INSTITUT ST. PHILIPP NERI 2021 / 1

1 Inhalt

3 Vorwort

5 Aus dem Leben des Instituts

10 Alfred Kardinal Bengsch zum 100. Geburtstag

Institut St. Philipp Neri 19 St. Afra – eine Arche Noah Gesellschaft des apostolischen der katholischen Tradition Lebens päpstlichen Rechts St.-Afra-Stift 22 Wunderbares am Rande der Graunstraße 31 wunderbaren Brotvermehrung 13355 Berlin 27 Kiek ma, een Christlicher Heilige Messen im klassischen römischen Ritus

Sonntag 10.00 Rosenkranz Titelbild: 10.30 Hochamt Mo.– Fr. 17.30 Rosenkranz Vor hundert Jahren wurde 18.00 Heilige Messe Alfred Kardinal Bengsch gebo­ Samstag 8.30 Rosenkranz ren, die überragende Bischofs­ 9.00 Heilige Messe gestalt der Nachkriegs- und der Konzilszeit in Deutschland. Ihm widmen wir aus diesem Anlaß ein Tel. 030 / 20 60 66 80 Lebensbild (s. S. 10) 0175 / 5 96 26 53 [email protected] www.institut-philipp-neri.de S-Bahn: Gesundbrunnen Impressum: U-Bahn: Voltastraße Bus 247: Gleimstraße Verantwortlich im Sinne des Presse­ gesetzes: Propst Dr. Gerald Goesche, BANKVERBINDUNG: Graunstr. 31, 13355 Berlin Freundeskreis St. Philipp Neri e. V. Redaktion und Anzeigen: Bank für Sozialwirtschaft Jan Peterding, Tel 0176 / 31 71 14 74 BIC: BFSWDE33BER IBAN: DE53 1002 0500 0001 2021 00 Photos: ISPN (soweit nicht anders angegeben) Für PAYPAL-Überweisungen verwenden Sie bitte die E-Mail-Adresse: Gestaltung: Grasshopper-Design.de [email protected] Druck: europadruckerei.de Vorwort Liebe Freunde und Wohltäter des Instituts St. Philipp Neri!

Als zur Vorbereitung meiner Predigt im Hochamt zum Jahresschluß das Jahr 2020 noch einmal vor meinem geistigen Auge vorüberzog, entpuppte es sich auf einmal als ein zwar nicht einfaches, aber für unser Institut doch fruchtba- res Jahr. Selbst die Katastrophe zu Ostern, als die wichtigsten Liturgien des Jahres nur mit einer Handvoll Teilnehmern stattfinden konnten, haben wir mit reichlichen Beichtgelegenheiten, der Möglichkeit zur Anbetung und der stündlichen Austeilung der hl. Kommunion etwas leichter erträglich machen können.

War es im Jahr 2019 noch eine häufiger werdende Besonderheit, daß am Sonntag 120 Gläubige zum Hochamt versammelt waren, so haben wir inzwi- schen Mühe, über 150 Gläubige jeden Sonntag so auf drei Messen zu verteilen, daß die geforderten Abstände eingehalten werden können. An den Werkta- gen hat sich der Meßbesuch sogar fast verdoppelt. Bei der wöchentlichen Heiligen Stunde am Donnerstagabend waren jüngst über 40 Beter anwesend. Solche Zahlen erreichten wir bislang nicht einmal, wenn unter der Woche ein Fest mit einem gesungenen Amt gefeiert wurde.

Einen besonders wohltuenden Einfluß auf das geistliche Leben in St. Afra haben die neu hinzugekommenen Polen und Kroaten. Ihre Kraft zur stillen Anbetung hat etwas, das einen wie mit sanfter Gewalt mitzieht. Ähnlich ist es mit dem selbstverständlichen Empfang des Bußsakramentes. Die sichtbaren Schlangen vor dem Beichtstuhl bleiben auch bei den übrigen Gläubigen nicht ohne Wirkung. Leider warten wir immer noch auf den dringend benötigten neuen Beichtstuhl, für den ja dankenswerterweise schon einige Spenden ein- gegangen sind. Die Planung ist abgeschlossen. Wir halten Sie auf dem lau- fenden.

3 Als unser Frater Langenberger am Fest der Unbefleckten Empfängnis die Weihe zum Lektor empfing, stellten wir mit einem Schmunzeln fest, wie unerwartet ernst der liebe Gott es mit seiner Ostiarierweihe ein Jahr zuvor gemeint hat. Sonntag für Sonntag hütet er nun die Tür zum Heiligtum mit der Liste der Angemeldeten auf dem Tischchen vor sich. Der äußere Anlaß dazu sind natürlich die uns von den Behörden aufgezwungenen Maßnahmen, die viel Zeit verschlingen. Aber die Wirkung ist eine ganz andere: Die Gläubigen fühlen sich begrüßt, haben Gelegenheit, ein paar Worte zu wechseln, und wir kennen nun auch die Gläubigen mit Namen, die wir vorher nur vom Sehen kannten.

Die Prüfungen dieser Zeit wirken schon jetzt wie eine verlängerte Fasten- zeit. Und tatsächlich: Sie sind sicher vom lieben Gott zugelassen zur Läute- rung derer, die an Ihn glauben und auf Ihn vertrauen, damit dieser Glaube und das Vertrauen wachsen und stärker werden. Sie sind aber auch eine Mahnung zu einem ganz speziellen Werk der Nächstenliebe: zum Gebet für die Leiden- den und Verängstigten, für den kranken Nachbarn bis hin zu den Staatenlen- kern und zum Kirchenoberhaupt.

Für St. Afra hat sich im „Krisenjahr“ 2020 auf wunderbare Weise bewahr- heitet, was hl. Paulus an die Römer schrieb: „Wir wissen, daß Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8, 28). Möge auch diese Fasten- zeit für Sie eine Zeit der besonderen Gnade und Zuwendung Gottes sein, in der Ihr Glaube an Jesus Christus und Ihre Liebe zu Ihm genährt und gefestigt werden.

