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Kaderschmiede FWF START/Wittgenstein 2012: Exzellenz9 » TRP: ­Wider besseres Wissen » Frau in der Wissenschaft: Verena Jantsch-­Plunger » Interview: Helmut Denk » Persönliche ­Paradigmen: Gerhard Herndl Inhalt

20 TRP: Wider bessereS wiSSen

30 Frau in der Wissenschaft: Verena Jantsch- Plunger

Kader- schmiede 6 FWF

12 STAWI 2012: Exzellenz9

KoNtext Editorial 27 ERC-Broschüre: Excellent Prospects 4 Projektvorstellungen 28–29 Statement of Principles for Scientific 5 Brief des Präsidenten Merit Review

35 Thema INTERVIEW: 6–11 Kaderschmiede FWF Panoptikum Helmut Denk 30–34 Frau in der Wissenschaft FOKUS Verena Jantsch-Plunger 12–15 STAWI 2012: Exzellenz9 35–39 Interview 16–18 Kursbestätigung Helmut Denk 19 Das letzte NFN 40–41 International ausgezeichnet 20–21 Wider besseres Wissen Meinrad Busslinger 22–23 FWF-Infoveranstaltungen: 42–45 Persönliche Paradigmen Auf ein Neues! Friedrich Stadler im Gespräch 24 FWF-E-Book-Library mit Gerhard Herndl 25 Aufwertung der studentischen Mitarbeit 46–47 Unterwegs 26 The Journal of Universal Rejection Around the World Editorial 42 Persönliche Paradigmen: Gerhard Herndl

TRP: Wider bessereS wiSSen ms mas stb

Der Forschungs-Kader

» Bei der Verwendung des Wortes „Kader“ muss man als Autor vorsichtig sein. Zu ambivalent ist der Begriff besetzt, das Spek- trum reicht von negativ besetzten militärischen oder politischen Zusammenhängen bis hin zu positiv assoziierten Bereichen wie Sport ­sowie „positiv besetzten“ Eliten. Die Spitzenforschung mit ihren hoch qua- lifizierten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ist so eine Elite. Eine Kaderschmiede zu sein, ist also in ausgewählten Bereichen eine Auszeich- nung. So versteht es auch der FWF, wenn er im Zusammenhang mit seiner „Qualitätsselektion“ im Bereich wissenschaftlicher Projekte und ihrer da- hinter stehenden Personen als Kaderschmiede für Spitzenforschung be- 46 zeichnet wird. Die in diesen Tagen vergebenen START- und Wittgenstein- Unterwegs: Preise repräsentieren dabei nur die Spitze jener Qualität, die der FWF mit Around the world Hilfe seines in knapp 45 Jahren ausgereiften internationalen Peer-Review- Verfahrens identifiziert hat. Der Coverartikel widmet sich der Kaderschmie- de FWF und beleuchtet dabei auch die europäischen Erfolge der FWF-ge- STAWI- Sommer­ förderten Wissenschafterinnen und Wissenschafter. 48 fest In „Fokus“ findet sich eine Kurzvorstellung der am 12. Juni vorgestellten START-/Wittgenstein-Preisträgerinnen und -Preisträger. Eine Bestätigung des FWF-Kurses bringt „Elita“, die Evaluierung der Frauenprogramme. „Wider besseres Wissen“ beleuchtet das Ende des Translational-­Research- Programms.

In „Panoptikum“ portraitiert „Frau in der Wissenschaft“ die Biochemikerin Verena Jantsch-Plunger. Sie erzählt über erstaunliche Ähnlichkeiten von Socken- und Chromosomenpaaren, die negativen Auswirkungen des starken Publikationsdruckes sowie ihre Skepsis gegenüber gängigen Er- EVENT folgsmessungen im Wissenschaftsbetrieb. Der Präsident der Österrei- 48–50 STAWI-Sommerfest chischen Akademie der Wissenschaften Helmut Denk spricht im Interview 51 Firnberg-/Richter-Feier über die turbulenten Zeiten in der ÖAW, notwendige unpopuläre Reformen 52 AmPuls 29 & 30 sowie seine tiefe Verbundenheit mit der Akademie. In „Persönliche Para- digmen“ gibt der Ozeanograph Gerhard Herndl im Gespräch mit dem Wis- Call senschaftshistoriker und -theoretiker Friedrich Stadler Einblicke in seinen 53 START-Programm Forschungsbereich: in den Umgang mit echten und vermeintlichen Kata- strophen, Erwartungshaltungen in der Öffentlichkeit sowie die Gefahren TErmine | FWF intern von Deep Sea Mining. 54 Aviso 54 Personalia Stefan Bernhardt, Margit Schwarz-Stiglbauer und Marc Seumenicht

55 Karikatur 56 Presseclippings IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Haus der Forschung, Sensengasse 1, 1090 Wien, Tel.: 01-505 67 40-0, Fax: 01-505 67 39, office@ fwf.ac.at, www.fwf.ac.at Präsident Christoph Kratky Geschäftsführerin Dorothea Sturn Redaktion Stefan­ Bernhardt (Chefredakteur), Marc Seumenicht (stv. Chefredakteur, CvD), Margit Schwarz-Stiglbauer­ Kon- takt [email protected] Beiträge in dieser Ausgabe Doris Haslinger, Rudolf Novak, Ulrike Varga, ­Barbara Zimmermann Karikatur Raoul Nerada Cover ­iStock Grafik und Produktion Starmühler Agentur & Verlag Druck Ueber­reuter Print und Digimedia GmbH. Erscheinungsweise viermal jährlich, kostenlos zu bestellen beim FWF Hinweis Die Kommentare und Statements externer AutorInnen müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Gender-Regelung Bei Zitaten und Interviews wird der Authentizität wegen darauf verzichtet, diese ­gen­derneutral umzuformulieren. Steht die männliche Form allein, ist sie in diesem­ Sinne als generisches Maskulinum zu verstehen.­ Projektvorstellungen

in kooperation mit der agentur für wissenschaftskommunikation PR&D stellt der FWF in regelmässiger folge projekte vor: Hier Kostproben und mehr …

Vom FWF gefördert ...

» Implantat: Mit Mathematik » Kontinuität im Wandel der Zeit: Tau- » Lexikon Globalisierung: Reiseführer passt’s besser Den Nutzen grund- sendjährige Nutzung eines sizilia- zur Kultur des globalen Dorfs Grundle- legender wissenschaftlicher Er- nischen Landguts belegt Archäologische gende Begriffe und fundierte Hintergrün- kenntnisse können Menschen mit Implan- Ausgrabungen belegen jetzt erstmals die de zum Phänomen Globalisierung werden taten bald am eigenen Körper spüren. Das über tausendjährige Geschichte eines nun in einem „Lexikon der Globalisie- zeigen Ergebnisse eines Translational-Re- Landguts auf Sizilien. Zahlreiche Funde rung“ zusammengefasst. Im Rahmen search-Projekts des FWF. In diesem wur- zeigen die kontinuierliche Nutzung der eines Translational-Research-Projekts des de demonstriert, wie 3D-Modelle und Anlage als Siedlungs-, Wirtschafts- und FWF wurden dafür die weltweiten Ver- spezielle mathematische Verfahren das Religionszentrum zwischen dem 5. und flechtungen und Abhängigkeitsprozesse Design und das Einheilen von Körperim- 16. Jahrhundert. Dies sind die Ergebnisse sichtbar und für die Fachwelt und die Öf- plantaten patientenspezifisch verbessern zweier Projekte des FWF, in denen die by- fentlichkeit nutzbar gemacht – mit en- könnten. Speziell für Schultergelenke zantinische Periode Siziliens erstmals ein- ormem Erfolg: Das Werk belegte bereits bzw. deren Prothesen wurden dafür Da- gehend archäologisch erforscht wurde. vor einigen Wochen Platz 7 der promi- ten von Computer- und Magnetresonanz- Im Krahuletz-Museum in Eggenburg / NÖ nentesten deutschsprachigen Sachbuchli- tomografien erfasst und zur Generierung sind diese Erkenntnisse der Öffentlichkeit ste. Der dringende Bedarf nach einem von 3D-Modellen genutzt. Diese wurden ab sofort zugänglich. solchen Werk zeigt, wie Grundlagenfor- mittels der sogenannten Finite-Elemente- » www.fwf.ac.at/de/public_relations/ schung die tägliche Anwendung gezielt Methode analysiert und mögliche indivi- press/pv201205-de.html unterstützen kann. duelle Optimierungen berechnet. Das » www.fwf.ac.at/de/public_relations/ Projekt zeigt beispielhaft den akuten Nut- press/pv201206-de.html zen von Forschungsergebnissen aus dem Translational-Research-Programm, das mit dem 2. Quartal 2012 eingestellt wurde. » www.fwf.ac.at/de/public_relations/ press/pv201204-de.html arl Entacher, Petra Greger, iStockphoto Greger, Petra © K arl Entacher,

04 »FWFinfo81 Brief des Präsidenten

» Die Entscheidung, die Finanzierung des Translational-Research- Programms zu beenden, war eine politische Entscheidung, die sich inhaltlich nicht rechtfertigen lässt. Schade. « Christoph Kratky, Präsident des FWF

Good News and Bad News

» Das Gute wie immer zuerst: Vor ziemlich großspurig, was nicht unbeabsich- Und nun das weniger Gute: Heuer findet wenigen Wochen wurden die heu- tigt ist. Wir meinen tatsächlich, dass der die letzte Ausschreibung des Translatio- rigen START- und Wittgenstein- FWF für das österreichische Wissenschafts- nal-Research-Programms statt. Das Infra- Preise ausgewählt und bekannt gegeben. system eine Katalysatorfunktion hat. Zwei strukturministerium BMVIT hat beschlos- Wie Sie sicher wissen, wird das Programm Beispiele: Betrachtet man den Erfolg von in sen, zukünftig keine FWF-Programme vom Budget des Wissenschaftsministeriums Österreich tätigen Wissenschafterinnen mehr zu finanzieren, angeblich aus Geld- finanziert und vom FWF abgewickelt, wobei und Wissenschaftern bei der Einwerbung mangel. Das beendet die Agonie eines Pro- wir – gemäß der Bedeutung dieses Pro- von ERC-Grants, so kann man auf eine er- gramms, dessen letzte Ausschreibung mit gramms – die Entscheidung über die Preis- freuliche Bilanz verweisen (erfreulich heißt einem Finanzvolumen von 3 Mio. € und trägerinnen und Preisträger einer internatio- natürlich nicht, dass man sich selbstzufrie- engen thematischen Einschränkungen nur nal besetzten hochkarätigen Jury aus Vertre- den zurücklehnen kann – es gibt immer mehr ein Schatten früheren Glanzes dar- terinnen und Vertretern der verschiedenen noch Raum nach oben). 69 Wissenschafte- stellt. Dabei hat die im vorletzten Jahr Wissenschaftsdisziplinen überlassen (den rinnen und Wissenschafter forschen derzeit durch das BMVIT veranlasste Evaluation Vorsitz führt der Altphilologe Jan Ziolkowski in Österreich mit einem ERC-Grant, 53 da- des Brückenschlag-Programms (www.fwf. von der Harvard University). Als Präsident von haben ihre wissenschaftliche Karriere ac.at/de/downloads/pdf/programmevaluie- des FWF nehme ich an den Sitzungen der im Wesentlichen in Österreich absolviert. rung-bridge.pdf) ein hervorragendes Er- Jury nicht teil, ich hatte aber Gelegenheit, Drei Viertel dieser „Home-grown“-For- gebnis geliefert („Aus der Evaluierung die Hearings der Kandidatinnen und Kandi- schenden haben eine FWF-Vergangenheit. folgt dementsprechend die Empfehlung, daten um die START-Preise mitzuerleben. Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Jahren das Programm in seiner derzeitigen Aus- Unglaublich, diese Leistungsdichte! Was das wurde unser Schrödinger-Programm – richtung fortzusetzen“). Die Entscheidung, „Angebot“ hervorragend qualifizierter Jung- durch welches Nachwuchsforschenden ein die Finanzierung des Programms zu been- forschenden betrifft, so müssen wir uns in Auslandsaufenthalt finanziert wird – evalu- den, war eine politische Entscheidung, die Österreich keine Sorgen machen. iert. Im Evaluationsbericht findet sich der sich inhaltlich nicht rechtfertigen lässt. Satz „This analysis shows that more than Schade. Dieses Heft ist unter anderem der Rolle des 50 % of the researchers that have received FWF für das österreichische Wissenschafts- a Schrödinger grant at least 15 years ago, system gewidmet, unter dem Motto „Ka- have become a full professor since then.“ derschmiede FWF“. Das klingt natürlich Nicht übel, oder?

FWFinfo81» 05

Kaderschmiede FWF Seit seiner Gründung 1967 ist es die zentrale Aufgabe des Wissenschafts- fonds, wissenschaftliche Qualität zu identifizieren und zu fördern. ­Allein in den letzten 30 Jahren wurden fast 20.000 Projekte mit einem Volumen von rund 2,5 Mrd. € gefördert. Dies hat den FWF zu einer in der nationalen wie internationalen Scientific Community anerkannten Förderungs­ organisation – Stichwort: Qualitätsfilter – werden lassen. Gleichzeitig erhalten Wissenschafterinnen und Wissenschafter ein Qualitätssiegel für sich und ihre bewilligten Forschungsvorhaben, welches beachtet wird und anerkannt ist. Text: Marc Seumenicht Thema » Kaderschmiede FWF

» Wissenschaftliche Erkenntnisse Österreich ist mit seinem breiten Pro- Ländern rund um den Globus. Die Aus- „made in “ werden weltweit grammspektrum vom Beginn der wissen- wahl orientiert sich dabei an internationa- genutzt, in Österreich tätige Spitzen- schaftlichen Karriere an ein kompetenter len wissenschaftlichen Stärkefeldern. Wie forscherinnen und Spitzenforscher sind in Wegbereiter und Wegbegleiter. „FWF-­ in der wissenschaftlichen Forschung inter- der ganzen Welt gefragt. Im Wettbewerb um gefördert“ gilt mittlerweile national wie national üblich, arbeiten die Gutachte- Förderungsgelder spielt Österreich auch auf international für ein wissenschaftliches rinnen und Gutachter unentgeltlich für den europäischer Bühne erfolgreich mit. In der Projekt als Qualitätssiegel. Der Ruf, eine FWF. Das einzige Kriterium, welches die ERC-Erfolgsstatistik liegt man an guter sie- „Kaderschmiede“ für zukünftige Spitzen- Gutachterinnen und Gutachter für den benter Stelle (Grants nach Bevölkerung), forscherinnen und Spitzenforscher zu sein, FWF beurteilen – und somit zentraler Kern noch vor Ländern wie Finnland, eilt dem FWF voraus. jeder Förderungsentscheidung –, ist die Deutschland und Frankreich. wissenschaftliche Qualität. Auch an wiss­en­ Qualitätsfilter FWF scha­ ftlichem­ Na­ Der FWF greift seit seiner Gründung 1967 Mit Hilfe der internationalen Gutachten kann chwuchs­ man­­ auf ein Peer-Review-System zurück, um das Kuratorium des Wissenschaftsfonds – gelt es nicht. Ös- Anträge von Wissenschafterinnen und bestehend aus 54 nationalen, anerkannten terreich hat, was Wissenschaftern zu beurteilen. Anfangs Wissenschafterinnen und Wissenschaftern die Wissenschaft angeht, aus- noch vermehrt aus dem deutschsprachigen verschiedener Fachdisziplinen – jene Pro- reichend Potenzial. Raum kommend, hat sich das Peer-Re- jekte identifizieren, die den strengen Quali- view-Verfahren beim FWF seit Mitte der tätskriterien des FWF entsprechen. Die vom Diese international gefragte 1990er Jahre stark internationalisiert. Seit FWF vergebenen Fördermittel sind damit – wissenschaftliche Qualität gilt der Jahrtausendwende verwendet der FWF bei einem Bewilligungsvolumen 2011 von es zu identifizieren und zu för- ausschließlich Gutachten von im Ausland 195,2 Mio. € und über 4.900 eingeholten dern, ihre Masterminds gilt es tätigen Expertinnen und Experten, der An- Gutachten – mit größter Sorgfalt maximal im Land zu halten bzw. ins teil an Gutachten aus dem nicht-deutsch- qualitätsgesichert. Dass ein hoher Prozent- Land zu holen sowie dafür zu sprachigen Raum liegt mittlerweile bei satz zumeist auch international reüssieren sorgen, dass sie Österreich rund 80 %. Gutachten aus Deutschland kann, ist ein weiterer Beweis für die Treffsi- verbunden bleiben. und der Schweiz gehen seit Jahren konti- cherheit dieses Verfahrens. Der FWF als die zentrale nuierlich zurück und lagen zuletzt bei un- Förderungsagentur für die ter 20 %. Insgesamt kamen die Gutachten Aufbau des wissenschaftlichen Potenzials

Grundlagenforschung in des Jahres 2011 aus 56 verschiedenen Die vom FWF vergebenen Mittel werden © iStockphoto

08 »FWFinfo81 Thema » Kaderschmiede FWF

zu einem überwiegenden Teil (rund 80 %) folgreich vom FWF eingeworbenen Kofinan- den Spezialforschungsbereichen möglich, für Personalkosten – also die Anstellung zierung bei der EU ist eine bis zu einjährige während Doktoratskollegs die nächste Gene- vor allem junger Wissenschafterinnen und Rückkehrphase nach Österreich möglich. ration an Spitzenforscherinnen und Spitzen- Wissenschafter – eingesetzt. Der FWF forschern hervorbringen sollen. Einen Über- strebt mit seinem Programmspektrum ei- Für Wissenschafterinnen gibt es vom FWF blick über sämtliche FWF-Programme ver- nen qualitativen wie quantitativen Ausbau spezielle Karriereentwicklungsprogramme, schafft man sich am besten auf der Website des österreichischen Forschungspotenzi- die insgesamt sechs Jahre in Anspruch ge- des FWF unter www.fwf.ac.at. als an – gemäß dem Prinzip „Ausbildung nommen werden können. Die sog. Einzel- durch Forschung“. Die über 3.500 Wissen- projekte stehen als ältestes, größtes und fle- Internationaler Kontext schafterinnen und Wissenschafter, die zur- xibelstes Programm des FWF – als Rückgrat Forschungsförderung ist – so wie die For- zeit vom FWF finanziert werden, sind ein der Forschungsfinanzierung Marke FWF – schung selbst – heutzutage hochgradig ver- eindrucksvoller Beleg dafür. allen Wissenschafterinnen und Wissenschaf- netzt und international. Auch der FWF pflegt tern offen. Für junge Spitzenforscherinnen in Europa und der ganzen Welt zahlreiche Kaderschmiede FWF Der FWF ist bestrebt, den Einstieg in eine wissenschaftliche Karriere von Anbeginn zu unterstützen. Bereits während des Studiums » Dass ein hoher Prozentsatz der geförderten ist eine Mitarbeit in einem FWF-Projekt mög- Projekte zumeist auch international reüssieren lich. Im Zuge der Dissertation gibt es die Möglichkeit einer Doktorandenstelle in einem kann, ist ein Beweis für die Treffsicherheit FWF-geförderten Projekt bzw. optimalerwei- dieses Verfahrens. « se in einem FWF-Doktoratskolleg. Nach der Dissertation „öffnet“ sich dann das weite Spektrum des FWF-Programmangebots für und Spitzenforscher bietet der FWF mit dem Kooperationen, mit dem vorrangigen Ziel, die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. START-Programm ­eine attraktive Möglich- österreichischen Wissenschafterinnen und Ein angestrebter Forschungsaufenthalt im keit, auf längere Sicht und finanziell mit bis Wissenschaftern Zugang zu internationalen Ausland, wie ihn der Wissenschaftsfonds al- zu 1,2 Mio. € weitgehend abgesichert, For- „wissenschaftlichen Märkten“ zu eröffnen. len jungen Forscherinnen und Forschern schungsarbeiten auf höchstem Niveau zu empfiehlt,­ kann mit einem FWF-Schrödinger- planen und durchzuführen. Besonders an- Der FWF ist aber auch bestrebt, Wissen- Stipendium realisiert werden. Dank einer er- spruchsvolle Netzwerkbildungen sind mit schafterinnen und Wissenschafter zu ani- »

FWFinfo81» 09 Thema » Kaderschmiede FWF

» mieren, sich dem internationalen Erfolge beim ERC Grant Record – ein stichhaltiger wie eindrucks- Wettbewerb zu stellen und sich dort Die vom European Research Council verge- voller Beweis für die internationale Konkur- zu bewähren. Nach Einführung der benen Starting Grants durchlaufen eben- renzfähigkeit von „Spitzenforschung fun- sog. Starting Grants – dem europäischen falls ein internationales Peer-Review-Ver- ded by FWF“. Alles in allem liegt Österreich Pendant zum FWF-START-Programm – fahren. Zuletzt lag die ERC-Erfolgsquote in der ERC-Erfolgsstatistik – gemessen an durch den European Research Council (ERC) bei 12 % und ist somit ähnlich kompetitiv Grants pro Millionen Einwohner – an guter im Jahr 2007 hat sich der FWF entschlossen, wie beim START-Programm des FWF siebenter Stelle. FWF-START-Antragstellerinnen und -Antrag- (14 %). Insgesamt kann seit Einführung steller zu verpflichten, ihre Projektideen auch der Starting Grants im Jahr 2007 auf eine Man kann also in Österreich durchaus er- beim ERC einzureichen. Erhält die Wissen- sehr erfolgreiche Beteiligung von österrei- freut sein; zufrieden sein darf man aber schafterin oder der Wissenschafter dann den chischen Wissenschafterinnen und Wissen- nicht. Zu groß ist noch der Abstand zu den ERC-Starting-Grant, muss sie/er das FWF- schaftern im Allgemeinen und solchen mit führenden Forschungsnationen. Bei den START-Projekt zurücklegen. Mittlerweile einem FWF-Track-Record im Speziellen Ausgaben für Grundlagenforschung (ge- messen an der Bevölkerung) beispielsweise trennt Österreich und den Spitzenreiter » Der leider immer noch zeitweise Schweiz der Faktor 3,5. Auch der leider im- geäußerte ­Gedanke, man könnte die Förderung mer noch zeitweise geäußerte Gedanke, man könnte die Förderung der Grundlagen- der ­Grundlagenforschung der EU überlassen, forschung der EU überlassen, hätte fatale hätte fatale Folgen. « Folgen. Die Erfolgsstatistiken beim ERC zeigen klar und unmissverständlich, dass Nationen mit einer starken nationalen För- konnten 13 START-Projektleiterinnen und verwiesen werden. Zurzeit forschen 69 Wis- derung von Grundlagenforschung zugleich -Projektleiter bei den ERC Grants reüssieren, senschafterinnen und Wissenschafter mit die stärksten Nationen beim ERC sind. ein eindrucksvoller Beweis für die von der einem ERC Grant in Österreich. 53 können internationalen START-/Wittgenstein-Jury auf eine wissenschaftliche Karriere in Worte in Österreich identifizierte wissenschaftliche Qualität. Ein Österreich zurückblicken, 39 von ihnen, also Mit seinem derzeitigen Ranking in der dabei nicht zu vernachlässigender Nebenef- rund drei Viertel, haben eine FWF-Vergan- ERC-Statistik kann Österreich einen be- fekt: Die so frei werdenden Mittel vergrößern genheit. Annähernd 200 FWF-Projekte aus achtlichen Erfolg verbuchen, liegt man

den „Budgettopf“ für das START-Programm. allen Programmen belegen den FWF-Track- doch vor klassischen Benchmark-Ländern © iStockphoto

