstanden diverse Wand- Einrichtung des vierten Stockwerks, in dem verkleidungen und Stellwände. achtteilige Holzrechen mit unterschiedlichen Völlig fertig gestellt war das Gebäude Abständen zueinander eine leichte Verwah- nach Anbringung hölzerner Dachrinnen und Birnhäubel und Radschlossgewehre rung der Feuer-, Blank- und Stangenwaffen

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 71 Kultur erlaubten. In dem der Schmiedgasse zuge- wandten Gebäudeteil standen die Regale und Holzwände parallel zur Schmalseite, im her- rengassenseitigen Abschnitt dagegen paral- lel zur Längsseite. Der Vorteil dieser Auf- stellung lag in der optimalen Ausnutzung des durch die Fenster einfallenden Tageslichts. Am 31. Juli 1647 war es dann soweit: Die Verordneten erteilten dem neu bestellten Zeugwart Hans Christoph Putterer den Befehl, die Armaturen einzuräumen. Herrengassenseitig verbunden sind Zeug- haus und Landhaus durch einen ab Juli 1645 ebenfalls von Antonio Solar errichteten schmalen Gebäudeteil. Aus einem 1778 von Heinrich Formentini und Josef Carlon ge- zeichneten Plan geht hervor, daß der Dachboden jenes Verbindungstraktes zumin- dest während der zweiten Hälfte des 18. Jahr- hunderts zur Verwahrung von Artilleriebe- darf verwendet wurde.

Aufwendige Instandhaltung Solar hatte sich alle Mühe gegeben, ein solides Gebäude zu errichten, das allen An- forderungen des Zeugwesens entsprach. Tat- sächlich traten vorerst keine nennenswerten Mängel (abgesehen von unbedeutenden Re- paraturen am Dach 1655) auf, ehe der Zeug- wart Sigmund von Klaffenau den Verord- neten im Mai 1666 die Dringlichkeit not- wendiger Ausbesserungen vor Augen führte. Von da an allerdings rissen die Beschwerden über offensichtliche Baumängel nicht mehr ab. Schon im Herbst des Folgejahres forderte Klaffenau „Paubesserung bey dem Zeug- weesen“ sowie Instandsetzungen am Mauer- werk des Zeughauses selbst. Kaum war das geschehen, mußte im September 1669 das „geschwechte gwölb“ beim hofseitigen Ein- fahrtstor repariert werden. Zur selben Zeit, Geschützwaage von 1677, dahinter Regale mit Handfeuerwaffen am 20. September 1669, erbat der landschaft- liche Zeugschlosser und Büchsenmeister Zahl von Waffen die Gelegenheit ergriff und de Wirkung nach sich ziehen, weshalb man Eusebius Thuelly die Renovierung des am 24. Jänner 1674 deren Unterbringung sich schon frühzeitig um geeignete Schutz- immer noch als Rüstkammer genutzten „im Neu erbaudten Archiv ober der 2 gwöl- maßnahmen bemühte: 1649 bis 1655 wurden Dachbodens des Landhauses. ber“ vorschlug. Die Verordneten stimmten sämtliche Schindeldächer im Umkreis des Umfangreichere Bauarbeiten brachte zu und betrauten den Bauschreiber Johann Zeughauses durch Ziegeldächer ersetzt, Fun- endlich das Jahr 1673 mit sich. Errichtet Franz Heldorfer mit den nötigen Adaptie- ken sprühende Rauchfänge wie jene der wurde ein dreigeschoßiger und als Archiv rungen. Zeugschlosserwerkstätte oder der Landmar- genutzter Verbindungsbau zwischen Rind- Mit der Errichtung von landschaftlichem schallwohnung umgebaut. Am 23. Mai 1676 scheittrakt des Landhauses und Zeughaus, Zeughaus, Archiv, Zeugschlosserei und Zeug- erhielten die Fenster des Zeughauses neue dessen Satteldach an den vierten Stock des schmiede war ein abgeschirmter Bereich ent- eiserne Läden und 1689 reparierte Florian Arsenals grenzte. Die zur Schmiedgasse hin standen, der als „Rüstungszentrum“ der stei- Satmann die schadhaft gewordenen Feuer- gelegene vorletzte vertikale Fensterreihe des rischen Landschaft diente und dem Wunsch spritzen. Zeughauses wurde dadurch verschlossen. Es der Verordneten nach möglichster Geheim- Es war denn auch nicht Feuer sondern ist nicht verwunderlich, daß Sigmund von haltung des landschaftlichen Wehrwesens Wasser, das der Bausubstanz des Arsenals Klaffenau angesichts der durch den Türken- entgegen kam. Allerdings konnte die räumli- während des 18. Jahrhunderts mehrmals krieg von 1663/1664 abermals gestiegenen che Beengtheit im Brandfall eine verheeren- enormen Schaden zufügte. Im August 1702

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 72 Kultur ging ein ungewöhnlich schweres Gewitter gerufen durch in die darunter liegende Auflösungsbestrebungen über Graz nieder, wobei große Wassermas- Schuttschicht eingedrungenes Wasser. Gefahren ganz anderer Art drohten dem sen aus desolaten Regenrinnen des angren- Erst am 9. September 1739, als die Schä- Zeughaus seit der zweiten Hälfte des 18. zenden stadl`schen Hauses ungehindert auf den offensichtlich wurden, regte der Vize- Jahrhunderts. Die Zentralisierungsbestrebun- die Südmauer des Zeughauses flossen. Wän- dom Dismas Josef von Dietrichstein an, den gen Maria Theresias verlangten nämlich die de, Trambalken und die von diesen getrage- Fußboden „zu ebner Erdt genzlich“ aufzureis- weitgehende Subordination des landschaft- nen Fußböden nahmen die Feuchtigkeit auf sen und die feuchte schimmlige „Schidt“ ge- lichen Wehrwesens gegenüber dem Wiener und begannen sich im Laufe der Zeit zu ver- gen eine trockene auszuwechseln. Dabei Hofkriegsrat. Eng verbunden damit war ein ziehen. 1715 waren beinahe sämtliche Tram- kam es äußerst gelegen, daß die Landstände mit 30. August 1749 datiertes Hofdekret, das bäume im zweiten und dritten Stock abge- gerade mit der Errichtung einer neuen bei den Grazern erst heftiges Entsetzen, morscht und mußten ausgetauscht werden. Landstube befaßt waren, wobei jede Menge dann aber hektische Aktivitäten auslöste. Karl Josef von Stadl verpflichtete man zur trockenen Schuttes anfallen mußte. Mit die- Das landschaftliche Zeughaus sollte aufge- Bezahlung der halben Reparaturkosten. sem die Steinböden unterlegen zu lassen, lag löst, die noch brauchbaren Waffen dem Hof- Ähnliches spielte sich 1737 ab, als Hagel- in der Absicht Dietrichsteins. In den übrigen kriegsrat übergeben, alles andere aber ver- körner fast alle Fenster des Zeughauses ein- Etagen sollten die angefaulten Trambäume steigert werden. Die Verordneten forderten schlugen. Diesmal drang Wasser direkt ins neu eingezogen werden. Zugleich mit dem am 13. September von der Buchhaltung Gebäudeinnere ein. Wieder sogen sich die Bau der Landstube wurden im Verlauf des einen Bericht, wann und mit welchen Mit- Holzböden voll, was ein Verfaulen der Bret- Jahres 1740 auch die Reparaturen im Zeug- teln das Zeughaus errichtet worden war und ter und Trambäume von innen her nach sich haus vorgenommen, doch ersetzte man ent- „in was angelegenheiten solches zu allge- zog. Die Steinplatten im ersten Stock und im gegen der Absicht Dietrichsteins nur die tat- meinen dienst= und Nuzen genossen wor- Dachboden zeigten Schimmelpilze, hervor- sächlich verschimmelten Teile der Böden. den seye“. Die Antwort beinhaltete eine kur- ze Baugeschichte und wies auf den großen Nutzen des Arsenals bei der Feindabwehr hin. Am 15. September brachten die Veror- dneten den Bericht der steirischen Land- schaft zur Kenntnis, die daraufhin im Rah- men eines Ausschußlandtages ein formelles Schreiben mit der Bitte, das landschaftliche Zeughaus auf eigene Kosten erhalten zu dür- fen, an Maria Theresia verfaßte: „Als wer- den Euer k.k. Majestät allerunterthänigst allergehorsamist gebetten, in Anbetracht der in allen Vorfallenheiten und ferners unabläß- lich fortsetzenden ständischen Treu, Eifer und Devotion erdeutetes Zeighaus ihnen Ständen gleich anderen Landschafften, Co- munitäten, Städt und Märkten unbeschränkt beizulassen, womit das Land in Stand seyn möge … bey etwa kunftig ausbrechenden feindlichen Empörungen sich fernerhinig allerhöchsten dienst beschüzen und verthei- digen zu können“. Das Bittgesuch vom 23. September zeig- te Erfolg, die Monarchin lenkte ein und gestattete die Weiterführung des landschaft- lichen Zeughauses. Finanziert wurde der Unterhalt des Gebäudes von jetzt an durch sporadische Waffenverkäufe. Ungeachtet des feurigen Patriotismus vom Herbst 1749 führte die chronische Geldnot der steirischen Stände dann aber beinahe doch noch zur Auflösung des Zeug- hauses. 1765 beschloß das Gubernium den Verkauf und sandte den steirischen Landes- hauptmann Johann Max von Wildenstein in solcher Angelegenheit nach Wien. Auch diesmal waren es die Verordneten, die die Absicht der Regierung hintertrieben und die Hunderte Pistolen werden in speziellen Regalen in den Wandnischen verwahrt. versprachen, die Unterhaltskosten für das