Bitte denken Sie bei Ihrem Fastenopfer auch wieder an Ihr Institut, das gerade in diesen unsicheren Zeiten vielen Menschen weit über Berlin hinaus Orientierung gibt und Trost spendet.

Ihr dankbarer

Dr. Gerald Goesche, Propst

4 Aus dem Leben des Instituts Seit diesem Weihnachtsfest schmückt während der ganzen Weih- nachtszeit ein Wandteppich, der die „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ von Gentile da Fabriano (1370–1427) zeigt, die Brüstung unter dem Haupt- werk der Hill-Orgel . Es ist atem- beraubend, was für ein gigantischer Zug festlich gekleideter Reisender da zum Stall strömt und in der linken u unteren Ecke sein Ziel erreicht: Der älteste König küßt den Fuß des Jesuskindes. Die Gläubigen, die unter diesem Schmuckteppich durch das Hauptportal die Kirche betreten, können sich mit Recht als Reisege- sellen dieses Pilgerzuges verstehen.

Was wäre aus der Kirchenmusik  geworden, wenn sie sich nach den 50er und 60er Jahren hätte organisch weiterentwickeln dürfen? Davon kann man in St. Afra immer wieder einen Eindruck gewinnen. Am Sonn- tag in der Weihnachtsoktav ging es mit der Missa Pastoritia von Otto Dunkelberg (1900–1964), die er v 1945, im Jahr des Kriegsendes, kom- ponierte und in der er viele Motive aus Weihnachtsliedern auf höchstem Niveau verarbeitete, genau in diese Schlußzeit der organischen Entwick- lung der Kirchenmusiktradition.

5 5 v Von Jahr zu Jahr wird unsere Weih- nachtskrippe  schöner. Manchmal sind es nur kleine Details, die hinzu- kommen. In diesem Jahr aber beka- men die Heilige Familie und auch Ochs und Esel ein neues Zuhause, eine massive Felssteinhöhle. Aller- w dings bestehen die Felsenwände zum leichteren Transport aus reinem Pappmaché. Wir wissen auch schon, was nächstes Jahr dazukommen soll. Aber das muß ja eine Überraschung bleiben ...

Ausgerechnet in Zeiten, in denen man sich die mutige Gegenwehr vor allem der Kirchenfürsten gegen den totalen Staat wünschen würde, durften wir am 29. Dezember voll Dankbarkeit den 850. Jahrestag des Martyriums des hl. Thomas Becket x begehen. Da wir das Glück haben, über eine Reliquienbüste dieses Kämpfers für die Freiheit der Kirche zu verfügen, wurde diese, feierlich  geschmückt, für (beinahe) eine Oktav im Chorraum von St. Afra aufgestellt.

Die Weihe des Dreikönigswassers  ist nicht nur alljährlich eine alle Kräfte herausfordernde Liturgie von über einer Stunde, sondern sie hat auch eine größere Versandaktion zur Folge. Ein Besteller brauchte gleich zwölf Flaschen für Kranke und Ein- same und für Gefangene. Möge es ihnen allen zum Segen sein.

6  Die polnischen Gläubigen, die jetzt seit fast einem Jahr regelmäßig nach St. Afra kommen, sind uns vor allen Dingen in ihrem Gebetseifer ein wunderbares Vorbild. Sie bewei- sen auch stets besonderen Einfalls- reichtum: Als wir uns gezwungen sahen, die Weihwasserbecken in St. Afra leer zu lassen, fanden sie schnell einen Ersatz: das Abtropfge- fäß unseres großen Weihwasserbe- hälters. Schon nach wenigen Tagen war dieses unscheinbare Gefäß das neue „polnische Weihwasserbecken“ , zu dem sich seitdem so mancher Gläubige hinunterbückt und sich im Gedenken an seine Taufe bekreuzigt.

Mit zwei Hochämtern an Maria Lichtmeß konnten wir den Ansturm der Gläubigen mit Müh und Not in geordnete Bahnen lenken. Die Ker- zenweihe  konnte jedoch unmög- lich in der Krypta stattfinden – nicht nur wegen des Andrangs der Gläu- bigen, sondern auch wegen der Unmengen von Kerzen, die diese zum Weihen mitgebracht hatten.  Deswegen entschieden wir uns, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt dafür, die Zeremonie im Innenhof abzuhalten und von dort aus in die Kirche zu ziehen.

7  Noch vor einem Jahr ließen wir 30 Agathabrötchen  backen; in diesem Jahr wären die 60 nunmehr bestell- ten Agathabrötchen beinahe zu wenig gewesen, wenn die Gläubigen nicht eigene Brote und sogar Öl und Kerzen, wie im Segensgebet vorge- sehen, im Gepäck gehabt hätten. Da das Agathafest in diesem Jahr wieder einmal auf den Herz-Jesu-Freitag fiel, entfaltete sich eine Feierlichkeit, als sei die St.-Afra-Kirche für diese Liturgie nach Sizilien, in die Heimat der hl. Agatha, versetzt worden.

Pünktlich nach dem absoluten Ende der Weihnachtszeit wurde es in Berlin endlich richtig kalt und es  schneite sogar. Mitten in dieser win- terlichen Idylle besuchte uns – nach Auskunft einer Vogelkennerin – ein junger Rothabicht , der in unse- rem Garten einen eben geschlage- nen Vogel verspeiste. Da konnte unser Sekretär aus dem Fenster des Gemeindesaales heraus Bilder und sogar einen kleinen Film aufnehmen, auf die mancher Tierfilmer tagelang in eisiger Kälte hätte warten müssen.

