Moldawien Vergangenheit und Gegenwart Verfasst von Thomas Piller 2016

Inhaltsverzeichnis

1 Licht im Osten ...... 5

2 Projekte von Licht im Osten in Moldawien ...... 6

Moldawien ...... 9

1 Geschichte Moldawiens ...... 11 1.1 Der Name des Landes ...... 11 1.2 Frühgeschichte ...... 11 1.3 Mittelalter ...... 12 1.4 Russische Expansion ...... 12 1.5 Zugehörigkeit zu Rumänien ...... 12 1.6 Zweiter Weltkrieg ...... 13 1.7 Unabhängigkeit ...... 13

2 Geographie ...... 15 2.1.1 Flüsse und Landschaft ...... 15 2.2 Klima ...... 15

3 Bevölkerung ...... 16 3.1 Sprache ...... 16 3.2 Musik-Kultur ...... 16 3.3 Religion ...... 17 3.3.1 Baptisten ...... 19 3.3.1.1 Etymologie ...... 19 3.3.1.2 Allgemeiner Überblick ...... 19 3.3.1.3 Lehre ...... 19 3.3.1.4 Gottesdienst und Praxis ...... 20 3.3.1.5 Organisation ...... 20 3.3.1.6 Geschichte ...... 21 3.3.1.7 Religions- und Gewissensfreiheit ...... 21 3.3.1.8 Bekannte Baptisten in Auswahl ...... 21

4 Politik ...... 22

5 Verwaltungsgliederung ...... 24

6 Infrastruktur ...... 25 6.1 Luftverkehr ...... 25 6.2 Eisenbahn ...... 25 6.3 Schifffahrt ...... 25

7 Wirtschaft ...... 26 7.1 Allgemein ...... 26 7.2 Wirtschaftsentwicklung ...... 26 7.3 Aussenhandel ...... 26 7.4 Staatshaushalt ...... 26

8 Moldawische Küche ...... 27 8.1 Typische Produkte und Zutatenn ...... 27 8.2 Traditionelle Gerichte ...... 27 8.2.1 Vorspeisen ...... 27 8.2.2 Hauptspeisen ...... 27

Information Moldawien AWP Seite 2 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 8.2.3 Desserts ...... 28

9 Weinbau ...... 29 9.1 Rebsorte ...... 29 9.2 Weinbauregionen ...... 29 9.2.1 die Weinbauregionen in Moldawien ...... 29 9.2.1.1 Bălți ...... 30 9.2.1.2 Codru ...... 30 9.2.1.3 Nistreana oder Purkari-Region ...... 30 9.2.1.4 Cahul ...... 30 9.3 Geschichte des Weinbaus in Moldawien ...... 31 9.3.1 Von den Anfängen bis zur Osmanenherrschaft ...... 31 9.3.2 In der Zarenzeit ...... 31 9.3.3 Zwischenkriegszeit und Sowjetunion ...... 32 9.3.4 Weinwirtschaft heute ...... 33 9.3.4.1 Anbaufläche und Produktion ...... 33 9.4 Export...... 33 9.4.1 Internationale Erfolge ...... 34 9.5 Ökologischer Weinbau ...... 34 9.6 Perspektiven ...... 34 9.7 Weinkrieg mit Russland ...... 35 9.8 Weinkultur ...... 35 9.8.1 Weinfeste ...... 35 9.8.2 Logo des Weinbauverbandes – Legende ...... 35

10 Transnistrien – Konflikt ...... 36 10.1 Ursachen ...... 36 10.2 Konflikt ...... 37 10.3 Wechsel an der Spitze der Republik ...... 38 10.4 Kurze Chronologie des Konflikts ...... 39 10.5 Auswirkungen ...... 39

11 Gagausien ...... 41 11.1 Geographie ...... 41 11.2 Bevölkerung ...... 41 11.3 Ethnien ...... 41 11.4 Religionen ...... 42 11.5 Sprachen ...... 42 11.6 Geschichte ...... 42 11.6.1 Ursprünge ...... 42 11.6.2 Sowjetische Epoche ...... 42 11.6.3 Zerfall der Sowjetunion und regionale Autonomie ...... 43 11.6.4 Lage ab 2014 ...... 43 11.7 Politik und Verwaltung ...... 44 11.7.1 Politik und Regierung ...... 44 11.7.2 Regierungschefs ...... 44 11.7.3 Verwaltung ...... 44 11.8 Wirtschaft ...... 44 11.9 Infrastruktur ...... 44 11.10 Bildung und Kultur ...... 45 11.11 Medien ...... 45 Die gagausische Nationalhymne ...... 45

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Quellenangaben Moldawien:

Der grösste Teil der Texte, Bilder und Statistiken stammt aus Wikipedia und wurde von mir zusammen- gefasst und zum Teil mit Kommentaren von mir versehen.

Information Moldawien AWP Seite 4 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 1 Licht im Osten Geschichte von Licht im Osten Als im Jahr 1920 Licht im Osten gegründet wurde, war aus der Schweiz der Deutsch-Ukrainer Fried- rich Köhler dabei. Er kam am Ende des 19. Jahrhunderts nach einer Reise nach Russland des dama- ligen Direktors von St. Chrischona, Heinrich Rappard, auf St. Chrischona. Aufgewachsen war Köhler in Neuhoffnung, einer deutschen Siedlung im Südosten der Ukraine in der Nähe des Asovschen Mee- res. Nach seinem Studium heiratete er eine Schweizerin und war Pastor der Chrischona-Gemeinde Winterthur-Seen.

Vision „Licht im Osten hilft Menschen in materieller, medizinischer und seelischer Not. Wir wollen mit lokalen Partnern die uneingeschränkte Liebe Jesu in Wort und Tat an die Orte grösster Armut, Unterdrückung und Dunkelheit tragen. Wir bringen den Völkern Russlands, Osteuropas und Zentralasiens das Evangelium, welches Lebenssinn, Hoffnung und Zukunft spendet.“

Drei Kernbereiche Die vielen Projekte sind in die drei folgenden Bereiche unterteilt.

Not lindern Wir helfen Menschen, die weit unter den durchschnittlichen Lebensverhältnissen und am Rand der Gesellschaft leben.Unsere lokalen Partner kennen die Menschen und ihre Not. Sie helfen unbürokra- tisch und wirkungsvoll.

Glauben wecken Wir fördern die Verbreitung des Evangeliums, motivieren und schulen Pastoren, gründen Gemeinden, investieren in Kinder- und Jugendarbeit, verbreiten Literatur und übersetzen Bibeln. Unsere Partner sprechen die Sprache und kennen die Kultur.

Zukunft ermöglichen Wir investieren in Menschen und ihre Projekte, damit sie in ihrer Heimat eine Zukunft haben: Schule für benachteiligte Kinder, Gewerbeförderung, Prävention und Rehabilitation. Unsere Projektpartner haben Visionen und lieben Menschen.

Information Moldawien AWP Seite 5 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 2 Projekte von Licht im Osten in Moldawien

Aktion Weihnachtspäckli Die Aktion Weihnachtspäckli setzt ein starkes Zeichen der Verbundenheit und Solidarität mit notlei- denden Menschen in Osteuropa und Zentralasien. Die langjährigen Partner von Licht im Osten vertei- len die Weihnachtspäckli an Menschen in grosser Armut oder in sehr schwierigen Lebenssituationen: kinderreiche Familien, verarmte Senioren, Kinder in Schulen oder Heimen, alleinerziehende Mütter, Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen.

Nothilfe Arme, kranke, behinderte und vergessene Menschen leben oft weit unter dem Existenzminimum. Täg- lich findet ein bitterer Überlebenskampf statt, besonders im Winter. Unsere lokalen Partner bringen Heizmaterial und Lebensmittelpakete den ärmsten Menschen in ihrer Umgebung. Sie wärmen ihre Häuser und spenden ihren Herzen durch das Wort Gottes Hoffnung. Auf Wunsch erhalten sie eine christliche Literatur oder eine Bibel, weil das Evangelium wichtige ‚Nahrung‘ ist. Die beiden Lastwagen von Licht im Osten sind immer unterwegs mit Hilfsgütern: Kleider, Schuhe, Bettwäsche, Betten, Velos, Kinderwagen, Schulmaterial, medizinische Hilfsmittel wie Rollstühle, Krücken, Gehstöcke und Ver- bandsmaterial.

Gefängnis- und Polizistenarbeit Die Gefängnisse in Osteuropa sind in erbärmlichem Zustand. In einer Zelle befinden sich oft zehn bis 15 Häftlinge. Partner von Licht im Osten besuchen regelmässig Insassen und schenken ihnen Le- bensmittelpakete und Literatur. Sie bieten regelmässig Bibelstunden an und organisieren Konzerte. Auch nach der Entlassung besuchen und begleiten sie die ehemaligen Häftlinge, bis sie vollständig resozialisiert sind.

Licht im Osten gründet und fördert christliche Polizistenarbeit. Dabei arbeiten wir mit der christlichen Polizistenvereinigung in der Schweiz zusammen. Polizisten werden oft verachtet und gemieden. Kon- ferenzen stärken ihren Glauben und sind ein wichtiges Gefäss der Evangelisation. Ihre Familien, Kol- legen und Freunde sind dabei auch herzlich willkommen.

Reha-Zentren Unsere vier Reha-Zentren in Moldawien (Stauceni), Ukraine (Schitomir/Saporoschje) und Usbekistan (Kaukand) betreuen Strafentlassene und Drogenabhängige.

Die lokalen Mitarbeiter leben vor, wie Jesus das Leben eines Menschen verändern kann. Viele sind selbst Ex-Junkies. Tagesstruktur, Disziplin und Lebensgestaltung werden im praktischen Alltag ge- schult und auf Vertrauensbasis im Zusammenleben gelebt.

Medizinische Hilfe Spitex Bethesda betreut ehrenamtlich alte, alleinstehende, behinderte und schwerkranke Menschen und leistet medizinische Pflege. Angehörige werden angeleitet und unterstützt. Licht im Osten initiiert, schult und fördert mehr als 50 Spitex-Teams in der Ukraine und Moldawien.

Das Spital Emanuel hat zwei Tageskliniken für Innere Medizin, Augen und Ohren, Kardiologie, Derma- tologie, Urologie, Gynäkologie, Physio, Kindermedizin, Lebensberatung, Apotheke und Homecare. Chisinau: 20 000 Patienten pro Jahr, 65 Mitarbeitende Cioburciu: 5000 Patienten pro Jahr, 21 Mitarbeitende

In sehr ländlicher und armer Umgebung finanzieren wir im 1. Stock über der Bäckerei ein medizini- sches Kompetenzzentrum auf privater Basis. Schwerpunkte: Allgemeinmedizin, Zahnarzt und ehren- amtliche Spitex.

Kampf gegen Kinder- und Frauenhandel Armut und Korruption fördern den Menschenhandel. Jungen Frauen wird eine gute Zukunft vorge- täuscht, oft enden sie in der Prostitution oder in ausbeuterischer Zwangsarbeit. Licht im Osten sensibi- lisiert und schult Gemeinden, Behörden und Familien in der Schweiz. Mit dem Bau des Frauenhauses

Information Moldawien AWP Seite 6 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 «The Hope» in Nordmoldawien erhalten minderjährige schwangere Frauen die Möglichkeit, ihr Kind zu behalten und ggfs. die Prostitution zu verlassen. Sie erfahren Annahme, praktische Hilfe und Orientie- rung. Ziel ist, acht jungen Müttern die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen und ihnen bei der Arbeitsintergration zu helfen.

Mission und Gemeindegründung Mission und Gemeindebau liegt uns sehr am Herzen. Unsere einheimischen Missionare verkünden das Evangelium von Jesus Christus engagiert, ganzheitlich und nicht selten unter Verfolgung. Der geistliche und soziale Dienst ergänzen einander in Wort und Tat. Der Mensch steht im Mittelpunkt, sein Wohlergehen und seine Beziehung zu Gott.

1. Die einheimischen Missionare helfen den Menschen, verbreiten das Evangelium und verwirklichen Projekte.

2. Licht im Osten schult, fördert und unterstützt die Missionare, damit sie Jesus Christus verkündigen können.

3. Sie als Projektpate unterstützen ein Missionsprojekt verbindlich und regelmässig. Sie sind für die Missionarsfamilie und ihre Aufgabe ein treuer Begleiter finanziell

Projekt „In jedes Haus…“ Durch das Projekt „In jedes Haus...“ bringen lokale Partner von Licht im Osten das gedruckte Evange- lium in jedes Haus, in jede Wohnung der 14 Projektländer. 87 000 000 Menschen, 25 000 000 Haushalte – eine grosse Aufgabe!

Kreativität und Eigeninitiative sind uns sehr wichtig. Für jedes Land suchen wir gemeinsam die beste Verteilstrategie und organisieren eine gute Nacharbeit.

Wir schulen, fördern und finanzieren die systematische Verbreitung des Evangeliums. Dabei geht es ganz besonders um die Betreuung der einheimischen Landesleiter. Diese schulen und motivieren Christen und Gemeinden, wie sie das Evangelium systematisch und kreativ verbreiten können.

Christliche Literatur und Bibeln Kinderzeitschriften Kinderzeitschriften in Russisch und Rumänisch vermitteln biblische Inhalte und Themen aus Natur und Geschichte. Die Kinder können lesen, malen und basteln. Sie kommen zum Einsatz bei Kinderfreizeiten, «Aktion Weihnachtspäckli» und «Nothilfe».

Licht im Osten druckt Kalender mit Landschaftsbildern aus der Schweiz und Bibeversen in Russisch, Ukrainisch und Rumänisch. Diese werden hauptsächlich bei der «Aktion Weihnachtspäckli» abgege- ben und sind sehr beliebt.

Gute, zum Glauben führende Literatur wird durch unsere Partner regelmässig eingesetzt. Wir unter- stützen sie darin. Die Bibel ist ein grundlegendes Instrument für die Mission. Licht im Osten engagiert sich dort, wo sie noch fehlt.

Schule ermöglichen Schulbildung ist das Tor in die Zukunft, vielen Eltern fehlt jedoch das Geld für Schulmaterial, Schuluni- formen und Schulbücher. Ohne diese ist der Besuch der staatlichen Schulen nicht möglich, den Kin- dern wird die Einschulung verwehrt. Licht im Osten ermöglicht den Kindern in Rumänien, Moldawien und der Ukraine den Schulbesuch der Unter- und Mittelstufe. Ins Programm werden gezielt Kinder aus prekären Familienverhältnissen aufgenommen, die aus finanziellen und sozialen Gründen die Schule nicht besuchen können.

Unsere Partner rüsten die Kinder mit Schulsack, Schuluniform und Kleidern, Büchern, Schreibzeug und Schulheften aus. Diese werden lokal gekauft oder kommen mit den Hilfsgütern aus der Schweiz.

Kinderfreizeiten

Information Moldawien AWP Seite 7 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Freizeiten – eine geniale Chance für benachteiligte Kinder. Christliche Ferien sind für viele Kinder wie das Paradies auf Erden. Es gibt genügend zu essen, spannende Spiele, Sport und Wanderungen, neue Freunde, gute und freundliche Leiter, tolle Geschichten von Jesus, der die Kinder liebt. Licht im Osten unterstützt christliche Kinderfreizeiten. Einige Partner haben im Einsatz für Kinder ihre Kern- kompetenz.

Christliche Grossfamilien Familie statt Kinderheim! Viele Jugendliche, die ein staatliches Kinderheim verlassen, landen auf der Strasse, in der Prostitution, der Drogenszene oder werden kriminell. Es gelingt ihnen nicht, sich in der Gesellschaft und Wirtschaft zu integrieren. Licht im Osten integriert Kinder aus staatlichen Kinderhei- men oder zerfallenen Familien in christliche Grossfamilien. Dort werden sie ganzheitlich betreut und lernen elterliche Liebe und den Glauben kennen.

Tageszentren Tageszentren sind ein zentraler Ort für das Wohl der Kinder aus armen Familien. Hier finden sie An- nahme und Orientierung für ihr späteres Leben. Neben einem warmen Mittagessen, das für viele die einzige warme Mahlzeit am Tag ist, erhalten sie Hilfe bei ihren Hausaufgaben von unseren pädago- gisch geschulten Mitarbeiterinnen. Durch Bibelgeschichten lernen sie christliche Werte und das Wort Gottes kennen. Viele Kinder lernen im Tageszentrum zum ersten Mal auf Hygiene zu achten und un- beschwert zu spielen. Hier dürfen sie Kind sein und können für einige Stunden die Schweirigkeiten aus ihren Herkunftsfamilien vergessen. Licht im Osten unterhält sechs Tageszentren und ein Wo- chenzentrum in drei Ländern.

Gewerbeförderung Armut lindern durch gezielte Gewerbeförderung. Licht im Osten fördert, begleitet und unterstützt pri- vate Kleinunternehmer und gibt ihnen Kredite. Die Unternehmer können dadurch Einkommen schaf- fende Investitionen tätigen und sich in Wirtschaft und Gesellschaft einen Namen aufbauen. Ihre unter- nehmerische Tätigkeit ermöglicht es ihnen, Kirchen und missionarische Aktivitäten zu unterstützen. Ihre Betriebe helfen, dass Menschen in ihrem Heimatland eine Zukunft haben.

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Moldawien Republika Modau

Amtssprache Rumänisch, Regional auch russisch, Ukrainisch und Gagausisch Hauptstadt Chisinau Staatsform Parlamentarische Republik Regierungssystem Parlamentarische Demokratie Staatsoberhaupt Präsident Nicolae Timofti Regierungschef Ministerpräsident Pavel Filip Fläche 33.843 km² Einwohnerzahl 3‘153‘731 (Feb 2013) Bevölkerungsdichte 98 Einwohner pro km² (CH 196 / km2) BIP (2011) nominal $ 10,746 Mrd. (CH $636.0 Mrd) BIP / Einwohner nominal $ 3‘174 (CH $ 81‘161) HDI 1 Rang 107 (CH: Rang 3) Währung Moldauischer Leu (MDL) Unabhängigkeit erklärt am 27. August 1991 Nationalhymne Limba nostra Zeitzone UTC + 2 Kfz-Kennzeichen MD Telefonvorwahl +373

1 Der Index der menschlichen Entwicklung (englisch Human Development Index, abgekürzt HDI) der Vereinten Natio- nen ist ein Wohlstandsindikator für Staaten. Der HDI wird seit 1990 im jährlich erscheinenden Bericht über die menschliche Entwicklung (englisch Human Development Report) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) veröffent- licht. Der HDI berücksichtigt nicht nur das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, sondern ebenso die Lebenserwartung und die Dauer der Ausbildung anhand der Anzahl an Schuljahren, die ein 25-Jähriger absolviert hat, sowie der voraussichtlichen Dauer der Ausbildung eines Kindes im Einschulungsalter. Der HDI wurde im Wesentlichen von dem pakistanischen Ökonomen Mahbub ul Haq entwickelt, der eng mit dem indischen Ökonomen Amartya Sen sowie dem britischen Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Meghnad Desai zusammenarbeitete. https://de.wikipedia.org/wiki/Index_der_menschlichen_Entwicklung https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_Human_Development_Index Information Moldawien AWP Seite 9 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017

Moldawien (offiziell auf Rumänisch Republica ) ist ein Binnenstaat in Südosteuropa. Er grenzt im Westen an Rumänien. Im Norden, Osten und Süden wird Moldawien vollständig von der Uk- raine umschlossen, so dass kein direkter Zugang zum stellenweise nur zwei Kilometer entfernten Schwarzen Meer besteht. Die Republik wird in Deutschland und in Österreich als Moldau, in der Schweiz als Moldova bezeich- net. In der Langform wird sie als Republik Moldau bzw. Republik Moldova bezeichnet. Historisch gehörte das Territorium seit der Gründung des Fürstentums Moldau zu diesem Staat und nach der Annexion des Gebiets durch Zar Alexander I. 1812 zum Russischen Kaiserreich. Als eigen- ständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als die Moldauische Sowjetrepublik sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Die politische Entwicklung des Lan- des wird seit dieser Zeit durch den Transnistrien-Konflikt wesentlich behindert.

Information Moldawien AWP Seite 10 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 1 Geschichte Moldawiens Die Geschichte der Region Bessarabien wird oft unter dem Namen Geschichte Moldawiens gefasst, da umstritten ist, ob die Moldauer ein eigenes Volk sind und damit eine eigene Nationalgeschichte ha- ben oder ein Teil der rumänischen Ethnie sind und die Geschichte Moldawiens damit nur eine Regio- nalgeschichte ist. Politisch reflektiert sich diese identitätspolitische Auseinandersetzung im Streit der Befürworter einer Vereinigung mit Rumänien und der Unterstützer einer eigenstaatlichen Entwicklung aufgrund einer eigenen moldauischen Identität. Die Geschichte Moldawiens ist daher keine stringente Erzählung, sondern zeigt die wechselnden Einflüsse, denen diese weitgehend mit Bessarabien de- ckungsgleiche Region ausgesetzt war.

