Helmut Kentler Und Die Universität Hannover Teresa Nentwig
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Dr. Teresa Nentwig Bericht zum Forschungsprojekt: Helmut Kentler und die Universität Hannover Teresa Nentwig Bericht zum Forschungsprojekt: Helmut Kentler und die Universität Hannover Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover Welfengarten 1 30167 Hannover Tel. + 49 511 762 - 0 Fax + 49 511 762 - 3456 Geleitwort 1 des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover Wenn zur Rechtfertigung von sexueller Gewalt und Missbrauch an Kindern und Minderjährigen an- gebliche wissenschaftliche Erkenntnisse und wissenschaftliche Gutachten herangezogen werden, las- tet die Schuld besonders schwer – auch auf den beteiligten Institutionen und möglichen Mitwissern. Einzig die schonungslose Transparenz und die Offenlegung aller Fakten vermag allenfalls ansatzweise den Opfern mindestens zur Anerkennung ihres durch die schrecklichen Taten verursachten Leids zu verhelfen. Der Psychologe und Sozialpädagoge Helmut Kentler (verstorben 2008) wurde 1976 an die Technische Universität Hannover berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1996 wirkte. Er steht vor allem durch die inakzeptable Verharmlosung von Pädosexualität in der Kritik. In den siebziger Jahren hatte Kentler unter anderem an einem wissenschaftlichen Experiment mitgewirkt, bei dem in Berlin Pflegekinder bei pädophilen Männern untergebracht wurden, was – auch im Kontext der Zeit betrach- tet – als strafrechtlich relevant zu werten ist (s. §§ 176 ff. StGB). Bereits im Januar 2018 hat sich die Leibniz Universität Hannover deutlich von dem Wissenschaftler Kentler, von der stattgefundenen Bagatellisierung von sexueller Gewalt an Kindern unter dem Deck- mantel der Wissenschaftlichkeit distanziert und dieses Unrecht aufs Schärfste verurteilt. Ansehen und Reputation der Universität, aber auch das Vertrauen in die Wissenschaft selbst wurden durch das Agieren Kentlers zutiefst beschädigt und erschüttert. Die Hochschulleitung der Leibniz Universität Hannover hat im März 2018 einen Auftrag für ein Gut- achten über das Wirken Helmut Kentlers an der ehemaligen Universität Hannover vergeben. In dem nun vorliegenden Gutachten hat die Politikwissenschaftlerin Dr. Teresa Nentwig vom Institut für Demokra- tieforschung der Georg-August-Universität Göttingen das Wirken Kentlers an der Universität Hannover gründlich beleuchtet und hinterfragt. Detailliert untersucht wurde auch das Verhalten des damaligen wissenschaftlichen Umfeldes. Frau Dr. Nentwig gilt an dieser Stelle unser ausdrücklicher Dank. Begutachtet von rechtlicher und methodischer Seite wurde der vorliegende Bericht von Prof. em. Dr. Hans Peter Bull, Professor für Öffentliches Recht der Universität Hamburg, und Prof. em. Dr. Jürgen Oelkers, Professor für Allgemeine Pädagogik, Universität Zürich, welchen ich hier ebenfalls ausdrück- lich Dank sagen möchte. Unabdingbar für die Betroffenen und für das Ansehen der Wissenschaft selbst ist es, dass die Insti- tution Verantwortung übernimmt. Die Leibniz Universität Hannover hat sich ihrer Verantwortung über die sachgerechte Aufarbeitung nun aktiv gestellt. Prof. Dr. Volker Epping Hannover, im September 2019 Inhaltsverzeichnis Geleitwort