10 »FWFinfo81 Thema » Kaderschmiede FWF

» Alles in allem liegt Österreich in der ERC-Erfolgsstatistik – gemessen an Grants pro Millionen Einwohner – an guter siebenter Stelle. «

wie Finnland und Norwegen, aber auch Gesamtvolumen von rund 80 Mrd. € ist vor Deutschland, Frankreich und Irland. für Forschung ein gut 50 % höheres Bud- Um weiter in dieser „Liga“ mitspielen zu get als zuvor vorgesehen, eine Budgetstei- wollen, sind Investitionen in die nationale gerung, von der manch nationaler For- (Grundlagen-)Forschung über den FWF schungsförderer nur träumen kann. unerlässlich. Mit seinem gedeckelten Bud- get (bis 2013) und den in Aussicht gestell- Konzipiert ist Horizon 2020 als umfas- ten moderaten Steigerungen für 2014/15 sender Ansatz zur Finanzierung von For- läuft Österreich allerdings Gefahr, an Mo- schung und Innovation in Europa, der alle mentum zu verlieren. Aktivitäten des bisherigen Rahmenpro- gramms, des Competitiveness and Innova- Folgt man der von zahlreichen österrei- tion Frameworks (CIP) und des European Fazit chischen politischen Entscheidungsträgern Institute of Innovation and Technology Die Wissenschaft in Österreich hat Poten- geäußerten Bestrebung, die heimische Scien- (EIT) kombiniert. Die Verwirklichung des zial, ist international gefragt und aner- tific Community zu den Innovation Leaders Europäischen Forschungsraums, mit all kannt. Der FWF als Kaderschmiede der aufschließen zu lassen, so wäre eine beträcht- seinen flankierenden Maßnahmen wie nächsten Generation an Spitzenforsche- liche Steigerung der Investitionen in die Joint Programming oder der European Re- rinnen und Spitzenforschern kann dabei Grundlagenforschung und des FWF als sei- search Infrastructure Roadmap, ist nach eine zentrale Unterstützung liefern, die nen zentralen Förderer notwendig, was eines wie vor ein Eckpunkt der Strategie der Eu- nötige budgetäre Basis vorausgesetzt. nicht minder beträchtlichen politischen Kraft- ropäischen Kommission. Auch der Weg zu den Innovation Leaders aktes bedürfte. Bedauerlicherweise besteht steht offen, bedarf aber konkreter Taten der breite politische Konsens zurzeit nur in Der für die Finanzierung von Grundlagenfor- der österreichischen Politik. Diskussionen und Ankündigungen, konkrete schung zuständige European Research Coun- Taten lassen auf sich warten. cil (ERC), der auf ähnlichen Prinzipien wie Mit Hilfe einer starken, FWF-geförderten der FWF aufbaut, wurde als überzeugendes heimischen Forschungscommunity könnte Taten in Europa Erfolgsprogramm eingestuft und soll im Rah- Österreich auch in Zukunft wieder her- Auf europäischer Ebene wurde mit Horizon men von Horizon 2020 um fast 77 % (auf zeigbare Erfolge bei den ERC Grants ein- 2020, der Folgeaktivität zum 7. Rahmenpro- über 13 Mrd. €) aufgestockt werden. Die fahren und das Qualitätssiegel „Forschung gramm, ein deutliches Zeichen pro For- Kommission weitet damit ihr Engagement für made in Austria, funded by FWF“ weiter schung & Entwicklung gesetzt. Mit einem die Grundlagenforschung bedeutend aus. etablieren. «

FWFinfo81» 11 FOKUS » Stawi 2012

Exzellenz9

Bereits zum 17. Mal wurden heuer die START- und Wittgenstein-Auszeichnungen vergeben und der Kreis der im Rahmen dieser Programme prämierten Wissenschafterinnen und Wissenschafter wurde um neun Personen erweitert. Die Wittgenstein-Preise 2012 gehen an Thomas A. Henzinger, Präsident des IST Austria, sowie an Niyazi Serdar Sariciftci, Professor für Physikalische Chemie an der Johannes Kepler Universität Linz. Text: Stefan Bernhardt

Thomas A. Henzinger

Thomas A. Henzinger, geboren 1962 in Linz, promovierte im Jahr zur Modellierung und Analyse diskreter dynamischer Systeme. 1991 an der Stanford University im Fach Computerwissen- Besonders schwierig – und wissenschaftlich besonders interes- schaften, ging danach als Postdoc an die Université Joseph Fourier sant – sind Softwaresys­teme, die aus vielen miteinander kommu- in Grenoble, um ab 1996 – nach zunächst vier Jahren an der Cor- nizierenden Teilen bestehen. Eine weitere Herausforderung stellt nell University – eine steile Karriere an der University of Califor- sich bei Software, die zur Steuerung von kritischen – oft lebens- nia in Berkeley zu machen. Diese überaus prägende Zeit in den wichtigen – Prozessen eingesetzt wird, wie dies in jedem Kraft- USA wurde in den Jahren 1999–2000 durch seine Tätigkeit als fahrzeug und Herzschrittmacher der Fall ist. Thomas Henzinger Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken und sein Team haben seit über zehn Jahren grundlegende unterbrochen. Im Jahr 2004 kehrte Thomas A. Henzinger nach mathematische Modelle für Prozesssteuerungssoftware erarbeitet. Europa zurück und wurde Professor an der EPFL, Lausanne in Am IST Austria sollen mathematische Methoden zur Software- der Schweiz, blieb aber bis 2011 Adjunct Professor an der Uni- versity of California in Berkeley. Im Jahr 2009 übernahm Thomas A. Henzinger schließlich das Amt des Präsidenten des IST Austria in Klosterneuburg bei Wien. Dreh- und Angelpunkt der wissen- schaftlichen Arbeit von Thomas A. Diskrete dynamische Systeme Seit Beginn seiner wissenschaftlichen Ar- Henzinger ist die Entwicklung algo- beit hat sich Thomas A. Henzinger Frage- rithmischer Methoden, die die Zuver- stellungen in den Computerwissen- schaften gewidmet, die für ihn Charakte- lässigkeit von Software verbessern. ristika der Mathematik mit jenen der In- genieurswissenschaften verbinden. Dreh- und Angelpunkt seiner Arbeit ist die Ent- modellierung auch interdisziplinär weiterentwickelt werden, um wicklung algorithmischer Methoden, die zur Analyse von Prozessen in lebenden Zellen und Organen ein- die Zuverlässigkeit von Software ver- gesetzt werden zu können. Das ultimative Ziel dieser Forschung bessern. Die Methoden beru- ist, einen vollständigen Organismus in Software abzubilden. Der hen auf formaler Logik und Wittgenstein-Preis ermöglicht es, weitere Schritte in diese Rich- mathematischen Theorien tung zu setzen. © FWF Fokus » Stawi 2012

» Wissenschafts- und Forschungsmi- fügung stehen. „Die ausgezeichneten Wissen- geprägt zu haben, in der Qualitätsorientie- nister Karlheinz Töchterle und FWF- schafterinnen und Wissenschafter überzeu- rung und das Einwerben von Drittmitteln wis- Präsident Christoph Kratky gaben im gen durch ihre Exzellenz und sind eine her- senschaftliche Tugenden darstellen. Unsere Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz vorragende Visitenkarte für den Wissen- Prinzipien materialisieren sich in den beiden am 12. Juni die diesjährigen Wittgenstein- schafts- und Forschungsstandort Österreich, Programmen, Wittgenstein-Preis und START- Preisträger sowie die sieben neu in das der – wie man an den unterschiedlichen Diszi- Programm, auf besonders klare Weise und START-Programm aufgenommenen Nach- plinen sieht – in großer Breite seine Stärke- darauf sind wir sehr stolz“, erklärte Christoph wuchswissenschafterinnen und -wissenschaf- felder vorzuweisen hat“, gratulierte Wissen- Kratky, Präsident des Wissenschaftsfonds. ter bekannt. Insgesamt werden in den kom- schafts- und Forschungsminister Karlheinz Sowohl das START-Programm als auch der menden fünf bzw. sechs Jahren den neun For- Töchterle allen Preisträgerinnen und Preisträ- Wittgenstein-Preis sind für alle wissenschaft- scherinnen und Forschern rund 11,5 Mio. € gern. „Der FWF darf für sich in Anspruch neh- lichen Disziplinen offen. Beide Programme für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zur Ver- men, in Österreich eine Kultur wesentlich werden seit 1996 durchgeführt. «

Niyazi Serdar Sariciftci

Niyazi Serdar Sariciftci, geboren 1961 in Konya, Türkei, ist Professor Er hat im Gebiet der organischen Solarzellen mit der Entdeckung für Physikalische Chemie an der Johannes Kepler Universität Linz der lichtinduzierten Elektronenübergänge in p-konjugierten orga- und leitet seit dessen Gründung das Institut für Organische Solarzel- nischen Halbleiterpolymeren und Fullerenen im Jahre 1992 Bahn- len (LIOS) an der JKU. Sariciftcis erste große Liebe gehörte nicht der brechendes geleistet. Sariciftci war der Erste, der die sogenannten Wissenschaft, sondern der Musik. Bereits im Alter von neun Jahren Bulk-Heterojunction-Polymersolarzellen beschrieb. Aber nicht nur studierte er klassische Musik am Musik-Konservatorium sowie am das: Bereits zu Beginn dieser Forschung im Jahr 1992 wurden zwei verschiedene Arten von Polymersolarzellen realisiert: a) Zwei- schichtsolarzellen mit Dünnschichten von organischen Donatoren Im Zentrum von Sariciftcis und Akzeptoren und b) Bulk-Heterojunction-Solarzellen, die aus Forschung stehen „organische einer Mischung von organischen Donatoren und Akzeptoren beste- hen. Niyazi Serdar Sariciftci arbeitet heute mit neuen Konzepten Halbleiter“. Er hat auf diesem Gebiet und Ideen weiterhin auf dem Gebiet der organischen Solarzellen, Bahnbrechendes geleistet. um innovative Architekturen und Methoden mit neuen und bio-ab- baubaren Materialien zu entwerfen. Eine neue Perspektive in Sari- ciftcis Forschung stellt die chemische Energieum- Österreichischen St. Georgs-Kolleg in Istanbul. Von 1980 bis 1986 wandlung und Energiespeicherung mit Koh- absolvierte er das Diplomstudium der Physik an der Universität lenwasserstoffen dar, die Probleme der Ener- Wien, promovierte ebenda im Jahr 1989 und ging daran anschlie- giespeicherung von Solarenergie einerseits

ßend für zwei Jahre als Postdoc an das 2. Physikalische Institut der und CO2-Emissionen andererseits gleichzei- Universität Stuttgart. Ab 1992 war Niyazi Serdar Sariciftci für vier tig lösen kann. Die Zuerkennung des Witt- Jahre Senior Research Associate am Institute for Polymers & Organic genstein-Preises an Niyazi Serdar Sarici- Solids der University of California in Santa Barbara beim späteren ftci und seine Arbeitsgruppe wird die Nobelpreisträger Alan Heeger. 1996 schließlich folgte er dem Ruf als Möglichkeit eröffnen, in Zukunft diese ordentlicher Professor für Physikalische Chemie an die Johannes neue Forschungsrichtung des „CO2-Recy- Kepler Universität in Linz. cling in chemische Brennstoffe mit Solare- nergie” aufzumachen und zu einer neu- Bulk-Heterojunction-Polymersolarzellen en Forschungskompetenz in Im Zentrum von Sariciftcis Forschung stehen „organische Halbleiter“. Österreich auszubauen. FOKUS » Stawi 2012

Die Neuen im START-Programm

Neben dem Wittgenstein-Preis wurden sieben Spitzen- Nachwuchsforscherinnen und -Nachwuchsforscher aus 54 Bewerbungen in das START-Programm aufgenommen.

Kaan BOZTUG „Integrative Genetik kongenitaler Defekte der angeborenen Immunität“ Julia BUDKA ÖAW; Research Center for Molecular Medicine – CeMM „Im Spannungsfeld antiker Grenzen und Kulturen“

Gegenwärtig: Institut für Ägyptologie, Universität Wien Forschungsstätte für das Projekt: ÖAW, Kommission für Ägypten und Levante Alexander DAMMERMANN „Molekulare Analyse der Struktur und Funktion von Zentriolen“

Max F. Perutz Laboratories, Universität Wien

Jürgen HAUER „Zweidimensionale Laserspektros­­ kopie­ von natürlichen Lichtsammelkomplexen“

Gegenwärtig: Fakultät für Physik, Universität Wien Forschungsstätte für das Projekt: TU Wien, Institut für Photonik Michael KIRCHLER „Markteffizienz und Finanzmarkt­ regulierung – Ein experimenteller Ansatz“ Institut für Banken und Finanzen, Universität Innsbruck

Sofia KANTOROVICH „Skalenübergreifende Theorie und Modellierung dipolarer weicher Materie“

Gegenwärtig: Ural Federal University, Jekaterinburg; Franz SCHUSTER Sapienza University of Rome; Forschungsstätte für das „Isoperimetrische Ungleichungen Projekt: Fakultät für Physik, Universität Wien und Integralgeometrie“ Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie, Technische Universität Wien © FWF

14 »FWFinfo81info75 Fokus » Stawi 2012

Die Internationale START-/Wittgenstein-Jury

Name Institut/Forschungsstätte Wissenschaftsdisziplin

Life Sciences CROCE Carlo Human Cancer Genetics Program Biochemie, Molekularbiologie, Immunologie Ohio State University und Medizinische Genetik, Molekulare Virologie FEARON Douglas T. Wellcome Trust Immunology Unit Klinische Medizin-Immunologie University of Cambridge School of Clinical Medicine RAPP Ulf R. Lund Institute of Technology Biochemie, Molekularbiologie Lund University, Schweden SCHACHNER Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung CAMARTIN Melitta Bad Nauheim Neurowissenschaft SOLTIS Pamela Universität Hamburg, Fachbereich Medizin Molekularbiologie und molekulare Systematik, Zentrum für Molekulare Neurobiologie Evolutionsgenetik Institut für Biosynthese Neuraler Strukturen

Humanities and Social Sciences GREENHALGH Department of Anthropology, Susan Harvard University Anthropologie NIJKAMP Faculty of Economics and Business Administration, Peter Free University of Amsterdam Wirtschaftswissen­schaften ZIOLKOWSKI Department of the Classics Vergleichende Literatur- und Jan L. (CHAIR) Harvard University Sprachwissenschaften

Natural and Technical Sciences HACKBUSCH Wolfgang Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften Leipzig Mathematik JARLSKOG Cecilia Department of Mathematical Physics Lund Institute of Technology / Lund University Theoretische Physik KLITZING Klaus von Max Planck Gesellschaft Experimentelle Physik Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart NAYFEH Ali H. Department of Engineering Science & Mechanics, Blacksburg Ingenieurwissenschaften, Mechanik ROLLAND Colette Centre de Recherche en Informatique Informatik Université Paris1 Panthéon Sorbonne REBEK JR Julius Skaggs Institute for Chemical Biology and Chemie Professor, Department of Chemistry The Scripps Research Institute

START 2012 Wittgenstein-Preis Die START-Auszeichnung ist die höchst- Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs scheidungsvorschlag – basierend auf Fach- dotierte und anerkannteste Förderung für höchst­dotierter und prestigeträchtigster gutachten ausländischer Expertinnen und Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchs- Wissenschaftspreis, der seit 1996 durch den Experten – wurde von der Internationalen forscher, die aufgrund ihrer bisher geleis­ FWF vergeben wird. Wittgenstein-Preisträ- START-/Wittgenstein-Jury zusammengestellt. teten wissenschaftlichen Arbeit die Chan- gerinnen und -Preisträger stehen für wis- Die Jury setzt sich aus renommierten Wissen- ce erhalten sollen, in den nächsten sechs senschaftliche Forschungsarbeiten bis zu schafterinnen und Wissenschaftern aus dem Jahren finanziell weitgehend abgesichert 1,5 Mio. € für die Dauer von fünf Jahren zur Ausland zusammen, um eine bestmögliche ihre Forschungsarbeiten zu planen und Verfügung. Der Wittgenstein-Preis ist ein Objektivierung der Entscheidung sicherzu- eine eigene Arbeitsgruppe auf- bzw. aus- sogenannter „Dry Prize“, das heißt, die stellen. Die Jury tagte Ende letzter Woche un- zubauen. Nach drei Jahren haben sie sich Gelder stehen ausschließlich für die inten- ter der Vorsitzführung von Jan Ziolkowski, einer Zwischenevaluierung zu stellen. Die dierte Forschung und hier insbesondere für Professor für Latein des Mittelalters und Di- START-Projekte sind mit jeweils bis zu die Anstellung junger Wissenschafterinnen rektor der Dumbarton Oaks Research Library 1,2 Mio. € dotiert. « und Wissenschafter zur Verfügung. Der Ent- and Collection der Harvard University. «

FWFinfo81» 15 FOKUS » Evaluierung Frauenprogramme

Um Karrierechancen von Frauen in der Forschung zu fördern, hat der FWF mit dem zweistufigen Karriereentwicklungsprogramm für Wissenschafterinnen – „Hertha Firnberg“ und „Elise Richter“ – ein treff­sicheres und wirksames Instrument: Dies bestätigt die erst kürzlich erschienene, vom BMWF beauf- tragte Evaluierung der Frauenprogramme. Text: Barbara Zimmermann

Kursbestätigung

» Nach wie vor ist die Anzahl von zu forschen sowie die Möglichkeit zu leh- Seit dem Jahr 2000 werden jährlich zweitä- Frauen im Wissenschaftssystem un- ren bietet, sehr zufrieden. gige Workshops organisiert, zu denen alle genügend. Gesellschaftsordnungen Hauptkritikpunkt aber war die kurze Förde- Stelleninhaberinnen im Karriereentwick- und soziale Rahmenbedingungen können rungsdauer ohne Verlängerungsmöglich- lungsprogramm eingeladen werden. Ziel ist durch Förderungsorganisationen wie den keit. Zur Gestaltung des eingeforderten neben Coachingmaßnahmen der Erfah- FWF kaum beeinflusst werden; was der FWF „Folgeprogramms“ kamen viele konkrete rungsaustausch und die Netzwerkbildung jedoch tun kann, ist, Frauen optimale Rah- Ideen und Anregungen. Der lebendige Dia- der Stelleninhaberinnen. menbedingungen zu bieten und sie durch log mit den betroffenen Wissenschafte- Begleitmaßnahmen zu unterstützen – in der rinnen beeinflusste maßgeblich die Gestal- Die Evaluierung Hoffnung, dass eine Ausgangslage geschaf- tung des Elise-Richter-Programms, mit dem Da Frauenförderungsprogramme durchaus fen wird, die zu einer Veränderung des Wis- der FWF diesen dringlichsten Wunsch sei- kontroversiell wahrgenommen werden, senschaftssystems führt. ner „Kundinnen“ – die Möglichkeit zur war der FWF über die Initiative des BMWF Fortsetzung der Arbeiten nach der Firn- zur Evaluierung der Programme sehr froh. Ein kurzer historischer Rückblick berg-Stelle bis hin zur Habilitation – erfül- Im Frühjahr 2011 wurde die Firma conve- Im Juni 1998 veröffentlichte der FWF nach len konnte. Das Konzept eines bis zu sechs lop mit der Evaluierung beauftragt, die Er- einer intensiven Vorbereitungsphase mit Jahren laufenden Karriereentwicklungspro- gebnisse lagen im Herbst 2011 vor. Seit dem Wissenschaftsministerium die erste gramms für Wissenschafterinnen fand im Mai 2012 ist der vollständige Endbericht Ausschreibung des Hertha-Firnberg-Pro- Wissenschaftsministerium großen Anklang auf der Website des BMWF sowie des FWF gramms. Die damalige Motivation ist auch und konnte mit dessen Finanzierung 2005 einzusehen. heute noch aktuell: „Die Hertha-Firnberg- erstmals ausgeschrieben werden. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu ge- Nachwuchsstellen sind als Förderungsmaß- Im Wesentlichen setzte der FWF – neben langen, setzte man auf folgende Vorgangs- nahme ausschließlich für Frauen konzipiert der Finanzierung der wissenschaftlichen weise: die Analyse der Förderungskenn- mit der Zielsetzung, die wissenschaftlichen Arbeit – auf wirksame Begleitmaßnahmen, zahlen im FWF, den Vergleich mit ähn- Karrierechancen des weiblichen Nach- um Frauen den Einstieg und den Verbleib lichen Programmen in Deutschland und der wuchses zu erhöhen. Den Nachholbedarf in der Forschung zu erleichtern: Von Anbe- Schweiz unter Einbeziehung zweier Exper- der Frauen auf diesem Gebiet zeigen die ginn wurden die – seit jeher höchst kompe- tinnen aus diesen Ländern, eine Online-Be- statistischen Zahlen zu den in der Lehre tä- titiv vergebenen – Stellen feierlich verlie- fragung von Hertha-Firnberg- und Elise- tigen Frauen an Österreichs Universitäten.“ hen, und der FWF trägt viel dazu bei, die Richter-Stelleninhaberinnen sowie einer Der FWF war und ist stets am Feedback der Wissenschafterinnen und ihre Projekte Vergleichsgruppe von Antragstellerinnen, geförderten Wissenschafterinnen interes- durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit pu- deren Anträge abgelehnt wurden. Darüber siert: Eine Umfrage im Jahr 2004 unter Pro- blik zu machen. Heute sind das Hertha- hinaus führte man vertiefende Interviews jektleiterinnen, deren Projekte zu dem Zeit- Firnberg- und das Elise-Richter-Programm mit Stelleninhaberinnen, Mitantragstelle- punkt bereits abgeschlossen waren, ergab als „Marken“ bekannt; ebenso, dass nur rinnen und Mitantragstellern sowie Vize- ein sehr homogenes Stimmungsbild: Die höchste Qualität und Qualifikation zum Er- rektoraten. Schließlich wurde ein Workshop Forscherinnen waren mit der Gestaltung halt einer Firnberg-Stelle führen, was auch zur Reflexion der Ergebnisse mit den oben des Firnberg-Programms, welches ihnen die Evaluierungsergebnisse bestätigen. genannten Personengruppen veranstaltet, im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses Wie wichtig Netzwerkbildung gerade für um Optimierungspotenzial herauszufiltern.