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Zeughaus von jährlich 800 Gulden aus den Dachträger vor. Zur Verminderung der Einnahmen des Weinaufschlages (eine Art Brandgefahr lieferten Attems und Lenden- Getränkesteuer) zu tragen. feld ein radikales Patentrezept: die Holzbö- Dennoch gab es immer wieder Versuche, den des zweiten und vierten Stockwerkes die Rüstkammer anderen Zwecken als der sollten herausgerissen, in der dritten Etage Waffenlagerung zuzuführen. So etwa konnte ein Gewölbe eingezogen werden Auf diese im April 1786 die Inbetriebnahme einer Weise wären zwei hohe saalähnliche Räum- Verpackungsstelle für „Ehxito=Güter“ (aera- lichkeiten entstanden, die allerdings dem rische Exportgüter) gerade noch verhindert typischen Rüstkammercharakter widerspra- werden. Abermals wies man auf die Ein- chen. maligkeit des Zeughauses „als redender Be- Obwohl die Oberbaudirektion am weis von der Treue und von der Tapferkeit un- 18. April 1807 der „Aushöhlung“ zustimmte serer Vorälteren, die unter diesen Rüstungen und das Geld für den Umbau durch eine groß Leib und Blut für den Landesfürsten, das Volk angelegte Versteigerung alter unbrauchbarer und das Vaterland dargeboten“ hatten, hin. Waffen und Gerätschaften aufgebracht wur- Wesentlich schlimmere Folgen für das de, geschah nichts weiter. Noch das Frühjahr Zeughaus hätte ein anno 1807 geplanter Um- 1809 sah diesbezügliche Verhandlungen. bau mit sich gebracht. Am 14. Februar kon- Der Einmarsch französischer Truppen in statierte eine Kommission unter Ignaz von Graz und die folgenden kriegerischen Aus- Attems und Xavier von Lendenfeld schwer- einandersetzungen rund um den Schloßberg wiegende Schäden an den Holzböden und (im Zuge der Kampfhandlungen schlug übri- durchgehende Vermorschung der Trambal- gens am 13. Juni 1809 eine Granate in den ken. Auch das Gebälk des Dachstuhles zeig- vierten Stock des Zeughauses ein und be- te sich in erbärmlichem Zustand, man be- schädigte die dortige Hellebardenstellage) fürchtete den Einsturz des gesamten Gebäu- verzögerte die Angelegenheit auch weiter- des. Als Lösung schlug man die Verlegung Zwischen zwei Landsknechtsharnischen hin. Fallen gelassen wurden die Umbaupläne vollkommen neuer Tippelböden sowie die schweift der Blick auf Regale mit Hand- nach dem Friedensschluß von Schönbrunn, Auswechslung sämtlicher Trambalken und feuerwaffen. der dem Habsburgerreich und damit auch

Der 2. Stock birgt besonders viele Landsknechtsharnische (links), Arkebusierreiterharnische (rechts) sowie Sturmhauben (Decke).

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 74 Kultur der Steiermark hohe Reparationszahlungen auferlegte. Erst 1813/1814 verfügte die steirische Landschaft wieder über ausreichend Geld- mittel, um die schadhaften Dachrinnen, Fuß- böden, Mauerbänke des Dachstuhles und die desolatesten Trambäume auswechseln lassen zu können. Als Besonderheit galten die übri- gens schon am 2. August 1795 auf Vorschlag von Professor Biwald durch den Schlosser- meister Kiterle angebrachten Blitzableiter. Als dann der Wiener Waffenhistoriker Josef Scheiger in einem Vortrag vom 6. Oktober 1849 die mögliche Entfernung der Zwi- schenböden als Unsinn apostrophierte und auf den damit verbundenen Authentizitäts- verlust hinwies, war das Thema „Aushöh- lung“ des Zeughauses definitiv vom Tisch. So gar nicht zur edlen Gesinnung Schei- Schwert und Säbel gehörten zur Ausrüstung steirischer Söldner. gers und anderer Fürsprecher zur Bewah- rung des Zeughauses paßte aber die Tat- sache, daß die Waffenbestände schon seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Ge- staltung von Ornamenten und Arrangements mißbraucht worden waren und immer noch wurden. So etwa war aus Gewehren der kaiserliche Adler gebildet, Harnische hatte man willkürlich historischen Persönlich- keiten zugeordnet, aus Pistolen geformt prangte der Namenszug des Zeughaus- administrators Heinrich Formentini an der Wand. In den Stockwerken befanden sich Gegenstände wie ein skelettierter Elefan- tenkopf, eine Sänfte der Familie Bathory oder der gotische Reisewagen Kaiser Fried- richs III., die mit der eigentlichen Zeughaus- sammlung nichts zu tun hatten.

Das Zeughaus wird zum Museum Blankwaffenbestand: mehr als 2400 Schwerter, Säbel, Panzerstecher und Dusäggen Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhun- derts kehrte man der „romantischen“ Grup- pierung der Waffen den Rücken und gelang- te wieder zu einer Ordnung der Bestände nach zusammengehörigen Typen und Gat- tungen. Verantwortlich dafür zeichnete Dr. Fritz Pichler. Neben einer grundlegenden Restaurierung der Armaturen erfolgten 1881 groß angelegte Reparatur- und Umbau- arbeiten: Viele der Trambalken waren derart vermorscht, daß sie ausgetauscht werden mußten. Zusätzlich wurden zwei parallel laufende Längsträger und neun bis elf verti- kale Stützen pro Stockwerk eingefügt. In den ersten drei Obergeschoßen ersetzte man die bis dahin noch existierende originale In- neneinrichtung des 17. Jahrhunderts durch die heute noch bestehenden Stellagen. Nur der vierte Stock blieb annähernd intakt. Einer grundlegenden Erneuerung unterzo- Nur noch wenige Geschütze werden heute noch im Landeszeughaus verwahrt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 75 Kultur gen wurde auch der Dachboden durch die Neuschiftung zahlreicher Sparren. Am 6. Mai 1882 konnte die Sammlung der Öffentlich- keit zugänglich gemacht werden und fünf Jahre später erschien der vom Steiermärki- schen Landesausschuß herausgegebene erste Zeughaus-Führer. Eine wesentliche bauliche Veränderung für Zeughaushof und Landhaushof brachte das Jahr 1890 mit sich. Der Rindscheittrakt des Landhauses fiel damals der Spitzhacke genauso zum Opfer wie das Archiv, wodurch dem Arsenal eine Rüstkammer verloren ging. An seine Stelle setzte der Architekt Hermann Scanzoni den zierlichen Verbin- dungsgang zwischen Landstube und herren- gassenseitigem Landhausteil. Schon 1886 waren die seit 1608 vermauerten Arkaden des Landhaushofes geöffnet worden. Mit der Vermietung an eine Grazer Tep- pichfirma am 1. Juli 1895 ging auch die ehe- malige Kanonenhalle für das nunmehrige Landeszeughaus vorübergehend verloren und die Besucher betraten die Sammlung von jetzt an durch die von der Herrengasse in den Zeughaushof führende Durchfahrt. Bei dieser Konzeption blieb es bis 1987. Während des Zweiten Weltkrieges waren sämtliche Waffenbestände in die Schlösser Schwarzenegg, Stainz, Waasen und Brunn- see ausgelagert, die geleerten hölzernen Einbauten erhielten 1943 einen Feuer hem- menden Anstrich mit Brandschutzessenz. Glücklicherweise blieb das Zeughaus im Verlauf alliierter Bombenangriffe von direk- ten Treffern verschont, doch verursachte eine in der nähe eingeschlagene Flieger- bombe Schäden: der Luftdruck zersplitterte etliche Fensterscheiben und beschädigte auch das Dach. Letztlich ermöglichte das Entgegenkommen der britischen Besat- zungsmacht die rasche Rückkehr der Waffen Aus dem obersten Stockwerk bietet sich ein wunderbarer Blick auf das Landhaus. nach Graz, im November 1945 die Einräu- mung des zweiten und dritten Stockwerkes nämlich im Mai 1997 die als Einführung in zu garantieren. Auf ihr Gutdünken hin wur- und im April 1946 die Wiedereröffnung der das Zeughaus gedachte Dauerausstellung den Waffen angekauft oder Ausbesserungen gesamten Sammlung. „Zum Schutz des Landes“ installiert. Seither unterzogen, Harnische erworben, Geschütze Der Einrichtung einer neuen Werkstatt in gilt wieder das Tor im Verbindungsbau zwi- gegossen. Die sachgerechte Lagerung der den Jahren 1950/1951 folgten Umbauar- schen Landeszeughaus und Landhaus als Munition gehörte ebenso zu ihrem Aufga- beiten in der 1983 von der Teppichfirma zu- Zugang zu der mit rund 32.000 Objekten benbereich, wie die Ausgabe der Armaturen rück gewonnenen Kanonenhalle, so daß ab wohl größten an seinem Originalplatz be- an Aufgebotssoldaten oder Privatpersonen. 29. April 1987 wieder ein geeigneter Emp- findlichen historischen Waffensammlung Nach dem Einlangen der bestellten Waffen fangsraum für Besucher zur Verfügung der Welt. und Harnische war es die Pflicht der Zeug- stand. Auch die Fassade des Zeughauses in warte, deren Tauglichkeit und Qualität mit- der Herrengasse erhielt, allerdings erst 1992, Die Verwaltung des Zeughauses tels Beschußprobe zu prüfen. „Der bestellte durch die dringend nötige Neufärbelung ein Genauso wie das Hofzeughaus wurde das Zeugwart soll die Ime eingeanttworte Muni- frisches Gesicht. Mittlerweile ist das Original- landschaftliche Zeughaus durch Zeugwarte tion, Gschüz vnd allen Zeug seinem Ambt tor des Jahres 1646 mit den beiden flankie- verwaltet. Sie waren den Verordneten wei- nach fleißig treulich verwahren, sauber vnnd renden Statuen von Mars und Minerva wie- sungsgebunden und hatten für die reibungs- rein haltn“, hieß es dazu im Amtsdeutsch des der verschlossen. In der Kanonenhalle wurde lose Abwicklung des gesamten Zeugwesens 16. Jahrhunderts.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 76 Kultur

