Die Bedeutung der Golanhöhen für den Staat

Eine Analyse der politischen, militärischen und wirtschaft- lichen Entwicklungen auf den Golanhöhen seit dem Sechs- tagekrieg

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

eines Magisters der Naturwissenschaften

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Daniel MODIC

am Institut für Geographie und Raumforschung Begutachter Ao. Univ. Prof. Dr. Peter ČEDE

Graz, 2021 Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit mit dem Titel „Die Bedeutung der Golanhöhen für den Staat Israel – eine Analyse der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf den Golanhöhen seit dem Sechstagekrieg“ ist die Abschlussarbeit meines Lehramtstudiums der Un- terrichtsfächer Geographie und Wirtschaftskunde und Englisch an der Karl-Franzens-Univer- sität Graz. Diese Arbeit dient dem Abschluss meines Lehramtstudiums und markiert somit auch den Beginn eines neuen Lebensabschnittes als Lehrer.

Im Rahmen meines Studiums absolvierte ich Lehrveranstaltungen zu der Thematik des Nahen Ostens und begann mich dadurch mit diesem Thema näher auseinander zu setzten. Durch dieses Interesse fasste ich den Entschluss, meine Diplomarbeit über die Region im Allgemeinen zu verfassen und fand in Herrn Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Čede den idealen Ansprechpartner, wel- cher mit bei der Themenfindung für diese Arbeit im Speziellen und durch sein umfassendes Wissen mit Rat und Tat zur Seite stand und wofür ich äußerst dankbar bin.

Weiterer spezieller Dank gilt meinen Eltern, meinem Bruder, meiner Lebensgefährtin und allen Freunden, welche mich immer unterstützt hatten und sowohl in positiven als auch negativen Lebenslagen während der letzten Jahre immer versucht hatten, mich zu motivieren und eine große Stütze waren.

II

Zusammenfassung

Die Golanhöhen spielen seit jeher eine wichtige Rolle in der Region des Nahen Ostens, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entstehung des Staates Israel am 14. Mai 1948. Durch die Tatsache, dass ein jüdischer Staat im Nahen Osten entstanden ist und dieser von arabischen Staaten umgeben ist, deren Beziehungen und Ansichten in Bezug auf Israel von mangelnden diplomatischen Beziehungen bis hin zur Aufforderung nach Vernichtung des Staa- tes reichen, spielt das Plateau im Nordosten des kleinen Landes eine immense Rolle in strate- gischer und militärischer, aber auch in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Auf Grund dessen wird in dieser Arbeit versucht jene Bereiche zu analysieren und die wichtigsten histori- schen Ereignisse in Bezug auf die Golanhöhen und den Staat Israel zu nennen, um die Bedeu- tung dieser für den Staat näher beleuchten zu können und zu verstehen. Die nachfolgende Ana- lyse basiert auf Quellen aus unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, aus offi- ziellen Statistiken, sofern diese ersichtlich und öffentliche zugänglich sind und aus Zeitungsar- tikeln der jüngeren Vergangenheit. Zu dem zentralen Ergebnis dieser Arbeit zählt unter ande- rem die Tatsache, dass das Überleben des jüdischen Staates ohne die Besetzung dieses strate- gische Bedeutenden Plateaus vor allem in den 1960er und 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts stark gefährdet gewesen wäre.

III

Abstract

The have always played an important role in the Middle East region, especially after World War II and the creation of the State of Israel in 1948. Consequently, the state emerged in the Middle East. This Jewish state was surrounded by several Arab countries, whose relations towards Israel ranged from the lack of diplomatic relations to the demand of its de- struction.

The Golan plateau in the north-east of this small country plays a critical role in terms of strategic and military significance, as well as political and economic aspects.

Focussing on these aspects, this work tries to analyse the meaning of the plateau and thus to sketch the historical facts in this area since the emergence of the Jewish State. The following analysis is based on sources from different academic areas, on official statistics provided by the Israeli Central Bureau of Statistics and on international newspapers and press releases from the recent past. One of the crucial results of this work is the fact that, without the occupation of this strategically important plateau, the survival of the Jewish State would have been severely en- dangered, especially in the 1960s and 1970s.

IV

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...... II

Zusammenfassung ...... III

Abstract...... IV

Inhaltsverzeichnis ...... V

Abbildungsverzeichnis ...... VII

Tabellenverzeichnis ...... VIII

1) Einleitung ...... 1

1.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes...... 1

1.2 Problemstellung und Zielsetzung ...... 2

1.3 Forschungsfragen ...... 3

1.4 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik ...... 3

2) Die Golanhöhen und Israel ...... 5

2.1 Länderportraits...... 5

2.1.1 Israel ...... 5

2.1.2 Syrien ...... 7

2.1.3 Libanon ...... 9

2.1.4 Jordanien ...... 11

3) Ein geographischer Überblick – Eine karge Wüstengegend? ...... 13

3.1 Geologie und Morphologie ...... 14

3.2 Klima und Vegetation ...... 14

3.3 Wasserreserven ...... 18

4) Historischer Abriss ...... 21

4.1 Die Golanhöhen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges ...... 21

4.2 Die Golanhöhen unter französischem Mandat ...... 24

V

5) Politische und militärische Bedeutung der Golanhöhen für den Staat Israel ...... 27

5.1 Der Sechstagekrieg ...... 27

5.2 Der Jom-Kippur-Krieg ...... 36

5.3 Die Annexion der Golanhöhen ...... 41

5.4 Die militärische Bedeutung der Golanhöhen ...... 43

5.5 Die Schebaa Farmen ...... 46

6) Die Siedlungsstruktur der Golanhöhen ...... 50

6.1 Drusendörfer ...... 50

6.2 Jüdische Siedlungen ...... 58

6.3 Arabische Siedlungen ...... 62

7) Die wirtschaftliche Bedeutung der Golanhöhen für Israel ...... 64

7.1 Naherholung für die israelischen Einwohner – Tourismusfaktor ...... 64

7.1.1 Ski Resort ...... 65

7.1.2 Kursi ...... 67

7.1.3 Banyas Natural Reserve ...... 70

7.1.4 Nimrod Castle ...... 73

7.2 Öl auf den Golanhöhen ...... 76

7.3 Weinbau auf den Golanhöhen ...... 78

8) Internationale Ereignisse in Bezug auf die Golanhöhen ...... 81

8.1 Die UN-Friedensmission mit österreichischer Beteiligung ...... 81

8.2 Die UN-Friedensmission seit dem Ende der österreichischen Beteiligung ...... 85

8.3 Entwicklungen in Bezug auf die Golanhöhen seit der Präsidentschaft von ...... 88

9) Resümee ...... 91

10) Schlussfolgerungen und Ausblick ...... 93

11) Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen ...... 95

11.1 Literatur ...... 95

11.2 Internetquellen ...... 96 VI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Flagge Israel ...... 5 Abbildung 2: Wappen Israel ...... 5 Abbildung 3: Flagge Syrien...... 7 Abbildung 4: Wappen Syrien ...... 7 Abbildung 5: Flagge Libanon ...... 9 Abbildung 6: Wappen Libanon ...... 9 Abbildung 7: Flagge Jordanien ...... 11 Abbildung 8: Wappen Jordanien ...... 11 Abbildung 9: Lage der Golanhöhen in Israel ...... 13 Abbildung 10: Temperatur und Niederschlag ...... 15 Abbildung 11: Temperatur und Niederschlag ...... 17 Abbildung 12: Zuflüsse des Jordan...... 20 Abbildung 13: Aufteilung der Levante zwischen Frankreich und Großbritannien 1917 ...... 22 Abbildung 14: Mandatsteilung inklusive zukünftiger Grenzen Israels 1917 ...... 23 Abbildung 15: Besetzte Gebiete durch Israel 1967 ...... 31 Abbildung 16: Frontverlauf Sinai und Golanhöhen 1973 ...... 38 Abbildung 17: Relief der Golanhöhen ...... 43 Abbildung 18: Die Golanhöhen von Syrien und Libanon aus gesehen ...... 44 Abbildung 19: Symbol der Golani-Brigaden...... 45 Abbildung 20: Lage der Schebaa Farmen ...... 47 Abbildung 21: Karte der israelischen und arabischen Siedlungen auf den Golanhöhen 1992………...59 Abbildung 22: Lage Mount Hermon Ski Resort ...... 65 Abbildung 23: Skigebiet Mount Hermon ...... 66 Abbildung 24: Lage der Ausgrabungsstätte Kursi am Ostufer des See Genezareth ...... 68 Abbildung 25: Ausgrabungsstätte Kursi ...... 69 Abbildung 26: Lage Banyas Natural Reserve ...... 71 Abbildung 27: Banyas-Wasserfall ...... 72 Abbildung 28: Karte Nimrod Castle ...... 73 Abbildung 29: Burg Nimrod ...... 74 Abbildung 30: Baibars-Inschrift ...... 76 Abbildung 31: Lage ...... 78 Abbildung 32:Weinstöcke Golanhöhen ...... 79 Abbildung 33: Karte Weinbau Israel 2019 ...... 80 Abbildung 34: Demarkationslinie auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien 1974 ...... 82

VII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Israel in Daten und Fakten ...... 6 Tabelle 2: Syrien in Daten und Fakten ...... 7 Tabelle 3: Libanon in Daten und Fakten ...... 9 Tabelle 4: Jordanien in Daten und Fakten ...... 11 Tabelle 5: Bevölkerung des Libanon im Jahr 1932 ...... 25 Tabelle 6: Bevölkerung Syriens im Jahr 1938 ...... 25 Tabelle 7: Entwicklung der jüdischen Siedler auf den Golanhöhen seit 1972 ...... 58 Tabelle 8: Mehrheitlich jüdisch bewohnte Siedlungen auf den Golanhöhen im Jahr 2019…...... 60 Tabelle 9: Mehrheitlich arabisch bewohnte Siedlungen auf den Golanhöhen im Jahr 2019…...... 63 Tabelle 10: Soldaten nach Nationen auf den Golanhöhen August 2020 ...... 87

VIII

1) Einleitung

Die Golanhöhen, welche seit dem Sechstagekrieg von 1967 vom israelischen Staat besetzt ge- halten werden, spielen eine bedeutende Rolle in einer der wasserärmsten Gegenden der Erde. Zum einen sichern sie dem Staat Israel durch den Zugang zum Ostufer des See Genezareth lebenswichtige Süßwasserquellen, zum anderen bietet die natürliche Erhebung der Golanhöhen einen strategischen und militärischen Vorteil gegenüber dem Nachbarland Syrien. Dieser mili- tärische Vorteil ist vor allem dahingehend begründet, dass beide Staaten seit dem Sechstage- krieg keinen Friedensvertrag unterzeichnet haben und sich deshalb de facto nach wie vor im Kriegszustand befinden. Weiters bieten die Golanhöhen einen wirtschaftlich bedeutenden Fak- tor, da die Erhebung landwirtschaftlich genutzt wird. Der soziale Faktor mit der Besiedelung des Gebietes findet ebenso eine Legitimation für die Besetzung durch den Staat Israel.

1.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes

Das Untersuchungsgebiet dieser Arbeit beinhaltet in erster Linie die Golanhöhen selbst. Um jedoch die Entwicklung, welche sich in Bezug auf die Wichtigkeit für den Staat Israel dieser näher erläutern zu können, wird in dieser Arbeit Bezug auf die historischen Ereignisse genom- men. Zu diesen historischen Ereignissen zählen unter anderem die Schaffung des jüdischen Staates, die Eroberung der Golanhöhen durch die israelischen Streitkräfte im Sechstagekrieg von 1967 und die versuchte Rückeroberung durch die syrischen Streitkräfte im Zuge des Jom- Kippur-Krieges von 1973, die Annexion dieser durch den Staat Israel 1981 und die Anerken- nung durch die Vereinigten Staaten von Amerika 2019. Des Weiteren wird auf die israelische Siedlungspolitik eingegangen, da diese auch eine Rolle in der Bedeutung der Golanhöhen für Israel spielt.

1

1.2 Problemstellung und Zielsetzung

Ziele dieser Arbeit sind zum einen die wirtschaftliche Bedeutung der Golanhöhen für den Staat Israel zu analysieren und zum anderen auf die militärische Bedeutung des Plateaus einzugehen, da dieses für den Staat Israel von existenzieller Bedeutung ist. Um diese Zielsetzungen errei- chen zu können, wird in dieser Arbeit ein historischer Abriss der Region im Allgemeinen und die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten im Spezi- ellen geboten. Des Weiteren wird auf die israelische Siedlungspolitik auf den Golanhöhen ein- gegangen und die derzeitige Situation mit den einhergehenden Friedensmissionen der UNO inklusive der vergangenen österreichischen Beteiligung berücksichtigt. Letztendlich wird auch auf die aktuelle politische Situation Bezug genommen, da der US-Präsident Trump die Golan- höhen als Staatsgebiet Israels anerkannt hat und diese Anerkennung in weiterer Folge zu inter- nationaler Kritik führte. Somit gliedert sich diese Arbeit in 7 Kapitel, in welchen einerseits analysiert wird, wie es zu der Besetzung und anschließenden Annexion der Golanhöhen durch Israel gekommen ist und andererseits wird die Bedeutung der Golanhöhen für den Staat Israel in politischer und wirtschaftlicher Sicht dargestellt. Im Zuge dessen wird auch auf besondere historische Ereignisse und militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Nachbarn eingegangen, um die Ausgangslage der heutigen Situation zu beleuchten.

2

1.3 Forschungsfragen

Für den Aufbau dieser Arbeit waren die nachfolgenden Forschungsfragen von essenzieller Be- deutung, da es bei dieser politisch komplexen Thematik auch darum ging, den Fokus der ei- gentlichen Ziele dieser Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren. Gemeinsam mit Herrn Profes- sor Čede wurden aus diesem Grund die folgenden Forschungsfragen erarbeitet, welche es in dieser Arbeit zu beantworten galt.

Um diese Ziele der Arbeit zu erreichen, ergaben sich folgende Forschungsfragen:

• Welche Bedeutung haben die Golanhöhen für den Staat Israel in militärischer, politi- scher und wirtschaftlicher Hinsicht? • Aus welchen Gründen wurden die Golanhöhen vom Staat Israel besetzt und annek- tiert? • Wie wirken sich die UN-Friedensmissionen auf die Gegebenheiten der Golanhöhen aus?

1.4 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik

Diese Diplomarbeit basiert in erster Linie auf sorgfältig ausgewählter Literatur und aus der Sichtung relevanter Internetquellen. Letztere wurden vor allem für die Kapitel 7 und 8 verwen- det, und bestehen zum einen aus offiziellen Mitteilungen der jeweils involvierten Akteure und aus Presseartikeln, welche die besprochenen Thematiken erläutern. Um die Leserlichkeit der Arbeit zu erleichtern, wurden die Onlinequellen jeweils als Fußnoten vermerkt und sind im Anschluss an die Arbeit detailliert im Quellenverzeichnis zu finden.

Ausgangspunkt für diese Arbeit ist die Publikation Streit um das Heilige Land von Dieter VIE- WEGER (2013), da dieses Werk einen guten Gesamtüberblick über die historischen und geo- graphischen Gegebenheiten in der Region gibt. Eine weitere wichtige Stütze ist die Publikation Die Drusen in Israel von Peggy KLEIN (2001), da in diesem Werk die wichtigsten Informati- onen und die Geschichte, der grundsätzlich sehr verschlossenen schiitischen Untergruppe, dar- gestellt werden. Bei den weiteren wichtigen Werken, welche für diese Arbeit zu nennen sind,

3 handelt es sich um Israel – Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft von Michael WOLF- FSOHN und Tobias GRILL (2016), Wem gehört das Heilige Land? ebenfalls von Michael WOLFFSOHN (1993), Nahost von SCHREIBER Friedrich und WOLFFSOHN Michael (1987) und Der Nahostkonflikt von STEEN Klaus (2008).

Anzumerken wären noch die Problematiken, welche sich bei der Erarbeitung der folgenden Arbeit ergeben hatten. Die Erwähnung dieser ist insofern von Bedeutung, als dass die Beweg- gründe der Wahl der Quellen besser verständlich gemacht werden.

Zu Beginn der Arbeit ergaben sich Schwierigkeiten bei der Erstellung der Länderprofile in Ka- pitel 2, da die Daten, welche gefunden worden sind, zum Teil veraltet und gewissen Informati- onen von Seiten der Statistikämter nicht verfügbar gemacht worden sind.

Für das Kapitel 3.2 ‚Das Klima‘ wurden nur zwei Ortschaften ausgewählt, da es bei der Fläche des Untersuchungsgebietes nicht möglich war aufgrund der Größe dieses repräsentative Daten für das gesamte Gebiet zu erfassen und zusammenzufassen.

Bei der Recherche nach Statistiken bezüglich der Bevölkerungsstruktur auf den Golanhöhen wurden jene des israelischen Statistikamtes hinzugezogen. Die Problematik lag jedoch darin, dass die Statistiken nur in hebräischer Sprache veröffentlicht worden waren und erst auf Nach- frage jene in englischer Sprache für diese Arbeit zur Verfügung gestellt worden waren.

Neben wissenschaftlichen Quellen wurden bei dieser Arbeit auch internationale Zeitungsartikel und Reiseberichte verwendet, da es zu dieser Thematik kaum Literatur gibt und die jüngsten historischen Ereignisse in Bezug auf die Golanhöhen noch nicht zur Gänze wissenschaftlich aufgearbeitet worden sind. Diese Vorgehensweise wurde vor allem für die Kapitel 7 und 8 ge- wählt.

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2) Die Golanhöhen und Israel

2.1 Länderportraits

Nachfolgend werden die an die Golanhöhen grenzenden Länder Israel, Syrien, Libanon und Jordanien durch grundlegende Daten und Fakten überblicksmäßig dargestellt. Die Grundlage dieser Daten ist im Fischer Weltalmanach aus dem Jahre 2020 zu finden.

2.1.1 Israel

Abbildung 1: Flagge Israel

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Flag_of_Israel.svg

Abbildung 2: Wappen Israel

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Emblem_of_Israel.svg

5

Tabelle 1: Israel in Daten und Fakten

Staat Israel; Medinat Jisra'el (hebräisch)

20.991 km² ohne Ost-Jerusalem und den Fläche Golanhöhen

8.712.000 (75% Juden, 18% Muslime, 2% Einwohner Christen, 2% Drusen, 3% Andere)

Einwohner/km² 415

Hauptstadt Jerusalem (882.652 Einwohner)

Tel Aviv – Jaffa (438.818 Einwohner), Weitere wichtige Städte Haifa (279.591 Einwohner)

Wirtschaft

Bruttoinlandeinkommen (2017) 37.270 US-$

BIP (2017) 350,9 Mrd. US-$

Wirtschaftswachstum (2017) 3,3%

Landwirtschaft 1%

Sektoreneinteilung (2017) Industrie 17%

Dienstleistungen 82%

Arbeitslosigkeit (2017) 4,4%

Inflation (2017) 0,2%

Staatsausgaben

Militär 5,5% des BIP

Gesundheit 7,4% des BIP

Bildung 5,5% des BIP Arbeitsgrundlage: BOGUMIL & LÖCHEL, 2018, S.228, eigene Bearbeitung

6

2.1.2 Syrien

Abbildung 3: Flagge Syrien

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Flag_of_Syria.svg

Abbildung 4: Wappen Syrien

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Coat_of_arms_of_Syria.svg

Tabelle 2: Syrien in Daten und Fakten

Syrische Arabische Republik; al-Dschumhūriyya al-ʿarabiyya as-sūriyya* (arabisch)

185.180 km² inklusive der von Israel besetz- Fläche ten Golanhöhen

19.398.448 (87% Muslime, 10% Christen, Einwohner 3% Drusen)

Einwohner/km² 105

Hauptstadt Damaskus (1.414.913 Einwohner)

Aleppo (2.132.100 Einwohner), Weitere wichtige Städte Homs (652.609 Einwohner)

7

Wirtschaft

Bruttoinlandeinkommen (2017) k.A.

BIP (2017) k.A.

Wirtschaftswachstum (2017) k.A.

Sektoreneinteilung (2017) k.A.

Arbeitslosigkeit (2017) k.A.

Inflation (2017) k.A.

Staatsausgaben

Militär k.A.

Gesundheit k.A.

Bildung k.A. Arbeitsgrundlage: BOGUMIL & LÖCHEL, 2018, S.453, eigene Bearbeitung

*Auf Grund des syrischen Bürgerkrieges, welcher seit dem Jahre 2011 geführt wird, ist es im Bezug auf Syrien nicht möglich, exakte Daten herauszufiltern und anzugeben, da diese je nach der verwendeten Quelle eklatant voneinander abweichen.

8

2.1.3 Libanon

Abbildung 5: Flagge Libanon

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Flag_of_Lebanon.svg

Abbildung 6: Wappen Libanon

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Coat_of_arms_of_Lebanon.svg

Tabelle 3: Libanon in Daten und Fakten

Libanesische Republik; al-Ǧumhūriyya al-lubnāniyya (arabisch)

Fläche 10.452 km²

6.082.000 (57% Muslime, 37% Christen, Einwohner 6% Drusen)

Einwohner/km² 582

Hauptstadt Beirut (1.650.000 Einwohner)

Tripoli (450.000 Einwohner), Weitere wichtige Städte Sidon (250.000 Einwohner)

9

Wirtschaft

Bruttoinlandeinkommen (2017) 8.310 US-$

BIP (2017) 54,8 Mrd. US-$

Wirtschaftswachstum (2017) 2%

Landwirtschaft 4%

Sektoreneinteilung (2017) Industrie 15%

Dienstleistungen 81%

Arbeitslosigkeit (2017) k.A.

Inflation (2017) 4,5%

Staatsausgaben

Militär 4,5% des BIP

Gesundheit 8,2% des BIP

Bildung 2,5% des BIP Arbeitsgrundlage: BOGUMIL & LÖCHEL, 2018, S.293, eigene Bearbeitung

10

2.1.4 Jordanien

Abbildung 7: Flagge Jordanien

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Flag_of_Jordan.svg

Abbildung 8: Wappen Jordanien

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Coat_of_arms_of_Jordan.svg

Tabelle 4: Jordanien in Daten und Fakten

Haschemitisches Königreich Jordanien; al-Urdunn (arabisch)

Fläche 89.318 km²

Einwohner 9.702.000 (97% Muslime, 3% Christen)

Einwohner/km² 109

Hauptstadt Amman (1.812.059 Einwohner)

Sarka (635.160 Einwohner), Weitere wichtige Städte Irbid (502.714 Einwohner)

11

Wirtschaft

Bruttoinlandeinkommen (2017) 3.980 US-$

BIP (2017) 40,1 Mrd. US-$

Wirtschaftswachstum (2017) k.A.

Landwirtschaft 4%

Sektoreneinteilung (2017) Industrie 15%

Dienstleistungen 81%

Arbeitslosigkeit (2017) 14,9%

Inflation (2017) 3,3%

Staatsausgaben

Militär 4,8% des BIP

Gesundheit 8,1% des BIP

Bildung 3,6% des BIP Arbeitsgrundlage: BOGUMIL & LÖCHEL, 2018, S.251, eigene Bearbeitung

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3) Ein geographischer Überblick – Eine karge Wüstengegend?