1.1 Der Name des Landes „Moldova“ in der rumänischen Sprache beinhaltet: • das im Mittelalter unabhängige Fürstentum • die heutige rumänische Region Moldova (zwischen Karpaten und Pruth), und • das heutige Moldawien. Im deutschen Sprachgebrauch: • versteht man unter „Moldau“ nur das im Mittelalter unabhängige Fürstentum und die rumänische Region Moldova; • sowie die selbständige Republik „Moldawien“, auch Republik Moldau genannt. Der Name „Moldau“ soll aus dem dakischen „molta“ (viele) und „Dava“ (Burg oder Festung) abgeleitet worden sein. Andere Quellen behaupten, dass Molda, die Hündin des Fürsten „Dragos des Gründers“ in einem Fluss ertrunken war. Das traurige Ereignis gab dem Fluss und dem Fürstentum seinen Na- men. Auch die Theorie, dass der Name Moldau abgeleitet wurde von dem rumänischen Wort „Molid“ oder „Molift“ (Picea abies, deutsch: Fichte, Rotfichte) ist möglich. Aber die meist angenommene Hypo- these der Sprachforscher ist, dass sowohl „Moldova“ wie auch die Burg „Moldvar“ (rumänisch: „Baia“, was Höhlung bedeutet) vom altdeutschen Wort „Mulde“ oder „Molde“, was (Aus)Höhlung, Vertiefung bedeutet, herkommen. Das Wort „Mulde“ wurde von siebenbürgisch-sächsischen Arbeitern gebraucht, die von ungarischen Königen, den ursprünglichen Herrschern, in die walachischen Fürstentümer zur Bergarbeit geholt wurden.

1.2 Frühgeschichte Die lateinischen Ursprünge Moldaus können auf die Periode der römischen Besetzung des nahe gelegenen Dakiens zurückgeführt wer- den, das auf dem Gebiet des heutigen Rumä- niens, Bulgariens und Serbiens lag. Moldau gehörte nie zur römischen Provinz Dacia, aller- dings wurde das Gebiet von den Römern als Teil Dakiens oder als Teil der Sarmatia gese- hen. Etwa in der Zeit von 105 bis 270 bildete sich aus der Vermischung römischer Siedler und der örtlichen Bevölkerung eine neue Kultur, die dako-romanische und später rumänische Kul- tur. Nachdem der Einfluss des römischen Rei- ches geschwunden war und seine Truppen im Jahr 271 die Region verliessen, zogen während der Völkerwanderung verschieden Volksgruppen durch das Gebiet und liessen sich auch teilweise hier nieder, darunter Hunnen, Ostgoten und Ostslawen (Anten). Auch die Protobulgaren, die Magya- ren, die Petschenegen und die Goldene Horde (Mongolen) setzten sich zeitweise durch. Im 13. Jahr- hundert expandierte Ungarn in die Region und errichtete eine Reihe von Befestigungen nahe dem Fluss Sereth im heutigen Rumänien. Die Region stand unter ungarischer Oberhoheit, bis 1349 Fürst Bogdan ein unabhängiges moldauisches Fürstentum gründete. Ursprünglich Bogdania genannt, er- streckte es sich von den Karpaten bis zum Fluss Dnister; später wurde es in Moldowa umbenannt, wobei der Grund für diese Namensgebung unklar ist (siehe oben).

Information Moldawien AWP Seite 11 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 1.3 Mittelalter Das Osmanische Reich war im 15. Jahrhundert zum bedeutendsten Machtfaktor in Südosteuropa ge- worden. Daneben strebten das Königreich Ungarn und das Königreich Polen auch die Erweiterung ih- res Einflussbereiches in Südosteuropa an. Das Fürstentum Moldau versuchte in dieser Phase mög- lichst viel seiner Eigenständigkeit zu behalten, geriet aber als Vasallenstaat unter osmanischen Ein- fluss. Der bedeutendste der spätmittelalterlichen moldauischen Fürsten war Ștefan cel Mare (Stefan der Grosse) (* um 1433 in Borzești; † 2. Juli 1504 in Suceava), der mit 47 Jahren ungewöhnlich lange re- gierte. Mit seiner Herrschaft wird die Blütezeit des Fürstentums Moldau verbunden, weshalb er auch von der Bewegung zur Vereinigung von Rumänien und Moldawien zum zentralen Erinnerungsort ihrer Identitätspolitik gemacht wurde. In der Überlieferung war er ein bedeutender Kämpfer gegen die Fremdherrschaft, so kämpfte er in 47 grösseren Schlachten und verlor nur drei. Am Ende seiner Re- gierungszeit 1504 war das Fürstentum Moldau weitgehend unabhängig und erlebte eine Phase der wirtschaftlichen Prosperität. Nach seiner Herrschaft flammten die Streitigkeiten zwischen den Bojaren wieder auf und das Land erlebte einen allmählichen Verfall. Schwache Fürsten liessen inkompetente Bojaren den Staat regieren und Steuerzahlungen verweigern, sodass die osmanische Oberherrschaft ihren Einfluss in der Folgezeit wieder ausweitete, die Tributzahlungen erhöhte und die lokalen Herr- scher ernannte. Erst als sich das Osmanische Reich selbst im Niedergang befand, konnten die mol- dauischen Fürsten wieder mehr Einfluss zurückgewinnen.

1.4 Russische Expansion Nach dem russisch-türkischen Krieg 1787–1792 musste das Osmanische Reich im Frieden von Jassy (heute Iași) alle Besitzungen östlich des Dnister an Russland abtreten. Ein erweitertes Bessarabien (benannt nach dem walachischen König Basarab I.) wurde nach dem 6. russisch-türkischen Krieg von 1806 bis 1812 durch den Frieden von Bukarest in das Russische Reich integriert. Das Gebiet wurde als Gouvernement Bessarabien organisiert umfasste die Landschaft zwischen den Flüssen Pruth und Dnister und damit etwa die östliche Hälfte des bisherigen Fürstentums Moldau. Nach Russlands Niederlage im Krimkrieg 1853–1856 wurde im Vertrag von Paris festgelegt, dass Moldau und die Walachei unter die Kollektivgarantie der 7 Unterzeichnerstaaten gestellt würden. Das südliche Bessarabien (die Bezirke Ismail, Bolgrad, Cahul) gingen zurück an Moldau. 1859 wurde Ale- xandru Ioan Cuza zum Fürsten sowohl von Moldau als auch der Walachei gewählt, wodurch die Fun- damente eines rumänischen Staates gelegt wurden. Durch den Vertrag von Berlin 1878 (siehe Berli- ner Kongress) musste die rumänische Regierung das südliche Bessarabien wieder an Russland ab- geben.

1.5 Zugehörigkeit zu Rumänien Nachdem im Zuge der Oktoberrevolution von 1917 das Selbstbestimmungsrecht aller Nationalitäten des Russischen Reiches erklärt worden war, konstituierte sich am 21. November 1917 unter der Be- zeichnung Sfatul Țării ein Landesrat, der Bessarabien am 2. Dezember 1917 als Moldauische Demo- kratische Republik proklamierte, die als autonomer Teilstaat Bestandteil eines föderativ organisierten Russischen Reiches bleiben sollte. Jedoch war die Vereinigung des bessarabischen Landesteils mit dem Königreich Rumänien durch ein Geheimprotokoll in den Friedensverträgen 1918 zwischen Ru- mänien und den Mittelmächten bereits beschlossen. Im Januar 1918 eroberte das zur Entente gehö- rende Rumänien Bessarabien und vertrieb die im Rumtscherod organisierten Truppen. Unter dem Druck der Besatzung und in einer Auseinandersetzung bei der es nicht nur um nationale Identitäten, sondern vor allem um die wirtschaftlichen Interessen der moldauischen Grossgrundbesitzer ging, er- klärte das Sfatul Țării am 24. Januar 1918 die Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Am 27. März 1918 stimmte schliesslich eine Mehrheit des Rates für die Vereinigung mit Rumänien und legitimierte damit die faktisch bereits vollzogene Eingliederung Bessarabiens in Grossrumänien. Während die Staaten der Entente 1920 die Abstimmung als rechtmässig anerkannten, betrachteten Sowjetrussland beziehungsweise ab 1922 die Sowjetunion Bessarabien weiterhin als Teil ihres Staatsgebietes und forderte von Rumänien dessen Rückgabe.

Information Moldawien AWP Seite 12 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Das Gebiet östlich des Dnister war während des Ersten Weltkrieges 1917/18 von Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich besetzt und wurde nach dem Ende des Russischen Bürgerkrieges und der Gründung der Sowjetunion im Dezember 1922 Teil der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Im Jahr 1924 wurde das Gebiet zunächst zur Moldauischen Autonomen Oblast erklärt, sieben Monate später erhob man es zur Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (MASSR). Haupt- stadt der MASSR war offiziell das „vorübergehend rumänisch besetzte“ Chișinău, so dass bis 1929 (das heute zur Ukraine gehörende) Balta und danach provisorisch die Funktion des Regie- rungssitzes einnehmen mussten. Mit der Gründung der MASSR bezweckte die sowjetische Regierung in erster Linie die Aufrechterhaltung ihres Gebietsanspruches auf ganz Moldawien und erklärte hierzu auch genuin ukrainische Gebiete zu moldawischem Staatsgebiet, was dazu führte, dass der Bevölke- rungsanteil ethnischer Rumänen zeitweise bis auf 30 % sank.

1.6 Zweiter Weltkrieg Das zu Rumänien gehörige Gebiet Bessarabiens und die nördliche Bukowina wurde im Juni 1940 mit deutscher Zustimmung als Konsequenz des geheimen Zusatzprotokolls des Hitler-Stalin Paktes von sowjetischen Truppen besetzt und von der UdSSR annektiert. Am 2. August 1940 wurde die Moldaui- sche Sozialistische Sowjetrepublik mit Chișinău (russisch Kischinjow) als Hauptstadt errichtet, indem man Bessarabien mit einem Teil der Moldauischen ASSR vereinigte (der Rest ging an die Ukrainische SSR). Durch die Gründung der Moldauischen SSR war Bessarabien nun abermals geteilt, was seine historische und wirtschaftliche Integrität ernsthaft beschädigte. Mehrere südliche Gebiete und Zu- gangswege zum Schwarzen Meer über die Mündungen der Donau (bei der Stadt Ismail) und des Dnister (bei Bilhorod-Dnistrowskyj) wurden an die Ukraine abgegeben und machten aus der Republik einen Binnenstaat. Der nur etwa 600 Meter lange, zu Moldawien gehörende Uferstreifen am Nordufer der Donau im äussersten Süden der Republik ist in den vergangenen Jahren zum Bau des Hafens Giurgiulești genutzt worden, so dass Moldawien nun doch auch von Schiffen, allerdings beschränkter Grösse, erreicht werden kann. Am 22. Juni 1941 griffen deutsche und rumänische Truppen die Moldauische SSR und die Ukraini- sche SSR im Rahmen des Unternehmens Barbarossa an. Rumänien konnte dadurch im Sommer 1941 Bessarabien und die nördliche Bukowina zurückgewinnen. Das Land zwischen den Flüssen Dnjestr und Südlicher Bug, nördlich von Bar in der Ukraine, verwaltete Rumänien dann unter dem Namen . Am Ende des Zweiten Weltkrieges kam es im Gebiet Moldawiens während der Operation Jassy-Kischinew zu schweren Kampfhandlungen. Aufgrund des Friedensvertrages von 1947 fielen Bessarabien, das Herza-Gebiet und die nördliche Bukowina an die Sowjetunion, und die früheren sowjetischen Verwaltungseinheiten und russischen Ortsnamen wurden erneut eingeführt. Im Zuge der Sowjetisierung des Landes wurden 1949/50 rund 7 % der moldawischen Bevölkerung in die Sowjetunion deportiert und dort als verbannte Sondersiedler ihrer Freiheit beraubt.

1.7 Unabhängigkeit Moldawien ist seit 1991 eine unabhängige Republik. Seit 1989 gab es Konflikte zwischen der Zentral- regierung in Chișinău und den überwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnten Gebieten Transnistrien und Gagausien, nachdem 1989 die moldauische Sprache zur einzigen Staatssprache der MSSR erklärt und, gleich nach der Unabhängigkeit Moldawiens 1991, Verhandlungen in Richtung einer Wiedervereinigung mit Rumänien initiiert wurden. De facto ist Moldauisch dieselbe Sprache wie Rumänisch.

Information Moldawien AWP Seite 13 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Im Jahre 1992 eskalierte der Konflikt mit Transnistrien zu einem Krieg, der erst nach Vermittlung durch General Alexander Lebed, der die dort stationierte 14. Armee im Auftrag der Russischen Föderation befehligte, beendet werden konnte. 1994 bot die moldauische Regierung Gagausien einen Autono- miestatus innerhalb der Republik Moldau an. Dieser Autonomiestatus wurde auch dem abtrünnigen Landesteil Transnistrien angeboten, was aber von dem De-facto-Regime unter dem selbsternannten Präsidenten Igor Smirnow abgelehnt wurde. Igor Smirnow konnte das Angebot ablehnen, da er die Unterstützung der Russischen Föderation aufgrund deren Interesse an einer weiteren Stationierung russischer Armeeeinheiten auf dem Territorium Transnistriens hatte. Zudem war die „Pridnestrowische Moldauische Republik“ mit dem Aufbau eigener staatlicher Strukturen viel weiter fortgeschritten als der gagausische Landesteil. Transnistrien stellte auch im Gegensatz zu Gagausien ein einheitliches Gebiet dar, das aufgrund seiner Landesgrenze zur Ukraine und der Wassergrenze Dnister zum von der Republik Moldau kontrolliertem Gebiet in der Lage war sich zu verteidigen und eigenständige Wirtschaftsbeziehungen zu Drittstaaten einzugehen. Seit 1997 ist Moldawien Mitglied der GUAM-Allianz. Seit dem 30. November 2005 gibt es die EUBAM, eine Grenzkontrollmission der Europäischen Union an der moldawisch-ukrainischen Grenze zur Unterbindung des Waffen-, Menschen- und Drogen- schmuggels von und nach Transnistrien.

Information Moldawien AWP Seite 14 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 2 Geographie Moldawien erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung über 350 km und west-östlich über 150 km. Das Land ist mit seiner Gesamtfläche von 33.843 km² eher klein und liegt im weltweiten Vergleich im hinteren Drittel. Das Kerngebiet liegt grösstenteils zwischen den beiden grössten Flüssen Dnister (mold./rum. Nistru) und Pruth (Prut) und damit in der historischen Landschaft Bessarabien. Der Norden grenzt an die Podolische Platte der Westukraine. Ein kleinerer Teil des Landes (etwa 17 % der Bevölkerung auf 12 % der Fläche) liegt östlich des Dnis- ter und hat sich 1992 im Zuge des Transnistrien-Konflikts als Transnistrien abgespalten. Der südlichs- te Punkt ist Giurgiulești, an dem Moldawien einen etwa 600 Meter langen Zugang zur Donau besitzt. Der Name der Republik Moldau (Moldawien) leitet sich vom Fluss Moldau (Moldova; nicht zu ver- wechseln mit der Moldau in Tschechien) ab, obwohl das heutige Staatsgebiet nicht mehr von der Mol- dova berührt wird.

2.1.1 Flüsse und Landschaft Der Pruth mündet nahe der Südgrenze Moldawiens in die Donau. Die grösseren Nebenflüsse (Bîc, Răut und Botna) verlaufen grossteils parallel und entwässern zum Dnister. Die Landschaft ist flachwellig (30 bis 429 m ü. NN) und zu 80 % Kulturland, was der fruchtbaren Schwarzerde in der Steppe des Südens zu verdanken ist. Im Norden ziehen sich hügelige Ebenen mit lichten Eichenwäldern und Baumsteppen. Die höchste Erhebung Moldawiens ist der Dealul Bălănești. Das warme, trockene Klima ermöglicht Wein- und Obstbau in grossem Massstab. Einheimische Tiere sind beispielsweise Reh, Wildschwein, Hase, Fuchs, Wolf, Wiesel, Iltis und Luchs, zudem Nagetiere. Der zentrale Teil des Landes, umgangssprachlich als Codrii („die Wälder“) bekannt, ist überwiegend mit Eichen- und Buchenwäldern bedeckt.

2.2 Klima Das Klima Moldawiens zeigt sich gemässigt kontinental. Dies bringt heisse, trockene Sommer und bedingt durch die recht südliche Lage nahe am Schwarzen Meer zeigen sich die Winter vergleichs- weise mild. Insgesamt fällt in dem Land wenig Niederschlag, im Jahresdurchschnitt zwischen 390 und 550 Millimeter. Dabei werden die höheren Werte eher im Norden erreicht, weniger Niederschlag fällt in der Region im Süden. Hier kommt es im Sommer auch durchaus zu Dürreperioden. Insgesamt be- stimmen vor allem im Winter die kalten Winde aus Norden und Nordosten das Wetter, während im Sommer eher Westwinde wetterbestimmend sind. Die Jahresdurchschnittstemperatur ist daher auch im Norden niedriger, hier liegt sie bei 7,5 Grad, im Süden erreicht sie immerhin zehn Grad. Die Gegensätze der Jahreszeiten sind vergleichsweise hoch, dem kontinentalen Klima gemäss. Im Januar liegt der Durchschnittswert bei vier Grad, im Juli bei 21 Grad Celsius. Die Höchsttemperaturen reichen im Sommer aber von 28 bis über dreissig Grad. Im Norden Moldawiens werden bei entspre- chender Wetterlage im Winter durchaus auch extreme Tiefsttemperaturen von unter 30 Grad Celsius erreicht. Die meisten Regentage finden sich zwar im März, November und Dezember, die höchsten Niederschlagsmengen fallen aber bei Unwettern in den Sommermonaten. Dann können die ausge- trockneten Böden die Nässe oft nicht aufnehmen, was die Erosion ver- stärkt.

Information Moldawien AWP Seite 15 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 3 Bevölkerung Bei der letzten offiziellen Volkszählung 2004 zählte man, einschliesslich Transnistriens, 3.938.679 Einwohner, was einer Bevölkerungsdichte von 116 Einwohnern pro km² entspricht. Ohne Transnistrien betrug die Einwohnerzahl knapp 3,4 Millionen Menschen. 70 % der Bevölkerung lebt in Städten (ne- ben der Hauptstadt Chișinău hauptsächlich in Bălți, Tiraspol und Bender). Laut offiziellem Zensus sank die moldawische Einwohnerzahl bis 2014 auf nur noch rund 2,9 Millionen. Moldawiens Bevölkerung ist unterschiedlicher ethnischer Herkunft: Die grösste Gruppe machen die rumänischsprachigen Moldauer mit 68,49 % aus, darauf folgen Ukrainer (11,23 %) und Russen (10,39 %), von denen viele in Transnistrien leben. Hinzu kommen 4,85 % Gagausen, 2,02 % Bulga- ren, 0,12 % Juden sowie einige Deutsche, Polen, Weissrussen, Tataren usw. Sowohl im gesamten Moldawien als auch jeweils östlich sowie westlich des Dnister machen die drei grossen Volksgruppen der Moldauer, Ukrainer und Russen zusammen über 91 % der Bevölkerung aus. Getrennt betrachtet ist die Verteilung jedoch unterschiedlich: Während in Transnistrien von 555.347 Einwohnern 31,9 % Moldauer (gegenüber 40,1 % zu Sowjetzeiten 1989), aber 30,3 % Rus- sen und 28,9 % Ukrainer sind, machen im restlichen Moldawien die rumänischen Moldauer 76,9 % (bei 8,5 % Ukrainern und 6,6 % Russen) der 3.383.332 Einwohner aus.

3.1 Sprache Die offizielle Amtssprache ist Rumänisch. Als Ausdruck sprachlichen Separatismus hatte die Regie- rung 1994 dafür in der Verfassung zwischenzeitlich die Bezeichnung „Moldauische Sprache“ durchge- setzt. Diese Bezeichnung war bereits in der Zeit der Moldauischen SSR verwendet worden, die aller- dings keine offizielle Amtssprache besass. Seit 2013 wird die Bezeichnung „Moldauische Sprache“ nicht mehr offiziell verwendet. Die Alltagssprache in Chișinău und den Zentren der Rajons entspricht der moldauisch gefärbten (mol- doveanu) Variante des Rumänischen. Es gibt einige aus dem Russischen entlehnte Neologismen, an deren Stelle im mehr westlich orientierten rumänischen Nachbarland englische oder französische Ent- lehnungen verwendet werden. In Moldawien wird jährlich der offizielle Feiertag Limba Noastră cea Română begangen, der an den 31. August 1989 erinnert, an dem Rumänisch in Moldawien Amtssprache wurde. Ab 1930 wurde in der Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik das kyrillische Alpha- bet verwendet. Mit dem Zerfall der Sowjetunion ab 1989 und der Unabhängigkeit im Jahr 1991 wurde schliesslich die Wiedereinführung der lateinischen Schrift beschlossen (siehe Hintergründe zur Mol- dauischen Sprache). In der von Moldawien abtrünnigen Region Transnistrien wird Moldauisch offiziell nach wie vor in kyrillischer Schrift geschrieben. Bedingt durch die lange Zugehörigkeit zum Russischen Reich und später zur Sowjetunion kommt der Russischen Sprache eine Sonderrolle zu. Das Russische ist im Alltag besonders in den grösseren Städten und in der Wirtschaft präsent. Einen offiziellen Status als Amtssprache besitzt es jedoch nur in den Landesteilen Gagausien (neben dem Gagausischen) und (neben dem Ukrainischen) in Transnistrien. Einer Studie aus dem Jahr 2011 zufolge besitzen 99 % der Bevölkerung Kenntnisse des Russischen, für 16 % der Bevölkerung ist es die Muttersprache. In mehreren grösseren Städten gibt es russischsprachige Mehrheiten, insbesondere in Bălți, wo Russisch de facto auch auf offizieller Ebene verwendet wird.