an der Universität größtmögliche Freiheit Frauen ist, hat der FWF schon früh erkannt: Ausgangslage war der auch heute noch un- © Shutterstock

16 »FWFinfo81 terdurchschnittliche Frauenanteil im Wis- ellen Coachings erreicht. Zentrales Augen- sondere das Hertha-Firnberg-Programm senschaftssystem mit steigender Karriere- merk liegt zudem auf der Vereinbarkeit von hat in Österreich Alleinstellungsmerkmal. leiter. So beträgt der Anteil der Professo- Wissenschaft und Familie durch flexible Fazit: Insgesamt weisen die Programme rinnen ca. 20 %. Mit den Frauenprogram- Karenz- und Teilzeitbeschäftigungsmög- einen hohen Zielerreichungsgrad auf. men will der FWF die wissenschaftlichen lichkeiten. Abgerundet werden all ­diese Ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der Karrierechancen von Frauen verbessern Rahmenbedingungen durch intensive Öf- Befragung ergibt folgendes Bild: 95 % der und den Frauenanteil unter der Hochschul- fentlichkeitsarbeit und Awareness-Maßnah- Stelleninhaberinnen empfehlen die Pro- professorenschaft erhöhen. Die Antwort auf men wie öffentliche Verleihungen der Stel- gramme weiter. Finanzierungsrahmen und die Frage, ob dies mit dem Instrument eines len und Pressearbeit. Laufzeiten werden im Wesentlichen als pas- Frauenprogramms erreicht werden kann Die Ergebnisse der Evaluierung zeigen, send empfunden; Anstellungsverhältnis, bzw. ob dies noch zeitgemäß ist, sowie die dass dieses Förderungsdesign treffsicher­ Lehre sowie Mentoring sind gute Instru- Frage, ob die Begleitmaßnahmen die rich- sowie zielführend ist. Beide Programme mente und dem begleitenden Coaching tigen Instrumente zur Zielerreichung sind, sind sinnvoll und zeitgemäß, solange der wird – so es in Anspruch genommen wird – war zentrales Anliegen der Evaluierung. Das Förderungsdesign der Frauenpro- gramme setzt auf bewährte FWF-Karriere- » Heute sind das Hertha-Firnberg- und das Elise- faktoren: Allen voran steht – wie in allen FWF-Programmen – die wissenschaftliche Richter-Programm als „Marken“ bekannt; ebenso, Exzellenz. Auf der Umsetzungsseite findet dass nur höchste Qualität und Qualifikation zum man flexible Dienstverträge, projektspezi- fische Mittel sowie die Möglichkeit von Erhalt einer Firnberg-Stelle führen. « Auslandsaufenthalten. Strukturelle Integra- tion erfolgt durch die Möglichkeit zur Lehre Frauenanteil unter der Hochschulprofes- großer Wert zugeschrieben. Die flexible Pro- sowie durch Mentoring der Mitantragstelle- sorenschaft so gering ist. Design und Um- grammgestaltung ermöglicht eine gute Ver- rinnen und Mitantragsteller. Die wesent- setzung sind durchdacht und wirkungs- einbarkeit von Beruf und Familie. Letzteres lichen Faktoren Vernetzung und Coaching voll, die Programme sind etabliert, haben schlägt sich auch in Zahlen nieder: Der An- werden durch Workshops, Mentoring sowie einen hohen Bekanntheitsgrad und sind teil an Karenzunterbrechungen im Hertha- die Finanzierungsmöglichkeit von individu- als Exzellenzprogramme anerkannt. Insbe- Firnberg-Programm ist mit 21 % bei ab- »

FWFinfo81» 17 FOKUS » Evaluierung Frauenprogramme

» geschlossenen Stellen vergleichs- stützung durch Kollegenschaft/Mitantrag- Universitäten an Firnberg- und Richter- weise hoch. Trotz dieses hohen stellende/Vorgesetzte sowie die Integration Stellen beitragen würde. Anteils an Karenzunterbrechungen am Institut sowohl in fachlicher als auch in Der größte Handlungsbedarf besteht laut steht jedoch beim Verbleib in der Forschung sozialer Hinsicht wurden bemängelt. Evaluierung bei den aufnehmenden Institu- ein Wert von 87 % der Firnberg-Stelleninha- tionen. Den Empfehlungen des Berichts berinnen einem Wert von 9 % bei der Ver- Konsequenzen schließt sich der FWF an: Diese beziehen gleichsgruppe der abgelehnten Antragstelle- Der FWF nimmt die Anregungen zur Ver- sich auf einen flexiblen Umgang der For- rinnen gegenüber. Im Elise-Richter-Pro- besserung des Programmdesigns ernst und schungsstätten mit Kettenvertragsrege- gramm sind es sogar 100 % versus 78 %. überlegt, ob Begleitmaßnahmen wie Coa- lungen, die Überbrückung von Finanzie- Auch der Anteil unbefristeter Stellen nach chings oder Kinderpauschalen ausgeweitet rungslücken sowie die Berücksichtigung der Leistung der Stelleninhaberinnen bei Laufbahnstellenvergaben. » Zentrales Augenmerk liegt auf der Vereinbarkeit­ von Wissenschaft und Familie durch flexible Karenz- Der FWF kann als Förderungsorganisati- on Instrumente zur Verfügung stellen und und Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten. « tut dies – laut Evaluierung – auch best- möglich. Aber auch die Forschungsstät- ten sind gefordert. International wettbe- Absolvierung des Firnberg-Programmes werden können. Ebenso wird eine Erhö- werbsfähige Forschung kann an einer steigt auf 35 % (versus 15 %). hung der zusätzlichen Mittel v. a. im Elise- Universität nur dann stattfinden, wenn So positiv nun Förderungsdesign und Um- Richter-Programm angedacht. auch die notwendigen Humanressourcen setzung der Programme bewertet werden, Mit aller Kraft wird sich der FWF neuerlich vorhanden sind. Die vom FWF geför- so problematisch wird die nachhaltige In- beim BMWF dafür einsetzen, dass auch für derten Wissenschafterinnen haben ein tegration an den Forschungsstätten von die Frauenprogramme Overhead­zahlungen „Qualitätssiegel“, die aufnehmenden Ins­ den Stelleninhaberinnen empfunden. Bei ­finanziert werden, da gerade dieser finanzi- titutionen sind gefragt, dieses wissen- der Frage zur Entwicklung der ursprüng- elle Anreiz wesentlich zum Interesse der schaftliche Potenzial zu nutzen. « lichen Erwartungen der Stelleninhabe- rinnen wurden die Faktoren, die unmittel- bar wissenschaftliche Exzellenz betreffen, als besser denn erwartet eingeschätzt Hertha-Firnberg-Programm (konkret: gestiegene Karrierechancen, die www.fwf.ac.at/de/projects/firnberg.html eigene wissenschaftliche Entwicklung in- klusive Publikationstätigkeit, Integration Elise-Richter-Programm in internationale Netzwerke und Ausbau www.fwf.ac.at/de/projects/richter.html der öffentlichen Präsenz). Schlechter als erwartet lief die institutio- Elita – Evaluierung der Programme Elise-Richter und Hertha-Firnberg nelle Integration. Die persönliche Strategie- www.fwf.ac.at/de/downloads/pdf/elita.pdf

planung, nationale Netzwerke, die Unter- © Shutterstock, iStockphoto

18 »FWFinfo81 Fokus » NFN

Die Nationalen Forschungsnetzwerke (NFNs) gingen mit 2012 in den neuen Spezialforschungsbereichen (SFBs) auf – das info-Magazin berichtete ausführlich. Bei der letzten NFN-Entscheidung Ende 2011 musste bei einem länderübergreifenden Kooperationsprojekt das OK der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) abgewartet werden. Diese Entscheidung ist nun erfolgt. Text: Marc Seumenicht

Nationales Forschungsnetzwerk S117 Das „Geometry + Simulation“ Das NFN widmet sich der Zusammenarbeit der zwei, bisher zumeist getrennt letzte voneinander vorgehenden Wissenschaftsgebiete der angewandten Geometrie (insbesondere deren Teilgebiet Computer Aided Design), das sich mit Fragen der Größe und der Gestalt beschäftigt, und der numerischen Simulation, welches NFN Themen wie Diskretisierung und Approximationsmethoden sowie deren effiziente Umsetzung bearbeitet. In der gegenwärtig eingesetzten Technologie zur Simulati- » Das Nationale Forschungsnetz- on werden intrinsische geometrische Strukturen wie die gekrümmte Oberfläche werk (NFN) von Bert Jüttler am eines Objektes im Allgemeinen nicht erhalten, sondern nur approximiert. Institut für Angewandte Geome- trie der Universität Linz (S117) besteht Das NFN wird das vorhandene Innovationspotenzial ausloten und sich einigen aus vier österreichischen und einem deut- der Herausforderungen widmen, die durch die Zusammenarbeit der Scientific schen Teilprojekt und wurde im Rahmen Communities in den Gebieten der Geometrie und der Simulation entstehen. der 36. Kuratoriumssitzung des FWF im Praktisch relevante Probleme können durch einzelne Gruppen, die nur einer der Dezember 2011 positiv beurteilt. beiden Communities zugehörig sind, in der Regel nur unzureichend bearbeitet werden. Darüber hinaus befruchten sich die beiden Gebiete wechselseitig durch Das fünfte Teilprojekt ist auf Basis des Herausforderungen, welche die Forschung in neue Richtungen lenken. Das NFN Lead-Agency-Verfahren-Abkommens zwi- zielt auf ein koordiniertes Vorgehen zur Vernetzung der Expertise in beiden Ge- schen Deutschland, Österreich und der bieten, welches den „state of the art“ sowohl in theoretischer als auch in prak- Schweiz in das Nationale Forschungs- tischer Hinsicht voranbringen wird. netzwerk miteingebunden, die Finanzie- rung war auf Seiten der Deutschen For- Die Zusammenstellung des Teams für das geplante NFN wurde sorgfältig abge- schungsgemeinschaft (DFG) vorgesehen. stimmt, um einerseits die relevanten wissenschaftlichen Gebiete abzudecken und Die DFG trifft dabei eine entsprechende andererseits die existierenden Stärken und Kooperationen innerhalb der öster­ Entscheidung auf Basis der Begutachtung reichischen Forschungslandschaft zu berücksichtigen. durch den FWF, diese Entscheidung mus- ste auch nach der positiven Entscheidung Die sechs Projekte des NFN sind folgenden Themen gewidmet: des FWF abgewartet werden. Im DFG- » Mehrgittermethoden für isogeometric analysis Hauptausschuss im Jänner 2012 wurde » Nichtstetige Galerkin-Gebietszerlegungsmethoden in der isogeometric analysis das Projekt schlussendlich positiv beur- » Variationelle Methoden für Bildverarbeitung auf Mannigfaltigkeiten teilt und wird nun von der DFG finanziert » Geodätische Pfade im Raum der Shapes werden. Das Projekt von Bert Jüttler konn- » Statistische Musteranalyse für höherwertige Geometriebeschreibungen te schließlich Ende des ersten Quartals » Geometrische Modellierung für Numerische Simulation 2012 starten. «

FWFinfo81» 19 FOKUS » TRP

Schon Cicero stellte in den Philippischen Reden mit „errare humanum est“ treffend fest, dass es in der Natur des Menschen liegt, nicht immer die richtige Entscheidung zu treffen. Umso wichtiger ist es dann aber auch, seinen Fehler zu korrigieren. Denn, wie Cicero weiter ausführte, „sed in errare perseverare diabolicum“ – „aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch“. Eine Lese­ empfehlung an das BMVIT. Text: Marc Seumenicht Wider besseres Wissen

» Das Translational-Research-Pro- schung sei, ob hier eine Förderungslücke exi- wicklung von TRP nach 2009. Im sogenann- gramm (TRP) ist eine Erfolgsge- stiere. Die Antwort war rasch gegeben: Im er- ten „FWF-Krisenjahr“ fand anstelle der bis- schichte. Mit der zentralen Zielset- sten Jahr der Ausschreibung gab es eine fast lang zwei nur mehr eine Ausschreibung zung der Förderung von weiterführender zehnfache „Überzeichnung“. Dem mit statt. Die Folge war ein massiver Einbruch bzw. orientierter Grundlagenforschung an 4,5 Mio. € festgesetzten Budgetrahmen stan- der Bewilligungssumme von 12,4 Mio. € im der Schnittstelle zur angewandten For- den 44 Mio. € an Anträgen gegenüber. Jahr 2008 auf 3,6 Mio. € 2009. Im Jahr schung wurde das Programm im Jahr 2004 Programmdesign und -ausschreibung wur- 2010 folgte dann eine scheinbar leichte Er- vom FWF entwickelt und in der Folge unter den nach dem fulminanten Start weiter ver- holung in Richtung des 2008er-Niveaus, dem Dach der BRIDGE-Initiative gemein- bessert und ausgebaut, die „Förderungs- bei wiederum zwei Ausschreibungen stieg sam mit der Forschungsförderungsgesell- Brücke“ schien auf stabilen und sicheren das Bewilligungsniveau wieder auf schaft FFG koordiniert durchgeführt. Dass Fundamenten zu stehen. Im Rahmen einer 9,5 Mio. €. Die Krise schien überwunden. das Programm vom FWF bzw. von der FFG externen Evaluierung der BRIDGE-Initiative gemeinsam betreut werden sollte, war eine im Jahr 2008/09 wurde von den Autoren Im Jahr 2011 begann dann zur allgemeinen logische Folge der Expertise beider Organi- festgehalten, dass es gelungen war, ein Pro- Verwunderung das langsame Aushungern sationen in ihren jeweiligen Förderungsbe- gramm aufzusetzen, welches den deutlichen von TRP seitens des BMVIT: Obwohl sich reichen. Die Grundlagenforschung (TRP via Bedarf nach Unterstützung von angewandter die Life Sciences überaus erfolgreich im FWF) sowie die angewandte Forschung Grundlagenforschung befriedige. Der Wei- Programm behaupten konnten, wurde das (Brückenschlagprogramm via FFG) waren terentwicklung und Nutzbarmachung wis- Programm auf fünf Schwerpunktthemen somit strukturell in der Forschungsförde- senschaftlicher Erkenntnisse der Grundla- aus dem Bereich der Naturwissenschaften rung verbunden. Finanziert wurde das Pro- genforschung für zukünftige Anwendungen und Technik reduziert. Der Budgetrahmen gramm vom Bundesministerium für Ver- als klar definiertem Ziel der BRIDGE-Initiati- wurde weiter gesenkt, 2011 auf 5 Mio. €, kehr, Innovation und Technologie (BMVIT). ve werde zu 100 Prozent entsprochen. So- 2012 auf 3 Mio. €. Eine Finanzierung nach Nach 2012 wird das Translational-Re- wohl bei den beiden Förderungsorganisati- 2012 wird es seitens des Ministeriums nicht search-Programm selbst Geschichte sein. onen als auch bei ihrer Community ­etablierte mehr geben, das endgültige Ende für TRP sich das Programm rasch zu einem fixen wie ist politischer Wille des BMVIT. Fulminanter Start wichtigen Element. Zu Beginn der Initiative galt es auszuloten, Wo kein Wille, da kein Weg wie gefragt so eine Schnittstelle zwischen Langsames Ende Ein Prinzip in der Motivforschung lautet,

Grundlagenforschung und angewandter For- Umso bedauerlicher war die weitere Ent- den Anfängen von (negativen) Dynamiken © Shutterstock

20 »FWFinfo81 FOKUS » TRP

» Politische Scheuklappen sollten im Bereich der Wissenschaft, wo Staatsinteressen vor Ressortinteressen stehen sollten, keinen Platz haben. «

nachzuspüren. Betrachtet man die staatlich durchgehend positiven Evaluierung durch ne Brücke ist, noch ihrer Funktion als Ver- finanzierte Forschungsförderung in Öster- ein unabhängiges Institut sowie zahlreicher bindung zweier Bereiche gerecht wird bzw. reich, so stehen – grob gesprochen – pri- unterstützender Stimmen aus der Scientific werden kann, wird dabei vom BMVIT offen mär zwei Ministerien dahinter: auf der Community schien es kein auswegloses Un- in Kauf genommen. einen Seite das Bundesministerium für terfangen zu sein. Die Massivität der Ignoranz gegenüber den Wissenschaft und Forschung (BMWF), Fakten sowie der international einhelligen welches den Bereich der Grundlagenfor- Umso ernüchternder war es zu sehen, dass Meinung bzgl. der Wichtigkeit solcher schung unterstützt, auf der anderen Seite die zahlreichen positiven Fakten sowie un- Schnittstellen-Programme ist dabei minde- das Bundesministerium für Verkehr, Inno- abhängige Meinungen von Expertinnen und stens genauso bedauerlich wie bemerkens- vation und Technologie (BMVIT), welches Experten dann im BMVIT auf wenig bis gar wert. Politische Scheuklappen sollten im die angewandte Forschung im Fokus hat. kein Gehör stießen. Die Geringschätzung für Bereich der Wissenschaft, wo Staatsinte- Ursprünglich wurde der FWF von beiden TRP wurde sogar noch deutlicher, als klar ressen vor Ressortinteressen stehen sollten, Ministerien grundfinanziert, seit dem Jahr wurde, dass von Seiten des BMVIT nur die keinen Platz haben. Vielleicht setzt sich di- 2009 erfolgt die Finanzierung des FWF pri- Finanzierung für den FWF eingestellt, das ese Erkenntnis eines Tages auch im BMVIT mär über das BMWF. Das ­BMVIT blieb mit- Brückenschlagprogramm der FFG aber wei- durch. Für das Translational-Research-Pro- tels spezieller Auftragsprogramme wie dem terhin Unterstützung erfahren wird. Dass ei- gramm in bewährter Form wird das freilich Translational-Research-Programm mit dem ne Brücke, die in der Mitte endet, weder ei- zu spät kommen ... « FWF verbunden.

Die überschaubar positive Einstellung des BMVIT gegenüber dem „FWF-Brückenab- Programmbeschreibung TRP schnitt“ blieb selbstverständlich vom Wis- » www.fwf.ac.at/de/projects/translational_research.html senschaftsfonds nicht unbemerkt. Fortan wurde vom FWF mit aller Kraft versucht, Projekt-Datenbank des FWF die Wichtigkeit sowie den Erfolg von TRP » www.fwf.ac.at/de/projects/projekt_datenbank.asp sichtbar und verständlich zu machen. An- gesichts der zahlreichen innovativen Pro- Programmevaluierung BRIDGE-Initiative jekte – immerhin konnten über die Jahre » www.fwf.ac.at/de/downloads/pdf/programmevaluierung-bridge.pdf rund 260 Projekte finanziert werden –, der

FWFinfo81» 21 Fokus » Info-Veranstaltungen

Die in letzter Zeit enorm gestiegene Nachfrage der österreichischen Wissen- schafterinnen und Wissenschafter nach Informationsveranstaltungen des FWF macht es notwendig, diesen Bereich zu reorganisieren. Text: Rudolf Novak

FWF-Infoveranstaltungen: Auf ein Neues!