In diesem Abschnitt wird kurz auf die physiogeographischen Gegebenheiten der Golanhöhen eingegangen. Einerseits wird das Untersuchungsgebiet kurz aus geologischer Sicht erläutert, die klimatischen Gegebenheiten anhand zweier Kibbuze dargestellt und die lebenswichtige Ressource Wasser, in einer der trockensten Gegenden der Welt besprochen. Des Weiteren wird auf die Problematik in Bezug auf das Wasser eingegangen und welche Konflikte dadurch ent- standen sind.

Abbildung 9: Lage der Golanhöhen in Israel

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Golanh%C3%B6hen#/media/Datei:Golan_Heights_re- lief_v2.png 13

3.1 Geologie und Morphologie

Bei den Golanhöhen handelt es sich um ein basaltisches Hochplateau vulkanischen Ursprunges zwischen dem See Genezareth und der syrischen Hauptstadt Damaskus (Abbildung 9). Beim Großteil des Gebietes handelt es sich um eine im Schnitt 1.000 Meter hohe Erhöhung mit einer Länge von ca. 60 Kilometern und einer Breite von ca. 25 Kilometern. Dies entspricht einer Fläche von ca. 1.500 km². Vom See Genezareth in Richtung Nordosten beginnen die Golanhö- hen. Die Landschaft erhebt sich zu Beginn auf ca. 1.000 Meter Höhe. An der nördlichen Grenze zu Syrien erhebt sich das Gebirgsmassiv des Hermon, welches an der syrisch-libanesischen Grenze bis zu 2.814 Meter über den Meeresspiegel reicht. Auf israelischer Seite misst der höchste Punkt 2.224 Meter.1

3.2 Klima und Vegetation

Da es sich bei den Golanhöhen um ein hügeliges Gebiet handelt, ist es nicht möglich, allge- meine klimatische Daten zu erfassen beziehungsweise diese als repräsentativ für die gesamte Region zu verwenden. Aus diesem Grund wurden für diese Arbeit die Daten der Kibbuze Me- rom Golan und Katzrin verwendet, um Aussagen bezüglich des Klimas zu treffen. Diese Kib- buze wurden gewählt, da es sich hierbei um zwei der größeren auf den Golanhöhen handelt und daher Aufzeichnungen bezüglich des Klimas detaillierter dargestellt und veröffentlicht werden.

Allgemein ist im Norden Israels das Mittelmeerklima vorherrschend. Das Mittelmeerklima wird als Teil des subtropischen Klimas kategorisiert und zeichnet sich durch heiße und trockene Sommer mit hoher Sonnenscheindauer und milde, aber regenreiche Winter aus. Der subtropi- sche Hochruckeinfluss im Sommer sorgt dafür, dass sich absinkende Luft erwärmt und dadurch Wolken aufgelöst werden. Dies führt wiederum dazu, dass es zu wenig bis zu keinem Nieder- schlag kommt. In den Wintermonaten wandert das subtropische Hochdruckgebiet nach Süden und zieht in weiterer Folge außertropische Westwinde nach sich, welche Druckgebiete mit Nie- derschlag transportieren. Dieses Phänomen wird in den unten angeführten Niederschlagsdia- grammen ersichtlich. In diesen stellen die Balken die Niederschlagsmenge in Millimetern des jeweiligen Monates dar, welche auf der rechten Seite der y-Achse in den Diagrammen zu finden

1 https://mfa.gov.il/mfa/aboutisrael/maps/pages/golan%20heights.aspx, eingesehen am 21.10.2020 14 ist. Die Temperatur hingegen wird als Kurve dargestellt. Auf der linken y-Achse der Dia- gramme wir die Temperatur in sowohl °C als auch °F dargestellt. Die x-Achsen der jeweiligen Diagramme stellen die Monate dar.2

Merom Golan liegt auf 988 Metern über dem Meeresspiegel in einem Gebiet, in welchem war- mes und mildes Klima vorherrschend ist. Die Winter sind im Normalfall regenreicher als die Sommer. Die jährliche Durchschnittstemperatur in Merom Golan liegt bei 15,1 °C. Die durch- schnittliche Niederschlagsmenge in Merom Golan beträgt 728 Millimeter pro Jahr.

Abbildung 10: Temperatur und Niederschlag Merom Golan

Arbeitsgrundlage: https://en.climate-data.org/asia/israel/north-district/merom-golan-217075/

Die niederschlagreichsten Monate im Jahr sind der Januar und der Dezember. Im Januar fallen im Schnitt 174 Millimeter Niederschlag. Der Juli und der August stellen im Schnitt die

2 https://www.wetter.net/wetterlexikon/eintrag/mittelmeerklima, eingesehen am 20.10.2020 15 niederschlagsärmsten Monate des Jahres da, da es in diesen im Schnitt kaum zu Niederschlägen kommt. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 728 Millimetern.

Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt 15,1 °C. Der August stellt den heißesten Monat dar, mit durchschnittlich 23,1 °C, während der Januar mit durchschnittlich 6 °C den kühlsten Monat des Jahres darstellt.3

Die zweite Ortschaft, welche auf Grund der klimatischen Daten gewählt wurde, ist der Kibbuz Katzrin. Dieser liegt auf 317 Metern Seehöhe. Die klimatischen Bedingungen sind ähnlich wie jene in Merom Golan, da die Distanz dieser beiden ca. 18 Kilometer Luftlinie beträgt. Auch hier ist warmes und mildes Klima vorherrschend, mit dem meisten Niederschlag in den Win- termonaten und gelegentlichen, jedoch minimalen Niederschlägen in den Sommermonaten. Die jährliche Niederschlagsmenge in Katzrin beträgt 511 Millimeter und die jährliche Durch- schnittstemperatur liegt bei 19,5 °C. Die Temperaturunterschiede und die unterschiedlichen Niederschlagsmengen zwischen Merom Golan und Katzrin lassen sich unter anderem durch die Seehöhe der jeweiligen Kibbuze erklären.

3 https://en.climate-data.org/asia/israel/north-district/merom-golan-217075/, eingesehen am 20.10.2020 16

Abbildung 11: Temperatur und Niederschlag Katzrin

Arbeitsgrundlage: https://en.climate-data.org/asia/israel/north-district/katzrin-59499/

Die niederschlagreisten Monate stellen auch in Katzrin der Januar und der Dezember dar, wobei es im Januar im Schnitt zu 134 Millimetern Niederschlag kommt. Juni bis August stellen die niederschlagsärmsten Monate des Jahres dar.

Die durchschnittliche Temperatur in Katzrin beträgt 19,5 °C wobei auch hier der Monat August den wärmsten im Jahr darstellt, mit einer durchschnittlichen Temperatur von 27,3 °C. Der Ja- nuar stellt den kältesten Monat mit 11,1 °C dar.4

4 https://en.climate-data.org/asia/israel/north-district/katzrin-59499/, eingesehen am 20.10.2020 17

Die Vegetation auf den Golanhöhen besteht großteils aus offenem Grasland, welches jedoch durch gelegentliche Sträucher und Bäume unterbrochen wird. Vor allem der Süden und das Zentrum der Region sind gekennzeichnet durch steppenartige Vegetationsverhältnisse, wäh- rend im Norden Wälder zu finden sind. Des Weiteren kennzeichnet sich der Norden durch frei- liegende Felsen und kahle Böden. Die Artenvielfalt der Bäume, Sträucher und Gräser im Nor- den ist signifikant höher als in der südlichen Region. Dies lässt sich damit begründen, dass es im Norden zu vermehrten jährlichen Niederschlägen kommt und diese nach Süden hin abneh- men. (GORDON, I., 1995, S.67-68)

Im Norden ist auch das Banyas Natural Reserve Naturschutzgebiet zu finden, welches sich durch seine üppige Vegetation auszeichnet (siehe Kapitel 7.1.3).

Im Zentrum der Golanhöhen wird aufgrund der vulkanischen Böden Wein angebaut. Dies ist einerseits durch die klimatischen Gegebenheiten möglich, wie die milden Temperaturen des Mittelmeerklimas und zum anderen durch die nährstoffreichen Böden. Darauf wird in Kapitel 7.3 näher eingegangen.

3.3 Wasserreserven

In einer der trockensten Gegenden der Erde, der südlichen Levante, ist Wasser die wichtigste Ressource. Über die gesamte Menschheitsgeschichte in der Region spielte Wasser eine tragende Rolle für das Überleben der jeweiligen Kulturen. (VIEWEGER, D., 2013, S.48) Der See Ge- nezareth stellt die größte Süßwasserreserve der Region dar, jedoch ist es nicht möglich die rund 10 Millionen Einwohner der Region ausschließlich mit dem Wasser des Sees zu versorgen. Auf Grund der vermehrten Entnahme des Wassers aus dem See Genezareth, hat dieser in den letzten Jahrzehnten einen so geringen Wasserstand erreicht, dass er zu versalzen und auszutrocknen droht. (VIEWEGER, D., 2013, S.50)

Der Fluss Jordan bildet neben dem See Genezareth eine wichtige Lebensader in der Region. Die Zuflüsse des Jordan teilen sich auf die vier Anrainerstaaten der Golanhöhen auf – Libanon, Syrien, Jordanien und Israel. Die Zuflüsse Hasbani, Dan und Banyas vereinigen sich beim Kib- buz Sde Nehemia im Norden Israels zum Jordan (siehe Abbildung 12). Der Fluss fließt in süd- liche Richtung in den See Genezareth und bildet danach die Grenze zu Jordanien, um

18 schlussendlich ins Tote Meer zu münden, bei welchem es sich um einen abflusslosen Endsee handelt. (VIEWEGER, D., 2013, S.50)

Durch die permanente Wasserentnahme Israels aus dem See Genezareth, ergab sich das Prob- lem, dass der Jordan zwischen dem See Genezareth und dem Toten Meer mittlerweile, auf man- chen Streckenabschnitten zu einem Rinnsal verkommen ist. Diese Wasserentnahme Israels führt im Umkehrschluss dazu, dass das Tote Meer mit weniger ‚frischem‘ Wasser gespeist wird und dadurch dessen Meeresspiegel immer weiter abzusinken droht. Hierbei geht es nicht um die Nutzung des Wassers für die Landwirtschaft per se. Durch das Absinken des Meeresspiegels gibt es weniger Wasser, welches verdunsten kann und sich in weiterer Folge durch diesen Ver- dunstungsprozess weniger Tau in der umliegenden Region bilden kann. Als zu berücksichtigen gilt es, dass die Hälfte der Niederschläge in dieser Region durch das Abfallen des Taus zustande kommt.

Durch dieses Handeln der beteiligten Länder wird das Konfliktpotenzial permanent hochgehal- ten, da es ein Kampf um die lebenswichtigste, als auch knappste Ressource in diesem Teil der Erde ist. Das jeweilige Wachstum der lokalen Bevölkerungen bringt die regierenden Parteien umso mehr in Zugzwang, als dass immer mehr Wasser benötigt wird, sich die Staaten jedoch nicht auf eine gerechte Aufteilung einigen können. (VIEWEGER, D., 2013, S.50)

Die Golanhöhen haben nicht zuletzt wegen der Quellflüsse des Jordan eine enorme Bedeutung für Israel. Durch die Besetzung der Golanhöhen und der damit verbundenen Besetzung des Ostufers des See Genezareth verhindert der Staat Israel Syrien unter anderem den Zugriff zum See. Israel hat gute Gründe dafür, da allgemein befürchtet wird, dass Syrien in dem Falle die Quellflüsse des Jordan umleiten könnte und dies im Umkehrschluss zu einer Versalzung des See Genezareth führen könnte. Dies möchte Israel unter allen Umständen verhindern, da es einen akuten Wassermangel nach sich ziehen würde. (VIEWEGER, D., 2013, S.51) Mit dem Beschluss des israelischen Kabinetts am 17. April 2000, Meerwasserentsalzungsanlagen zu er- richten, konnte Israels Wasserproblem erheblich entschärft werden. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.20)

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Abbildung 12: Zuflüsse des Jordan

Arbeitsgrundlage: https://www.thisweekinpalestine.com/wp-content/uploads/2020/06/005-a-970x1024.jpg

In Abbildung 12 wird das Flusssystem des Jordan veranschaulicht. Da sich die Nebenflüsse des Jordan in Syrien beziehungsweise Jordanien befinden, kann man erkennen, dass durch eine Umleitung dieser dem See Genezareth, beziehungsweise dem Teil des Jordan südlich davon, der Wasserzufluss genommen werden würde.

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4) Historischer Abriss

In diesem Teil der Arbeit erfolgt nun ein historischer Abriss des zu behandelnden Gebietes und der relevanten militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und seinen Nachbarn. Dies ist wichtig, um ein Verständnis der aktuellen Situation auf den Golanhöhen zu ermöglichen.

4.1 Die Golanhöhen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges

Die Region der Levante stand 400 Jahre lang unter osmanischer Herrschaft, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Das Osmanische Reich hatte am 2. August 1914 einen Bündnisvertrag mit dem Deutschen Reich unterzeichnet, in der Hoffnung, seine Position auf dem Balkan stärken zu können. Das Deutsche Reich erhoffte sich durch dieses Bündnis zum einen die Bereitstellung von Truppen und zum anderen die Einflussnahme auf die von den Entente-Mächten, von Mus- limen bewohnten, kolonialisierten Regionen. Als das Osmanische Reich in den Weltkrieg ein- stieg, versuchten die Briten die arabischen Stämme der Region zu einer Revolte gegen das Os- manische Reich zu bewegen, mit dem Versprechen, die Schaffung eines unabhängigen arabi- schen Staates zu unterstützen. Inoffiziell hatten Frankreich und Großbritannien jedoch am 16. Mai 1916 im Geheimen das Sykes-Picot Abkommen verhandelt, welches vorsah, nach dem Ersten Weltkrieg das Territorium des Osmanischen Reiches zu dezimieren und dessen arabi- sche Provinzen unter den Einflussbereich Frankreichs beziehungsweise Großbritanniens zu stellen. Frankreich sollte die Kontrolle über den Südosten der Türkei, den Libanon, Syrien und den nördlichen Irak erhalten. Großbritannien sollte die Gebiete des heutigen Jordanien, teil- weise Palästinas und des südlichen Irak unter seine Kontrolle bekommen. Auf dem Gebiet Pa- lästinas sollte zudem eine international verwaltete Zone errichtet werden.

Das Sykes-Picot Abkommen stand jedoch im Wiederspruch zu den Versprechungen, welche Großbritannien den arabischen Stämmen gemacht hatte. Aus diesem Grund wurde das Abkom- men auch geheim gehalten. Als jedoch Teile dessen bekannt wurden, kam es zu Aufständen in der Region, welche von den französischen beziehungsweise britischen Truppen blutig nieder- geschlagen wurden. Auf der Konferenz von San Remo, im Jahr 1920, wurde das Sykes-Picot Abkommen von internationaler Seite durch ein Völkerbundmandat bestätigt. Mesopotamien und Palästina wurde zu der britischen Mandatszone, während Frankreich das Mandat für Syrien und den Libanon erhielt. Da durch das Abkommen die Grenzen willkürlich und ohne Bezug 21 auf religiöse und ethnische Gruppierungen gezogen wurden, entstanden in weiterer Folge die heutigen Staaten Libanon, Syrien, Jordanien und der Irak in ihrer Form und die Aufteilung zeigt, dass durch dieses Abkommen nach wie vor Konflikte immer wieder aufkeimen.5

Ein weiteres Detail, welches auf der Konferenz beschlossen wurde, besagte, dass weder Frank- reich noch Großbritannien die unter ihre Kontrolle gestellten Gebiete annektieren dürften, son- dern vielmehr diese jenen unter Obhut gestellt werden sollten, bis sich neue Staaten auf dem Gebiet bilden sollten. Des Weiteren wurde die am 2. November 1917 von Großbritannien er- klärte Balfour-Deklaration ratifiziert. Bei dieser Deklaration handelte es sich um die Einver- ständniserklärung Großbritanniens, in Palästina eine nationale Heimstätte des jüdischen Volkes zu errichten.6

Abbildung 13: Aufteilung der Levante zwischen Frankreich und Großbritannien 1917

Arbeitsgrundlage: https://www.stripes.com/polopoly_fs/1.289776.1403214009!/image/image.jpg_gen/derivati- ves/landscape_900/image.jpg

5 https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/227750/sykes-picot-abkommen, eingesehen am 22.10.2020 6 https://www.golancoalition.org/facts/border-conflict/, eingesehen am 22.10.2020

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Wie in Abbildung 14 ersichtlich, wurde bei der Teilung des arabischen Teiles des Osmanischen Reiches ebenfalls die Balfour-Deklaration berücksichtigt, indem dem jüdischen Volk ein Teil des sowohl französischen als auch britischen Mandatsgebietes zugesagt worden war um einen jüdischen Staat zu gründen.

Abbildung 14: Mandatsteilung inklusive zukünftiger Grenzen Israels 1917

Arbeitsgrundlage: https://tinyurl.com/y257e3cd

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4.2 Die Golanhöhen unter französischem Mandat

Nachdem auf dem Gebiet des heutigen Syrien die osmanischen Truppen von einer Allianz aus französischen, britischen und arabischen Truppen besiegt worden war, wurde Damaskus nach dem Ende des Ersten Weltkrieges von den Franzosen unter arabische Verwaltung gestellt. Im Jahr 1920 wurde das arabische Königreich Syrien von Faisal I auf dem Gebiet des heutigen Syrien ausgerufen, welches jedoch nach wie vor unter französischer Mandatsverwaltung stand. Durch die Ausrufung des Königreiches kam es jedoch zu Rufen nach Unabhängigkeit und zu Revolten anderer arabischer Stämme, welche jedoch von den französischen Truppen niederge- schlagen wurden und Frankreich wieder die Kontrolle über das Gebiet übernahm.

Am 20. Juli 1922 wurde im Völkerbund erneut über die Mandatsbedingungen verhandelt, wel- che binnen drei Jahren vorsahen, lokale Autoritäten im Libanon und in Syrien zu fördern und diesen beiden den Weg zu unabhängigen Staaten zu ebnen. (M. B., & H. G. L., 1940, S.843)

Ein Problem des französischen Mandatsgebietes, welches im vorherigen Kapitel angesprochen wurde, bezieht sich auf die Bevölkerungsverteilung des französischen Mandatsgebietes. In die- sem fanden sich zu jener Zeit eine Vielzahl an sowohl ethnischen als auch religiösen Minder- heiten. Ebenfalls im Mandat durch den Völkerbund verankert war der Schutz dieser Minder- heiten. In Tabelle 5 können die jeweiligen Minderheiten des Libanon beziehungsweise in Ta- belle 6 jene Syriens eingesehen werden. Diese Minderheiten sind aus dem Grund wichtig, da diese oft zu den besser ausgebildeten Bewohnern und den Eliten des Landes zählten, welche einen erheblichen Einfluss auf das kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben in den je- weiligen Ländern und Regionen hatten und nach wie vor haben. Auch heute noch ist dieser Einfluss erheblich, wenn man sich das politische System Syriens, vor allem vor dem Bürger- krieg, ansieht, in welchem die Minderheit der Alawiten seit Jahrzehnten die herrschende poli- tische Elite darstellt und das obwohl nur 12% der syrischen Einwohner sich zu dem alawitischen Glauben bekennen. (M. B., & H. G. L., 1940, S.844-846)

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Tabelle 5: Bevölkerung des Libanon im Jahr 1932

Sunniten 178.100

Schiiten 155.035

Drusen 53.334

Maroniten 227.800

Griechisch-Katholisch 46.709

Griechisch-Orthodox 77.312

Protestanten 6.869

Armenisch-Orthodox 26.102

Armenisch-Katholisch 5.890

Syrisch-Katholisch und -Orthodox 5.526

Israeliten 3.588

Chaldäer 738

Weitere (darunter Alawiten) 6.393

Gesamtbevölkerung 793.396 Arbeitsgrundlage: M. B., & H. G. L., 1940, S.844, eigene Bearbeitung

Tabelle 6: Bevölkerung Syriens im Jahr 1938

Sunniten 1.737.402

Schiiten 11.541

Alawiten 274.486

Drusen 79.428

Ismailiten 24.390

Griechisch-Katholisch 42.427

Griechisch-Orthodox 115.118

Protestanten 7.660

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Armenisch-Orthodox 86.742

Armenisch-Katholisch 12.137

Maroniten 11.800

Römisch-Katholisch 4.750

Syrisch-Katholisch 14.182

Syrisch-Orthodox 32.892

Chaldäer 3.759

Israeliten 26.350

Jesiden 2.063

Gesamtbevölkerung 2.487.027 Arbeitsgrundlage: M. B., & H. G. L., 1940, S.844, eigene Bearbeitung

Diese Tabellen wurden aus dem Grund in die Arbeit aufgenommen, da heute noch Drusen eine wichtige religiöse Gruppe auf den Golanhöhen darstellen und um zu zeigen, dass diese seit jeher in diesem Gebiet siedelten. Außerdem wurde versucht, die weiteren religiösen Gruppen zur Zeit der französischen Mandatsherrschaft aufzulisten, da in dem Gebiet viele verschiedene Glaubensrichtungen vertreten waren. Des Weiteren sind die religiösen und ethnischen Zusam- mensetzungen der jeweiligen Staaten von Bedeutung, als dass diese Minderheiten, je nachdem mit welchen anderen Gruppen diese eine Koalition bilden, durchaus bei politischen Entschei- dungen das Zünglein an der Waage sein können. Wichtigstes Beispiel für diese Arbeit sind, wie schon erwähnt, die Drusen.

Unter der französischen Mandatsherrschaft mussten die Franzosen darauf achten, den Ethnien und/oder religiösen Gruppen gewissen Formen von Zugeständnissen zu machen, um den sozi- alen Frieden in ihrem Mandatsgebiet sicherzustellen. Die vier größten Gruppen in administra- tiver Hinsicht fanden sich im Libanon, Damaskus, Aleppo, welches als Territorium der Alawi- ten galt, und die Drusen als Volksgruppe. Da das Gebiet zuvor ein Teil des Osmanischen Rei- ches war, musste die französischen Verwaltung Grenzen ziehen, um territoriale Konflikte zwi- schen diesen Gruppen zu vermeiden. Beirut, welches zuvor eine syrische Enklave im Gebiet des Libanon gewesen war, wurde gemeinsam mit überwiegend muslimischen Zentren und Ge- bieten in der Nähe der palästinensischen Grenze zum Libanon zusammengeführt. Damaskus 26 und Aleppo wurden zusammengelegt und sollten den Grundstein für den später entstandenen syrischen Staat legen, in welchen auch das Gebiet der Alawiten eingegliedert wurde. Südlich von Damaskus existierte ein kleiner Drusenstaat, welcher jedoch 1936 auf französischen und syrischen Druck hin zu existieren aufhörte und in den syrischen Staat eingegliedert wurde. (M. B., & H. G. L., 1940, S.846)

5) Politische und militärische Bedeutung der Golanhöhen für den Staat Israel

Das folgende Kapitel soll nun einen Überblick über die militärischen Konflikte zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten bieten. Hierbei wird auf die Kriegsgründe ebenso eingegangen, wie auf die internationalen Bemühungen, diese beizulegen und zukünftig verhindern zu können.