3.2 Musik-Kultur Die Volksmusik Moldawiens ist vom kulturellen Erbe verschiedener Völker seit der Zeit der Daker ge- prägt und ähnelt in vielem der Musik Rumäniens, in welche durch die Lage am Rand Südosteuropas slawische Elemente gelangt sind. Die Überlieferung innerhalb der im Lauf der Jahrhunderte wenig veränderten bäuerlichen Kultur liess eigenständige Regionalstile entstehen, in denen Einflüsse der bulgarischen, ungarischen, osmanischen, ukrainischen Musik und der Musik der Roma vorhanden sind. Die Volksmusik steht bis heute grossteils im Zusammenhang mit jahreszeitlichen Festen und Übergangsriten. Eine weitere wesentliche Traditionslinie ist die Musik der Hirten, die sich unter ande- rem im vorherrschenden solistischen Gesang – während Chorgesang eher selten ist, in der engen Verbindung von Vokal- und Instrumentalmelodien, in der Verwendung bestimmter Musikinstrumente und in einer epischen Liedtradition zeigt. Die professionellen Volksmusiker sind seit dem frühen Mittelalter als lăutari (Singular lăutar, abgeleitet von der verschwundenen Zupflaute lăută, von arabisch al-ʿūd) bekannt. Die Namen mancher lăutari

Information Moldawien AWP Seite 16 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 sind seit dem 15. Jahrhundert überliefert. Ihr Ensemble, mit dem sie bei Festen Tanzmusik spielen, heisst taraf und besteht aus Flöten (allgemein fluier) und Violinen (vioara) als den führenden Melodie- instrumenten. Als rhythmisches Begleitinstrument tritt häufig die Knickhalslaute cobsă hinzu. Weitere Instrumente eines taraf-Ensembles sind bei unterschiedlichen Besetzungen Bratsche, Kontrabass, țimbal (Hackbrett), Klarinette, nai (Panflöte) und cimpoi (Sackpfeife). Zur Hirtentradition gehören die solistisch gesungenen Heldenepen, besonders die sehr alte Geschich- te des Schafes Miorița, die von der Ermordung eines jungen Schäfers erzählt. Typische Musikinstru- mente der Hirten sind verschiedene Flöten, darunter die Längsflöte tilincă ohne Fingerlöcher, sowie die Langtrompete trâmbiţă (entsprechend der ukrainischen trembita), die Sackpfeife und die Maul- trommel drîmbă. Zu den einstimmigen Chorgesängen bei jahreszeitlichen Festen und Familienfeiern gehören die co- lindă in der Weihnachtszeit und die malanca am Vorabend des Neujahrstages. Die Melodien der lyri- schen Lieder sind stark ornamentiert und verfügen im Unterschied zu den melodisch und rhythmisch einfach strukturierten Hirtenliedern über einen relativ grossen Tonumfang von über einer Oktave. Ze- remonielle und unterhaltende Volkstänze sind ein wesentlicher Teil der Musikkultur und kommen in über 300 namentlich benannten Variationen vor. In ihrer Gestalt und rituellen Funktion stehen sie mit anderen regionalen Tänzen in der Karpatenregion und auf der Balkanhalbinsel in Beziehung. Die bulgarische Minderheit pflegt eine eigene Volksmusiktradition ihrer ostthrakischen Heimat, in der antiphonale Gesänge vorkommen. Die Musik der Gagausen enthält die meisten Elemente aus der osmanischen Musik, zu der reich ornamentierte komplexe Melodien und Rhythmen gehören. Eine Moldawien zuzuordnende klassische Musik entstand Ende des 18. Jahrhunderts, als in den Opern russischer Komponisten Elemente moldauischer Volksmusik auftauchten. Als das Gebiet Mol- dawien 1812 ein Teil des Russischen Kaiserreichs geworden war, wuchs der Einfluss russischer Komponisten, von denen sich einige in Chișinău niederliessen. Dort wurde 1919, unter rumänischer Regierung, das Unirea-Konservatorium eingerichtet, die erste höhere Bildungseinrichtung in Bessara- bien, welche auch die professionelle Musikausbildung beförderte. Die in den 1930er Jahren gegründe- ten Sinfonieorchester mussten sich nach einer Zwangspause während des Zweiten Weltkriegs in der sozialistischen Zeit der sowjetischen Kulturpolitik unterordnen. 1955 wurde in Chișinău die heutige Na- tionaloper eröffnet. Nach der Unabhängigkeit begann die musikalische Rückbesinnung auf die Volks- musik. Die nationale Kultur soll auf der einen Seite von ausländischen Einflüssen befreit werden, auf der anderen Seite gibt es Bestrebungen, eigene musikalische Elemente mit den Neuerungen der in- ternationalen klassischen Musikszene zu verbinden. Klassische moldauische Komponisten sind Alexandru Cristea (1890–1942), der Komponist der Natio- nalhymne Limba Noastră, Ştefan Neaga (1900–1951), Vasile Zagorschi (1926–2003), Zlata Tkach (1928–2006), Iulia Țibulschi (* 1933) und Arkady Luxemburg (* 1939).

3.3 Religion Die grössten Kirchengemeinschaften sind die Moldauisch-Orthodoxe Kirche, die Orthodoxe Kirche Bessarabiens, die Ukrainisch-Orthodoxe und die Russisch-Orthodoxe Kirche. Zu den religiösen Min- derheiten in Moldawien gehören die römisch-katholische Kirche (etwa 20.000 Gläubige), etwa 12.000 Juden, aber auch die Zeugen Jehovas (etwa 18.000). Bei den Muslimen in Moldawien (etwa 3.000) sind besonders die Minderheiten der Nogaier, Tataren und Türken vertreten. Moldawien hat eine reiche Religionsgeschichte, die 500-jährige Kirchenarchitektur ist auch ein wichti- ger Faktor für den Tourismus. Während der Zugehörigkeit zur UdSSR haben sich Glauben und religi- öse Riten neben althergebrachten Sitten und Bräuchen erhalten, darunter Familienbräuche und Feste. Auf dem Land sind Glaube und Traditionen viel ursprünglicher erhalten als beispielsweise in der Hauptstadt Chișinău, die bereits urban geprägt ist. Die Russisch-orthodoxe Kirche und die Rumä- nisch-orthodoxe Kirche dominieren, während katholische und jüdische Gemeinden eher Minderheiten bilden. In den Jahren nach der Perestroika und seit der Unabhängigkeit sind in Moldawien viele alte Kirchen, Klöster, Felsenklöster, Kathedralen und kleine Dorfkirchen wieder eröffnet oder neu gegründet wor- den. Aber das geistliche und kirchliche Leben verläuft nicht in ruhigen Bahnen. Historisch waren viele ortsfremde Religionen auf moldauischem Territorium aktiv und es gab Auseinandersetzungen zwi- schen der Bessarabischen Eparchie und dem Moskauer Patriarchat, die bis heute nicht gelöst sind. 2001 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wegen Einschränkung der Religionsfrei- heit einer Klage der bessarabischen Eparchie gegen Moldawien recht. Viele Kirchen und Klosterkomplexe sind mit bis zu 1,5 Meter dicken Wänden auch wehrhaft angelegt, um Schutz vor Feinden zu bieten.

Information Moldawien AWP Seite 17 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Die Zahl der russisch-orthodoxen Kirchen ist in den ersten zwölf Jahren der Unabhängigkeit von 280 auf über 1000 sprunghaft angestiegen. Das katholische Bistum Chișinău umfasst (Stand 2006) zehn Pfarreien mit ca. 20.000 Katholiken, die überwiegend polnischer, rumänischer und deutscher Ab- stammung sind. Bischof des 2001 gebildeten römisch-katholischen Bistums ist Anton Koca.

Klöster Moldawiens • Butuceni-Kloster (15. bis 17. Jahrhundert) • Kloster Căpriana mit der Kirche des Heiligen Georg (15. Jahrhundert) • Ciuflea Kloster (19. Jahrhundert) mit der Kirche des Heiligen Teodor, in Chișinău • Kloster Condrita • Curchi-Kloster (18. Jahrhundert) • Kloster Frumoasa • Kloster Hâncul (17. Jahrhundert) • Kloster Hârbovăț (18. Jahrhundert) • Kloster Hârjauca (18. Jahrhundert) • Kloster Hîncu (17. Jahrhundert) • Kloster Hirbovat • Kloster Japca (16. Jahrhundert) • Kloster Rudi (Rughi) mit der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit (18. Jahrhundert) • Saharna-Kloster (17. Jahrhundert) • Kloster Suruceni (18. Jahrhundert) • Kloster Tipova (16. bis 17. Jahrhundert) • Kloster Ulmu • Kloster Vărzărești (15. Jahrhundert); Klöster – Ansichten 2013

Sehenswerte Kirchen • Kathedrale von Drochia • Kathedrale von Chișinău • Dumitru-Kirche in Orhei • Kirche der Gewandlegung in Căușeni (15. Jahrhundert) • Höhlenkirche in Orheiul Vechi (17. bis 19. Jahrhundert) • Petrușeni (Holzkirche aus dem Jahr 1702)

Stilistische Einflüsse Aufgrund der wechselhaften Geschichte Moldawiens und anderer Einflüsse von aussen (Handelswe- ge) gibt es viele Einwirkungen auf die Gebäudestilistik. Im christlich-orthodox geprägten Moldawien, in dem sich Polen, Österreicher und Westukrainer niederliessen, gibt es viele Kirchen, die nach römisch- katholischem Vorbild errichtet sind, so die Domkirche des Heiligen Nikolaus in Bălți wie auch die ka- tholischen Kirchen in Camenca und in Chișinău. Der Klassizismus des 19. Jahrhunderts beeinflusste die Stile ebenso wie die Arbeiten armenischer Architekten – Kirche der Grablegung in Belgorod am Dnjestr (15. Jahrhundert), die Gottesmutter-Kirche (1803) in Chișinău und die armenischen Kirchen in Bălți (20. Jahrhundert) und Hîncești (19. Jahrhundert). Unter der Herrschaft des osmanischen Imperiums vom 15. bis zum 18. Jahrhundert wurden Kirchen oft heimlich gebaut. Die Kirche der Gewandlegung in Căușeni bildet ein Glanzlicht dieser Zeit. Zum Schutz vor Entdeckung gab man ihr ein unauffälliges Äusseres. Die Kirche wurde halb in den Boden eingegraben, später säkularisiert und zu einem Stall umfunktioniert. Die intensivste Gründungsperiode in der Geschichte der moldauischen Architektur ist das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts. In grosser Zahl wurden Kirchen, Kathedralen und Klöster gebaut, was auf die Stabilisierung der politischen Situation zurückzuführen ist. Russland war im Laufe des gesamten 19. Jahrhunderts bemüht, seinen Einfluss in Bessarabien zu festigen. So war man bestrebt, den russi- schen Stil in der Kirchenarchitektur durchzusetzen. Das Russische Reich sparte nicht an Geld für den Kirchenbau. Angesichts riesiger zur Verfügung stehender Geldsummen entstanden Perlen der Kir- chenarchitektur, wie die Kapelle des Mädchengymnasiums in Chișinău und das Ensemble auf dem ehemaligen Domplatz mit dem riesigen Kirchendom als Glockenturm.

Information Moldawien AWP Seite 18 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 3.3.1 Baptisten Als Baptisten werden die Mitglieder einer Familie von christ- lichen Freikirchen bezeichnet, zu deren besonderen Merkma- len die ausschliessliche Praxis der Gläubigentaufe gehört. Sie entstammen einer evangelikalen Tradition, und die meisten Baptisten fühlen sich heute noch diesen Prinzipien verpflich- tet; einige Gruppen werden jedoch eher als Mainline Church eingestuft. 3.3.1.1 Etymologie Die Bezeichnung Baptisten ist abgeleitet vom griechischen "baptizein", was „untertauchen“ und im übertragenen Sinne „taufen“ bedeutet. Wie bei vielen christlichen Glaubensge- meinschaften ist auch bei den Baptisten ein ehemaliger Spottname zur Konfessionsbezeichnung geworden. 3.3.1.2 Allgemeiner Überblick In rund 160 Ländern der Welt existieren Baptistengemeinden mit zirka 47 Millionen Mitgliedern. Konfessionsstatistiken rechnen die Kinder und die am Leben der Gemeinde teilneh- Titelseite des von Johann Ludwig Hinrichs 1840 menden Freunde hinzu, um die Zahlen mit denen von Volks- abgefassten „Glaubensbekenntniss der Evangeli- kirchen in etwa vergleichbar zu machen. Die meisten nationa- schen Taufgesinnten (Baptisten) Gemeinden len Baptistenunionen gehören zum Weltbund der Baptisten (Baptist World Alliance / BWA). Bedeut- same Ausnahmen sind hier unter anderem der seit 2004 ausgetretene US-amerikanische Bund der südlichen Baptisten (Southern Baptist Convention) mit ca 11 Millionen getauften Mitgliedern und die Rückwanderergemeinden der russlanddeutschen Baptisten mit ca 350.000 Mitgliedern. Die Zahl der Baptisten hat sich seit 1905 versiebenfacht. Die stärksten baptistischen Gruppen befinden sich in den USA, den Ländern der ehemaligen UdSSR sowie in Brasilien, Burma und in Indien. Der offizielle Na- me der deutschen Baptisten lautet seit 1941 Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutsch- land (BEFG). Dieser Gemeindebund bildet mit rund 85.000 getauften Mitgliedern (ohne Kinder und Freunde) in 862 Gemeinden die grösste Freikirche in Deutschland.

3.3.1.3 Lehre Ein wesentliches Merkmal der Baptisten ist nach wie vor ihre Ablehnung der Kindertaufe, welche nach ihrem Verständnis nicht dem biblischen Gebot entspricht. Stattdessen lassen sich Baptisten im ent- scheidungsfähigen Alter taufen. Getauft werden nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche. Daher lehnen die Baptisten den Begriff Erwachsenentaufe ab und sprechen lieber von Glaubenstaufe. Ein einheitliches baptistisches Glaubensbekenntnis existiert nicht. Grosse Übereinstimmung herrscht jedoch bei folgenden Prinzipien: • Für Lehre, Glauben und Leben ist die Bibel alleinige Richtschnur. • Das höchste Gebot stellt dabei die Nächstenliebe dar, wie Jesus Christus sie verkündet hat. Dar- aus folgen logischerweise alle anderen Gebote. Wer seinen Nächsten liebt, der bestiehlt oder tötet ihn nicht. • Die Gemeinde Jesu ist eine Schöpfung des Wortes Gottes. Die Verkündigung weckt, stärkt und korrigiert den Glauben des einzelnen Menschen und verlangt nach dessen Antwort. Die Verkündi- gung des Evangeliums ist die Voraussetzung dafür, dass ein Mensch zum Glauben kommt. Wer zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist, wird eingeladen, sich aufgrund seines persönlichen Bekenntnisses taufen zu lassen. • Nicht die Taufe, sondern der Glaube an Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist ist heilsentschei- dend. • Die örtliche Gemeinde der Glaubenden "verwaltet" das Wort und die von Jesus Christus eingesetz- ten Zeichen Taufe und Abendmahl. Sie delegiert diese Aufgabe an einzelne Gemeindemitglieder. • Grundsatz ist das Priestertum aller Gläubigen. Alle Handlungen, auch Taufe, Abendmahl und Pre- digt können von jedem Gemeindemitglied vollzogen werden. • Das Abendmahl wird einmal im Monat als Gedächtnismahl gefeiert. • Baptisten sehen in der Evangelisation die vordringlichste Aufgabe sowohl des einzelnen Gemein- demitglieds (Johann Gerhard Oncken: „Jeder Baptist ein Missionar!“) als auch der Gemeinde und ihrer regionalen und nationalen Zusammenschlüsse. Information Moldawien AWP Seite 19 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 • Baptisten treten weltweit für Glaubens- und Gewissensfreiheit des Menschen ein. Staat und Kirche sind zu trennen. Keine Religion darf vom Staat bevorzugt behandelt werden (siehe dazu: Thomas Helwys, Roger Williams und Julius Köbner, Das Manifest des freien Urchristentums von 1848). • Bei den Baptisten wird das Kreuz ohne Korpus dargestellt, da Jesus auferstanden ist, und dem- nach nicht mehr am Kreuz verehrt werden kann. Die Theologie der Baptisten ist in vielen Kirchen evangelikal. Einflüsse des Calvinismus (Bundestheologie), der Erweckungsbewegung, des Puritanismus (im angloamerikanischen Raum) und des Pietismus (im deutschsprachigen Bereich) sind deutlich wahrnehmbar, häufig auch Ideen des Dispensationalismus. Zwischen einzelnen Baptistenbünden sowie lokalen Gemeinden kann es aller- dings grosse Unterschiede geben.

3.3.1.4 Gottesdienst und Praxis Die Gestaltung der Gottesdienste unterliegt keiner bestimmten Liturgie, wird also von jeder Gemeinde individuell gehandhabt. Die Verkündigung des Wortes Gottes steht aber klar im Vordergrund. Meis- tens teilt sich der Gottesdienst in einen Einleitungsteil, der von Gemeindemitgliedern oder -gruppen gestaltet wird, und einen Predigtteil. Die Predigt kann durchaus auch von Laien gehalten werden. Die Musik ist oft modern. Einige Gemeinden sind charismatisch ausgerichtet. Ein wichtiges Element ist das offene Gebet der Gemeinde, bei dem jeder Gottesdienstbesucher die Möglichkeit hat, laut mitzu- beten. Vereinzelt wird dabei das Zungengebet praktiziert. Für Kinder wird parallel zum Gottesdienst die Sonntagsschule angeboten. Die Taufe geschieht durch vollständiges Untertauchen. Für die Tau- fe gibt es in den meisten Baptistenkirchen ein Baptisterium (Tauf- becken). Viele Baptistengemeinden taufen auch gerne in freien Gewässern. Im Allgemeinen kann man nur durch eine Glaubens- taufe Mitglied einer Baptistengemeinde werden, sie muss jedoch nicht in einer Baptistengemeinde vollzogen worden sein. Das Abendmahl betont die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit Jesus Christus. Eingeladen sind alle, die sich mit Gott und Menschen durch Jesus Christus versöhnt wissen. Es gilt die bibli- sche Mahnung: "Darum prüfe sich ein jeder selbst und esse so von Baptistische Taufe in der Weser diesem Brot und trinke aus diesem Kelch!" (1. Kor 11) Meist werden Teller mit gebrochenem Brot sowie Kelche mit Wein durch die Reihen gereicht. Häufig wird dabei aus Rücksicht auf Suchtkranke Traubensaft statt Wein gereicht. Auch andere Abendmahlsformen werden praktiziert. Baptisten kommt es nicht so sehr auf die äussere Form des Gottesdienstes an, als viel- mehr auf die intensive Gemeinschaft mit den anderen Gemeindemitgliedern und Jesus. Deshalb ist in vielen Gemeinden der anschliessende Kirchenkaffee oder sogar ein gemeinsames Mittagessen inzwi- schen obligatorisch. Gäste sind abgesehen von den Gemeindeversammlungen, wo über alle wichti- gen Fragen des Gemeindelebens entschieden wird, zu allen Veranstaltungen willkommen. Als Orte der persönlichen Begegnung gibt es Hauskreise. Diese bestehen aus etwa 8–10 Personen und treffen sich regelmässig (meist wöchentlich oder 14-täglich). Wichtig dabei sind persönliche An- teilnahme an den anderen Mitgliedern und gemeinsames Wachsen im Glauben. Hier kommt auch das "Priestertum aller Gläubigen" stark zum Ausdruck. 3.3.1.5 Organisation Die Baptistenkirchen sind kongregationalistisch organisiert, d.h. die einzelnen Gemeinden sind auto- nom. Auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene schliessen sich Baptisten jedoch in der Re- gel zu Arbeitsgemeinschaften, Vereinigungen und Bünden zusammen. Die lokale Gemeinde spielt je- doch im Selbstverständnis der Baptisten die entscheidende Rolle. Oft existieren in einer Stadt mehre- re Baptistengemeinden, die aus geschichtlichen, ethnischen, theologischen oder praktischen Gründen unterschiedlichen nationalen oder internationalen Zusammenschlüssen gehören. Es ist durchaus möglich, dass – zum Beispiel im Rahmen der Evangelischen Allianz – eine örtliche Baptistenkirche zu konfessionell anders geprägten Gemeinden intensivere Kontakte unterhält als zu den anderen Orts- gemeinden baptistischen Bekenntnisses. Die einzelnen Gemeinden finanzieren sich ausschliesslich durch freiwillige Spenden und Mitglieder- beiträge. Der deutsche Bund unterhält neben diakonischen Einrichtungen auch ein theologisches Se- minar in Wustermark-Elstal bei Berlin, in dem eigene Pastoren ausgebildet werden. Frauen können als Pastorin tätig sein. Die Generalsekretärin des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland ist Pastorin Regina Claas. Auch Absolventen einer Bibelschule bzw. eines evangelischen

Information Moldawien AWP Seite 20 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 oder katholischen Theologiestudiums können (nach einem Aufbaustudium, bzw. Kandidatenjahr) als Pastoren in den Gemeinden tätig werden. 3.3.1.6 Geschichte Die biblische Gültigkeit der Säuglingstaufe wurde bereits in vorreformatorischer Zeit – etwa durch die Waldenser – vehement in Frage gestellt. In der Reformationszeit waren es die so genannten Anabap- tisten bzw. Täufer, die die Taufe ohne vorangegangene Entscheidung verwarfen und ausschliesslich die Gläubigentaufe praktizierten. Aus dieser Bewegung gingen Gruppen wie die Mennoniten hervor. Auf den Britischen Inseln entwickelte sich eine eigenständige Reformation. 1529 kam es in England unter Heinrich VIII. zur Ablösung von der römisch-katholischen Kirche und der Gründung der nationa- len anglikanischen Kirche. Nach Heinrichs Tod machten sich auch hier die Auswirkungen der konti- nentalen Reformation bemerkbar – unter anderem in der Entwicklung des calvinistisch geprägten „Puritanismus“. Die Baptisten sind von diesen Entwicklungen stark geprägt worden. Sie dürfen jedoch nicht als Teil der kontinentaleuropäischen oder englischen Reformation und auch nicht als Teil der reformatori- schen "Wiedertäufer" gesehen werden. Die eigentliche Geschichte der Baptisten beginnt erst ca. 50 bis 70 Jahre später. 3.3.1.7 Religions- und Gewissensfreiheit Baptisten waren von Anfang an engagierte Vertreter der Religionsfreiheit. Das erste baptistische Glaubensbekenntnis von 1610 erklärt, dass Jesus Christus „das Amt der weltlichen Regierung nicht mit den Ämtern seiner Kirche verbunden hat“. 1639 wurde in der von Baptisten besiedelten Kolonie Rhode Island – als erstem Land der Welt – völlige Religionsfreiheit garantiert. Neben den Quäkern setzten sich Baptisten dann später (1777) für die Aufnahme der Religionsfreiheit in die Verfassung der Vereinigten Staaten ein. In Deutschland vertrat Julius Köbner mit seinem Manifest des freien Urchris- tentums ähnliche Überzeugungen.