Sämtliche Lieferungen in und aus dem Grundsätzlich bestand für jede Person, tionsdeputates“ Waffen und Rüstungen an Zeughaus wurden in periodischen Zeugwarts- die Teilnehmer am Landesaufgebot auszurü- die windische Militärgrenze schickte. In solch abrechnungen penibel verzeichnet und der sten hatte, die Möglichkeit eines Waffener- zyklisch wiederkehrenden Fällen gelangten Gesamtstand in Inventaren festgehalten. Da- werbs direkt aus dem landschaftlichen die Armaturen vorerst in das Grenzzeughaus bei mußte sich der Zeugwart mit seinem je- Zeughaus. Dabei konnten die Interessenten von Varaždin, von wo aus sie durch den weiligen Gegenschreiber, ohne dessen Unter- die Armaturen entweder zum Selbstkosten- Grenzzeugwart auf die Rüstkammern der schrift keine Abrechnung gültig war, abspre- preis kaufen oder sie schlichtweg leihen. In einzelnen Grenzfestungen weiter verteilt chen. Weitgehend selbständig war der Zeug- letzterem Fall mußten die Waffen nach Ende wurden. wart jedoch bei der Verteilung der im Zeug- der Kampfhandlungen wieder zurückgestellt Aber nicht nur für Kriegszwecke konnte haus selbst anfallenden Arbeiten. Er galt als werden. Daß eine termingerechte Rückgabe man Gegenstände im Zeughaus erwerben. Chef der mit der Instandhaltung der Arma- nicht die Regel war, beweisen stets wieder- Interessenten bezogen hier die nötigen Uten- turbestände betrauten Büchsenmeister, Zeug- kehrende Ermahnungen an säumige Entleh- silien auch für Jagd, Turnier, Wetterschießen schlosser, Zeugschmiede und Plattner, hatte ner. In besonders krasser Weise zeigte sich oder Feuerwerke. Besonders beliebt war der als solcher deren Tätigkeit zu überwachen. dies nach den Kriegsjahren 1663/1664, 1683 Erwerb von Schießpulver für die Abhaltung In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun- und 1704, als größere Waffenmengen nicht der Fronleichnamsprozessionen durch die derts waren die landschaftlichen Zeugwarte nur an Privatpersonen sondern auch an die katholische Kirche. durchwegs evangelisch, ehe nach der Ent- grenznahen steirischen Städte und Burgen Mittlerweile dienen die Objekte des Lan- lassung des Wolf Haug anno 1602 aus reli- verliehen worden waren. Die Rückgabe er- deszeughauses anderen, friedlichen Zwecken. gionspolitischen Gründen (Durchführung folgte damals erst nach mehrmaligen Auffor- Sie sind zu bewunderten Ausstellungsstük- der Gegenreformation) die Zugehörigkeit derungen bis zu zwei Jahre später. ken geworden, die nicht nur am Original- zur katholischen Glaubensrichtung Voraus- Zu einer weitaus größeren Fluktuation platz in Graz sondern zwischen 1992 und setzung für den Amtsantritt wurde. Bis 1629 (Ankauf, Lagerung und Weitergabe) an 1999 im Rahmen der Tournee „Imperial gehörten die Zeugwarte dem bürgerlichen Armaturen kam es, wenn die kleineren land- Austria“ auch in diversen Museen der USA, Stand an, seither stammten sie aus Adels- schaftlichen Zeughäuser in Marburg (Mari- Kanadas und Australiens für Aufsehen kreisen. Diese Tradition setzte sich auch bor), Pettau (Ptuj) und Radkersburg mit gesorgt haben. Auch auf der steirischen Burg dann fort, als seit 1749 Zeughausadministra- Kriegsrüstungen aus der Grazer Zentrale Rabenstein bei Frohnleiten waren bereits toren die Amtsgeschäfte der bisherigen ausgestattet wurden. Das gleiche galt, wenn Objekte aus dem Zeughaus ausgestellt. Zeugwarte übernahmen. man im Rahmen des so genannten „Muni- http://www.museum-joanneum.at/de/landeszeughaus

Seit 1997 ist in der ehemaligen Kanonenhalle die ständige und äußerst beeindruckende Schausammlung »Zum Schutz des Landes« eingerichtet.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 77 Kultur Kampf um die Stadt Politik, Kunst und Alltag um 1930 – eine Ausstellung im Wien Museum im Künstlerhaus von 19. November 2009 bis 28. März 2010

Karl Kraus II, 1925: Oskar Kokoschka, Öl auf Leinwand; © Fondation Oskar Kokoschka/VBK, Wien 2009

in umfassendes Zeitgeschichte- und ten zur sozialen Deklassierung und Verun- und antisemitische Tendenzen bekamen EKulturpanorama Österreichs der 1920er- sicherung breiter Schichten. Faschistoide Rückenwind, Gewaltbereitschaft und ag- und 1930er-Jahre, eine der größten histori- gressive Agitation bestimmten das Klima. schen Ausstellungen der vergangenen Jahre: Die divergierenden Werthaltungen spie- Das Wien Museum zeigt ab 19. November gelten sich auch in der Lebenspraxis der im Künstlerhaus auf beiden Geschossen Menschen. Neben den wichtigsten Ereignis- „Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und sen der Zeitgeschichte und zentralen Kon- Alltag um 1930“. fliktfeldern werden grundlegende Tendenzen In einer interdisziplinären Ausstellung und Leistungen in Kunst, angewandter wird die Zeit zwischen den mittleren 1920er- Kunst und Populärkultur dargestellt. Eine und mittleren 1930er-Jahren in Österreich besondere Aufmerksamkeit gilt dem Alltags- dargestellt – mit Fokus auf Wien: Es geht um leben und dem Lifestyle der 1920er- und jene entscheidenden Jahre, als die Zukunft 1930er-Jahre. Vor allem versucht die Aus- der jungen Republik auf der Kippe stand, stellung, die Tiefendimension des Politi- zwischen Demokratie und Diktatur, zwi- schen und die kollektiven Identitäten gegen- schen Aufbruch und Reaktion. Es gab keine sätzlicher soziokultureller Milieus herauszu- nationale Identität, die politischen, sozialen, arbeiten, mit Blick auf politische Codes und weltanschaulichen und kulturellen Gegen- bildkulturelle Stereotypen. sätze waren schroff und unversöhnlich, die

Feindbilder zwischen Schwarz, Rot und © DÖW Noch war der Kampf nicht entschieden Braun starr, die Lebensverhältnisse instabil. Österreichische Arbeitsschlacht; Plakat „Um 1930“ war der Ausgang der poli- Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit führ- der Vaterländischen Front, um 1937 tisch-ideologischen Konflikte noch unent-

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Polizeiliche Absperrung des 1. Bezirkes am 1. Mai 1933 © Wien Museum schieden. Noch bestimmten Dissonanz und nismus zwischen modernen Fortschrittskon- ler und greller. Das Bild der Stadt veränder- Pluralismus das politische und kulturelle zepten und traditionsgebundenem Verwurze- te sich: Der Verkehr nahm zu, Leuchtre- Leben, noch standen einander divergierende lungsmythos: Asphalt gegen Scholle, Bubi- klamen, Film-Paläste und eine amerikanisch ideologische Leitbilder und Lebensstile kopf gegen Gretelfrisur, Großstadtkultur geprägte Populärkultur vermittelten ein gegenüber. Doch bald sollten sich die Fen- gegen anti-urbane Ressentiments, das „Rote neues großstädtisches Lebensgefühl. „Neu“ ster, die Ausblicke auf neue Freiheiten und Wien“ mit seinem europaweit beachteten so- wurde zum Modewort, die Formen der Zeit Lebensmodelle öffneten, wieder schließen. zialistischen Reformmodell gegen das änderten sich, neue Produkte hielten Einzug Politisch war 1934 die Ausschaltung der So- „schwarze“ konservative Alpen-Österreich. in Konsum und Alltag. Andererseits lebten zialdemokratie und die Etablierung des kle- Linke und Modernisten propagierten den viele Menschen in bitterer Armut und prekä- rikal-autoritären „Ständestaat“-Regimes ein „neuen Menschen“ und warnten vor einer ren Verhältnissen. Zumindest abgeschwächt entscheidender Wendepunkt, im kulturellen drohenden „Verdorfung Wiens“. Konträr gab es auch in Wien die „Roaring Twenties“, und gesellschaftlichen Leben war schon um dazu agitierten Katholisch-Konservative und mit einem Schuß Frivolität in Mode, Styling 1930 ein Paradigmenwechsel zu spüren. Völkisch-Nationale gegen „Sittenlosigkeit“ und geschlechtlichen Rollenmustern – zu- Der Titel „Kampf um die Stadt“ bezieht und „Verjudung“ des Großstadtlebens. mindest bis zum um 1930 spürbaren konser- sich auf einander überlagernde Konflikt- vativen Kulturbruch. linien: Einerseits wurden die Straße und der Von den Roaring Twenties öffentliche Raum zur politischen Kampf- zum konservativen Kulturbruch Kunst und neue Massenmedien und Aufmarschzone. Andererseits durchzog Der urbane Alltag erfuhr in den 1920er- Neben zeit-, kultur- und alltagsgeschicht- ein tiefer ideologischer Riss alle gesell- Jahren einen tiefgreifenden Modernisie- lichem Material bildet die bildende Kunst schaftlichen Bereiche, nämlich der Antago- rungsschub und wurde dynamischer, schnel- einen Schwerpunkt der Ausstellung: Rund

Straßenschlacht am 15. Juli 1927; Fotografie; © ÖNB/ Wien, Bildarchiv ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 79 Kultur © ÖNB/Wien, Flugblätter-, Plakate- und Exlibrissammlung © ÖNB/Wien, Flugblätter-, Plakate- und Exlibrissammlung © Imagno/ÖNB/Lothar Rübelt

Filmplakat »Café Elektric«, 1927 Leuchtreklame »ATA PUTZT ALLES!« Plakat »Im Winter nach Wien«, 1934/35 Entwurf: Anton Ziegler Lothar Rübelt, Fotografie Entwurf: Atelier Veit (Friedrich Veit)

kam es in Gebrauchsgrafik, Architektur, Fotografie, angewandter Kunst oder Tanz zu einer Blüte. Die neuen Massenmedien dieser Zeit spielen in der Ausstellung eine besonde- re Rolle: Ein wichtiges Gestaltungsmittel sind Film-Großprojektionen, dazu kommen Re- portagefotos und die Plakatkunst, die als Spiegel eines völlig neuen Lebensstiles das Bild der Stadt entscheidend geprägt hat.

