1 Einleitung Ökologische Analyse Der Molluskenfauna Im Nationalpark
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Biodiversitäts-Forschung AFSV Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz Heft 9 (2010) S. 65–78 4 Fig., 2 Tab. + Anh. urn:nbn:de:0041-afsv-00952 Ökologische Analyse der Molluskenfauna im Nationalpark Bayerischer Wald Ecological analysis of molluscs in the Bavarian Forest National Park Anna Rieger, Gisela Schmidberger, Veronika Stelz, Jörg Müller & Christian Strätz Abstract des Bayerischen Waldes und des angrenzenden Donautales“ (HÄSSLEIN 1966), in der auch alle Funde früherer Autoren (u. a. As part of the BIOKLIM Project, data was obtained for vari- CLESSIN , TH IEM , BÜ tt NER , JAE C KEL ) berücksichtigt wurden, sind ous groups of animals and plants, as well as for environmen- bereits 54 Molluskenarten aus dem Gebiet bekannt. Damit tal factors. The following analysis concerns only the molluscs wurde die noch von CLESSIN (1877) vertretene Auffassung, dass (Gastropoda, Bivalvia). Altitude, stand age, magnesium and die Malakofauna des Bayerischen Waldes vor allem durch ihre pH values of soil were identified as main influencing variables Artenarmut gekennzeichnet sei, klar widerlegt. for abundance of individuals, using quasi-Poisson models. Nach mehreren Jahrzehnten des Stillstandes erfolgten erst The parameter “number of plant species” (VegRich) and in jüngster Zeit wieder umfangreichere Bearbeitungen durch management type also affect the species number. Individual HLAVA C (2004, unveröff.) und ST RÄ T Z (2008, unveröff.), so dass species are influenced by very different factors, resulting derzeit Informationen von mehr als 200 gut untersuchten partly from their highly specialized habitat requirements, so Fundgebieten aus dem Nationalpark vorliegen. Den beiden that their abundance can not always be described directly in Bearbeitern gelangen zahlreiche Neufunde für das Natio- terms of the measured and collated influencing variables. The nalparkgebiet, so dass die Gesamtartenzahl der Mollusken mollusc-assemblages are determined most of all by altitude (Gastropoda, Bivalvia) heute mit 77 Arten angegeben wer- above sea level, temperature and light conditions (openness den kann. Vergleichswerte liegen auch für den gesamten of canopy), as demonstrated using several different methods Naturraum „Hinterer Bayerischer Wald“ vor: 97 Arten an 250 Fundorten (ST RÄ T Z 2008, unveröff.). of statistical analysis. Keywords: molluscs, species number, mollusc-assemblages, Innerhalb des Nationalparks dominieren mit 52 Arten die landlebenden Gehäuseschnecken das Artenspektrum recht quasi-Poisson models, DCA, NMDS deutlich, darunter 4 Arten der so genannten Halbnacktschne- cken aus der Gruppe der Vitrinidae (Semilimax kotulae, S. Zusammenfassung semilimax, Eucobresia diaphana, Vitrina pellucida), die ein sehr Im Rahmen des BIOKLIM-Projekts wurden im Nationalpark stark reduziertes Gehäuse aufweisen. Sehr gut vertreten ist, Bayerischer Wald Daten zu verschiedenen Tier- und Pflanzen- mit immerhin 18 Arten, auch die Gruppe der Nacktschnecken. arten sowie Umweltfaktoren erhoben. Die folgende Auswertung Naturgemäß weisen in den entsprechenden Höhenlagen die beschränkt sich auf die Weichtiere (Gastropoda, Bivalvia). Ziel Wasserschnecken (3 Arten) und Muscheln (Gattung Pisidium: war es, herauszufinden, welche Umweltfaktoren die Arten- und 4 Arten) nur geringe Artenzahlen auf. Prinzipiell sind unter Individuenanzahlen beeinflussen, was die Lebensgemein- den vorherrschenden bodensauren Bedingungen (basenarme schaften steuert und welche Parameter sich auf ausgewählte Ausgangsgesteine) insbesondere diejenigen Arten im Vorteil, Einzelarten auswirken. In Quasi-Poisson-Modellen haben die nur geringe Ansprüche hinsichtlich der Versorgung mit sich als Einflussgrößen für die Individuenanzahl Höhe, Alter, Calzium stellen, das für den Aufbau der Kalkgehäuse essenziell Magnesium und pH-Wert feststellen lassen. Auf die Artenan- ist. In den Höhenlagen wird deshalb die Biomasse zu mehr zahl wirkte sich der Vegetationsreichtum, die Höhe und der als 90 % von Nackt- und Halbnacktschnecken aufgebaut. Managementtyp aus. Die Einzelarten werden von sehr unter- Gehäuseschnecken mit dickeren bzw. größeren Gehäusen schiedlichen Faktoren beeinflusst. Die Lebensgemeinschaften finden sich vorwiegend im Bereich von Sonderstandorten werden vor allem von der Höhe über dem Meeresspiegel, der (Quellsümpfe, Wegränder, alte aufgelassene Siedlungsbe- Temperatur und dem Auflichtungsgrad bestimmt, was sich in reiche – Wüstungen). verschiedenen Ordinationsverfahren gezeigt hat. Malakologische „Highlights“ im Nationalpark Bayerischer Stichwörter: Mollusken, Artenanzahl, Lebensgemeinschaften Wald sind die bereits seit HÄSSLEIN (1966) bekannten Berg- von Mollusken, Quasi-Poisson-Modelle, DCA, NMDS waldarten Nördliche Kastanienbraune