8  Kampf um die Kirche

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»Gibt es Rettung? Marshalls ausführlicher Bericht über die Muttergottes-Erscheinungen in Fátima 1917 zeigt die Richtung an. (…) Aber die katastrophalen Ergebnisse der Entwicklung der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil weisen auf Ursachen hin, die tief liegen und dem wenig unterrichteten Christen so lange verborgen sind, bis ihm die Recherchen von Taylor Marshall die Augen öffnen.« P. Franz Schmidberger in Cato No. 1 | 2021

9 renovamen-verlag.de Jetzt bestellen! Bestelltelefon: 0341 / 392 985 58 www.renovamen-verlag.de/infiltriert [email protected] Von 1961 bis zu seinem frühen Tod 1979 leitete Bengsch das Bistum Berlin. Hier ist er kurz nach seiner Kardinalskreierung 1967 mit dem evangelischen Bischof Kurt Scharf zu sehen.

Alfred Kardinal Bengsch zum 100. Geburtstag von Dr. Peter Gullo

Klangvolle Namen zieren die kurze Sein ganzes Leben – von Kriegs- Liste der Bischöfe von Berlin – dar- dienst, Gefangenschaft und Studium unter die der Kardinäle von Preysing, einmal abgesehen – spielte sich in Döpfner und Meisner. Und doch ist dieser Stadt ab, deren Idiom er sprach es ein anderer Name, der sich mit und in die er sich lieber einsperren dem Bistum verbunden hat wie kein ließ, als sie nicht mehr aufsuchen zu zweiter: der von Alfred Kardinal dürfen. Ein berlinernder Kardinal. Bengsch. Das liegt zunächst einmal Der einzige, den es jemals gegeben daran, daß er Berliner war, anders als hat. Sicher auch daher rührte seine alle seine Vorgänger und Nachfolger. ausgeprägte Volkstümlichkeit, die Berlin war nicht nur eine Station auf Liebe, die seine Diözesanen ihm seinem Lebensweg und noch weniger ganz ungekünstelt und direkt entge- eine bloße Station seiner Karriere. genbrachten und die er, das darf man wohl sagen, auch erwiderte. 10 Er war einfach einer der ihren, er hielt aus bei der Herde, er kannte die Seinen und die Seinen kannten ihn. Aber darin erschöpfte sich die Emi- nenz dieses Ausnahmegeistlichen keineswegs. Wirklich herausgeragt hat er in seiner Bedeutung für die Kirche in der DDR, die er geprägt hat wie kein anderer. Und herausgeragt hat er schließlich und vor allem in seiner Treue zu Glauben und Kirche, so wie es bei einer wirklichen Emi- nenz sein sollte.

Geboren wurde er am 10. Septem- ber 1921 in Schöneberg. Der Vater Gedenktafel an dem Wohnhaus im war Postbeamter, die Mutter Schnei- Tempelhofer Weg in Schöneberg, derin. Die Familie Bengsch lebte in in dem Bengsch seine Kindheit und der Gustav-Müller-Str. 38, auf der Jugend verbrachte. sog. Roten Insel in Schöneberg. Man gehörte mithin zur Pfarrei Sankt Eli- sabeth, wo der Vater Rendant und Daß ihm die jesuitische Prägung die Söhne Alfred, Georg und Hubert mit ihrer Tendenz zu Nüchternheit, Ministranten waren. Der Pfarrer Intellektualismus, Nutzung der Vor- von Sankt Elisabeth ist es auch, der stellungskraft und Unterscheidung die herausragende Begabung des der Geister entgegengekommen sein jungen Alfred entdeckt. Er überzeugt dürfte, darf man vermuten. In seinem die Eltern davon, den Sohn auf das Episkopat wird er von diesen Gaben Gymnasium zu schicken, was für ausgiebig Gebrauch zu machen die Familie eines mittleren Postbe- wissen. 1940 nimmt er das Theolo- amten der 30er Jahre keine Selbst- giestudium in auf, muß es aber verständlichkeit war und finanziell bereits ein Jahr später unterbrechen. eine erhebliche Belastung bedeutet Alfred Bengsch wird zum Kriegs- hat. Dieses Gymnasium ist das Gym- dienst eingezogen. Er erlebt den nasium am Lietzensee, das spätere zweimaligen Einsatz an der Ostfront Canisius-Kolleg. und überlebt eine Verwundung und eine Erkrankung an der Gelbsucht. 1944 kommt er an die Westfront, wo er im August in amerikanische Kriegsgefangenschaft gerät. 11 Während seiner Zeit als Soldat Und so stellt ihn Bischof Weskamm steht fest: Sollte er all das überleben, 1954 zum Promotionsstudium frei so wird er nach dem Krieg seinen und verfolgt die Fortschritte des Weg zum Priestertum fortsetzen. So jungen Geistlichen mit Wohlwollen. kommt es mit Gottes Hilfe. Als er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft Niemand anderes als der große entlassen wird, begibt er sich sofort Münchener Dogmatiker Michael wieder an seinen Studienort, um das Schmaus wird Doktorvater Alfred Theologiestudium fortzusetzen. Bengschs. Während ein gewisser Joseph Ratzinger bei dem Versuch Daß ihn die Kriegserfahrung einer Habilitation bei Schmaus zeit- zutiefst geprägt hat, wie so viele gleich in eine erste Lebenskrise gerät, andere seiner Generation, steht kommt Alfred Bengsch reibungslos wohl außer Frage. Es würde zu weit durch. Schon 1956 wird er summa führen, ausbuchstabieren zu wollen, cum laude zum Dr. theol. promoviert. worin diese Prägung im einzelnen Sein Bischof drückt seine Freude bestanden hat. Daß aber Realismus darüber in einem persönlich gehal- und auch eine gewisse Abgebrüht- tenen Brief aus. Drei Wochen später heit dazu gehört und sich zwanglos ist Wilhelm Weskamm tot. Seine mit seiner jesuitischen Vorprägung Nachfolge tritt der junge Würzburger und seinem Berlinertum verbun- Bischof an, Julius Döpfner. den haben, dies scheint die spätere Gestalt des Bischofs und Kardinals Dr. Bengsch wird 1957 zum Dozen- doch sehr deutlich zu zeigen. ten am Priesterseminar in Neuzelle und 1959 nach dem Willen der Berli- Am 2. April 1950, ein halbes Jahr ner Ordinarienkonferenz, der Vorläu- vor seinem Tode, weiht Kardinal von ferin der Berliner Bischofskonferenz, Preysing den Diakon Alfred Bengsch zum Regens des Erfurter Priesterse- in seiner Hauskapelle zum Priester. minars berufen. Zur Vornahme der Weihe in einem größeren Rahmen fehlte dem Kardi- Was die Bischöfe der DDR zu nal bereits die Kraft. diesem Zeitpunkt noch nicht wissen können: Kardinal Döpfner hatte Nach seiner Priesterweihe hat Alfred Bengsch vom Papst schon als Alfred Bengsch sehr schnell zum Weihbischof erbeten. Und so wird engen Kreis derer gehört, auf die ein der erst am 1. April 1959 zum Regens Bischof sich in besonderer Weise Bestellte bereits am 4. Mai 1959 zum abzustützen weiß und die daher für Weihbischof ernannt. Sicherlich war besondere Verwendungen vorgese- Bengsch aufgrund seiner herausra- hen werden. Äußeres Zeichen dieser genden Gaben ein natürlicher Kandi- Auserwähltheit ist die Promotion. dat für den Episkopat. Daß er aber bereits 37jährig delegieren, sondern sie selbst ver- Bischof wurde, hatte einen eminent antwortlich wahrzunehmen, brachte politischen Hintergrund: Die klar dies aus Sicht der DDR-Führung das antikommunistische Haltung Döpf- Faß zum Überlaufen. In der Folge ners war bereits bekannt, als dieser verweigerte sie dem Berliner Bischof 1957 den Berliner Bischofsstuhl die Einreise in die DDR – zunächst bestieg. noch mit Ausnahme von Ost-Berlin, für das der Vier-Mächte-Status galt. Wenn Bischof Julius von seiner West-Berliner Residenz aus zu Pasto- Damit war Döpfner in der Aus- ralbesuchen ins Berliner Umland übung seiner Hirtensorge stark einge- fuhr, ignorierte er die Visumspflicht schränkt, und es war klar, daß er eines souverän. Vor Ort nahm er dann auch Weihbischofs mit freiem Zugang in kein Blatt vor den Mund. Als er im die ganze Diözese bedurfte. Fastenhirtenbrief 1958 die Gläubi- gen ermahnte, die Erziehung ihrer Kinder nicht einfach an den Staat, aber auch nicht nur an die Kirche zu