Fakten zur Ausstellung Idee und Konzept zur Ausstellung stam- men vom Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos. Neben Kuratorinnen und Ku- ratoren des Wien Museums sind zahlreiche externe Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler an dem Projekt beteiligt. Erstmals seit langer Zeit bespielt das Wien Museum © Belvedere, Wien wieder beide Geschosse des Künstlerhauses, Franz Lerch, Mädchen mit Hut, 1929, Öl auf Leinwand

© Wienbibliothek im Rathaus, Plakatsammlung wie einst bei den Großausstellungen „Traum Entwurf: Wahlplakat, 1930 und Wirklichkeit“ oder „Die Türken vor Konfliktfeld Sexualität / Frauen- und Män- Victor Theodor Slama Wien“. Auf etwa 2000 m² Ausstellungsfläche nerbilder / „Kampf um die Seele“: Sozialde- werden rund 1800 Objekte gezeigt. Die Aus- mokratie versus Kirche / Tendenzen in Ma- 250 Kunstwerke korrespondieren einerseits stellungsarchitektur stammt von BWM Archi- lerei und Skulptur / Kulturpolitik und Kunst- mit den Sachthemen, andererseits wird im tekten, die Grafik von Erwin Bauer. Zur Aus- betrieb / Neue Medien und ihre Auswirkung zentralen Saal des Künstlerhauses ein reprä- stellung erscheint ein etwa 500 Seiten star- auf Politik und Alltag / Schneller und heller – sentativer Überblick über die Tendenzen der ker Katalog im Czernin Verlag mit zahlrei- die Modernisierung der Großstadt / „Café Zwischenkriegszeit geboten – eine „Kunst- chen Abbildungen und Beiträgen namhafter Elektric“ und die Halbwelt der Nacht / Na- ausstellung in der Ausstellung“ mit Haupt- Wissenschaftler/innen. tursehnsucht und Stadtkritik / Heimatkult, werken und Raritäten wichtiger Exponenten Volkstumsideologie und Alpenmythos / wie Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer, Themen der Ausstellung Mode und Lifestyle / Bauen und Wohnen Alfons Walde oder Otto Rudolf Schatz. in Stichworten (Architektur, Interieur, Kunstgewerbe) / Pla- Generell kam es jedoch in den 1920er- Chronologie der politischen Gewalt / Pol- katdesign und neue Werbeformen / Körper- Jahren zu einer Stagnation in der österreichi- itische Lager und ihre Symbole / Kommuna- bilder in Tanz und Fotografie / Die Amerika- schen Kunst, litt doch auch das Kulturleben ler Wohnbau und Fürsorgesystem im Roten nisierung der Massenunterhaltung (Revue, unter dem Bedeutungs- und Energieverlust Wien / Antisemitismus / Wirtschaftskrise Tanzmusik, Film). der Metropole Wien nach 1918. Andererseits und Arbeitslosigkeit / Konfliktfeld Bildung / http://www.wienmuseum.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 80 Kultur 100 Jahre Stadttheater Baden LH Erwin Pröll: Kristallisationspunkt für kulturelle Entwicklungen Foto: Stadttheater / http://www.christian-husar.com Die Geschichte des Theaters Baden geht bereits in das Jahr 1716 zurück und hat somit eine der ältesten Theatertraditionen in Niederösterreich vorzuweisen.

ie Stadt Baden ist ein Kristallisations- sein und ein vielfältiges Kulturgeschehen zu entsprechende Unterhaltung. 1867 kam dann Dpunkt für viele Entwicklungen im kultu- pflegen“, sagte Pröll abschließend. die Winterspielzeit dazu – Baden wuchs lang- rellen Bereich für ganz Niederösterreich“, Im Zuge der Eingliederung des Stadt- sam in eine Ganzjahressaison hinein. Das sagte Landeshauptmann Erwin Pröll am 24. theaters Baden in die Niederösterreichische Theater war so ziemlich das einzige Vergnü- Oktober bei der Festveranstaltung in Baden Kulturwirtschaft (NÖKU) erfolgte die Um- gen der Kurgäste und ein Ort der „Freizü- zum 100jährigen Bestehen des Stadttheaters. bennung in die Dachmarke Bühne Baden, gigkeit“ – zumindest von dem, was man sei- Das Stadttheater Baden sei durch die Koope- unter der nun die zwei Spielstätten, das Stadt- nerzeit darunter verstand. Karl Graf Sinzen- ration mit der Niederösterreichischen Kultur- theater und die Sommerarena aufscheinen, dorf erzählte am Ende des 18. Jahrhunderts: wirtschaft in einer besonderes guten Situation, wobei beide Häuser ihre Eigenständigkeit „…im Theater ‚Der Fabrikant‘, angeblich die auch für die Zukunft eine fruchtbringende behalten. von Schröder! Dann ein Ballett, in dem uns künstlerische Periode gewährleiste. zwei Tänzerinnen ihre weißen Höschen bis „Die Stadt Baden und das Land Nieder- Vorgeschichte zum Gürtel sehen ließen. Die eine hatte pur- österreich tragen wesentlich dazu bei, einer- Die Geschichte des Theaters Baden geht purrote Strumpfbänder, die andere grüne,…“ seits dem Stadttheater alle künstlerischen bereits in das Jahr 1716 zurück und hat somit Das Gebäude war Anfang des 20. Jahr- Freiheiten zu lassen und andererseits die not- eine der ältesten Theatertraditionen in Nie- hunderts baufällig und bildete eine ständige wendigen wirtschaftlichen Ressourcen für derösterreich vorzuweisen. Schon 1775 er- Brandgefahr, daher war eine gar nicht gerin- den Betrieb zur Verfügung zu stellen“, so der baute die Stadt an der heutigen Stelle am ge Antriebskraft zum Neubau die Überzeu- Landeshauptmann. Aufgabe des Landes sei Theaterplatz das erste Theatergebäude. Es gung, daß das Gebäude sowieso bald ab- es, jene Voraussetzungen und Rahmenbedin- war ein mit Schindeln gedeckter Ziegelbau. brennen würde. gungen zu schaffen, bei denen sich in einem Infolge Baufälligkeit ließ man Ende 1811 offenen kulturpolitischen Klima im Land den Bau abreißen und vom Architekten Josef Bau des Stadttheaters etwas Nachhaltiges und Bleibendes entwik- Kornhäusel ein neues Theater errichten, wel- Unter Bürgermeister Rudolf Zöllner ent- keln kann. „Die Philosophie des Landes ches 1812 eingeweiht wurde. Das Hoftheater schied man sich ein Theater zu bauen, das Niederösterreich in der Kulturpolitik ist es, an der Schwechat wurde ursprünglich nur im dem Schwechater Theater glich. Man hat Gegensätze zu verbinden, offen für Neues zu Sommer bespielt – der Kurort brauchte eine einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 81 Kultur die Gemeinde aufrief, einen angemessenen Bauplan vorzulegen und die finanziellen Mittel nicht zu überschreiten. Ursprünglich wollte man das neue Theater zu Ehren Kaiser-Franz-Josephs, der 1908 sein 60jähri- ges Regierungsjubiläum feierte, als „Kaiser- Franz-Joseph-Jubiläums-Stadttheater“ be- nennen. Der Wiener Hof gab dafür jedoch nicht seine Einwilligung und so heißt es seit- dem nur noch Jubiläums-Stadttheater. Der Vergnügungsverein, der Trabrennverein so- wie die Sparkasse Baden erklärten sich dazu bereit ein Drittel der Baukosten zu überneh- men. Am 7. August 1908 wurde entschieden, daß die Firma Helmer und Fellner den Auftrag für den Bau des neuen Theaters sowie für verschiedene Nebengebäude be- kam. Man schätzte die Baukosten auf rund Foto: Erich Wellenhofer 700.000 Kronen. Der Bau des neuen Thea- Erika Adensamer, Bürgermeisterin der Stadt Baden, Landeshauptmann Erwin Pröll ters begann am 14. September 1908 und fand und ORF-»Kulturlady« Barbara Rett (v.l.) bei den 100-Jahr-Feierlichkeiten am 2. Oktober 1909 sein Ende. Heutzutage ses“ – komponiert in Baden, Grillparzers Be- eine komplette Außen- und Innenrenovie- würde ein Bau dieser Art bis zu drei Jahre lehnungsszene aus „König Ottokars Glück rung des Theaters. Im Jubiläumsjahr 2009 dauern. Daß die damalige Errichtung des und Ende“ und „Die Fledermaus“ von Jo- wurden einige Büros adaptiert, eine neue Stadttheaters in dieser Rekordzeit abgeschlos- hann Strauß (Handlungsort Baden). Portierloge erschaffen, der Zuschauerraum sen wurde, ist den Bauherren zu verdanken, mit einer neuen Tonanlage ausgestattet und weshalb Helmer und Fellner eine Plakette Von der Eröffnung bis zur Gegenwart die öffentlichen Bereiche mit einem neuen als Zeichen der Anerkennung überreicht Nichts auf Erden dauert ewig, irgend- Teppich und einer neuen Tapezierung verse- wurde. Übrigens eine seltene Ehre für einen wann wird alles schäbig! Dies ging auch hen. Für den Chor wurde ein neuer, geräu- Generalunternehmer. dem Stadttheater Baden so. 1929 und 1939 miger und moderner Probenraum errichtet. Am 2. Oktober 1909 hob sich der Vor- erfolgten Ausbesserungen, 1959 eine General- In die neue Saison startete man übrigens hang im neuen Theater zum ersten Mal. Da- säuberung und Überholung, die jeweiligen mit Jacques Offenbachs fantastischer Oper bei entstand das Programm, das für ähnliche Wiedereröffnungen hatten das gleiche Pro- „Hoffmanns Erzählungen“, die man bis An- Anlässe in Baden bis heute fast als verbind- gramm wie 1909. Im Jahr 1979, anläßlich fang Dezember 2009 genießen kann. lich gilt: Beethovens „Die Weihe des Hau- der 500-Jahr-Feier der Stadt Baden, erfolgte http://www.buehnebaden.at

