entnommen aus dem BERGVERLAG ROTHER Rother Skitourenführer von Michael Waeber www.rother.de ISBN 978-3-7633-5919-6

Ú 130 Ø 660 Der Zeitbedarf für die erste Etappe ist so, dass man auch am Anreisetag – also 1 mittags – starten und die Argentière-Hütte zu einer vernünftigen Zeit erreichen Argentière – Refuge d’Argentière 1.30–1.45 Std. kann. Die Kürze könnte manchen Begeher dazu verleiten, sofort »durchzustar- ten« und die zweite Etappe zur Trienthütte gleich am ersten Tourentag anzu- Grandiose Startetappe mit wenig Anstiegsmühen hängen – oder sogar gleich wieder ins Tal nach abzufahren, um Die erste Etappe beginnen die meisten mit einer Seilbahn-Auffahrt von Argen- eine oder beide Hüttenübernachtungen und ein bis zwei Tourentage ein- tière zur Gipfelstation Grands Montets. Wunderschöne Ausblicke ergeben zusparen. In unserer von betrieblicher Hektik und sportlichen Leistungsge- sich von hier über das Tal von mit dem , aber auch in danken gezeichneten Zeit ist das sicher ein gewichtiges Argument. Doch die Richtung unserer Startetappe am Argentière-Gletscherbecken. Als Erstes Sache hat einen gewaltigen Haken: Nur wenn alle Teilnehmer ausreichend warten gut 600 Höhenmeter Abfahrt, hinunter zum Argentière-Gletscher! Bei akklimatisiert und sehr gut trainiert sind und die Gruppe skifahrerisch hervor- entsprechendem Wetter und guten Schneeverhältnissen ein Traum in toller ragend eingespielt ist, nur wenn sehr gute Verhältnisse herrschen und alles hochalpiner Umgebung – ohne verlässliche Spuren im Nebel ist dies jedoch perfekt klappt – nur dann wird man hierbei Spaß haben. Für alle anderen kann ewas für Spezialisten, denn auch der Rognon-Gletscher hat Spaltenzonen, sich eine solche Planung rasch in ein Desaster wandeln! Das nimmt oft schon die man geschickt umfahren muss. Auf dem breiten Gletscherstrom ange- seinen Anfang an der Talstation, wo man viel länger warten musste als ge- kommen werden die Felle angelegt und es wartet ein kurzer Anstieg zur be- plant, dann bei den Vorbereitungen oben an der Bergstation und bei der Ab- reits sichtbaren Hütte. Gleich zum Start bekommen wir so einen Superlativ fahrt zum Argentière-Gletscher, dem ersten Anfellen – eine Verzögerung folgt vorgesetzt: Wir bewegen uns direkt unter den gewaltigen Nordwänden von Ai- der anderen. Alles dauert am Anfang länger, doch die Zeit läuft unerbittlich guille Verte, und Les Courtes. Auf der anderen Seite ragen die von weiter. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel und so zieht sich be- faszinierenden Felsgraten eingefassten Gipfel der und reits der erste Aufstieg zum Col du Chardonnet bedenklich in die Länge! Nicht Aiguille d’Argentière auf – und dies alles bei sehr mäßigen Anstrengungen. wenigen ist es schon so ergangen, und aus den durchaus machbaren 5 bis 6 Ein angenehmer Start also für die bekannteste Skidurchquerung der Alpen! Stunden reine Wegzeiten (also ohne Pausen!) werden in der Realität schnell 8 bis 10 Stunden oder mehr, die man unterwegs ist. Wer womöglich erst um 11 Nach dem Start an der Station Grands Montets unterquert man diesen wilden Glet- Uhr auf Grands Montets gestartet ist, mag sich ausrechnen, wie viel Zeitreser- scherbruch auf der Abfahrt zum Argentière-Gletscher. ve bis zur Dämmerung ihm noch bleibt! Aus der »schönsten Gebirgsdurch- querung der Alpen« wird ein Kampf gegen die Zeit und mit der Kondition. Und die Tour ist für so manchen Begeher schon wieder beendet, bevor sie richtig begonnen hat – dann nämlich, wenn er sich hier schon völlig verausgabt hat! Also: Es lohnt sich, zu Beginn etwas zahmer zu beginnen. Das dient nicht zu- letzt auch der eigenen Sicherheit! Und man will ja etwas von dieser grandio- sen Landschaft haben, dazu muss auch mal Zeit zum Schauen sein.

Schwierigkeit: WS. tière, 2640 m: ½–¾ Std. – Anstieg zum Talort: Argentière, 1244 m. Refuge d’Argentière, 2771 m: 1 Std. Ge- Ausgangspunkt: Aiguille des Grands samt: Abfahrt 660 Hm, Aufstieg 130 Hm; Montets, 3295 m, Seilbahn; frühmorgens 1½–1¾ Std. ggf. längere Wartezeiten in der Saison! Für den Anstieg ohne Benutzung der Tipp: Ticket bereits am Vortag oder via In- Seilbahnen müsste man mit 5 bis 6 Stun- ternet besorgen; es gibt auch ein Ticket den Aufstiegszeit rechnen (1400 Hm). für die alleinige Bergfahrt (Montée 1–2). Informationen: Chamonix / Argentière: Endpunkt: Refuge d’Argentière, 2771 m, Zimmernachweis : Office de Tourisme de CAF Sektion Chamonix, 140 Plätze, bewirt- Chamonix Mont-Blanc, 85, place du Tri- schaftet von Mitte/Ende März bis Mitte/Ende angle de l’Amitié; BP 25, F–74400 Cha- Mai, in der übrigen Zeit Winterraum mit 24 monix Mont-Blanc; Tel. F–0450/530024 Plätzen immer offen. Tel. F–0450/531692. (www.chamonix.fr). Etappen: Abfahrt zum Glacier d’Argen- Karte: Seiten 30/31.