Die katholische Wochenzeitung für Politik, Klarer Kurs, Gesellschaft und Kultur katholischer Journalismus

„Die Tagespost ist unverzichtbar.“ Benedikt XVI.13

Jetzt 3 Ausgaben gratis: www.die-tagespost.de/kennenlernen Das Kardinalswappen zeigt im gro­ ßen Schild die Wappen der vorre­ formatorischen Vorgängerdiözesen des Bistums Berlin: Brandenburg, Havelberg, Cammin und Lebus. Im Herzschild ist ein (im Original) ziemlich struppiger und – passend zu Berlin – segensbedürftiger Berliner Bär zu sehen, der von sieben Tatzen­ kreuzen als Zeichen der Segensfülle umgeben ist.

Dafür war Alfred Bengsch nun Offensichtlich hatte sich im Vati- prädestiniert, einerseits, weil er die kan die Einschätzung durchgesetzt, Befähigung zur Bewältigung der daß nur ein in Ost-Berlin residieren- komplexen politischen Situation mit- der Bischof zukünftig die Diözese brachte und andererseits, weil er seit würde effektiv führen können. Dies seinen Verwendungen in und mag auch damit in Zusammenhang Neuzelle als „DDR-Bürger“ galt. gestanden haben, daß man den Bau der Berliner Mauer bereits erwartete, Weihbischof Bengsch nahm also der dann auch praktisch zeitgleich seinen Sitz in Ost-Berlin. Bald schon mit dem Weggang Döpfners aus wurde Döpfner, der nicht der Mann Berlin am 13. August 1961 erfolgte. war, sich durch Repressalien das freie Die Wahl des schon in die schwie- Wort verbieten zu lassen, in seinem rige Situation eingearbeiteten Weih- Wirken gänzlich auf West-Berlin bischofs Bengsch zum Bischof von beschränkt. Die entstandene schwie- Berlin lag damit in der Logik der rige Situation löste der Vatikan durch Entwicklungen. eine Entscheidung, die wohl nur im Kontext der neuen Johan- Dessen Regierungsprogramm stand nes’ XXIII. zu verstehen ist: Durch in einem zentralen Punkt von Anfang die Versetzung Döpfners auf den just an fest: Es handelte sich um den frei gewordenen Münchener Stuhl. Erhalt der Einheit des Bistums. Wie von einem Leitstern hat sich das Handeln des Berliner Bischofs von dieser Ratio bis zu seinem Tode leiten lassen. 14 Erzbischof Bengsch beläßt seine Viele im „Westen“, auch und Residenz also trotz des Mauerbaus gerade im West-Berliner Teil des Bi- und aller damit verbundenen Konse- stums, haben diesen Modus vivendi quenzen im Ostteil der Stadt, weil er als Niederlage empfunden. Hatte weiß, daß die DDR-Machthaber eine nicht faktisch eine Verlegung des Leitung des Bistums von West-Berlin Bischofssitzes von West- nach Ost- aus unmöglich machen würden. Nun Berlin und damit eine Aufwertung aber wird die umgekehrte Reiserich- der DDR stattgefunden? tung zum Problem. War der Berliner Bischof nicht unter Will der Bischof sein Amt tatsäch- die Kontrolle der DDR-Machthaber lich auch in West-Berlin ausüben, gebracht, politisch gezähmt worden? so bedarf es einer Besuchsrege- Wurde nicht West-Berlin von nun an lung. Eine solche wird sehr schnell in katholisch-kirchlicher Hinsicht geschaffen: Der Bischof darf an aus dem Osten regiert? So schien es. zunächst drei Tagen im Monat nach Und doch hat die Geschichte Alfred West-Berlin. Im Gegenzug verpflich- Bengsch eindrucksvoll Recht gege- tet er sich zu politischer Loyalität und ben. Abstinenz. Auf dieser „Geschäfts- grundlage“ beruht der Status des Bis- tums bis zum Ende der DDR.