3.3.1.8 Bekannte Baptisten in Auswahl Geistliche / Theologen Künstler und Literaten - John Bunyan, Verfasser von Pilgerreise zur - Johnny Cash, Country-Sänger seligen Ewigkeit) - Thomas A. Dorsey, Gospel-, Soul, und - Charles Haddon Spurgeon Bluessänger, Pianist - Martin Luther King - Aretha Franklin, Gospel-, Soul, und Blues- - Jesse Jackson, amerikanischer Bürgerrecht- sängerin ler, Gründer der Rainbow Coalition - John Grisham, Schriftsteller - Billy Graham, weltweit bekannter Prediger - Mahalia Jackson, Gospelsängerin - August Rauschenbusch, Theologe - Brian Littrell, Sänger - Walter Rauschenbusch, Begründer des So- - Otis Redding, Soulsänger zialen Evangeliums - Helge Stadelmann, Theologe und Rektor Sonstige der Freien Theologischen Akademie - John D. Rockefeller, US-amerikanischer In- - Johann Gerhard Oncken, Begründer der dustrieller deutschen und kontinentaleuropäischen - Peter C. Dienel, Theologe und Soziologe, baptistischen Bewegung Erfinder des Bürgerbeteiligungsverfahrens Planungszelle Politiker - Frank País, kubanischer Revolutionär - Abraham Lincoln, 16. Präsident der USA - Ben Wallace, Afroamerikanischer NBA- - Harry S. Truman, 33. Präsident der USA Profi, der 2004 NBA-Champion wurde. - Jimmy Carter, 39. Präsident der USA - Bill Clinton, 42. Präsident der USA - Levy Mwanawasa, Präsident von Sambia - Olusegun Obasanjo, Präsident von Nigeria - Tommy Douglas, Premierminister von Saskatchewan (1944-66)

Information Moldawien AWP Seite 21 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 4 Politik Bei den Wahlen 2001 bekam die Kommunistische Partei der Republik Moldawien (PCRM – Partidul Comuniștilor din Republica Moldova) unter Vladimir Voronin 50,1 % der Stimmen, aber aufgrund der Sperrklausel (die Hürde beträgt 6 %) gegen Kleinparteien 71 von 101 Mandaten. Sie konnte somit an die Macht zurückkehren, Voronin wurde vom Parlament zum Präsidenten gewählt. Diesen Erfolg hat- ten die Kommunisten vor allem den verarmten Bevölkerungsschichten zu verdanken. Bei den Wahlen am 6. März 2005 verlor die PCRM zwar leicht, konnte aber mit 46,1 % der Stimmen und 56 Sitzen ihre absolute Mehrheit im Parlament behaupten. Zweitstärkste Partei wurde der neu gegründete Wahlblock Demokratisches Moldawien unter Führung des Bürgermeisters der Hauptstadt Chișinău, Serafim Urecheanu, mit 28,4 % der Stimmen und 34 Sitzen. Eine weitere Oppositionspartei, die Christlich-Demokratische Volkspartei unter Iurie Roșca, kam auf 9,1 % der Stimmen und elf Sitze. In der Republik Moldau wird der Präsident vom Parlament gewählt, er benötigt eine Mehrheit von 61 Stimmen. Bei den Präsidentschaftswahlen vom 4. April 2005 konnte der amtierende Präsident Vladi- mir Voronin 75 Stimmen auf sich vereinigen und damit eine zweite Amtszeit antreten. Trotz gegenteili- ger Ankündigungen unterstützte die christlich-demokratische Oppositionspartei PPCD nach verschie- denen „Verrenkungen“ den Kommunisten Voronin und verhalf ihm zu der nötigen Mehrheit.

Ein die moldauische Politik beherrschendes Thema ist der Umgang mit den separatistischen Regio- nen Transnistrien und Gagausien. Während Gagausien einen von der moldauischen Regierung angebotenen Autonomiesta- tus akzeptierte, gestalten sich die Verhandlungen mit Transnistrien wesentlich schwieriger. Nach den bewaffneten Auseinandersetzungen 1992 etablierte sich in Tiraspol ein De- facto-Regime um , welches das Gebiet jenseits des Dnister kontrolliert und dort eigene Verwaltungsstrukturen aufgebaut hat. Der Verhandlungsprozess zwischen der Regie- rung in Chișinău und in Tiraspol gestaltet sich schwierig, so dass Beobachter von einem „frozen conflict“ sprechen.

Der Transnistrien-Konflikt ist nicht nur eine Auseinanderset- Demonstration der PPCD in Chișinău im Jan.02: zung zwischen Eliten in Chișinău und Tiraspol oder zwischen „Rumänisches Volk – Rumänische Sprache“ verschiedensprachigen Bevölkerungsteilen; er hat daneben auch eine geostrategische Dimension um den Einfluss der Grossmächte USA und Russland in Südosteuropa. Durch diese internationale Di- mension wird eine Lösung des Konflikts ausserordentlich erschwert. Die Verhandlungsbemühungen in den letzten 20 Jahren scheiterten trotz oder wegen internationaler Vermittlungsbemühungen Russ- lands, der Ukraine, der USA, der Europäischen Union oder der OSZE immer wieder daran, dass jede Seite bemüht war, nicht zu viel nachzugeben, und daher mit Hilfe der Verbündeten eine Konfliktlösung blockierte. So bei den Verhandlungen über die als Kozak-Plan bekannte Initiative der Russischen Fö- deration, welche die Bildung eines Bundesstaates auf dem Territorium der Republik Moldau vorsahen, die im November 2003 scheiterten. Moldauische Regierungskreise sahen in dem Abkommen zu viele Vorteile für Transnistrien. Manche Beobachter gehen auch davon aus, dass die Eliten auf beiden Sei- ten nicht an einer Konfliktlösung interessiert sind, sondern am Erhalt des Status quo, der beiden Sei- ten Einnahmequellen erschliesst. Im August 2008 wurde dem Konflikt wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt, denn Transnistrien fror am 12. August alle Kontakte zur Regierung in Chișinău ein, da „der klare und starke Ausdruck Moldawiens fehle, die Aggression Georgiens gegenüber Südossetien und Abchasien zu verurteilen.“ Am 26. August warnte Russlands Präsident Dmitri Medwedew Moldawiens Staatschef Voronin vor ei- ner militärischen Lösung des Konflikts nach georgischem Vorbild. „Der Krieg um Südossetien sei eine Warnung an alle.“ Nach den Wahlen 2009 kam es am 7. April zu Ausschreitungen von Zehntausenden in Chișinău. Die kommunistische Partei hatte 49,9 % der Stimmen erhalten und im Parlament eine absolute Mehrheit. Die Opposition warf daraufhin der Regierung Wahlbetrug vor. Es kam zu einer Wiederholung der Wahlen im Juli 2009 (siehe Parlamentswahl in Moldawien Juli 2009). Bei dieser Wahl erreichten die Oppositionsparteien PLDM, PL, PDM und AMN eine Mehrheit der Stimmen und einigten sich auf die Bildung einer Regierung, deren Regierungsprogramm wirtschaftliche Reformen und eine Annäherung an EU und NATO vorsah. Aufgrund der Querelen zwischen den nun oppositionellen Kommunisten und der Regierungskoalition scheiterte die Wahl des Staatspräsidenten im Parlament erneut in mehre- ren Anläufen, weshalb eine Neuwahl des Parlaments für November 2010 anberaumt wurde. Die Re- gierungskoalition, insbesondere die PLDM, konnte deutlich an Stimmen hinzugewinnen und stellte Information Moldawien AWP Seite 22 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 damit auch weitherin mit Vlad Filat den Ministerpräsidenten. In dieser Funktion wurde er im März 2013 von seinem Parteikollegen Iurie Leancă abgelöst. Am 16. März 2012 wurde Nicolae Timofti nach einer insgesamt 917 Tage währenden Interimsphase zum Präsidenten der Republik Moldawien gewählt. Am 30. November 2014 fand eine Parlamentswahl statt. Nach Auszählung aller Stimmen erhielten in Prozent und Mandaten (in Klammern): Die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (rumänisch: Partidul Socialiștilor din Republica Moldova, PSRM) 20,51 % (25), die Liberaldemokratische Partei Moldawiens (Partidul Liberal Democrat din Moldova, PLDM) 20,16 % (23), die Partei der Kommunis- ten der Republik Moldau (Partidul Comuniștilor din Republica Moldova, PCRM) 17,48 % (21), die De- mokratische Partei Moldawiens (Partidul Democrat din Moldova, PDM) 15,80 % (19) und die Liberale Partei (rumänisch Partidul Liberal, PL) 9,67 % (13). Die proeuropäischen Kräfte aus PLDM, PDM und PL erhielten somit eine deutliche Mehrheit von 55 gegenüber den prorussischen aus PSDM und PCRM mit 46 Sitzen. Die Wahlbeteiligung betrug 55,86 %. Das vom Ministerpräsidenten Iurie Leancă vorgestellte Kabinett erhielt bei einer Vertrauensabstim- mung am 12. Februar 2015 lediglich 41 der 51 erforderlichen Stimmen. Sechs Tage später wurde schliesslich das Kabinett von Chiril Gaburici (PLDM) angenommen. Dieses umfasst insgesamt 15 Mi- nisterien, wobei die Besetzung der Regierung Gaburicis sich nicht vom Vorschlag Leancăs unter- scheidet. Der neue Premierminister Gaburici versicherte, dass er den zuvor bereits eingeschlagenen proeuropäischen Kurs weiterverfolgen werde.

Am 13. Juni 2015 gab Chiril Gaburici das Ministerpräsidenten- amt auf. Es hatte sich herausgestellt, dass sein Abiturzeugnis gefälscht war. Knapp einen Monat später übernahm der PLDM-Vizepräsident Valeriu Strelet das Ministerpräsidentenamt. Nach eigenen An- gaben haben „die Wiederherstellung des Dialogs mit Entwick- lungspartnern und des Abkommens mit dem IWF“ für ihn oberste Priorität. Auch die europäische Mission zur Justizre- form in der Republik Moldau möchte er vorantreiben. Hierfür seien Strelet zufolge Umstrukturierungen in zahlreichen Institu- „Weg mit den Oligarchen“: einer der Slo- tionen nötig. Darüber hinaus möchte der Premierminister sich gans bei den Protesten am 6. Sept. 2015. auch besonders dem Banken- und Finanzsektor widmen. Im April 2015 war bekannt geworden, dass drei wichtige moldauische Banken in dubiose Geschäfte verwickelt waren: Sie hatten im November 2014 Kredite von im Wert insgesamt 750 Millionen US-Dollar (685,62 Mio. Euro) gewährt, deren Spu- ren sich allerdings bei Off-Shore-Banken verloren. Soziale Probleme wie Strom- und Gaspreise ste- hen ebenfalls auf Strelets Agenda. Am 6. September 2015 demonstrierten zwischen 50.000 und 100.000 Menschen in der Hauptstadt. Die Bürgerplattform „Würde und Gerechtigkeit“ fordert den Rücktritt des Präsidenten Timofti, dessen Amtszeit 2016 endet, und der Führung von Zentralbank und Generalstaatsanwaltschaft sowie die Rückkehr auf den Weg der europäischen Integration. Einige Demonstranten begannen mit der Errich- tung von Zelten. Die Proteste, die schnell als „Maidan“ bezeichnet wurden, waren in zwei Lager unter- teilt – ein proeuropäisches und ein prorussisches. Gemeinsam waren ihnen die Forderung nach Neu- wahlen und der Verurteilung von korrupten Oligarchen. Zwischen den unterschiedlichen protestieren- den Gruppen kam es jedoch auch zu Ausschreitungen, so am 13. September zwischen Anhängern von „Würde und Gerechtigkeit“ und einer grossrumänischen Gruppe. Am 29. Oktober 2015 sprach das Parlament Ministerpräsident Streleț sein Misstrauen aus. Bei der Suche nach einem Nachfolger Strelețs stürzte das Land im Januar 2016 in eine Verfassungskrise: Präsident Timofti lehnte den von der Demokratischen Partei vorgeschlagenen Kandidaten Vladimir Plahotniuc aus "Gründen der Integ- rität" ab. Die Regierungskoalition beharrte mehrere Tage lang auf dem Oligarchen Plahotniuc, bis sie schliesslich Technologieminister Pavel Filip als Ersatzkandidaten nominierte. Die Angelobung Filips führte erneut zu Massenprotesten.

Information Moldawien AWP Seite 23 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 5 Verwaltungsgliederung Das Gebiet Moldawiens ist in fünf Munizipien (Municipalități; Singular Municipiu) und 32 Rajons (Raioane; Raion) unterteilt. Daneben gibt es ein autonomes und ein abtrünniges Gebiet: Munizipien: Bălți, Chișinău, , Tighina, Tiraspol

Autonome Gebiete: Gagausien, Transnistrien

Rajons Anenii Noi, Basarabeasca, Briceni, Cahul, Can- temir, Călărași, Căușeni, Cimișlia, Criuleni, Don- dușen, Drochia, Dubăsari, Edineț, Fălești, Flo- rești, Glodeni, Hîncești, Ialoveni, Leova, Nispore- ni, Ocnița, Orhei, Rezina, Rîșcani, Sîngerei, So- roca, Strășeni, Șoldănești, Ștefan Vodă, Taraclia, Telenești, Ungheni

Bis zum Februar 2003 war Moldawien in drei Munizipien, neun Kreise (Județe; Județ) sowie je ein autonomes und ein abtrünniges Gebiet unter- teilt: Munizipien: Bălți, Chișinău, Tighina Verwaltungsgliederung Moldawiens Gebiete: Gagausien, Transnistrien

Bezirke: Județul Bălți, Județul Cahul, Județul Chișinău, Județul Edineț, Județul Lăpușna, Județul Orhei, Județul Soroca, Județul Tighina, Județul Ungheni

Information Moldawien AWP Seite 24 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 6 Infrastruktur

6.1 Luftverkehr Der Aeroportul Internațional Chișinău (IATA-Code: KIV) ist der einzige internationale Flughafen Mol- dawiens. Von dort gibt es Direktflüge nach Wien, Istanbul, Moskau, Timișoara, Budapest, Bukarest, Paris, Frankfurt am Main, München und Rom. Ein seit Anfang 2003 andauernder Konflikt im Luftfahrt- sektor konnte beigelegt werden. Die Wiederaufnahme von Direktflügen zwischen Frankfurt am Main und Chișinău erfolgte im Juli 2005, sie werden von Air Moldova (IATA-Code: 9U) und dem deutschen Codesharing-Partner Cirrus Airlines durchgeführt.

6.2 Eisenbahn Das Eisenbahnnetz hat eine Länge von 1190 km und ist in 1520-mm-Breitspur ausgeführt. Es gibt keine elektrifizierten Strecken, der Verkehr wird mit Dieseltriebfahrzeugen durchgeführt. Im Moment gibt es im internationalen Personenverkehr direkte Verbindungen u. a. nach Bukarest, Warschau, Moskau, Istanbul und Sankt Petersburg. Der inländische Bahnverkehr ist wegen des sehr geringen Angebots unbedeutend.

6.3 Schifffahrt Mit dem Zugang zu Dnister und Pruth verfügt das Land über wichtige Binnenwasserstrassen. Am nur wenige hundert Meter breiten Zugang zur Donau entsteht der Hafen Giurgiulești.

Information Moldawien AWP Seite 25 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 7 Wirtschaft

7.1 Allgemein Moldawien lebt vor allem von der Landwirtschaft sowie von der damit verbundenen Industrie. Das Kli- ma begünstigt Obst- und Weinbau. Wein ist neben Branntwein und Konserven (Obst/Gemüse) ein Hauptexportartikel, dazu kommen Textilerzeugnisse und kleinere Elektroartikel. Die hohe Luftqualität verdankt das Land dem Umstand, dass es kein Industriestaat ist.

7.2 Wirtschaftsentwicklung Vor seiner Unabhängigkeit Anfang der 1990er Jahre war Moldawien eine der wohlhabendsten Sowjet- republiken. Seit 1992 hat sich infolge des ungelösten Transnistrien-Konflikts die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert. 2002 betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 1,5 Milliarden Euro. Der durch- schnittliche Monatslohn stieg von 30 Euro (ca. 465 Lei) im Februar 2003 auf 102 Euro (ca. 1.695 Lei) im Jahr 2006, Pensionisten bekommen im Schnitt 12 Euro im Monat. Um das Existenzminimum zu decken, waren 2003 mindestens 100 Euro nötig. Hierbei ist aber die enorme Bedeutung der Schat- tenwirtschaft zu beachten, durch die das tatsächliche Einkommen Vieler teilweise enorm gesteigert wird. Die offiziellen Statistiken sind daher nur begrenzt aussagekräftig. In Moldawien gilt in der Regel eine Mehrwertsteuer von 20 %. Einige Lebensmittel, wie z. B. Brot oder Milch, aber auch Gas oder der Postversand, sind mit einer ermässigten Steuer von 8 % belegt. Seit 2012 wächst die Wirtschaft Mol- dawiens stark an. Seit 2014 dürfen die Bürger Moldawiens sich visafrei in der EU bewegen. Die Euro- päische Union hat Moldau umfangreiche Finanzhilfen zugesagt. Moldawien ist einer der ärmsten Staaten Europas, mit einem BIP von unter 2.000 Dollar pro Kopf das wirtschaftsschwächste Land in Europa. Ein Viertel der Bevölkerung ist daher ins Ausland abgewan- dert; von dort überweisen diese Emigranten Geld nach Moldawien, das in der Summe mehr ausmacht als dessen BIP.

