Ein »neuer« Feuersteindolch aus Südwestfalen Michael

Neolithikum Kreis , Regierungsbezirk Baales

Endneolithisch-frühbronzezeitliche Feuerstein - Die Fundgeschichte zu unserem »Neu- dolche vom skandinavischen Typ sind im süd- fund« ist schütter. Monika Blennemann (His- lichen Westfalen eher seltene »nordische Gäs- torischer Verein Holzwickede) hat das Stück te«. Aus ganz Westfalen sind etwa hundert Anfang 2017 von dem anonym bleibenden Exemplare bzw. Fragmente dieser Dolche be- Finder erhalten, der berichtete, ihn um 1985 AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN kannt mit einem deutlichen Fundschwerpunkt entdeckt zu haben. Es habe nicht sehr weit im nördlichen Münsterland. Besonders häug von der Gräfte des früheren Hauses Vierbe- sind sie – daher auch ihre Bezeichnung – noch cke im Wurzelteller eines Baumes gesteckt, der weiter nördlich im nordmittel- sowie nordeu- sich auf dem damaligen Standortübungsplatz ropäischen Flachland, besonders Südskandi- südlich der Ortsteile Hengsen/Opherdicke navien. An den Rändern ihres Verbreitungs- der Gemeinde Holzwickede befand. Der Fin- gebietes sind Neufunde daher immer von der sei in der Nähe aufgewachsen und habe besonderem Interesse. das Areal als »Abenteuerspielplatz« genutzt; Vor drei Jahren konnte die schüttere Fund- karte südwestfälischer Feuersteindolche um Abb. 1 Netphen, Dreis- das bisher südlichste Exemplar erweitert wer- Tiefenbach. Ein kleiner Feu- den, ein fragmentiertes Stück aus Baltischem ersteindolch in zwei Teilen (Foto: LWL-Archäologie für Bryozoenfeuerstein, das Helmut Baldsiefen Westfalen/H. Menne). vom mehrperiodigen steinzeitlichen Fundplatz Dreis-Tiefenbach bei Netphen im Siegerland bergen konnte. Dieses Fragment eines Dolch- blattes ließ sich zwischenzeitlich ergänzen, da Baldsiefen zwei Jahre später etwa 20 m ent- fernt ein weiteres, nur maximal 3,1 cm gro- ßes Fragment fand. Zwar passt es nicht exakt an das frühere Stück, doch gehört es zweifel- los zu dem hier zerbrochenen Feuersteindolch dazu (Abb. 1). Neben dieser erfreulichen Fortsetzungs- geschichte aus dem Siegerland soll hier aber vor allem ein neuer Feuersteindolch vorge- stellt werden – der so neu eigentlich nicht ist (Abb. 2). Dies ist wieder ein Beispiel dafür, wie viele interessante archäologische Funde sich 0 2 cm für lange Zeit bzw. immer noch in Privatbe- sitz benden, ohne dass die Archäologische Denkmalp ege zumindest von ihrer Existenz weiß. Wir verdanken dem sehr aktiven ehren- die Entdeckung archäologischer Funde war si- amtlichen Bodendenkmalp eger Michael Be- cherlich nicht das Ziel seiner damaligen Streif- cker aus Fröndenberg/, dass dieses Stück züge. Das gute Stück sei ihm dann später zu nach seiner Vermittlung nun der Öffentlich- Hause heruntergefallen, wobei die Spitze ab- keit vorgestellt werden kann. Er sucht und brach, sich aber wieder ankleben ließ. Aktu- ndet nicht nur zahlreiche, vor allem stein- ell bendet sich der Dolch in der Heimatstu- zeitliche Fundplätze in der Umgebung seines be im Ortsteil Opherdicke von Holzwickede. Heimatortes und auch darüber hinaus, son- Aus dem Umfeld des vagen Fundpunktes sind Lippe 2017 dern animiert auch immer wieder andere, ih- über die Jahrzehnte lediglich zwei weitere, un- - re Schätze der Außenstelle zur Kenntnis zu bedeutende steinzeitliche Artefaktfunde be- bringen. So auch in diesem Fall. kannt geworden.

39 Archäologie in Westfalen 0 5 cm

Abb. 2 Holzwickede. Das Blatt des vollständigen Feuersteindol- Der Baltische Feuerstein des Dolches ist Der um 1985 gefun- ches (nur die äußerste Spitze ist leicht beschä- fossilreich und gelblich braun patiniert. Dies dene Feuersteindolch hat digt) ist im Vergleich zur Griffpartie nur un- ist typisch für eine Lagerung in Grundwasser- eine Länge von nur noch 10,4 cm; das Dolchblatt wesentlich länger; offenbar wurde das Stück nähe, wodurch es zu sekundärem Einbau von ist nach oben orientiert recycelt und war somit länger in Benutzung. Eisenmineralien in den Feuerstein kam. Das (Gra k: LWL-Archäologie Zudem ist die Griffpartie besonders an den Stück lag demzufolge im Erdreich verborgen, für Westfalen/A. Müller, Foto: LWL-Archäologie für Kanten deutlich gröber gearbeitet als das Blatt, bevor der herausgerissene Wurzelteller ihn Westfalen/H. Menne). das eine sorgfältige Nachbearbeitung erken- mit an die Ober äche brachte; die Fundge- nen und sich daher bei dem insgesamt fast schichte scheint demnach plausibel. lanzettförmigen Stück gut identizieren lässt. Dieser »Neufund« ergänzt das Fundbild Der Griff wurde zudem (nachträglich?) an ei- der südwestfälischen Feuersteindolche für sei- ner Kante vom Blatt deutlich abgesetzt; diese nen nordwestlichen Bereich, wo bisher ohne- Stufe ermöglichte vermutlich auch einen bes- hin die meisten Stücke des Regierungsbezirks seren Halt in einer Schäftung. Diese Eigenhei- Arnsberg bekannt geworden sind. ten lassen das Stück demnach als eine Varian- Abschließend möchte ich noch einmal Mi- Lippe 2017 - te des Feuersteindolch-Typs I nach Forssander/ chael Becker danken, dass dieses schöne Stück Lomborg, also einen frühen, endneolithischen hier vorgestellt werden kann. Vertreter dieser Fundgattung ansprechen.