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Denn am Ende stellte die Einheit Man vermied es, die Staatsmacht des Bistums Berlin eine der letzten unnötig zu provozieren, verkürzte noch bestehenden Fakten dar, die oder modelte die kirchliche Lehre sich gegen die praktische Anerken- aber keineswegs. nung und Zementierung der Deut- schen Teilung stemmten. Allein dadurch war jedem klar, daß die von Bengsch geführte Kirche in Sie machte auch die Erhebung der der DDR weit davon entfernt war, ostdeutschen Jurisdiktionsbezirke zu den real existierenden Sozialismus Bistümern faktisch unmöglich, auch zu legitimieren, der mit dieser kirch- als der Vatikan unter dem Stichwort lichen Lehre eindeutig nicht in Ein- „Ostpolitik“ vielleicht schon geneigt klang zu bringen war. „Der Christ gewesen wäre, diesem Wunsch des sitzt in der Löwengrube. Er wird den DDR-Regimes zu entsprechen. Löwen aber weder streicheln noch Grundkurs klassische aristotelische Logik am Schwanz ziehen“ – so gibt Josef in drei Bänden Wenn also die Verlegung des Pilvousek ein von Bengsch selbst Bischofssitzes nach Ost-Berlin gebrauchtes Bild wieder. Die klassische aristotelische Logik ist durch ihre intuitive Verständlichkeit nach wie vor ein einen Sieg der DDR darstellte, so hervorragender Einstieg für das Studium der Philosophie und der Geisteswissenschaften. Sie war es ein Pyrrhussieg, je länger Ein interessantes Kapitel stellt die verhilft zu einem klaren und geordneten Denken und ist trotz der modernen mathematischen der Zustand andauerte. Und daß Teilnahme von Erzbischof Bengsch – Logik nicht überholt. Gerade für die Geisteswissenschaften ist die klassische Logik vollkommen der Zustand andauerte, dafür sorgte Johannes XXIII. hat ihm den per- ausreichend. Die klassische Logik ist eine Logik der linguistischen Ausdrücke. Diese drücken Bengsch, z. B. indem er es vermied, sönlichen Titel eines Erzbischofs mentale Begriffe aus, welche reale Wesenheiten, bzw. die Natur der Dinge repräsentieren. für West-Berlin einen eigenen Weih- verliehen, obwohl Berlin nur exem- Der zweite Band des thematisiert die verschiedenen Arten des Syllogismus. Es werden deduktive bischof zu erbitten. Und indem er tes Bistum ist – am Konzil dar. Dort Ableitungen mit der Behandlung der verschiedenen Figuren und Modi des einfachen Syllogismus jeden Freitag abend um 18.00 Uhr trifft er wieder auf Kardinal Döpfner, verbunden und zusätzlich werden die komplexen und hypothetischen Syllogismen vorgestellt. die Bistumsmessen lesen ließ. Die der als sog. Moderator eine herausra- Bistumsfamilie sollte sich über die gende Rolle spielt und flugs im pro- Der 3. Band widmet sich dann der materialen Logik, ein Gebiet, das in der modernen Logik gar deutsch-deutsche Grenze hinweg in gressiven Lager gelandet ist. Anders nicht vorkommt. Die materiale Logik untersucht, wie Worte mit Ideen und Begriffen verbunden jeder Pfarrei zur selben Stunde ver- Erzbischof Bengsch. Er gehört zu sind und wie Worte in Beziehung zu anderen Worten verwendet werden können. Zudem sammeln, um betend und opfernd vor den Warnern unter den Vätern und untersucht die materiale Logik die Bedeutung von Ideen und Vorstellungen und wie eine Idee Gott zu treten. Dem Autor sind diese lehnt die Unterzeichnung der Kon- mit anderen Ideen verbunden ist. Messen noch in prägender Erinne- stitution über die Kirche in der Welt Rafael Hüntelmann Rafael Hüntelmann Rafael Hüntelmann rung. von heute, Gaudium et spes, als einer Grundkurs klassische Grundkurs klassische Grundkurs klassische von 75 Vätern ab. Der naiv optimisti- aristotelische Logik aristotelische Logik aristotelische Logik Und wie sah es mit der politischen schen Sicht auf die Welt, die dieses Band 1: Einführung in die Band 2: Formale Logik für Band 3: Materiale Logik Loyalität aus? Die hat es natürlich Dokument atmet, hat er sich – in formale Logik Fortgeschrittene ISBN 978-3-86838-232-7 ISBN 978-3-86838-230-3 ISBN 978-3-86838-231-0 Ca. 110 Seiten EUR 14,90 nie gegeben. Was man anerkannte, Übereinstimmung mit der Tradition Broschur, ca. 100 Seiten, EUR 14,90 102 Seiten EUR 14,90 waren die machtpolitischen Realitä- der Kirche seit dem heiligen Paulus ten. und dem heiligen Johannes – nicht anschließen können.