7.3 Aussenhandel Das Land exportiert vor allem Nahrungs- und Genussmittel (v. a. Wein) sowie Textilien und Maschi- nen. Die wichtigsten Zielländer sind Russland 35,8 %, Italien (13,9 %), Rumänien (10 %) und Deutschland (7,3 %). Die bedeutendsten Partner auf der Importseite sind die Ukraine (24,6 %), Russ- land (12,2 %), Rumänien (9,3 %) und Deutschland (8,5 %). Am 27. März 2006 hat die russische Regierung ein Verbot für den Import von moldauischen und geor- gischen Weinprodukten in Kraft gesetzt. Das Verbot, das nach Verstössen gegen die Gesundheitsvor- schriften (zu hohe Schadstoffbelastungen) auf Bitten des Obersten Hygienearztes Gennadi Grigorje- witsch Onischtschenko erfolgt sein soll, führte zu heftiger Kritik seitens der betroffenen Weinproduzen- ten in Moldawien und Georgien. Etwa 82 % des gesamten moldauischen Weinexports geht nach Russland, das damit der wichtigste Exportpartner für moldauischen Wein ist. Gegen Ende 2006 wurde das Importverbot für moldawische Weine wieder aufgehoben.

7.4 Staatshaushalt Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben in Höhe von umgerechnet 2,1 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von 1,75 Mrd. US-Dollar gegenüber. Das entspricht einem Defizit von 6,5 % des BIP. Die Staatsverschuldung betrug 2009 1,7 Mrd. US-Dollar oder 31,3 % des BIP. 2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) in den folgenden Bereichen: • Gesundheit: 9,4 % • Bildung: 7,6 % • Militär: 0,4 % (2005)

Information Moldawien AWP Seite 26 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 8 Moldawische Küche Die moldauische Küche ist eine Landesküche, welche neben der Rumänischen Landesküche die Esskultur der Moldauer fortführt. Am Westufer des Schwarzen Meeres gelegen, wirkten hier seit der Antike verschiedene Einflüsse aus benachbarten Regionen durch Handel und Krieg. Anfangs noch Einflüsse der Hellenen und Waräger waren es später die der Griechen, Byzantiner und Türken im Osmanischen Reich, welche die Küche vom Süden her veränderten. Vom Norden her wirkte vor allem der Einfluss Russlands und der Ukraine. Ob und inwieweit sich die Landesküche in der heutigen Republik Moldau von der im rumänischen Teil des ehemaligen Fürstentums Moldau unterscheidet, ist umstritten. Einerseits fusst die Kochkunst in beiden Regionen auf den gleichen historischen Grundlagen. Andererseits konnten insbesondere rus- sische, ukrainische und gagausische Einflüsse nach dem Zweiten Weltkrieg in der moldauischen ASSR stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Küche nehmen.

8.1 Typische Produkte und Zutatenn Da die moldauische Küche sehr einheitlich und selbstständig ist, dominieren einige Bestandteile die meisten Nationalgerichte. Für die Zubereitung verwendet man oft Schafskäse und Mais. Als Brynsa wird ein Schafskäse in Salzlake hergestellt, der nur sieben bis zehn Tage reift. Obwohl der Mais erst im 17. Jahrhundert in der Region verbreitet wurde, gilt er seit dem 18. Jahrhundert als Nationalgericht. Er wird zu Brei, Suppen und Süssspeisen verarbeit. Für die Brotzubereitung wird jedoch typischer- weise Weizenmehl und kein Maismehl verwendet. Angesichts der fruchtbaren Böden entwickelte sich der Gemüseanbau stärker als in benachbarten Regionen. So werden heute fast alle Gemüsesorten angebaut, aber für die Landesküche nur einige davon verwendet. Neben Melonenkürbissen, Auberginen, Paprika und Tomaten sind das vor allem Hülsenfrüchte wie Linsen, weisse Bohnen und grüne Bohnen. Die Hülsenfrüchte verarbeitet man häu- fig zu Pürees und Muse, welche als Beilage gegessen werden. Als Besonderheit gegenüber anderen Landesküchen gilt, dass Gemüse und Hülsenfrüchte häufig mehr als die Hälfte eines Gerichts ausma- chen. Kennzeichnend für die moldauische Küche ist bei Fleischgerichten die Verbindung von Rotwein und Tomatensaft. Das Fleisch von Schwein, Rind, Schaf und Geflügel wird dabei überwiegend zu Ragouts verarbeitet oder auf dem Grill gebraten. Neben den starken Einflüssen der türkischen Küche bei den Süssspeisen gilt in der moldauischen Kü- che die Zubereitung mit Traubenmost als Spezialität. Vor der weiteren Verarbeitung kocht man die Früchte in ungekeltertem Traubensaft.

8.2 Traditionelle Gerichte

8.2.1 Vorspeisen Typische Vorspeisen sind leicht säuerliche Suppen wie Tschorba, eine Fleischsuppe mit Kwass, Sa- ma, eine Geflügelsuppe mit Ei oder Ciorba de Potroace (Suppe aus Geflügelinnereien). Auf der Basis von Schafsmolke wird eine fleischlose Suppe gekocht, die man Syrbuschka nennt.

8.2.2 Hauptspeisen Bekannte Gerichte aus Fleisch sind zum Beispiel Drob (mit Hammelinnereien gefüllte Teigtaschen oder Wickel aus Bauchfell), Grillwürstchen wie Mititej aus Rindfleisch oder Kyrnizej aus Schweine- fleisch und Musaka. Als Spezialität gilt Muschka, ein gepökelter und geräucherter Schinken oder Rin- derkeule. Hackfleischgerichte wie Parjoale (Klösschen aus Kalbfleisch) oder Kifteluze (aus Rind- fleisch) ergänzen das Angebot. Für die Gemüsegerichte werden meist dieselben Saucen verwendet, während die sonstigen Zutaten nach Region und Jahreszeit variieren. Die klassischen moldauischen Saucen sind:

• Salamur - eine Salzlake aus Kochsalz mit Koriander, Piment, Nelke und Lorbeer • Mushdej - eine Knoblauchsauce mit Fleischbrühe • Skordolja - eine Knoblauchsauce mit Essig und Öl, die mit Walnüssen und Weissbrot gebunden wurde

Information Moldawien AWP Seite 27 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Daneben werden häufig Marinaden mit Tomatensaft und Saurer Sahne verwendet. Als typische Eierspeise wird Skrob zubereitet. Dabei handelt es sich um ein Omelett ohne Mehl, aber häufig mit Schafskäse und anderen Zutaten, welches im Ofen gebacken wird. Ein typisches Maisge- richt Moldaus ist Mamalyga, ein Maisbrei, der ähnlich wie Polenta verwendet wird. Durch die russische Küche beeinflusst sind auch verschiedene Pasteten und Küchlein wie Piroggen verbreitet. Typische Varianten sind Pletschina aus gebackenem Nudelteig und Wertuta, die kleiner hergestellt werden. Daneben ist Wersere verbreitet, bei denen Piroggenteig mit einer Krautfüllung zu- bereitet wird.

8.2.3 Desserts Moldawische Desserts und Süssspeisen werden sehr oft aus einem dicklichen, ungeklärten und unge- filterten Traubensaft zubereitet. Auch Pelti, eine Konfitüre aus Beeren und Fruchtsaft, ist eine beliebte Grundlage für moldawische Desserts. Ausserdem gibt es eine grosse Auswahl an Gebäck sowie Süs- sigkeiten aus Nussnougat. Als Chalwa bzw. Alwiza ist das türkische Halwa in Moldawien sehr verbrei- tet.

Information Moldawien AWP Seite 28 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 9 Weinbau Der Weinbau in Moldawien hat eine lange Tradition, ähnlich wie der in den Nachbarländern Rumäni- en und Ukraine (Krim). In Moldawien existieren günstige geologische und klimatische Voraussetzun- gen für den Weinbau. Der Anteil trockener Weine ist im Vergleich zu benachbarten Gebieten recht hoch und somit könnte der internationale Geschmack getroffen werden, dennoch führen die Weine nach wie vor ausserhalb der Region ein Schattendasein. Es werden international bekannte Rebsorten angebaut, aber die Qualität erreicht nicht immer die gewohnten Standards. Die Abgelegenheit der Re- gion trägt nicht gerade zur Internationalisierung bei. Moldawien ist offizieller Mitgliedsstaat der Organi- sation Internationale de la Vigne et du Vin und der zehntgrösste Weinproduzent der Welt. Bekannte Weissweine sind Dnestrowskoje, Gratijeschty (Grătiești) und Trifeschty (Trifești); Negruy de Purkar (Negru de Purcari; mit dem bestimmten Artikel: Negrul) ist ein bekannter Rotwein. Traditionell finden sich in der Region auch einige bekannte süsse Dessertweine.

9.1 Rebsorte Im Jahr 2007 waren 147.000 Hektar Rebfläche mit vielen verschiedenen Rebsorten bestockt. Seit 2004 hat sich die Gesamtrebfläche (mit Erzeugung von Tafeltrauben, Rosinen etc.) nicht verändert. Mit einer Exportmenge von 1,5 Millionen hl zählt das Land zu den 12 wichtigsten Weinexportländern 2007. Neben vielen autochthonen Rebsorten wie beispielsweise Saperavi, Rkatsiteli, Flori - Kagor, Kagor, Zamfira, Feteasca Albă, Fetească Muskatnaia und Fetească Regală sind auch überregionale Rebsor- ten weit verbreitet, wie beispielsweise Aligoté, Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Malbec, Merlot und Müller-Thurgau. Daneben gibt es auch noch einen nennenswerten Anteil an Direktträgersorten der Gattung Vitis labrusca, wie zum Beispiel Isabella, Concord oder Lydia. 70 Prozent der Produktion entfällt auf zur Herstellung von Weisswein, 24 Prozent auf zur Herstellung von Rotwein und 6 Prozent für Verarbeitungswein. Der Anteil der Herkunft der Rebsorten liegt mittler- weile bei 70 Prozent aus europäischen Rebsorten 14 Prozent regionale kaukasische und 16 Prozent autochthonen Sorten.

9.2 Weinbauregionen

9.2.1 die Weinbauregionen in Moldawien Moldawien kann in vier agrarkulturelle Zonen mit unterschiedlichem Kli- ma unterteilt werden: Norden, Zentrale Region, Süden und Südosten. Al- le diese Regionen verfügen über eigene industrielle Weinproduktionen aus der Sowjetzeit, mit Ausnahme des Nordens, wo sich die Weinher- stellung auf privater Basis gehalten hat. Dort haben sich auch viele au- tochthone Rebsorten über Generationen erhalten. Die vier Weinbauregi- onen sind: • Bălți im Norden • Codru (zentrale Region) • Nistreana im Südosten • Cahul im Süden Die Aufteilung Moldawiens in diese Hauptregionen zur Traubenproduktion wurde 1954 nach komple- xen Studien von Professor P.I.Ivanov vorgenommen. Diese Studien untersuchten die nördliche Zone (Bălți) – Sculeni-Bălți-Florești-Soroca umfassend, die zentrale Zone (Codru) – Leova-Cimișlia-Tighina umfassend, die südliche Zone (Cahul) die das ganze Territorium zwischen Preuss, Donau und Nister einschliesst und die südöstliche Zone (Nistreana) – Transnistrien, von Kamenka bis Slobozia. Als Ergebnis dieser Studie konnte eine Einteilung in Unterregionen vorgenommen werden. Diesen Makrozonen konnten dann die optimalen Rebsorten zur Erzeugung von Weiss- und Rotwein für Kon- sumqualität, sortenreinen Qualitätsweinen und Weinen mit Jahrgangsbezeichnung, fortifizierte (Likör-) Weine und zur Destillation geeigneter Weine zugeordnet werden, die das Potenzial zu charakteristi- schen Endprodukten aufwiesen. Diese Aufteilung ist im Weingesetz von Moldawien über vermark- tungsfähige Weine und Rohmaterialien zur Weinbereitung festgeschrieben, das am 2. Juli 1994 unter der Gesetzes-№ 132-XIII vom Parlament verabschiedet wurde.

Information Moldawien AWP Seite 29 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Die in diesen Regionen ansässigen Kellereien bestätigen durch ihre Qualitätsarbeit und das Potenzial ihrer Weine diese Eintei- lung. So z. B. Mîndrești und Inești im Rajon Telenești, Pereseci- na im Rajon Orhei, Manta im Rajon Cahul, Băcioi, Mileștii Mici und Durlești im Munizip Chișinău, Ciumai und Albota im Rajon Taraclia, Raskov und Camenca im Rajon Glodeni, Tigheci und Leova im Rajon Leova, Cărpineni und Minjir, Lăpușna sowie Stolniceni im Rajon Hîncești, Vărzărești, Jurceni, Nisporeni und Grozești im Rajon Nisporeni, Trifești und Cebalakcia im Rajon Rezina, Talmaza, Tudora und Carahasani im Rajon Ștefan Weinkeller der Mileștii Mici Vodă, Sălcuța im Rajon Căușeni, Tighina in Transnistrien, Basa- rabeasca im Rajon Basarabeasca und Cimișlia im Rajon Cimișlia sowie viele andere. 9.2.1.1 Bălți Im Norden ist weniger die grossagrarische Traubenproduktion als die handwerklich orientierte Wein- bereitung verbreitet. Es gibt keine dominierenden Grossbetriebe. Die Region produziert Trauben für die Weinbrandbereitung, für fortifizierte Weine und teilweise für Tafelweine bzw. für den Eigenver- brauch bestimmte Weine. Es werden überwiegend weisse Rebsorten kultiviert: Aligoté, Pinot blanc, Fetească albă und Traminer. 9.2.1.2 Codru Codru ist von bewaldeten, schwer durchdringlichen Bergen umgeben. Durch diese Berge werden die Weinberge vor Winterfrösten und sommerlicher Austrocknung geschützt, welche für das kontinentale Klima Moldawiens charakteristisch sind. Dies begünstigt die Kultivierung weisser Reben zur Vinifizie- rung von leichten, frischen Alltagsweinen. Neuerdings werden Cuvées bevorzugt, in denen Säure und Süsse gut ausbalanciert sind, und deren Frucht hervorsticht. Codru ist die am weitesten entwickelte industrielle Region Moldawiens. 60 % der moldauischen Reb- flächen sind hier angesiedelt, ebenso wie die Mehrheit der Weinkellereien und Abfüllbetriebe. Einige der bekanntesten Kellereien Moldawiens sind hier beheimatet: Cricova, Mileștii Mici, Aroma und Bra- nesti. Die Muschelkalkhöhlen, auf denen Chișinău erbaut ist, sind durch ihre gleichmässige Feuchtig- keit von 80 % rel. Feuchte und eine kaum schwankende Jahresdurchschnittstemperatur von 12–14 °C in der Lage, bei idealen Verhältnissen Abermillionen von Flaschen zu lagern. Die umfangreichste Weinsammlung beherbergt die Kellerei Cricova, wo seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter an- derem Teile von Hermann Görings Weinsammlung gelagert werden. Besonders stolz ist man auf das einzige noch erhaltene Exemplar von Mogit Davids Oster-Wein aus dem Jahr 1902. Die Vielzahl der Mikroklimazonen dieser Region erlaubt die Produktion einzigartiger Weine mit der kontrollierten Ursprungsbezeichnung „Codru“. Hier liegt auch die Românești-Kellerei des früheren Romanow-Besitzes. In der Hâncești-Mikrozone werden bereits seit mehr als 100 Jahren Weine aus Cabernet-Sauvignon und Merlot erzeugt. Die besten dieser Weine stehen Bordelaiser „Chateau“- Weinen nicht nach und haben bereits mehrfach höchste Auszeichnungen auf internationalen Wettbe- werben erhalten. 9.2.1.3 Nistreana oder Purkari-Region Die südöstlich gelegene Region Purcari (Purkari) erstreckt sich entlang des westlichen Nister-Ufers, und dort liegt auch die purkarische Hauptkellerei. Diese ist bekannt für ihre Rotweine Roșu de Purcari und Negru de Purcari. Das Klima begünstigt die Kultivierung roter Rebsorten: Merlot, Cabernet Sau- vignon und Rara neagră, die zu Weinen mit Lagerungs- bzw. Alterungspotenzial ausgebaut werden (Bordelaiser Stil). Sie zeichnen sich durch ihre Aromen von schwarzen Johannisbeeren und Veilchen, mit Anklängen an Leder, aus und werden durch Lagerung im kleinen Eichenholzfass (→ Barrique) ab- gerundet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden purkarische Weine auch an den englischen Kö- nigshof geliefert. 9.2.1.4 Cahul Die südliche Weinbauregion Moldawiens schliesst das Territorium des Budschak (Bugeac) ein. „Bud- schak“ bedeutet Winkel und steht für die dreieckige Form des Landstücks zwischen Pruth, Nister und Schwarzem Meer. Moldawiens Süden und der Budschak unterscheiden sich aber bezüglich Boden und Klima. Das Terroir der südlichen Region ist ideal zur Herstellung von Rotweinen und Süssweinen. Die renommiertesten Kellereien sind Comrat, Taraclia, Ciumai und Trifești.

Information Moldawien AWP Seite 30 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 9.3 Geschichte des Weinbaus in Moldawien

9.3.1 Von den Anfängen bis zur Osmanenherrschaft Die Traubenproduktion hat in Moldawien eine sehr lange Geschichte. Der Weinbau in der Region zwi- schen der Nister und der Pruth begann vor etwa 5000 Jahren. Abdrücke von Rebenblättern (Vitis teu- tonica) wurden in der Nähe des Dorfes Naslavica im Norden Moldawiens gefunden. Hieraus konnte geschlossen werden, dass Reben in dieser Region schon vor 6 bis 25 Millionen Jahren unkultiviert vorkamen. In der Nähe des Dorfes Varvarovca wurden Traubenkerne gefunden, die in die Zeit um 2800 v. Chr. zu datieren sind. Ihre Grösse lässt darauf schliessen, dass Reben bereits zu dieser Zeit kultiviert wurden. Am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. machten die Griechen die lokale Bevölkerung mit der Weinher- stellung aus Trauben bekannt. Die Verarbeitung von Weintrauben war damals eine „Kernkompetenz“ der Griechen, die auch weitere Veredelungsprodukte einführten. Durch Kulturaustausch mit den Rö- mern im benachbarten Dakien erhielt der Weinanbau in Moldawien um die Zeitenwende wiederum neue Impulse. Man machte grosse Fortschritte in Rebenanbau und Önologie. Mit der Invasion der Hunnen 376 n. Chr. wurden jedoch weite Gebiete der Agrikultur in dieser Region zerstört. Durch die Fürsten von Moldau und die Bojaren wurde im Mittelalter ein eigener Weinkult begründet. Grössere Gebiete wurden dem Weinbau gewidmet, und Anbau wie auch Kellertechnik wurden ver- bessert. Das Herrscherhaus setzte besondere Aufseher ein, die über die Weine und die Weinwirt- schaft wachten. Ab dem 14. Jahrhundert wurde Wein nach Polen und Moskau exportiert. Im 15. Jahrhundert, während der Regierungszeit Stefans des Grossen, blühte die Weinproduktion auf, da dieser das Einführen von ausländischen Rebsorten zur Förderung der Weinqualität unterstützte. Unter der Regierung des türkisch-osmanischen Imperiums vom 15. bis zum 18. Jahrhundert brach der Weinanbau dann wieder zusammen. Die religiösen Gesetze unterdrückten die Herstellung von Wein aus Trauben, lediglich der Export in die Ukraine erhielt die önologischen Grundfähigkeiten.