5.1 Der Sechstagekrieg

Am 5. Juni 1967 begann der dritte israelisch-arabische Krieg, welcher die Erweiterung des is- raelischen Territoriums zum Ziel hatte, nach dem Israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 und der Suezkrise von 1956. Des Weiteren war es das Ziel, die israelische Position gegenüber den arabischen Staaten zu optimieren und so folgte ein Angriff auf Ägypten, welches von Sy- rien und Jordanien Unterstützung erhielt. In dem sechs Tage andauernden Konflikt gelang es Israel, die Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen von Ägypten, die Golanhöhen von Syrien und das Westjordanland und Ostjerusalem von Jordanien zu erobern. (SCHEUNGRABER, S., 2014, S.53) Bevor hier jedoch näher auf den Konflikt eingegangen wird, erfolgt zunächst eine Darstellung der jeweiligen Beweggründe für Auseinandersetzungen und Allianzen, welche ge- schmiedet worden sind.

Am 4. November 1966 wurde von den Staaten Ägypten und Syrien einen Verteidigungspakt unterschrieben. Aufgrund der politischen Großwetterlage in den 1960er und 1970er Jahren, welche geprägt war durch den Kalten Krieg zwischen den Supermächten USA und der Sowjet- union, hatten diese beiden Mächte natürlich auch Interessen, welche sie zu verteidigen versuch- ten und Ziele, welche es zu verfolgen galt. Eines der Ziele bestand darin, einen Fuß in den

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Nahen Osten zu setzen beziehungsweise die Beziehungen zu den arabischen Ländern zu stär- ken. Während die USA die Länder Israel und den Iran unterstützen, sah die Sowjetunion in Ägypten und Syrien die passenden Staaten, um die politischen Ziele zu verfolgen. Auch das israelische Atomprogramm muss hier erwähnt werden, welches mit französischer Unterstüt- zung seit 1957 vorangetrieben wurde. Diese Unterstützung und generell das israelische Atom- waffenprogramm sind auf die Erfahrungen des Holocaust zurückzuführen und auf die Drohge- bärden der arabischen Nachbarn von Israel. Das jüdische Volk soll nie wieder Gefahr laufen, ausgelöscht zu werden und darum dienen die israelischen Atomwaffen als Abschreckung ge- genüber möglichen konventionellen oder atomaren Angriffen seiner Nachbarn. Obwohl Israel immer betonte, das Kernforschungszentrum Negev südöstlich von Dimona in der Negev-Wüste würde der friedlichen Nutzung dienen, wurden im Ausland immer wieder Zweifel an der Dar- stellung geäußert. Israels atomares Arsenal wurde vom ‚International Institute of Strategic Stu- dies‘ auf über einhundert atomare Sprengköpfe geschätzt. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.133-134)

Die Sowjetunion war eines der Länder, welches den Bau des Assuan-Staudammes in Ägypten finanzierte. Dadurch erhofften sich die Sowjets zum einen Ägypten als Partner zu bekommen und zum anderen an Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent zu gewinnen. Ägypten erhoffte sich seinerseits durch den Bau des Staudammes, dass die Landwirtschaft modernisiert werden würde und die erzeugten Strommengen der Industrialisierung Ägyptens dienlich sein würden. (VIEWEGER, D., 2013, S.178)

Die arabischen Staaten, allen voran jene, die in den Konflikt involviert waren, hatte nicht nur ihre Probleme mit Israel, sondern auch innenpolitische. Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nas- ser (1918-1970) sah sich als panarabischer Vorkämpfer, welcher 1958-1961 als Präsident der Vereinigten Arabischen Republik, bestehend aus Ägypten und Syrien, gewählt worden war. Durch die militärische Intervention Ägyptens im Jemen (1962-1967) hatte Nasser große Ver- luste an ägyptischen Truppen zu verzeichnen, aus welchem Grund er innenpolitisch kritisiert worden war, und weshalb er sich auch mit Kritik aus dem Ausland konfrontiert sah, da den ägyptischen Truppen der Einsatz von Giftgas vorgeworfen worden war. (VIEWEGER, D., 2013, S.178)

Der Konflikt mit Syrien bestand darin, dass Israel im Jahr 1959 mit dem Bau des ‚National Water Carrier‘ Projektes damit drohte, das Wasser des Jordan vom See Genezareth bis in die Wüste Negev abzuleiten. Dadurch befürchtete Syrien, und auch Jordanien und der Libanon, dass Israel diesen Staaten diese lebensnotwendige Ressource buchstäblich abgraben würde. 28

Syrien und Libanon planten als Reaktion darauf die Jordanquellflüsse Hasbani im Libanon und Banyas auf den syrischen Golanhöhen auf ihr Gebiet umzuleiten. Bei Erfolg hätte dies zur Folge gehabt, dass Israel zu wenig Wasser aus den Quellflüssen erhalten hätte. (VIEWEGER, D., 2013, S.178) Dieser Eingriff in den Wasserhaushalt des Jordan wurde von den israelischen Entscheidungsträgern als casus belli empfunden und die Ableitungssysteme auf syrischer Seite wurden von den israelischen Streitkräften bis Juli 1966 viermal zerstört. (STEEN, K., 2007, S.94) Infolge der Konfrontationen kam es immer wieder zu schweren Grenzgefechten zwischen Israel und Syrien, welche am 7. April 1967 darin gipfelten, dass Israel sieben syrische Militär- flugzeuge russischer Bauart abschoss. (VIEWEGER, D., 2013, S.178)

Am 13. Mai 1967 erreichten sowjetische Falschmeldungen die ägyptischen Militärs, von einem starken israelischen Truppenaufmarsch an der Grenze zu Syrien. Dieser Aufmarsch konnte je- doch weder von unabhängigen UN-Beobachtern vor Ort noch vom ägyptischen Stabschef selbst bestätigt werden. Dennoch nahm Nasser diese Gerüchte zum Anlass, der gesamten Welt seine panarabische Solidarität und die Kampfbereitschaft im Konflikt mit Israel zu demonstrieren. Am 14. Mai 1967 wurden die ersten ägyptischen Truppenkontingente auf den Sinai beordert und zwei Tage später ein Teilabzug der neutralen UN-Truppen gefordert, welche auf dem Sinai als Puffer zwischen Ägypten und Israel fungierten. Vor allem durch den Abzug der UN-Trup- pen und der mangelnden Optionen der Vereinten Nationen in diesem Konflikt zu vermitteln, wurde die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung ungemein gesteigert. Eine neuerliche Steigerung der Eskalation wurde nur wenige Tage später, am 22. Mai 1967 erreicht als Nasser die Straße von Tiran im Roten Meer für israelische Schiffe sperren ließ. Dies wurden von den israelischen Militärs als Kriegsgrund empfunden, da diese Wasserstraße zum einen die einzige Verbindung Israels zum indischen Ozean darstellte und zum anderen die Blockade des israeli- schen Hafens Eilat, im Süden Israels, nach sich zog. Auf Proteste und Drohungen Israels rea- gierte Präsident Nasser mit einer steigenden Kriegsrhetorik und drohte mit der Vernichtung Israels. (STEEN, K., 2007, S.97) Jordanien trat am 30. Mai 1967 dem ägyptisch-syrischen Mi- litärbündnis bei und somit wurde ein neuer Höhepunkt in dem Konflikt erreicht, da sich Israel nun von seinen arabischen Nachbarn eingekreist sah. Unmittelbar vor den eigentlichen Kriegs- handlungen nannte der damalige israelische Außenminister Abba Eban „drei Gründe für die ‚existenzielle‘ Bedrohung Israels:

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„(1) ‚von Syrien aus operierenden Terroristen‘,

(2) ‚ägyptische Truppenkonzentrationen im Sinai nach dem Rückzug der Truppen der Vereinten Nationen‘

(3) ‚die Blockade der Straße von Tiran‘“. (EBAN, 2002, zitiert nach STEEN, 2007, S.101)

Am 5. Juni 1967 begann Israel mit einem Überraschungsangriff auf ägyptische Flugplätze. Die- ser erfolgte ohne formelle Kriegserklärung und die israelischen Kampfpiloten konnten, da sie unter dem Radar flogen, die Flugplätze erreichen und insgesamt 385 moderne Flugzeuge sow- jetischer Bauart am Boden zerstören und die Flugfelder soweit beschädigen, dass diese nicht mehr nutzbar gemacht werden konnten. Zwischen 6. und 8. Juni gelang es den israelischen Streitkräften die bis dato jordanischen Gebiete Westjordanland und Ost-Jerusalem zu erobern. Von hoher politischer, psychologischer und religiöser Bedeutung war die Eroberung Ost-Jeru- salems, da sich hier die Klagemauer, der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa Moschee und die Grabeskirche befinden. (SCHREIBER & WOLFFSOHN, 1987, S.196) Am 9. und 10. Juni wurden von Israel einerseits die Sinai-Halbinsel und andererseits die Golanhö- hen erobert. Mit der Eroberung der Golanhöhen boten sich für Israel zwei eklatante Vorteile. Zum einen hatten sie damit die Kontrolle über die wichtigen Wasserquellen des Jordan und zum anderen bot sich ein strategischer Vorteil für die Verteidigung des israelischen Gebietes durch die Kontrolle der Golanhöhen und deren unmittelbare Nähe zu Damaskus (siehe Abbildung 15).

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Abbildung 15: Besetzte Gebiete durch Israel 1967

Arbeitsgrundlage: http://images.derstandard.at/20040415/grafik_grenzen1.jpg

Durch die Eroberungen hatte Israel sein Staatsgebiet um ein Vielfaches vergrößert und verfügte nun über natürliche Grenzen. Ost-Jerusalem wurde sofort annektiert und kurze Zeit später wurde mit dem Bau jüdischer Wohnsiedlungen begonnen. Eine Herausforderung, welche zu dieser Zeit von den israelischen Führern nicht beachtet worden war, war die Tatsache, dass durch die Eroberungen die Bevölkerung des Staates um 800.000 Araber gestiegen war und dass der Staat plötzlich ein jüdisch-arabischer Staat geworden war. Die langfristig größer werdenden bevölkerungspolitischen Probleme waren nicht bedacht worden. (SCHREIBER & WOLF- FSOHN, 1987, S.199) Eine der Folgen dessen ist heute als das Palästinenserproblem bekannt, worauf in dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen wird. Der Sieg im Krieg führte dazu, dass der Militärkomplex ausgebaut und der Produktionsstandort Israel für Waffenproduzenten interessant wurde. Dies wiederum führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Des Weiteren wurde das Gebiet auch für jüdische Einwanderer von Bedeutung. Durch die Ausweitung des

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Territoriums des Staates Israel entstand genug Raum, um neue Siedlungen zu bauen und den Einwanderern somit eine Unterkunft bieten zu können. (VIEWEGER, D., 2013, S.184)

Allgemein glaubte die israelische Staatsführung seine Lage langfristig verbessert zu haben, da die Besetzungen der Sinai-Halbinsel, der Golanhöhen, des Gazastreifens, des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems als Pfand für die zukünftigen Friedensverhandlungen mit den arabischen Staaten dienten. Ziel dieser Friedensverhandlungen sollte es sein, dass alle Welt, und insbeson- dere die arabischen Staaten, den Staat Israel anerkennen sollten. (STEEN, K., 2007, S.112) Der ägyptische Präsident Nasser und der jordanische König Hussein waren bereit, im Alleingang Friedensverhandlungen mit Israel zu beginnen, da sie die Erfahrung gemacht hatten, dass Israel auf militärischem Wege nicht zu bezwingen sei und nur auf diplomatischem Wege eine Eini- gung zu erzielen sei. Israel jedoch antwortete nicht auf die Bemühungen Ägyptens und Jorda- niens und somit sah sich Nasser gezwungen, an einer gesamtarabischen Lösung zu arbeiten. Ende August 1967 fand in der sudanesischen Hauptstadt Khartum eine Gipfelkonferenz der Arabischen Liga statt, welche jedoch zu keiner Einigung führte. Anstatt Lösungsvorschläge auf diplomatischem Wege zu finden, endete die Konferenz mit einem dreifachen Nein:

„Nein zum Frieden mit Israel

Nein zur Anerkennung Israels

Nein zu Verhandlungen mit Israel.“ (STEEN, K., 2007, S.114)

Argumentiert wurde das dreifache Nein damit, dass jegliche Verhandlungen mit Israel dem palästinensischen Volk die Legitimation auf einen eigenen Staat nehmen würde. Trotz dieses Rückschlages beharrte Präsident Nasser auf seinen Weg, dass Friede und der damit verbundene Abzug Israels aus den annektierten Gebieten nur mittels Diplomatie zu erreichen sei. (STEEN, K., 2007, S.114)

Auf arabischer Seite führte die Niederlage zum Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, da er diese als persönliche Niederlage ansah. Dieser Rücktritt wurde jedoch auf Grund von Massendemonstrationen in Kairo revidiert. Die Niederlage hatte für die arabischen Staaten auch psychologische Auswirkungen, da diese den Niedergang des arabischen Nationa- lismus einleiten sollte, welcher durch Nasser symbolisiert wurde. (VIEWEGER, D., 2013, S.184)

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Die internationale Gemeinschaft, allen voran die Vereinten Nationen, kritisierten die israelische Annexion der arabischen Gebiete und versuchten den Konflikt zwischen Israel und den arabi- schen Staaten durch die Resolution 242 zu entschärfen. Diese Resolution basierte in den Grund- zügen auf fünf allgemeinen Prinzipien für den Frieden im Nahen Osten, welche der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson in einer Rede am 19. Juni 1967 erwähnt hatte. Einer der er- wähnten Punkte beinhaltete die Anerkennung der territorialen Integrität aller Länder in der Re- gion. Dies hieß de facto die Anerkennung des Staates Israel. Die konträren Standpunkte und Interessen der Supermächte USA und UdSSR erschwerten eine Lösung des Konfliktes. Wäh- rend die Sowjetunion und die arabischen Staaten von Israel forderten, unverzüglich aus den besetzten Gebieten abzuziehen, unterstützten die USA Israels streben nach offizieller Anerken- nung des Staates durch die Weltgemeinschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Prioritäten kam es zu Blockaden der jeweiligen Supermächte, weshalb die Sowjetunion am 13. Juni die Einberufung der UN-Generalversammlung beantragte. Das Gremium wurde sich hierbei nur in dem Punkt einig, dass die Annexion von Ost-Jerusalem durch Israel völkerrechtswidrig gewe- sen sei, doch bei der Frage nach einem Rückzug aus den besetzten Gebieten konnte keine Eini- gung erzielt werden, vor allem dadurch nicht, da einerseits den Israelis die arabische Anerken- nung des Existenzrechtes des jüdischen Staates nicht garantiert werden konnte und andererseits von den Arabern, da diese einen Rückzug der israelischen Streitkräfte ohne Vorbedingungen durchsetzen wollten. Die große Chance auf Frieden im Nahen Osten scheiterte somit am 21. Juni 1967 mit dem Ende der UN-Generalversammlung.

Im Herbst desselben Jahres nahmen die Verhandlungen jedoch wieder an Fahrt auf. Auf Grund des Eilat-Zwischenfalles, bei welchen der israelische Zerstörer Eilat von der ägyptischen Ma- rine versenkt worden war, da sich das Schiff bei einem Routinemanöver zu nahe an ägyptischen Hoheitsgewässern befunden haben soll und daraus resultierenden israelischen Vergeltungsmaß- nahmen, wurde sich die Führung in Ägypten dessen bewusst, dass es zu einer Lösung des an- dauernden Konfliktes kommen musste. Auch die internationale Gemeinschaft hatte einen Kon- sens gefunden, um der Region Frieden zu bringen und dabei die konträren Interessen von so- wohl Israel als auch Ägypten zu wahren. Unter dem Motto ‚Land für Frieden‘ sollten die Israelis aus den besetzten Gebieten abziehen und zugleich sollten die Araber alle militärischen Aktio- nen gegen Israel beenden und die Souveränität des Staates Israel anerkennen. Obwohl der aus- gearbeitete Plan mit Vertretern von sowohl den einflussreichen als auch den betroffenen Staaten abgestimmt worden war, scheiterte dieser an einer unzureichenden Mehrheit im Gremium der Vereinten Nationen. (STEEN, K., 2007, S.118)

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Am 7. November 1967 reichten Indien, Mali und Nigeria einen Entwurf ein, welcher in die spätere Resolution 242 übernommen werden sollte. Dieser Entwurf wurde als ‚Drei-Länder- Entwurf‘ bekannt und beinhaltete folgende Punkte:

„- Unvereinbarkeit des Landerwerbs durch Eroberung mit den Prinzipien der UN;

- Rückzug der israelischen Truppen ‚of all the territories‘, die Israel im Junikrieg besetzt hatte;

- das Recht in Frieden und Sicherheit zu leben;

- gegenseitige Anerkennung der Souveränität, der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit;

- eine gerechte Regelung des Flüchtlingsproblems und

- die Freiheit der Schifffahrt in internationalen Gewässern.“ (TESSLER, 1994, zitiert nach STEEN, 2007, S.120)

Die arabischen Staaten waren dazu bereit den Vorschlag anzunehmen, jedoch scheiterte dieser an den Israelis, da unmissverständlich formuliert war, dass sich diese aus den besetzten Gebie- ten zurückziehen sollten. Ebenfalls am 7. November legten die USA einen eigenen Entwurf vor, welcher sich im Wesentlichen nicht vom ‚Drei-Länder-Entwurf‘ unterschied, jedoch im Wortlaut von Punkt zwei erhebliche Interpretation zuließ, da es hier hieß „Rückzug der israeli- schen Truppen ‚from occupied territories‘“. Mit der Änderung im Wording ließen die USA den beteiligten Parteien die Möglichkeit offen, über die neuen Grenzen zu verhandeln. Der Vor- schlag der USA wurde eben mit der Interpretationsfreiheit des zweiten Punktes abgelehnt, da dieser nicht explizit festlegte, welches Land Israel den Arabern zurückzugeben hatte.

Lord Cardon, der ständige Vertreter Großbritanniens bei der UN, sollte auf der Grundlage des US-Entwurfes eine Resolution formulieren. In dieser nahezu unmöglichen Aufgabe sollte er die Interessen der Araber und der Israelis berücksichtigen, auf der einen Seite den vollständigen Rückzug der Israelis, auf der anderen Seite die ‚sicheren Grenzen‘. Um diesen Drahtseilakt zu meistern bediente sich Cardon des

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„UN-Prinzips der Unvereinbarkeit des Landerwerbs durch Gewalt mit der grundsätzlichen For- derung nach einem Rückzug der Israelis aus den im Sechstagekrieg besetzten Gebieten (witdra- wal from territories occupied) sowie der Zusicherung des Rechts eines jeden Staates auf sichere und anerkannte Grenzen im Sinne einer ‚constructive ambiquity‘ zu verbinden.“ (KRAUTKRÄ- MER, 2003, zitiert nach STEEN, 2007, S.122)

Die Araber hatten versucht, den Passus des Rückzuges in „withdrawal from the territories“ (STEEN, 2007, S.122) zu ändern, da ihnen der ursprüngliche Text zu vage erschien. Die USA und Israel lehnten dies jedoch ab und drohten, dass es entweder diese Resolution sein sollte oder es gar keine geben würde. Am 22. November 1967 wurde der Resolutionsentwurf von Lord Cardon einstimmig angenommen und somit wurde dem Willen der USA und insbesondere Israel stattgegeben.

Da die Palästinenser in dieser Resolution durch die Formulierung „eine gerechte Regelung des Flüchtlingsproblems“ (TESSLER, 1994, zitiert nach STEEN, 2007, S.120) nicht namentlich erwähnt worden waren, schien es aussichtslos für diese, sich an den Friedensverhandlungen zu beteiligen, geschweige denn eine gerechte Lösung zu finden. Diese Tatsache ist einer der Gründe, warum der Entwurf der Resolution zuerst angenommen worden ist, die Resolution jedoch abgelehnt wurde. Ägypten und Jordanien akzeptierten den Entwurf als Verhandlungs- grundlage, auf Grund der vagen Umschreibung des besetzten Landes stimmten diese der Reso- lution jedoch nicht zu. Da Israel jedoch darauf beharrte, wurde den arabischen Parteien in die- sem Konflikt immer mehr vor Augen geführt, dass Israel an Frieden in der Region kein Interesse hätte, sondern nur sein Territorium erweitern wollte. (STEEN, K., 2007, S.118-119)

Die Entwicklungen, welche nach dem Versuch Frieden in der Region herzustellen bis zum Aus- bruch des Jom-Kippur-Krieges von 1973 stattgefunden haben zeigen, dass die vagen Formulie- rungen der Resolution 242 nicht den Friedensprozess begünstigen konnten, sondern im Gegen- teil, den Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn noch mehr beheizte. Die Araber beharr- ten auf die Rücksetzung der Grenzen von vor dem Sechstagekrieg, während die Juden die Er- füllung dafür in bilateralen Gesprächen klären wollten. (STEEN, K., 2007, S.123) Da sich beide Seiten nicht einig werden konnten, kam es in den Folgejahren immer wieder zu Zusammenstö- ßen an den Grenzen, vor allem zwischen Israel und Ägypten, welches versuchte, den Rückzug Israels von der Sinai-Halbinsel zu erzwingen. Die israelischen Streitkräfte ließen sich darauf jedoch nicht ein und begannen Industrie- und Militärkomplexe im ägyptischen Hinterland zu bombardieren. Die Sowjetunion konnte und wollte das verbündete Ägypten, welches in die

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Defensive geraten war, nicht im Stich lassen und erhöhte ihr militärisches Engagement in der Region durch die Lieferung von neuen Waffensystemen und militärischem Personal und be- günstigte damit den Fortlauf des Konfliktes, welcher schließlich 1973 im Jom-Kippur-Krieg münden sollte. (STEEN, K., 2007, S.125)

5.2 Der Jom-Kippur-Krieg

Der Jom-Kippur-Krieg (auch bekannt als der vierte Nahostkrieg oder der Oktoberkrieg) begann am 6. Oktober 1973, als Nassers Nachfolger, der neue ägyptische Präsident Anwar as-Sadat gemeinsam in geheimer Absprache mit Syrien Israel militärisch angreifen ließ. (VIEWEGER, D., 2013, S.196) Dieser 6. Oktober war für beide Konfliktparteien ein wichtiges Datum. Da es sich um den zehnten Tag des Ramadans handelte, an welchem Mohammed im Jahr 630 seinen heiligen Krieg gegen Mekka begonnen hatte, schien es für die arabischen Führer, allen voran Sadat, ein gutes Omen zu sein, um diesen Konflikt ein für alle Mal siegreich zu beenden. Israel wiederum feierte an diesem 6. Oktober den höchsten jüdischen Feiertag, Jom-Kippur, an wel- chem das gesellschaftliche Leben in Israel traditionell stillsteht. (STEEN, K., 2007, S.131)

Dem Krieg vorangegangen waren ägyptische Bemühungen, sowohl auf direktem Weg als auch durch internationale Diplomatie mit Israel in Friedensverhandlungen zu treten. Von israelischer Seite wurden diese jedoch ignoriert, da sich Israel zum einen durch die Vorgänge und den Sieg im Sechstagekrieg unverwundbar fühlte und zum anderen durch den Abzug von 15.000 sowje- tischen Militärberatern aus Ägypten in Sicherheit wog. Zwei Aspekte spielten Sadat in die Hände. Der Rauswurf der sowjetischen Militärberater wird heute als Täuschungsmanöver des ägyptischen Präsidenten verstanden, denn dadurch erhöhte Moskau seine militärische Unter- stützung und lieferte mehr Waffen an Ägypten als in den Jahren davor. Vor allem die Lieferung sowjetischer Luftabwehrraketen der Typen SAM 6 und SAM 7 waren in der Anfangsphase des Jom-Kippur-Krieges von Bedeutung, da Ägypten den Großteil der israelischen Luftwaffe lahm- legen konnte. Zum anderen hatte der US-Präsident Nixon bei seinem Amtsantritt betont, für eine ausgewogene Nahostpolitik einzustehen. Intensive Kontakte zwischen den USA und Ägypten wurden vor allem durch Nixons Außenminister Henry Kissinger gepflegt. (SCHREI- BER & WOLFFSOHN, 1987, S.229)

Das Hauptinteresse des ägyptischen Präsidenten Sadat lag darin, die Sinai-Halbinsel zurückzu- erobern. Diese wurde 1906 Ägypten zugesprochen, nachdem die Briten diese vom 36

Osmanischen Reich zur Verwaltung erhalten hatten. Für Ägypten war die Halbinsel von zwei- erlei Bedeutung. Zum einen wurden dort Ölvorkommen vermutet, durch deren Förderung sich Ägypten einen wirtschaftlichen Vorteil erhoffte. Zum anderen ist die Halbinsel für den Touris- mus relevant, da sich dort ein damals entwicklungsfähiges Paradies für Meerestaucher befand und des Weiteren von Relevanz für Pilger war, da sich auf dem Sinai der Mosesberg und das dazugehörige Katharinenkloster befinden, welches eines der ältesten, immer noch von Mön- chen bewohnte Kloster des Christentums darstellt. Ein Unterschied zwischen Sadat und seinem Vorgänger Nasser war, dass Sadat erkannte, dass er, um eine Lösung in dem Konflikt zu finden, sich an die USA annähern musste. Moskau hatte im Zuge des Sechstagekrieges die diplomati- schen Verbindungen nach Israel abgebrochen und eignete sich im Gegensatz zu den USA nicht mehr als Vermittler in dem Konflikt. Die USA auf der anderen Seite hatten Beziehungen zu sowohl Israel als auch zu den arabischen Staaten.