des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover 1 1 Einleitung: Fragestellungen und Quellenbasis 4 2 Zur Person: Helmut Kentler 6 2.11 Seine Biografie 6 2.12 Sein Bild in der Öffentlichkeit früher und heute 9 3 Kentlers Weg an die Universität Hannover 13 3.11 Kentlers Promotion 13 3.12 Kentlers Berufung zum Professor für Sozialpädagogik 32 4 Kentlers Wirken an der Universität Hannover 50 4.1 Das Seminar bzw. Institut für Berufspädagogik 50 4.2 Der Studiengang „Zweitfach Sonderpädagogik für das Lehramt an berufsbildenden Schulen“ 55 4.3 Kentler als Lehrender und Studiengangsverantwortlicher 56 4.4 Kentler als Forschender 66 4.5 Kentler und die Betreuung von Doktoranden/-innen und Habilitanden/-innen 72 4.6 Kentler als Berufsschullehrer 73 4.7 Kentler als Sexualpädagoge 77 4.8 Lehrveranstaltungen zur Sexualpädagogik am Seminar bzw. Institut für Berufspädagogik 87 4.9 Helmut Kentlers Gutachten „Homosexuelle als Betreuungs- und Erziehungspersonen unter besonderer Berücksichtigung des Pflegekindschaftsverhältnisses“ (1988) und sein Buch „Leihväter. Kinder brauchen Väter“ (1989) 94 Zum Inhalt des Gutachtens und zu der Frage nach wissenschaftlichem Fehlverhalten 96 Reaktionen auf das Gutachten und das Buch „Leihväter. Kinder brauchen Väter“ 110 4.10 Kentler als Führungsverantwortlicher 117 4.11 Helmut Kentler und der „Fall Brückner“ 124 5 Das Auftreten der Universität Hannover Helmut Kentler gegenüber 129 5.1 Ein Fallbeispiel aus dem Jahr 1993: Kentlers Vortrag zum Thema „Mißbrauch des sexuellen Mißbrauchs“ 129 5.2 Kentlers Ausscheiden im Jahr 1996/1997 145 5.11 Kentlers Tod im Jahr 2008 147 6 Zusammenfassung und Fazit 148 Quellen- und Literaturverzeichnis 152 Schriftenverzeichnis von Helmut Kentler für den Zeitraum 1976 bis 1996 152 Handbücher, Monografien und Ratgeber 152 Herausgeberschaften 152 Artikel und Aufsätze in Sammelbänden 152 Artikel und Aufsätze in Fachzeitschriften 154 Magazin- und Zeitungsartikel 155 Handbuchartikel 156 Gutachten und Stellungnahmen 156 Veröffentlichte Rundfunk- und Vortragsmanuskripte 157 Veröffentlichte Interviews 157 Unveröffentlichte Manuskripte 157 Leserbrief 157 Bericht zum Forschungsprojekt: Helmut Kentler und die Universität Hannover Onlineartikel 157 3 Sonstiges 158 Sonstige zitierte Publikationen von Helmut Kentler 158 Sonstige Quellen 160 Ungedruckte Quellen 160 Archivalien 160 Gespräche und Korrespondenz 161 Gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur 162 Amtliche Veröffentlichungen, Gesetzestexte und Parlamentsdrucksachen 162 Autobiografien, Monografien, Handbücher und Sammelbände 163 Beiträge aus Sammelbänden und Fachzeitschriften sowie Zeitungs- und Zeitschriftenartikel 165 Sonstiges 168 Literatur 168 Monografien 168 Handbücher und Sammelbände 170 Beiträge aus Handbüchern und Sammelbänden 170 Beiträge aus Fachzeitschriften 173 Sonstiges 174 Internetquellen 174 Abbildungsnachweis 178 Tabellenverzeichnis 179 Verzeichnis der Infokästen 180 Abkürzungsverzeichnis 181 Anhang 183 Übersicht 1: Die Lehrveranstaltungen von Helmut Kentler und das Personal am Seminar bzw. Institut für Berufspädagogik 183 Übersicht 2: Von Helmut Kentler begutachtete Dissertationen 226 Übersicht 3: Von Helmut Kentler begutachtete Habilitationen 232 Inhaltsverzeichnis 4 1 Einleitung: Fragestellungen und Quellenbasis Am 30. Dezember 2017 berichtete der Spiegel über zwei junge Männer, Marco und Sven, die bis in die 2000er Jahre hinein große Teile ihrer Kindheit bei H., einem mutmaßlich pädophil veranlagten Pflege- vater, in Berlin verbracht haben und von diesem mehrfach sexuell missbraucht wurden.1 Der hanno- versche Professor für Sozialpädagogik Helmut Kentler war es, der sich zu Beginn der 1990er Jahre in mehrseitigen Stellungnahmen für H. als Pflegevater stark machte. „Aus jahrelanger Begleitungserfah- rung kann ich sagen, daß Herr H. mit derart positiven Ergebnissen seinen pädagogischen Aufgaben nachgeht, daß ich immer wieder überrascht bin“, heißt es beispielsweise in seiner „Stellungnahme zu den Erziehungsberichten von Herrn Fritz H. vom Oktober 1991“.2 Im Jahr darauf, in einem Schreiben an ein Berliner Familiengericht, bezeichnete Kentler H. sogar als „pädagogisches Naturtalent“3. Vie- les deutet darauf hin, dass der 2015 verstorbene Pflegevater Ende der 1960er oder Anfang der 1970er Jahre einer der wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger4 vorbestraften Männer gewesen war, bei denen Helmut Kentler unter anderem Jungen bzw. junge Männer, die am Bahnhof Zoo auf den Strich gegangen waren, untergebracht hatte. Mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport hatte Kentler bei den Männern Pflegestellen einrichten können.5 Nach der Spiegel-Berichterstattung wurde auch die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) auf das Thema Helmut Kentler aufmerksam, da der ausgebildete Diplom-Psychologe von 1976 bis 1996 als Professor an der Universität Hannover gewirkt hatte. Die Artikel der HAZ6 und das eigene Entsetzen über Kentlers „Experiment“7, Pflegestellen bei Männern einzurichten, die wegen sexueller Kontakte mit 1 Vgl. Ann-Katrin Müller: Vater unser, in: Der Spiegel, 30.12.2017, S. 34–39. Zu dem Begriff der Pädophilie vgl. ausführlich den Infokasten auf S. 11 der vorliegenden Studie. 2 Helmut Kentler: Stellungnahme zu den Erziehungsberichten von Herrn Fritz H. vom Oktober 1991, 26.11.1991, S. 2, in: Privatarchiv von Marco. 3 Schreiben von Kentler an Herrn Richter L., Amtsgericht Charlottenburg – Fami- liengericht –, vom 07.04.1992, S. 1, in: Privatarchiv von Marco. 4 Damals betraf die Minderjährigkeit noch alle Personen unter 21 Jahren. 5 Vgl. dazu den Infokasten auf S. 83 der vorliegenden Studie sowie ausführlich Teresa Nentwig: Die Unter- stützung pädosexueller bzw. päderastischer Interessen durch die Berliner Senatsverwaltung. Am Bei- spiel eines „Experiments“ von Helmut Kentler und der „Adressenliste zur schwulen, lesbischen & pädophilen Emanzipation“, Göttingen: Institut für Demokratieforschung, 2016, URL: http://www. demokratie-goettingen.de/content/uploads/2016/12/Projektbericht_Kentler_Adressenliste_Onli- ne_G%C3%B6ttinger-Demokratieforschung2016-11.pdf [zuletzt eingesehen am 22.10.2018]. 6 Vgl. Jutta Rinas: Pädophilie-Befürworter lehrte an Uni, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 12.01.2018; dies.: Der Professor und die kleinen Jungs, in: ebd.; dies.: „Er wirkte klug und freund- lich“, in: ebd.; Bärbel Hilbig: Ein Schatten aus der Vergangenheit, in: Hannoversche Allgemeine Zei- tung, 13.01.2018; Juliane Kaune/Jutta Rinas: Entsetzen