Marcus Behmer (1879-1958) : Illustrator, Buchkünstler, Briefschreiber
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Marcus Behmer (1879-1958) : Illustrator, Buchkünstler, Briefschreiber Autor(en): Müller-Krumbach, Renate Objekttyp: Article Zeitschrift: Librarium : Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen- Gesellschaft = revue de la Société Suisse des Bibliophiles Band (Jahr): 47 (2004) Heft 2 PDF erstellt am: 10.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-388757 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. 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Behmer Marcus Behmer, der mit seinem vielseitigen vergöttert den englischen Zeichner und widmet Werk eine bestimmte Stilperiode mitprägte, ihm eine huldigende Lithographie. Die das Erscheinungsbild des Inselverlages Prägung durch Beardsley ist so stark, daß Leipzig zeitweilig stark beeinflußte und sie in der Beurteilung seines Werkes einerseits eine begeisterte Sammler- und Anhängergemeinde abwertend vermerkt wird (Harry Graf um sich heranbildete. Obwohl er Kessler: «Behmer hat zu Deutschland Phasen künstlerischer Stagnation durchzustehen überhaupt keine Beziehung; er spiegelt blos hatte, ist sein Werk beträchtlich und die BeardsleyscheVerfeinerung2.»), andererseits wird von einer noch nicht überschaubaren bis an sein Lebensende nachwirkt, Zahl von sorgfältig formulierten Briefen wenn er in einem der Nachrufe «einer der begleitet. Dadurch besteht die Chance, den größten Buchgraphiker des deutschen Künstler selbst zu Wort kommen zu lassen, Jugendstiles» genannt wird und damit sein der häufig über sich selbst und seine Kunst, Schaffen - in der besten Absicht - auf sein auch über seine Zeit, reflektiert. Behmer Frühwerk reduziert wird. Neben der ist, wie Fontane es nennt, ein «talent épisto- Handzeichnung ist die Lithographie eine Technik, laire» und betont noch im hohen Alter, die er in seiner frühen Schaffenszeit 1955, die Freude und das Vergnügen an die- hin und wieder verwendet, parallel mit den serTätigkeit. ersten Holzschnittversuchen. Sein eigentliches «Ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu graphisches Medium aber wird die können», schreibt er am 28. September 1907 Radierung. Er erlernt alle diese seine an Anton Kippenberg, den Leiter des künstlerischen Ausdrucksmittel autodidaktisch, Inselverlages, «daß meine künstlerische nach Büchern, wie er selbst überliefert, und Entwicklung mehr und mehr zum Buchdruck betont, nie eine Kunstschule oder Akademie und Buchschmuck hinführt lebte ich in besucht zu haben. Er vergißt jedoch England, so läge die Gestaltung meines nicht, der belehrenden Unterweisung durch äußeren Lebens durch die oben angeführte denHolzs techer Bruno Rollitz zu gedenken. Kenntnis klar zu Tage: ich würde eine Ohne Einfluß wird auch seine Herkunft Privatpresse gründen1.» Mit dem Inselverlag aus einem Künstlerhaus nicht gewesen steht Behmer seit 1901 in Kontakt, noch sein. Marcus Michael Douglas Behmer bevor er sich als Zeichner und Illustrator, wird in Weimar als Sohn des Malerprofessors zunächst für die Zeitschriften Simplicissimus Hermann Behmer geboren und wächst und Die Insel, danach mit seinen Illustrationen mit seinen Geschwistern in einem oberhalb zu Oscar Wildes Salome, 1903, fast der barocken Schloßbrücke gelegenen schlagartig einen Namen gemacht hatte. Er Biedermeierhaus auf. Hermann Behmer trifft mit seinen flächigen Zeichnungen in erfreut sich in der großherzoglichen harten Schwarz-Weiß-Kontrasten und den Residenzstadt eines angesehenen Rufes, schwingenden Konturen genau das verdient seinen Unterhalt mit häufig erteilten Stilgefühl der Zeit, verkörpert vollendet den Porträtaufträgen und wird wegen seiner «Jugendstil» und schafft eine deutsche Sittenstrenge und bekannt konservativen Variante des bewunderten Aubrey Beardsley, Haltung von der jüngeren Künstlergenera- 66 tion spöttelnd «der fromme Hermann» «Blumen und Wappenbilder auf Schranktüren genannt. Seine Cousine, die emanzipatori- malen», während Rudolf von Poellnitz sche Schriftstellerin Gabriele Reuter, sucht sozusagen händeringend auf die diese Meinung zu relativieren und berichtet: Fertigstellung der