Am 6. Oktober 1973 begann die Offensive der ägyptischen und syrischen Streitkräfte gegen Israel. Diese konnten zu Beginn rasche Erfolge verbuchen, da Jom-Kippur das größte israeli- sche Fest darstellt, während dessen beinahe das gesamte öffentliche, politische und militärische Leben in Israel stillsteht. Der Überraschungsangriff gelang, da sowohl israelische Politiker als auch Militärs die Warnungen der Geheimdienste nicht ernst genommen hatten. Die Mobilisie- rung der israelischen Streitkräfte verzögerte sich durch die Feierlichkeiten, sodass die arabi- schen Streitkräfte einen wichtigen Vorsprung erkämpfen konnten und die ägyptische Armee rund dreißig Kilometer tief in das Gebiet der Sinai-Halbinsel vordringen konnte. Zur gleichen Zeit drangen syrische Truppen im Norden in das israelische Gebiet der Golanhöhen ein und konnten dort erhebliche Geländegewinne verzeichnen (siehe Abbildung 16). Für Israel stellte sich die Tatsache als günstig heraus, dass sich Jordanien aus den Kriegshandlungen herausge- halten hatte. An beiden Fronten entbrannte eine ungeheure Materialschlacht und sowohl die arabischen Verbündeten als auch Israel benötigten bald Nachschub ihrer Verbündeten, der Sow- jetunion beziehungsweise den USA.

Am 8. Oktober errichtete die Sowjetunion Luftbrücken nach Ägypten und Syrien und zeitgleich die USA nach Israel. Des Weiteren versorgten die USA ihren Verbündeten mit Satellitenauf- nahmen der ägyptischen Streitkräfte, um die Planung von Abwehrmaßnahmen zu erleichtern. General Scharon konnte mit seinen Panzerbrigaden weit in ägyptisches Gebiet vorstoßen und stand nach kurzer Zeit 100 Kilometer vor Kairo. Die dritte ägyptische Armee blieb auf der Sinai-Halbinsel stecken und wurde von israelischen Verbänden eingekesselt und drohte zerrie- ben zu werden. Auf den Golanhöhen wandte sich ebenso das Blatt für Israel und die Streitkräfte

37 gingen in die Offensive über und eroberten das Gebiet zurück. Ebenso konnten sie massive Gebietsgewinne verbuchen. Für die arabischen Staaten entwickelte sich die zuvor gut gestartete Offensive immer mehr zu einem Debakel. Dieses versuchten sie jedoch aus politischen Grün- den um jeden Preis zu verhindern. Vor allem die zukünftigen Friedensverhandlungen im Auge behaltend, da Ägypten die israelischen Streitkräfte auf der Sinai-Halbinsel und Syrien jene auf dem Golan zum Rückzug bewegen wollten. Weltpolitisch erhöhten auch die Supermächte den Druck. Während die Sowjetunion damit drohte, aktiv in das Kampfgeschehen einzugreifen, ga- ben die USA Atomalarm. Dieses Vorgehen bewegte Israel schließlich zur Beendigung der Kampfhandlungen, da sich die Welt am Rande eines Atomkrieges zu befinden schien und die israelische Politik auf keinen Fall verantwortlich für atomare Auseinandersetzungen sein wollte. Im Nachhinein wurde spekuliert, ob dieses Vorgehen der Supermächte abgesprochen worden war, um die Kriegshandlungen sofort zu beenden. Am 24. Oktober konnte Henry Kis- singer den Waffenstillstand erzwingen und sowohl Ägypten mit Israel als auch Syrien mit Israel an den Verhandlungstisch bringen. (SCHREIBER & WOLFFSOHN, 1987, S.227-230)

Abbildung 16: Frontverlauf Sinai und Golanhöhen 1973

Arbeitsgrundlage: https://www.diepresse.com/1461033/jom-kippur-krieg-als-trauma-einer-nation

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Am 11. November 1973 begannen die Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel in einem Zelt 101 Kilometer östlich von Kairo. Trotz der militärischen Erfolge Israels hatte der Ausgang des Konfliktes für beide Seiten eine positive beziehungsweise negative Auswirkun- gen. Für die arabischen Staaten war es insofern positiv, als dass Israel an den Verhandlungstisch gezwungen wurde. Ein weiterer positiver Aspekt für die Araber war, dass die Unbesiegbarkeit der israelischen Streitkräfte negiert worden war. Israel hatte mit 2.378 Toten für seine Verhält- nisse enorme Verluste zu beklagen. Dies waren insofern hohe Zahlen, da die israelische Politik immer versucht hatte, möglichst geringe eigene Verluste zu verantworten. Vor allem im Ver- gleich zum Sechstagekrieg waren diese Verluste enorm, da damals ‚nur‘ zwischen 679 und 766 israelische Soldaten gefallen waren. Die Verluste im Jom-Kippur-Krieg auf arabischer Seite beliefen sich jedoch auf über 20.000.

Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für den Frieden zwischen den Konfliktparteien wur- den auf Initiative der USA und der Sowjetunion im Sicherheitsrat der UNO geschaffen. Dies geschah gegen den grundsätzlichen Willen Israels, welches immer auf bilaterale Verhandlun- gen mit den arabischen Staaten gepocht hatte. Im Entwurf zur Resolution 338 wurde festgehal- ten, dass die Parteien einen gerechten und dauerhaften Frieden, basierend auf der Resolution 242 aus dem Jahre 1967, anzustreben hätten. Unter Umständen hätte diese Resolution auch zu einem Erfolg führen können, wenn die arabischen Ölstaaten nicht eine neue politische Waffe benutzt hätten, indem sie am 16. Oktober 1973 ein Öl-Embargo gegen alle israel-freundlichen Staaten verhängt hätten. Durch dieses Embargo wurde die ägyptische Verhandlungsposition gestärkt und die beiden Konfliktparteien, Ägypten und Israel, einigten sich am 18. Januar 1974 auf das erste Sinai Abkommen. Dieses sah vor, dass Ägypten wieder die Kontrolle über die beiden Ufer des Suezkanals bekommen sollte und eine Pufferzone zwischen den ägyptischen und israelischen Streitkräften entstehen sollte. Unter Mithilfe von Henry Kissinger wurde am 1. September 1975 das zweite Sinai Abkommen beschlossen, welches einen israelischen Rück- zug von der Sinai-Halbinsel zur Folge hatte. Der wichtigste Punkt dieser beiden Abkommen war jedoch die Verpflichtung der beiden Staaten, zukünftige Konflikte nicht mehr militärisch auszutragen, sondern auf diplomatischem Wege. (SCHREIBER & WOLFFSOHN, 1987, S.233-238)

Die Gründe für das Einlenken Israels und das Akzeptieren der Bedingungen sind auf mehreren Ebenen relevant. Zum einen wollte Israel durch die bilateralen Verhandlungen mit Ägypten dieses unabhängig von den anderen arabischen Staaten machen und somit die Gefahr eines neuen arabisch-israelischen Konfliktes reduzieren. Zum anderen zeigte das von den arabischen

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Staaten verhängte Öl-Embargo Wirkung, als dass unter dem maßgeblichen Einfluss Frankreichs beim Ministerrat der EG-Staaten am 6. November 1973 eine Friedensregelung unter Berufung auf die UN-Resolutionen 242 und 338 gefordert wurde, als auch der Abzug der israelischen Truppen aus den besetzten Gebieten. Dies deutete einen pro-arabischen Kurswechsel in der Nahostpolitik der europäischen Staaten an. Auch die Rechte der Palästinenser wurden offiziell anerkannt, jedoch werde ich in dieser Arbeit die Palästinenserfrage nur am Rande erwähnen, da die Komplexität dieser Thematik in eigenen Arbeiten abgehandelt werden kann.

Auch innenpolitisch erhöhte sich der Druck auf die politischen Führer des Landes, da sich eine Friedensbewegung formierte, welche einen gerechten Ausgleich und Frieden mit den arabi- schen Nachbarn forderte. Der Wortführer dieser Forderungen war der von 1956 bis 1968 am- tierende Präsident der zionistischen Weltorganisation Nahum Goldmann, welcher der Auffas- sung war, dass es auf Grund von waffentechnologischen Entwicklungen nicht mehr zeitgemäß war, „Sicherheit durch territoriale Position“ zu erlangen. Dieser forderte auch die völkerrecht- liche Anerkennung des Staates Israel durch die arabischen Staaten und, im Gegenzug, die Rück- gabe der von Israel 1967 besetzten Gebiete. (STEEN, K., 2007, S.137)

Trotz des erhöhten Drucks von internationaler Seite, war Israel nicht bereit sich des Friedens willens aus den besetzten arabischen Gebieten zurückzuziehen. Nachdem die Vermittlungsver- suche von Henry Kissinger scheiterten, drohte der damalige US-Präsident Gerald Ford mit Kon- sequenzen, unter anderem mit der Ablehnung neuer Waffengeschäfte zwischen den USA und Israel. Letztendlich führten jedoch Vermittlungsversuche von US-Außenminister Kissinger, UN-Generalsekretär Waldheim und Rumäniens Staatspräsident Ceaucescu zum Erfolg, sodass sich Israel und Ägypten doch einigen konnten. Am 4. September 1975 wurde das zweite Sinai Abkommen zwischen den Konfliktparteien unterzeichnet. Dadurch verzichtete Israel auf ein Siebtel des besetzten ägyptischen Gebietes, einschließlich besetzter Ölfelder. Des Weiteren wurde die Nutzung des Suezkanals für israelische Schiffe gestattet und beide Staaten verpflich- teten sich, zukünftige Konflikte ohne Waffengewalt und auf diplomatischem Wege beizulegen. Auffallend war es jedoch, dass keine Rede vom Rückzug Israels von den Golanhöhen oder vom Westjordanland war. Dieses Abkommen stieß beim Großteil der arabischen Staaten auf Ableh- nung, bis auf Saudi-Arabien, Kuwait und den Sudan. Die häufigste Reaktion war, dass es sich bei dem Abkommen um einen Kniefall vor den amerikanischen und israelischen Interessen handelte. Syrien wurde zu einem der schärfsten Kritiker dieses Abkommens, wohl auch aus dem Grund, dass Israel die Golanhöhen weiter besetzt hielt und bis heute noch hält. Im

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Umkehrschluss wurde Syrien durch diese Kritik auch ein Vertreter für die palästinensische Sa- che. (STEEN, K., 2007, S.138)

5.3 Die Annexion der Golanhöhen

Nachdem Israel die Golanhöhen während des Sechstagekrieges 1967 von Syrien erobert hatte, weigerte sich das Land, diese an die völkerrechtlich rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben. Eine der Hauprämissen Israels für die Rückgabe des besetzten Gebietes war die Anerkennung Israels als souveränen Staat und die damit einhergehende Akzeptanz der arabischen Nachbarn. Die Besetzung der Golanhöhen hatte für Israel zwei entscheidende Gründe. Zum einen die Was- serquellen des Jordan und zum anderen die strategische Position. Die syrischen Streitkräfte verfügten über Stützpunkte auf den Golanhöhen, von welchen aus sie darunter liegenden, isra- elische Ortschaften unter Artilleriebeschuss nehmen konnten und nahmen. (VIEWEGER, D., 2013, S.174)

Am 14. Dezember 1981 wurden die Golanhöhen offiziell durch einen Beschluss der Knesset, des israelischen Parlaments, Teil des Staates Israel. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.20) Um zu verstehen, warum diese Annexion möglich war, muss man an dieser Stelle kurz das politi- sche Systems Israels beleuchten. In der israelischen Politik kommt es immer wieder zu Diskre- panzen, wenn es um die Rückgabe der besetzten Gebiete geht oder um die Beibehaltung des Status Quo seit 1967. Diese Diskrepanzen bestehen jedoch nicht nur zwischen den Parteien per se, sondern sind auch innerhalb der verschiedenen Parteien sichtbar. In Bezug auf das Abstim- mungsverhalten in der Knesset spricht man hierbei oft von sogenannten ‚Tauben‘ und ‚Falken‘. Unter den ‚Tauben‘ versteht man grundsätzlich jene Abgeordneten, welche sich mehr oder we- niger kompromissbereit zeigen in der Araber-, Palästinenser- und vor allem Gebiets- und Sied- lungspolitik. Das Motto der ‚Tauben‘ kann als „Friede statt Gebiete“ beziehungsweise „Land für Frieden“ definiert werden. Man muss hierbei jedoch erwähnen, dass die meisten ‚Tauben‘ nicht für die Rückgabe aller im Sechstagekrieg besetzten Gebiete sind. Auf der anderen Seite geben sich die ‚Falken‘ als nicht gesprächsbereit, wenn es um die Frage der Rückgabe der be- setzten Gebiete geht. Deren Motto kann als „Friede mit Gebieten“ angesehen werden. Wie be- reits erwähnt, gibt es innerparteilich die Trennung zwischen ‚Tauben‘ und ‚Falken‘. Diese Gruppen dominieren jedoch auch jeweils in ihren Parteien. Seit den 1970er Jahren kann man durchaus die Anhänger und Politiker des Arbeiterblocks inklusive deren zusammenarbeitenden

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Parteien Großteiles als ‚Tauben‘ ansehen, wenn man das Abstimmungsverhalten der Parlamen- tarier betrachtet. Auf der anderen Seite werden Politiker und Anhänger der nationalliberalen Bewegung LIKUD als ‚Falken‘ angesehen, da diese zu keinerlei Kompromissen bereit sind. Auch in den anderen, kleineren Parteien der Knesset finden sich sowohl ‚Tauben‘ als auch ‚Falken‘. Auf diese Parteien wird jedoch auf Grund ihrer geringen Wahlerfolge und der daraus resultierenden Machtlosigkeit nicht eingegangen. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.103)

Am 26. Januar 1999 beschloss die Knesset mit 53 zu 30 Stimmen, dass die Rückgabe der Go- lanhöhen und Ost-Jerusalems nur durch eine absolute Mehrheit der Abgeordneten und durch eine Volksabstimmung möglich sein soll. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.20)

Nachdem die Golanhöhen annektiert worden sind, ging es um den rechtsstaatlichen Status der Einwohner, nicht nur auf den Golanhöhen, sondern auch in Ost-Jerusalem. 1951 wurde in der Knesset das sogenannte Rückkehrgesetz beschlossen, durch welches alle aus dem Ausland kommenden Juden, welche sich in Israel niederließen, die israelische Staatsbürgerschaft auf Wunsch verliehen bekamen, sofern sie einen jüdischen Elternteil oder Großelternteil hatten. Ansonsten wird das Abstammungsprinzip angewendet, womit alle neugeborenen Kinder, deren Eltern die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, eben diese erhielten. Eine weitere Form des Erhalts der Staatsbürgerschaft schließt das Gebietsprinzip mit ein. Dieses wurde für nichtjüdi- sche Einwohner Palästinas angewandt, welche nach 1948 auf israelischem Gebiet lebten. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.20)

Nichtjüdische Bewohner Palästinas der 1967 eroberten und danach annektierten Gebiete er- hielten nicht automatisch die israelische Staatsbürgerschaft. Dies betrifft vor allem die Drusen auf den Golanhöhen, von welchen sich die Mehrheit bis heute weigert, die Staatsbürgerschaft anzunehmen, da die Drusen sich nach wie vor als syrische Staatsbürger sehen. Es gab und gibt jedoch die Möglichkeit sich einbürgern zu lassen, diese Möglichkeit wurde aber seit der Er- oberung der Gebiete und der damit einhergehenden Annexion nur von rund einem Prozent der betroffenen Personen wahrgenommen. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Bürger Isra- els im annektierten Gebiet auf staatlicher Ebene nicht wahlberechtigt sind, sprich an Knesset- Wahlen nicht teilnehmen dürfen, sofern sie die israelische Staatsbürgerschaft nicht angenom- men haben. Es ist ihnen jedoch erlaubt an regionalen Wahlen teilzunehmen, da hier alle Ein- wohner des Staates Israel, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, dazu berechtigt sind. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.44)

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5.4 Die militärische Bedeutung der Golanhöhen

Die Golanhöhen sind in Bezug auf die militärische Bedeutung für den Staat Israel vor allem von enormer strategischer Wichtigkeit. Dies wird damit begründet, dass es sich bei den Golan- höhen um eine Erhöhung handelt, von welcher aus man auf beiden Seiten tief ins Hinterland, von Israel beziehungsweise Syrien, blicken kann und dieses auch unter Artilleriebeschuss neh- men kann, wenn nötig.

Abbildung 17: Relief der Golanhöhen

Arbeitsgrundlage: https://www.jcpa.org/text/DefensibleBorders-GolanHeights.pdf s20

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Außenpolitisch hat sich die Bedeutung der Golanhöhen für Israel vor allem seit dem 2010 aus- gebrochenen syrischen Bürgerkrieg erhöht, da es für Israel vor allem durch die unübersichtli- chen territorialen Verteilungen im syrischen Grenzgebiet von enormer Bedeutung ist, eine stabile und sichere Grenze zum Bürgerkriegsland zu haben.

Auch die Sieglungspolitik in den besetzten Gebieten hat eine strategische Bedeutung für den Staat Israel. Es geht vor allem darum, mit vergleichsweise wenigen jüdischen Siedlern die ara- bischen Dörfer und Städte zu umzingeln und voneinander abzuschneiden. Somit erhalten die wenigen jüdischen Siedler eine enorme strategisch-bevölkerungspolitische Bedeutung. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.22) In strategischer Hinsicht geht es auch um die Tatsache, dass die Siedlungen militärpolitisch als Stützpunkte dienen könnten. Die würde bedeuten, dass die israelischen Streitkräfte im Falle eines arabischen Angriffes auf der Stelle über israelische Stützpunkte, sogenannte Wehrsiedlungen, verfügen und sich somit ein strategischer Vorteil er- geben würde. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.25) Ebenfalls von Bedeutung ist die Distanz der Golanhöhen einerseits zum 66 Kilometer entfernten Damaskus und andererseits zu den is- raelischen Siedlungen und dem 84 Kilometer entfernten Haifa, welche in Reichweiter von Ar- tillerien liegen, sofern diese auf den Golanhöhen stationiert werden.

Abbildung 18: Die Golanhöhen von Syrien und Libanon aus gesehen

Arbeitsgrundlage: https://jiss.org.il/en/inbar-israels-presence-on-the-golan-heights-a-strategic-necessity/ 44

Bereits im Jahre 1948 wurden auf den Golanhöhen die sogenannten Golani-Brigaden gegründet und stationiert, welche sich Großteiles aus Soldaten der Haganah und Ansässigen von den Go- lanhöhen zusammensetzte. Diese Infanterieeinheit ist die einzige der israelischen Verteidi- gungskräfte, welche seit der Aufstellung dieser bestehend ist und in den meisten militärischen Konflikten involviert war. Einer der wichtigsten Erfolge für Israel feierte die Einheit im Sechs- tagekrieg von 1967, als es ihr gelang syrische Posten auf den Golanhöhen zu erobern, welche bis heute als Grundstein für die, aus israelischer Sicht, Eroberung und nachfolgende Annexion der Golanhöhen gilt.7 Eine weitere Besonderheit der Golani-Brigaden stellt die Einsetzung von Ghassan Alian als Befehlshaber im Jahre 2013 dar, da es sich bei ihm um den ersten nichtjüdi- schen Kommandanten einer Einheit in den israelischen Streitkräften handelt. Der aus dem Ort Shfaram stammende Kommandeur ist der erste Druse, welchem diese Aufgabe zu Teil wurde. Diese Tatsache fußt auf die in Kapitel 6 besprochene Sonderstellung der Drusen innerhalb des Staates Israel und verdeutlicht diese noch einmal.8

Das Symbol der Golani-Brigaden besteht aus einem grünen Olivenbaum samt Wurzeln auf gel- bem Grund. Die Farben symbolisieren die Wiesen der Golanhöhen und die Verwurzelung der Einheit mit dem Staat Israel.