» Es ist dem FWF ein großes Anlie- dem „Tagesgeschäft“ – der kompetenten Vormittag gibt es drei Vortragsblöcke: gen, zur Wissenschaftscommunity Beratung und der Projektbetreuung – mög- Vorstellung und Verortung des FWF im in Österreich engen Kontakt zu hal- lichst ausgelastete Infoveranstaltungen in Nationalen Innovationssystem; Vorstel- ten. In der Geschäftsstelle des FWF ganz Österreich anbieten zu können. Die lung der FWF-Programme; sowie Vor- haben alle wissenschaftlichen Projektbetreu- bisher angebotenen drei Veranstaltungs- stellung des Bereiches Mobilität und erinnen und -betreuer Erfahrungen in wis- formate wurden nun diesen Anforde- Frauenförderung. Der Nachmittag ist senschaftlicher Arbeit. Wenn Antragstelle- rungen entsprechend adaptiert. Gemein- dann Diskussionen in Kleingruppen ge- rinnen oder Antragsteller Trost und Rat sam mit den Forschungsservices der Uni- widmet, wobei je nach Universität bzw. brauchen, können sie damit rechnen, dass versitäten wurde ein Modell entwickelt, Standort Vertreterinnen und Vertreter ihr Gegenüber im FWF sie versteht, „ihre welches die Planbarkeit der verschiedenen der FWF-Fachabteilungen sowie der Sprache spricht“ und weiß, wie es in der Veranstaltungen erhöht und so dem FWF Mobilitäts- und Frauenprogramme für Wissenschaft zugeht. Neben Beratungen per eine angemessene Verteilung der Lasten Fragen, Beratung und Diskussionen zur Telefon, E-Mail oder auch persönlichen Ge- beim Ressourceneinsatz erlaubt. Somit ist Verfügung stehen. sprächen sind die verschiedenen Formate es dem FWF möglich, die gewohnt hohe von Informationsveranstaltungen wichtige Qualität der Informationsveranstaltungen » Pro Jahr und Standort soll es zukünftig Kommunikationsschienen des FWF zu „sei- auch weiterhin zu gewährleisten; gleich- zumindest einen Infotag geben. Mit den nen“ Wissenschafterinnen und Wissenschaf- zeitig kommt das Förderungswesen – die Forschungsservices der Universitäten tern. Die Palette reicht dabei über Veranstal- Hauptaufgabe des FWF – aus Kapazitäts- wird dabei abgesprochen, wann und wo tungen im großen Rahmen bis hin zu Work- gründen nicht zu kurz. dieser Tag stattfindet. Bei Bedarf können shops, wo in Kleingruppen eine intensive weitere Infotage an einem Standort statt- Beratung sowie Antrags-Coaching erfolgt. Die wesentlichen Punkte der Neugestal- finden, wobei zu prüfen ist, ob und wie tung sind: viele Universitäten mit einem Infotag Der bisherige Modus der Einteilung von gleichzeitig erreicht werden können/sol- Informationsveranstaltungen an den For- » Anstatt auf Anfragen der Universitäten len, um einerseits eine optimale Ausla- schungsstätten lässt sich wegen der – für zu reagieren, bietet der FWF in Zukunft stung sicherzustellen und andererseits den FWF erfreulichen – Steigerung nicht „proaktiv“ von sich aus klassische Info- die Anzahl der Infotage für den FWF in mehr in gehabter Art und Weise effizient tage an. Das Format folgt dabei grund- bewältigbarem Rahmen zu halten (unter

koordinieren. Schließlich gilt es, neben sätzlich dem bewährten Muster. Am 50 Personen macht nach der Erfahrung © iStockphoto

22 »FWFinfo81 Fokus » Info-Veranstaltungen

des FWF ein Infotag nach dem oben an- den Coaching-Workshops optimal ver- tungen des FWF bringt einen gewissen or- geführten Muster kaum Sinn). sorgt sein sollte. Anfragen für solche zu- ganisatorischen Aufwand für die For- sätzlichen Veranstaltungen müssen von schungsservices der Universitäten mit sich. » Sämtliche Infotage werden immer für ein den Forschungsstätten am vorgesehenen Jedoch überwiegen die Vorteile, sowohl für Jahr im Voraus geplant, um sowohl An- Standort koordiniert werden, der Bedarf die Kolleginnen und Kollegen der For- kündigung und Besucherzahl an den Uni- muss zumindest ein Semester im Voraus schungsservices wie für die Mitarbeite- versitäten als auch den Ressourcenein- bekannt gegeben werden. rinnen und Mitarbeiter des FWF. Die langfri- satz des FWF optimal planen zu können. stige Planbarkeit der Veranstaltungen sowie » Sämtliche Informationsveranstaltungen ein abgestimmtes jährliches Ablaufschema » Die Strukturen der Coaching-Workshops des FWF werden also zukünftig zentral wird die Effizienz maßgeblich steigern und haben sich bewährt und bedürfen daher koordiniert, alle Interessensbekundungen den organisatorischen Aufwand mittelfristig keiner weitreichenden Anpassung: Auch und Anfragen laufen zunächst über die vermutlich verringern. Für die Wissenschaf- in Zukunft sollen sechs Workshops pro Forschungsstätten, welche sich dann mit terinnen und Wissenschafter wird die Neu- Semester stattfinden, davon zwei in Wien dem FWF koordinieren. gestaltung für die Zukunft ein Informations- sowie vier an anderen Standorten (zwei angebot in bester Qualität und optimalem im „Süden“, also Graz, Klagenfurt oder Diese Neuorganisation der Infoveranstal- Umfang gewährleisten. « Leoben, zwei im „Westen“, also Inns- bruck, Salzburg oder Linz). Daneben ver- anstaltet der FWF einen Frauenworkshop in Wien sowie spezielle Workshops für Informationsveranstaltungen des FWF das START-Programm, KLIF und PEEK. www.fwf.ac.at/de/public_relations/fwf-informationsveranstaltungen/ index.html » „Info-Specials“ sollen zukünftig unter dem neuen Namen „Workshop Specials“ Ansprechpersonen im FWF nur mehr sehr selektiv stattfinden. Der Gerit Oberraufner Siphi Kutzenberger Bedarf wird hier genau zu prüfen sein, [email protected] [email protected] der FWF geht davon aus, dass das Gros +43-1 505 67 40 – 8606 +43-1 505 67 40 – 8607 der Interessierten mit den Infotagen bzw.

FWFinfo81» 23 Fokus » FWF-E-Book-Library €

Der FWF setzt eine weitere Initiative zur Forcierung von Open Access in der Wissenschaft. Schon seit einigen Jahren bietet er als eine der wenigen Förderungsorganisationen weltweit die Möglichkeit zur Förde- rung von Open-Access-Veröffentlichungen von Büchern. Text: Doris Haslinger FWF-E-Book-Library

» Zunächst konnten Verlage bzw. Open-Access-Archivierung der geförderten Library über den Sommer aufgebaut wer- die Autorinnen und Autoren ent- Bücher soll eine bessere Sichtbarkeit und den und mit Ende September 2012 eine be- scheiden, ob eine Förderung zur eine weitere Verbreitung der wissenschaft- trächtliche Anzahl an Büchern Open Access Open-Access-Archivierung zusätzlich bean- lichen Publikationen im Internet gewährleis­ zum Lesen und Download zur Verfügung tragt wird. Nach einer Bewilligung wurde ten. Damit Publikationen von ihren Lese- stellen können. Sobald ein neues vom FWF die elektronische Kopie des Buches auf der rinnen und Lesern gefunden werden – die gefördertes Buch erscheint, wird auch die Website des Verlages Open Access veröf- Open-Access-Veröffentlichung im Internet elektronische Kopie in der FWF-E-Book-Li- fentlicht. Da diese Art der Förderung von allein ist dafür nicht ausreichend –, werden brary zu finden sein. Verlagen sowie den Autorinnen und Auto- die elektronischen Kopien sowohl mit Aufgebaut wird die FWF-E-Book-Library als ren vielfach genutzt wurde, beschloss der einem Lizenzmodell der Creative-Com- eigene Instanz von „Phaidra“ (Permanent FWF, Open-Access-Archivierungen noch- mons-Lizenzen als auch mit Metadaten ver- Hosting, Archiving and Indexing of Digital mals zu forcieren, und machte im Zuge der sehen, welche mit internationalen wissen- Resources and Assets), dem Digital Asset umfassenden Richtlinienänderung des För- schaftlichen Plattformen und Suchmaschi- Management System mit Langzeitarchivie- derungsprogramms für Selbstständige Pu- nen verknüpft sind. rungsfunktionen der Universität Wien. blikationen die zeitgleiche Open-Access- Der FWF wird in der FWF-E-Book-Library Veröffentlichung von geförderten Büchern nicht nur alle nach den neuen Richtlinien Die technische Unterstützung leistet das zur Verpflichtung. Archiviert werden die geförderten Publikationen veröffentlichen, Bibliotheks- und Archivwesen der Universi- elektronischen Kopien in der FWF-E-Book- sondern bietet Autorinnen und Autoren so- tät Wien, das bereits auf eine langjährige Library zeitgleich mit dem Erscheinen des wie Verlagen auch an, alle vom FWF bewil- Erfahrung im Bereich Open Access zurück- Buches. ligten und seit dem Jahr 2000 erschienenen greifen kann. « Bücher ebenfalls in der FWF-E-Book-Libra- FWF-E-Book-Library ry zu veröffentlichen. Die FWF-E-Book-Library ist das Repositori- um des FWF zur Open-Access-Veröffentli- 150 Bücher bis Ende September FWF-E-Book-Library: chung aller seit Dezember 2011 eingereich- Einige Verlage bzw. Autorinnen und Auto- e-book.fwf.ac.at ten und vom FWF geförderten Selbststän- ren haben bereits von diesem Angebot Ge-

digen Publikationen. Die gemeinsame brauch gemacht. So wird die FWF-E-Book- © iStockphoto

24 »FWFinfo81 € § Fokus » Neuregelung

Die Beschäftigung von studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im FWF wird neu geregelt. Dadurch sollen Studentinnen und Studenten früher in der Forschung sozialisiert werden.€ Text: Ulrike Varga h Aufwertung der studentischen Mitarbeit

» Der FWF hat im Jänner 2012 Frist für wissenschaftliche Projektmitarbei- ter und rechtliche Unklarheiten bei der folgende Neuregelung der stu- terinnen bzw. Projektmitarbeiter gezählt. Abgrenzung Stipendium/Dienstvertrag dentischen Mitarbeit in FWF-Pro- werden vermieden. jekten beschlossen: In der Regel wird die Neugestaltung der studentischen Mitwirkung (kein Stipendi- 2. Die Finanzierung von studentischer Mit- Kosten für Studentinnen bzw. Studenten um, sondern ein Dienstverhältnis, höhere arbeit mittels Dienstvertrag ist in vielen mit noch nicht abgeschlossenem Master-/ Summe) keine Probleme in Bezug auf Fa- Ländern üblich. Studierende werden frü- Diplomstudium können ab 1. Juli 2012 nur milienbeihilfen- und/oder Stipendienbezug her in der Forschung sozialisiert, wo- mehr als Dienstvertrag für maximal 20 Wo- machen, da die Zuverdienstgrenzen mitt- durch unter anderem der Einstieg ins chenstunden Beschäftigungsausmaß bean- lerweile recht großzügig und flexibel sind. Doktorat vereinfacht wird und der zu- tragt werden. Mit der Neuregelung der Mitwirkung von künftigen „FWF-Kundschaft“ schon früh Studentinnen bzw. Studenten in FWF-Pro- Kenntnisse über Forschung und deren Die Höhe des neuen Personalkostensatzes jekten werden zwei Ziele verfolgt: Förderung vermittelt werden. beträgt entsprechend dem Kollektivvertrag der Universitäten monatlich brutto 897,90 € 1. Die Verbesserung der sozialen Absiche- Forschungsbeihilfen werden ab 1. Juli 2012 für höchstens 20 Wochenstunden (16.170 € rung von Studierenden: Diese sind im nicht mehr beantragbar sein, können aber – pro Jahr). Selbstverständlich können in die- Rahmen eines Dienstverhältnisses ver- wo der Abschluss eines Dienstvertrages ser Personalkostenkategorie auch weniger sichert, haben den arbeitsrechtlichen nicht möglich oder sinnvoll ist – im Rahmen als 20 Wochenstunden beantragt werden. Schutz wie alle anderen Projektmitar- des Globalbudgets weiterhin in Ausnahme- beiterinnen bzw. Projektmitarbei- fällen ausbezahlt werden. « Die Beschäftigung von Studentinnen bzw. Studenten zählt zu den befristeten Dienst- verhältnissen gem. § 109 Abs. 2 UG 2002, wird aber nicht zu der FWF-Sechs-Jahres-

Personalkostensätze www.fwf.ac.at/de/projects/ personalkostensaetze.html

Antragsrichtlinien für Einzelprojekte www.fwf.ac.at/de/applications/ p-einzelprojekte.html FOKUS » ceterum: JofUR

Einen Antrag beim Journal of Universal Rejection zu stellen, hat einen groSSen Vorteil: der Ausgang des Verfahrens ist klar.

Seit 2009 steht es Autorinnen und Autoren offen, ihr Manuskript dem Journal of Universal Rejection (JofUR) zur „Begutachtung“ zu schicken. Die Einreichung ist einfach: keine Formatvorgaben, keine Beschränkung des Umfangs und keine Deadlines. Auch das Förderungsprinzip ist denk- bar einfach: Ablehnung. Quelle: JofUR The Journal of Universal Rejection

» The founding principle of the nals even before our review process is swiftly as a bird dropping from a great Journal of Universal Rejection complete. height after being struck by a stone. At (JofUR) is rejection. Universal » Decisions are often (though not always) other times, rejection may languish like rejection. That is to say, all submissions, rendered within hours of submission. your email buried in the Editor-in-Chief’s regardless of quality, will be rejected. inbox. But it will come, swift or slow, as Despite that apparent drawback, here are Instructions for Authors surely as death. Rejection. a number of reasons you may choose to After submitting your work, the decision submit to the JofUR: process varies. Often the Editor-in-Chief Subscriptions will reject your work out-of-hand, without An individual subscription may be secured » You can send your manuscript here even reading it! However, he might read it. for $ 9,999.99 per year (four issues). Insti- without suffering waves of anxiety regar- Probably he’ll skim. At other times your tutional and library subscriptions are also ding the eventual fate of your submission. manuscript may be sent to anonymous re- available; prices will be provided upon en- You know with 100 % certainty that it will ferees. Unless they are the Editor-in-Chief’s quiry. It is unknown whether the subscrip-

not be accepted for publication. wife or graduate school buddies, it is un­ tion will be delivered in print or as electro- © iStockphoto, FWF » There are no page-fees. likely that the referees will even understand nic content, because no one » You may claim to have submitted to the what is going on. Rejection will follow as has yet or­dered one. « most prestigious journal (judged by acceptance rate). » The JofUR is one-of-a-kind. Merely sub- mitting work to it may be considered a Website des Journal of Universal Rejection inkl. einem eigenen Blog, badge of honor. in dem man ausgewählte Ablehnungen nachlesen kann, sowie einem » You retain complete rights to your work, Store für diverse „Fanartikel“: www.universalrejection.org and are free to resubmit to other jour-

26 »FWFinfo81 kontext » ERC-Broschüre

Wissenschaft auf engstem Raum: Für die Gala und die Broschüre erklärten die Grantees Ihre Forschung Handschriftlich auf Servietten.

Excellent Prospects

» Am 23. April 2012 lud Wissen- fikationsverfahren den Ruf eines europä- darf Österreich nicht nachlassen, in die wis- schafts- und Forschungsminister ischen Erfolgsmodells erarbeitet, das im senschaftliche Basis des Landes zu inve- Karlheinz Töchterle zur ERC-Gala nächsten EU-Rahmenprogramm „Horizon stieren. Dass der FWF dafür das passende in die Aula der Wissenschaften, um die be- 2020“ nach den Vorstellungen der Europä- Instrument ist, zeigt ein Blick auf die Stati- achtlichen Erfolge von in Österreich tätigen ischen Kommission deutlich ausgebaut stik: Rund 75 % der ERC Awardees, die be- Wissenschafterinnen und Wissenschaftern werden soll. Die Prinzipien des FWF finden reits vor der Zuerkennung des ERC Grant beim European Research Council insbeson- auf europäischer Ebene im Wirken des ERC längere Zeit in Österreich wissenschaftlich dere in den Jahren 2010/11 zu würdigen. ihr Analogon. Der ERC und der FWF sind tätig waren, weisen einen beeindruckenden Ehrengast des Abends war Kommissarin so etwas wie Geschwister im Geiste und „Track Record“ beim FWF auf. Mere Goughahan-Quinn, Zuständige für die der Wissenschaftsfonds ist stolz, dass FWF- Agenden Innovation, Wissenschaft und For- Prinzipien und -Programme seit nunmehr Feste und Galen gehen vorüber; die Erfolge schung in der Europäischen Kommission. fünf Jahren auf europäischer Ebene ihre beim ERC wurden deshalb von der FFG und Ihre Appelle waren: „Weiter so, liebes Ös- Entsprechung finden. dem FWF in Kooperation mit dem BMWF terreich“ und „Mehr Frontier research in einer eigens konzipierten ERC-Broschü- braucht unser Europa!“ Beides klare Bot- Europäische Währung für Exzellenz re mit dem Titel „Excellent Prospects“ pu- schaften, die man nur begrüßen kann. ERC Grants sind zwischenzeitlich zu einer bliziert, um die ERC-Erfolgsprojekte der europäischen Währung für wissenschaft- Jahre 2010 und 2011 als „Napkin Gallery“ Der ERC mit seinen beiden großen Pro- liche Exzellenz geworden; und Österreich zu dokumentieren. « [Stefan Bernhardt] grammen „Starting Grants“ – vergleichbar kann sich glücklich schätzen, in dieser mit dem START-Programm des FWF – und Währung nach den Spitzenreitern „Advanced Grants“ – von den Zielsetzungen Schweiz, Israel und etwa vergleichbar mit dem Wittgenstein- den Niederlanden an Preis – hat sich in den fünf Jahren seit sei- siebenter Stelle der er- nem Bestehen mit einer strikten Bottom- folgreichsten Länder up-Philosophie und einem internationalen zu stehen. Um weiter Peer-Review-Verfahren als Qualitätsidenti- so erfolgreich zu sein,

ERC-Broschüre www.fwf.ac.at/de/downloads/pdf/erc-brochure-2010-11.pdf KOntext » Statement of Principles for Scientific Merit Review

Vom 14. bis 15. Mai 2012 fand am Sitz der US National Science Foundation (NSF) in Virginia das erste „Global Merit Review Summit“ statt. Geladen waren annähernd 50 Vertreter von Forschungsförderungsorganisationen der G-20- sowie der OECD-Länder. FWF-Präsident Christoph Kratky war einer von ihnen. Als Ergebnis dieses hochrangigen Treffens wurde unter anderem eine Stellungnahme veröffentlicht, welche Grundprinzipien wissenschaft- licher Begutachtungsprozesse festhält. Statement of Principles for Scientific Merit Review*

Preamble Principles

» Research funding agencies worldwide identify and support Expert Assessment scientific research that creates Collectively, reviewers should have the appropriate knowledge and expertise to new knowledge and benefits society. Tru- assess the proposal both at the level of the broad context of the research field(s) sted with government fund­ing, these to which it contributes and with respect to the specific objectives and methodo- agencies are publicly accountable for logy. Reviewers should be selected according to clear criteria. their funded research efforts. As stewards of the public trust, these institutions must Transparency demonstrate excellence in the assessment Decisions must be based on clearly described rules, procedures and evaluation of proposed research and be responsive criteria that are published a priori. Applicants should receive appropriate feed- to program objectives. Rigorous and back on the evaluation of their proposal. transparent scientific merit review helps to assure that government funding­ is ap- Impartiality propriately expended on the most worthy Proposals must be assessed fairly and on their merit. Conflicts of interest must projects to advance the progress of sci- be declared and managed according to defined, published processes. ence and address societal challenges. Appropriateness The rapid growth of research and educa- The review process should be consistent with the nature of the call, with the research tion capacity worldwide is enabling area addressed, and in proportion to the investment and complexity of the work. unprecedented opportunities for global collaboration to expand scientific know- Confidentiality ledge and to improve the quality of life All proposals, including related data, intellectual property and other documents, and well-being of citizens. To foster colla- must be treated in confidence by reviewers and organizations involved in the re- borations and to realize the benefits of view process. international cooperation, the following Principles for Scientific Merit Review are Integrity and Ethical Considerations endorsed at the May 2012 Global Summit Ethics and integrity are paramount to the review process. on Scientific Merit Review. «

*) The terms Merit Review and Peer Review are used interchangeably in the context of this document. © Shutterstock

28 »FWFinfo81 kontext » Statement of Principles for Scientific Merit Review

The Development of the Statement of Principles on Merit Review

» The May 2012 Global Summit on nology Policy (OSTP) invited the NSF Direc- ciples on Scientific Merit Review. The prin- Merit Review was hosted by the tor to convene a meeting of counterparts ciples draw heavily on the policies and prac- U.S. National Science Foundation from around the world to discuss ways to fur- tices of all the funding agencies that partici- (NSF) in Arlington, Virginia, USA. Heads of ther international research cooperation. pated in the regional meetings, and reflect a science and engineering funding agencies In the summer of 2011, NSF formed an Inter- broad worldwide consensus. Throughout the from approximately 50 countries or regions national Steering Committee (ISC) that was process, it was clear that agencies around (primarily comprising the G20 and Organi- tasked with obtaining broad international in- the world had consulted with each other in sation for Economic Co-operation and De- put into a statement of principles on merit re- developing a core global standard for merit velopment (OECD) countries) participated view with the objective of framing the discus- review. Examples of this consultation inclu- in the meeting. sion at the May 2012 Summit. Members of de: the ESF European Peer Review Guide3; The genesis for the Global Summit on Merit the ISC came from research funding agencies the South Africa NRF publication Promoting Review came from two separate avenues. In around the world2, and organized regional Quality Research4; and resources available October 2010, the European Science Foun- meetings in Brazil (for the Americas), South on the US NSF website5. dation and the EUROHORCs (European Africa (for Africa), India (for Asia and Aus- The Statement of Principles on Scientific Heads of Research Councils) organizations tralasia), Saudi Arabia (for North Africa and Merit Review was developed with two pri- hosted a “Pilot High Level Round Table Mee- the Middle East) and Brussels (for Europe) to mary objectives. First, the worldwide agree- ting with non-European Counterparts”. At solicit opinions on merit review from regional ment on core, high-level principles should this international meeting, the ESF/EURO- stakeholders. These regional meetings also foster international cooperation among fund­ HORCs Vision1 for enhanced international involved participation from countries that are ing agencies that support the scientific re- research cooperation was presented. NSF not members of the G20 or OECD. search6 community. Second, for those coun- was invited to host a subsequent HORC In December 2011, the ISC met in Paris to tries that are developing new funding agen- meeting­ on the topic of peer review. In paral- integrate the results of the regional meetings cies, the principles provide a global consen- lel with the European activities, in early 2011, into a single set of principles. The result of sus on the key elements necessary for a ri- the White House Office of Science and Tech- this integration is the Statement of Prin­ gorous and transparent review system. «

1) www.eurohorcs.org/SiteCollectionDocuments/EUROHORCs_ESF_ERA_RoadMap.pdf 2) Brazil, Canada, China, Egypt, India, Japan, South Africa, Sweden, Switzerland, United States 3) www.esf.org/fileadmin/FlipBooks/Peer_Review/peer_review.html 4) Marais, H.C., Earle-Malleson, N., Gathua, S., Grobbelaar, J. & Taylor, J. 2010. Promoting quality research: An evaluation of the peer-review system as managed by the National Research Foundation. Pretoria: NRF. 5) www.nsf.gov/bfa/dias/policy/meritreview 6) For the purposes of this document, “scientific research” can include the sciences, arts and humanities.