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An Döpfner schreibt er: „Mir Als Titelkirche erhält er San schien bereits damals die Bejahung Filippo Neri in Eurosia, ein Kirchen- der Welt, der Kultur, der Technik neubau in Garbatella, einem Viertel zu ungesichert“. Allzu deutlich sah in der Nähe von Sankt Paul vor den er, daß die Festlegung der Bischöfe Mauern, deren Altar er selbst geweiht auf den „Dialog“ mit „der Welt“ die hat. Wahrung der notwendigen Distan- zen, auch zur Politik, auch zu über- Die Kirche von Berlin hat sich griffigen Regimen, unmöglich in ihrer nachreformatorischen Ge- machen werde. schichte in besonderem Maße als Kirche unter dem Kreuz verstehen Auch mit einer anderen Frucht des müssen. Das gilt auch und gerade Konzils hat Bengsch wenig anfangen für den Episkopat Alfred Bengschs. können: mit den liturgischen Verän- Neben die Bedrängung durch ein derungen. Die Erlaubnis der Hand- glaubens- und kirchenfeindliches kommunion durch Rom hat ihm Regime von außen traten zuneh- Bauchschmerzen bereitet. Er war – mend auch jene Kämpfe im Inne- es versteht sich fast von selbst – in ren, die durch den Zusammenbruch Sorge, daß die Ehrfurcht vor dem der Ordnung in der nachkonziliaren Sakrament Schaden nehmen könnte. Kirche ermöglicht und insbesondere Hinsichtlich des „erneuerten“ Taufri- in den West-Berliner Bistumsteil hin- tus hat er einmal – als er in die Verle- eingetragen worden waren. Gewiß: genheit kam, ihn selber anwenden zu Bengsch war – man kann wohl müssen – ausgerufen: „Dieser neue sagen – schwerer Raucher. Aber war Taufritus ist ja der Überfall der Kate- es auch diese doppelte Last, die seine cheten auf die Liturgie!“ Gesundheit untergraben hat?

Paul VI. hat die skeptische Hal- Am 13. Dezember 1979 ist Kardi- tung Alfred Bengschs seiner Politik nal Bengsch, erst 58jährig, an Bron- gegenüber gekannt. Zum Kardinal chialkrebs verstorben. Nie habe ich hat er ihn dennoch kreiert, wenn sein Grab in Sankt Hedwig ohne auch nicht in seinem ersten Konsi- Blumen gesehen. An Gebetserhö- storium von 1965, sondern erst in rungen mangelt es nicht, wie mir ein seinem zweiten, 1967, zusammen Berliner Prälat einmal sagte. mit dem Erzbischof von Krakau, Karol Wojtyła.

18 St. Afra – eine Arche Noah der katholischen Tradition von Martin Mosebach

Zwei exemplarische Berliner Kirchbauten aus wilhelminischer Zeit: Wäh­ rend die neugotische protestantische Kirche am Südstern von 1894 bis 1897 freistehend auf dem damaligen Kaiser-Friedrich-Platz errichtet wurde ...

Im Berlin Kaiser Wilhelms II. ent- Viele Prachtbauten sind darunter, standen so viele Kirchen wie Fabri- in phantastischer Fülle von Formen ken; um eine richtige Hauptstadt zu und Dekorationen, die auf die prote- werden, sollten Kirchenbauten in bei- stantische Theologie dieser Zeit mit nahe unübersehbarer Vielfalt die aus ihrem säkularisierenden Rationalis- Städten und Dörfern neu zusammen- mus wenig Rücksicht nahmen. Hat gefügte Großstadt zu einer Einheit sich jemals ein Architekt gefragt, werden lassen. Spöttisch bemerkte was auf den gigantischen Altären mit man, der Kaiser wolle offenbar ein den vielen Stufen eigentlich geopfert protestantisches Rom gründen. werden sollte?

19 Von außen ist die Kirche schon gar nicht zu erkennen; die Fassade steht in der Reihe und fällt nur durch eine Backsteingliederung auf, die von den Schmuckelementen der Nachbarhäu- ser abweicht. Und auch wenn man das Tor öffnet, ist von einer Kirche nichts zu sehen. St. Afra bleibt erst einmal unsichtbar, verborgen in einem besonders kahlen und unwirt- lichen Viertel, in dem Überraschun- gen, erst recht Geheimnisse nicht zu erwarten sind.

Die kurze Geschichte des Instituts St. Philipp Neri wird lang, wenn man sich die Kette der Dramen und Unwahrscheinlichkeiten vor Augen führt, von der diese Gründung von Anfang an begleitet war. Immer wieder sah es so aus, als werde die zarte junge Pflanze nicht überleben. ... mußte sich die katholische Herz- Die inneren und äußeren Schwierig- Jesu-Kirche (Grundsteinlegung 1897) keiten schienen oft genug unüber- am Prenzlauer Berg diskret in die windlich. Die Aufgabe, die Propst Flucht der Fassaden einreihen. Goesche sich gestellt hatte, sah die längste Zeit undurchführbar aus: inmitten des weitgehend säkulari- Stolz und frei stehen diese neuro- sierten Berlin einen Ort der katho- manischen, neugotischen, neuklas- lischen Tradition zu schaffen, trotz sizistischen Gebäude auf Plätzen einer unwilligen Hierarchie und und bilden schon von weitem Blick- ohne einen roten Heller. Für Außen- punkte. Wie anders wirkt das St.- stehende wirkte dies Unterfangen Afra-Stift, und das liegt gewiß nicht abenteuerlich; wer mehr wußte, nur daran, daß man einer katholi- rechnete oft genug mit dem endgül- schen Kirche den repräsentativen tigen Scheitern. Entscheidend für Auftritt nicht gegönnt hätte. das Gelingen sollte aber gerade das oft so schwierige und zunächst auch ökonomisch belastende Festhalten an der verborgenen St.-Afra-Kirche werden, um das sich der damalige Kardinal Ratzinger auf Vorschlag des 20 Propstes bemüht hatte. Luftbild des St.-Afra-Stiftes mit der nach hinten versetzten Kirche (fertigge­ stellt 1899).

