Bern, 18. April 2012

EUROVISION SONG CONTEST UND MENSCHENRECHTE IN ASERBAIDSCHAN

Liebe

Mit Ihrem Song «Unbreakable» haben Sie die Schweizer Endausscheidung zum gewonnen und werden die Schweiz Ende Mai in vertreten. Im Namen von Amnesty International gra- tuliere ich Ihnen dazu und wünsche Ihnen, dass Baku nur der erste Schritt einer internationalen Karriere sein wird!

Ende November hat Amnesty International alle Teilnehmenden an der Schweizer Endausscheidung zum Eurovision Song Contest angeschrieben. Wir wollten damit über die prekäre Menschenrechtslage in Aser- baidschan informieren und auf die Kampagne zur Freilassung von Jabbar Savalan hinweisen, der nur des- halb verhaftet wurde, weil er auf Facebook den aserbaidschanischen Präsidenten Aliew kritisiert hatte.

Wir freuen uns, Ihnen nun mitteilen zu können, dass Jabbar Savalan am 26. Dezember 2011 freigelassen worden ist. Dank der Unterstützung Tausender von Menschen aus aller Welt konnte Amnesty dazu mass- geblich beitragen. 14 andere Aktivisten jedoch befinden sich weiterhin in Haft – allein deshalb, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen haben und in den Monaten März und April 2011 an friedlichen, regimekritischen Kundgebungen teilgenommen hatten.

Die Unterdrückung macht auch vor Künstlern nicht halt: Am Abend des 17. März 2012 wurden die beiden jungen Sänger Jamal Ali und Natig Kamilov verhaftet – und nach einigen Berichten auch gefoltert -, weil sie sich negativ über den Staatspräsidenten geäussert hatten. Dies ist Künstlern ausgerechnet in dem Land widerfahren, in dem Europa in einigen Wochen die Musik und musikalische Talente feiern wird.

Der ESC wird von rund 120 Millionen Menschen verfolgt werden. Kein Wunder, dass die aserbaidschani- sche Regierung viel Geld investiert, um das Bild eines fortschrittlichen, demokratischen Landes zu zeich- nen. Über eine andere Realität hinter dieser Fassade soll dabei nicht gesprochen werden: über Gewissens- gefangene oder die Tatsache, dass bereits im Gefängnis landen kann, wer auf der Strasse «Freiheit» ruft.

Die Veranstalterin des ESC, die European Broadcasting Union (EBU), ist sich der schwierigen Situation bewusst. Sie hat allerdings bisher nicht den Mut gehabt, Unterdrückung und Einschränkung der Mei- nungsäusserungsfreiheit in Aserbaidschan offen anzuprangern.

Mit diesem Brief möchte Amnesty International Sie einladen, unsere Kampagne für die Freilassung der 14 Gewissensgefangenen zu unterstützen. Diese sind seit April 2011 im Gefängnis, weil sie Freiheit und De- mokratie gefordert haben. Als Schweizer Teilnehmer am ESC können Sie eine wichtige Rolle spielen: Sprechen Sie im Vorfeld des ESC über die Menschenrechtsverletzungen und weisen Sie auf Ihrer Face- book-Seite auf die Kampagne von Amnesty hin: http://amnesty.org/en/azerbaijan-running-scared . Wie Sie als «Cantautori» sicherlich wissen, sind Worte eine starke Macht: Über etwas zu sprechen heisst zu ver- hindern, dass Ereignisse und Personen vergessen gehen. Öffentlichkeit hilft jene zu schützen, die in der vordersten Reihe gegen despotische Regimes kämpfen. Amnesty International ruft in keiner Weise zu einem Boykott der Veranstaltung in Baku auf. Vielmehr se- hen wir im ESC eine einmalige Gelegenheit, die Menschenrechtslage in Aserbaidschan massgeblich zu verbessern. Wir denken, dass Sie, dass Sinplus, dazu einen wichtigen Beitrag leisten können.

Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und wünschen Ihnen in Baku viel Erfolg!

Mit freundlichen Grüssen

Manon Schick Geschäftsführerin