Ansicht des Zuschauerraumes des Stadttheaters Baden, wie er sich im Jahr 1960 zeigte. Foto: aus dem Bestand des Rollettmuseums

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 82 Kultur 1. Wiener Filmmusik-Preis mit Vienna Symphonic Library Uraufführung der Komposition von Roman Kariolou, dem Preisträger des Wiener Filmmusikpreises Foto: Best of Film Music Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien spielte im Wiener Konzerthaus erstmals Highlights aus James Bond-Filmen

m Rahmen des Gala-Konzerts „Holly- bühne, die zu den atemberaubendsten Sze- (1962) orchestrierte, wurde kommerziell so Iwood in Vienna“, das am 14. Oktober im nen der Film-Geschicht zählt. erfolgreich, daß die Produzenten Albert R. Großen Saal des Wiener Konzerthauses Auch dieses Jahr war Bond wieder in Ös- Broccoli und Harry Saltzman den Kompo- stattfand, wurde neben berühmten Film- terreich zu erleben, diesmal musikalisch: Im nisten auch mit den Soundtracks für die wei- musiken von John Williams, John Barry, Rahmen von „Hollywood in Vienna“ wur- teren Filme der Serie beauftragten. Es folgte Max Steiner, Bruce Broughton und Harald den erstmals Höhepunkte der Musik zu Ja- eine Zusammenarbeit von vier Jahrzenten. Kloser auch die Komposition von Roman mes Bond vom ORF Radio-Symphonie- Barrys unverwechselbare, verwegen-fre- Kariolou, dem Preisträger des Wiener Film- orchester Wien aufgeführt. Am Dirigenten- che und spannende Musik wurde zu einem musikpreises, uraufgeführt. John Axelrod pult sollte eigentlich der Mann stehen, der Schlüsselelement des Bond-Stils. So verton- dirigierte das ORF Radio-Symphonieor- der Action-Serie von Beginn an ihren unver- te Barry unvergessliche Filme wie „Gold- chester Wien live zur Filmsequenz aus wechselbaren Sound verlieh: Hollywood- finger“, „Liebesgrüße aus Moskau“, „Feuer- „Krieg und Frieden“, die Regisseur Robert Legende John Barry. Der war aber aus fami- ball“, „Man lebt nur zweimal“ und „Im Ge- Dornhelm eigens für den Filmmusik-Wett- lären Gründen daran gehindert, nach Wien heimdienst Ihrer Majestät“. Seine Bond- bewerb zur Verfügung stellte. zu reisen, dankte aber via Videobotschaft für Titelsongs wurden von einigen der größten Vergangenes Jahr bestritt der britische die Ehrung. Namen in der Jazz- und Popszene interpre- Topagent James Bond in „Ein Quantum Trost“ Das „James-Bond-Thema“, das Barry für tiert, von Shirley Bassey („Goldfinger“, „Dia- eine Action-Jagd über die Bregenzer See- den ersten Film „James Bond jagt Dr. No“ mantenfieber“) über Louis Armstrong bis zu

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Duran Duran („Im Angesicht des Todes“) und a-ha („Der Hauch des Todes“). Und mit „Goldfinger“ verdrängte Barry sogar die Beat- les vom Spitzenplatz der amerikanischen Hitlisten ! Später wandte sich Barry auch sympho- nisch-epischen Filmmusiken zu und schuf u.a. für Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“ (1985) und Kevin Costners Western „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) Oscar- gekrönte Soundtracks, die ebenfalls im Wiener Konzerthaus zu hören waren. Der 75 jährige fünffache Oscar- und vier- fache Grammy-Preisträger ist der erste Film- komponist, der im Rahmen dieser Konzert- Serie von der Stadt Wien für sein musikali- sches Lebenswerk geehrt wurde. Durch die „Hollywood in Vienna“-Gala führte der charismatische Jung-Dirigent John Axelrod, der bereits mit den namhafte- Foto: Heinz Zeggl Herbert Tucmandl, GF der Vienna Symphonic Library, Regisseur Robert Dornhelm sten Orchestern der Welt Erfolge feierte. Er und der Gewinner des 1. Wiener Filmmusik-Preises, Roman Kariolou (v.l.) hat mit dem RSO-Wien auch Filmmusik- Suiten wie „Casablanca“ und „Vom Winde großem Orchester ergibt, ist es gerade bei reichungen überzeugte auch die internatio- verweht“ vorgestellt. Filmmusik wichtig, ein möglichst authen- nale Jury, die aus John Barry, Robert Dorn- Diese entstammen der Feder des Wiener tisch klingendes Layout der Komposition helm, John Mauceri, Bruce Broughton, John Filmmusik-Pioniers Max Steiner, der auch dem Regisseur oder Produzenten präsentie- Waxman, Christian Kolonovits und Chri- Namensgeber für den neu geschaffenen Film- ren zu können. Namhafte Komponisten auf stian Scheib bestand. Auch im Bereich der musik-Ehrenpreises ist: den „Max Steiner der ganzen Welt greifen hierfür gerne zu den Medien- und Filmmusik verfügt Österreich Life Achievement Award“. Klängen der Vienna Symphonic Library, die über ein reichhaltiges, kreatives Potenzial, John Barry ist „thrilled“ und „fühlt sich in diesem Bereich Weltmarktführer ist. Vier welches auf eine interessante Entwicklung sehr geehrt“, der Erste zu sein, der diesen von fünf Oscar-nominierten Komponisten des Wiener Filmmusikpreises in den näch- Preis erhielt, da Max Steiner immer „sein des Jahres 2009 sind User der Vienna Instru- sten Jahren blicken läßt. größtes musikalisches Vorbild“ war. Er sah ments. Auch viele der Referenten des Inter- http://www.hollywoodinvienna.com dem Gala-Abend mit großer Freude entge- nationalen Filmmusik-Symposiums, das vor gen und betrachtete seine Ehrung als einen wenigen Tagen an der Universität für Musik Die Vienna Symphonic Library GmbH der Höhepunkte seines Lebens. Grund ge- und Darstellende Kunst in Wien stattfand, Das Wiener Unternehmen entwickelt nug, daß auch viele Freunde und Partner von zählen zu den Usern der Vienna Symphonic unter der Führung des Gründers und Ge- Barry nach Wien gereist waren, um „Holly- Library, wie z. B. Bruce Broughton, Harald schäftsführers Herbert Tucmandl seit dem wood in Vienna“ beizuwohnen – u.a. auch Kloser, Walter Werzowa, Christian Kolono- Jahr 2000 Sample-Libraries und Software- die jetzige Bond-Produzentin und Tochter des vits, Andy Baum, Matthias Weber, Bob Tools für Musikschaffende, mit deren Hilfe legendären Albert Broccoli, Barbara Broc- Gutdeutsch, Klaus Hundsbichler, Mischa Orchesterwerke nahezu authentisch reprodu- coli. Krausz, Sascha Peres, Christian Kardeis ziert werden können. In einer einzigartigen Auch andere Filmmusik-Highlights wur- u.v.a. Synthese aus traditionsreicher Klangkultur den aufgeführt, u.a. „Lawrence von Arabien“ So verwundert es nicht, daß auch Roman und Spitzentechnologie werden hierfür Ein- und „A Passage to India“ aus der Feder des Kariolou, der Preisträger des Wiener Film- zeltöne und Tonfolgen sämtlicher Orche- kürzlich verstorbenen Komponisten Maurice musikpreises 2009 sowie auch die Kom- sterinstrumente, von der Solo-Violine bis Jarre, „7 Jahre in Tibet“ und „Star Wars“ von ponisten der zweit- und drittplatzierten Ein- zum Kontrabaß-Ensemble, vom Heckelphon Spielberg-Komponist John Williams sowie reichungen, Christof Unterberger und Gerrit bis zum Bösendorfer Imperial, in der eigens „The Day after Tomorrow“ des Hollywood- Wunder, zur klanglichen Umsetzung ihrer erbauten Silent Stage aufgenommen. Seit Österreiches Harald Kloser und „Silverado“ Kompositionen virtuelle Instrumente und 2005 tragen auch unterschiedliche Software- von Bruce Broughton. Harald Kloser und der Software-Produkte aus dem Hause Vienna Innovationen wie die auf Multi-Impuls- zehnfache Emmy-Preisträger Bruce Brough- Symphonic Library verwendeten. Alle drei antworten basierende Vienna MIR-Raum- ton waren ebenfalls bei der Gala anwesend. Komponisten wurden im Rahmen des Film- simulation zur Exportquote von über 96 Pro- Red carpets, Großbild-Leinwand und musik-Symposiums vorgestellt und erhielten zent bei. Die Website bietet neben Informa- Lichtinszenierung sorgten dafür, daß das in Anerkennung ihrer herausragenden Lei- tionen zu DVD- und Download-Produkten Konzerthaus anläßlich des Events in einen stungen Sachpreise der Vienna Symphonic eine Vielzahl von Hörbeispielen, Video- Filmpalast verwandelt wurde. Library. Tutorials sowie eine umfassende, interaktive Damit sich für junge Komponisten über- Die hohe dramaturgische, kompositori- Bibliothek zur Instrumentenkunde. haupt die Chance auf eine Aufführung mit sche und klangliche Qualität der 61 Ein- http://www.vsl.co.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 84 Serie »Österreicher in Hollywood«

