Blitzableiter Des Frustes
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SPORT ren über die Leistung der Mannschaft Sohnes beginnt. Nicht erst seit dem künftig zurücknehmen? Fußball Ausscheiden gegen Paris St. Germain Beckenbauer: Das wäre sicher manch- weiß Cruyff senior, daß seine Elf nach mal besser. vier spanischen Meistertiteln in Folge SPIEGEL: Sie haben, so heißt es in Bre- ihren Leistungszenit überschritten hat: men, Rehhagel zum Besuch bei Bild Blitzableiter „Der Zyklus ist zu Ende.“ aufgefordert, damit er Teil der Allianz Vier Nationalspieler musterte er be- Springer Verlag/Beckenbauer wird. reits im vorigen Sommer aus, die übri- Beckenbauer: Der Otto brauchte von des Frustes gen Altstars bangen um ihre Pfründe. mir keinen Rat. Er muß sich keine Es sind die Routiniers wie der bulgari- Maske aufsetzen und nichts mehr da- Intrigen beim FC Barcelona: wie der sche Torjäger Christo Stoitschkow, die zulernen. Er muß nur mit allen re- Jungprofi Jordi Cruyff darunter lei- der Fußball-Lehrer für die Pleiten der den. letzten Monate verantwortlich macht: SPIEGEL: Sucht Bundestrainer Berti det, Sohn des ungeliebten Trainers „Wenn die Alten keine Linie halten, Vogts Ihren Rat? Johan Cruyff zu sein. können die Jungen nicht Tritt fassen.“ Beckenbauer: Braucht er auch nicht. Vorigen Freitag suspendierte er den auf- Wir haben damals ja ebenfalls nicht müpfigen Stoitschkow. nur glorreiche Taten vollbracht – das ohan Cruyff, 47, Trainer des FC Bar- Maliziös nennen die Cracks ihren zur vergißt man heute leicht, wenn man celona, steht im Ruf, seine Mann- Selbstherrlichkeit neigenden Chef in- über Berti urteilt. Der Deutsche war Jschaft mit eiserner Hand und dikta- zwischen „Dios“ (Gott). In solchen Mo- immer dann stark, wenn es um Welt- torischem Gehabe zu führen. Wenn menten blickt Jordi in der Umkleideka- oder Europameisterschaften ging. sich die hochbezahlten Profis zur vor- bine indigniert zu Boden – und darf SPIEGEL: Bei beiden Turnieren hat mittäglichen Übungsstunde versam- nicht den Eindruck erwecken, er werde sich das Vogts-Team erfolglos ver- meln, kommt es jedoch vor, daß ein beim Papa petzen. sucht. blonder Nachwuchsspieler den Feld- Doch Jordi Cruyff kann tun, was er Beckenbauer: Da haben die Klassiker herrn mit einem zärtlichen Wangenkuß will. Er verkörpert die überfällige Er- gefehlt. Die Deutschen wären in den begrüßt. neuerung und wird mithin als Sohn des USA ins Endspiel gekommen, wenn Der junge Mann, der dem Chef so na- Trainers im gereizten Mannschaftsklima sie andere Gegner gehabt hätten. he kommen darf, ist dessen Sohn Jordi zum Blitzableiter des Frusts der abgeta- Wenn wir statt gegen Bulgarien gegen Cruyff, 21, der seit Saisonbeginn zur er- kelten Stars. Als er gegen Logron˜e´s ein Italien hätten spielen müssen, wären sten Mannschaft zählt. Doch mit dem Tor erzielte, bot ihm keiner der Kolle- wir hundertprozentig weitergekommen. Teˆte-a`-teˆte zum Trainingsauftakt sind gen die Hand zur Gratulation. Wir konnten nur ausscheiden gegen alle Sonderrechte aufgebraucht. Auch wenn die Medien zuletzt immer Bulgarien. Peinlich genau achtet der Vater dar- bissiger notierten, daß Johan Cruyff bei SPIEGEL: Je leichter der Gegner, desto auf, daß die ungewöhnliche Konstellati- seinen Erfolgen häufig vom Ungeschick geringer die Chancen – das ist nicht on – einmalig bei einem europäischen der Konkurrenz profitiert habe, Ihr Ernst. Spitzenklub – nicht den Verdacht fami- herrscht er doch in Barcelona wie ein Beckenbauer: Der Deutsche ist so. Je liärer Protektion nährt; um so mehr, Patriarch. Der Holländer, Anhänger ri- größer die Aufgabe, desto besser kon- weil der Trainer nach vielen enttäu- sikoreichen Angriffsfußballs, im Urteil zentriert er sich. Wir hatten keine schenden Spielen zur Zielscheibe ver- von El Paı´s: „Er mißhandelt die Spieler, wirklich ernsthaften Gegner. Jetzt, bei einsinterner Intrigen geworden der Qualifikation für die Europamei- ist. sterschaft, ist es dasselbe: Selbst wenn So gehörte Jordi Cruyff trotz wir Georgien 5:0 schlagen, was ist das hoher technischer Begabung wert? und etlicher Tore, die er in der SPIEGEL: Sie haben eine eigenwillige laufenden spanischen Meister- Art, die Krise der Nationalmannschaft schaft erzielt hat, bislang noch zu bewerten. nicht zur Stammelf. Doch nach- Beckenbauer: Es gibt keine Krise. dem Barcelona am vorigen SPIEGEL: Einflußreiche Freunde, die Mittwoch in der Champions’ Sie ja schon immer auf die Startrampe League frühzeitig gescheitert geschoben haben, wenn es um wichtige ist, deutet alles darauf hin, daß Posten ging, sehen das anders. Sie jetzt die Zeit des schmächtigen wünschen sich den DFB-Präsidenten Franz Beckenbauer. Beckenbauer: Mich hat noch nie inter- essiert, was übermorgen ist. Das Heute ist wichtig. Ich muß erst mal beim FC Bayern schauen, ob mir so ein Funktionärsamt liegt. SPIEGEL: Sie werden ihre dritte Karrie- re doch wohl nicht vor der Zeit abbre- chen – als Spieler und als Trainer woll- ten Sie immer auf den Gipfel . Beckenbauer: . vielleicht ist das ei- ne logische Entwicklung. Es kommt immer darauf an, wie lange man mit- spielt. SPIEGEL: Herr Beckenbauer, wir dan- REUTER BONGARTS ken Ihnen für dieses Gespräch. Y Trainer Cruyff, Sohn Jordi: „Zuhören und schweigen“ DER SPIEGEL 12/1995 243 SPORT die Funktionäre und die Reporter. Aber bung des Juniors würdigten. Jordi dach- er verwöhnt das Publikum.“ te über eine Flucht zu Ajax Amsterdam Cruyff, der die Attitüde des Allwis- nach. Doch Vater Johan befand, daß senden und Unfehlbaren pflegt, leitet „ein härtendes Stahlbad“ die beste Vor- seine Selbstgewißheit ab aus einer Kar- bereitung für einen künftigen Fußball- riere, in der er als Profi bei Ajax Am- profi sei. sterdam und dem FC Barcelona alle nur Gerade weil Cruyff junior „von frü- möglichen Titel gewann. hester Jugend soviel hat einstecken Dreimal wurde er Europas Fußballer müssen“, glaubt sein vormaliger Trai- des Jahres, 1974 mit der holländischen ner Quique Costas an eine große Kar- Nationalelf Vize-Weltmeister. Auch als riere: „Jordi hat gelernt, mit Druck um- Trainer – wieder erst in Amsterdam, zugehen.“ Wann immer er gefragt wird, dann in Barcelona – eilte er von Erfolg betont der Jungstar, „nicht als Trainer- zu Erfolg. Mit einem Jahreseinkommen sohn, sondern nur als gewöhnlicher von rund vier Millionen Mark gilt er als Sportler“ zu antworten. Ein fast aus- bestbezahlter Fußballcoach der Welt. sichtsloses Unterfangen, wie der Über- Gleich im ersten Jahr eroberte der vater weiß: „Mein Sohn muß damit le- Holländer die Herzen der Fans mit einer ben, daß sein Vater eine Legende ist.