FWFinfo81» 29 panoptikum » Frau in der Wissenschaft

Die Biochemikerin Verena Jantsch-Plunger im Portrait: über erstaunliche Ähnlichkeiten von Socken- und Chromosomenpaaren, die negativen Auswirkungen des starken Pubikationsdruckes und ihre Skepsis gegenüber gängigen Erfolgsmessungen im Wissen- schaftsbetrieb. Text: Margit Schwarz-Stiglbauer » Wissenschaft braucht Zeit und Ruhe «

» „Die Schönheit der Natur ist et- Art der Zellteilung wird auch als unge- Chromosomensatzes in der Möglichkeit was sehr Berührendes. Das Stau- schlechtliche Fortpflanzung oder auch als zur Rekombination der Gene. Die Erbanla- nen darüber, wie die Natur Pro- Mitose bezeichnet. Einzeller, aber auch gen werden durchmischt und neu sortiert. bleme löst und ‚methodisch‘ vorgeht, die Körperzellen der Mehrzeller teilen sich Dadurch wird die genetische Vielfalt einer ­belebt mich und meine Arbeit immer wie- in dieser Weise. Population ermöglicht und die Evolution der aufs Neue“, erzählt die Biochemikerin angetrieben. „Bei der meiotischen Tei- Verena Jantsch-Plunger. Für das Staunen Rekombination der Gene lung“, spezifiziert die Wissenschafterin, bietet ihr eigenes Forschungsgebiet unbe- Ganz anders verläuft die geschlechtliche „müssen in einem ersten Schritt mit hun- grenzte Möglichkeiten. Umfasst es doch Fortpflanzung. Hier sind spezialisierte Zel- dertprozentiger Sicherheit alle Chromo- grundlegendste Vorgänge in der Biologie: len beteiligt, die männlichen und weib- somen von Vater und Mutter getrennt wer- den Mechanismus der Zell(kern)teilung. lichen Keimzellen – auch als Samen- und den. Voraussetzung dafür ist eine phy- Im Zellkern ist das Erbgut vor einer Tei- Eizellen bezeichnet. Bei der Befruchtung sische Verbindung zwischen zwei elter- lung in Chromosomenpaaren gepackt. Der verschmelzen weibliche und männliche lichen homologen Chromosomen. Nur so Mensch z. B. hat 22 solche Paare, die iden- Keimzellen zu einer Zygote. Deren Chro- sind sie für den zellulären Teilungsapparat tisch sind. Zusätzlich bestimmen zwei mosomensatz wird aus den elterlichen als ein zu trennendes Paar erkennbar.“ Chromosomen (X, Y) das Geschlecht. In Keimzellen zusammengesetzt, verdoppelt Mit der Identifizierung und Charakterisie- Summe ergibt das beim Menschen 46 sich also. Damit die artspezifische Anzahl rung von Genen, die dabei eine wichtige Chromosomen. Andere Tierarten haben der Chromosomen auch hier unverändert Rolle spielen, beschäftigt sich Verena unterschiedlich viele Chromosomen: der bleibt, muss er schon bei der Bildung der Jantsch-Plunger vom Department für Chro- Hund z. B. 78, die Amsel 80. Die Erbinfor- Keimzellen halbiert werden. Aus einem mosomenbiologie der Max F. Perutz Labo- mation stammt dabei immer zu gleichen menschlichen Chromosomensatz von 46 ratories (MFPL). Dieses 2005 gegründete Teilen vom Vater und der Mutter. Teilt sich (auch diploid genannt), entsteht so ein ha- Joint Venture der Universität Wien und der nun eine Zelle, dann wird deren gene- ploider Satz mit 23 Chromosomen. Aus je Medizinischen Universität Wien, das am tisches Erbgut den beiden Nachkommen- 23 väterlichen und mütterlichen Chromo- Campus Biocenter gelegen ist, um- zellen in einer identen Kopie weitergege- somen ergeben sich so nach der Ver- fasst ca. 60 im Bereich der Molekularbio- ben. Die Chromosomen müssen also vor schmelzung wieder 46. logie arbeitende Forschungsgruppen. der Teilung dupliziert werden, damit die Der Teilungsprozess der Keimzellen wird Nachkommenzellen auch die ursprüng- als Meiose bezeichnet. Deren zentrale Be- Genetische Waschmaschine

liche Chromosomenanzahl behalten. Diese deutung liegt neben der Reduzierung des 2007 gelang der Arbeitsgruppe um » © Privat

30 »FWFinfo81

panoptikum » Frau in der Wissenschaft

„Ich hatte bei der auswahl meiner mitarbeiterinnen und mitarbeiter immer glück.“

» Jantsch-Plunger ein wissen- fach vorhanden. Die Folgen abnormaler ich immer wieder woanders anknüpfen schaftlicher Durchbruch: Sie konn- Verteilung sind unterschiedlich. Körper- konnte“, erinnert sich die leidenschaft- ten eine sehr informative Mutation liche und kognitive Beeinträchtigungen liche Wissenschafterin. Wenn sie von ihrer im SUN-1-Protein identifizieren. Die Vo- können entstehen, die bekannteste darun- Zeit in Baltimore erzählt, gerät sie ins raussetzung für eine Verbindung zwischen ter ist das Down-Syndrom. Hier haken For- Schwärmen: „Die Herangehensweise an den elterlichen Chromosomen ist natür- scherinnen und Forscher vom Department Wissenschaft war einzigartig. Es war der lich, dass diese Chromosomen einander für Chromosomenbiologie ein: Was führt entspannteste Ort, an dem ich bisher je finden und als „gleich erkennen“, und da- zu Störungen bei der meiotischen Zelltei- gearbeitet habe. Es handelte sich bei dem bei spielt SUN-1 eine Schlüsselrolle, da es lung? Institut um eine Stiftung. Es mussten also die Chromosomen zu einem Bewegungs- kaum Drittmittel eingeworben werden. Die apparat koppelt. „Wir haben meiotische Fadenwürmer als tierisches Modellsystem Kolleginnen und Kollegen hatten zwar Chromosomen in Bewegung in lebenden Um dies zu erforschen, arbeitet Jantsch- auch keine permanenten Verträge. Aber Tieren gefilmt. Man kann sich das wie So- Plunger mit Fadenwürmern, Caenorhabdi- sie hatten einen lustvollen Ansatz zur Ar- ckenpaare in der Waschmaschine vorstel- tis elegans. Die Wissenschafterin fasst die beit und einen entspannten Umgang mit len“, vereinfacht die Biochemikerin den Vorteile dieses tierischen Modellsystems Leistung. Jeder hat damals seine Chance komplexen Vorgang: „Solange sich die zusammen: „Er hat einen sehr kurzen Ge- gesehen, dort ein paar Jahre sein zu dür- Waschmaschine dreht, kommen gleiche So- nerationszyklus, eine Mutter hat mindes­ fen. Und jeder wusste, wenn er von dort cken zusammen und falsche driften wieder tens 300 Nachkommen. Ich kann somit sehr weggeht, bekommt er sicher eine gute auseinander. Haben sich alle Sockenpaare große Mengen kultivieren. Viele biolo- Stelle“, erinnert sich die 46-Jährige an die gefunden, schaltet sich die Maschine ab. gische Prozesse laufen im Fadenwurm ähn- Rahmenbedingungen in Baltimore. Sie Mittlerweile sind wir sicher, dass das SUN- lich wie bei uns Menschen ab, in der Regel verbringt dort insgesamt vier Jahre und 1-Protein noch zusätzliche wichtige Rollen etwas vereinfacht und daher auch leichter schreibt auch noch ihre Dissertation. neben der Bewegung hat, eine davon: Es studierbar. Schließlich ist der Fadenwurm hilft, den Fortgang der Meiose zu verlang- sehr günstig im Labor zu halten.“ Publikationsdruck samen, wenn Dinge schieflaufen.“ Zu diesem Modell kam sie eigentlich durch Diese Zeit in Baltimore hat sie bis heute Werden Chromosomenpaare nicht bzw. Zufall. Als ihr Partner 1989 als Postdoc in stark geprägt. „Ich habe seither eine ziem- falsch verbunden, werden sie nicht mehr die USA geht, beschließt sie, dort zu diplo- liche Skepsis gegenüber Druck und akkurat in die Keimzellen verteilt. Die Fol- mieren. Sie wird von einem jungen Grup- Leistungszwang, das sind Kreativitätskiller ge sind Erbdefekte bei Nachkommen, die penleiter an der Carnegie Institution of und eher ein Gift für wissenschaftliche Fehlgeburten oder Krankheitsbilder verur- Washington in Baltimore aufgenommen. Produktivität. In den letzten Jahren bekam sachen, die mit geistiger Zurückgeblieben- Eben dieser Gruppenleiter arbeitet mit ich den Eindruck, dass man hier versucht, heit einhergehen. So können sich z. B. bei dem Fadenwurm. „Er hat zur Erschließung Leistung aus den Leuten ‚herauszuquet- Störungen während der Meiose Trisomien dieses Modells maßgeblich beigetragen schen‘ durch ständiges Evaluieren, Mes-

bilden: Einzelne Chromosomen sind drei- und ich hatte damit eine Expertise, mit der sen und Sparzwang an den Universitäten. © Privat

32 »FWFinfo81 panoptikum » Frau in der Wissenschaft

mit ihrem mann, michAEl jantsch, ebenfalls wissenschafter an den MFpL, vor dem Institut. „uns verbindet fast ein vierteljahrhundert, in dem wir nebeneinander, manchmal auch miteinander, geforscht haben.“

Gemessen werden dabei fast ausschließ- ner „zunächst verrückt erscheinenden ter dem Motto des Sparens gestanden lich Impact-Punkte, nicht aber kreative Idee“ über viele Jahre nachzugehen, und wäre. Was sie als ein fatales Signal an Ideen. Dabei ist bekannt, dass das Schwein erhielt schließlich als noch junger Wissen- die Jugend sieht: „Die Kinder müssen nicht vom Wiegen fett wird. Im Gegenteil, schafter mit der Entdeckung von RNA me- spüren, dass sie uns wichtig sind. Die gute wissenschaftliche Leistungen lassen diated interference den Nobelpreis. „Mit ewige Bildungsdiskussion ist die Bot- sich nicht erzwingen. Wissenschaft hier gängigen Evaluierungsverfahren nach schaft: Ihr seid uns das nicht wert.“ Be- braucht Zeit, Ruhe und Entspannung“, ist ein paar Jahren wäre er vielleicht nicht reits in der Schulzeit ihrer schon fast er- sich die Biologin sicher. Der Erfolgsdruck zum selben Resultat gekommen und schon wachsenen Söhne war der Sparzwang führe dazu, dass sich manch gute Talente vor seiner Entdeckung ausgeschieden“, stets im Vordergrund. „Würde verstärkt zurückziehen. Dieser Druck entsteht ihrer was für Jantsch-Plunger ein Grund dafür an den Begabungen und Fähigkeiten des Ansicht nach aus den Verträgen, die junge ist, sehr skeptisch gegenüber der üblichen einzelnen Kindes gearbeitet, würde mehr Wissenschafterinnen und Wissenschafter Praxis der Erfolgsmessungen im Wissen- herauskommen“, ist sie sich sicher und bekommen. „Sie müssen binnen sechs schaftsbetrieb zu sein. Auch sie selbst sieht als Schlüssel zu einer Verbesse- Jahren beweisen, was sie leisten können. musste 2009, als sie einen permanenten rung vor allem das Betreuungsverhält- So wie in meinem Fall ist aber Erfolg auch Vertrag an der Universität Wien erhalten nis: „Zuwendung ist das Entscheidende. mit sehr viel Glück verbunden – wie z. B. hat, Evaluierungen durchlaufen. „Diese Jedes Kind muss in den acht Jahren an gute Leute zu kommen, mit denen die Messinstrumente versucht man nun bei al- Schule merken, dass es in ein, zwei Fä- Arbeit fruchtbar ist. Hat man das Glück nicht, dauert es vielleicht zwei Jahre län- ger und der Druck, das Ergebnis noch » Druck und Leistungszwang sind Kreativi­täts­ hinzubekommen, ist dann massiv“, erläu- tert sie. Und ist sich sicher, dass gerade killer und eher Gift für wissenschaftliche dieser Aspekt viele junge Kolleginnen und Produktivität. « Verena Jantsch-Plunger Kollegen abschreckt.

Skepsis gegenüber Erfolgsmessungen len Angestellten einzuführen. Ob das im- chern gut ist. Dazu braucht es kleine Eine der Grundvoraussetzungen für die mer die Besten herausholt, bezweifle ich“, Klassen, aber auch eine wertschätzende gute und fruchtbare Atmosphäre in Balti- meint die Professorin. Haltung den Unterrichtenden gegen­ more sieht sie im Vorhandensein ausrei- über“, fordert Jantsch-Plunger. chender Ressourcen. „Diese Entspannt- Fokus auf Begabungen lenken heit, die sich daraus ergibt, ist einfach ein Seit etwa zwanzig Jahren ist sie nun zu- Nicht das Staunen verlieren guter Dünger für Kreativität und Fantasie“, rück in Österreich. Seitdem hat die Mut- Die Oberösterreicherin selbst hatte in der ist sie überzeugt und nennt ein Beispiel. ter zweier Söhne kaum eine Periode er- Schule besonders guten und spannenden Ihr Doktorvater konnte es sich leisten, ei- lebt, in der die Bildungspolitik nicht un- Unterricht in Geschichte und Chemie. Wir »

FWFinfo81» 33 tierte Postdoktorandin Alexandra Penkner,PostdoktorandinAlexandra tierte talen- sehr die war Glücksfall solcher Ein einbezieht. mit Arbeitsgruppe die gerne Bewerbern und Bewerberinnen von wahl Aus- der in sie dass zurückführt, darauf resümiertGlück“, Wasimmer sie. auchsie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen meiner Auswahlzu der bei ich hatte „Bisher wollen. gehen Grund den auf Dingen den de, Neugier- die Wissenschaftern und rinnen Wissenschafte- jungen bei sie schätzt meisten Am wichtig. besonders tungsgabe Beobach- gute eine ihr ist Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihrer Auswahl der Bei dem JungforscherseineChancezugeben.“ je- ist, bemüht FWF der sehr wie großartig, es ich finde „Daher sie. beobachtet sen“, einlas- ganz mehr nicht sich wollen und viert reser - Einsatz ihrem in sind „Viele ist. gen gegan- verloren Chancen gute Vertrauenauf sie zunehmend den Eindruck, dass ihnen das hat Studenten und Studentinnen ihren Bei gehen. zu Grund den auf etwas Forschung, der an sie reiztFall jeden Auf konnte. stellen vor- besser Brotberuf einen auch damit sich sie da Biochemie, auf schließlich fiel Wahl bio­ mit Vaters:Diagnostiker,guter sehr Ein Arzt. der des Fächern.Beruf beiden der Prägendauch diesen zwischen Studienwahl der züglich chemischen Methoden arbeitete. Die Die arbeitete. Methoden chemischen 34 mit enerelse-rchter-stelle. der erste schr itt zurselbstständigket gelang jantsch- plunger panoptikum »Frau inderWissenschaft in diesen beiden Fächern. So So Fächern. be- dann Maturantin die schwankte beiden diesen in » hatten wirklich ein tolles Niveau tolles ein wirklich hatten » FWF info81 Anfang dieses Jahres erhielt die Wissenschaf- A drei von erste Berta-Karlik-Professur: terin wahrgenommen zuwerden, gelungen. Wissenschaf- individualisierte als Schritt, tige wich- dieser ihr ist Förderungen diesen Mit genommen. Kinder ihre für Zeit viel bewusst Mitarbeiterin wissenschaftliche als sich sie hatte Zuvor aufbauen. WWTF-Projektes eines und Elise-Richter-Stelle geförderten FWF Perutz Laboratories mit den Mitteln F.einerMax den an vom2006 schon Jantsch-Plunger konnte Arbeitsgruppe eigene erste Die Selbstständigkeit zur Schritt erster Elise-RichterStelle: zum SUN-1-Protein möglichwurden. Publikationenbahnbrechenden die gabe“ Beobachtungs- und „Sorgfalt deren durch usgezeichneten auf. DiegebürtigeOberösterreicherin istMutterzweierSöhne. eigene erste Ihre USA. Elise-Richter-Stelleninhaberinnenersten der eine als sie baute Baltimore, Arbeitsgruppe in Washington of Institution Carnegie der anverbrachtesie Dissertantin und PrägendeDiplomandin Jahreebendort. als Zellbiologie und FachGenetik im sich habilitierte und Wien Uni der an vierte promo- Berta-Karlik-Professur.Jantsch-Plunger ausgeschriebene Wien Uni hielt sie als eine von drei Wissenschafterinnen eine erstmals von dervon erstmals eine Wissenschafterinnen drei von eine als sie hielt er Jahres des Anfang Wien. MedUni der und Wien Uni der boratories » VerenaJantsch-Plunger

ist Biochemikerin an den Max F.Max den La- Perutzan Biochemikerin ist Verena Jantsch-Plunger Chance zugeben.« seine Jungforscher FWF bemüht ist, jedem artig, wiesehrder » Ichfindeesgroß­ Staunen unddieBegeisterung.« das da: wieder es ist schon Und gebnisse. teressanten Artikels über neue Forschungser- in- eines Lesen das immer mir hilft dann cke, festste- Punkt einem an Arbeit meiner in ich weil oder Projekte abgelehnter wegen striert fru- einmal ich „Bin lächelt: Jantsch-Plunger Erfolgsgeheimnis? ein Wissenschafterin discheProfessur berufen zu werden. Hat die auslän- oder in- eine auf später ausgehend Berta-Karlik-Professur befristeten Jahre drei rinnen der Uni Wien erhöhen, um von der auf Wissenschafte- qualifizierten hoch von cen Chan- die sich sollen Programm neuen dem Mit vergeben. erstmals Frauentag, tionalen Interna- dem März, 8. am und gerufen Leben ins Wien Universität der von Auszeichnung Professurenweitersteigern, zu wurde diese den an Frauenanteil den Um lik-Professur. Berta-Kar- eine Ersten der eine als dann terin -

© FWFprivat, / MFWFarc S/ eumenichtMarc Seumenicht Panoptikum » Interview: Helmut Denk

Der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Helmut Denk im Interview mit info-Chefredakteur Stefan Bernhardt: über die turbulenten Zeiten in der ÖAW, notwendige unpopuläre Reformen sowie seine tiefe Verbundenheit mit der Akademie. Redaktion: Marc Seumenicht Mit Leib & Seele

» Stefan Bernhardt: Herr Präsi- » Denk: Die ÖAW sollte eine Institution » Bernhardt: Die budgetär notwendige Re- dent, wie gefragt ist Ihr Leader- sein, welche sich auf die Expertise seiner strukturierung bzw. Fokussierung im For- ship in diesen turbulenten Zeiten Gelehrtengesellschaft stützt, um damit eine schungsträgerbereich bereitet große Pro- für die ÖAW? Forschungsträgerorganisation größtmög- bleme. Befindet sich die ÖAW in einer „De- licher Exzellenz zu sein. Andererseits ist mokratiefalle“, ist es zielführend, wenn » Helmut Denk: Die Akademie besteht nun die Gelehrtengesellschaft berufen, für Ge- man, salopp formuliert, die Frösche fragt, einmal aus Individualisten, man könnte auch sellschaft und Politik wissenschaftsbasierte ob man den Sumpf trockenlegen soll? sagen aus Alphatieren, die ihre eigene Mei- Ratschläge zu komplexen Themen zur Ver- nung haben und vertreten. Wir haben ein eta- fügung zu stellen. » Denk: Ich bin zuversichtlich, dass uns der bliertes demokratisches System; es werden bereits fortgeschrittene Reformprozess aus die verschiedenen Meinungen und Gegenar- » Bernhardt: Ist der Begriff der Gelehrten- der „Demokratiefalle“ führt. Ursprünglich gumente eingeholt und diskutiert, um zu gesellschaft noch zeitgemäß? war es so, dass die Gelehrtengesellschaft einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. als Souverän überall mitreden konnte. Je Dies ist ein mühsamer Prozess. Selbstver- » Denk: Der Begriff selbst ist meiner Mei- nachdem, wie viele Mitglieder bei den Sit- ständlich kann man argumentieren, dass es ja nung nach etwas altmodisch aber durchaus zungen anwesend waren, auch in der Wissenschaft nicht immer demo- allgemein verständlich; er steht nicht im bedeutete dies eine kratisch zugeht und man auch in der Akade- Gegensatz zu Fortschrittlichkeit und Mo- Fülle unterschied- mie einen Diktator bräuchte, der sagt wie es derne. Die heutigen Akademien der Wis- licher Meinungen. gemacht werden muss. Aber die Akademie senschaft gehen auf die Renaissance zu- Das war schwie- beruht auf demokratischen Prinzipien. Das rück, sie wurden installiert, um das zu för- rig umzusetzen. macht es manchmal schwieriger, anderer- dern, was die Menschheit weiterbringt. Von Im Rahmen der seits aber auch interessanter. Wir haben in besonderer Bedeutung waren stets freies Reform der Ge- unseren Reihen Persönlichkeiten mit beach- Denken, freies Reden, freies Schreiben in schäftsordnung– tenswerten Ansichten, die aber manchmal einer Zeit, wo das den Universitäten nicht und mit Reformen nur jene Punkte herausgreifen und vertreten, gestattet war. Diese wurden damals von macht man sich die für sie und ihr Fach wichtig sind. staatlicher Seite, nicht selten dominiert von nicht immer der Kirche, gezwungen, sich auf die Ausbil- Freunde, das ist » » Bernhardt: Das öffentliche Bild entspricht dung von Untertanen zu konzentrieren, die sicherlich nicht in allen Facetten der Wahr- dem Wohl des Staates zu dienen hatten. heit, die ÖAW hat aber unbestritten ein Akademien standen und stehen hingegen Wahrnehmungsproblem. Wie sollte man für freie Meinung, freie Forschung, freie die ÖAW sehen? Wissenschaft.