Die Luftaufnahme des St.-Afra- Inzwischen ist schon viel getan, um Stiftes macht das klar: Dieser Kom- die gute, aber etwas nüchterne Archi- plex mit seinem kreuzgangartigen tektur der einstigen Anstaltskirche Innenhof, der ganz von Gebäuden festlicher zu gestalten, die majestäti- eingefaßten und geschützten Kirche, sche Orgel aus England unterstützt den Wohnhäusern und Gärten ist das immer anspruchsvollere musika- eine gebaute Arche Noah, in der lische Programm der Liturgie. Eine die katholische Tradition geborgen Katakombe ist St. Afra schon längst ist. Wer durch das Tor von St. Afra nicht mehr, auch wenn man nicht geht, betritt eine andere Region, die zufällig in diese Kirche hineingerät. sich dicht neben dem grauen Berliner Man muß sie gesucht haben, um sie Alltag auftut. In diesem Schutz kann zu finden, aber dieses Suchen gehört die überlieferte Liturgie gedeihen, eben zu der neuen Form des Chri- denn der Eintretende läßt mit jedem stentums, das die Selbstverständlich- Schritt, schließlich auf der steilen keit und die kirchliche Omnipräsenz Treppe Stufe für Stufe das Draußen vergangener Zeiten nicht mehr kennt. hinter sich und wird bereit, sich der Wer die heilige Messe in St. Afra zeitlosen Gegenwelt des uralten, mitfeiert, ist sehr oft ein Suchen- immer neuen Kultes zu öffnen. der gewesen, und das berechtigt zur Hoffnung, daß dies unmögliche Unterfangen weiter leben und blühen wird.

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Im September werden Sie unser nächstes (grünes) Heft erhalten. Bis dahin wird in der Liturgie der Kirche gleich zweimal von Brotver- mehrungswundern Jesu berichtet. Am Sonntag Lætare wie auch am 6. Sonntag nach Pfingsten stärkt die Kirche damit die Hoffnung der Gläu- bigen auf das Ziel unserer irdischen Wunderbares Pilgerschaft: das himmlische Jerusa- lem. Von Anfang an hat die Kirche in am Rande der den Brotvermehrungswundern Jesu ein Vorausbild der Eucharistie und des himmlischen Hochzeitsmahls wunderbaren gesehen, wo die Erwählten in unge- trübter Festfreude um den Bräutigam Brotvermeh- Jesus versammelt sein werden und rung alle satt werden. von Pater Marco Piranty Bei der Speisung der Viertausend, jenem Brotvermehrungswunder, von dem der Evangelist Markus in Kapi- tel 8, VV. 1–9 seines Evangeliums Auf diesem Mosaik im Dom von berichtet (und auf das ich mich Monreale (um 1180) ist die große in diesem Artikel beziehen und Schar von Menschen angedeutet, beschränken möchte), sind schon die die bei Jesus in der Wüste aus­ ganz irdisch-natürlichen Rahmenbe- harrt und von Ihm Nahrung für dingungen ähnlich bemerkenswert Leib und Seele empfängt. Dabei wie das übernatürliche Geschehen hat der Künstler die Brotvermeh­ der wunderbaren Brotvermehrung: rung wohl sehr wörtlich genom­ 4.000 Menschen harren geduldig men. Denn von den zwei Fischen in der Wüste aus, um den Worten sind tatsächlich nur zwei Fisch- Jesu zu lauschen. Markus zeichnet skelette übriggeblieben. mit dieser Aussage auch ein ganz grundsätzliches, nüchternes Bild: Ein Leben, vor allem ein Leben ohne Gott, gleicht einer Wüste. Wir leben, seit unsere Vorfahren aus dem Para- dies vertrieben wurden, im Grunde in einer unwirtlichen und lebensfeindli- chen Umgebung. 23 Das zu sagen, bedeutet nicht, Nein: 4.000 Menschen strömen in das Diesseits pauschal abzulehnen. die Wüste, lassen ihre Arbeit ruhen, Vordergründig kann man in dieser lassen vielleicht ihre Familie alleine Welt ganz gut leben. Es gibt Dinge, zu Hause. Drei Tage und drei Nächte, die den Menschen Freude machen, so berichtet Markus, haben sie schon Dinge, die von Gott selbst erschaf- bei Jesus ausgeharrt, und wann immer fen wurden. Man kann sich in dieser er den Mund auftut und zu ihnen Welt gut einrichten. spricht, hängen sie an Seinen Lippen. Ganz offensichtlich gibt Jesus diesen Aber in Wahrheit bekommen wir Menschen etwas, das die Welt ihnen nie das, was wir eigentlich brauchen, nicht geben kann. Sie lassen sich was unsere Seele braucht. Die letzte durch nichts und niemanden ablen- Sehnsucht, die der Schöpfer selbst in ken, nicht durch die Fürsorge für die unser Herz eingepflanzt hat, bleibt Familie, nicht durch ihre Arbeit und ungestillt. So jagen viele auf Erden ihre Geschäfte, nicht durch Sport und nach irdischen Freuden. Freilich sind Vergnügungen. Viele sind von weit- uns immer wieder kurze Momente her gekommen, um Jesus zu hören. des Glücks geschenkt, Momente, die wir am liebsten festhalten würden. Sie sind so fasziniert von Jesus Aber selbst in diesen kurzen Epi- und Seinen Worten, daß sie sogar soden spüren wir, wie zerbrechlich vergessen zu essen. Der Hunger, und gefährdet dieses Glück ist. Es ist den sie ohne Zweifel gespürt haben jederzeit flüchtig und droht uns zu müssen, tritt in den Hintergrund. Es entgleiten. Das irdische Glück stillt gibt keine Massenpanik, ja es kommt den Hunger unseres Herzens nur nicht einmal Unruhe auf. Sie denken kurzzeitig, macht aber im Grunde gar nicht an ihre natürlichen Bedürf- nur Hunger auf mehr, Hunger nach nisse. Das, was sie sehen und hören, dem Eigentlichen. Es gibt verschie- fesselt sie unwiderstehlich und läßt denste Strategien, mit dieser bitteren sie alles um sich herum verges- Erkenntnis umzugehen: Mancher sen. Der heilige Augustinus hat das greift zum Alkohol, der Workaholic berühmte Wort geprägt: „Ruhelos deckt sich mit Arbeit ein. Es gibt eine ist unser Herz, bis es Ruhe findet, o ganze Palette von Betäubungsmit- Gott, in Dir.“ Vielleicht haben diese teln, um sich von der wahren Sehn- Menschen zum ersten Mal in ihrem sucht abzulenken. Leben diese Ruhe gespürt, die nur Jesus schenken kann. Man hört kein Doch dann passiert im Evange- Murren, kein Stöhnen, kein Klagen, lium etwas äußerst Bemerkenswer- wie man es eigentlich erwarten tes, und ich meine ausdrücklich nicht würde: „Ich muß jetzt aber wirklich das Wunder der Brotvermehrung. nach Hause. – Dauert die Predigt noch lange? – Können wir jetzt end- 24 lich etwas essen gehen?“ Die Sammlung Philippi