Abbildung 19: Symbol der Golani-Brigaden

Arbeitsgrundlage: https://de.wikipedia.org/wiki/Golani-Brigade#/media/Datei:Golani_tree_color.svg

7 https://www.idf.il/en/minisites/golani-brigade/, eingesehen am 12.12.2020 8 https://www.timesofisrael.com/in-first-druze-officer-to-lead-golani-brigade/, eingesehen am 12.12.2020 45

5.5 Die Schebaa Farmen

Bei den Schebaa Farmen handelt es sich um ein etwa 25 Quadratmeter großes Gebiet im Norden Israels grenzend an den Libanon. Das 11 Kilometer lange und 2,5 Kilometer breite Gebiet wurde durch Israel im Jahr 1967 von Syrien erobert und wird seitdem besetzt gehalten. Das Problem mit dem Gebiet besteht darin, dass es de jure zu Syrien gehört, dieses den Besitz jedoch abstreitet, da von syrischer Seite argumentiert wird, dass das Gebiet schon im Jahr 1951 an den Libanon geschenkt worden war. Bezüglich dieser Schenkung liegt jedoch kein völkerrechtli- cher Vertrag vor, womit eine Überprüfung der tatsächlichen Besitzverhältnisse schwerfällt. Von Seiten der Vereinten Nationen wird das Gebiet als syrisch betrachtet und daher nicht als vom Abzug Israels aus dem Libanon im Jahr 2000 betroffen angesehen. Die Hisbollah, eine islamisch-schiitische Partei und Miliz, welche vor allem im Süden des Libanon tätig ist, und somit auch die Schebaa Farmen in ihrem Einflussgebiet sieht, betrachtet, ebenso wie die offi- zielle libanesische Regierung, das Gebiet als Teil des Libanon. Dadurch fordern diese Parteien naturgemäß die Rückgabe des Gebietes an den Libanon. (VIEWEGER, D., 2013, S.47)

Die Streitigkeit über die Besitzverhältnisse und die Okkupation des Gebietes durch Israel füh- ren seit Jahren immer wieder zu Konflikten zwischen der Hisbollah und den israelischen Streit- kräften, da auf dem Gebiet der Schebaa Farmen immer wieder Anschläge der Hisbollah auf die israelischen Streitkräfte stattfinden. Dieser Mikrokonflikt führte die Region im Laufe der Zeit schon mehrmals an den Rand eines Krieges. Dieses kleine Stück Land führt aber nicht nur zu Konflikten zwischen dem Libanon und Israel, sondern birgt das Potenzial für Konflikte sowohl zwischen Israel und seinen restlichen arabischen Nachbarn als auch zwischen den arabischen Staaten untereinander. Die offizielle israelische Meinung zu dem Gebiet ist, dass dieses der Republik Syrien gehöre und eine etwaige Rückgabe nur mit den Repräsentanten Syriens zu verhandeln sei. Der Libanon wiederum beharrt darauf, dass das Gebiet Teil des Südlibanon sei und in dieser Position wird das Land auch von Syrien unterstützt. Die Weigerung der Rückgabe Israels an den Libanon wird jedoch in der arabischen Welt allgemein als Zeichen für die ag- gressive Expansionspolitik Israels angesehen und verurteilt. Grundsätzlich herrscht in der ara- bischen Welt die Meinung vor, dass Israel das Gebiet – ebenso wie die Golanhöhen – zurück- geben müsse, jedoch ist es grundsätzlich nicht von Bedeutung, an wen die Schebaa Farmen zurückgegeben werden sollen.

Die Vereinten Nationen unterstützen jedoch die Position Israels. Nachdem das Gebiet völker- rechtlich als syrisch angesehen wird und Israel im Jahr 2000 den Rückzug aus dem Libanon 46 angetreten hatte, müsse mit Syrien über den Status der Schebaa Farmen verhandelt werden. Nachdem sich durch die verschiedenen Ansichten eine Patt-Situation ergeben hat, wird sich eine Lösung der Statusfrage der Schebaa Farmen in näherer Zukunft wohl nicht finden lassen.9

Abbildung 20: Lage der Schebaa Farmen

Arbeitsgrundlage: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/2d/Shebaa_Farms.jpg/450px- Shebaa_Farms.jpg

9 https://pij.org/articles/9, eingesehen am 08.12.2020 47

Historisch gesehen lässt sich dieser Konflikt bezüglich der Grenzziehung mit dem französi- schen Mandatsgebiet Palästina begründen. Durch die Tatsache, dass das heutige Syrien und der heutige Libanon in den 1920er Jahren zusammenhängend zum französischen Mandatsgebiet gehörten, war es für die Franzosen von höherer Priorität, die Grenzen nach außen hin zu ziehen, nämlich jene zwischen dem französischen Mandatsgebiet Palästina, dem Irak und der Türkei. Innerhalb des Mandatsgebiets wurden keine Grenzen gezogen. Problematisch wurde es erst, als sich die Gebiete Damaskus und Aleppo im Jahr 1924 zu vereinigen begannen und im Laufe der Zeit jene der Alewiten und Drusen sich dem neuen Konstrukt anschlossen und somit die Staaten Libanon und Syrien zu entstehen begannen. Zwischen diesen Gebieten hatte es die französische Mandatsregierung verabsäumt, Grenzen zu ziehen, womit diese willkürlich entstanden. Dadurch ergab die prekäre Situation, dass Menschen, welche im zukünftigen Staat Libanon lebten, sich tags darauf plötzlich in Syrien vorfanden. Diese willkürliche Grenzziehung war ermöglicht worden durch die Tatsache, dass kaum Aufzeichnungen über die Grenzverläufe existierten. (KAUFMAN, A., 2002, S.580)

Im Jahr 1935 wurden von den französischen Behörden die Grenzziehungen zwischen Syrien und dem Libanon in Angriff genommen und ein im selben Jahre erschienener Bericht kritisierte die bisherigen Aufzeichnungen über etwaige Grenzverläufe als nicht mit den realen topogra- phischen Gegebenheiten korrelierend. Es wurde gefordert, sowohl libanesische als auch syri- sche Experten zu Rate zu ziehen, um diese Versäumnisse nachzuholen und auch die Bewohner der Grenzregion in die Entscheidung des Grenzverlaufes miteinzubeziehen. Diesen Forderun- gen wurde jedoch nicht nachgegangen und die Problematik der Grenzziehung zog sich bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges hinein. Durch die Vorkommnisse des Zweiten Weltkrieges wurden die Grenzziehungen auf die Zeit danach verschoben. Es kamen Behauptungen auf, dass das Gebiet im Jahr 1951 vom syrischen Präsidenten Adib al-Shishakli, mittels eines mündlichen Vertrages, an den Libanon übergeben worden war. Da diese Übergabe jedoch nicht schriftlich erfasst, geschweige denn bei der UNO registriert worden war, wird diese als nichtig angesehen. Hintergrund dieser Übergabe war, dass Syrien keinen Sinn dahinter sah, ein Gebiet zu bean- spruchen, welches laut den dort ansässigen Menschen und der libanesischen Regierung zum Libanon gehörte. Die Übertragung soll jedoch an die Bedingung geknüpft gewesen sein, dass Syrien im Notfall das Gebiet aus strategischer und logistischer Sicht nutzen durfte. (KAUF- MAN, A., 2002, S.581)

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Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Unabhängigkeit Syriens konnten oder wollten die Fran- zosen keine Informationen über den Grenzverlauf der beiden Staaten weitergeben. Daher muss- ten die libanesischen und syrischen Abgesandten zu dieser Frage die Grenze willkürlich ziehen. Nach langjährigen Verhandlungen und Versäumnissen konnten sich Syrien und der Libanon im Jahr 1964 darauf einigen, dass die Grenze entlang des 35 Längengrades gelegt werden sollte. Bei dieser Grenzsetzung wurden jedoch von keiner Seite Karten angefertigt oder Grenzsteine gelegt, sodass es keine offiziellen Aufzeichnungen über den tatsächlichen Verlauf der Grenze gibt. Durch die fehlenden Aufzeichnungen ist es nicht klar ersichtlich, wessen Territorium von Israel besetzt ist. (KAUFMAN, A., 2002, S.594)

Die Wichtigkeit dieses Gebietes lässt sich vor allem auch durch die strategische Bedeutung begründen. Als Argument für die Bedeutung der Schebaa Farmen lässt sich anführen, dass durch die Lage an den nordwestlichen Hängen des Berges Hermon reichlich Wasser vorhanden ist, welches sich durch die Schneeschmelze im Gebirge im Grundwasser sammelt. Dieses Was- ser wird dringendst für die Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen in der Gegend benö- tigt.10

Ein weiterer Aspekt für die Bedeutung des Gebietes liegt in politischer Natur. Es wird argu- mentiert, dass die Rückgabe der Schebaa Farmen für Israel ein Eingeständnis für die völker- rechtswidrige Okkupation darstellen würden und somit Druck auf den Staat ausgeübt werden könnte, sich aus den anderen besetzten Gebieten ebenfalls zurückzuziehen. Dies möchte Israel unter allen Umständen vermeiden, da es zu einem Verlust der Golanhöhen, des Westjordanlan- des und Ost-Jerusalems führen könnte.11

10 https://www.worldpoliticsreview.com/articles/119/the-truth-about-the-sheba-farms, eingesehen am 08.12.2020 11 https://www.jewishpolicycenter.org/2009/02/28/syria-and-the-shebaa-farms-dispute/, eingesehen am 09.12.2020 49

6) Die Siedlungsstruktur der Golanhöhen

Im folgenden Kapitel wird nun kurz auf die Geschichte der Drusen in der Region eingegangen, gefolgt von der Siedlungsstruktur auf den Golanhöhen, inklusive der drusischen, jüdischen und arabischen Siedlungen. Auch wird darauf eingegangen, wie Statistiken der israelische Statis- tikbehörde zu lesen sind und welche Besonderheiten sich hierbei ergeben.

6.1 Drusendörfer

Die Drusen sind eine arabischsprachige Religionsgemeinschaft im Nahen Osten, welche sich vor ca. 1.000 Jahren vom Islam abspaltete. Im 11. Jahrhundert entwickelte sich die Glaubens- gemeinschaft in Ägypten aus dem schiitischen Islam. Um die Glaubensgemeinschaft zu verste- hen, ist es notwendig, die beiden wichtigsten Strömungen des Islam kurz zu erwähnen.

Die Schiiten machen heute ca. 10% aller Muslime aus und stellen im Islam in den Ländern Iran, Aserbaidschan und Irak die Mehrheit der Bevölkerung dar. Im Gegensatz dazu bezeichnen sich heute ca. 90% aller Muslime als Sunniten und stellen damit nicht nur die Mehrheit innerhalb der Religion dar, sondern auch die Mehrheit in allen anderen islamischen Ländern.

Die Aufteilung der Muslime in Sunniten und Schiiten begann bereits kurz nach dem Tod von Mohammed im Jahr 632 n. Chr. Nachdem Mohammed zu Lebzeiten keinen Nachfolger be- stimmt hatte, entbrannte ein Streit zwischen zwei Gruppen um eben diese Nachfolge. Auf der einen Seite argumentierten die Sunniten, dass ein Nachfolger von der Gemeinschaft gewählt werden müsse.

Auf der anderen Seite argumentierten die Sunniten, dass es sich bei den Nachfolgern um Bluts- verwandte von Mohammed handeln müsse. Diese Blutverwandtschaft galt als Legitimation, da gehofft wurde, dass das ‚Göttliche‘ von Mohammed vererbbar sei und somit an seine Blutsver- wandten weitergegeben werden konnte.

Die Geschichte der Drusen begann in Kairo, zur Zeit des Fatimidenkalifen al-Hakim bi-Amril- lah (985-1020 n. Chr.). Unter den Fatimiden versteht man eine Untergruppe der Schiiten, aus welcher sich die Sekte der Drusen abspaltete. Al-Hakim spielt für die Drusen insofern eine

50 bedeutende Rolle, da dieser im Glauben der Drusen als die letzte Reinkarnation Gottes angese- hen wird. (KLEIN, P., 2001, S.25)

Der im Jahr 1017 zum Imam ernannte, aus Persien stammende Hamza ibn Ali gilt als der Be- gründer des Drusentums. 1005 nach Ägypten gekommen, war er zunächst in Hakims Schreib- stube tätig. In eben jenem Hakim sah Hamza eine Art Messias, die letzte Inkarnation des vierten Kalifen und somit eines Blutverwandten Mohammeds, und begann dessen göttlichen Ruf zu verbreiten. Da diese Verbreitung im Sinne von Hakim war, ließ er Hamza weiter gewähren und bot ihm die Möglichkeit seine Thesen weiter zu verbreiten und eine immer größere Gefolg- schaft zu gewinnen. Unter den Anhängern von Hamzas Thesen befand sich auch ein Missionar türkischer Herkunft namens Muhammad ibn Ismail ad-Darazi. Nach dessen Namen könnte auch die Gemeinschaft der Anhänger der neuen Religion der Darazi benannt worden sein. Die Dru- sen jedoch lehnen diese Theorie der Namensherkunft ab, da sie der Ansicht sind, Darazi hätte die Lehren des al-Hakim verfälscht und betrachten ihn aus diesem Grund als ersten Abtrünni- gen. (KLEIN, P., 2001, S.31) 1021 verschwand der Kalif Hakim plötzlich und es wurden nur seine blutverschmierten Kleidungsstücke gefunden, jedoch kein Leichnam. Unter seinem Nach- folger az-Zahir wurden die Anhänger der neuen Gemeinschaft unterdrückt, verfolgt und muss- ten ihren Glauben im Untergrund weiter praktizieren. Durch diese Vorkommnisse verließen viele Drusen Kairo und siedelten sich in entlegenen Gebirgsgegenden an. Diese Verfolgung, von den Drusen mihna genannt, wurde zu einem Schlüsselpunkt in deren Volkstradition und auch als Test ihres Glaubens angesehen. Auch der Gründer des neuen Glaubens, Hamza, über- lebte das Jahr 1021 nicht, hatte jedoch davor Bahā'a ad-Dīn al-Muqtana zu seinem Nachfolger ernannt. (KLEIN, P., 2001, S.33) Dieser hatte im Jahre 1043 beschlossen, keine neuen Mitglie- der mehr in die Sekte aufzunehmen, das heißt, nur mehr geborene Drusen dürfen sich auch als solche bezeichnen. Diese Tradition wird bis zum heutigen Tage weitergelebt.

Die Drusen bezeichnen sich selbst als muwaḥḥidūn (Monotheisten). Damit signalisieren sie, dass sie sich zur Einheit und Einzigartigkeit Gottes bekennen. Des Weiteren wird das Drusen- tum als gnostische Religion bezeichnet, welches bedeutet, dass sie sich als die Wissenden anse- hen. (KLEIN, P., 2001, S.35)

Die drusische Glaubenslehre beinhaltet das Konzept der Reinkarnation (taqammus). Nach die- ser Auffassung ist der Körper bloß eine Hülle, welcher die Seele beheimatet. Stirbt ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft, wird dieses innerhalb der Glaubensgemeinschaft wiedergeboren. Somit bleibt die Anzahl der Drusen immer konstant – der Theorie nach. Dies ist natürlich nicht möglich, da durch die abweichenden Sterbe- und Geburtenraten nie eine konstante Zahl 51 möglich wäre. Als Erklärung für diese abweichenden Zahlen nennen die Drusen die Wiederge- burt der ’überschüssigen‘ Drusen in . Dies wurde wahrscheinlich darum gewählt, da China vom ursprünglichen Siedlungsgebiet der Drusen zu weit entfernt liegt, und somit eine genaue Bestimmung der Anzahl der Glaubensmitglieder nicht möglich wäre. Im Vergleich zu anderen Religionen, in welchen die Wiedergeburt eine wichtige Rolle spielt, ist es laut der dru- sischen Auffassung nicht möglich, als ein anderes Lebewesen als ein Mensch wiedergeboren zu werden, im Vergleich dazu der buddhistische Glaube, in welchem es durchaus möglich ist, als Tier wiedergeboren zu werden. Dadurch dass die Seele nach dem Tod in einen anderen Körper wandert, ist es für die Drusen wichtig das Medium - den Körper - zu schützen. Aus diesem Grund sind der Genuss von Alkohol, Nikotin und anderen Substanzen verboten. Anhand des Glaubens der Seelenwanderung ist im drusischen Glauben, in Gegensatz zum sunnitischen oder schiitischen, das Konzept des Paradieses nicht bekannt. Den erstrebenswertesten Aspekt des drusischen Glaubens stellt die Einheit mit Gott dar. (KLEIN, P., 2001, S.41)

Da sich die Gemeinschaft der Drusen aus dem schiitischen Islam entwickelte, ist für die Drusen auch das Konzept der Verstellung (taqiyya) bekannt. Hierbei handelt es sich um die Geheim- haltung des eigenen Glaubens und die Nichterfüllung religiöser Pflichten, um das eigene Leben oder das Leben und den Besitz der Gemeinschaft zu schützen. Hierbei sind zwei Aspekte zu beachten. Einerseits stellt die taqiyya keinen Freibrief zum Lügen dar, da dies nur zum Selbst- schutz in Bezug auf den Glauben und die Gemeinschaft gestattet ist. Zum anderen muss immer beachtet werden, dass durch die taqiyya niemandem Schaden zugefügt werden darf. (KLEIN, P., 2001, S.42)

Das Hauptsiedlungsgebiet der Drusen befindet sich seit jeher im Libanon. Hier machen die Drusen heute ca. 5,6% der Bevölkerung aus.12 Außerdem sind Drusen, abgesehen von jenen in der Diaspora, noch in Syrien (ca. 3,5%) und eben in Israel (ca. 1,6%) zu finden. Während aller Konflikte in der Region, bewahrten die Drusen eine gewisse Neutralität.

Zu Beginn des 18.Jahrhunderts begannen die Drusen den Libanon zu verlassen und sich auf dem Huran, einem gebirgigen Teil im Südwesten Syriens, niederzulassen. Folglich wurde das Gebiet als Jabal al-Duruz (Berg der Drusen) bekannt, da die Drusen während der französischen Kolonialzeit dort einen autonomen Drusenteilstaat errichten konnten. Dieser bestand zwischen 1921 und 1936. Am 4. März 1921 hatten sich die Drusen mit den Franzosen darauf geeinigt, dass die Drusen das französische Mandat anerkennen würden, die französische Militärpräsenz

12 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/le.html, eingesehen am 23.11.2020 52 akzeptieren und dadurch im Gegenzug gewissen Vorrechte in Staatsfragen erhalten sollten. Die Franzosen auf der anderen Seite verpflichteten sich dazu, die Sicherung des drusischen Staates zu übernehmen, diese von der Wehrpflicht zu befreien und es den Drusen zu erlauben, in ihrem Gebiet Waffen tragen zu dürfen. Weiters erhielten die Drusen das Recht auf einen Gouverneur aus den eigenen Reihen für ihr Gebiet. (KLEIN, P., 2001, S.113)

Grundsätzlich ließen sich die Franzosen auf diese Forderungen ein, welche den Drusen die Teilautonomie ermöglichten und diese auf die Seite der Franzosen ziehen konnten. Die Verein- barungen der Drusen mit den Franzosen hielten jedoch nur drei Jahre, da der damalige Gouver- neur Capitaine Gabriel Carbillets, um seine Amtszeit zu verlängern, versuchte, interne Streitig- keiten unter den Drusen für sich zu nutzen und somit einen politischen Vorteil zu ziehen. Der damalige drusische Führer Sultan al-Atrash sah die drusische Sache gefährdet und forderte von den Franzosen die zuvor garantierte Souveränität ein. Da eine abgesandte Delegation in Da- maskus von den Franzosen nicht gehört worden war, fühlten sich die Drusen in ihrer Ehre ge- kränkt und griffen zu den Waffen, um sich gegen die ihnen gegenüber ungerechte Behandlung zur Wehr zu setzen. Trotz der Tatsache, dass die Franzosen sowohl zahlenmäßig als auch aus- rüstungstechnisch überlegen waren, mussten sie herbe Verluste einstecken. Der Aufstand in Syrien schwappte auch in den benachbarten Südlibanon über. Nach einigen kleineren Gefech- ten schlugen die Franzosen die Aufstände brutal nieder, waren jedoch für Zugeständnisse hin- sichtlich der Selbstverwaltung der Drusen bereit. Dieser Aufstand gilt bis heute als prägend für die nationale Sache der Drusen. (KLEIN, P., 2001, S.114)

Nachdem sich die Franzosen 1946 aus dem Gebiet zurückgezogen hatten und Syrien seine Un- abhängigkeit erlangen konnte, kam es zu Unruhen unter den Drusen gegen das neue politische System in Syrien. Grund hierfür war, dass die neuen politischen Eliten in Syrien die Drusen von allen Regierungsposten ausschlossen und ihr Hauptsiedlungsgebiet in Syrien vom Rest des Landes auszuschließen versuchten. Dies betraf vor allem das Transport- und das Bildungswe- sen. Weiters verschärfte die Tatsache, dass Drusen im Krieg 1948/49 die Juden unterstützt hat- ten, den Konflikt zwischen der syrischen Regierung und der Minderheit der Drusen. Unter Re- pressalien leidend zog es viele Drusen nach Jordanien und in den Libanon. Jene, welche jedoch in Syrien geblieben waren, hatten die besten Möglichkeiten in der syrischen Armee, da diese säkular geprägt war und die religiösen Konfessionen keine Rolle spielten. Da sich viele der regierungstreuen Drusen in der Armee verdient gemacht hatten und dadurch ihre Loyalität be- wiesen hatten, wurden ihnen von Präsident Hafiz al-Assad weitere Zugeständnisse gemacht und

53 ihre Isolation vom Rest des Landes wurde aufgehoben. Des Weiteren war es ihnen wieder er- laubt worden, hohe Regierungsposten zu bekleiden. (KLEIN, P., 2001, S.114)

Die Situation der Drusen in Palästina gilt es etwas differenzierter zu betrachten als die Situation jener in Syrien. Der Hauptunterschied hierbei lag darin, dass Syrien unter französische Man- datsherrschaft gestanden hatte, während Palästina unter jene der Briten geraten war. Während des britischen Mandats in Palästina, zwischen 1917 und 1948, kam es zu Annäherungen zwi- schen den Drusen und den Juden. Hierbei ist vor allem der Kibbuz Yagur im Norden Israels am Ostrand des Kamelgebirges zwischen Haifa und zu erwähnen. Hier kam es erstmals zur Bewirtschaftung nebeneinander liegenden Landes von Juden und Drusen, welche konflikt- frei verlief. Auch von offizieller Seite wurden gute nachbarschaftliche Kontakte durch Vertreter der Jewish Agency sowohl gepflegt als auch intensiviert. Die Jewish Agency kann heute als Vorgänger des Staates Israel angesehen werden, da sie allein befugt war, mit der britischen Mandatsverwaltung zu verhandeln. Sowohl die Juden als auch die Drusen erhofften sich Vor- teile durch diese Zusammenarbeit. Die Juden glaubten, dass die Drusen eine Abneigung gegen- über den anderen Muslimen in der Region hegen würden und aus diesem Grund die jüdische Sache durchaus bereit waren zu unterstützen. Ein weiterer Grund für die Annäherung der Juden an die Drusen war die Hoffnung, die drusischen Angriffe auf jüdische Siedlungen unterbrechen zu können. Der dritte und vielleicht wichtigste Aspekt der Zusammenarbeit war es jedoch, dass die Juden in den Drusen einen stabilisierenden Faktor für den Fortbestand des Staates Israel sahen, wobei sie insgeheim hofften, durch eine gute Beziehung zu den Drusen auch eine Basis mit den restlichen arabischen Gruppen schaffen zu können. Die Drusen auf der anderen Seite erhofften sich von den Juden Einfluss auf die französische Mandatsregierung, gegen welche die syrischen Drusen kämpften. Die Drusen in Palästina wollten jenen in Syrien helfen, den Kon- flikt zu beenden. (KLEIN, P., 2001, S.50)

1930 wollten die Drusen beantragen, als eigenständige Gruppe in der parlamentarischen Ver- sammlung Palästinas unter britischer Mandatsherrschaft aufgenommen zu werden. Dies wurde ihnen jedoch von britischer Seite versagt und sie wurden der sunnitischen Vertretung unterstellt. Dies stieß bei den Drusen auf Widerstand, da sie ihre Bräuche, Identität und Gesetze unabhän- gig belassen wollten. Diese Weigerung zur Anerkennung als separate ethnische Gruppe machte es den Juden leichter, das Vertrauen der Drusen zu gewinnen, da die Juden diese als eigene Ethnie behandelten, im Gegensatz zu den anderen Arabern in der Region. (KLEIN, P., 2001, S.51) Als die Zusammenarbeit der Juden mit den Drusen bekannt wurde, wurden die drusischen Dörfer von arabischen Rebellen angegriffen und tyrannisiert. Die Jewish Agency handelte

54 daraufhin 1938 gemeinsam mit den Drusen einen Plan aus, um die Drusen in Galiläa in den Hauran nach Syrien umzusiedeln. Die Drusen ihrerseits waren von den Plänen nicht abgeneigt, vor allem auf Grund der arabischen Angriffe auf ihre Dörfer und die Entehrung ihrer heiligen Schriften. 1939 begannen Verhandlungen der drusischen Scheichs mit den arabischen Führern, um eine Schlichtung des Konfliktes herbeizuführen. Am 14. Januar 1940 konnte eine Einigung erzielt werden, in welcher die Drusen bis 1948 eine neutrale Rolle im Konflikt zwischen den Juden und den Muslimen einnahmen. (KLEIN, P., 2001, S.52)

1948 legten die Briten ihr Mandat für Palästina ab und es folgte der Teilungsplan der UNO durch die Resolution 181, welcher vorsah, das britische Mandatsgebiet Palästina zu teilen und ein Nebeneinander zwischen Juden und Arabern zu garantieren. Von jüdischer Seite wurde der Plan abgelehnt, da sie mehr als die Hälfte am Territorium, welches für den jüdischen Staat vorgesehen war, an die arabische Bevölkerung abtreten hätten müssen. Jedoch waren die Juden bereit, weitere Verhandlungen mit den Briten zu führen. Auch auf arabischer Seite stieß der Plan auf Ablehnung, da sie damit gezwungen gewesen wären, einerseits einen jüdischen Staat zu akzeptieren und andererseits hinnehmen hätten müssen, dass Teile der Palästinenser unter jüdischer Herrschaft zu leben hätten.13

David Ben-Gurion proklamierte daraufhin am 14. Mai 1948 den Staat Israel. Diese Proklama- tion führte zum ersten arabisch-israelischen Krieg, welcher bis zum Frühjahr 1949 andauerte. In dieser Zeit verhielten sich viele Drusen neutral. Diese Neutralität führte wiederum zur Kritik von palästinensischer Seite, da einigen Drusen vorgeworfen wurde, die palästinensische Sache nicht zu unterstützen. Es gab jedoch auch einige Drusen, welche sich auf die Seite der arabi- schen Befreiungsarmeen stellten und gegen die Juden in diesem Krieg kämpften. Nachdem im April 1948 die Stadt Haifa von den jüdischen Truppen erobert wurde, desertierten rund 212 der 500 drusischen Kämpfer und zogen sich nach Syrien und in den Libanon zurück.