9.3.2 In der Zarenzeit Rückzug des Osmanischen Reiches (1683–1923) vom Balkan und den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres Im siebten Russisch-türkischen Krieg zwischen 1806 und 1812 eroberten Truppen des russischen Zaren Alexander I. Bessarabien. Nach dem Frieden von Bu- karest (1812) konnte sich die Weinwirtschaft erneut entfalten. Durch die erneute Vorherrschaft des Chris- tentums wurde die Kunst der Weinherstellung geför- dert. Die Kirche hatte grossen Bedarf an Wein, denn das Missale forderte seit 1699 die Verwendung von Wein. Noch heute bestellt ein Moskauer Kloster Purcarischen Wein. Russische Adlige erwarben Weingüter und importierten modernes Rebpflanzgut aus dem befreundeten Frankreich: Aligoté, Cabernet Sauvignon, Gamay, Muscat blanc à petits grains, Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Noir, Sau- vignon Blanc und andere. Moldawien nahm mit 50 % Platz eins der russischen Weinproduktion ein. 1837 wurden 1 Million Eimer (altes Württemberger Weinmass) produziert, 1900 bereits 15 Millionen. Hiervon gingen 10 Millionen in den Export, einschliesslich nach Frankreich, das zu dieser Zeit auf- grund der Reblauskrise unter Weinmangel litt.[10] Damals wurden überwiegend autochthone Rebsorten angebaut: Bătuta neagră, Cabasia, Feteasca albă, Feteasca neagră, Galbena, Plăvaia, Rara neagra, Tămâioasa, Zghihara (Sghihara), daneben auch lokale Sorten aus Bulgarien, Griechenland, Ungarn und der Türkei. Es kristallisierten sich weinbauliche Mikrozonen heraus, und in den einzelnen Weinbauzonen inner- halb Moldawiens fand eine Spezialisierung statt. Die Purcarische Mikrozone war z. B. im 19. Jahrhundert bekannt für ihren Rotwein. Die hohe Weinqualität wurde durch den Gewinn einer Goldmedaille auf der Internationalen Pariser Weinausstellung 1878 bestätigt. Die königliche Familie kaufte die gesamte Partie auf. Im frühen 19. Jahrhundert wurde Negru de Purcari in das Vereinigte Königreich geliefert. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gründete die königliche Familie ihr eigenes Weingut Romanesti zu Ehren der Familie Romanow. Romanesti wurde Hoflieferant des russischen Reiches und wurde auch an andere europäische Höfe geliefert. Im Gebiet des damaligen Bessarabi-

Information Moldawien AWP Seite 31 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 ens, dem heutigen Moldawien einschliesslich der Küstenregion bis zum Schwarzen Meer, wurden die Weinbauern staatlich gefördert. Bessarabiendeutsche Einwanderer hatten auch Ein- fluss auf die Entwicklung des Weinbaus im histori- schen Gebiet Bessarabien, dessen nördlicher Teil zu Moldawien und dessen südlicher Teil mit dem Budschak heute zur Ukraine gehört. Die Umsiedler wanderten zwischen 1814 und 1842 aus dem süd- westdeutschen Raum, insbesondere aus Württem- berg und Baden, sowie aus einst preussischen Ge- bieten in Polen in das damalige russische Gouver- nement Bessarabien ein. Sie sollten nach dem Wunsch des Zaren die Landwirtschaft auf dem fruchtbaren Schwarzerdeboden verbessern. Bei den Auswanderern aus den südwestdeutschen Gebieten waren Erfahrungen im Weinbau anzunehmen. In den neu gegründeten deutschen Dörfer baute jede Bauernwirtschaft auf dem Hofgrundstück Wein für den Eigenbedarf an. In einigen Dörfern wurde gross- Auswanderungswege aus dem deutschen Raum nach flächig Weinanbau für den Export betrieben. Bessarabien 1814–1842 Die erste Weinbauschule Moldawiens wurde 1842 in Stavcheni eröffnet. Dieses Institut hatte erstmals einen botanischen Garten, bzw. eine Rebenzucht. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Frankreich eingeführten Rebsorten wurden weit- läufig angepflanzt, bis die aus Amerika eingeschleppte Reblaus-Plage am Ende des 19. Jahrhunderts die Weinwirtschaft zum Erliegen brachte. Erst im Jahre 1906 wurden die Weinberge wieder reaktiviert, indem man neue Klone aufpfropfte (→ Pfropfrebe). Bessarabien war so auch 1914 Russlands gröss- tes Weinanbaugebiet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründete P. K. Kazimir, einer der besten bessarabischen Oenologen, neue Weinberge in grossem Stil und nutzte die alte Coquina-Mine nahe Mileștii Mici als Weinkeller. Auf Initiative des Generalgouverneurs von Neurussland, Fürst Michail Semjonowitsch Woronzow, wurden die Geto-Wüste und die Budschak-Steppe kultiviert. Bereits 1903 erhielt die Kellerei Gebrüder Covaliotty zwei Goldmedaillen auf der bessarabischen Landwirtschaftsausstellung. Ihre zweistöckigen Kelleranlagen sind bis heute erhalten. Schon 1914 wurde eine Weinmesse in Moldawien organisiert. Die deutschsprachige Fachterminologie des Weinbaus wird auch für die bessarabiendeutschen Dia- lekte im Wörterbuch der deutschen Winzersprache und im Wortatlas der kontinentalgermanischen Winzerterminologie erfasst.

9.3.3 Zwischenkriegszeit und Sowjetunion Beide Weltkriege haben zu einer weitläufigen Zerstörung vieler Rebberge und Weinkellereien beige- tragen, doch weder Revolution noch der Krieg konnten die Weinkultur und –tradition zerstören. Die häufigsten roten Sorten dieser Zeit sind Gamay, Cabernet Sauvignon, Malbec, Merlot, Pinot Noir, Ra- ra neagră, Saperavi, die häufigsten weissen Sorten: Aligoté, Muskat-Ottonel, Rkatsiteli, Feteasca, Chardonnay, Traminer. Als Tafeltrauben wurden Gutedel, Muscat de Hambourg, Moldavschi, Mol- dova, Pearl Muscat, Vineyard Queen und die Perle von Csaba angebaut. Der Wiederaufbau der moldauischen Weinberge und Weinkellereien begann in den 1950er Jahren. Innerhalb von zehn Jahren wurden mehr als 150.000 ha angepflanzt und bereits im Jahr 1960 erreich- ten die Weinbauflächen mit mehr als 220.000 ha ihre grösste Ausdehnung. Stollen und Keller wurden zusammengefasst, ausgebaut und wirtschaftlich gestärkt. Daher sind heute Cricova, Mileștii Mici und Brănești wahre Weinfundgruben in der Republik. Man könnte diese als unterirdische Städte bezeich- nen, die sich über kilometerweite Strecken verteilen, nur noch vergleichbar mit den Stollen in der Champagne. Mehr als zwei Millionen Raritätenflaschen können dort gefunden werden. In der Sowjet- zeit begann man in den 1960er-Jahren mit der Herstellung halbtrockener und lieblicher Weine. Um die Weinnachfrage zu befriedigen verlangte der Wirtschaftsminister der UdSSR die Entwicklung neuer Weinqualitäten. Diese trafen schnell den Geschmack der sowjetischen Konsumenten. Bis heute ist die Nachfrage nach Weinen aus Moldawien in Russland gross, da diese gegenüber den sonst erhältlichen Qualitäten in Russland als leicht, frisch, fruchtbetont und differenzierbar erscheinen. Die Jahre zwischen 1960 und 1980 gaben der moldauischen Weinwirtschaft neue Impulse. Der Wein- bau weitete sich aus, und der Rebsortenspiegel diversifizierte sich. Moldawien wurde Hauptweinliefe-

Information Moldawien AWP Seite 32 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 rant der Sowjetunion. Jede zweite Flasche Wein und jede dritte Flasche Schaumwein für die UdSSR wurde in Moldawien und aus moldauischen Grundweinen hergestellt. Die Traubenproduktion wurde von der Weinproduktion abgekoppelt, und eine Ära der Massenproduktion begann. Die Prohibition der 1980er Jahre traf Moldawien hart. Hektarweise wurden Weinberge im Kampf gegen den Alkoholismus niedergelegt. Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne vernichtete wertvolle Weinberge. Hieraus resul- tierten grösste wirtschaftlichen Schwierigkeiten, man kann von einer nationalen ökonomischen Tragö- die sprechen. Alles war auf Weinbau ausgerichtet, doch plötzlich sollte planmässig weniger Wein pro- duziert werden. Mit Beginn der 1990er-Jahre wurde die erfolgreiche Wiederbelebung des Weinbaus und der Weinwirt- schaft ein bedeutender ökonomischer Entwicklungsfaktor. Die Weinkellereien entwickelten sich rasch, und auch die Traubenproduktionsbetriebe als Zulieferer profitierten hiervon. Gegenwärtig wird wieder viel Geld in die Entwicklung der Kellereien und ihrer technischen Ausrüstung, wie auch in neue Re- banlagen mit stabiler Produktion und hohem Qualitätsanspruch investiert.

9.3.4 Weinwirtschaft heute 9.3.4.1 Anbaufläche und Produktion Noch Ende 1999 gab es in Moldawien eine registrierte Weinanbaufläche von 162.000ha. Davon stammen 110.000ha Trauben aus der genossenschaftlichen Weinproduktion, 15.000ha für den Ta- feltraubenfrischmarkt und 37.000 ha aus dem privaten Weinanbau. Im Jahre 2005 füllten die moldauischen Kellereien 2,405 Millionen Hektoliter Wein ab, dies sind 14 % mehr als noch 2004. Allerdings schwankt die Gesamtmenge jährlich sehr stark. Dies mag aber auch Ungenauigkeiten der Statistiken widerspiegeln. Nach Anga- ben des agrarwirtschaftlichen Verbandes Moldova-Vin stieg die Produktion von Schaumweinen, die sich lokal noch „Champagner“ nennen dürfen, um 5 % – auf 15,9 Millionen Flaschen, und Wein- brand (lokal „Cognac“) um 27 % – auf 876.000 Hektoliter. Von Januar bis Dezember 2005 stellten die Cognacproduzenten Dekorative Weinflaschen aus Moldawien des Landes 2,2 Millionen Hektoliter Weinbrand, Wodka und andere hochprozentige Getränke her. Dies waren 2 % weniger als im Vorjahr.

9.4 Export Die Weinwirtschaft ist noch immer der wichtigste Produktionszweig für Moldawien. 9 % des Bruttoso- zialproduktes und 25 % der Exporte resultieren aus der Weinproduktion, die auch 25 % der Arbeits- kräfte beschäftigt. Moldawiens Weinberge stellen 2,3 % der weltweiten Rebfläche. Es gibt ca. 127 Weinkellereien in Moldawien, die jährlich zwischen 1,0 und 1,5 Millionen Hektoliter Wein exportieren. Das entspricht etwa 2 Millionen Flaschen oder etwa 2 % der weltweit gesamten exportierte Weinmen- ge. Im Jahre 2001 belegte Moldawien damit den neunten Platz. 90 % der Weinproduktion wird ausgeführt, nur 10 % der gesamten Produktion wird innerhalb der Re- publik verbraucht. Der Wert der jährlichen Weinexporte beträgt etwa 100–120 Millionen Euro (2004). Moldawiens grösste Absatzmärkte für Wein sind: • Russland (einschliesslich Weissrussland) – 82 % • Ukraine – 7 % • Kasachstan – 3,8 % • Lettland – 1,6 % • Estland – 0,8 % • Rumänien – 0,8 % • USA – 0,5 % Die verbleibenden 3,5 % werden nach Deutschland, Norwegen, Polen, Südkorea, die Schweiz und andere Länder exportiert. Hauptmarkt für moldauische Weine ist somit immer noch die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), obwohl in jüngerer Zeit immer mehr Exportländer und -chancen hinzukommen. Anachronis- tisch ist, dass die russische Weinproduktion weder den Ansprüchen der dortigen Konsumenten ent- spricht, noch sichere Erträge bringt und so die Russen lieber direkt in die moldauische Weinwirtschaft investieren, um ihre Kunden zufriedenzustellen.

Information Moldawien AWP Seite 33 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 9.4.1 Internationale Erfolge Viele Medaillen zeugen von der Kunst der moldauischen Weinerzeuger und ihren konstanten Leistun- gen. Prestigeträchtige Auszeichnungen kommen von internationalen Wettbewerben in Russland, Eu- ropa und Amerika, wie der „Chardonnay of the World“, der Bordeaux Weinwettbewerb, „Muscat of World“ (Frankreich) sowie weiteren internationalen Wettbewerben z. B. im Vereinigten Königreich oder Deutschland. Moldawiens Reputation als Weinland ruft das Interesse ausländischer Investoren hervor.

9.5 Ökologischer Weinbau Durch die genossenschaftliche Produktionsweise waren viele der moldauischen Weinbergsparzellen noch vor Jahren über hundert Hektar gross, denn auf solch weitläufigen Monokulturen lohnte sich der Einsatz der grossen sowjetischen Landmaschinen. Durch die intensive grossagrarische Nutzung wäh- rend der Sowjetära wurde jedoch der Boden stark beansprucht. Der politische Umschwung in ganz Osteuropa, Anfang der 1990er Jahre löste eine wirtschaftliche Talfahrt aus, die auch ihre guten Seiten hatte: Es wurde weniger gedüngt, weil Dünger zu teuer war; die Luft wurde wieder besser, weil es kaum Treibstoff für die Landmaschinen gab; die Bodenverdichtung nahm ab, weil kaum mehr schwere Landmaschinen zum Einsatz kamen. So konnte sich das Ökosystem etwas erholen. Die Reprivatisierung des Bodens machte die Parzellen im Durchschnitt wieder kleiner und die Kulturfläche wenigstens etwas abwechslungsreicher, was ökologisch vorteilhaft ist. Anfang der 1980er Jahre wuchs in den westlichen Industrieländern die Nachfrage nach ökologisch korrekt erzeugten Waren und Umweltschutz durch ökologische Produktionstechniken. Aufgrund der hohen Preise für diese Ware blieb der grosse Durchbruch zunächst jedoch aus. Er kam erst, als mit den Fortschritten der Rückstandsanalytik das Verbrauchervertrauen in die Rückstandsfreiheit konven- tionell hergestellter Produkte stark sank und zudem noch die Gentechnik als Unsicherheitsfaktor auf- kam. Biowein wird heute nicht mehr als exotisch wahrgenommen, denn die Verbraucher haben längst entdeckt, dass mehr Naturnähe nichts schadet und genausogut schmecken kann wie konventionell hergestellter Wein. Dies bot die moldauischen Weinproduzenten die Gelegenheit, in diese Marktnische einzusteigen. Die teilweise über Jahre brachliegenden Weinberge erfüllten die strikten Anforderungen der Zertifizie- rungsgesellschaften für ökologische Agrarprodukte (Bioland, demeter, EcoVin, Gäa e.V., Naturland in Deutschland). Die Weinberge Moldawiens zeichnen sich in einigen Gegenden durch einen extrem niedrigen Gehalt an gefährlichen Substanzen aus, d. h. es sind kaum Bodenverschmutzungen durch Pestizid- und Herbizidrückstände feststellbar. Moldauische ökologische Weine und Säfte wurden von holländischen, deutschen, französischen und sogar chinesischen Rückstandsspezialisten untersucht, die bestätigten, dass keine über die Grenzwerte der EG hinausgehenden unerwünschten toxischen Bestandteile in den Produkten detektiert werden konnten. Neue pilzresistente Rebsorten wurden getestet, die das gesamte Ökosystem „Weinberg“ schützen. Ausser in extremen Jahren mit viel Regen werden Pestizide dadurch gänzlich überflüssig. Mittlerweile existieren in der Republik 10.000 ha mit pilzresistenten moldauischen Sorten und 6.000 ha importier- ten Sorten. Weisser Suruceni, Viorica, Doina, weisser Oinițcani, Weisser von Laloveni, Muscat von Laloveni, Muscat von Budschak, Riton, Legenda, ungarischer Byanka und Regent.

9.6 Perspektiven In der moldauischen Weinwirtschaft wird bereits seit über fünf Jahren ökologisch gearbeitet. Trotzdem kam bisher keine moldauische Ökoverordnung im Parlament zustande. Ohne gesetzliche Grundlage fällt die Zusammenarbeit mit europäischen und amerikanischen Weinimporteuren jedoch sehr schwer. Französische Önologen und Wissenschaftler der Université Bordeaux II, zu denen traditionell gute Kontakte bestehen, unterstützen ihre moldauischen Kollegen, um den legislativen Prozess voranzu- bringen. Die Wissenschaftler führen zusammen mit dem moldauischen Gesundheitsministerium und VNIICOP (Moskau) auch Langzeituntersuchungen des Bodens in Bezug auf die Anreicherung von Nit- rat, Nitrit, Nitrosaminen, Schwermetallen (Eisen, Cadmium) sowie Pilztoxinen, durch. Nach gegenwärtiger Schätzung von Agrarfachleuten kann der Anteil ökologisch erzeugter Produkte in Moldawien auf 20–30 % anwachsen. Der Einsatz von relativ günstiger menschlicher Arbeitskraft für die optimale arbeitsintensive Laubarbeit stellt einen Pluspunkt für die moldauische Ökoweinwirtschaft dar. Es existieren jedoch auch ernstzunehmende Barrieren bezüglich der massenhaften Erzeugung ökologischer Weine:

Information Moldawien AWP Seite 34 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 • Die natürliche Bodenfruchtbarkeit der moldauischen Schwarzerde wird auf Dauer überfordert sein. Nur durch ein reichliches Angebot an natürlichen Nährstoffen durch Gründüngung und Kompost, sowie Mist aus der Tierhaltung kann die Fruchtbarkeit nachhaltig aufrechterhalten werden. • Die Gefahr der Kreuzkontamination durch die Nähe konventionell wirtschaftender Betriebe muss durch Abschottung mittels grosszügiger Wald- bzw. Grünstreifen minimiert werden. • Das Verhältnis von Nützlingen und Schädlingen muss stabilisiert, bzw. die Zahl der Nützlinge ge- fördert werden. • Der Einsatz von ökologischen Pflanzenstärkungs- und -pflegemitteln muss gesteigert werden. • Robuste pilzwiderstandsfähige Rebsorten (kurz Piwi), z. B. roter Regent, müssen gepflanzt wer- den.

9.7 Weinkrieg mit Russland Am 27. März 2006 setzte die russische Regierung ein Importverbot für moldauische und georgische Weinprodukte in Kraft. Das Verbot soll nach kolportierten Verstössen gegen die Gesundheitsvorschrif- ten (zu hohe Schadstoffbelastungen) auf Bitten des Obersten Hygienearztes Gennadi Grigorjewitsch Onischtschenko erfolgt sein. Der Entscheid führte zu heftiger Kritik der betroffenen Weinproduzenten in Moldawien und Georgien. Etwa 82 % der gesamten moldauischen Weinexporte gingen nach Russland, und mehr als ein Drittel des Bruttosozialproduktes hing vom Weinexport ab. Seit Oktober 2007 exportiert die Republik Moldau wieder Wein nach Russland. Zur Zeit erhielten 323 Produkte von 19 Herstellern ein Gesundheitszertifikat. Nach Meinung von Experten werden moldaui- sche Weine nicht mehr die Stellung auf dem russischen Markt erreichen, die 35 %, die sie vor dem Embargo hatten, sondern höchstens 10 %. 2010 und 2013 wurden Einfuhrverbote erneuert, die zeitliche Übereinstimmung mit Prozessen der An- näherung Moldaus an die EU war sicher kein Zufall.

9.8 Weinkultur

9.8.1 Weinfeste Aufgrund des Regierungsbeschlusses № 1005-XV vom 19. April 2002 wurde der zweite Sonntag im Oktober jeden Jahres zum nationalen Weintag erklärt. Ziel dieses Weintages, Sărbătoarea vinului („Weinfest“), ist es, das Prestige der Weinwirtschaft und von Moldawien zu fördern, wie auch erste Schritte Richtung Internationalisierung und globalisiertem Weinbau zu gehen. Überall in den Wein- baugebieten Moldawiens wird an diesem zweiten Sonntag im Oktober der Jungwein auf traditionellen Weinfesten genossen. Hauptziele des zentralen Weinfestes: • Die Weinfestkultur in dem Land wieder zu beleben, wo der Stolz auf Wein ein nationales Selbst- verständnis ist, und wo Geschichte und Weinbautradition eng zusammenhängen • Eine jährliche Weinfesttradition zu etablieren, um das Renommee der Weinwirtschaft Moldawiens zu erhalten, das Interesse an Qualitätsweinbau anzuregen und den Weinkonsum mit weinkulturel- lem Hintergrund zu fördern. • Moldawien für weinkulturell interessierte Besucher interessant zu machen.

9.8.2 Logo des Weinbauverbandes – Legende Der Storch mit Trauben symbolisiert die moldauische Weinherstellung und ist auf dem Logo des Weinbauverbandes dargestellt. Dieses Logo basiert auf einer der vielen Legenden zum Thema Wein: Während einer türkischen Invasion belagerte der Feind eine Festung bei Grodieshti. Die Verteidiger kämpften tapfer und entschlossen, jedoch gingen Speisen, Wasservorräte sowie auch die Kraft der Kämpfer langsam zur Neige. Plötzlich erschienen hunderte von Störchen am Himmel, die mit Hilfe des Windes und ihrer starken Flügelschläge den Feind zu Boden trieben. Die Störche warfen Bündel von Reben aus ihren Schnäbeln zu den Verteidigern hinunter. Die Krieger waren damit vor Durst und Hunger gerettet. Mit neuer Kraft verteidigte man erfolgreich die heimische Festung, und der türkische Feind musste abziehen. Seit dieser Zeit gilt der Storch als ein Symbol des Glücklichseins und der Zu- friedenheit.

Information Moldawien AWP Seite 35 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 10 Transnistrien – Konflikt Der Transnistrien-Konflikt (russisch Приднестровский конфликт; rumänisch Conflictul din Transnistria) bezeichnet eine seit 1990 andauernde, kurzzeitig auch kriegerische, Auseinanderset- zung zwischen der ehemaligen Sowjet- republik Moldawien und dem inzwischen de facto unabhängigen Transnistrien, das sich im Zuge des Zerfalls der Sow- jetunion vom Rest Moldawiens abspal- tete. Nach einem kurzen Krieg von März bis August 1992 erreichte Transnistrien ei- ne De-facto-Unabhängigkeit, während Moldawien seine Souveränität über das Gebiet einbüsste. Die bewaffneten Aus- einandersetzungen forderten über 1000 Todesopfer auf beiden Seiten. Die Kämpfe endeten erst durch die Vermitt- lung von General Alexander Lebed, der die dort stationierte 14. Armee Russ- lands befehligte. Transnistrien ist seit 1992 zwar faktisch unabhängig, wurde jedoch bislang von keinem anderen Staat anerkannt und wird weiterhin von Moldawien bean- sprucht. Der unsichere politische Status Transnistriens behindert seitdem mass- geblich die Entwicklung beider Länder. Zahlreiche diplomatische Lösungsan- sätze, auch unter Miteinbezug anderer Staaten, führten bislang zu keiner Bei- legung des Konflikts. Inzwischen haben sich beide Parteien mit dem Status quo Transnistrien und Moldawien zumindest teilweise arrangiert. Es handelt sich also um einen „eingefrorenen Konflikt“. Die Entstehung des Transnistrien-Konflikts ist ursächlich mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 verbunden. Sie hat ihre tieferen Ursachen in der wechselhaften Geschichte der Region, einer ethnisch-lingual heterogenen Bevölkerung, ungelösten Eigentumsfragen bei der Auflösung der Sow- jetunion und in vom Rest Moldawiens abweichenden demografischen Verhältnissen in Transnistrien.