» Ein Erstklassiger wird die Erstklassigen fördern, ein Zweitklassiger jedoch die Drittklassigen. « Helmut Denk Panoptikum » Interview: Helmut Denk

» klar – wurde ein aus 14 Personen » Bernhardt: Diese Fokussierung der Ent- mer in Verbindung mit der ÖAW als For- gebildeter Akademierat gewählt, scheidungsträgerschaft verlangt dann aber schungsträger gebracht, woran liegt das? an den die Gelehrtengesellschaft auch unpopuläre Maßnahmen. Wie gut ihre „Macht“ delegiert hat. Dies ist wesent- funktioniert das? » Denk: Das ist eine wichtige Frage, die uns lich effektiver. sehr beschäftigt. Wir haben immer wieder » Denk: Durch unpopuläre Maßnahmen ge- Diskussionen, wie man das Gefühl für Cor- » Bernhardt: Gibt es ein aktuelles Beispiel winnt man nie Freunde. In der Grundlagen- porate Identity verstärken kann. Einerseits für die Aufgaben des Akademierates? forschung sind intelligente innovative Köpfe muss man verstehen, dass Wissenschafter wichtig, man muss alles dafür tun, damit „Egoisten im positiven Sinn“ sind und da- » Denk: Das Präsidium der ÖAW hat den Auf- sie sich weiter entwickeln können. Wir wol- her im Mittelpunkt stehen wollen und sol- trag auf Basis der strategischen Ausrichtung, len dies durch entsprechende Maßnahmen len, andererseits muss auch der For- gewisse Forschungsgebiete zu etablieren und erreichen. Das Potenzial an Innovationsfä- schungsträger ÖAW, der die wissenschaft- vorhandene erfolgreiche Bereiche speziell zu higkeit darf nicht unterdrückt werden. Aber lichen Leistungen zu einem wesentlichen fördern. Wenn man zu diesem Zweck Insti- eine gewisse Steuerung muss es geben, wir Teil ermöglicht, zu seinem Recht kommen. tute errichten oder auch schließen sind nun einmal nicht im Schlaraffenland. Am Ende des Tages gilt es, eine Balance zu muss, ist der Akademierat Steuerung gibt die Möglichkeit, jene Be- finden. Als Optimist glaube ich, dass wir in die Entscheidung ein- reiche, die sich als wichtig und erfolgreich auf dem richtigen Weg sind. Es ist meine zubeziehen. Darüber erwiesen haben, besonders zu fördern. Für tiefe Überzeugung, dass man stolz darauf hinaus kann man ihn Erfolg und Wichtigkeit existieren neben sein kann, Mitarbeiter oder Mitarbeiterin in als Kontrollorgan des dem wissenschaftlichen Sachverstand ver- der ÖAW zu sein. Präsidiums bezeich- schiedene mehr oder weniger objektive Pa- nen. rameter, die es selbstverständlich zu defi- » Bernhardt: Im Bereich der Mitgliederwahl nieren und anzuwenden gilt. So unpopulär war in den Medien von „Intransparenz“ und das sein mag, so notwendig ist es leider „Mauschelei“ zu lesen. Ihre Replik? auch. Wir haben im Reformkonzept diverse Cluster und Fokussierungen von Wissen- » Denk: Die Akademie muss sich bemühen, schaftseinrichtungen vorgesehen, um stets die besten Wissenschafterinnen und Stärken zu bündeln. In einem derartigen Wissenschafter zuzuwählen. Allerdings ist Prozess ist es dann auch natürlich, dass die Mitgliederzahl beschränkt. Daher gibt es Gewinner und Verlierer gibt. Dies es in Österreich sicher viele, die würdig lässt sich leider nicht verhindern. wären, aber aus diesem Grunde nicht zum Nach außen ist das nicht immer kommen können. Die Sache mit der leicht zu kommunizieren. „Mauschelei“ wird von einer relativ kleinen Gruppe ins Spiel gebracht. Es gibt leider » Bernhardt: In der Öffent- immer wieder Personen, die sich laut zu lichkeit werden die von Ih- Wort melden, um auf diese Weise in der arc S eumenicht / M arc nen erwähnten Spitzen- Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erregen.

institutionen nicht im- Tatsache ist, dass die überwiegende Mehr- © FWF Panoptikum » Interview: Helmut Denk

» In der Akademie zu sein, ist eine Auszeichnung. Das soll und wird so bleiben und soll nicht schlecht geredet werden. Man muss aber akzeptieren, dass nicht jeder bzw. jede Mitglied der Akademie sein kann. « Helmut Denk heit die ÖAW und ihre strengen Aufnahme- » Denk: Jeder Austritt und jede Kritik ist möglicherweise in der Vergangenheit Ver- verfahren positiv sieht. Das oft kritisierte ernst zu nehmen und zu hinterfragen. Aber wundungen gegeben. Vielleicht wurden Altersproblem hat jede Akademie, ob Royal Kritik muss auch seriös sein und Hand und Ehrgeiz oder Eitelkeit nicht befriedigt. Aber Society, Leopoldina, US National Academy Fuß haben, sie darf nicht auf Unwahrheiten bevor man seinen Frust aus dem Hinter- of Sciences oder eben die ÖAW. Die älteren und Verdrehungen beruhen oder solche grund über die Medien verbreitet, hätte ich Mitglieder leisten durchaus wertvolle Bei- verbreiten. Wenn man Kritik äußern möch- mir wirklich ein konstruktives Gespräch träge. Sie haben außerdem die zentrale te oder gar einen Austritt erwägt, sollte der und entsprechende Vorschläge gewünscht, Aufgabe, die Jungen zu fördern, und dabei allererste Schritt sein, dass man bei mir an- wie das unter Wissenschaftern üblich ist. spielen wissenschaftliche Qualität und Er- ruft, anklopft, oder sogar unangemeldet die Man kann durchaus unterschiedlicher Mei- fahrung erwiesenermaßen eine zentrale Tür aufreißt und mit mir spricht. Ich schät- nung sein, darüber kann man ja reden. An- Rolle. Ein Erstklassiger wird die Erstklas- ze Kritik aus dem Hinterhalt als unproduk- gelehnt an John F. Kennedy darf man nicht sigen fördern, ein Zweitklassiger jedoch tiv überhaupt nicht. Kritik muss ein ge- immer fragen, was die Akademie für einen die Drittklassigen. Die reformierte Ge- wisses Niveau haben. Die ÖAW hatte in der tun kann, sondern was man selbst für die schäftsordnung der ÖAW sieht vor, dass je- Vergangenheit immer wieder vereinzelte Akademie leisten kann. ne, die wissenschaftlich noch hervorra- Austritte zu verkraften. Der Unterschied zu Die Akademie erfor- gend unterwegs sind, aber an den Univer- früher ist, dass man sich heute sehr schnell dert Engagement. » sitäten aus Altersgründen keinen Platz an die Medien wendet und sich als Märty- mehr finden, im Rahmen von Akademiepro- rer verkaufen möchte. Wenn in erpresse- fessuren die Möglichkeit erhalten, auch rischer Weise gedroht wird, aus der ÖAW nach der Emeritierung noch wissenschaft- auszutreten, wenn eine bestimmte Person lich weiter zu arbeiten. Deren Qualität wird nicht zum Mitglied gewählt würde, dann dran gemessen, ob sie in der Lage sind, spricht dies für ein falsches Verständnis Drittmittel einzuwerben. Ich möchte ab- von Demokratie. Man fördert nicht die Wahl schließend noch einmal betonen: In der der besten Leute in die Akademie, indem Akademie zu sein, ist eine Auszeichnung. man andere zu erpressen versucht. Man Das soll und wird so bleiben und soll nicht muss sich hingegen aktiv für die Kandida- schlecht geredet werden. Man muss aber tinnen oder Kandidaten einsetzen und die akzeptieren, dass nicht jeder bzw. jede Mit- eigene Glaubwürdigkeit durch Mitarbeit in glied der Akademie sein kann. der Akademie und Präsenz stärken.

» Bernhardt: In der letzten Zeit gab es drei » Bernhardt: Wo sehen Sie den Auslöser Austritte aus der Akademie. So ein Schritt für solche Entwicklungen? ist zweifellos als Manifestation einer Kri- tik zu sehen, die über Teilbereiche sehr » Denk: Das sind Attacken, weil man mit vehement formuliert wurde. Ohne auf die verschiedenen Dingen einzelnen Inhalte eingehen zu wollen, wie nicht zufrieden ist. Bei gehen Sie mit der Kritik und den Austrit- den ausgetretenen ten um? Personen hat es Panoptikum » Interview: Helmut Denk

» Man fördert nicht die Wahl der besten Leute in die Akademie, indem man andere zu erpressen versucht. « Helmut Denk

» Das ist für uns auch ein Kriteri- schnittsalter zu drücken. Die Idee der ist nur eine sehr kleine Gruppe, die offen- um bei korrespondierenden Mit- „Young Academy“ gibt es auf der ganzen sichtlich besonderes Interesse an Gremien- gliedern, wenn es um ihre eventu- Welt, nur mit wesentlich geringeren Be- arbeit hat und den Wirbel macht. Den Be- elle Wahl zu wirklichen Mitgliedern geht. fugnissen als bei uns. Grundsätzlich griff der sogenannten „Jungen Kurie“ sollten sich junge Wissenschafterinnen möchte ich ebenfalls kritisch hinterfragen. » Bernhardt: Wie verhält es sich mit der und Wissenschafter in einer Akademie Unter „jung“ verstehe ich etwas anderes. Jungen Kurie? Auch sie hat sich relativ oft autonom Gedanken machen, wie die Wis- Ich darf (frei) Martin Luther zitieren: „Wer kritisch zu Wort gemeldet. senschaft in der Zukunft ausschauen und mit 20 nicht schön, mit 30 nicht stark, mit die Interaktion zwischen Wissenschaft 40 nicht klug, mit 50 nicht reich, der gebe » Denk: Die Junge Kurie sollte junges und Gesellschaft gefördert werden kann, auf sein Hoffen.“ Wir mussten mit aller Blut in die Akademie bringen. Ich persön- anstatt sich vorwiegend in Gremienarbeit Kraft die Erfüllung des Wunsches verhin- lich hielte es für besser, dies über Wahlen und administrativen Details wie Statuten dern, dass die Mitgliedschaft in der Junge zu korrespondierenden und wirklichen und Geschäftsordnung zu verzetteln. Un- Kurie über das 50. Lebensjahr hinausgeht. Mitgliedern zu erreichen und dabei mehr sere Junge Kurie hat – im Gegensatz zu Ab 40 ist bei mir in der Wissenschaft nie- auf das Alter (und auch auf das Ge- dem, was in den Medien fälschlich be- mand mehr jung und damit Nachwuchswis- schlecht) zu achten. Ich halte wenig von hauptet wurde – wesentlich mehr Rechte senschafter. Atypische Karriereverläufe, dem Versuch einer als jede andere Young Academy weltweit: Kindererziehungszeiten, sind davon natür- Verjüngung, in- sie wählt autonom ihre Delegierten in die lich ausgenommen. dem man über Gesamtsitzung und den Akademierat, die die Institution dann auch aktiv an der Wahl des Präsidi- » Bernhardt: Was sagen Sie zu dem Vor- einer „Jun- ums teilnehmen. Der einzige Bereich, wo wurf, die Akademie schätzt ihre Junge Ku- gen Kurie“ sie nicht mitwählen dürfen, ist die Wahl rie nicht? Personen der wirklichen Mitglieder. Wir sind der auf Zeit auf- Meinung, dass man nicht ohne weiteres » Denk: Lassen Sie mich mit einem Stim- nimmt, um mitwählen darf, wenn es um etwas geht, mungsbild antworten: Die Akademie hat das Durch- was man selbst noch nicht erreicht hat. der Jungen Kurie zu Beginn meiner Amts- zeit garantiert, in den kommenden Ge- » Bernhardt: Wo- samtsitzungen Vorträge zu halten, um ih- her kommt dann re wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Unruhe? Visionen einbringen zu können. Im ersten Jahre kam kein einziger Vortrag zustande. » Denk: Der al- Im Ganzen hatten wir bis jetzt drei Vor- lergrößte Teil der träge von Mitgliedern der Jungen Kurie. J u n g e n K u r i e Ähnlich erging es mir bei dem Versuch, macht den Wirbel das neugewählte Präsidium den Mitglie- nicht mit. Dieser Teil dern der Jungen Kurie vorzustellen, um arc S eumenicht / M arc beschäftigt sich vorwie- zu diskutieren, wozu wir da sind und wo-

gend mit Wissenschaft. Es zu die Junge Kurie da ist. Das sind im- © FWF Panoptikum » Interview: Helmut Denk

merhin ca. 70 Mitglieder, auch wenn man » Bernhardt: Sie sind Emeritus, haben eine bessert. Es ist ein Full-Time-Job, der immer nur sehr wenige sieht. Das war beeindruckende wissenschaftliche Vita. Bit- mich die ganze Woche an Wien bindet. recht schwierig, mir wurde von einem te nicht als Polemik zu verstehen: Warum Als Emeritus wollte ich aber der Akade- Vertreter des „Direktoriums“der jungen tun Sie sich das an? mie, die ich außerordentlich schätze und Kurie sogar vorgeworfen, das Direktori- der ich sehr verbunden bin, etwas zu- um als Leitungsorgan unterlaufen zu wol- » Denk: Diese Frage stelle ich mir oft rückgeben. Ich empfinde meine derzei- len. Nach langem hin und her wurde dann und meine Frau noch viel öfter. Ich war tige Aufgabe trotz aller Schwierigkeiten ein Meeting von der Jungen Kurie an mit Leib und Seele Pathologe, vor mei- als spannend und notwendig. Die Wahl einem Samstag in Neusiedl am See orga- ner Emeritierung hätte ich mir das nie zum Mitglied ist für mich immer noch nisiert und das Präsidium zwei Tage vor- angetan, weil ich mit der Pathologie zu ein Zeichen dafür, dass die eigene wis- her informiert. Die anderen Präsidiums- sehr beschäftigt war und ein sehr großes senschaftliche Qualität von anderen ge- mitglieder konnten wegen der Kurzfri- Universitätsinstitut zu leiten hatte. Auch schätzt wird. stigkeit nicht teilnehmen. Ich bin dann wäre es von Graz aus nicht machbar ge- 250 km von Graz nach Neusiedl gefahren, wesen. Meine Lebensqualität hat sich » Bernhardt: Herzlichen Dank für das um dort wenig mehr als 10 % der Mit- durch meine Tätigkeit wahrlich nicht ver- Gespräch. glieder vorzufinden.

» Bernhardt: Deutliche Worte in Richtung » Man darf nicht immer fragen, was die der Jungen Kurie … Akademie für einen tun kann, sondern was man » Denk: Ja. Zu einem sehr großen Teil sind selbst für die Akademie leisten kann. « Helmut Denk in der Junge Kurie großartige Wissenschaf- terinnen und Wissenschafter vertreten. Aber sie haben ganz offenbar andere Inte- ressen, beschäftigen sich richtigerweise mehr mit ihrer Wissenschaft. Dann haben » Helmuth Denk, geb. 1940, studierte Medizin an der Universität Wien, wir leider die paar „Apparatschiks“, die uns promovierte sub auspiciis im Jahr 1964 und arbeitete zunächst als In- das Leben schwer machen. Gerade von der ternist an der Universität Wien, bevor er sich der Pathologie zuwandte. Jungen Kurie, wenn ich das noch kritisch 1974 habilitierte er sich im Fach Allgemeine und Experimentelle Pathologie, anmerken darf, wird eine sogenannte „Fire- drei Jahre später zusätzlich im Fach Pathologische Anatomie. 1977 wurde er wall“ zwischen der Gelehrtengesellschaft Professor für Pathologie am Klinischen Institut für Pathologie der Universität und dem Forschungsträger gefordert, um Wien. 1983 wurde er an die Universität Graz, Lehrstuhl für Pathologische zu verhindern, dass die Mitglieder der Ge- Anatomie, berufen; er leitete das Institut für viele Jahre und emeritierte lehrtengesellschaft zu sehr in die Bereiche schließlich 2008. Prägende Zeiten im Ausland waren insbesondere die Jahre des Forschungsträgers hineinreden. Tat- an der Mount Sinai School of Medicine, New York und in Yale. Helmut Denk sächlich sind es aber die Vertreter der Jun- war von 1991 bis 1997 Vizepräsident des FWF. Seit 2009 ist er Präsident der gen Kurie selbst, die diese „Firewall“ konti- Österreichischen Akademie der Wissenschaften. nuierlich durchbrechen wollen.

FWFinfo81» 39 PANOPTIKUM » International ausgezeichnet

ERC Advanced Grant für Meinrad Busslinger

Kippschalter in der Zellentwicklung

» In den 1970er Jahren revolutioniert die Technik der Gen- unterdrückt gleichzeitig alternative Entwicklungswege. Mutati- klonierung die Biowissenschaften. Die moderne molekular- onen im Gen von Pax-5 können bestimmte Formen von Leukä- biologische Forschung ist geboren. Die Pioniere dieser mie auslösen. Weitere Forschungen sollen eine systematische Entwicklung forschen in Zürich: und Charles Weiss- Analyse aller Transkriptionsfaktoren und damit ein Verständnis mann. Der junge Schweizer Meinrad Busslinger studiert ebendort der Regulierung der B- und T-Zellendifferenzierung ermögli- Biochemie und ist von ihren Vorlesungen und Forschungsarbeiten chen. Dann sollen auch die Störungen dieser Differenzierung beeindruckt. Die beiden Schweizer Wissenschaftsgiganten üben und die damit bedingte Entstehung von Blutkrebs erklärt wer- großen Einfluss auf seine wissenschaftliche Karriere aus. den können. In seiner Doktorarbeit im Bereich Molekularbiologie erforscht Busslinger die Embryonalentwicklung beim Seeigel. Im Labor Top-Auszeichnung ­können Embryonen dieses Tieres in großen Mengen synchron Für seine Arbeit erhielt der Senior-Gruppenleiter am IMP Anfang ­gezüchtet werden. Er identifiziert die regulatorischen Elemente der des Jahres einen der begehrten ERC Advanced Grants, mit denen Seeigelhistongene mittels DNA-Sequenzierung und Sequenzver- die EU risikoreiche Spitzenforschung fördert. „Eine schöne Aner- gleichen. „Die DNA-Sequenzierung war zu diesem Zeitpunkt gera- kennung für mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. de erfunden und deshalb topmodern“, erinnert sich Busslinger. Es zeigt uns, dass unsere Forschung von großem internationalem Interesse ist“, freut sich Busslinger. Die Mittel dieses Grants er- Programmierung im Erbgut möglichen ihm z. B. teure Genom-weite Sequenzierungsexperi- Als Busslinger 1987 Max Birnstiel nach Wien folgt, wo dieser das mente zu finanzieren, „die heute notwendig sind, um in Topjour- neu gegründete Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie nalen publizieren zu können. In den nächsten fünf Jahren können (IMP) leitet, hat er das Modellsystem des Seeigels bereits ersetzt wir ein Projekt realisieren, das große personelle und technische durch blutbildende Stammzellen. Der Vorteil: Sie können sich Anforderungen stellt“, erzählt Busslinger. So kann er mit dem über diverse Zwischenstufen in das gesamte Spektrum der Im- Geld weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstellen, die er munzellen entwickeln. für seine Arbeit als besonders wichtig sieht. „Bioinformatiker er- Wesentlich für das erworbene Immunsystem des Menschen sind möglichen beispielsweise den experimentellen Forschern, die Ge- B- und T-Lymphozyten. Mittels ihrer vielfältigen Rezeptoren nom-weiten Sequenzdaten auszuwerten und daraus Hypothesen können sie bei einer Infektion Viren, Bakterien und andere Mi- abzuleiten.“ kroben bekämpfen. So schützen sie den Körper täglich vor ne- gativen Auswirkungen von außen. Diese Lymphozyten entste- Pionierforschung hen im Knochenmark aus blutbildenden Stammzellen, die sich Mit den Advanced Grants und den Starting Grants des Europä- immer weiter spezialisieren. Die Programmierung auf das B- ischen Forschungsrats hat die EU im 7. Rahmenprogramm für oder T-Zellschicksal wird von sogenannten Transkriptionsfak- Forschung 2007 eine neue Förderkategorie eingeführt, um erst- toren im Erbgut reguliert. Welche dieser Faktoren für die B-Zel- mals grundlagenorientierte Pionierforschung aller Wissen-

lentwicklung verantwortlich sind, das ist der Forschungsgegen- schaftsdisziplinen mit insgesamt 7,51 Mrd. € (2007 – 2013) zu D ieter N agl stand von Meinrad Busslinger. Einen Regulator konnte Busslin- fördern. Bei den ERC Advanced Grants handelt es sich um eine

ger bereits identifizieren: Pax-5 startet das B-Zellprogramm und der höchstdotierten Förderschienen in der europäischen For- © I M P/

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schungsförderlandschaft. Mit den Mitteln werden herausragende Doktoratskolleg und bereits etablierte Wissenschafterinnen und Wissenschafter Als Leiter eines internationalen Doktorandenprogramms am Vienna gefördert, deren Projekte die Grundlagenforschung entschei- Biocenter macht es ihm „viel Spaß, junge Wissenschafterinnen und dend vorantreiben. Bei der vierten Ausschreibung 2011 bewar- Wissenschafter auszubilden und mit ihnen zusammenzuarbeiten“. ben sich insgesamt 2.284 Forscherinnen und Forscher. In einem Er sieht seine Funktion als Mentor darin, sie zu begleiten, damit sie zweistufigen Begutachtungsverfahren evaluieren unabhängige später selbstständig ihren wissenschaftlichen Weg gehen können. Expertinnen und Experten die Qualität der Bewerberinnen und An diesem Programm nehmen Doktorandinnen und Doktoranden Bewerber und das innovative Potenzial der Anträge. von vier Instituten teil: dem IMP, dem IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie), dem GMI (Gregor Mendel Institut für Molekulare IMP am erfolgreichsten Pflanzenbiologie) sowie den MFPL (Max F. Perutz Laboratories). Mit Busslinger haben bereits sechs Wissenschafter des IMP eine ERC-Förderung erhalten. Damit ist das IMP in Österreich eines Wenn Zeit bleibt der erfolgreichsten Forschungsinstitute beim Einwerben von ERC Neben seiner Forschung und seinen vielen beruflichen Verpflich- Grants. Die Voraussetzung für diesen Erfolg sieht Busslinger in tungen bleibt dem Familienvater wenig Freizeit. Die verbringt er der guten finanziellen Ausstattung des Instituts: „Dadurch können am liebsten beim Skifahren oder Wandern mit der Familie. Hin wir Spitzenforschung auf höchstem Niveau betreiben und unsere und wieder geht sich auch noch ein Konzert- oder Theaterbesuch bahnbrechenden Resultate in Topjournalen veröffentlichen. Die aus. Seinem Interesse für fremde Länder und Städte versucht er international anerkannte Leistungsbilanz unseres Instituts zieht nicht nur im Rahmen wissenschaftlicher Kongresse, sondern auch junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus allen Teilen in den Ferien nachzugehen. « [Margit Schwarz-Stiglbauer] der Welt an.“

Liebe zur Biologie » Meinrad Busslinger ist Senior Scientist am IMP Bereits in der Zeit im Schweizer Gymnasium interessierte Buss- in Wien. Der Schweizer studierte Biochemie an der linger sich für Biologie, Physik, Chemie und Mathematik. Er stu- ETH Zürich und schloss mit einem Doktorat in Mo- dierte Biochemie an der ETH Zürich und schloss mit einem Dok- lekularbiologie an der Universität Zürich ab. Nach einem torat in Molekularbiologie an der Universität Zürich ab. Zu Be- Forschungsaufenthalt in London war er vier Jahre lang ginn des Studiums war ihm sein Bild von der Wissenschaft noch Gruppenleiter an der Universität Zürich. 1987 berief ihn unklar, aber „wie die meisten Biologiestudenten habe ich davon Max Birnstiel als Senior Scientist an das neu gegründete geträumt, dass ich mit meiner zukünftigen Forschung einen wich- IMP. Busslinger ist ao. Professor an der Universität Wien, tigen Beitrag zur Medizin leisten könnte“, erinnert sich der heute Wittgenstein-Preisträger 2001, wirkliches Mitglied der 59-Jährige. Was ihn nach wie vor an seiner Arbeit motiviert und ÖAW und Director of Academic Affairs am IMP. Seit 1993 fasziniert? „Forschungsarbeit ist sehr vielfältig und nie repetitiv. leitet er das internationale Doktorandenprogramm des Sie ermöglicht mir und meinem Team, jederzeit neue Entde- Vienna Biocenter. Er ist Vater eines Sohnes, der mittler- ckungen auf dem Gebiet der Immunologie zu machen“, beschreibt weile ebenfalls als Wissenschafter tätig ist. der leidenschaftliche Wissenschafter.