Der Wiener Autor Rudolf Ulrich dokumentiert in seinem Buch »Österreicher in Hollywood« 400 Einzel- biografien mit beigeschlossenen Filmografien und über 12.000 Film- und Fernsehproduktionen aus Hollywood mit österreichischer Beteiligung. In dieser Folge portraitiert er Celia Lovsky Schauspielerin

äcilie Lvovsky, Tochter des Komponisten Bretislav Emil Lvovsky Cund dessen als Cellistin tätigen Gattin Vallee, geboren am 21. Februar 1897 in Wien, wuchs im Umfeld berühmter Konzertsäle auf. Als Schauspielerin ausgebildet an der Akademie für Musik und dar- stellende Kunst, machte sie 1917-1926 als strahlender Stern an hei- mischen Bühnen, 1926 in Max Reinhardts Berliner Shakespeare- Inszenierungen, 1927/28 in Frankfurt am Main und bis 1933 erneut in Berlin durch beachtliche Erfolge auf sich aufmerksam. Die ganz große Karriere verhinderte der Machtantritt der Nationalsozialisten. Während eines London-Aufenthaltes 1934 traf und heiratete sie Peter Lorre, den sie von Berlin her kannte. Lorre, durch die gelunge- ne Interpretation eines psychopathischen Kindermörders in Fritz Langs erstem Tonfilm und impressivem Meisterwerk „M-Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) zum Star geworden, stand dort zehn Wochen lang bei Gaumont British für Alfred Hitchcocks Kriminal- drama „The Man Who Knew Too Much“ vor der Kamera. Nachdem Lorre einen Fünfjahresvertrag bei Columbia unterschrieben hatte, übersiedelte das Paar in die kalifornische Filmmetropole. Im näch-

Celia Lovsky in der Columbia-Produktion »Rumble on the Docks« (»Dschungel von Manhattan«), 1956 sten Jahrzehnt begnügte sich die Schauspielerin mit der Rolle als Hausfrau, nahm aber drei Jahre nach der Trennung der Ehe unter dem Namen Celia Lovsky ihre darstellerische Tätigkeit wieder auf, bei MGM, Warner Bros., Universal, Fox und ab 1953 auch in Fernsehstudios. Die Wienerin brachte es nicht zu ausgesprochenem Starruhm, war jedoch mit über 40 Spielfilmen, der beachtlichen Anzahl von annä- hernd 100 Episoden der TV-Serien „Dragnet“, „Playhouse 90“, „Hallmark Hall of Fame“, „The Crusader“ oder „The Twilight Zone“ sowie vielen Live-Shows eine der meistbeschäftigten Charakterdar- stellerinnen Hollywoods. Wenn auch hauptsächlich im Fach der ele- ganten Aristokratin oder noblen Dame eingesetzt, verstand sie es, fla- che Typisierungen zu vermeiden und in anderen, breitgefächerten Rollen – leidende Mütter, Frauen in Lebenskrisen oder verbitterte Emigrantinnen – mit schauspielerischer Brillanz zu beeindrucken.

Alle Fotos: Archiv Ulrich Sie überzeugte bei MGM in dem Melodram „The Last Time I Saw Celia Lovsky als Mutter des Jazzdrummers in »The Gene Paris“ („Damals in Paris“) und in der musikalischen Romanze „Rhap- Krupa Story«, mit Sal Mineo in der Titelrolle, 1959 sody“ („Symphonie des Herzens“, beide 1954), bei Warner Bros. in

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 85 Serie »Österreicher in Hollywood«

„New York Confidential“ (1955), in Columbias Filmversion des Romans von Franz Werfel „Me and the Colonel“ („Jakobowsky und der Oberst“, 1958) und in der Biografie „The Gene Krupa Story“ (1959) in der Rolle der Mutter des berühm- ten Jazzdrummers und Bandleaders. 1957 brillierte sie als taubstumme „Mom“ des Schauspielers Lon Chaney in der Universal-

Das Ehepaar Lorre/Lovsky und der Wiener Dramaturg Berthold Viertel auf dem Weg nach Hollywood, bei ihrer Ankunft in New York, 1934. Verfilmung „Man of a Thousend Faces“ gestiegen – zur Helen Hayes von Europa. (Jer- („Der Mann mit den tausend Gesichtern“), ry Belcher in der „Los Angeles Times“). wobei sie die amerikanische Zeichensprache virtuos beherrschte. In der Allied Artists it dem Buch „Österreicher in Holly- Produktion „Hitler“ (1962) spielte sie Hitlers Mwood“ legte der Zeithistoriker Rudolf Halbnichte Geli Raubal. Ihr letzter Ulrich die lang erwartete Neufassung seines Kamerauftritt als ältere Lady im Rollstuhl 1993 erstmals veröffentlichten Standardwer- als Co-Star von Sam Jaffe und Luther Adler kes vor. Nach über 12jährigen Recherchen erfolgte in der Episode „Mister Nobody“ im konnten 2004 die Ergebnisse in Form einer Rahmen der TV-Serie „The Streets of San revidierten, wesentlich erweiterten Buchaus- Francisco“ 1974. „Cilly“ Lovsky zog sich gabe vorgelegt werden. „Diese Hommage ist danach aus den Ateliers zurück. nicht nur ein Tribut an die Stars, sondern Walter Kohner, langjähriger Agent und auch an die in der Heimat vielfach Unbe- Freund, bescheinigte ihr neben einem wun- kannten oder Vergessenen und den darüber- dervollen Gesicht große Gelassenheit, Aus- hinaus immensen Kulturleistungen österrei- strahlung und Humor. Sie führte nach eige- chischer Filmkünstler im Zentrum der Welt- nen Worten ein erfülltes und aufregendes kinematographie gewidmet: „Alles, was an Leben. Zuletzt lebte die Schauspielerin in etwas erinnert, ist Denkmal“, schließt der ihrem großen Haus in den Hollywood Hills Autor. etwas nördlich des berühmten Sunset Strips, Rudolf Ulrich und der Verlag Filmarchiv zog siamesische Katzen groß und pflegte ihr Austria bieten Ihnen, sehr geehrte Leserinnen Lieblingshobby, „viele wundervolle Freunde und Leser, die Mög- zu empfangen und zu unterhalten“. Celia lichkeit, in den kom- Lovskys Dinnerpartys gehörten zu den fein- menden Monaten im sten in Hollywood, ihre Gästeliste umfasste „Österreich Journal“ meist ehemalige Kollegen, Leute aus der einige Persönlichkei- Welt des Theaters und des Films. ten aus dem Buch Celia Lovsky, US-Bürgerin und hoch ver- „Österreicher in Hol- ehrt, starb am 12. Oktober 1979 in Los An- lywood“ kennenzuler- geles. Ihre Asche wurde im Cathedral nen. Mausoleum in „Hollywood Forever“ (früher „Hollywood Memorial Park“) bestattet. Die Rudolf Ulrich Grabplatte trägt den Namen Cecile Lorre. „Österreicher in Hollywood“; 622 Seiten, Hätte sie in Europa bleiben und im deut- zahlreiche Abb., 2. überarbeitete und erwei- Celia Lovsky bei einem Garderobentest für die Rolle der »Frau Sigerist« in der schen Sprachbereich ihre Karriere fortsetzen terte Auflage, 2004; ISBN 3-901932-29-1; MGM-Romanze »Rhapsody«, 1954 können, sie wäre zu größtem Starruhm auf- http://www.filmarchiv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 86 ÖJ-Reisetip Kärnten: Abenteuer- land im Schnee Kärnten, Österreichs südlichstes Bundesland, wird im Winter immer mehr zum Trendsetter in den Alpen. Foto: Kärnten Werbung GmbH Auf den rund 1200 stehenden Gewässern in Kärntens kolossaler Landschaftskulisse läßt es sich auch gemächlich Eislaufen.