Nach dieser Niederlage konnten Vertreter des jüdischen Militärs die restlichen Drusen davon überzeugen, entweder ihre neutrale Position einzunehmen oder die Möglichkeit zu nutzen sich den neu gegründeten israelischen Verteidigungskräften (Israeli Defense Forces) anzuschließen, welche viele Drusen auch nutzten. (KLEIN, P., 2001, S.53)

Heute leben die Drusen in 18 verschiedenen Dörfern in Galiläa und in vier weiteren Ortschaften auf den Golanhöhen. Jene auf den Golanhöhen sind: (10.930 Einwohner), Buq’ata (6.485 Einwohner), Mas’ade (3.592 Einwohner) und (2.033 Einwohner).

13 https://embassies.gov.il/pretoria/AboutIsrael/history/Pages/History-State-of-Israel.aspx, eingesehen am 28.11.2020 55

In den israelischen Reisepässen wird grundsätzlich nicht zwischen Nationalität, sondern zwi- schen religiöser Zugehörigkeit unterschieden. Das bedeutet, dass je nach Zugehörigkeit entwe- der ‚Jude‘ oder ‚Araber‘ im Pass zu finden ist. Eine Ausnahme findet sich hier, da seit dem Jahr 1962 die Drusen als solche in den Reisepässen Erwähnung finden. (KLEIN, P., 2001, S.69) Ein interessantes Detail lässt sich in der Darstellung von Statistiken finden, da hier die Drusen nicht explizit genannt werden, sondern nach wie vor als ‚Andere‘ klassifiziert werden. Dies ist auch in Kapitel 6.2 in Tabelle 8 ersichtlich, welche auf offiziellen israelischen Daten basiert.

Seit 1979 bot die israelische Regierung den golanischen Drusen die israelische Staatsbürger- schaft an. Jedoch wurde diese kaum angenommen, sodass bis Oktober 1984 nur rund 250 Aus- stellungen registriert worden sind. Als Reaktion auf die Annexion der Golanhöhen durch Israel im Jahre 1981 wurde im selben Jahr von den drusischen Führern des Golan folgende Erklärung zum Status der Drusen und der Golanhöhen aus drusischer Sicht abgegeben:

„1) Der Golan ist integraler Bestandteil Syriens.

2) Die Bewohner des Golan sind Syrer.

3) Die golanischen Drusen sind mit dem Boden verbunden und sie beteuern ihren Landbesitz.

4) Jeder, der Land an die Israelis verkauft, wird aus der religiösen Gemeinschaft der Drusen ausgeschlossen.

5) Die lokalen Gemeinderäte, die von der Militärverwaltung eingerichtet wurden, sind illegal.

6) Jeder Druse, der die israelische Staatsbürgerschaft annimmt, wird ebenfalls aus der religiösen Gemeinde der Drusen ausgeschlossen.“ (KLEIN, P., 2001, S.71)

Vor allem der Punkt sechs der Erklärung begründet die Abneigung der Drusen gegenüber der Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft, da für die Drusen der Zusammenhalt der religiö- sen Gemeinschaft das höchste Gut darstellt.

Nach zähen Verhandlungen konnten sich Israel und die Drusen jedoch darauf einigen, dass die Drusen einen israelischen Ausweis akzeptieren würden, solange Israel der Gemeinschaft ga- rantierte, dass inhaftierte Drusenführer sofort freigelassen werden, keine Konfiszierung von drusischem Grund und Boden durch Israel stattfinden würde und dass die Wasserquellen auf drusischem Gebiet nicht verstaatlicht werden würden. (KLEIN, P., 2001, S.71)

56

Drusen stellen neben Beduinen und Tscherkessen die einzigen arabischen Minderheiten dar, welche den Wehrdienst in der israelischen Armee ableisten. Diese Tatsache fußt auf der frühen Erkenntnis der drusischen Führer, dass der Wehrdienst der eigenen Gemeinschaft die Position gegenüber Israel stärken würde und damit einhergehende Vorteile für die Drusen entstehen würden. Zu diesen Vorteilen zählen einerseits die Verbesserung der ökonomischen Situation und andererseits die Anpassung an die Modernisierung, welche sich auf Integration und Inno- vation bezieht. Unter Integration werden finanzielle Ansprüche an den Staat Israel verstanden und unter Innovation die infrastrukturellen Verbesserungen in drusischem Gebiet, wie Wasser- zufuhr, Straßenbau und Elektrizität und die sozio-politischen Aspekte wie das Bildungswesen. (KLEIN, P., 2001, S.89)

Von den anderen arabischen Gruppen werden die Drusen auf Grund ihrer Einstellung zum is- raelischen Militär als Verräter betrachtet und verachtet. In den israelischen Streitkräften dienten diese zu Beginn der Eingliederung in die Streitkräfte oft als Grenzpolizisten, da sie der arabi- schen Sprache mächtig sind und wurden unter anderem in der militärischen Verwaltung einge- setzt, wie zum Beispiel als Gefängnisaufseher in den besetzten Gebieten.

Seit 1982 werden die Drusen auch vermehrt in anderen Bereichen des Militärs eingesetzt, häu- fig zu finden sind Drusen mittlerweile in den Golani-Brigaden, welche auch schon im Kapitel 5.4 beschrieben wurden. Der Dienst der Drusen im Militär führt auch dazu, dass sich die jungen Männer vermehrt in die israelische Gesellschaft inkludiert fühlen und dies in den letzten Jahren auch offen zur Schau zu stellen begannen. (KLEIN, P., 2001, S.92) Dieses Phänomen hat in den letzten Jahren auch in der Forschung Beachtung gefunden und wurden unter dem Begriff ‚israelization‘ zusammengefasst. Darunter wird vor allem verstanden, dass sich junge Drusen vermehrt für den westlichen Lebensstil der israelischen Juden interessieren und diesem nachei- fern. Weiters wird darunter verstanden, dass junge Drusen, vor allem nach dem Dienst im Mi- litär, vermehrt die hebräische Sprache sprechen und das Arabische nur mehr im familiären Kon- text genutzt wird.14

14 https://repositories.lib.utexas.edu/bitstream/handle/2152/ETD-UT-2012-05-5033/ISLEEM-DISSERTATION.pdf?sequence=1&isAllo- wed=y, eingesehen am 28.11.2020 57

6.2 Jüdische Siedlungen

Um die Siedlungspolitik der jüdischen Siedler zu verstehen, bedarf es zunächst einiger Daten. Der Großteil der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten wurde von Mitgliedern der religiösen, extrem nationalistischen Gruppe Gusch Emunim gegründet. Diese Gruppe ist den sogenannten ‚Falken‘ (siehe Kapitel 5.3) zuzuordnen und ist für die Gründung von rund einem Viertel aller Siedlungen in den von Israel besetzten Gebieten verantwortlich. Ein interessantes Detail in Bezug auf diese Gruppe ist, dass es sich bei den Männern und Frauen nicht um Juden palästinensischer Herkunft handelt, sondern um großteils aus Europa und Amerika eingewan- derte Juden. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.21) Gusch Emunim wird naturgemäß von der LIKUD gefördert und animiert, weitere Siedlungen in den besetzten Gebieten zu errichten. Gu- sch Emunim kann frei übersetzt werden als ‚Block der Gläubigen‘. Diese Bewegung steht für die Oberhoheit Israels in den besetzten Gebieten ein, insbesondere den Golanhöhen, dem Ga- zastreifen, Judäa und Samara. Diese Oberhoheit soll durch die Gründung neuer Siedlungen und damit einhergehender Dominanz israelischer Juden erreicht werden. Um diese zu erfüllen, soll nicht nur das Gebiet besiedelt werden, auch die arabische Bevölkerung sollen von den Golan- höhen vertrieben werden. Die Position von Siedlungen wurde teilweise so gewählt, dass diese die Versorgungswege einzelner arabischer Siedlungen zueinander abschneiden und somit eine direkte Verbindung arabischer Siedlungen verhindern soll.

Tabelle 7: Entwicklung der jüdischen Siedler auf den Golanhöhen seit 1972

1972 1977 1983 1989 1993 1996 1999 2006 2010 2012 2013

600 3.000 6.800 9.400 12.600 14.000 15.000 16.100 18.000 18.900 19.400 Arbeitsgrundlage: WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.21, eigene Bearbeitung

Wie in Tabelle 7 ersichtlich, hat sich die jüdische Bevölkerungsanzahl auf den Golanhöhen im Laufe der Zeit vergrößert. Die Errichtung der ersten jüdischen Siedlungen auf den Golanhöhen begann bereits im Jahre 1967, kurze Zeit nach dem Sechstagekrieg, wurden jedoch erst 1972 fertiggestellt. Diese Siedlungen wurden vor allem als sogenannte Wehrsiedlungen aufgebaut und positioniert. Deren Bedeutung lag darin, den Siedlern Wohnraum zur Verfügung zu stellen und des Weiteren im Falle eines Angriffes, Verteidigungsanlagen zur Verfügung zu haben, zu

58 welchen in kurzer Zeit Truppen der israelischen Verteidigungskräfte verlegt werden konnten, da die nötige Infrastruktur schon gegeben war. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.21)

Abbildung 21: Karte der israelischen und arabischen Siedlungen auf den Golanhöhen 1992

Arbeitsgrundlage: https://www.ecoi.net/en/file/local/1346750/470_1282483528_golan-92.jpg

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In Abbildung 21 können die israelischen Siedlungen (blau) und die arabischen/drusischen Sied- lungen (grau) erkannt werden. Diese Darstellung aus dem Jahre 1992 zeigt den von Israel be- setzten Teil der Golanhöhen. Ebenso ist die von den Vereinten Nationen überwachte Demarka- tionslinie eingezeichnet, welche als Grenze zwischen Israel und Syrien dient.

Die heute wichtigsten Siedlungen, in denen die Mehrheit der Einwohner Juden sind, werden als nächstes tabellarisch dargestellt.

Tabelle 8: Mehrheitlich jüdisch bewohnte Siedlungen auf den Golanhöhen im Jahr 2019

Gesamtbevölkerung Juden Araber Andere*

Qazrin 7.296 5.920 74 1.302 2.055 2.053 0 2

Bene Yehuda 1.085 975 0 110 Nov 965 965 0 0 Qeshet 799 799 0 0 Had-Nes 810 772 0 38 Yonatan 745 745 0 0 Avne Etan 725 725 0 0 Merom Golan 743 722 0 21

Ramat Mags- 705 705 0 0 himim Natur 713 703 0 10

Giv'at Yo'av 707 683 2 22 Ne'ot Golan 633 583 9 41 Senir 586 575 1 10 Ramot 552 543 0 9

Ma'ale 557 540 0 17 Ani'am 532 517 0 15 Qidmat Zevi 500 475 0 25

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Kanaf 462 459 0 3 Allone HaBashan 457 456 0 1 Mevo Hamma 459 449 0 10 Kefar Haruv 434 429 0 5 Eli-Ad 433 417 0 16 El-Rom 398 380 0 18

En Ziwan 371 348 0 23 Ortal 343 343 0 0 Afiq 345 303 0 42 Qela 319 295 0 24 Mezar 299 294 0 5 Geshur 280 270 0 10

Sha'al 276 269 0 7 155 152 0 3 Newe Ativ 110 106 0 4

Arbeitsgrundlage: Central Bureau of Statistics, 2020, eigene Bearbeitung

*Unter Andere werden in der israelischen Statistik die Drusen angeführt

Tabelle 8 stellt jene Siedlungen auf den Golanhöhen dar, welche eine Einwohnerzahl von min- destens 100 haben und mehrheitlich von Juden bewohnt werden. Des Weiteren wurde diese Tabelle nach der Bevölkerungsgröße der jüdischen Einwohner sortiert. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, befinden sich nur in Qazrin und Ne’ot Golan eine geringe Anzahl arabischer Einwohner. Unter der Bezeichnung Andere, werden die drusischen Einwohner der Siedlungen bezeichnet. Drusen werden nicht als Drusen angeführt, wie bereits im Kapitel 6.1 erläutert. (CENTRAL BUREAU OF STATISTICS, 2020)

Anzumerken gilt, dass ein weiterer Kibbuz auf den Golanhöhen in Planung ist, welcher den Namen Ramat Trump, nach dem US-Präsidenten Donald Trump tragen soll. Dies wurde in einer Kabinettssitzung der Knesset am 16. Juni 2019 beschlossen. Dieser Beschluss soll die Dank- barkeit der israelischen Regierung an Trump verdeutlichen, nachdem dieser die Verlegung der US-Amerikanischen Botschaft nach Jerusalem genehmigt und die Golanhöhen als israelisches

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Staatsgebiet anerkannt hatte. Auf diese Thematik wird in Kapitel 8.3 jedoch näher eingegan- gen.15

6.3 Arabische Siedlungen

Bis zum Jahr 1964 standen die Golanhöhen unter der administrativen Verwaltung Syriens und waren Bestandteil der Provinzen Damaskus und Darʿā. 1964 beschloss die syrische Regierung diese unter eine einheitliche Provinzverwaltung zu stellen und am 31. August dieses Jahres wurde die neue Provinz offiziell eingemeindet und die Stadt Quneitra fungierte von da an offiziell als Provinzhauptstadt. Die Provinz wurde in zwei Bezirke unterteilt, den Bezirk Quneitra und den Bezirk Fiq (Zawiyya). Unter administrativer Provinzverwaltung standen wei- ters 163 meist landwirtschaftlich geprägte Dörfer und Städte, 108 einzelne Bauernhöfe und 13 Polizeistationen. Die Bevölkerung betrug nach damaligen Schätzungen circa 70.000 Einwohner in den ländlichen Gebieten und die Stadt Quneitra beherbergte zusätzlich 20.000 Menschen.

Nachdem im Sechstagekrieg und dem darauffolgenden Jom-Kippur-Krieg die Mehrheit der Menschen vertrieben und die Dörfer und die Hauptstadt Quneitra zerstört worden waren, betrug die Bevölkerung danach circa 7.000 Einwohner, wovon die Mehrheit dieser die Drusen dar- stellten. Ihnen wurden wie im Kapitel 6.1 näher geschildert, gewisse Privilegien zum Teil, wel- che sie an dem Verlassen ihres angestammten Lebensraumes abhielt. (DAVIS, U., 1986, S.5)

15 https://embassies.gov.il/berlin/NewsAndEvents/Pages/Gruendung-der-Ortschaft-Ramat-Trump.aspx, eingesehen am 16.12.2020 62

Tabelle 9: Mehrheitlich arabisch bewohnte Siedlungen auf den Golanhöhen im Jahr 2019

Gesamtbevölkerung Juden Araber Andere* Majdal Shams 11.180 0 11.179 1 Buq'ata 6.610 0 6.610 0 Mas'ade 3.714 0 3.714 0 2.659 0 2.658 1 Ein Qiniyye 2.098 0 2.098 0

Arbeitsgrundlage: Central Bureau of Statistics, 2020, eigene Bearbeitung

*Unter Andere werden in der israelischen Statistik die Drusen angeführt

Auch Tabelle 9 wurde so gestaltet, dass die Siedlungen mit den meisten Einwohnern zu Beginn gelistet sind und in absteigender Reihenfolge die weiteren angeführt werden. Diese fünf Ort- schaften sind die einzig verbliebenen, rein arabischen Siedlungen auf den Golanhöhen. Die Mehrheit der Einwohner stellen die Drusen dar. Ghajar bildet die einzige Ausnahme, da dieser Ort hauptsächlich von Alewiten bewohnt wird. In den weiteren Ortschaften wurde die ansässige Bevölkerung nach dem Sechstagekrieg von 1967 von den israelischen Behörden vertrieben. (AL-MARSAD, 2007, S.3)

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7) Die wirtschaftliche Bedeutung der Golanhöhen für Israel

Im folgenden Kapitel werden einige touristisch relevante Gebiete auf den Golanhöhen für Israel genannt. Darunter fallen das Skigebiet auf dem Berg Hermon, die Ausgrabungsstätten und die Naturparks. Des Weiteren wird auf Ölvorkommen und den Weinbau auf den Golanhöhen ein- gegangen.

7.1 Naherholung für die israelischen Einwohner – Tourismusfaktor

Die Golanhöhen haben aufgrund ihres Charakters als Erhebung als auch durch die Naturbelas- senheit der Region einiges an touristischen Attraktionen zu bieten. Unter anderem beherbergen sie im Norden das einzige Skigebiet Israels. Des Weiteren finden sich auf den Golanhöhen antike Ausgrabungsstätten sowie Nationalparks und Naturreservate. In diesem Teil der Arbeit wird nun auf die verschiedenen Naherholungsmöglichkeiten eingegangen.

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7.1.1 Mount Hermon Ski Resort

Abbildung 22: Lage Mount Hermon Ski Resort

Arbeitsgrundlage: maps.google.at, eigene Bearbeitung

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Das Mount Hermon Ski Resort im Norden von Israel ist das einzige Skigebiet in dem Land. Zwischen Januar und März wird es, je nach Schneeverhältnissen, bis zu 50 Tage geöffnet. Bis zu 300.000 Besucher werden jedes Jahr erwartet. Das Resort bietet fünf Sessellifte, welche die Sportler auf die vierzehn Skipisten befördern. Neben den Skipisten werden auch Skikurse an- geboten, sowie ein Verleih für das benötigte Equipment.16

Das Skigebiet ist vor allem von natürlichem Schneefall abhängig. Durch das Fehlen von extrem niedrigen Temperaturen ist eine künstliche Beschneiung nicht möglich. Der von Israel kontrol- lierte Teil des Berges erstreckt sich 7.300 Fuß in die Höhe (entspricht etwa 2.225 Metern). Als Skigebiet werden jedoch nur 6.700 Fuß genutzt (etwa 2.042 Meter), da sich in den 500 Fuß darüber militärisches Sperrgebiet befindet, in welchem Abhöranlagen der Armee errichtet wor- den sind.17

Abbildung 23: Skigebiet Mount Hermon

Arbeitsgrundlage: https://snowcomparison.com/magazine/wp-content/uploads/2016/04/54d1224e94810_-_stran- gest-skiing-2-855-xl-73354219.jpg

16 https://www.touristisrael.com/mount-hermon-ski-resort/2446/, eingesehen am 25.11.2020 17 https://www.ijn.com/mt-hermon-skiing-in-a-military-zone/, eingesehen am 25.11.2020 66

7.1.2 Kursi

Bei Kursi handelt es sich um eine archäologische Ausgrabungsstätte östlich des See Geneza- reth. Bei Straßenbauarbeiten in den Jahren 1971-1974 wurden die Überreste des antiken byzan- tinischen Klosters gefunden. Laut biblischer Überlieferung handelte es sich bei Kursi um den Ort, an dem Jesus zwei von Dämonen besessene Männer geheilt hätte. Zum Gedenken an dieses Wunder soll an diesem Ort im 6. Jahrhundert nach Christus ein Kloster gebaut worden sein. Anhand der Ausgrabungen lässt sich erkennen, dass das Kloster von einer Steinmauer umgeben gewesen war und der von einem Wachturm geschützte Eingang Richtung Westen zum See Ge- nezareth zeigte. Eine asphaltierte Straße führte vom Eingang zu einem kleinen Hafen am See, an welchem die christlichen Pilger ankamen. In der Mitte des ummauerten Komplexes befand sich eine rechteckige Kirche, welche durch die Gebetshalle betreten worden war. Jegliche menschlichen und tierischen Darstellungen in der Kirche dürften in der frühen arabischen Zeit im 7. Jahrhundert zerstört worden sein. An den Seiten der Kirche wurden zwei Flügel gebaut. Der Nordflügel dürfte eine Ölpresse beherbergt haben, die den Pilgern vermutlich heiliges Öl lieferte. Im Südflügel befand sich eine Kapelle, unter der sich die Krypta befunden haben dürfte, in welcher sich die Gräber der Mönche befanden, welche in dem Kloster gelebt hatten. Eben- falls auf dem Gelände des Klosters wurden die Wohnräume der Mönche und Pilger ausgegra- ben. Südlich des Klosters wurde eine weitere, kleine Kapelle gefunden, welche vermutlich als Markierung jenes Ortes aufgestellt worden war, an welchem Jesus seine Wunder verbracht ha- ben soll. Mitte des 8. Jahrhunderts wurde das Kloster durch ein Erdbeben zerstört und in wei- terer Folge aufgegeben. Die Ausgrabungsstätte wird heute von der Israel Nature and Parks Au- thority verwaltet und dient als beliebtes Ausflugsziel in der Region.18

18 https://www.jewishvirtuallibrary.org/kursi-christian-monastery, eingesehen am 26.11.2020

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Abbildung 24: Lage der Ausgrabungsstätte Kursi am Ostufer des See Genezareth

Arbeitsgrundlage: maps.google.at, eigene Bearbeitung

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Abbildung 25: Ausgrabungsstätte Kursi

Arbeitsgrundlage: https://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-m/1280/19/db/df/75/a-view-from-above- the.jpg

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7.1.3 Banyas Natural Reserve

Unter Banyas werden sowohl die Banyas-Quellen als auch der Banyas-Wasserfall verstanden. In Israel sind diese auch unter Hermon Stream Natural Reserve (Banyas) bekannt. Beide liegen in 2 Kilometer beziehungsweise 3 Kilometer Entfernung östlich des Kibbuz . Bei dem Was- serfall handelt es sich um den höchsten in Israel und er befindet sich im Naturschutzgebiet Nachal Hermon (Banyas). Der Wasserfall, welcher aus 10 Metern Höhe nach unten fällt, zählt zu einem der schönsten Ausflugsziele im Norden Israels. Auf den sogenannten ‚Hängenden Pfaden‘ wurde ein 100 Meter langer Zugang zum Wasserfall von der israelischen Natur- und Parkbehörde geschaffen, an welchem die Wanderer in unmittelbarer Nähe zum Wasserfall ei- nen Wanderweg benutzen können. In der Nähe der Banyas-Quelle können von den Wanderern auch die Überreste des Schreins des griechischen Gottes der Antike besichtigt werden, nach welchem die Quelle und der Wasserfall benannt worden sind – Panyas (arabisch Banyas). Hier lassen sich auch die Überreste des Tempels finden, welchen König Herodes dem Gott Pan zu ehren erbaut haben lassen soll. Weiters lassen sich am Ufer entlang des Baches Überreste von Mühlen besichtigen, welche von den Römern und später von den Kreuzfahrern erbaut worden sein sollen. Das Schutzgebiet wurde von der Natur- und Parkbehörde errichtet, um die biologi- sche Vielfalt des Gebietes zu erhalten. Die Naturbehörden überwachen auch die Wasserqualität in diesem Reservat, da diese von enormer Bedeutung für den Erhalt der Flora und Fauna in einem sonst recht trockenen Gebiet ist.