Schließmundschnecke (Macrogastra badia crispulata), Genabelte Maskenschnecke (Causa holosericea), Braune Schüsselschnecke (Discus 1 Einleitung ruderatus), Weiße Streifenglanzschnecke (Nesovitrea petro- nella) und Alpen-Windelschnecke (Vertigo alpestris). Diese 1.1 Molluskenfauna des Bayerischen alpin-karpatisch bzw. boreo-alpin verbreiteten Arten besitzen Waldes ihren Verbreitungsschwerpunkt in Bayern in den Alpen. Nörd- lich der Donau sind die Vorkommen auf das Ostbayerische Das Gebiet des Nationalparks Bayerischer Wald wurde Grundgebirge und die höheren Lagen von Rhön und Fran- insbesondere von Ludwig Hässlein sehr intensiv durch- kenalb beschränkt (ST RÄ T Z , 2005). Während die genannten forscht. In seiner Arbeit über „Die Molluskengesellschaften Arten innerhalb des Nationalparkgebietes noch regelmäßig Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz 9 (2010) 65 AFSV Biodiversitäts-Forschung nachgewiesen werden können, dünnen die Bestände nach Nor- aus mehreren Gründen für dieses Forschungsfeld eine hohe den hin sehr stark aus. Aus dem Gebiet zwischen Oberpfälzer Bedeutung. Zum einen sind durch natürliche Dynamiken Wald und Frankenwald sind nur noch einzelne Reliktvorkom- (Windwurf, Buchdrucker) in nur wenigen Jahren aus ehema- men der genannten Arten bekannt. ligen Wirtschaftswäldern strukturreiche Prozessschutzflächen entstanden. Zum anderen finden sich auch weiterhin noch Auch in jüngster Zeit gelangen aus zoogeografischer und auch gemanagte Waldflächen mit dem Charakter von Wirtschafts- aus naturschutzfachlicher Sicht bemerkenswerte Neufunde wäldern. Zusätzlich sind innerhalb des Parks auch noch wie z. B. Arktische Windelschnecke (Vertigo modesta arctica; Reste von Urwaldbeständen vorhanden. Zusammen mit dem erster Fund der Art in Bayern außerhalb der Alpen durch Temperaturgradienten finden sich hiermit ideale Bedingungen HLAVA C (2004, unveröff.), Berg-Schnegel (Deroceras rodnae) um die Einflussgrößen auf Artenzusammensetzung und die und Glatte Mulmnadel (Platyla polita). Habitatpräferenzen von Landmolluskenbeständen in einem Bergwaldökosystem zu untersuchen. In dieser Arbeit wird Im Jahr 2006 kamen weitere Arten wie Alpen-Wegschnecke dargestellt, wie sich diese Umweltfaktoren auf die Biodiversität (Arion alpinus), Moor-Wegschnecke (Arion brunneus) und der Schnecken auswirken. Insbesondere war von Interesse, Alpen-Schlammschnecke (Radix labiata) hinzu (ST RÄ T Z 2008, welche Umweltfaktoren die Arten- und Individuenzahl beein- unveröff.). Im Jahr 2007 folgten zunächst Erstnachweise einiger flussen, welche Variablen sich auf ausgewählte Einzelarten Wärme liebender Arten, die von früheren Autoren nur aus den auswirken und was die Molluskenbestände steuert. tieferen Lagen des Bayerischen Waldes beschrieben wurden wie die Hain-Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) und die 2 Methodik Gemeine Schließmundschnecke (Balea biplicata biplicata), von denen mittlerweile jeweils mehrere Fundgebiete an der südlichen Nationalparkgrenze bekannt sind (ST RÄ T Z 2008, 2.1 Datenerfassung unveröff.). Weiterhin traten Kulturfolger wie Hammerschnegel Die vorliegende Arbeit wurde auf Probeflächen des (Deroceras sturany), aber auch typische Bergwaldarten wie BIOKLIM-Projekts durchgeführt. Dabei wurden insgesamt die Schatten-Laubschnecke (Urticicola umbrosus) erstmals 113 Probekreise ausgewählt, Auf diesen wurden die Anzahl in den Artenlisten auf (ST RÄ T Z 2008, unveröff.). der Weichtiere (Individuenanzahl) und die jeweils auftretenden Besonders bemerkenswert ist im Nationalpark das ungemein Arten (Artenzahl) durch zeitnormierte Handaufsammlungen à häufige Vorkommen der Berg-Glasschnecke Semilimax( 30 Minuten Dauer erfasst. Gesammelt wurde an liegendem und stehendem Totholz, an der Rinde lebender Bäume und an kotulae), die im Bereich der unteren Gebietsgrenze um 650 Fruchtkörpern von Pilzen. Im Bereich der Quellfluren wurden m vereinzelt auftritt, um dann in den Höhenlagen zur vorherr- auch die in der Krautschicht aufsteigenden Arten (Petasina schenden Art zu werden (MÜLLER et al. 2009). edentula) und die in Moospolstern (Vertigo substriata) oder Relativ häufig kommt die für die Ostbayerischen Grenzgebirge in nasser Erde (Pisidium casertanum) lebenden Arten aufge- typische Kleine Gefältelte Schließmundschnecke (Macrogastra sammelt. Die Bearbeitung erfolgte von Anfang Juli bis Mitte plicatula nana) vor. Gleiches gilt für die Kleine Scharfge- Oktober bei jeweils warmer Witterung nach Regenfällen. rippte Schließmundschnecke (Clausilia cruciata cruciata), Bestimmungskritische Arten wurden in 80 %igem Alkohol die sich recht deutlich von den in den Alpen vorkommenden konserviert. Die Bestimmung im Labor (Binokular) erfolgte in Kleinformen und der größeren Clausilia cruciata cuspidata der Regel nach Schalenmerkmalen. Bei den Bernsteinschne- unterscheidet (ST RÄ T Z & KI tt EL 2008).