ier wird Neues getestet und das Beste die Berghänge im Lavanttal, das malerische Skiern erobert werden. Prächtige Firnab- Hden Besuchern auch gleich vorgestellt. Lesachtal in Kärtnens Naturarena und der fahrten in einer großartigen Landschaft sind Kleine und große Abenteurer finden hier Dobratsch. Dort führen, fernab vom Ski- garantiert. ihren ultimativen Kick – beim Eisklettern, rummel in den Wintersportzentren, wunder- Eistauchen, beim Mountainbiking auf Eis volle Touren in allen Schwierigkeitsstufen Eisiges Vergnügen und Schnee oder bei den Profis im New durch eine nahezu unberührte Natur. Ob Kärnten hat über 1200 stehende Gewäs- Technology Center (NTC) beim NTC Blue Aufstieg oder Abfahrt – der Kick liegt hier in ser und über 1000 Flüsse und Bäche. Viele Day. Vor allem Skitouren sind der absolute der Weite der Landschaft und im unend- davon sind im Winter von einer dicken Eis- Hit in diesem Winter. lichen Gefühl von Freiheit. decke überzogen. So ist es kein Wunder, daß Ein besonders vielfältiges Angebot hält im südlichsten Bundesland Österreichs eisi- Mit Steigfellen unterwegs die Nationalpark Region Hohe Tauern ge Sportarten wie Eislaufen und Eisstock- Mit Spitzengeschwindigkeiten die Pisten Kärnten für Touren-Freunde bereit. Im Ski- schießen ganz oben auf der Beliebtheitsskala runter zu düsen macht immer wieder Spaß. tourenfolder „White Spirit“ finden auch stehen. Zur größten Natureisfläche des Lan- Allerdings geht dabei der Blick auf die Anfänger oder Gebietsneulinge wertvolle des verwandelt sich der Weißensee, Europas Schönheiten der Natur links und rechts der Tipps und Hinweise. Spezielle Skitouren- höchst gelegener Badesee. Auf 6,5 Quadrat- Piste all zu oft verloren. Wer die Landschaft Pauschalen machen den Einstieg leicht. Die kilometern tummeln sich dort den ganzen wirklich spüren, erleben und atmen möchte, Berge abseits des Hauptkammes locken mit Winter über Eisläufer aus allen Ländern. schnallt sich besser die Tourenski an und feinstem Pulverschnee schon Anfang De- Höhepunkt ist die alljährlich stattfindende erobert den Kärntner Winter Schritt für zember. Die 3000er der Hohen Tauern kön- „Alternative holländische 11-Städte-Tour, Schritt. Geheimtipps für Tourengeher sind nen noch bis weit in den Mai hinein mit den ein Marathon-Eislauf-Happening mit über

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 87 ÖJ-Reisetip

Winterspaß für die ganze Familie ist im Laußnitztal in der Region Katschberg – Renn- weg angesagt. Dafür sorgt eine 300 Meter lange Snowtubing-Bahn. Besonders beliebt ist das Nacht-Snowtubing. Jeden Freitag ist die Bahn bis 23.00 Uhr geöffnet. Dann stür- zen sich die „Snowtuber“ bei Flutlicht den Abhang hinunter, anschließend lädt die Bonnerhütte zu einer gemütlichen Kärntner Jause ein. In der Ski- und Sportschule Krainer- Wulschnig in Bad Kleinkirchheim ist die Zufriedenheit des Gastes oberstes Gebot. Neben den „klassischen Angeboten“ können neue Trend- und Funsportarten wie Snow- biken, Nordic-Ice-Skating, Eissurfen, Eis- tennis oder Mountainbike-Snowdownhill ausprobiert werden. Foto: Kärnten Werbung GmbH

Ski laufen, Carven, Snowboarden – das sind die Klassiker auf den Pisten. Alles von oben Skifahrer, Langläufer, Schneeschuhwan- 5000 Teilnehmern. Es ist die größte Eis- Snowtube (Rodeln mit einem Riesen- derer, Eisläufer. Wer alle und alles im Blick sportveranstaltung der Welt. Reifenschlauch), Snowbike (eine Art Fahr- haben möchte, kann einen Flug mit dem Pa- Während Eisläufer auf der Eisdecke ihre rad – nur mit Kufen), Skifox (Kombination raglider über die wundervolle Winterland- Kurven ziehen, erkunden unter ihnen Eis- aus Ski und Schlitten), Airboard (Luftkissen- schaft wagen. Gestartet wird zum Höhenflug taucher die glasklare Unterwasserwelt, in Schlitten), Sled (kurzes Surfboard, auf dem vom Goldeck bei Spittal in der Region der Steilwände, Wurzelstöcke, versunkene man auf dem Bauch liegend rodelt), Scooter Millstätter See. Bäume und auch eine Marienstatue zu (eine Art Riesenroller auf Kufen) und Blade bestaunen sind. Den ganzen Winter über gibt (kurze Carving-Ski). Alle diese Sportgeräte Topskipaß Kärnten-Osttirol es am Weißensee eine Tauchbasis, die Kurse können im NTC Fun Sports Park getestet, Der Topskipaß Kärnten-Osttirol ist der und Exkursionen anbietet. gemietet und auch gekauft werden. Türöffner für alle Kärntner und Osttiroler Auch das Eisklettern gehört zu den coolen Nostalgiker unter den Skiläufern werden Skigebiete. Der Topskipaß Kärnten-Osttirol Herausforderungen in Kärnten. Objekte der sich freuen: Auch das Telemarken kommt ist von eineinhalb bis zu 14 Tagen erhältlich Begierde sind vor allem vereiste Wasserfälle, auf Kärntens Pisten wieder immer mehr in und ist in allen Skigebieten gültig. Sechs die mit Eispickel und Steigeisen erklommen Mode – das schwungvolle Talskifahren Tage kosten für Erwachsene € 184,- und für werden. Beliebte Klettergebiete sind das nordischer Art, das gern mit einem Hof- Kinder € 93,-. Maltatal und Mallnitz im Mölltal. Vor Eis knicks verglichen wird. http://www.kaernten.at und Schnee schrecken in Kärnten auch ein- gefleischte Mountainbiker nicht zurück und frönen ihrer Leidenschaft auf vereisten Wegen, zugefrorenen Seen und Teichen. Eine Besonderheit findet bereits zum 16. Mal am Weißensee statt: Das Internatio- nale Eisgolfturnier von 11. bis 13. Februar 2010. Für das Wintergolfen wird die Natur- eisfläche des Sees kurzerhand in einen Golfplatz umfunktioniert. Greens werden zu „Whites“ und dann kann auch im Winter ein- gelocht werden.

Alles was Trend ist Ski laufen, Carven, Snowboarden – das sind die Klassiker auf den Pisten. Doch es gibt Alternativen. Wer wissen möchte, was wirklich trendy ist, sollte sich einen „NTC Blue Day“ am Naßfeld nicht entgehen las-

sen. Er ist die ultimative Bühne für die neu- Foto: Kärntner Berg und Schiführer / Kärnten Werbung GmbH esten und verrücktesten Fun-Sportarten. Auch das Eisklettern gehört zu den coolen Herausforderungen in Kärnten – hier Dies gehört zum Beispiel zum Angebot: werden vor allem vereiste Wasserfälle mit Eispickel und Steigeisen erklommen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 88 ÖJ-Reisetip Im Land der Skipioniere Seit über 100 Jahren spielt Wintersport aller Art im bergigen Land zwischen Bodensee und Arlberg eine bedeutende Rolle. Foto: Archiv Vorarlberg Tourismus / Roman Horner

Lech und seine Ortsteile bilden ein einziges, großes und vielfältiges Skigebiet, in dem die Pisten bis vor die Hoteltüre reichen.

m Westen Österreichs, im Vierländereck schulen und Skiclubs zählen zu den tradi- Die 6 Vorarlberger Urlaubsregionen Izu Deutschland, der Schweiz und dem tionsreichsten der Welt. Mehr Raum – mehr Zeit: Der Arlberg mit Fürstentum Liechtenstein, liegt Vorarlberg. Bis heute spielt Vorarlberg im internatio- dem Skigebiet von Lech Zürs und Stuben Seit über 100 Jahren spielt Wintersport aller nalen Wintersportgeschehen eine wichtige auf der Vorarlberger Seite zählt weltweit zu Art im bergigen Land zwischen Bodensee Rolle. Das weltweit tätige Unternehmen den fünf besten Ski-Resorts (Skiresort Ser- und Arlberg eine bedeutende Rolle. Dennoch Doppelmayr-Lifte hat seinen Sitz in Vorarl- vice International 2007/08 bereits zum 6. Mal). sind aus den Dörfern keine „Skistationen“ berg, wo das Unternehmen auch forscht und Der DSV Ski-Atlas kürt den Arlberg zu Öst- geworden, längst nicht alle Gipfel sind er- entwickelt. Gemeinsam mit einem Vorarl- erreichs Nummer Eins. 85 Bergbahnen/ Lifte, schlossen. Die Skigebiete wurden maßvoll berger Liftunternehmen entstand die Idee 280 Kilometer Pisten, bis 2810 Meter Seehöhe. in die Natur eingefügt, was das Auge sehr zu der „beheizbaren Sesselliftsitze“, die mittler- Die Eleganz des Einfachen: Der Bregen- schätzen weiß. weile in vielen Skigebieten im Einsatz sind. zerwald und die besondere Architektur – die Weltweit stammen zahlreiche Beschneiungs- Skiregion für Naturgenießer und Feinsinni- Im Land der Skipioniere anlagen aus Vorarlberg. ge. Überaus naturschneereich, was Touren- Vorarlberg ist ein Pionierland des alpinen Das Wintersportland Vorarlberg bietet geher und Variantenskifahrer begeistert. 93 Skilaufs, das bis heute Maßstäbe setzt. 1906 jeden Komfort und viel eindrucksvolle Natur Bergbahnen/Lifte, 225 Kilometer Pisten, bis fand am Arlberg der erste Gäste-Skikurs auf angenehm überschaubarem Raum. Die 2060 Meter Seehöhe statt. Zu jener Zeit entwickelte Hannes Schnei- Dörfer haben ihren Charakter bewahrt und Sportlich aktiv: Das Montafon mit den Ski- der die berühmte „Arlberg- Skitechnik“, die überraschen mit einer gekonnten Mischung gebieten der Silvretta Montafon (Nova - sich bald international durchsetzte. Ab 1937 aus alter und neuer (Holz-)Architektur. Re- St. Gallenkirch/Gaschurn, Silvretta Montafon war am Arlberg der erste elektrisch betriebe- spektvoll-herzliche Gastgeber verwöhnen Hochjoch - Schruns), Golm - Tschagguns/ ne Schlepplift im Einsatz. Vorarlbergs Ski- mit Qualität und Niveau. Vandans, Kristberg - Silbertal und Gargel-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 89 ÖJ-Reisetip len. Dazu Winterparadiese wie das aus- sichtsreiche Winterwanderdorf Bartholomä- berg und die Silvretta-Bielerhöhe (2.032 Meter). 61 Bergbahnen/Lifte, 219 Kilometer Pisten, bis 2380 Meter Seehöhe Alpin & familiär: Die Alpenregion Bludenz mit den familienfreundlichen Skigebieten im Brandnertal und am Sonnenkopf im Kloster- tal. 23 Bergbahnen/Lifte, 85 Kilometer Pisten, bis 2300 Meter Seehöhe. Auf natur- nahen Wintersport setzt man im Biosphä- renpark Großes Walsertal. Ländlich urban: Die Region Bodensee-Vor- arlberg, wo sich Stadtkultur und Winterver- gnügen bestens kombinieren lassen. Einige kleine Skigebiete, das größte Skigebiet ist jenes von Laterns mit 6 Liften und 27 Pi- stenkilometern bis 1780 Meter Seehöhe. Foto: Archiv Vorarlberg Tourismus / Alexander Kaiser Bergabenteuer & Naturgenuß: Das Klein- Der Sonnenkopf in der Alpenregion Bludenz mit familienfreundlichen Skigebieten walsertal mit allerlei spektakulären Veran- staltungen, Ruhigem und dem grenzüber- schreitenden Skigebiet Kleinwalsertal- Oberstdorf. 46 Bergbahnen/Lifte, 124 Kilo- meter Pisten bis 2220 Meter Seehöhe.