FWFinfo81» 41 Panoptikum » Persönliche Paradigmen

Der Ozeanograph und Wittgenstein-Preisträger 2011 Gerhard Herndl im Gespräch mit dem Wissenschaftshistoriker und -theoretiker Friedrich Stadler: über den Umgang mit echten und vermeintlichen Katastrophen, Erwartungshaltungen in der Öffentlichkeit sowie den Gefahren von Deep Sea Mining. Redaktion: Marc Seumenicht Unbekannte Tiefsee

» Friedrich Stadler: Wie kommt einfach glücklich, Forschung betreiben zu Nach wie vor erarbeite ich Themen im inten- man in der Alpenrepublik zur können. Mehr hat mich nicht interessiert. siven Kontakt mit meinen Studenten. Danach Meeresforschung? bin ich nach Holland gegangen, ein Sprung » Stadler: Dann kam der Schritt ins Aus- ins kalte Wasser. Ich bin vom Assistenten » Gerhard Herndl: Schon in meiner Kind- land ... zum Abteilungsleiter geworden, das war heit faszinierten mich die Geheimnisse des schon „krass“. Mir persönlich hat diese Er- Meeres in den Geschichten von Jacques » Herndl: Ja, zunächst in die USA. Nachdem fahrung unglaublich viel gebracht. Ich habe Cousteau. Das war für mich die ideale Kom- ich durch meine Publikationen aufgefallen am dortigen Meeresinstitut sehr viel gelernt, bination aus Biologie und Abenteuer. Diese war, bekam ich eine Einladung an die Scripps sowohl in Bezug auf den Umgang mit Leuten Faszination eines 10-Jährigen wurde von Institution of Oceanography in San Diego, in einer Arbeitsgruppe als auch fachlich. meinem Vater, der Hobby-Ornithologe war, Kaliformien. Das war unglaublich stimulie- gefördert. So kam ich zu meinen ersten Was- rend und hat mir gezeigt, wie man mit Stu- » Stadler: Sie haben 2010 den ERC Advanced serflöhen in Gurkengläsern. Für mich war denten interagieren kann. In Wien kam man Grant und im Jahr darauf den FWF-Witt- der Weg zur Meeresbiologie klar. bei Rupert Riedl nur bis zur Sekretärin, von genstein-Preis erhalten. Was machen Sie Nach Abschluss meines Stu- der bekam man zwei Wochen später einen mit dem vielen Geld? diums in Wien habe ich Termin. In den USA war die Tür des Profes- mich dann mit Projekten sors – meist – offen, dann hat man einfach » Herndl: Viel ist in diesem Fall relativ. Meine und Stipendien einige reingehen dürfen und Fragen stellen – eine Forschung ist immer an ein Schiff gebunden, Jahre „über Wasser ge- vollkommen andere Wissenschaftskultur und und Forschungsschiffe kosten für einen Mo- halten“. Ich war jung -struktur. Als ich zurück an die Universität nat etwa 400.000 €. Da geht also schon ein- und begeistert von Wien kam, habe ich versucht, den amerika- mal ein großer Teil der Mittel rein. Der Rest der Wissenschaft und nischen Ansatz bestmöglich weiterzuführen. fließt in Anstellungen von Postdocs und PhD-

» Friedrich Stadler ist seit September 2005 Referent des FWF-Kuratoriums für das Wissensge- biet Philosophie/Theologie. Er ist Professor für History and Philosophy of Science an der Uni- versität Wien (Joint Appointment an der historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät und an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft). Begründer und seitdem wissen- schaftlicher Leiter des Instituts Wiener Kreis. Gastprofessuren an der Humboldt-Universi- tät Berlin und an der University of Minnesota (Minneapolis), zuletzt 2006/07 Fellow am Helsinki Collegium for Advanced Studies der Universität Helsinki. Seit Oktober 2009 Präsident der European Philosophy of Science Association (EPSA). Publikationen zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie sowie zur Intellectual History arc S eumenicht, i tockphoto / M arc (Exil und Wissenschaftsemigration) und historischen Wissenschaftsforschung. © FWF Panoptikum » Persönliche Paradigmen

Studenten sowie in ebenfalls sehr kostenin- sen, gewisse Fakten. Zu diesen Fakten kom- » Stadler: Wie geht man mit den Erwar- tensive Verbrauchsmaterialien. Gerade die men dann Bilder und Szenarien, die man tungshaltungen der Medien und der Öffent- molekularbiologischen Analysen gehen sehr dann entwickeln können muss. Erst dann lichkeit um? Wie sehen Sie die verschie- ins Geld. Die ERC- und Wittgenstein-Mittel plant man Experimente, um dies zu tes­ten denen Ökobewegungen? geben mir eine gewisse Bewegungsfreiheit, oder zu falsifizieren. Dafür braucht man ein manchmal kann man sogar etwas probieren. Gefühl, wie die Natur funktioniert. Das ver- » Herndl: Ich fühle mich nicht als Greenpeace- Das geht bei einem „kleinen“ Projekt nicht. mittle ich auch meinen Studenten. Man kann Aktivist. Die erfüllen eine wesentliche Rolle in nicht alles im Computer nachschauen. der Sensibilisierung der Bevölkerung und der » Stadler: Manchmal bekommen Sie und Ihr Schärfung des Umweltbewusstseins – eine Team aber auch Gegenwind zu spüren, wenn » Stadler: Wo würden Sie sagen – am aktu- ganz wesentliche Funktion. Aber sie übertrei- ich die Berichte zur Marine-Snow-Bildung lese. ellen Beispiel von Fukushima oder dem Golf ben, das müssen sie auch. Ich sehe die Rolle von Mexiko –, dass Gefahr im Verzug ist? eines Wissenschafters nicht darin, Politik zu » Herndl: Im Nachhinein kann ich über diese machen, sondern Fakten und Wissen mög- Geschichte lachen. Marine Snow, die Schleim­ » Herndl: Das ist ein schwieriges Thema. Die- lichst objektiv darzustellen. Ein Problem, das aggregationen in der Wassersäule in 5–10 se beiden Katastrophen sind auf ökosystema- die Umweltbewegungen irgendwann haben Meter Tiefe, ist mir beim Tauchen in der Adria rer Ebene „Point Disturbances“, etwas, das lo- werden – und auch Kollegen von mir – ist, im Sommer aufgefallen. Nachdem es dazu kal wirkt und lokal ein Desaster ist. Für das wenn man pausenlos Kassandra schreit und keine Publikationen gab, wollte ich mir das genauer anschauen und habe ein Projekt da- zu gestartet. Aktuell wurde das Thema im Jahr » Man braucht ein Gefühl, wie die Natur darauf, als die Aggregationen an die Wassero- berfläche kamen und als Schleimschicht auf funktioniert. Man kann nicht alles im Computer dem Wasser trieben. Das wurde klarerweise nachschauen. « Gerhard Herndl zu einem massiven Problem im Tourismus. Unsere, auch in der Presse erschienenen, Schlussfolgerungen, wo wir schlüssig zeigen Gesamtfunktionieren des Ökosystems ist es jedes zweite Jahr ein Katastro- konnten, woher das kommt, hatten in Kroa- belanglos. Das den Medien oder der Öffent- phenszenario malt, welches tien hohe Wellen geschlagen und die erste lichkeit so zu sagen, ist schwierig und proble- dann natürlich nie so ein- Sitzung des damals neu gegründeten Staates matisch. Ich kenne das seit dem Marine Snow, tritt. Da wird man un- Kroatien hatte sich mit unserer Forschung be- wo Leute meinten, dass alles Umweltver- glaubwürdig, da folgen schäftigt. Wir arbeiteten damals mit slowe- schmutzung sei. Marine Snow gab es aber einem irgendwann die nischen Forschern zusammen, die mir danach schon vor 150, 200 Jahren, das ist eine kom- Leute nicht mehr. mitteilten, dass ich nicht mehr an ihrer Station plexe Interaktion, völlig losgelöst von Umwelt- arbeiten kann. Also hatte man mich praktisch verschmutzung. Genauso wie in Fukushima » Stadler: Das betrifft ja mit einem Arbeitsverbot belegt. oder im Golf von Mexiko. Das ist natürlich ein auch die Diskussion über Desaster, aber das System kann das durchaus globale Erwärmung » » Stadler: In Ihrem inhaltlichen Schwer- reparieren, und das schneller, als man denkt. punkt, der ozeanischen Erforschung der Im Golf von Mexiko hat sich das bereits ge- Tiefsee im mikrobischen Bereich, untersu- zeigt. Es gibt zwar noch Missbildungen von chen Sie die Aus- und Einwirkungen auf Shrimps, das ist logisch, denn das Öl-Leck fiel das generelle ozeanische System. Wie ge- in ihre sensible Entwicklungsphase, wo sie ei- hen Sie da in ein Projekt hinein? Haben Sie ne gewisse Schadstoffkonzentration abbeka- dazu vorab ein Modell, oder lassen Sie sich men. In fünf Jahren wird das aber weg sein, davon überraschen, was kommt? denn die reproduzieren sich nicht, sie ver- schwinden einfach wieder. Da muss man klar » Herndl: Zuerst braucht man, das ist in der differenzieren. Das so in den Medien unter- Ökologie sehr wichtig, ein gewisses Basiswis- zubringen, ist das Schwierigste. Panoptikum » Persönliche Paradigmen

» und inwieweit das wissenschaft- nismen über teilweise hunderte Generationen dieren – diese Erkenntnis wurde letzten Sep- lich belegt ist. Im Prinzip ist das kei- anpassen werden, kann kein Mensch vorher- tember in Science publiziert. Es gibt also ne rein wissenschaftliche Debatte, sagen. Das entzieht sich dem Experiment, und noch sehr viel zu entdecken. Gegenwärtig sondern stark von der Öffentlichkeit und der darauf muss man hinweisen. Projekte hin zu konzentrieren wir uns auf Wasserstoff als En- globalen Politik beeinflusst. Welche Rolle so einer Erwartungshaltung sind wissen- ergiequellen. Mikroorganismen haben sicher spielt die Erderwärmung in Ihrem For- schaftlich unzulässig. eine höhere Stoffwechseldiversität, als wir es schungsbereich? bisher ahnen. Wir hoffen, die einzelnen Ener- » Stadler: Viele Ergebnisse Ihrer Tiefsee- giequellen nach und nach rausdestillieren zu

» Herndl: Der Anstieg des CO2 in der Atmo- forschung zeigen sich anders als angenom- können, um so das Kohlenstoffbudget erklä- sphäre steht außer Zweifel, ebenso, dass die men. Wie kommt das? ren zu können. Temperatur ansteigt. Auch die Klimamodelle, die einen Anstieg von zwei Grad Celsius – dem » Herndl: Wir kommen in der Tat oft zu Er- » Stadler: Seit Menschheitsbeginn hat das sogenannten „Point of no Return“ – voraussa- gebnissen, die nicht den Erwartungen ent- Meer auch eine mythologische Funktion, gen, werden wohl stimmen. Woran ich aber sprochen haben. In der Tiefsee ist noch zu Projektionen in das Meer gehen weit über zweifle, ist, wie die Natur darauf reagieren vieles unklar. Wenn man zum Beispiel das die Forschung hinaus. Diverse populäre Filme und Dokumentationen zeigten auch noch eine romantisierende Funktion. Spielt „Ein Problem … ist, wenn man pausenlos Kassandra das in Ihrer Arbeit eine Rolle?

schreit und jedes zweite Jahr ein Katastrophen­ » Herndl: Man ist natürlich immer wieder da- szenario malt, welches dann natürlich nie so mit konfrontiert. Ich versuche, dem insofern entgegenzuwirken, als ich an der Uni meinen eintritt. Da wird man unglaubwürdig.“ Gerhard Herndl Studenten nicht gleich von Korallenriffen er- zähle, sondern von Geologie, Chemie und Phy- sik des Meeres. Das Meer wird in Binnenlän- wird. Es wird unbestritten gewisse Ände- Kohlenstoffbudget nachmisst, stimmt es so dern vollkommen anders gesehen als zum Bei- rungen geben – zum Beispiel Niederschlags- nicht. In der Tiefsee haben wir eine wesent- spiel in Holland. Dort ist das Meer trüb, und verteilungen, die wiederum sozioökonomische lich höhere Aktivität, das heißt, es wird mehr man ist eingebunden in den täglichen Diskurs Konsequenzen haben und zu Migrationen füh- organischer Kohlenstoff verbraucht, als von zwischen Sozioökonomie und der Wissen- ren werden. Das scheint logisch. Leider sehr den Oberflächenwassermassen aufgebaut schaft. Da sagt niemand „Meeresbiologie ist schwer möglich ist, experimentell nachzustel- wird. Da sinkt zu wenig in die Tiefe. Da stellt ein toller Beruf“. Da gibt es sogar Fischer, die

len, wie sich dieser schwache Anstieg an CO2 sich die Frage, wo der Fehler ist, denn so mit Leuten vom Meeresforschungsinstitut auf die Umwelt auswirken wird. Experimente kann das nicht funktionieren. Gibt es andere nicht einmal sprechen wollen. Da ist man im sind zu kurzfristig, da nimmt man ein System Energiequellen in der Tiefsee, von denen wir Spannungsfeld von Interessen. In Österreich

und setzt die Konzentration von CO2 von 400 keine Ahnung haben? Wir haben in den letz- wird das Meer als Urlaubsdestination gese- auf 700 ppm. Das entspricht dem Szenario in ten Jahren herausgefunden, dass es in der hen, verbunden mit Ruhe, Meeresrauschen

20 Jahren, passiert im Experiment aber inner- Tiefsee autotrophe Organismen gibt, die CO2 und romantischen Sonnenuntergängen. halb von einem Tag oder weniger Stunden. fixieren. Diese Fixierung ist jedoch 20- bis Mikroorganismen haben jedoch gewisse Fä- 50mal höher, als man durch Ammonium er- » Stadler: Mit Ihrer Kenntnis von Forschungs- higkeiten, die in diesen experimentellen Situ- klären könnte. Wir konnten nachweisen, dass ergebnissen, wo liegen die Probleme und Ge- arc S eumenicht, i tockphoto / M arc ationen nicht nachvollzogen werden können. es Schwefelquellen gibt, welche Schwefel in fahren im Umgang mit dem Meer bzw. der

Den langzeitigen Trend, wie sich diese Orga- Wassersäulen mit ausreichend Sauerstoff oxi- Tiefsee? © FWF

44 »FWFinfo81 Panoptikum » Persönliche Paradigmen

» Wir fahren fort mit einer Technologie, deren Bürde wir den Generationen nach uns überlassen. Man muss einsehen, dass es kein unbeschränktes Wachstum geben kann. « Gerhard Herndl

» Herndl: Ein Reaktorunfall wie in Fukushima rammen kann man als Forscher sehr gut le- Auch die Ökonomie sollte mittlerweile wis- ist ein Anlassfall, der von den Medien präsent ben, aber in Wahrheit wollen die Auftragge- sen und muss einsehen, dass es kein unbe- gehalten wird, wobei gleichzeitig so wenig an ber nicht wissen, wie die Ökologie der Tiefsee schränktes Wachstum geben kann. Informationen transportiert wird, um das Bild funktioniert, sondern die Ausbeutung der Bo- vom totalen Desaster zu wahren. Auf der an- denschätze in der Tiefsee. Es existieren schon » Stadler: Was sind Ihre nächsten Ziele, wo deren Seite sind Langzeitgefahren, mit denen jetzt Prototypen, die ausschauen wie riesige wollen Sie wissenschaftlich noch hin? man täglich lebt, keine Nachricht wert. Ob Mähdrescher, die den Meeresboden im Prin- man Fische aus dem Gebiet um Fukushima zip umgraben und den Schlamm wieder raus- » Herndl: Die Erkenntnis, wie die Tiefsee und essen kann, wird man gefragt. Aber kaum wer schmeißen. Die zerstören die ganze Tiefsee­ ihr Kohlenstoffbudget wirklich funktioniert, fragt, ob man überhaupt Tiefseefische essen fauna, die am Boden sitzt und sich nur sehr würde dazu führen, dass man das Meer – die sollte. Tiefseefische wachsen sehr langsam langsam regenerieren kann. Tiefsee macht über 70 % des Volumens aus – und kumulieren umso mehr Schadstoffe. Ge- mechanistisch versteht. Dann könnte man bes- genwärtig gibt es die Tendenz – da die Küs­ » Stadler: Auch Erdöl wird ja verstärkt in ser modellieren und vorhersagen, wie sich die tenregionen überfischt sind –, verstärkt Tief- der Tiefsee gefördert. Ist das ähnlich pro- Welt und das Klima entwickeln werden. Wenn seefische zu fangen. Das ist wirklich ein blematisch wie das Mining? ich das erreichen kann, wäre ich zufrieden. Desas­ter. Bis so ein Fisch nachwächst, dauert es zehn Jahre. Das ist keine nachhaltige Nut- » Herndl: Das kann man schlecht abwägen. » Stadler: Machen Sie Urlaub am Meer? zung. Im kommenden EU-Rahmenprogramm Zwei Dinge sind schlecht, was ist schlech- „Horizon 2020“ ist „Deep Sea Mining“ als ter? Deep Sea Mining ist noch schädlicher, » Herndl: Nein, ich bin jetzt im Sommer wie- eines der großen Forschungsprojekte ge- weil es den Meeresboden langfristig und der einen Monat im Atlantik am Forschungs- nannt. Auch das ist ein Desaster. Bisher hatte nachhaltig zerstört. Man muss generell um- schiff. Wenn man dann nach Hause kommt, man es nicht nötig, Rohstoffe aus dem Tief- denken. Man kann noch weiter Öl und ande- fahrt man nicht ans Meer seeboden zu holen, da man es anders billiger re Bodenschätze fördern, es wird halt auf- auf Urlaub. bekam. Aber nun gehen sie aus und man wändiger und kostspieliger. Aber wir fahren schaut auf den Tiefseeboden. Das ist eine fort mit einer Technologie, deren Bürde wir » Stadler: Herz- wirkliche Gefahr. Indien hat zum Beispiel ein den Generationen nach uns überlassen. Als lichen Dank für Riesenprogramm zur Erforschung der Tief- Ökologe muss ich sagen, dass das so nicht das Gespräch. see. Von diesen sogenannten Forschungspro- funktionieren kann, das ist nicht nachhaltig.

» Gerhard Herndl ist Professor für Meeresbiologie an der Universität Wien. Herndl promovierte 1982 im Fach Zoologie an der Universität Wien und war von 1983 bis 1997 wissenschaft- licher Mitarbeiter bzw. Assistenzprofessor am Institut für Zoologie der Universität Wien. Unterbrochen wurde diese Zeit von einem zweijährigen Forschungsaufenthalt 1988/89 am Scripps Institution of Oceanography, University of California at San Diego. Im Jahr 1997 wurde Herndl zum Leiter des Departments für Biologische Ozeanographie am Königlich Niederlän- dischen Institut für Meeresforschung bestellt. 1999 wurde er auch Professor für Biologische Ozeanographie an der Universität Groningen. 2008 erfolgte die Rückkehr an seine Alma mater, die Universität Wien. Seit 2009 ist Gerhard Herndl darüber hinaus „Adjunct Senior Scientist“ am Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung. Panoptikum » Unterwegs

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Honolulu, USA Susanna Zierler 4 „Aloha from Hawaii“ Around the World info-Magazin 68

Tel Aviv, Israel » Wissenschaft ist international – Townsville, Australien 5 Gernot Greschonig und so ist es auch mit den Wis- 1 Birgit & Florian Schlick-Steiner „Topologische Dynamik in der senschafterinnen und Wissen- „Down Under“ weißen Stadt“ schaftern. Der FWF ermöglicht info-Magazin 65 info-Magazin 69 es, mit dem Erwin-Schrödinger-Pro- gramm wichtige Erfahrungen im Aus- Porto, Portugal Cambridge, Großbritannien land zu sammeln – optimalerweise als Christian Almeder Chukwuma Allison Agu Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen 6 „Portugal, Portwein, „Cambridge“ Karriere. In der autobiografischen Reihe 2 Produktionsplanung“ info-Magazin 66 „Unterwegs“ schildern Stipendiatinnen info-Magazin 70 und Stipendiaten dieses Programms ihre Erlebnisse. Seit dem Relaunch des info- New York, USA Bordeaux, Frankreich Magazins Anfang 2008 sind so bereits Daniela D. Pollak Birgit Englert 7 16 eindrucksvolle wie spannende Erleb- 3 „I New York“ „Bonjour, Habari Gani“ nisberichte zusammengekommen. « info-Magazin 67 info-Magazin 71 © Privat

46 »FWFinfo81 Panoptikum » Unterwegs

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Auf der Website des FWF finden Sie alle info-Aus- gaben seit 2001 zum 11 Durchblättern: www.fwf.ac.at/de/

16 public_relations/ ! printprodukte/info

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Pisa, Italien / Toronto, Kanada Armin Rainer 8 „Wo Bäume im Wasser stehen“ info-Magazin 72

Edingburgh, Schottland San Francisco, USA Harald Berger 13 Laura Milan-Lobo 9 „Inspiration & Vielfalt“ „The City by the Bay“ info-Magazin 73 info-Magazin 77

Christchurch, Neuseeland Jyväskylä, Finnland Martina Paumann-Page 10 Michael Ruggenthaler „Kia Ora from Aotearoa – „Itävallasta Jyväskylään – 14 1 Land of the Long White Cloud“ von Österreich nach Jyväskylä“ info-Magazin 74 info-Magazin 78

Uppsala, Schweden Barcelona & Madrid, Andreas Mauracher 15 Spanien 11 „Auf einen Torsdagsfika“ Stefan Janecek 10 info-Magazin 75 „Unterwegs in Barcelona & Madrid“, info-Magazin 79 Oaxaca, Mexiko Judith Schacherreiter Amsterdam, Niederlande 12 „Irritationen, Perspektiven- René Sedmik wechsel und Umdenkprozesse“ „Onderweg in Amsterdam“ 16 info-Magazin 76 info-Magazin 80

FWFinfo81» 47 EVENT » STAWI-Sommerfest

Am 12. Juni 2012 lud der FWF zum START-/Wittgenstein-Sommerfest im Garten des Palais Clam-Gallas. Ein gelungener Abend mit einer großen Portion „Wetter-Masel1“. Text: Stefan Bernhardt Nichts für schwache Nerven