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Abbildung 26: Lage Banyas Natural Reserve

Arbeitsgrundlage: maps.google.at, eigene Bearbeitung

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Der Nationalpark ist jedoch auch von archäologischer Bedeutung, da hier ein Teil der Kreuz- ritterburg Banyas freigegeben worden ist, darunter die Tortürme, ein Einkaufsviertel, Gewölbe, ein Friedhof, ein Wassergraben und Überreste der Wehrmauern. Weiters wurden in der Nähe der Banyas-Höhle Gebäude aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. gefunden, welche Aufschluss über die damaligen Lebensbedingungen der Menschen in der Region geben. Neben diesen Gebäuden wurden auch rautenförmige Steine namens Opus Reticulatus gefunden. Über diesen Steinen sollen Überreste eines weißen Gebäudes, Nebi Hader, gefunden worden sein. Aus biblischer Sicht ist dies relevant, da Nebi Hader auch einer der Namen des Propheten Elia gewesen sein soll.19

Abbildung 27: Banyas-Wasserfall

Arbeitsgrundlage: https://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-s/13/94/87/ac/caption.jpg

19 https://www.parks.org.il/en/reserve-park/hermon-stream-banias-nature-reserve/, eingesehen am 03.12.2020

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7.1.4 Nimrod Castle

Der Nimrod Castle National Park liegt am Fuße des Berg Hermon, südwestlich des Dorfes Ne- veh Ativ, auf einer Höhe von 760 Metern über dem Meeresspiegel.

Abbildung 28: Karte Nimrod Castle

Arbeitsgrundlage: maps.google.at, eigene Bearbeitung

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Die Burg Nimrod wurde von Al-Aziz Othman um 1229 n. Chr. erbaut, nachdem dieser die Kontrolle des Reiches von seinem Onkel und Gründer der Ayyubid-Dynastie, Salah a-Din, übernommen hatte. Erbaut wurde sie von Al-Aziz Othman, um den Weg nach Damaskus absi- chern zu können, da die Region durch europäische Kreuzfahrer zu jener Zeit als bedroht ange- sehen wurde und die Herrscher einen Angriff auf Damaskus vorbeugen wollten. Da die Burg an einer der steilsten Stellen der Region gebaut wurde, hatte sie eine enorme strategische Be- deutung als Verteidigungsanlage. Nachdem die Kreuzfahrer jedoch im Jahre 1291 aus der Re- gion vertrieben worden waren, nahm die Bedeutung der Festung im Laufe der Zeit ab.

Abbildung 29: Burg Nimrod

Arbeitsgrundlage: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/aa/Nimrod-S-218.jpg/1200px- Nimrod-S-218.jpg

Unter osmanischer Herrschaft wurde die Burg wieder vermehrt genutzt und bis ins 16. Jahr- hundert diente die Festung als osmanisches Gefängnis, wurde jedoch ebenso von offizieller Seite aufgegeben und diente fortan nur mehr den Hirten aus der Region als Schutz. Im Oktober des Jahres 1759 fand in der Region ein Erdbeben statt, welchem die Burg jedoch zum Großteil standhalten konnte und es nur zu kleineren Beschädigungen kam. Die Türme der Burg wurden nicht beschädigt. Dennoch wurde die Festung nicht weiter genutzt. In den 1920er Jahren begann die französische Armee die Burg als Stützpunkt der Region zu nutzen, um die Revolten der

74 ansässigen drusischen und arabischen Bevölkerung zu unterdrücken. Zu dieser Zeit durchbra- chen die Franzosen die Westmauer und stellten an jener Stelle eine Kanonenbatterie auf. Dieses Loch dient heute noch als Eingang in die Burg.

Während des Sechstagekrieges wurde die Burg von der syrischen Armee als Artillerie-Be- obachtungspunkt genutzt und aufgrund der Kriegshandlungen durch die Luftwaffe der israeli- schen Armee beschädigt. Nach der Annexion der Golanhöhen durch Israel wurden wieder Aus- grabungen an der Stelle der Burg unternommen, um deren Geschichte zu studieren. Im Zuge dessen wurden arabischsprachige Inschriften gefunden, welche die Geschichte der Burg weiter beleuchten. Heute dient die Burg als beliebtes Ausflugsziel in der Region, als auch für Archä- ologen, welche sich mit der Geschichte der Region befassen.

Die Baibars-Inschrift am westlichen Tor der Festung ist die größte und imposanteste Inschrift, welche je in Israel gefunden wurde und dem Sultan Baibars gewidmet, welcher im Jahre 1275 n. Chr. den Hauptteil der Burg errichtete. Der südwestliche Turm wird heute als Aussichtspunkt über die Region verwendet, da von diesem aus die gesamte Landschaft südlich der Burg be- trachtet werden kann. Auch der Nordturm dient als touristisch wichtiger Aussichtspunkt, da von diesem aus die Landschaft nördlich der Burg betrachtet werden kann. Ebenso ist es auf Grund der Tatsache, dass dieser von den Osmanen als Gefängnis genutzt worden war, möglich, diese alten Kerker zu besichtigen.20

20 https://www.parks.org.il/en/reserve-park/nimrod-fortress-national-park/, eingesehen am 04.12.2020

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Abbildung 30: Baibars-Inschrift

Arbeitsgrundlage: https://www.israel-in-photos.com/de/nimrod-fortress.html

7.2 Öl auf den Golanhöhen

Große Erdöl- sowie Erdgasfelder wurden in Israel entdeckt. Seit 2013 exportiert Israel Erdgas, jedoch wird dieses in Küstennähe beziehungsweise aus Lagerstätten im Mittelmeer gefördert. (WOLFFSOHN & GRILL, 2016, S.259)

Im Jahr 1981 begannen Bohrungen auf den Golanhöhen, bei welchen das nationale Trinkwas- serunternehmen Mekorot Water Company Ldt. durch die Bohrungen Süßwasserquellen er- schließen wollte. Da jedoch das gefundene Wasser verschmutzt war, wurden die Bohrungen zu jener Zeit ausgesetzt.21 Im Februar 2013 hatte die israelische Regierung dem US-israelischen Unternehmen Ltd. die Lizenz erteilt, auf den Golanhöhen die ersten Probeboh- rungen und Analysen zu unternehmen, trotz drohender internationaler Proteste. Diese Proteste, welche auch stattgefunden hatten, richteten sich gegen die Bohrungen, da es sich bei den Go- lanhöhen laut internationalem Recht weiterhin um das Staatsgebiet Syrien handelt. Da sich

21 https://afekoil.co.il/en/, eingesehen am 08.11.2020 76

Syrien jedoch seit dem Jahre 2011 im Bürgerkrieg befindet, sind weitere Bohrungen auf Grund der Sicherheitslage derzeit nicht möglich.22

Am 20. Februar 2013 verkündete das Unternehmen Genie Energy Ltd. in eine Presseaussen- dung, dass der Staat Israel dem Tochterunternehmen Genie Israel Oil and Gas Ltd. eine Lizenz für Bohrungen nach Erdöl auf den Golanhöhen erteilt hatte. Durch diese Lizenz wurde ein Ge- biet in der Größe von 395,6 km² an der Südseite der Golanhöhen freigegeben. Des Weiteren gab das Unternehmen an, anhand von Analysen des Bodens zu der Überzeugung gekommen zu sein, dass sich in dem Gebiet größere Menge an Erdöl- und Erdgasvorkommen befinden. Jedoch gab das Unternehmen zu jenem Zeitpunkt auch bekannt, dass es weitere Untersuchungen des Gebietes unternehmen würde, um die Mengen an Ressourcen genauer bestimmen zu können.23

In einer weiteren Presseaussendung im Jahre 2017 gab das Unternehmen Genie Energy Ltd. an, dass das Unternehmen Atid Drilling Ltd. im Zeitraum 2015-2017 fünf Bohrungen durchgeführt hatte und den Landwirten auf den Golanhöhen dadurch Zugang zu Grundwasser für die Land- wirtschaft verschafft hatte. Des Weiteren hätte sich das Unternehmen nicht nur auf die Suche nach Erdöl gemacht, sondern auch nach Erdgas, Wasser und anderen Ressourcen in der Re- gion.24

Am 16. November 2017 musste das Unternehmen zugeben, dass Analysen des Ness-10 Explo- rationsbohrloches in Nordisrael darauf hindeuteten, dass es in dem Gebiet keine nennenswerten beziehungsweise kommerziell relevanten Mengen an Erdöl und Erdgas gäbe und sich das Un- ternehmen aus diesem Grund weitere Analysen der Gesteinsmassen abwarten müsse. In der Zwischenzeit sollten alle weiteren Untersuchungen abgebrochen werden, bis neue Erkenntnisse der Analysen gewonnen wurden.25

22 https://www.zeit.de/politik/ausland/2013-02/israel-golan-oelbohrungen, eingesehen am 08.11.2020 23 https://www.pressviewer.com/profiles/investor/NewsPrint.asp?b=2100&ID=60516&m=rl&v=2&g=485, eingesehen am 09.11.2020 24 https://www.pressviewer.com/profiles/investor/NewsPrint.asp?b=2100&ID=82883&m=rl&v=2&g=485, eingesehen am 0911.2020 25 https://www.pressviewer.com/profiles/investor/NewsPrint.asp?b=2100&ID=86486&m=rl&v=2&g=485, eingesehen am 09.11.2020 77

7.3 Weinbau auf den Golanhöhen

Abbildung 31: Lage Golan Heights Winery

Arbeitsgrundlage: maps.google.at, eigene Bearbeitung

Ein weiterer, nicht unwesentlicher Aspekt bezüglich der wirtschaftlichen Bedeutung der Go- lanhöhen für den Staat Israel findet sich im Weinbau. Die Topografie und das Klima der Go- lanhöhen bieten ausgezeichnete Bedingungen für den Weinbau. Einerseits eignen sich die durchlässigen, basaltischen Vulkanböden, welche den Pflanzen wichtige Nährstoffe liefern mit ihren sanften Hängen und der idealen Höhenlage zwischen 400 und 1200 Metern Seehöhe, an- dererseits das Mittelmeerklima mit seinen trockenen Sommern als auch teilweise verschneiten

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Wintern hervorragend für den Weinbau. Des Weiteren liefern die frischen Quellen der Gegend im Sommer die perfekte Bewässerung für die Pflanzen.

Diese Bedingungen wurden Mitte der 1970er Jahre erkannt und im Jahre 1983 schlossen sich einige Traubenproduzenten zu der Golan Heights Winery zusammen. Hohe technische Investi- tionen wurden getätigt, um die Kellerei zu einer der modernsten des Landes auszubauen und mit dem Notwendigen Know-How zu einer der profitabelsten zu entwickeln.26

In Abbildung 33 sind die wichtigsten Weinbaugebiete Israels dargestellt. Es gilt zu beachten, dass der Wein der Golanhöhen unter Punkt 1 der Region Galiläa zugeordnet ist.

Abbildung 32:Weinstöcke Golanhöhen

Arbeitsgrundlage: https://www.timeout.com/israel/things-to-do/the-galilee-and-golan-heights-top-restaurants- and-vineyards

26 https://www.prowein.de/de/Magazin/ProWein_News/Archiv/Die_Weinrevolution_auf_den_Golanh%C3%B6hen, eingesehen am 20.10.2020 79

Abbildung 33: Karte Weinbau Israel 2019

Arbeitsgrundlage: http://richfuchelli.com/about-us-2/

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8) Internationale Ereignisse in Bezug auf die Golanhöhen

Dieser Teil der Arbeit behandelt die internationalen Ereignisse in Bezug auf die Golanhöhen. Darunter fallen die Friedensmissionen der Vereinten Nationen, welche im Jahr 1973 begonnen hatten mit dem Ziel der Grenzsicherung und den Frieden zwischen Israel und Syrien zu bewah- ren. Des Weiteren wird auf die Anerkennung der israelischen Souveränität über die Golanhöhen durch den US-Präsidenten Donald Trump und die internationalen Reaktionen darauf eingegan- gen.

8.1 Die UN-Friedensmission mit österreichischer Beteiligung

Als Reaktion auf die Kriegshandlungen zwischen Israel und Ägypten auf der Sinai-Halbinsel und jene zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen am 6. Oktober 1973, wurde im Si- cherheitsrat der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1973 beschlossen, die United Nations Emergency Force II (UNEF II) in die Konfliktregion zu entsenden, um die angespannte Situa- tion zu entschärfen.

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Abbildung 34: Demarkationslinie auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien 1974

Arbeitsgrundlage: https://undof.unmissions.org/sites/default/files/old_dnn/AOS%28c%292012.jpg

Das Abkommen, welches von den USA vermittelt worden ist, sah vor, dass die israelischen Streitkräfte die A-Linie in Richtung Syrien nicht überschreiten durften, während die syrischen Truppen die B-Linie in Richtung Israel nicht überschreiten durften. Die „Area of Separation“ sollte als entmilitarisierte Pufferzone dienen, welche von der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) überwacht wird. Die A-Linie wurde so gewählt, dass diese 20 Kilo- meter östliche des Jordantals verlief und die Höhenzüge im Raum Quneitra in israelischer Hand blieben. Auf diesen Höhenzügen errichteten die israelischen Streitkräfte Frühwarn- und Auf- klärungsstationen, welche den Gebietsanspruch Israels unterstrichen. Die A-Linie, wie in Ab- bildung 34 dargestellt, verläuft entlang der so genannten „Truce line“, welche die

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Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien nach dem Sechstagekrieg von 1967 darstellt und de facto als Grenze zwischen diesen beiden Ländern dient.27

Die ersten Friedenssicherungskräfte wurden kurz nach dem Beschluss in den Bereich des Su- ezkanals entsandt, um den Konflikt zwischen den ägyptischen und israelischen Streitkräften zu entschärfen. Erst nachdem sich die Situation auch an den Golanhöhen zuspitzte, entschieden die Vereinten Nationen, auch dorthin eine Friedensmission zu entsenden. Dies geschah im März 1974. Auf Grund einer US-Amerikanischen Initiative zur Beilegung des Konfliktes wurde das „Agreement on Disengagement between Israeli and Syrian Forces“ beschlossen. Dieses Ab- kommen regelte zum einen die Schaffung einer Pufferzone im Osten der Golanhöhen, in wel- cher die Konfliktparteien über begrenzte Kräfte und Rüstungsgüter verfügen sollten und zum anderen wurde die Einrichtung einer Beobachtungstruppe der Vereinten Nationen gefordert, deren Aufgabe es war, die Umsetzung der Truppenabzüge zu überwachen. Diese Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien unter Vermittlung der Vereinten Nationen wurde am 31. Mai 1974 in Genf unterzeichnet und die Resolution 350 verabschiedet, welche diese Aspekte der Befriedung regeln sollte. Am selben Tag wurde die Aufstellung der UNDOF beschlossen. Am 2. Juni 1974 wurden das österreichische Bataillon und das peruanische Bataillon aus dem UNEF II Kontingent herausgelöst und auf die Golanhöhen verlegt.28

Die österreichischen Truppen, welche auf die Golanhöhen verlegt worden waren, bestanden aus einem Bataillon, welches zuvor in der ca. 680 Kilometer entfernten Suezkanalzone stationiert gewesen war.

Die Resolution 350 sah im Detail vor:

„- Die Aufrechterhaltung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien

- Die Überwachung des Rückzuges der israelischen und syrischen Streitkräfte

- Die Überwachung der Bereiche der Trennung und Begrenzung, wie im Abkommen über den Rückzug im Mai 1974 vorgesehen.“ (UNITED NATIONS DISENGAGEMENT OBSERVER FORCE, 2020, o.S.)

27 https://www.bundesheer.at/ausle/undof/geschichte.shtml, eingesehen am 04.11.2020 28 https://undof.unmissions.org/background, eingesehen am 04.11.2020

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Am 3. Juni 1974 wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen Kurt Waldheim ein Inte- rimskommandeur des UNDOF ernannt, der peruanische Brigade-General Briceno Zevallos, welcher am selben Tag nach Damaskus reiste und ein provisorisches Hauptquartier errichtete. Des Weiteren trafen die ersten Truppen des österreichischen und peruanischen Kontingentes im Gebiet der Mission, den Golanhöhen, ein. Logistische Unterstützung erhielten die Einheiten von polnischen und kanadischen Einheiten den Vereinten Nationen in Form der United Nations Emergency Force II (UNEF II). Insgesamt wurden für die Mission Einheiten in der Stärke von 1.250 Mann genehmigt, bis zum 16. Juni 1974 trafen 1.218 Mann ein. In der ersten Phase der Mission galt es, Beobachtungsposten zu besetzen. Die zweite Phase der Mission vom 6. Juni 1974 bis zum 25. Juni 1974 beinhaltete den Rückzug der sowohl israelischen als auch syrischen Truppen aus der Pufferzone. Die österreichischen Truppen wurden gemeinsam mit den polni- schen Logistiktruppen in Kanikir, in der Nähe der Stadt Sassa, stationiert. Das polnische Kon- tingent bestand aus einem Minenräumdienst und einer Einheit, welche für die Wasserversor- gung zu den jeweiligen Außenposten zuständig war. Die peruanischen Truppen wurden südlich von Quneitra, in der Nähe von Ziouani eingesetzt, während die kanadischen Truppen direkt in Ziouani stationiert worden waren. Das Hauptkommando der Friedensmission errichtete sein Hauptquartier in Damaskus.29

Das österreichische Kontingent, welches aus 500 Soldaten bestand, wurde in seinem Abschnitt von Quintana nach Süden auf 22 Stützpunkte aufgeteilt. Südlich von Quintana wurde das Ge- biet vom peruanischen Bataillon beaufsichtigt. Die höchstgelegene Position der Soldaten lag bei 2.814 Kilometern Höhe, auf dem Gipfel des Hermon. Auf dieser Höhe hatten die Einheiten mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h zu kämpfen und mit Temperaturen von bis zu minus 15 °C.

Am 25. Juni 1974 hatte das österreichische Kontingent die ersten Todesopfer zu beklagen, als ein vierköpfiger neutraler Bergleittrupp bei der Suche nach einem im Krieg abgestürzten israe- lischen Piloten durch eine Mine ums Leben kam.30

Mitte Juni 1975 wurde das peruanische Bataillon abgezogen, und das österreichische musste auch das Gebiet südlich von Quintana beaufsichtigen, da die Vereinten Nationen keinen ande- ren Staat finden konnten, welcher die Aufgabe übernehmen konnte oder wollte. Erst im Sep- tember 1975 erklärte sich der Iran bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.