Schöne Pisten, natürliche Freiräume Vorarlberg versteht sich darauf, den per- fekten Rahmen für exzellentes Skivergnügen zu schaffen. Kein Wunder, denn Skifahren wurde im Land vor dem Arlberg „erfunden“. Wintersport spielt seit über 100 Jahren eine bedeutende Rolle. Vorarlberg profitiert als Skiland von sei- ner konsequenten Qualitätsstrategie und von idealen topografischen Voraussetzungen. Rund zwei Drittel Vorarlbergs liegen über 1000 Meter hoch. Täler und Gebirgszüge strukturieren das Land in kompakte, ange- Foto: Archiv Vorarlberg Tourismus / Roman Horner nehm überschaubare Räume. In der stillsten Zeit im Jahr: der Weihnachtsmarkt in der Bregenzer Oberstadt Viele der Skigebiete reichen in schneesi- chere Höhen von 1400 bis 2400 Metern. Von ganz oben reicht der Blick wunderschön weit über die Vorarlberger und Schweizer Bergwelt. Die Landschaft zeigt sich ein- drucksvoll imposant, aber nicht so schroff, wie es in noch höheren Lagen der Fall sein kann. Für eine gute Mischung aus sanften und anspruchsvollen Skihängen ist genü- gend Platz. Genügend Raum lassen einige Skigebiete auch für eine Kombination aus präparierten und unpräparierten Hängen. In allen Regionen Vorarlbergs – besonders am Arlberg – hat das Fahren im freien Gelände eine lange Tradition.

Skifahren im freien Gelände Leicht und elegant sieht es aus, wenn

Könner durch den Tiefschnee schwingen Foto: Archiv Kleinwalsertal Tourismus und irgendwo im Gelände ihre eigene Spur Das Winterparadies Hirschegg im Kleinwalsertal

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 77 / 30. 10. 2009 90 ÖJ-Reisetip ziehen. Das Skifahren auf unpräparierten Hängen hat einen besonderen Reiz und gewinnt immer mehr Anhänger. Nicht unbe- dingt wegen des Abenteuers, sondern viel- mehr wegen der herrlichen Ruhe und dem Zauber der unberührten Natur. Auch abseits der Skipisten bietet Vor- arlberg viele Möglichkeiten, den Winter in vollen Zügen zu genießen. Bei romantischen Winterwanderungen oder flotten Alpine- Coaster-Fahrten zum Beispiel.

Winter wirkt wohltuend Winterurlauber bestätigen einhellig den großen Erholungswert, den bewegte Tage an der frischen Winterluft haben. Die wissen- schaftliche Bestätigung dazu liefert der Vorarlberger Internist und Höhenmediziner Foto: Archiv Vorarlberg Tourismus / Peter Mathis Professor Egon Humpeler. Seine umfangrei- Rund 290 Kilometer Wander- und Schneeschuhrouten verlaufen durch das Montafon. chen Forschungen belegen, daß sich Bewe- gung in moderaten Höhenlagen wohltuend Ein besonderer Tipp ist der wahlweise drei lich, regionale und saisonale Köstlichkeiten auf Körper, Geist und Seele auswirkt. Im oder fünf Kilometer lange Rundweg am und zaubern daraus Bodenständiges oder Sommer genauso wie im Winter. Der ver- Hochplateau Gottesacker auf 2000 Metern Kreativ-Leichtes. minderte Sauerstoffpartialdruck in Höhen Höhe. Ausgangspunkt ist die Bergstation der Feinschmecker aus aller Welt schätzen zwischen 1000 und 2000 Metern regt die Ifenlifte. In einer Schleife führt der Weg die Vorarlberger Küche. Immerhin finden sie Körperfunktionen an, vor allem den Stoff- durch hohe Schneedünen und bietet herrli- hier – im Verhältnis zur Einwohnerzahl und wechsel. Gerade im Winter fördern noch da- che Ausblicke ins Tal. im Vergleich zu anderen österreichischen zu die frische Luft und die besondere Stille Das Winterwander-Wegenetz von Lech das Wohlbefinden. Zürs am Arlberg umfaßt 38 Kilometer. Ein fünf Kilometer langer Weg führt von Lech Winterwandern nach Zürs, drei Kilometer lang ist der Weg Rund 290 Kilometer Wander- und Schnee- von Oberlech/Tannegg zur Kriegeralpe. schuhrouten verlaufen durch das Montafon. Auch in der Region Bodensee-Vorarlberg Allein in Bartholomäberg umfaßt das Wan- finden Winterwanderer eine gute Auswahl derwegenetz 60 Kilometer, dazu kommen an Wegen in der Ebene, entlang des Boden- 100 Kilometer beschilderte Routen für seeufers und auf den Aussichtsbergen wie Schneeschuhwanderer. zum Beispiel am Pfänder bei oder Im Skigebiet Silvretta Montafon Nova am Bödele oberhalb von Dornbirn. stehen vier Winterwanderwege zur Wahl. Sie sind zwischen 1 und 2,5 Kilometer lang und Regionale Genüsse, erlesene Adressen führen durch die malerischen Landschaften Vorarlberg speist vorzüglich und zählt im abseits der Skipisten. Als erste Region in Ös- Österreich-Vergleich – umgelegt auf die Ein- terreich hat der Bregenzerwald seine Winter- wohnerzahl – die meisten von Gourmetfüh- wanderwege nach dem landesweiten Winter- rern ausgezeichneten Restaurants und Wirts- Foto: walser-image.com / Archiv Diedamskopf Bergbahnen wanderwege- Konzept einheitlich und in gut häuser. Eine zünftige »Kässpätzlepartie« im sichtbarem Pink beschildert. Rund 200 Ki- Kässpätzle, Bodenseefelchen, Bergkäse Bergrestaurant Diedamskopf lometer Winterwanderwege führen zu ausge- und der „Subirer“ sind wohl die bekannte- Bundesländern – die meisten ausgezeichne- wählt schönen Plätzen. sten kulinarischen Botschafter Vorarlbergs. ten Restaurants und Wirtshäuser. Der be- 200 Kilometer Winterwander- und Auf den ersten Blick sind es ganz einfache kannte Gourmet-Führer „Guide Michelin“ Schneeschuhwege, ebenfalls einheitlich und Speisen und ein Brand aus einer höchst verleiht in seiner Ausgabe von 2009 acht neu beschildert, zählt die Alpenregion Blu- unscheinbaren Mostbirne. Und doch: Der Vorarlberger Restaurants einen Stern. Allein denz. Besonders schöne Wege führen über wahre Genuß entfaltet sich nur dann, wenn die 1400 Einwohner- Gemeinde Lech Zürs das 1250 Meter hohe Hochplateau Tschengla die Zutaten von erlesener Qualität sind, zählt vier Restaurants mit Michelin-Stern. im Brandnertal und auf den 1400 Meter wenn die Zubereitung liebevoll – auch vir- Der Gourmetführer Gault-Millau krönt 53 hohen Muttersberg bei Bludenz. Sehr beliebt tuos – gelingt. Vorarlberger Restaurants mit ein bis drei ist auch die Wanderung vom Sonnenkopf im Das wissen die Vorarlberger Köchinnen Hauben. Der österreichische Gourmet-Guide Klostertal aufs Muttjöchle (2074 Meter). und Köche, die seit jeher eng mit der heimi- „A la Carte“ verleiht 53 Wirtshäusern und 50 Kilometer präparierte und gespurte schen Landwirtschaft zusammen arbeiten. In Restaurants ein bis drei Sterne. Winterwanderwege zählt das Kleinwalsertal. ihren Küchen verwenden sie, wo immer mög- http://www.vorarlberg.travel/

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