» Wer den Wetterbericht der Jeder Mensch, der sich mit Vorbereitungen ausrücken, um Keller auszupumpen oder Zentralanstalt für Meteorologie für Aktivitäten in der Natur beschäftigt, Wege wieder passierbar zu machen. Alles und Geodynamik für den 12. Juni kann bestätigen, dass sich die Güte der das fand am Abend des 12. Juni in meteoro- 2012 studiert hatte und immer noch über- Wettervorhersagen in den letzten Jahren logischer Hinsicht statt, aber eben nicht im zeugt war, dass ein Sommergartenfest an und Jahrzehnten effektiv verbessert hat. Ist neunten Wiener Gemeindebezirk, nicht im diesem Tag eine gute Idee sei, der war das Wetter schlecht prognostiziert, wird es Alsergrund, nicht über dem prachtvollen entweder ein unverbesserlicher Optimist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch Ambiente des Gartenpalais Clam Gallas, oder ein Sachzwang-getriebener Neuroti- tatsächlich so sein. Das kann und wird sich Sitz des französischen Kulturinstituts. Zu- ker, der – ob der gelaufenen Vorberei- auf das Gemüt des Organisationsteams gegeben, ab 22:00 Uhr gab es Regen, der tung – auf stur und Autosuggestion schal- eines Gartenfestes auswirken, keine Frage. war aber weder heftig noch besonders un- ten musste. Wer aber an dieser Stelle erwartet, es folge angenehm – schließlich gab es ja neben Aber, machen Sie sich selbst ein Bild: ein ZAMG-Bashing der billigen Art, der dem prachtvollen Garten ein großzügiges „Nach einem zumindest zeitweilig son- muss enttäuscht werden. Es sei festgehal- Festzelt und das Foyer des Palais als Plätze, nigen Start in den Tag, nur vereinzelt gibt ten: Die Wetterprognose stimmte, sie war an denen es sich zu später Stunde ange- es schon kurze Regenschauer, bilden sich in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht akku- nehm verweilen ließ. rasch dichte Wolken, die ab den Nachmit- rat, leider. Es gab sie, die langanhaltenden tagsstunden in teils kräftigen Regen- Regenschauer (Stichwort „Starkregen“), es Auf der Wetterglücksinsel schauern und Gewittern enden. Der Wind zogen in der Ostregion tatsächlich heftige Letztes Jahr war dem FWF-Sommerfest weht schwach bis mäßig aus unterschied- Gewitter, begleitet von heftigen Sturmböen wetter-technisch eine sehr stabile Hoch- lichen Richtungen. Die Temperatur steigt und kräftigen Schauern, übers Land. Dem druck-Schönwetterphase gegönnt – ein

auf maximal 22 °C.“ Vernehmen nach mussten Feuerwehren Sommerfest im Garten im besten Wort- Simlinger © FWF / Wolfgang

48 »FWFinfo81 1) „Masel“: aus dem Jiddischen, ein im Wiener Dialekt gebräuchliches Wort für Glück EVENT » Stawi-Sommerfest

sinne. Aber auch heuer können wir festhal- festes zu Ehren der neu in das START-Pro- kann, worüber man sprechen möchte, für ten: Es war kein wetterbedingtes Gartenfest gramm aufgenommenen Nachwuchsspit- deren leibliches Wohl gesorgt war und de- im Zelt; es war wider Erwarten heuer tat- zenforscherinnen und -spitzenforscher so- nen ein Programm geboten, nicht aber auf- sächlich ein Sommerfest im Garten im und wie der diesjährigen Wittgenstein-Preisträ- gedrängt wurde. rund ums Zelt. Zugegeben, die Tempera- ger – waren im besten Wortsinne auf einer turen waren gedämpft, aber keineswegs Wetterglücksinsel angekommen. Slackline bis Physikmobil unangenehm. Wir hatten offensichtlich das Das START- / Wittgenstein-Sommerfest, wie große Glück, dass die Regenfronten und Entspanntes Get-together es vor zwei Jahren erdacht wurde, besteht Gewittertürme hin- und hergeschoben wur- Und so wurden aus den Wetterprognose- im Wesentlichen aus drei Teilen, die im Ide- den; entladen haben sie sich am Abend de- bedingten 150 bis 200 erwarteten Gästen alfall so glatt und reibungslos ineinander finitiv anderswo. eine rund 300 Personen zählende Gäste- übergehen, dass in der Wahrnehmung und Wenn man in unseren Breiten ein Sommer- schar, die mit ihrer guten Laune den Abend Erinnerung der Gäste diese drei Teile zu fest im Garten veranstalten möchte, braucht zu einem stimmungsvollen, entspannten einem Fest an sich verschmelzen. Ab man erstens gute Nerven und zweitens eine Fest unter Freunden, Bekannten und 17:30 Uhr bis zum Festakt ist der Garten große Portion Glück. Wenn man sich auf Gleichgesinnten werden ließ. Zu einem ge- Treffpunkt und Sammelort der Gäste, wobei das Glück verlassen könnte, wäre es ein lungenen Sommergartenfest zählt, dass für alle jene, die mit ihren Kindern zum Leichtes, gute Nerven zu haben. Und wir – man Menschen trifft, die man gerne trifft, Sommerfest kommen, ein Programm mit das Organisationsteam des FWF-Sommer- mit denen man genau über das sprechen einer Reihe von Stationen geboten wird. »

FWFinfo81» 49 EVENT » STAWI-Sommerfest

» Angefangen beim Werkelmann Community schätzt. Dass diese Art der überaus positiv. Kurzum, das Organisati- über Jongleure, eine Kinder- Würdigung bei allen so gut ankommt, hat onsteam kann zufrieden sein und hoffen, schminkstation, einen Karikatu- ursächlich und unmittelbar mit dem Confé- dass es weiter gelingt, Erwartungen eher risten und Portraitzeichner, eine Slackline- rencier, Christoph Kratky, zu tun; unbestä- zu übertreffen denn zu enttäuschen. Station bis hin zu Bernhard Weingartners tigten Gerüchten folgend hat er bei Hans- Physikmobil reichte das Angebot insbeson- Joachim Kuhlenkampf gelernt und dem Aus Büro wird Garten dere für unsere jungen Gäste. Vernehmen nach war der Lehrer mit dem Das START- / Wittgenstein-Sommerfest ist sei- Der zweite Teil des Sommerfests ist die Prä- Schüler – und was aus ihm geworden ist – tens der Geschäftsleitung auch als Anlass ge- mierung der neu in das START-Programm hoch zufrieden. dacht, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- aufgenommenen Wissenschafterinnen und Im dritten, vergleichsweise wieder infor- tern des Wissenschaftsfonds für ihre Arbeit im Wissenschafter sowie der Wittgenstein- mellen Teil schließlich überprüfen die Gäs­ Dienste der Wissenschaften zu danken. Zwi- Preisträger durch Wissenschafts- und For- te (im Sinne der Schwarm-Intelligenz), ob schen dem Palais Clam-Gallas und dem Büro- schungsminister Töchterle, wobei sich die- das Organisationsteam bei der Auswahl des gebäude des FWF liegen Luftlinie geschätzte se Überreichung der Urkunden von ande- Caterers ein glückliches Händchen bewie- 350 Meter und dennoch lagen Welten zwi- ren akademischen Feierstunden deutlich sen hat. Obwohl die einzelnen Stationen – schen der vergleichsweise nüchternen Arbeits­ unterscheidet. Jede neu in das START-Pro- der Wettervorhersage geschuldet – nicht atmosphäre im Haus der Forschung und jener gramm aufgenommene Person erhält mit über den Garten verteilt, sondern unter Stimmung, die dieses FWF-Sommerfest im der Auszeichnung ein kleines, persönlich dem eleganten Säulenvordach des Palais Garten des Palais auszeichnete und zu einem gehaltenes Präsent, das in Verbindung mit Clam-Gallas zusammengezogen waren und wunderschönen, stimmungsvollen Gartenfest, dem Sommerfest und einem kleinen Au- auch die vorbereiteten Picknick-Decken dem FWF-START-/Wittgenstein-Sommerfest genzwinkern unterstreichen soll, wie sehr witterungsbedingt nicht zum Einsatz ka- für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so-

der Wissenschaftsfonds seine (Scientific) men, waren die Rückmeldungen auch hier wie ihre Familien werden ließ. « Simlinger © FWF / Wolfgang

50 »FWFinfo81 EVent » T/V-Feier

Am 7. Mai fand im Audienzsaal des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung die Ehrung der Hertha-Firnberg- und Elise-Richter-­ Stelleninhaberinnen des Jahres 2011 statt. Text: Marc Seumenicht Firnberg|Richter|11

» Im Jahr 2011 wurden insgesamt milien und Freunde ein. Allein die insgesamt Weg stehen. Auch für die Stimmung wäh- 27 Projekte hochmotivierter und ex- elf Kinder der Stelleninhaberinnen zeigten rend der Urkundenüberreichung im Festsaal zellenter Wissenschafterinnen – 16 eindrucksvoll, dass Kinder einer erfolg- und das anschließende Get-together waren in der Programmschiene „Hertha Firnberg“, reichen wissenschaftlichen Karriere nicht im sie eine klare Bereicherung. « elf bei „Elise Richter“ – nach internationaler Begutachtung durch das Kuratorium des FWF bewilligt. Um die besondere Bedeu- tung der beiden Programme entsprechend » Karriereentwicklung für Wissenschafterinnen zu würdigen, fand am 7. Mai 2012 im fest- Bereits seit mehreren Jahren liegt der Frauenanteil bei den Studienab- lichen Rahmen des Audienzsaales im BMWF schlüssen an Hochschulen bei rund 55 %. Ab dieser Karrierestufe sinkt die Urkundenverleihung durch Bundesminis­ der Frauenanteil jedoch rapide: Beim wissenschaftlichen und künstlerischen Per- ter Karlheinz Töchterle und FWF-Präsident sonal an Universitäten liegt der Frauenanteil bei den Mitarbeiterinnen und Mitar- Christoph Kratky statt. beitern bereits bei 39 %, bei den Professuren sind es dann nur mehr 20 %. Auch beim FWF spiegelt sich diese Verteilung wider, nur rund 29 % der entschiedenen Musikalisch begleitet wurde der Festakt von Anträge stammen von Frauen, bei den Bewilligungen sind es gar nur 26 %. Leila Hossein, einer jungen Pianistin aus Wien. Die gebürtige Iranerin setzt sich mit Um hervorragend qualifizierte Wissenschafterinnen, die eine Universitätslauf- ihrer Musik bereits seit längerem für Frauen bahn anstreben, zu unterstützen, bietet der FWF daher die Möglichkeit, im Rah- und gegen Unterdrückung und Intoleranz in men einer zweistufigen Karriereentwicklung insgesamt sechs Jahre Förderung in ihrem Geburtsland ein. Anspruch zu nehmen. Die beiden Programmschienen zur Karriereentwicklung für Wissenschafterinnen orientieren sich dabei nach der jeweiligen Qualifikationsstu- Nach der Urkundenübergabe sprach Elise- fe: Während „Hertha Firnberg“ (seit 1999) Forscherinnen am Beginn ihrer wis- Richter-Stelleninhaberin Sabrina Büttner senschaftlichen Karriere fördert, unterstützt „Elise Richter“ (seit 2005) Wissen- stellvertretend für die an diesem Abend aus- schafterinnen mit dem Ziel der Qualifikation zur Bewerbung um eine in- oder aus- gezeichneten Wissenschafterinnen sehr per- ländische Professur. sönliche Dankesworte und unterstrich noch einmal die Bedeutung der beiden FWF-Pro- » Broschüre Firnberg|Richter|11 gramme. www.fwf.ac.at/de/public_relations/publikationen/publikationen.html Neben den gefeierten Wissenschafterinnen fanden sich im Audienzsaal auch deren Fa-

FWFinfo81» 51 EVENT » AmPuls29 & 30

Herbert Rosenstingl (Li.) und tobias Greitemeyer (Re.) referierten über computerspiele und so- zialverhalten.

Frank madeo bei seinem vortrag über Anti-Aging.

Ein volles Haus zur Sommerpause

» Nach zwei weiteren AmPuls- se statt, Thema des 30. Abends der Serie Team auf Kooperation und Aggression aus- Veranstaltungen im Jahr 2012 war „Computerspiele und Sozialverhalten“. wirkt. Herbert Rosenstingl erklärte, wie der verabschiedet sich das erfolg- Vortragende im Albert Schweitzer Haus wa- typische Computerspieler aussieht, warum reiche Wissenschaftskommunikationsfor- ren Tobias Greitemeyer vom Institut für Computerspiele Spiele sind und was die mat in die Sommerpause. Psychologie der Universität Innsbruck so- Spielenden daran fasziniert. Er legte dar, wie Herbert Rosenstingl, Projektleiter der auf welchen Ebenen die öffentliche Hand in Anti-Ageing – Der Kampf gegen die Zeit Bundesstelle für die Positivprädikatisierung Österreich und anderswo gefordert ist, und Am 2. Mai 2012 fand die 29. AmPuls-Ver- von Computer- und Konsolenspielen im gab einen Überblick der wesentlichen Ju- anstaltung zum Thema Anti-Ageing statt. Bundesministerium für Wirtschaft, Familie gendschutzbestimmungen. Ein kurzer Aus- Vortragender des Abends war Frank Ma- und Jugend. blick zeigte, wo die Forschung noch etwas deo, Professor für Molekularbiologie am Tobias Greitemeyer stellte den aktuellen zu tun hat und welche Chancen die Games Institut für Biowissenschaften der Karl- Forschungsstand zu den Auswirkungen von und Social Games noch bieten könnten. Franzens-Universität Graz. Computerspielen dar. Oftmals wird aus- Frank Madeo ist nicht nur ein universell in- schließlich auf negative Effekte von Com- AmPuls im Herbst teressierter Grundlagenforscher, neben sei- puterspielkonsum hingewiesen. Jedoch Insgesamt drei AmPuls-Vorträge im ersten ner wissenschaftlichen Tätigkeit ist er auch sind abhängig vom Computerspielinhalt Halbjahr 2012 boten wieder einen faszinie- als Romanautor in Erscheinung getreten. auch positive Effekte denkbar. In dem Vor- renden Einblick in die Grundlagenforschung Er erörterte die grundlegenden Theorien trag wurden exemplarisch die Effekte von und ihre möglichen Anwendungen. Nach des Alterns und erklärte diese sowohl an Gewaltvideospielen, Rennspielen und pro- der Sommerpause wird das AmPuls-Format einfachen biologischen Modellen (Hefen, sozialen Computerspielen aufgezeigt. Zu- mit weiteren spannenden Themen aus der Fliegen, Würmer, Mäuse) als auch am Men- dem wurde darauf eingegangen, wie sich Welt der Forschung – am Puls der Zeit – fort- schen. Er beschrieb die rasantesten Alters- das Spielen von Computerspielen in einem gesetzt werden. « [Marc Seumenicht] beschleuniger, hinterfragte die be- kanntesten Anti-Ageing-Märchen und ging auf wissenschaftlich fundierte Strategien ein, die das Altern eventuell verzögern » Der Wissenschaftsfonds FWF veranstaltet die AmPuls-Serie in Kooperati- könnten. In diesem Zusammenhang wur- on mit der Wiener Agentur für Wissenschafts-Kommunikation, PR&D – Pu- den auch Ernährungs- und Verhaltensstra- blic Relations für Forschung & Bildung. AmPuls stellt qualifizierte Informati- tegien diskutiert sowie die psychologischen onen zu Problemen zur Verfügung, die Bürgerinnen und Bürger bewegen – und zu und soziologischen Implikationen des Al- deren Lösung die Forschung aktuelle und zukünftige Beiträge leisten kann. Gleichzei- terns beleuchtet. tig dient AmPuls als Angebot an Vertreterinnen und Vertreter der Forschung, sich mit den Bedürfnissen einer aktiv interessierten Öffentlichkeit enger vertraut zu machen. Computerspiele & Sozialverhalten – Fakten statt Vorurteile » Der FWF-Newsletter informiert über kommende Veranstaltungen: Am 13. Juni 2012 fand schließlich die letzte www.fwf.ac.at/de/public_relations/mailinglist_wissenschafter.html

AmPuls-Veranstaltung vor der Sommerpau- Seumenicht © FWF / Marc

52 »FWFinfo81 call » START-Programm

Auszeichnungen und Preise START-Programm

» Das START-Programm dient der Förderung von in Österreich tätigen promovierten NachwuchswissenschafterInnen, die – gemessen an internationalen Maßstäben – bereits einen herausragenden wissenschaftlichen Werdegang vorzuwei- sen haben und für die Zukunft beträchtliche Leistungen erwarten lassen. START-ProjektleiterInnen sollen sich durch den eigenverantwortlichen Auf- bzw. Ausbau und die Leitung einer Arbeitsgruppe für eine Führungsposition im Wissen- schaftssystem qualifizieren; die selbstständige Auswahl und Betreuung von ProjektmitarbeiterInnen wird erwartet. Der Preis in einer Höhe von bis zu max. 1.200.000 € soll eine finanzielle Absicherung der Forschung über einen Zeitraum von sechs Jahren ermöglichen. Das Programm richtet sich an ForscherInnen aller Fachdisziplinen.

Zielgruppe Höhe Junge SpitzenforscherInnen aller Fachdisziplinen Mind. 800.000 € bis max. 1.2 Mio. € für sechs Jahre

Zielsetzung Antragstellung ForscherInnen soll die Möglichkeit geboten werden, auf » Ausschreibungsbeginn: Juli 2012 längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre » Ausschreibungsende: 20. September 2012 Forschungsarbeiten zu planen. ProjektleiterInnen sollen (Datum Poststempel) sich durch den eigenverantwortlichen Aufbau bzw. Ausbau » auf Englisch und die Leitung einer Arbeitsgruppe für eine Führungsposi- tion im Wissenschaftssystem (insbesondere als Hochschul­ Vergabe lehrerIn im In- oder Ausland) qualifizieren. » Entscheidung durch die Internationale START-/Wittgen- stein-Jury auf Grundlage einer internationalen Begutach- Anforderungen tung und eines Hearings Mindestens zwei bis maximal zehn Jahre nach der Promo- » Juni 2013 tion am Ende der Einreichfrist. Überschreitungen sind » Verleihung durch den Wissenschaftsminister möglich bei Kindererziehungszeiten, nachweislichen Prä- senz- oder Zivildienstzeiten bzw. bei Karriereunterbre- Programmbeschreibung, Antragsunterlagen, FAQs etc. chungen aufgrund schwerer Erkrankungen und bei nach- www.fwf.ac.at/de/projects/start.html weislichen einschlägigen fachspezifischen Ausbildungs- zeiten (z. B. klinische Ausbildungszeiten etc.). » außergewöhnlicher internationaler „track record“ » Nachweis der wissenschaftlichen Selbstständigkeit » ein- oder mehrjähriger vorangegangener Auslandsauf- Hinweis: Mit dieser Ausschreibung wird letztmalig das Zeit- enthalt ist erwünscht fenster für Beantragungen im Rahmen des START-Pro- » Mitglieder der Professorenkurie sind ausgeschlossen gramms zwischen mind. zwei bis max. zehn Jahre nach Pro- motion festgelegt. In der darauf folgenden Ausschreibung Dauer (beginnend Juli 2013) wird das Zeitfenster auf mind. zwei bis 6 Jahre, Zwischenbegutachtung nach drei Jahren entscheidet max. acht Jahre nach Promotion verkürzt. Der Ausschluss über die Fortführung von Mitgliedern der Professorenkurie wird aufgehoben.

FWFinfo81» 53 termine | FWF Intern » Aviso, Personalia

Forschung ahoi!

» „Forschung ahoi!“ heißt es heuer vom 13. bis 24. Septem- ber in Österreich. Im Bauch des Forschungsschiffes, das Ende Mai zu sei- ner großen Tour von Berlin aus aufgebro- chen ist und heuer zum dritten Mal Öster- reichs Bevölkerung zum Ausprobieren, Mitmachen und Mitforschen einlädt: eine interaktive Ausstellung zum Thema Nach- haltigkeit. Österreichs Grundlagenfor- schung ist exemplarisch mit einem For- » MS Wissenschaft 2012: 13.–24.09.2012 schungsprojekt des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capi- » Nähere Informationen unter tal (IIASA, VID/ÖAW, WU) zum Thema www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pa20120605.html Bevölkerungsentwicklung vertreten. Der Aufenthalt der MS Wissenschaft in Öster- » Tourplan MS Wissenschaft reich wird durch den FWF mit Unterstüt- www.fwf.ac.at/de/public_relations/event-info/ms-wissenschaft-2012.html zung des BMWF ermöglicht. « Open-Access-Tage

» Die Veranstaltung richtet sich an Open-Access-Fachleute aus » 6. Open-Access-Tage: 26.–27.09.2012 Deutschland, Österreich und der Schweiz, an Wissenschafterinnen und Wis- » Die 6. Open-Access-Tage vom 26.–27.09.2012 finden zum ersten Mal in senschafter aller Fachrichtungen, Verlagsver- Österreich statt. tretungen sowie Unterstützerinnen und Un- terstützer des Forschungs- und Kommunika- » Programm und Anmeldung tionsprozesses an Bibliotheken, Forschungs- open-access.net/at_de/aktivitaeten/open_access_tage/ instituten und Förderungseinrichtungen. «

Personalia

» Katrin Buschmann verstärkt als Website-Managerin das Team der Öffentlichkeitsarbeit. Katrin Buschmann hat den Professional-Multi- media-Lehrgang an der Donau-Universität Krems absolviert und war zuvor einige Jahre in einer Kommunikationsagentur tätig.

» Christian Fischer war seit 2008 als Analyst im FWF tätig. Er verlässt den Wissenschaftsfonds auf eigenen Wunsch in Richtung DFG. Wir wünschen ihm alles erdenklich Gute und weiterhin viel Erfolg! © privat, Karikatur: Raoul N erada

54 »FWFinfo81 karikatur „Die Brücke ist gebrochen, wer wird sie wieder machen ...?“ wer wird „Die Brücke ist gebrochen, sang- und klanglos eingestellt und damit der auf Grundlagenforschung ausgerichtete Teil der vielgelobten „Brücke“ gesprengt. sang- und klanglos eingestellt damit der auf Grundlagenforschung ausgerichtete Teil Trotz exzellenter Evaluierungsergebnisse wurde die Finanzierung des Translational-Research-Programms des FWF seitens BMVIT die Finanzierung des Translational-Research-Programms wurde exzellenter Evaluierungsergebnisse Trotz

FWFinfo81» 55 Presse-Clipping

Kurier, 15.06.12

Tiroles Tageszeitung, 24.05.12

Der Standard, 02.06.12 Kurier, 13.06.12

Falter, 20.06.12

Wiener Zeitung, 11.04.12

P.b.b. Verlagspostamt 1090 Wien, Zulassungsnr. GZ 02Z032816M

Der Standard, 16.05.12

Die Presse, 08.04.12

FWF – Der Wissenschaftsfonds, Haus der Forschung, Sensengasse 1, 1090 Wien 56 »FWFinfo81