29 https://undof.unmissions.org/background, eingesehen am 04.11.2020 30 https://www.bundesheer.at/cms/artikel.php?ID=1715, eingesehen am 04.11.2020 84

Im September 1976 gelang es dem Oberst des Generalstabes Philipp, welcher im Jahr davor als erster österreichischer Offizier zum kommandierenden Offizier bestellt worden war, ein huma- nitäres Projekt zu verwirklichen. Bei diesem wurde es den durch die Kriegsereignisse getrenn- ten Familien von israelischer beziehungsweise syrischer Seite ermöglicht, einander persönlich zu begegnen. Diese Treffen fanden alle zwei Wochen statt und wurden von Seiten der UNO durch österreichisches Personal bewacht.31

Seit dem Beginn der Friedensmission wurde das Mandat der UNDOF alle sechs Monate ver- längert, da man wiederholt feststellen musste, dass sich die Situation im Missionsgebiet trotz internationaler Truppen nicht stabilisierte, sondern im Gegenteil angespannt blieb und dies auch bleiben wird. Bis eine endgültige Lösung in diesem Konflikt gefunden wird, wird die Präsenz der UNDOF Truppen in der Region als wesentlich angesehen.32

Die Mission auf den Golanhöhen ist für Österreich insofern von Bedeutung, da es das größte Kontingent der UNO-Soldaten stellte und ohne Unterbrechung von 1974-2013 auf den Golan- höhen tätig war. Gegen Ende der Mission im Jahr 2013 wurden von Österreich 377 der rund 1.000 Blauhelme auf den Golanhöhen gestellt. Nach 39 Jahren wurden Ende Juli 2013 die letz- ten 44 Bundesheersoldaten von den Golanhöhen abgezogen. Insgesamt hatten in diesen 39 Jah- ren 29.000 Soldaten bei dieser Mission gedient, wovon 27 ihr Leben verloren hatten. Da sich im Jahr 2013 die Sicherheitslage auf den Golanhöhen durch den syrischen Bürgerkrieg drama- tisch verschlechtert hatte, wurde der Abzug des österreichischen Kontingents durch den dama- ligen Verteidigungsminister Gerald Klug beschlossen.33

8.2 Die UN-Friedensmission seit dem Ende der österreichischen Beteiligung

Nachdem es im Jahr 2013 im Zuge des syrischen Bürgerkrieges vermehrt zu Spannungen an den Golanhöhen und zu Schusswechseln zwischen den syrischen Streitkräften und Rebellen gekommen war, beschlossen der österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann und der ös- terreichische Außenminister Michael Spindelegger das österreichische Kontingent von den Go- lanhöhen abzuziehen. Dadurch, dass Österreich 377 der 1.000 auf den Golanhöhen stationierten UN-Soldaten stellte, stellte dieser Abzug für die Vereinten Nationen ein Problem dar, da es galt, die österreichischen Soldaten zu ersetzen. Dies war insbesondere wichtig, als dass

31 https://www.bundesheer.at/cms/artikel.php?ID=1715, eingesehen am 05.11.2020 32 https://undof.unmissions.org/mandate, eingesehen am 05.11.2020 33 https://www.derstandard.at/story/1373514162586/golan-abzug-oesterreichs-letzte-un-soldaten-zurueckgekehrt, eingesehen am 06.11.2020 85 befürchtet worden war, dass das Vakuum, welches durch den Abzug entstanden worden war, durch andere Kräfte genutzt werden könnte.34

Bis Juli 2014 versuchten die Vereinten Nationen, einen adäquaten Ersatz für die österreichi- schen Truppen zu finden. Viele Staaten wollten Truppen entsenden, jedoch nur unter Vorbe- halten, aus diesem Grund weigerte sich der Kommandeur auf den Golanhöhen diese zu akzep- tieren. Eine Einigung konnte im Juli 2014 erzielt werden, da sich der Inselstaat Fidschi dazu bereit erklärte, 551 Soldaten für die Mission bereitzustellen. Des Weiteren wurden von der ne- palesischen Regierung weitere Soldaten entsendet, welche auf dem Berg Hermon in 2.814 Me- tern Seehöhe stationiert worden waren. (UNDOF, 2014, S.31)

Im August 2014 wurde bekannt, dass 44 Soldaten von den Fidschiinseln und 40 philippinische Soldaten von den Friedenstruppen durch bewaffnete Oppositionsgruppen des Bürgerkrieges eingekesselt worden waren. Durch internationale Vermittlungen wurde diesen jedoch nach kur- zer Zeit die Rückkehr zu ihren Posten ermöglicht.

Am 3. September wurde bekannt, dass bewaffnete Rebellengruppen die Demarkationslinie überrannt und weitere 45 Soldaten der Fidschiinseln in ihre Gewalt gebracht hatte. 72 philippi- nische Soldaten konnten nach kurzer Einkesselung fliehen. Die 45 Soldaten der Fidschiinseln wurden am 11. September, nach einer Woche Gefangenschaft wieder freigelassen. Der Gene- ralsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, wurde nach diesem Vorfall aufgefordert, notwendige Schritte einzuleiten, um die Fähigkeit der UNDOF zur Erfüllung der Mission auf- rechtzuerhalten und das Risiko der auf den Golanhöhen stationierten Truppen zu minimieren. Ein Vorschlag für die Minimierung des Risikos war es, die Grenze zwischen Israel und Syrien mittels unbemannter und unbewaffneter Luftfahrzeuge zu sichern und auf Satelliten zurückzu- greifen. Jedoch waren weder Syrien noch Israel dazu bereit, solche Technologien zu genehmi- gen.

Am 25. März 2019 unterzeichnete US-Präsident Donald Trump in Anwesenheit des israeli- schen Premierministers eine Proklamation zur Anerkennung der Golan- höhen als Teil des israelischen Staates. Der UN-Generalsekretär António Guterres ließ über den UN-Sprecher Stéphane Dujarric verlauten, dass sich aus Sicht der Vereinten Nationen der Sta- tus der Golanhöhen nicht verändert hätte. Am 27. März wurde von den Ratsmitgliedern ein

34 https://www.theguardian.com/world/2013/jun/06/syrian-golan-crossing-israeli-military-quneitra, eingesehen am 06.11.2020

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Briefing abgehalten, in welchem die Situation erörtert worden war, im Beisein von Vertretern Israels und Syriens.

Halbjährlich wurde das Mandat von den Vereinten Nationen verlängert, basierend auf den je- weiligen Berichten über die zu jenem Zeitpunkt vorherrschende Sicherheitslage auf den Golan- höhen. Diese Verlängerungen fanden in der Regel im Dezember und im Juni statt.35

Finanziert wird die Mission durch einen eigenen Fond, aus welchem die Generalversammlung jährlich das Budget bestätigen muss. Das letzte von den Vereinten Nationen veröffentlichte Budget betrug US-$ 2.762.400 für den Zeitraum Juni 2019 bis Juli 2020, basierend auf der Resolution 321 vom 03. Juli 2019.36

Mit Stand August 2020 befanden sich zu jenem Zeitpunkt ca. 990 Soldaten im Auftrag der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen. Diese teilten sich auf folgende Nationen auf:

Tabelle 10: Soldaten nach Nationen auf den Golanhöhen August 2020

Nepal 357

Uruguay 191

Indien 159

Irland 138

Fidschi 13

Bhutan 3

Tschechische Republik 2

Ghana 2

Niederlande 1 Arbeitsgrundlage: https://peacekeeping.un.org/en/mission/undof, eigene Bearbeitung

35 https://www.securitycouncilreport.org/chronology/golan-heights-israelsyria.php, eingesehen am 07.11.2020 36 https://undocs.org/A/RES/73/321, eingesehen am 08.11.2020 87

8.3 Entwicklungen in Bezug auf die Golanhöhen seit der Präsidentschaft von Donald Trump

Wie bereits im Kapitel 8.2 erwähnt, unterzeichnete US-Präsident Donald Trump am 25. März 2019 im Beisein des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu eine Proklamation zur Anerkennung der Golanhöhen als Staatsgebiet Israels. Dieser Anerkennung war bereits eine weitere strittige Entscheidung des US-Präsidenten aus dem Jahr 2017 vorausgegangen, als die- ser am 6. Dezember die US-Botschaft aus Tel-Aviv nach Jerusalem verlegen ließ. Damit ging de facto einher, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Stadt Jerusalem offiziell als Hauptstadt des jüdischen Staates anerkannten.37

Die Anerkennung der Golanhöhen wurde auch als Zeichen der Stärke von Benjamin Netanyahu angesehen, beziehungsweise als dessen vorzeitig eingelöstes Versprechen an seine Wähler, da dieser sich am 9. April 2019 seiner Wiederwahl zu stellen hatte. 38

Die Handlung der US-Regierung wurde auf vielen Ebenen kritisiert und politische Kommenta- toren äußerten ihre Befürchtungen, dass diesem Schritt weitere Annexionen der israelischen Regierung folgen könnten, wie beispielsweise jene des Westjordanlandes. Begründet wurden diese Befürchtungen durch die Tatsache, dass nach acht Jahren der Präsidentschaft von Barack Obama die israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu Rückenwind bekommen hatte und somit keine Sanktionen zu befürchten hätte, sollte diese weiter internationale Ansichten bezüg- lich der israelischen Besetzungen ignorieren, da ein starker US-amerikanischer Partner hinter ihnen stünde.39

Von internationaler Seite waren beide Entscheidungen kritisiert worden, vor allem aus dem Grund, dass Präsident Trump diese im Alleingang beschlossen hatte und die internationale Ge- meinschaft nicht in die Pläne eingebunden hatte.

Allen voran kritisierten Syrien, der Iran und Russland das Vorgehen der Vereinigten Staaten. Nachdem US-Präsident Donald Trump am 21. März 2019 via Twitter angekündigt hatte, die Souveränität Israels über die Golanhöhen anzuerkennen, wurde diese Nachricht tags darauf von der syrischen Regierung heftig kritisiert. Am 22. März 2019 ließen die syrischen Staatsmedien unter Berufung auf eine Quelle des Außenministeriums verlautbaren, dass das Land

37 https://www.washingtonpost.com/world/tillerson-us-embassy-move-to-jerusalem-should-take-at-least-two-years/2017/12/08/83ec13ac- 7170-4058-9972-11d4a8e8cc18_story.html, eingesehen am 15.12.2020 38 https://www.washingtonpost.com/world/tillerson-us-embassy-move-to-jerusalem-should-take-at-least-two-years/2017/12/08/83ec13ac- 7170-4058-9972-11d4a8e8cc18_story.html, eingesehen am 15.12.2020 39 https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/mar/27/trumps-golan-heights-proclamation-dangerous, eingesehen am 15.12.2020 88 entschlossen sei, die Golanhöhen von der israelischen Okkupation zu befreien. Die Anerken- nung durch die Vereinigten Staaten vor Amerika würde nichts an der Tatsache ändern, dass die Golanhöhen nach wie vor syrisches Territorium sein und sich daran auch in Zukunft nichts ändern würde.40 Der Iran nannte die Ankündigung Trumps illegal und inakzeptabel und Russ- land wies darauf hin, dass eine Änderung des Status der Golanhöhen eine Verletzung der UN- Resolution darstellen würde. Der Kreml-Sprecher Dmitry Peskov kommentierte die Anerken- nung mit der Warnung, dass diese die ohnehin angespannte Situation im Nahen Osten noch weiter verschärfen würde.41

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan warnte ebenfalls davor, dass die Anerken- nung die Region an den Rand einer neuen Krise bringen würde und die Spannungen nur noch mehr zunehmen würden.42

Das französische Außenministerium ließ verlautbaren, dass die Anerkennung gegen das Völ- kerrecht verstoßen würde und rief alle Staaten dazu auf, diese illegale Situation nicht anzuer- kennen.43

Die deutsche Regierung verurteilte die Schritte ebenfalls und sprach sich dafür aus, die Ände- rungen von nationalen Grenzen auf friedlichem Wege und unter Beteiligung aller betroffenen Staaten zu vollziehen.44

Wie bereits erwähnt, fand der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres klare Worte, indem er verlautbaren ließ, dass der Status der Golanhöhen unverändert sei. Die meisten Mitglieder der Europäischen Union, sowie Russland und China verurteilten die Anerkennung und ließen verlautbaren, dass sie diese Sicht der Vereinigten Staaten nicht teilten.

Bei einem Treffen der Arabischen Liga am 31. März 2019 in Tunis wurde von den teilnehmen- den Staaten ebenfalls das Vorgehen der Vereinigten Staaten kritisiert. Trotz Spannungen inner- halb der 22 Mitglieder, konnten diese sich auf eine Abschlusserklärung zu dem Thema einigen. In dieser Abschlusserklärung beharrten die Mitglieder darauf, dass es sich bei den Golanhöhen um syrisches Territorium handle, welches von Israel besetzt gehalten wird. Der Generalsekretär der Arabischen Liga kündigte des Weiteren an, dem UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsent- wurf vorzulegen, welcher die Handlungen der Vereinigten Staaten verurteilte und den

40 https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47664529, eingesehen am 16.12.2020 41 https://de.reuters.com/article/us-golanheights-kremlin/russias-putin-to-discuss-golan-heights-with-lebanons-president-idINKCN1R70WR, eingesehen am 16.12.2020 42 https://www.reuters.com/article/us-usa-israel-syria-turkey/erdogan-says-trumps-golan-heights-statement-threatens-new-crisis-i- dUSKCN1R30S2, eingesehen am 16.12.2020 43 https://www.france24.com/en/20190322-france-israel-sovereignty-golan-international-law-donald-trump, eingesehen am 16.12.2020 44 https://www.auswaertiges-amt.de/de/-/203854, eingesehen am 16.12.2020 89

Internationalen Gerichtshof in dieser Causa einzuschalten. Die Einigung der Arabischen Liga überraschte politische Kommentatoren, da Syrien grundsätzlich im Jahr 2011 auf Grund inter- nationaler Vorwürfe, Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben, aus der Ara- bischen Liga ausgeschlossen worden war.45

Nicht nur international wurde die Anerkennung kritisiert, auch in Israel gab es kritische Stim- men und Proteste, welche sich gegen die Anerkennung richteten. Allen voran die Drusen auf den Golanhöhen waren gegen diese Anerkennung der Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet, da sich viele nach wie vor als syrische Staatsbürger sehen.46

Israelische Politiker auf der anderen Seite lobten das Vorgehen Trumps. Der israelische Staats- präsident Reuven Rivlin dankte dem US-Präsidenten und nannte diesen einen wahren Freund des Staates Israel.47

Netanyahus politischer Gegner die Wahl am 09. April 2019 betreffend, Benny Ganz, ließ ver- lautbaren, dass er die Entscheidung guthieß und nannte Trump ebenfalls einen wahren Freund des Staates Israel. Des Weiteren dankte dieser Trump einerseits für die Verlegung der US- Amerikanischen Botschaft nach Jerusalem im Jahr 2017 und andererseits auch für die Aner- kennung der israelischen Souveränität über die Golanhöhen und kommentierte diese damit, dass sich Israel niemals von den Golanhöhen zurückziehen werde.48

Als Dank an den US-Präsidenten Donald Trump für die Anerkennung der israelischen Souve- ränität über die Golanhöhen, gab der damals wiedergewählte Premierminister Benjamin Netan- yahu bekannt, dass auf den Golanhöhen ein neuer Kibbuz errichtet werden soll, welcher den Namen Ramat Trump tragen soll. Geplant ist die Siedlung östlich des Kibbuz Kela Alon und soll aus 110 Wohneinheiten bestehen.49

Wie sich jedoch die Situation weiterentwickeln wird und ob die Kritik an der israelischen An- nektierung der besetzten Gebiete verstummen wird, wird sich in Zukunft weisen. Wichtigen Einfluss darauf wird der neue, Ende 2020 gewählte US-Präsident Joe Biden haben und die Aus- richtung seiner Politik in Bezug auf den Nahen Ostens.

45 https://www.dw.com/en/arab-leaders-slam-trumps-recognition-of-golan-heights-as-israeli/a-48136117, eingesehen am 16.12.2020 46 https://www.reuters.com/article/us-usa-israel-golanheights-protests/-protest-trumps-backing-of-israeli-sovereignty-on-golan-i- dUSKCN1R40RS, eingesehen am 16.12.2020 47 https://www.independent.co.uk/news/world/americas/us-politics/trump-netanyahu-israel-golan-heights-latest-a8839096.html, eingesehen am 16.12.2020 48 https://www.timesofisrael.com/at-aipac-gantz-vows-to-rid-israels-leadership-of-racism-corruption/, eingesehen am 16.12.2020 49 https://www.jpost.com/Israel-News/Sign-for-Trump-Heights-goes-up-on-Golan-592725, eingesehen am 16.12.2020

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9) Resümee

Basierend auf der Tatsache, dass die Golanhöhen eine enorme Bedeutung für den Staat Israel haben, hoffe ich durch die Analyse und Aufschlüsselung der Ereignisse einen detaillierten Blick auf die Frage nach der Bedeutung dieser gegeben zu haben.

Nachfolgend wird auf die Forschungsfragen eingegangen:

• Welche Bedeutung haben die Golanhöhen für den Staat Israel in militärischer, po- litischer und wirtschaftlicher Hinsicht?

Aus militärischer Sicht sind die Golanhöhen essenziell für die Grenzsicherung des Staates Is- rael. Vor allem in Hinblick auf die Entwicklung der 1960er und 1970er Jahre und die damit einhergehenden Konflikte, welche der Staat Israel mit seinen Nachbarn, allen voran Syrien, auszutragen hatte. Ebenso sind sie für die Sicherheit Israels von Bedeutung, wenn man den Bürgerkrieg in Syrien, welcher seit 2011 stattfindet, berücksichtigt. Die Annexion der Golan- höhen war und ist ein sicherheitspolitischer Faktor, welcher die Einflüsse des Bürgerkrieges auf Israel definitiv minimierte.

Politisch gesehen sind die Golanhöhen seit der Besetzung von 1967 von hoher Brisanz, da diese von Israel zuerst besetzt und im Jahre 1981 annektiert worden waren und dies international verschiedenste Reaktionen hervorrief. Es ist jedoch eine Tatsache, dass diese Annexion inter- national von den meisten Staaten nicht anerkannt ist, ebenso wenig von den Vereinten Natio- nen. Die einseitige Anerkennung durch den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Jahr 2019 inklusive der israelischen Pläne, weitere Siedlungen zu errichten, wird in Zukunft Konfliktpotenzial bergen und ein international diskutiertes Thema bleiben.

Aus wirtschaftlicher Sicht wird die Annexion der Golanhöhen insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn mit der Förderung des Erdöls, welches auf dem Gebiet vermutet wird, begonnen wird. Dies würde dazu führen, dass Israel ein gewisses Maß an Unabhängigkeit in Bezug auf den Import von Erdöl erlangt. Bisher wird Erdgas nur aus Erdgasfeldern im Mittelmeer geför- dert. Die Ölförderung findet in Anlagen im Süden Israels statt. Seitens Ölbohrungen und Un- tersuchungen musste ich mich bei der Recherche auf Pressemeldungen von Genie Energy

91 beziehen, da offiziell keine Aussendungen gefunden werden konnten beziehungsweise bekannt sind in Bezug auf die Golanhöhen.

Auch die Tatsache, dass auf den Golanhöhen international prämierter Wein hergestellt wird, brachte dem Land eine gute Reputation bezüglich der Qualität und der Herstellung von Weinen. Auch hier waren Quellen rar zu finden, da weder das Landwirtschafts- noch das Wirtschafts- ministerium vulnerable Quellen zu dieser Thematik liefern. Aus diesem Grund musste ich mich auf Weinhandel und -verkostung spezialisierte Webseiten beziehen.

Touristisch sind die Golanhöhen mit ihrer Naturschönheit ein beliebtes Naherholungsgebiet der einheimischen Bevölkerung. Vor allem die Tatsache, eines der wenigen Skigebiete auf dem Berg Hermon zu kontrollieren, spielt für den Wintertourismus in einer Region, in welcher dieser grundsätzlich nicht existent ist, eine bedeutende Rolle. Ein Aspekt, welcher alle Bereiche mit einfließen lässt, sind auch die Süßwasserquellen auf den Golanhöhen. Da Wasser die Quelle allen Lebens ist, ist diese Ressource definitiv von enormer Bedeutung und ohne diese wäre Leben in der Region nicht möglich beziehungsweise ist die Aufbereitung von Salzwasser oder der Import von genügend Süßwasser eine kostspielige Angelegenheit. Dies ist neben dem Si- cherheitsaspekt für Israel einer der Hauptgründe für die Annexion der Golanhöhen, da es sonst vermutlich zu einer Umleitung der Süßwasserquellen nach Syrien und Jordanien gekommen wäre und Israel kaum Zugang zu diesem lebensnotwenigen Gut erhalten hätte.

• Aus welchen Gründen wurden die Golanhöhen vom Staat Israel besetzt und an- nektiert?

Die Besatzung und anschließende Annexion der Golanhöhen spielt sicherheitspolitisch eine Rolle, in Bezug auf die militärischen Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts. Ohne die Besetzung wäre es durchaus möglich gewesen, dass Syrien einen entschei- denden strategischen Vorteil gegenüber Israel gehabt hätte und diesen auch genutzt hätte, sei es durch den Einblick in das israelische Hinterland, um Truppenbewegungen besser abschätzen zu können oder durch den Beschuss von israelischen Siedlungen durch Artillerie. Ohne der Annexion würde es den Staat Israel, wie er heute existiert, unter Umständen nicht geben.

Ein weiterer Grund für die Besetzung und anschließende Annexion ist die Kontrolle der Süß- wasservorkommen in der Region. Unter Anbetracht der Tatsache, dass Syrien und der Libanon

92 die Quellflüsse des Jordan umzuleiten versuchten, ist es aus israelischer Sicht nahvollziehbar, diese Umleitungen mit allen Mitteln zu verhindern. Es kann argumentiert werden, dass diese Tatsache einen der Hauptgründe für die Besetzung und anschließende Annexion dargestellt hat, da zu jener Zeit die technischen Möglichkeiten der Süßwasseraufbereitung limitiert gewesen sind und das Fehlen von Süßwasser für den Staat Israel und seine Bürger fatale Folgen gehabt hätte.

• Wie wirken sich die UN-Friedensmissionen auf die Gegebenheiten der Golanhöhen aus?

Die UN-Friedensmissionen auf den Golanhöhen haben einen bedeutsamen Einfluss auf die Sta- bilität an der Grenze zu Syrien und durch die Präsenz und Vermittlung der internationalen Trup- pen ist es sehr wahrscheinlich, dass weitere militärische Konflikte zwischen Israel und Syrien verhindert worden sind.

10) Schlussfolgerungen und Ausblick

Über die Lage im Nahen Osten im Allgemeinen ist es wahrlich schwierig eine Prognose zu stellen. Israel ist eines der wenigen Länder in der Region, welches in den letzten 20 Jahren nicht von Unruhen und größeren militärischen Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn betroffen ist. Jedoch ist die Vorgehensweise der israelischen Regierung in Bezug auf die Annexion der Golanhöhen, des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems nicht unumstritten. Die Situation auf den Golanhöhen im Speziellen ist dennoch verhältnismäßig entspannt, trotz der internationalen Kritik, welcher sich die Regierung von Benjamin Netanyahu in den letzten Jahren stellen musste. Durch die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten, hatte die Regie- rung in den letzten Jahren Rückenwind erhalten, wenn es um die israelischen Bestrebungen der Anerkennung der Besetzten Gebiete ging. Kurze Zeit nach dieser Anerkennung wurden schon neue Pläne für Siedlungen auf den Golanhöhen verkündet.

Seit der Staatsgründung vor 70 Jahren ist Israel um seine Sicherheit besorgt und fühlt sich von seinen arabischen Nachbarn bedroht. Dies ist einer der Hauptgründe für die Annexion der Go- lanhöhen und um diese Sicherheit weiterhin für seine Bürger gewährleisten zu können, wird 93 der israelische Staat alles daransetzen, die Golanhöhen nicht an Syrien zurückgeben zu müssen. In den kommenden Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, wird die Diskussion um den Status der Golanhöhen nicht verstummen und sobald sich die Situation im Nahen Osten, und im Speziel- len im Bürgerkriegsland Syrien, beruhigt, werden die internationalen Diskussionen wieder an Fahrt aufnehmen.

Bis dahin wird es bei internationalen Ermahnungen in Bezug auf den israelischen Siedlungsbau bleiben und es bleibt zu hoffen, dass es zu keinen weiteren militärischen Auseinandersetzungen in der Region kommt.

Spannend wird auch die Frage bleiben, wie sich die Versorgung von Wasser in den jeweiligen Ländern rund um die Golanhöhen weiterentwickelt, vor allem wenn man den Klimawandel weltweit und im Speziellen in der Region nicht außer Acht lässt.

Politisch wird abzuwarten sein, wie die Ausrichtungen in Bezug auf den Nahen Osten des neu gewählten US-Präsidenten Joseph Biden sein werden. Nachdem die Vereinigten Staaten meh- rere Verbündete in der Region haben, wird es eine Herausforderung darstellen, alle Ziele dieser Verbündeten zu berücksichtigen. Ebenso wird der Status davon beeinflusst sein, ob sich Ben- jamin Netanyahu in Israel an der Macht halten kann und unter welchen Prämissen dieser Macht- erhalt stattfinden wird.

94

11) Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen

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