Illustrationszeichungen zu «Er war weder prüde noch engherzig - Balzacs Das Mädchen mit den Goldaugen wartet. nur die Darstellung des Lasters, des Dieser zweite große Illustrationsauftrag an Perversen verurteilte er mit Empörung3.» Die Behmer wird am 3. Februar 1903 bestätigt homosexuelle Neigung seines Sohnes Marcus und Poellnitz ist von den ersten fertigen ist ihm daher äußerst konträr, und Zeichnungen «einfach hingerissen». Der der knapp Achtzehnjährige wird aus Weimar Schock bleibt nicht aus, als ihm Behmer entfernt - «meines Bleibens war nicht mitteilt, der Kasernendienst sei so länger» - vermerkt Marcus Behmer selbst anstrengend, daß er weder die Ruhe noch die dazu1. sichere Hand habe, um die Illustrationen zu Seine schulischen Leistungen waren nicht beenden, und ob Poellnitz das Buch nicht eben überragend: «Vorschule und Gymnasium ohne Zeichnungen herausgeben wolle. Erst bis Obertertia (mehrmals sitzengeblieben). einen Monat später kommt die Antwort In Obertertia zweimal sitzen geblieben - Poellnitz «mußte sich erst von Behmers und ab zum üWgymnasium.5» Doch der Brief erholen» -, und er schiebt resignierend Unterricht muß vorzüglich gewesen sein. das Erscheinungsdatum auf8. In eben Der kurzen Gymnasialbildung verdankt dieser Zeit der Militärausbildung findet Marcus Behmer sein Latein und sein die erste und einzige größere Ausstellungsbeteiligung Griechisch (auch seine Goethe-Kenntnisse), Behmers in Weimar statt, eine besonders sein Latein verwendet er Einzelausstellung hat es hier nicht gegeben. offensichtlich mitVergnügen häufig in den Harry Graf Kessler, Kunstliebhaber, Randbemerkungen innerhalb seiner Graphik. Bibliophiler und Mäzen, hat im Frühjahr «Laus deo», steht da zu lesen, oder: «muscis 1903 den Vorsitz des Kuratoriums des et pulcibusque horribileter irritants6», und neugegründeten «Großherzoglichen wie die Stecher des 18. Jahrhunderts Museums für Kunst und Kunstgewerbe» über- signiert er seine Drucke selbstverständlich mit «invfenit], del[ineavit]» und «sculp[sit]». Dem Griechischen entlehnt er in späteren Jahren das Omega als Zeichen für «Ohm ^ [= Oheim]», als der er sich gern den jungen Freunden gegenüber betrachtet, und zeitlebens ist seine Signatur «MB». - «Wer M sagt, muss auch B sagen» - notiert er in griechischen Buchstaben auf einem seiner Skizzenblätter7. Von Oktober 1903 bis EXLIBRIS AlßtANDfiR OIBRIQfl September 1904 kehrt MB, der inzwischen in München Kontakte in zur Avantgarde **3>5 in Literatur und Kunst gefunden hat, nach Weimar zurück, um sein «Einjährig-Frei- willigen»-Militärjahr abzudienen, in der Kaserne gleich oberhalb seines Elternhauses. Dort muß er, außer seinen Dienstpflichten, auch noch andere Leistungen erbringen, wie er verbittert dem Inselverlag mitteilt. Exlibrisfir Alexander Olbricht, Buchdruck igoß/04. 67 nommen und beginnt mit seiner berühmt der Radierung, in der Lithographie als gewordenen Ausstellungsreihe moderner auch im Holzschnitt versiert und druckt mit Kunst. Die alljährlich üblichen Meisterschaft seine kleinen Blätter auf der Weihnachtsausstellungen überläßt er nach wie vor der eigenenTiefdruckpresse. Weimarer Künstlerschaft. Die Handwerkliche Probleme, wie Behmer Jahresendveranstaltung vereint bis zum Januar 1904 sie immer wieder in Anatomie oder so wie die Jahre zuvor bekannte und Perspektive hat, kennt Olbricht nicht, seine unbekannte Weimarer Maler, unter anderen formale Sicherheit veranlaßt Behmer sind Hermann Behmer, der Vater, und wiederholt zu neidvoller Bewunderung. Bis Alexander Olbricht vertreten, auch Marcus zumTode Olbrichts imJahr 1942 bleibt der Behmer mit einem Selbstbildnis und, Kontakt bestehen, darüber hinaus mit der erstaunlicherweise, mit einer Extraabteilung Familie, und äußert sich in einer großen von fünfzig Zeichnungen. Anzahl von Briefen, die Behmer dem Diese große Zahl von Arbeiten eines Freund schreibt". Ab und zu ist in beider einzelnen Künstlers innerhalb der Weimarer Werk eine gegenseitige Beeinflussung Gruppenausstellungen ist sonst nicht zu beobachten. So radiert Behmer während üblich und legt die Vermutung nahe, Harry seines Fronteinsatzes im Ersten Graf Kessler habe hier doch, obwohl er sich Weltkrieg