Abtei Tholey

Schwerpunkt der Sammlung sind über sechshundert Kopfbedeckungen aus Christentum, Islam, Judentum, Caodaismus, Shintoismus, Buddhismus, Sikhismus, Freikirchen, Su smus, Täufer und weiteren Glaubensgemeinschaften.

Dazu kommen über hundert Ausstattungsstücke aus dem klerikalen und kirchlichen Bereich wie zum Beispiel die Schuhe des Papstes, Ponti kalhandschuhe, Pallien, Pektoralkreuze, Bischofsringe, Papstporzellan, Sountanenbinden, Kardinalsschal und anderes mehr.

Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung 52 Pektoralschnüre (Pektoralkordeln), teilweise in aufwendigem Posamentenhandwerk hergestellt. An den Pektoralschnüren tragen in der römisch-katholischen Kirche der Papst, die Kardinäle, die Bischöfe und Äbte ihre Brustkreuze (Pektorale).

Ab Mitte 2021 wird die Sammlung in unmittelbarer Nähe des Benediktinerklosters in Tholey dauerhaft zu besichtigen sein.

25 www.philippi.museum www.philippi-collection.blogspot.de Bezeichnenderweise ist es Jesus, Bestimmt haben die Leute, denen der dann die Initiative ergreift. Denn sie dann begegneten, den besonde- Er will die Menschen nicht nur geist- ren Glanz in ihren Augen und ihrem lich nähren, sondern Er nährt auch Gesicht wahrgenommen, so ähnlich ihren Leib. Er weiß, was die Men- wie das Leuchten im Gesicht des schen brauchen – besser als sie selbst. Mose, als er von seiner Gottesbegeg- nung auf dem Berg Sinai herabkam. Und siehe da: Alle werden satt. Sie Vielleicht waren sie in den folgen- erhalten nicht nur eine kleine Kost- den Tagen besonders liebevoll zu probe, nicht nur ein Häppchen, son- ihren Frauen und Kindern, besonders dern sie dürfen sich satt essen. Alle sanftmütig und ausgeglichen gegen- ihre Bedürfnisse werden gestillt. über denen, die sie trafen. Vielleicht Jesus nährt sie mit Seinem Wort und waren sie besonders geduldig und mit Brot und Fisch. Sie werden satt, haben ihre Pflichten mit besonderem nicht nur körperlich, sondern ganz- Eifer erfüllt. heitlich – so satt, wie sie noch nie zuvor in ihrem ganzen Leben satt In jeder heiligen Messe spricht geworden sind. In diesem Evange- Jesus auch zu mir. Er zeigt mir das lium bewahrheitet sich das Wort der Antlitz Seines Vaters und nährt mich Heiligen Schrift: „Der Mensch lebt nicht nur mit natürlichem Brot, son- nicht vom Brot allein, sondern von dern mit dem Brot vom Himmel, jedem Wort, das aus Gottes Mund das Er selbst ist. Wie wäre es, wenn kommt.“ Es ist genauso, wie Jesus ich nach der Messe auch anders von zu der Frau am Jakobsbrunnen sagt: dieser Begegnung nach Hause käme? „Wer von dem Wasser trinkt, das Ich Glücklich, erfüllt, gesättigt an Leib ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht und Seele. Wie wäre es, wenn auch dürsten, sondern das Wasser, das Ich ich dieses gewisse Leuchten im ihm geben werde, wird in ihm eine Gesicht hätte, so daß die Menschen Quelle des Wassers werden, das in spüren: Der da ist nicht einfach nur das ewige Leben quillt“ (Joh 4, 14). an einer Quelle gewesen. Das, was er empfangen hat, ist in ihm zur spru- Markus berichtet nicht, in welchem delnden Quelle geworden – zu einer Zustand die Menschen nach Hause Quelle, die hinüberfließt in das ewige zurückgekommen sind. Wir können Leben. nur vermuten, daß sie sehr glücklich waren, erfüllt, gesättigt an Leib und Seele.

26 Kiek ma, een Christlicher

Der nicht mehr ganz junge Mann umschritt mich. Es hatte etwas von einem ritualisierten Tanz. Er beugte sich vor: „Herr Pfarrer? Sind Sie es?“ – „Jaaa.“ – „Herr Pfarrer, ich war so lange nicht mehr bei Ihnen in der Kirche.“ Nun, er könnte ja kommen. Aber darum ging es ihm offensichtlich gar nicht. Er wollte nicht beichten, daß er so lange nicht in der Kirche war, sondern sich dadurch empfehlen, daß er mich so lange nicht mehr angebettelt hatte: „Herr Pfarrer, ich war schon ein Jahr und drei Monate nicht mehr bei Ihnen. Hätten Sie nicht etwas für mich, damit ich jetzt nicht mit der U-Bahn schwarzfahren muß?“ Wie könnte man so viel Bettlercharme widerstehen?

27 IHRE ARCHE FÜR DIE STÜRME VON MORGEN

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