Archäologie Archäologie in Westfalen 40 Summary uit Holzwickede (Kreis Unna) voor het eerst Flint daggers of the Scandinavian type are still besproken. rarely found in Westphalia. This article re- counts the »serial story« of a fragmented piece Literatur from Netphen (Siegerland district) before pre- Ingrid Koch/Kathrin Nowak, Neolithische Neuigkeiten senting an earlier, hitherto unpublished, nd aus Dreis-Tiefenbach in der Gemeinde Netphen. Archäo- logie in Westfalen-Lippe 2014, 2015, 49–52. – Hans-Otto from Holzwickede in the Unna district. Pollmann, Feuersteindolche am Übergang zur Bronzezeit. In: Bernhard Stapel/Hans-Otto Pollmann/Michael Baales, Samenvatting Westfalen in der Jungsteinzeit (Darmstadt 2018, im Druck). Vuurstenen dolken van het Scandinavische type zijn nog steeds zeldzaam in Zuid-West- falen. In deze bijdrage worden een gefrag- menteerde dolk uit Netphen (Siegerland) op- AUSGRABUNGEN UND FUNDE UND FUNDE AUSGRABUNGEN nieuw en een voorheen onbekend exemplaar

»Wiedaer Schiefer« und andere neolithische Neuentdeckungen – die Sammlung Glüsing Fritz

Neolithikum Kreis Höxter, Regierungsbezirk Detmold Jürgens

Neben unzähligen Funden aus archäologi- Die Prospektionen selbst sind sehr sorgfäl- schen Ausgrabungen zählen Altsammlungen, tig durchgeführt worden – sogar kleinste und oftmals von ehrenamtlichen Helfern über unscheinbarste Funde aus sämtlichen Epochen Jahrzehnte aufgebaut, zum Bestand des Zen- wurden gesammelt. Der jeweilige Fundort der tralen Fundarchivs der LWL-Archäologie für Artefakte wurde von Glüsing auf verschie- Westfalen. Eine sehr umfangreiche stellt die densten Notizzetteln vermerkt. Nicht rekon- Sammlung Glüsing dar, die im Rahmen einer struiert werden kann hingegen die Fundver- universitären Abschlussarbeit in Teilen un- teilung auf dem Fundplatz, da es sich bei den tersucht werden konnte. Die Sammlung wur- Referenzpunkten um nicht mehr vorhandene de in den 1980er- und 1990er-Jahren durch Dr. Wege, den Parkplatz des Autos oder Aufn- Peter Glüsing in Zusammenarbeit mit einer dungsorte früherer Funde handelt. Nichtsdes- Arbeitsgruppe aus Studierenden der Westfä- toweniger bilden die Inventare eine hervor- lischen Wilhelms-Universität Münster und ragende Grundlage für die Erforschung der der Philipps-Universität Marburg aufgebaut. einzelnen Fundplätze, aber auch überregio- Während zu Beginn der gemeinsamen Pros- naler Phänomene des westfälischen Neolithi- pektionen noch die eisenzeitlichen Fundstel- kums. len im Fokus standen, verlagerte sich dieser Neben den bereits früher untersuchten zunehmend auf die neolithischen Plätze. Dies Funden vom Erdwerk Rotenbreite bei Bor- führte auch zur Entdeckung des Erdwerks der gentreich-Bühne konnten die Aufsammlun- Michelsberger Kultur im Weißen Holz bei gen vom Steinberg bei Beverungen-Wehrden, Warburg-Rimbeck, welches teilweise noch vom Frauenfeld bei Borgentreich-Borgholz, obertägig erkennbar ist. Die zahlreichen be- vom Hampenhäuser Berg bei Brakel-Erkeln gangenen Fundplätze und Zehntausende dabei und vom Schlachberg bei Warburg-Daseburg aufgesammelte Artefakte fanden bis zum Tode (alle Kreis Höxter) untersucht werden. Wäh- Glüsings im Jahr 2011 leider nur in wenigen rend es sich bei den letzten beiden um neo- überblicksartigen Publikationen Niederschlag. lithische Erdwerke handelt, stellen die restli- Nach dem Tod Glüsings übernahm das Zentra- chen reguläre Freilandfundplätze dar. Für die Lippe 2017 le Fundarchiv der LWL-Archäologie für West- Untersuchung wurden all diejenigen Funde - falen die Sammlung. Ein Großteil der Funde genauer betrachtet, die dem Jung- und Spät- wurde seit der Aufndung nicht betrachtet. neolithikum (4300–2800 v. Chr.), also der

41 Archäologie in Westfalen