10.1 Ursachen Bis 1792 gehörte der südliche Teil des heutigen Transnistriens zum Osmanischen Reich, das dieses Gebiet im Vertrag von Küçük Kaynarca an Russland abtreten musste. In diesem spärlich bevölkerten Raum lebten vor allem Tataren, aber auch Moldauer und Ukrainer. Der nördliche Teil gehörte bis 1793 zum Königreich Polen und war vor allem von Moldauern, Ukrainern, Juden und kleinen Gruppen von Polen bevölkert. Seit 1792 begann auch eine umfangreichere Besiedlung durch Russen, es kam zu zahlreichen russischen Stadtgründungen in Transnistrien, wie etwa Tiraspol. Nach dem Ende des sechsten Russischen Türkenkrieges im Jahr 1812 musste das Osmanische Reich das heute als Bessarabien bezeichnete Gebiet (in etwa heutiges Moldawien ohne Transnistrien, aber mit Budschak und Teilen der Oblast Tscherniwzi – Chotyn) an das Russische Reich abtreten. Damit begann der starke Zuzug von Russen und Ukrainern in ein Gebiet, das bis dahin mehrheitlich von Rumänen bewohnt war. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 wurde Bessarabien, also grösstenteils das heu- tige Moldawien, an Rumänien angegliedert. Transnistrien auf der östlichen Seite des Dnjester nahm jedoch eine andere Entwicklung. Das heutige Transnistrien gehörte zur dafür neugegründeten Mol- dauischen ASSR, welche wiederum eine autonome Republik innerhalb der Ukrainischen Sowjetrepub- lik der Sowjetunion war. Die Namensgebung „Moldauische ASSR“ wurde auch gewählt, um sowjeti- sche Ansprüche auf das frühere russische Gouvernement Bessarabien zu untermauern. Im Gebiet

Information Moldawien AWP Seite 36 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 des heutigen Transnistriens nahm der Anteil der russischsprachigen Bevölkerungsgruppen weiter zu, zudem wurde die Industrie dieser Region mit Hilfe der von Moskau gesteuerten Planwirtschaft stark ausgebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde Bessarabien 1940 zunächst von der Sowjetunion annektiert. Das mit Hit- ler-Deutschland verbündete Rumänien besetzte 1941 nach dem Angriff auf die Sowjetunion Bessara- bien erneut, musste es nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch endgültig an die Sowjetunion abtreten. Das westlich des Dnjester gelegene Bessarabien wurde durch die sowjetische Regierung schliesslich mit Transnistrien in Form der Sowjetrepublik Moldawien vereinigt. Unter der Herrschaft der Sowjets kam es zu weiteren Russifizierungsmassnahmen, was dazu führte, dass der Anteil der Moldauer auf knapp 40 % im Jahr 1989 sank. Die Vorherrschaft des russischen Idioms in Staats-Karrieren war für die moldauischsprachige Bevölkerung ein Hindernis („Territorialisierter politischer Eliten-Konflikt“). Russen (25,4 % im Jahr 1989) und Ukrainer (1989 etwa 29 %) bildeten zu diesem Zeitpunkt grosse Bevölkerungsminderheiten. Viele Moldauer und die meisten kleineren Minderheiten wie Bulgaren, Gagausen oder Tataren sprachen ebenso Russisch. In Transnistrien sprach eine Mehrheit russisch, während in anderen Regionen des Landes Moldauisch (Rumänisch) überwog. Zwar lebten weniger als 30 Prozent der Nicht-Moldauer in Transnistrien, die transnistrischen Städte bildeten jedoch Hoch- burgen der russischen und ukrainischen Bevölkerungskonzentration. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte sich Moldawien im Juni 1990 zu einer unabhängigen Re- publik und rief am 27. August 1991 die staatliche Souveränität aus. Der seit der Perestroika immer offener zu Tage tretende Verteilungskonflikt um Hierarchie und Besitz- tum fand auf der Ebene der Eliten zwischen den aufstrebenden moldauischsprachigen nationalkom- munistischen Kadern und der alten sowjetisch geprägten russophonen Nomenklatura statt. Die kon- kurrierenden politischen Eliten mobilisierten die Bevölkerung anhand ihrer sprachlichen Bruchlinien und machten sich damit ihre Heterogenität zunutze. Während in den meisten Teilen Moldawiens die Bevölkerung eine Unabhängigkeit Moldawiens befürwortete, waren in Transnistrien und Gagausien die pro-sowjetischen Kräfte in der Mehrheit. Die Spannungen nahmen immer weiter zu, insbesondere als die nationalistisch ausgerichtete moldauische Führung in Chișinău 1989 Russisch als zweite Amtssprache abschaffte. Dies führte zu Entrüstung der russischsprachigen Minderheiten im Land. Die Führung in Transnistrien um Igor Smirnow und Grigori Marakuza rief schliesslich 1990 den östlich des Dnjester gelegenen Landesteil zur eigenen Transnistrischen Sowjetrepublik innerhalb der Sowjet- union aus, was von Moldawien jedoch nicht akzeptiert wurde. Im August 1991 erklärte sich die ehe- malige Moldauische Sowjetrepublik als Republik Moldau für unabhängig und trat aus der Sowjetunion aus. Die rumänische Sprache wurde die einzige Amtssprache des neuen Staates, das Russische er- hielt keine offizielle Stellung mehr, obwohl es die Muttersprache eines grossen Teils der Bevölkerung war. Es folgte eine Nationalisierung der administrativen Apparate und ökonomischen Strukturen im Land und kam zu minderheitenfeindlichen Demonstrationen. Die nationalistische Moldauische Volks- front und der damalige Premierminister Mircea Druk strebten zwischenzeitlich sogar eine Vereinigung Moldawiens mit Rumänien an. Es kam in Moldawien zu Konflikten mit den Minderheiten, die 1989 et- wa 35 % der Bevölkerung bildeten. Die Minderheiten waren zudem meist auf einige Regionen kon- zentriert, insbesondere auf Transnistrien, Gagausien, die Hauptstadt Kischinjow sowie die Umgebung von Bălți. In Transnistrien sahen grosse Bevölkerungsteile durch die nationalistische Politik in Moldawien ihre Rechte als bedroht an. Daraufhin erklärte man sich auch in Transnistrien für endgültig unabhängig und baute eigene staatliche Strukturen auf. Nicht zuletzt wegen der in Transnistrien angesiedelten In- dustrie und der Wirtschaftskraft dieser Region mit ihrer wichtigen Stahl-, Textil- und Schuhindustrie, Möbel- und Spirituosenherstellung und zahlreichen Kraftwerken war die Zentralregierung nicht bereit, die Abspaltung hinzunehmen.

10.2 Konflikt Der von unionserhaltenden Kräften initiierte Augustputsch in Moskau 1991 markierte den entschei- denden Eskalationsschritt im Hinblick auf den Transnistrien-Konflikt. Die national ausgerichtete mol- dauische Führung um erklärte sich unmittelbar nach dem gescheiterten Staatsstreich, am 27. August 1991, für unabhängig. Die ehemalige Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik be- nannte sich daraufhin in Republik Moldau um, verweigerte Befehle aus Moskau und forderte den Ab- zug aller sowjetischen Truppen von moldauischem Territorium. Besonders in Transnistrien stiess dies auf Widerstand, Befehle aus Chișinău wurden dort teils offen verweigert.

Information Moldawien AWP Seite 37 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Schon im September 1990 war unter dem Vorsitz von Igor Smirnow und Grigori Marakuza in Transnistrien ein proviso- rischer Oberster Sowjet gegründet worden, der die Ziele der unionserhaltenden Kräfte in Moskau unterstützte. Mit dem Scheitern des Augustputschs war die Auflösung der Sowjetunion faktisch besiegelt. In Transnistrien rief man ebenfalls die Unabhängigkeit aus - sowohl von der Sowjet- union als auch von Moldawien. Der Interessenkonflikt zwi- schen Moskau und Chișinău, der mit der Unabhängigkeits- erklärung Moldawiens zwar zu einem Ende gekommen schien, wurde jetzt durch den Interessenkonflikt mit Tiras- pol erneuert. Der Territorialisierung des Konflikts folgte bald darauf die Moldawisches Denkmal „Eternitate“ in Kischinau militärische Eskalation durch den Einsatz der auf dem Terri- torium stationierten militärischen Ausrüstung, auf die die Machthaber Zugriff hatten. Der Konflikt mit der Regierung in Chișinău schaukelte sich so weit hoch, bis die Lage schliesslich eskalierte und zum offenen Bürgerkrieg ausartete. Nach Bildung einer eigenen 10.000 Mann starken moldauischen Streitmacht, die dem Innenministerium unterstand und nach dem Modell der italienischen Carabinieri geformt war, kam es zu Zusammenstössen in Dubăsari und später zu heftigen Auseinandersetzungen in Bender. Die Kämpfe zwischen transnistrischen und moldauischen Einheiten dauerten vom 1. März 1992 bis zum 25. Juli 1992 und konnten unter Vermittlung Russlands und dessen dort stationierter 14. Armee unter General Alexander Lebed schliesslich beendet werden. Auf beiden Seiten kämpften auch Freiwillige aus anderen Ländern, auf moldauischer Seite zumeist Rumänen, während Transnistrien durch Freiwillige aus Russland und der Ukraine unterstützt wurde. Moldawien verlor im Laufe des Konflikts endgültig die Kontrolle über Transnistrien. Von moldauischer Seite wird der Vorwurf erhoben, dass sich Russland mit seiner 14. Armee aktiv an den Kriegshandlungen beteiligt habe. Bei diesem Konflikt kamen die T-64 der 59. Motorisierten Gar- de-Schützendivision der 14. Armee unter dem Kommando von General Lebed zum Einsatz. Während der Kriegshandlungen wurden zehn T-64BW durch Panzerabwehrwaffen MT-12, AT-5 sowie RPGs zerstört bzw. ausser Gefecht gesetzt. Als Grund für das Scheitern der Streitkräfte der Republik Moldau bei der Einnahme des transnistrischen Landesteils wird zumeist die Tatsache gesehen, dass jene zu dieser Zeit dem transnistrischen Militärpotential bezüglich Personal und Ausrüstung in jeder Hinsicht unterlegen waren. Mehr als die Hälfte des Geräts, darunter alle Panzer und zwei kleinere Kriegsschif- fe, war nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik nach Russland abgezogen worden. Der Re- gierung in Chișinău verblieb nur ein kleiner Teil der Strukturen der ehemaligen Roten Armee. Ihr stan- den nunmehr überwiegend unerfahrene Rekruten, wenige Afghanistan-Veteranen, die oft als Ausbil- der vor Ort fungierten, einige überraschend effiziente Spezialeinheiten der Polizei und viele Volontäre, vor allem Polizisten, zur Verfügung.

10.3 Wechsel an der Spitze der Republik Seit 1991 fanden vier Präsidentschaftswahlen statt. Von 1991 bis 2011 bekleidete Igor Smirnow das Amt des Präsidenten. 1996 gewann er mit 72 % gegen Wladimir Malachow mit 20 %. 2001 erhielt er 81,9 %, während seine Konkurrenten Tom Senowitsch mit 6,7 % und Alexander Radtschenko mit 4,6 % nahezu chancenlos waren. 2006 gewann Smirnow mit 82,4 %, Nadeschda Bondarenko von der Kommunistischen Partei erhielt 8,1 % der Stimmen, Andrei Safonow, Besitzer und Herausgeber der oppositionellen Zeitung Nowaja Gaseta, 3,9 %. Keine dieser Wahlen wurde von der internationalen Gemeinschaft anerkannt, da Transnistrien kein Völkerrechtssubjekt ist. Bei den Präsidentschaftswahlen im September 2011 trat Igor Smirnow erneut an und bewarb sich damit für seine vierte Amtszeit. Die russische Regierung hatte ihm jedoch im Vorfeld dieser Wahl sei- ne Unterstützung entzogen, da er mittlerweile als Hindernis für eine Verhandlungslösung des Konflik- tes gesehen wurde. Stattdessen unterstützte man den Sprecher des transnistrischen Parlamentes, Anatoli Kaminski. Lag Smirnow laut Umfragen zunächst noch an der Spitze, erreichte er im ersten Wahlgang mit etwa 25 % der Wählerstimmen hinter den Oppositionskandidaten Jewgeni Schewtschuk und Anatoli Ka- minski nur den dritten Platz. In der Stichwahl setzte sich dann Schewtschuk mit 73,9 % der Stimmen klar gegen den von Russland unterstützten Kaminski durch.

Information Moldawien AWP Seite 38 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 10.4 Kurze Chronologie des Konflikts • April 1988: Gründung des Alexe-Mateevici-Clubs von jungen moldauischen Intellektuellen in Chișinău. • Juni 1988: Gründung der moldauischen demokratischen Bewegung zur Unterstützung der Perestroika. • Mai 1989: Gründung der Moldauischen Volksfront als Vereinigung zahlreicher nationaler Bewe- gungen in der Moldauische Sowjetrepublik (MSSR). Sie fordern eine Demokratisierung des Lan- des und eine Reform der Sprachpolitik, insbesondere die Rückkehr zur lateinischen Schrift. • Juni 1989: Mircea Snegur wird zum Vorsitzenden des Moldauischen Obersten Sowjets gewählt und übernimmt die Forderungen der Volksfront. • August 1989: In Chișinău gibt es Grossdemonstrationen für Moldauisch als einzige offizielle Staatssprache der Republik und für eine Abschaffung des Russischen als weitere offizielle Spra- che. Gleichzeitig formieren sich grosse Gegenbewegungen, insbesondere in Transnistrien und Gagausien. • ab November 1989: Erste Zusammenstösse der moldauischen Polizei und transnistrischen Ein- heiten entlang des Dnjestr. • Januar 1990: Wahlen zum Obersten Sowjet in der MSSR mit starken Zugewinnen der Kandida- ten der Volksfront. In Transnistrien organisiert der OSTK (Vereinigte Rat der Arbeiterkollektive) ein Referendum für eine Autonomieregelung Transnistriens. 96 % sprechen sich dafür aus. • Juni 1990: Souveränitätserklärung der jetzt in Republik Moldau umbenannten, ehemaligen MSSR. • September 1990: Unabhängigkeitserklärung der PMSSR (Pridnestrowskaja Moldawskaja Sozia- listscheskaja Sowetskaja Respublika) mit der Hauptstadt Tiraspol als eigenständiges Unionsob- jekt. • August 1991: Der Augustputsch in Moskau scheitert. Während er von Tiraspol unterstützt wird, verurteilt ihn Chișinău und erklärt kurz darauf seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. • September 1991: Aufbau eigener staatlicher Strukturen in Transnistrien. • Oktober 1991: Ein Waffenstillstand zwischen der Republik Moldau und Transnistrien wird unter Vermittlung des Russischen Obersten Sowjets abgeschlossen. • Dezember 1991: Transnistrische militärische Einheiten belagern strategische Gebäude in Bender und Dubăsari. • Januar 1992: Die Pridnestrowskaja Moldawskaja Respublika (PMR) gründet ihre eigenen Streit- kräfte und übernimmt Teile der in Transnistrien stationierten 14. Armee. • März 1992: Eskalation der Auseinandersetzungen in Transnistrien. • April 1992: Moldauische Einheiten greifen das von der PMR kontrollierte Bender an. Die 14. Ar- mee erhält den offiziellen Status einer Armee der Russischen Föderation. General Alexander Le- bed übernimmt das Kommando von Juri Netkatschew. • April 1992: Trotz eines Waffenstillstands finden vereinzelte Kämpfe statt. • Mai 1992: Moldauische Einheiten greifen Dubăsari an. Dabei kommen dort stationierte Garniso- nen der 14. Armee unter Artilleriebeschuss. • Juni 1992: Die PMR gründet ihre eigene Armee und fordert die Anerkennung als eigenständige Republik. • Juni 1992: Während eines Versuchs des moldauischen Militärs, Bender zurückzuerobern, inter- venierte die 14. Armee unter General Alexander Lebed und drängte die moldauischen Einheiten zurück. • Juli 1992: Abkommen zwischen dem Präsidenten der Republik Moldau Mírcea Ion Snegur und dem Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin über einen Waffenstillstand und den speziellen Status von Transnistrien; Einrichtung der JCC (Joint Control Commission / Gemeinsa- me Kontrollkommission).

10.5 Auswirkungen Unter russischer Vermittlung wurde eine gemeinsame friedenssichernde Truppe gegründet, beste- hend aus 3800 russischen, 1200 moldauischen und 1200 transnistrischen Soldaten. Diese Einheiten bildeten einen „Friedenskorridor“ zwischen den kämpfenden Parteien und beendeten so am 16. Juli 1992 die Kampfhandlungen durch einen Waffenstillstandsvertrag. Im Waffenstillstandsabkommen wurde die nationale Integrität der Republik Moldau bestätigt; der PMR wurde jedoch das Recht auf die

Information Moldawien AWP Seite 39 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Abhaltung einer Volksabstimmung zuerkannt, falls die Republik Moldau sich mit Rumänien vereinigen sollte. In den 1990er-Jahren wurden bei den OSZE-Gipfeln in Istanbul und Lissabon Erfolge seitens der mol- dauischen Diplomatie erzielt: Die internationale Gemein- schaft erkannte die Schwere des Konflikts an und veran- lasste die Russische Föderation, dem Abzug aller russi- schen Streitkräfte aus dem völkerrechtlichen Territorium der Republik Moldau bis zum Jahr 2002 zuzustimmen. Der Ab- zug der Truppen wurde in allen Dokumenten mit einer end- gültigen Lösung des Status von Transnistrien verbunden. Da hierüber jedoch zwischen der Regierung der Republik Moldau und der Regierung Transnistriens kein Überein- kommen erzielt werden konnte, bleibt die Stationierung der Operationellen Gruppe der Streitkräfte der Russischen Fö- deration bis heute bestehen. Kriegsdenkmal in Bender Im Juli 2002 wurde in Kiew auf Initiative der OSZE ein Abkommen zwischen den Konfliktparteien ge- schlossen, das eine Föderalisierung der Republik Moldau in Betracht zog. Da das Dokument aber beide Seiten zu keinen verbindlichen Schritten verpflichtete und insgesamt mehr Fragen aufwarf als beantwortete, war dieses Treffen letztlich nur ein weiterer Schritt im Prozess des Einfrierens des Kon- fliktes. Dennoch scheint eine Föderalisierung der Republik Moldau der einzig gangbare Weg zu sein, wenn eine Lösung des Transnistrien-Konflikts in den derzeitigen völkerrechtlich anerkannten Grenzen der Republik Moldau erfolgen soll. Der Status quo sieht jedoch so aus, dass es der Führung um Igor Smirnow gelungen ist, eigene staatliche und militärische Strukturen aufzubauen, die eine derartige Lösung unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die moldauische Regierung hat zwar ihr Ziel einer Wie- dervereinigung mit Rumänien aufgegeben, besitzt aber dennoch keinerlei Kontrolle über Transnistrien. Die Europäische Union vertritt die Position, dass zur Stabilisierung des Staates Republik Moldau eine Sicherung der Landesgrenzen unabdingbar ist. Ebenso hat die Regierung in Chișinău erkannt, dass alle Schritte hin zu einer europäischen Entwicklung mit einer Stabilisierung ihrer Ostgrenze verbunden ist. Aus diesem Grund gibt es seit dem 30. November 2005 die EUBAM, eine Grenzkontrollmission der Europäischen Union an der moldauisch-ukrainischen Grenze zur Unterbindung des Waffen-, Men- schen- und Drogenschmuggels von und nach Transnistrien. Am 18. November 2008 hat die NATO eine Resolution veröffentlicht, welche die Russische Föderation auffordert, die „im Istanbuler OSZE-Gipfel aus 1999 vorgenommenen Verpflichtungen einzuhalten und die in der Region illegal stationierten Truppen zurückzuziehen.“

Information Moldawien AWP Seite 40 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 11 Gagausien Gagausien (gagausisch Gagauz Yeri oder Gagauziya; russisch Гагаузия; rumänisch Gagauz Yeri Găgăuzia) ist ein autonomes Gebiet innerhalb GăgăuziaГагаузия Moldawiens. Es verfügt über weitreichende Au- tonomie, drei Amtssprachen (Gagausisch, Russisch, Rumänisch) und eine eigene Regie- rung. Von den knapp 160.000 Einwohnern ge- hört die grosse Mehrheit der turksprachigen

Volksgruppe der Gagausen an, daneben leben allerdings auch zahlreiche Russen, Moldauer, Amtssprache Gagausisch, Rumänisch Bulgaren und Ukrainer in der Region. und Russisch Gagausien bildet das kulturelle, wirtschaftliche Hauptstadt Comrat und politische Zentrum der Gagausen. Zwar gibt es bedeutende gagausische Minderheiten Staatsform Republik, Autonomieab- auch in anderen Teilen Moldawiens, in der Uk- kommen mit Moldawien raine, in Russland, der Türkei und weiteren Regierungschef Irina Vlah Ländern Osteuropas, doch ist Gagausien das Fläche 1.832 km² einzige Gebiet weltweit, in dem ihre Sprache Einwohnerzahl 155.700 (2005) und Kultur über offiziellen Status verfügen. Mit Bevölkerungsdichte 85 Einwohner pro km² einer Fläche von etwas mehr als 1800 Quad- Währung Moldauischer Leu ratkilometer ist es kleiner als das Saarland und Gründung 23. April 1994 dünner besiedelt als der Rest Moldawiens. Die Nationalhymne Gagauziya Milli Marșı amtliche Bezeichnung ist: Autonome Territoriale Einheit Gagausien

11.1 Geographie Gagausien hat eine Fläche von 1832 Quadratkilometern und liegt im Süden Moldawiens. An einigen Stellen grenzt Gagausien direkt an die Ukraine an. Es besteht aus dem Kerngebiet um die Hauptstadt Comrat samt dem südöstlich angrenzenden Ceadîr-Lunga, einer „Insel“ um die Stadt Vulcănești im äussersten Süden sowie zwei weiteren Exklaven, den Dörfern Copceac und Carbolia. Die wichtigsten Städte in Gagausien sind Comrat, Ceadîr-Lunga, Vulcănești und Congaz.