“ Geste von überragender Symbolkraft. Johan Cruyff übersieht, daß Jordi Zwar gebar Cruyffs Ehefrau Danny ih- weniger gegen den genialen Fußballer ren Sohn am 9. Februar 1974 in einer der siebziger Jahre ankämpft als viel- Amsterdamer Klinik, doch getauft wur- mehr gegen den verbohrten Regenten de der Stammhalter auf den Namen des der neunziger. Und weil etwa der Alte katalanischen Nationalheiligen Jordi. notorisch über die Leistungen der Un- Das war zur Zeit der Franco-Dikta- parteiischen herzieht, hat es oft den tur, als alles Katalanische verpönt bis Anschein, daß die Schiedsrichter den verboten war, regimehörige Schieds- Jungen in Sippenhaft nehmen. So man- richter und Verbandsfunktionäre die che gelbe Karte, die Jordi bekam, galt Kicker aus Barcelona zugunsten Real wohl eigentlich Johan. Madrids benachteiligten und ein Erfolg Um dem ungeliebten Trainer zu scha- über die Fußballer aus der verachteten den, kolportierte ein Vorstandsmitglied Hauptstadt als verwegenste Form politi- jüngst das Gerücht, Cruyff habe dem scher Opposition galt. Als Cruyff kurz Klub empfohlen, das Gehalt des Sohnes nach Jordis Geburt den FC Barcelona von 100 000 Mark auf 1,25 Millionen zu erhöhen. Prompt wurde der Junior vom eigenen Publikum ausgepfiffen. Erbost „Vatersöhnchen“ schallte über die fortwährenden Intrigen beim es bei Auswärtsspielen FC Barcelona stellte Johan Cruyff sei- nen Rücktritt in Aussicht: „Ich habe von den Rängen hier keinen Spaß mehr.“ Getreu dem väterlichen Rat („Du zur spanischen Meisterschaft schoß, sollst zuhören und schweigen“) hält sich wurde der niederländische Säugling zu Jordi, der noch bei den Eltern wohnt, einer Art Reliquie des katalanischen in der aktuellen Debatte zurück. Egal Nationalismus. ob sein Vater den Machtkampf im Klub Jahre später – Johan Cruyff trainierte gewinnt und „Barc¸a“-Coach bleibt, die Profis von Ajax Amsterdam, Jordi steht Jordi vor einer schwierigen Ent- kickte in der Schülermannschaft des hol- scheidung: Nationaltrainer Javier Cle- ländischen Traditionsklubs – lockte der mente, ein Baske von rustikaler Art FC Barcelona ein zweites Mal. Und mit und seit Jahren Intim-Feind von Johan dem Vater kehrte auch der Sohn zu den Cruyff, will ihn in die spanische Elf be- Spaniern zurück. rufen. Dort lernte Jordi gleich, was es heißt, Jordi, der nebenbei an der Universi- ein Cruyff zu sein: In der Jugendmann- tät Ökonomie studiert, ist zwar nieder- schaft erfuhr er, wie viele Feinde der FC ländischer Staatsbürger, doch nach Barcelona in Spanien und erst recht sein sechs Jahren im spanischen Fußballver- erfolgsorientierter Vater hat, dessen ge- band ist er für dessen Auswahlteams radlinig-selbstbewußter Lebensstil auf ebenso spielberechtigt. Entscheidet er der iberischen Halbinsel als arrogant an- sich für das Oranje-Trikot, gilt Cruyff gesehen wird. „Vatersöhnchen“ war in Barcelona wieder als Ausländer und noch das Harmloseste, was dem damals würde einen von drei Gastarbeiterplät- 14jährigen bei Auswärtsspielen entge- zen in Anspruch nehmen. genschallte. Sowohl dem Werben des holländi- Auch daß Mutter Cruyff kein Spiel ih- schen Nationaltrainers Dick Advocaat res Sohnes versäumte und diesen von als auch Clementes Annäherungsversu- der Seitenlinie vehement coachte, geriet chen weicht der Nachwuchsmann vor- zur Last: Schnell kursierte das Gerücht, läufig geschickt aus. Gefragt, ob er lie- die resolute Sen˜ora habe im Klub die ber für Spanien oder die Niederlande Ablösung von Nachwuchstrainern be- anträte, übt er diplomatische Finesse: trieben, die nicht hinreichend die Bega- „Für Katalonien“. Y 244 DER SPIEGEL 12/1995.