11.2 Bevölkerung Die Bevölkerung Gagausiens betrug laut offiziellem Zensus Anfang 2014 knapp 162.000 Menschen. Dies sind rund 4,6 % der Gesamtbevölkerung Moldawiens. Im Jahr 2005 wurde die Einwohnerzahl Gagausiens noch auf knapp 156.000 Menschen geschätzt. Die Geburtenrate lag 2012 rund 5 % über dem moldawischen Durchschnitt. Grösste Siedlung in Gagausien ist mit rund 26.000 Einwohnern die Hauptstadt Comrat, wo etwa ein Sechstel der Bewohner Gagausiens leben. Mit 97.400 Menschen lebt jedoch die Mehrzahl der Einwohner auf dem Land. Der Verstädterungsgrad beträgt etwas weniger als 40 %.

11.3 Ethnien Die Bevölkerung Gagausiens besteht zum grössten Teil aus Gagausen, jedoch gibt es zahlreiche wei- tere Minderheiten in der Region. Eine Schätzung aus dem Jahr 2005 ergab folgende Zusammenset- zung der Nationalitäten: • 82,1 % Gagausen • 5,1 % Bulgaren • 4,8 % Moldauer • 3,8 % Russen • 3,2 % Ukrainer • 1 % andere Nationalitäten Mit Ausnahme der drei ethnisch gemischten Dörfer Ferapontievca, Chioselia Rusă und Svetlîi bilden Gagausen in der gesamten Region eine deutliche Bevölkerungsmehrheit. Letztere Kommunen ent-

Information Moldawien AWP Seite 41 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 schieden sich jedoch bei einem Referendum 1995 freiwillig Gagausien beizutreten. Einen weiteren Sonderfall bildet das Dorf Chirsova, in dem der Anteil der Gagausen in etwa dem der dortigen Bulga- ren (jeweils etwa 45 %) gleicht. Die Russen in Gagausien leben hauptsächlich in den drei Städten Comrat, Ceadîr-Lunga und Vulcănești. Ferapontievca ist das einzige Dorf in Gagausien, in dem Ukra- iner die Bevölkerungsmehrheit (knapp 58 %) bilden.

11.4 Religionen Die grosse Mehrheit der Bevölkerung Gagausiens gehört dem ortho- doxen Christentum an, insbesondere der Moldauisch-Orthodoxen, der Russisch-Orthodoxen und der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche. Bedingt durch die lange Zugehörigkeit zur Sowjetunion gibt es auch eine rela- tiv hohe Zahl an Konfessionslosen und nicht-praktizierender Christen.

Eine Kirche in Ceadîr-Lunga 11.5 Sprachen Gagausien hat drei offiziell gleichberechtigte Amtssprachen: Gagausisch, Rumänisch und Russisch. Gagausisch ist eine mit dem Türkischen eng verwandte oghus-türkische Sprache und ist als Mutter- sprache am weitesten verbreitet. Gagausisch ist dem Türkischen so nahe, dass es in der Vergangen- heit auch als türkischer Dialekt klassifiziert wurde, inzwischen dominiert jedoch die Einschätzung als eigene Sprache. Die Stellung des Russischen ist in Gagausien deutlich stärker als im Rest Moldawiens, die Russische Sprache dient insbesondere als Verkehrssprache zwischen den Bevölkerungsgruppen und als Sprache der Wirtschaft und Medien und wird von nahezu der ge- samten Bevölkerung beherrscht. Viele Gagausen sprechen Rus- sisch auf einem Muttersprachlichen Niveau; in den meisten gagausischen Schulen ist Russisch Unterrichtssprache, ebenso wie an der Universität Comrat, der einzigen Universität der Regi- on. Einigen Einschätzungen zufolge ist Russisch im Alltag die am weitesten verbreitete Sprache. Kenntnisse der gagausischen Dreisprachige Beschilderung in Gagausien: Sprache sind für höhere politische Ämter in Gagausien allerdings Gagausisch, Rumänisch und Russisch Pflicht. Rumänisch hat seit dem Zerfall der Sowjetunion an Bedeutung gewonnen, spielt in Gagausien jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle im Alltag.

11.6 Geschichte

11.6.1 Ursprünge Im 11. Jahrhundert kamen Teile der türkischen Stämme der O- ghusen und Petschenegen sowie anderer alttürkischer Stämme vom Altai über das Schwarze Meer auf den Balkan. Im 12. Jahrhundert gründeten die Gagausen ein Land mit dem Herrscher Balik Bey. Nach seinem Tode übernahm 1386 Yanko (Ivanko) die Führung. 1417 kam der Balkan unter osmanische Herrschaft, 1484 auch der bessarabische Budschak einschliess- Gagausische Jugendliche in ihren Trachten lich Gagausiens. Durch den Druck der Bulgaren zogen die Gagausen 1750 nach Russland ab. Später, in den Jahren 1769–1791, zog es sie vermehrt zur Donau. 1801–1820 wanderten sie schliesslich nach Bessarabien aus. 1906 riefen sie im heutigen Siedlungsgebiet die Republik Komrat aus, die nur 15 Tage alt wurde. Insgesamt lebten die Gagausen zirka 300 Jahre unter osmanischer und fast ebenso lange unter russi- scher, rumänischer und moldawischer Herrschaft.

11.6.2 Sowjetische Epoche Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Moldauischen Sozialistischen Sowjet- republik lebten 80 Prozent der Gagausen in diesem Gebiet, 20 Prozent lebten in Bulgarien und in der Ukraine. Seit den 1980er-Jahren entwickelte sich ein gagausischer Nationalismus, der in Konflikt mit dem ebenfalls aufkommenden Nationalismus der rumänischsprachigen Moldauer stand.

Information Moldawien AWP Seite 42 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 11.6.3 Zerfall der Sowjetunion und regionale Autonomie Als die Sowjetunion zerfiel, gewann in der damaligen Moldauischen SSR die „Frontul Popular din Mol- dova“ die Wahlen. Diese Partei vertrat ultranationalistische Positionen und hatte sich eine schnelle Abspaltung Moldawiens von der Sowjetunion zum Ziel gemacht. Ihre Politik richtete sich insbesondere gegen russischsprachige Bevölkerungsgruppen, die Gagausen und andere Minderheiten. Schon 1989 wurde daraufhin in der Moldauischen Sowjetrepublik Russisch als Amtssprache abgeschafft und Mol- dauisch zur einzigen offiziellen Sprache. 1990 rief man in Moldawien die Souveränität. In einigen Regionen des Landes wollte man dies jedoch nicht hinnehmen, viele Minderheiten sahen ihre Rechte als bedroht an. So rief man im östlichen Landesteil Transnistrien die vollständige Unab- hängigkeit von Moldawien aus. Nach dem Vorbild Transnistriens riefen auch die Gagausen am 19. 08. 90 die eigenständige „Gagausische Sozialistische Sowjetrepublik“ aus und führten gegen den Willen der moldawischen Führung Parlamentswahlen durch, um sich so gegen deren „Rumänisierungspolitik“ zu wehren. Vorsitzender des Obersten Sowjets Gagausiens wurde Stepan Topal, der bis 1995 Regie- rungschef in Gagausien war. Zunächst versuchte Gagausien als Teilrepublik innerhalb der Sowjetuni- on zu verbleiben, doch nachdem diese 1991 endgültig zusammengebrochen war, bemühte man sich, die staatliche Unabhängigkeit zu erlangen. Im Gegensatz zum Transnistrien-Konflikt, der ab 1992 in einen offenen Krieg mündete, kam es in Gagausien nicht zu grösseren bewaffneten Auseinandersetzungen. Die moldawische Regierung ging in der Folgezeit deutlich umsichtiger vor, um die Reintegration separatistischer Gebiete zu ermögli- chen und um den weiteren Abfall von Gebieten mit starkem Separatismus, etwa Taraclia und Bălți, zu verhindern. Ab 1994 wurde über eine Rückkehr Gagausiens zu Moldawien verhandelt. Die moldawi- sche Regierung gab zahlreichen Forderungen der Gagausen nach und stimmte einer Verfassungsre- form zu, die Gagausien eine umfangreiche Autonomie garantierte. Die Schaffung dieser autonomen Region Gagausien innerhalb Moldawiens wurde vom Parlament in Chișinău abgesegnet und die Füh- rung der Gagausen verzichtete nun auf eine vollständige Unabhängigkeit. Am 23.12.1994 wurde schliesslich offiziell die „Autonome territoriale Einheit Gagausien“ gegründet; ein autonomes Gebiet innerhalb Moldawiens, das mit umfangreichen Sonderrechten ausgestattet ist, über eine eigene Regierung und drei Amtssprachen (Gagausisch, Russisch, Rumänisch) verfügt. Die friedliche Lösung des Konflikts und das Autonomieabkommen wurden auch im Ausland begrüsst, der deutsche Historiker Stefan Troebst nannte es etwa eine „im postsowjetischen Raum ebenso seltene wie reife Lösung aller Konfliktakteure“. Zwar kam es auch in der Folgezeit noch zu einigen politischen Spannungen in Gagausien, der gagausisch-moldawische Konflikt galt jedoch nach dieser Einigung für längere Zeit als weitestgehend beigelegt, die Gagausen wurden sogar als „mustergültige Minderheit“ bezeichnet. Die gagausische Regierung beklagte allerdings immer wieder mangelnde Unterstützung ihrer Region aus Chișinău. Die wirtschaftliche Entwicklung Gagausiens verlief nur äusserst schleppend, bis zu 30.000 Gagausen ar- beiten einen Grossteil des Jahres als Gastarbeiter in Russland. Gagausien wurden von moldawischer Seite mehrfach besondere Beziehungen zu der von Moldawien abtrünnigen Republik Transnistrien vorgeworfen. 2008 beschloss das gagausische Regionalparlament auf Initiative der Parlamentsvorsit- zenden, Ana Harlamenco, die Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens anzuerkennen und pro- vozierte einen erneuten Konflikt mit der moldawischen Regierung, die dies ablehnte.

11.6.4 Lage ab 2014 Vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine 2014 und vor allem der von der Regierung Moldawiens beschlossenen EU-Assoziierung kam es in Gagausien zu einem erneuten Anstieg separatistischer Bestrebungen und russischer Beeinflussungsversuche. Gagausische Politiker beklagten angebliche Verletzungen der Autonomie Gagausiens und einen Anstieg des Nationalismus in Moldawien. Ähnli- che Beschwerden gab es auch im an Gagausien angrenzenden Rajon Taraclia, der mehrheitlich von Bulgaren bewohnt ist und der ebenfalls mehr Autonomierechte fordert. Es wurde kurzzeitig ein Zu- sammenschluss von Taraclia und Gagausien erwogen. Viele Gagausen und andere Minderheiten verbinden mit einem EU-Beitritt den Anschluss Moldawiens an Rumänien und fürchten eine minder- heitenfeindliche Politik wie in den frühen 1990er-Jahren. In der gagausischen Öffentlichkeit wurde wieder verstärkt über eine Loslösung von Moldawien debattiert. Schliesslich beschloss die Regional- regierung Gagausiens die Durchführung eines Referendums, bei dem unter anderem über eine Zuge- hörigkeit zur Zollunion mit Russland, Weissrussland und Kasachstan abgestimmt werden soll, sowie über weitere Autonomierechte. Das Referendum wurde von einem moldawischen Gericht für verfas- sungswidrig und unrechtmässig erklärt, die Regierung Gagausiens bestand aber dennoch auf einer

Information Moldawien AWP Seite 43 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 Durchführung und bezeichnete das Urteil als „politisch motiviert“ angesichts der Idee einer Angliede- rung Moldawiens an Rumänien die offen vom moldauischen Präsidenten Nicolae Timofti unterstützt würde. Mihail Formuzal sagte "Das verstosse gegen die Verfassung, doch er werde nicht zur Verant- wortung gezogen, wie auch andere pro-rumänische Mitglieder der Regierungskoalition nicht". Das Referendum fand schliesslich am 2. Februar 2014 statt. Bei einer Wahlbeteiligung von über 70 % stimmten 98,4 % der Bevölkerung für engere Beziehungen mit Russland und anderen GUS-Staaten, 97,2 % sprachen sich gegen eine Annäherung an die EU aus. Zwar wurde das Referendum von der moldawischen Regierung verurteilt, erhielt jedoch Unterstützung von den einflussreichen Oppositions- parteien der Kommunisten der Republik Moldau sowie den Sozialisten, den Regionalregierungen der moldawischen Rajons Taraclia und Basarabeasca] sowie der Stadtverwaltung von Bălți, der zweit- grössten Stadt des Landes. Es kam anschliessend zu offenen Spannungen zwischen der gagausischen Regionalregierung und moldawischen Autoritäten. Im Juni 2014 forderte der ehemalige moldawische Präsident Mihai Ghim- pu, Vorsitzender der an der Regierung beteiligten Liberalen Partei, ein landesweites Referendum über die Abschaffung der Autonomie Gagausiens und behauptete öffentlich, Gagausien verdiene kein Recht mehr auf Autonomie; zudem habe es sich bereits zum „Staat im Staat“ entwickelt. Zuvor waren Berichte aufgetaucht, nach denen Gagausien inzwischen eigene Sicherheitskräfte rekrutiere.

11.7 Politik und Verwaltung

11.7.1 Politik und Regierung Die Autonomie Gagausiens ist in der Moldauischen Verfassung verankert. Diese räumt ihnen unter anderem das Recht auf eine eigene Verwaltung und ein eigenständiges Bildungssystem ein sowie die Anerkennung ihrer Sprache als Amtssprache. Sollte Moldawien den Status eines unabhängigen Staats verlieren, wird Gagausien nach der Verfassung unabhängig. Die Legislative ist das Parlament, „Halk topluşu“ (Volksversammlung) genannt. Seit 1998 existiert eine demokratische Verfassung. Regiert wird Gagausien von einem für vier Jahre direkt gewählten Premi- erminister. Dieser Posten trägt den gagausischen Namen „Başkan“. Bei den letzten Wahlen im März 2015 siegte Irina Vlah bereits im ersten Wahlgang mit 51,1 % der Wählerstimmen. Sie setzte sich da- mit deutlich gegenüber dem zweitplatzierten Nicolai Dudoglo durch, der nur 18,2 % erreichte. Gagau- sien hat eine eigene Polizei, welche dem Innenministerium untersteht. Vlah ist die erste Frau in dieser Position.

11.7.2 Regierungschefs Der Regierungschef Gagausiens trägt seit 1994 den Titel „Başkan“.

11.7.3 Verwaltung Administrativ ist Gagausien in 4 Städte (Comrat, Ceadîr-Lunga, Congaz und Vulcănești) und 29 Dörfer gegliedert:

11.8 Wirtschaft Gagausien ist eine sehr agrarisch geprägte Region, die Landwirtschaft bildet demnach ihr wirtschaftli- ches Rückgrat. Neben Ackerbau,Viehzucht und Fischzucht spielt besonders auch der Weinbau eine wichtige Rolle. Der Grossteil des Weinexports geht nach Russland. Neben Wein werden in Gagausien etwa Konservendosen, Fruchtgetränke, Fleischprodukte, Getreide- produkte, tierische und pflanzliche Öle, Marmelade, Tabak, Baumwolle, Leder sowie Textilien herge- stellt. Für den Weinbau von grosser Bedeutung sind die zwölf Trauben-Fabriken. Sie verarbeiten jähr- lich 400.000 Tonnen Weintrauben.

11.9 Infrastruktur Das Strassennetz ist 451,5 km lang, davon sind 220 km Landstrassen und 86 % asphaltiert. 18 % der Stadtbevölkerung haben ein Telefon, während es in den Dörfern nur 8,5 % sind. Die Türkei hatte Mol- dawien 35 Millionen US-Dollar Kredit gewährt, um die Infrastruktur in Gagausien zu verbessern und

Information Moldawien AWP Seite 44 / 45 Mittwoch, 25. Oktober 2017 umzustrukturieren. Weniger als die Hälfte; lediglich 15 Millionen US-Dollar wurden davon von der Mol- dauischen Regierung dem Autonomiegebiet gewährt.

11.10 Bildung und Kultur In Gagausien gibt es insgesamt 55 Schulen. Im Grossteil der Schulen ist die Unterrichtssprache Rus- sisch. Manche sind in Form von Schulzentren und Gesamtschulen organisiert. In der Hauptstadt be- findet sich die Universität Comrat, die finanziell von der Türkei und auch aus Russland (über die Stif- tung Russki Mir) unterstützt wird. Die von der Comrat-TIKA (Türk İşbirliği Ve Kalkınma İdaresi Başkan- lığı) in Form eines Kulturzentrums gegründete Atatürk-Bibliothek stellt das grösste freie Informations- zentrum Gagausiens dar. Im gagausischen Dorf Beşalma („Fünf-Äpfel“) befindet sich das Nationale Museum für Gagausische Geschichte und Ethnographie, welches von Dimitri Karacioban gegründet wurde. Neben den zahlreichen Schulbibliotheken existieren 45 andere Bibliotheken.

11.11 Medien Die bekanntesten gagausischen Magazine sind Sabaa Yıldızı und Üç aylık jurnal. Eine der wichtigsten Zeitungen ist die Gagaoğuzya Haberleri (Gagaoghusien-Nachrichten). In nahezu allen Dörfern Gagausiens kann man Radio auf Gagausisch hören und manchmal auch TRT-FM-Programme, die zu bestimmten Zeiten im Wechsel von dem gagausischen Radiosender ausgestrahlt werden. Darüber hinaus bezieht die Bevölkerung insbesondere russischsprache Medien, häufig aus dem Ausland. Es gibt auch lokale gagausische Presse in russischer Sprache. Die lokale Rundfunkanstalt Teleradio- Gagausija sendet auf Gagausisch, Russisch und Rumänisch.

Die gagausische Nationalhymne Gagauziya Milli Marşı Nationalhymne Gagausiens in Gagausisch in deutscher Übersetzung Geldi vakıt, bayraa kaldır, Die Zeit ist gekommen, halte die Flagge hoch, Dalgalatsın lüzgar onu. Der Wind soll sie wehen. Kavalları keskin çaldır, Spiele die Hirtenflöte schrill, Duar halkın aydın günü. Der helle Tag meines Volkes wird geboren. İnsana läzım Vatan, Der Mensch braucht sein Vaterland, Halkına kalsın damar, Es soll dem Volke die Lebensader sein, Canında dede sesi, Die Stimme eines Dede in seiner Seele, Uzaktan evä çeksin. soll ihn nach Hause locken. Bucak'ta dannar açık, Im Bucak sind die Stirne unbedeckt, Şanlı olsun kardaşlık. Ehrenvoll soll die Brüderlichkeit sein. İnsana läzım Vatan, Der Mensch braucht sein Vaterland, Halkına kalsın damar, Es soll dem Volke die Lebensader sein, Kanında dede sesi, Die Stimme eines Dede in seinem Blut, Uzaktan evä çeksin. soll ihn nach Hause locken. Bucak'ta açık adunar, Im Bucak sind die Stirne frei, Kalkınȇr Gagauzlar. Es erheben sich die Gagausier (hier: Gagoguzen).

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