24 25 entnommen aus dem BERGVERLAG ROTHER Rother Skitourenführer Haute Route von Michael Waeber www.rother.de ISBN 978-3-7633-5919-6

Von Grands Montets: Ú 1040 Ø 640 Refuge d’Argentière – Mit der Seilbahn fährt man von Argentière zur Bergstation am Gipfel der Ai- 2 5.30–7.00 Std. guille des Grands Montets; Betriebszeit bis etwa Anfang Mai, dann noch 1 Cabane du Trient bis 2 Wochen Früh- und Abendfahrten nur für Alpinisten, danach wird der Über zwei anspruchsvolle Pässe und weite Gletscherfelder Betrieb komplett bis zum Beginn der Sommersaison eingestellt (Informatio- nen im Internet am besten über die Homepage von Chamonix, Diese Etappe bringt bereits die ersten Adrenalinschübe unserer Tour, haben http:///www.chamonix.fr). Die Abfahrt über den steilen Rognons-Gletscher doch die abschmelzenden Gletscher unter den Scharten steile Hänge entste- zum breiten Argentière-Gletscher ist meist gespurt (pistenartig eingefah- hen lassen. Bereits am ersten Übergang am Col du Chardonnet leistet je nach ren), dennoch muss auf Spalten geachtet werden – dies gilt besonders bei Schneeauflage ein Seil gute Dienste für einen sicheren Abstieg in zahmere eingestelltem Seilbahnbetrieb oder nach längerem Schlechtwetter! Von der Gefilde! In den vergangenen sehr schneearmen Jahren wurde mehrfach von Bergstation geht man auf der langen Treppe zum hinab. unangenehmen Verhältnissen berichtet. Die Route selbst führt durch eine Nun entweder ziemlich gerade hinab zum Argentière-Gletscher (ca. märchenhafte, hochalpine Landschaft mit schroffen Felsgipfeln über Glet- 2560 m) und diesen diagonal aufwärts zum gegenüberliegenden Ufer bis scherfeldern. Zweimal müssen wir noch Felle anlegen, für den Anstieg zum kurz unter die Argentière-Hütte. Bei guter Sicht und entsprechenden Ver- Fenêtre de Saleina (etwa 300 Hm) und vom Plateau de Trient zur Trienthütte hältnissen kann man etwa einen Kilometer Strecke und 100 Hm einsparen, mit ihrer großartigen Lage hoch über den Gletschern (gut 100 Hm). wenn man den Rognon-Gletscher schräg unter den Wänden der Aiguille Ver- Am Saleina-Gletscher könnte man versucht sein, ins Tal abzufahren – bis zur te abwärts auf die Einschartung oberhalb der Felsinsel P. 2866 zuhält (davor Saleina-Hütte ginge das perfekt, doch darunter zeigt der Gletscher seine große Bruchzone!). Jenseits der Scharte in einem Bogen zum Gletscher hi- Klauen: Im Winter ist da für Nicht-Gebietskenner kein Durchkommen und der nab und direkt auf die gegenüberliegende Seite queren. Etwa 100 Höhenme- Sommerweg ist erst im sehr späten Frühjahr machbar! Die Saleina-Hütte be- ter Aufstieg über die Moränenfelder trennen uns noch von diesem Haus. kommt daher winters auch nur wenig Besuch, denn man müsste ja wieder in eine der Scharten aufsteigen, um von hier weiterzukommen, z. B. über den Von Argentière, ohne Seilbahnbenutzung: Col de la nach (B1a). Man folgt von der Talstation der Grands-Montets-Bahnen der Abfahrtspiste Eine taktische Entscheidung sollte bei der Cabane du Trient noch getroffen zur Mittelstation (Lognan). Von dort quert man in O-Richtung aufwärts auf werden: das Erreichen der Combe des Ecandies (als Etappe für den kom- der Piste über die Montagne de Lognan zum Argentière-Gletscher, ab menden Tag beschrieben) ist die zweite Schlüsselstelle der Haute Route. Die knapp 2200 m in einer Mulde zwischen der Seitenmoräne, bis man ober- sehr steilen Hänge unterhalb der Pointe d’Orny sind bei hartem Schnee pro- halb von P. 2341 m an den Gletscherrand kommt. Die Piste verläuft am süd- blematisch zu befahren (das könnte frühmorgens nach der Trienthütten-Über- westlichen Rand neben Spaltenzonen. Man erreicht auf etwa 2550 m das nachtung der Fall sein), andererseits bei nachmittäglich durchweichtem obere Gletscherbecken (Einmündung in die Route von Grands Montets). Schnee eventuell lawinengefährlich. Bei entsprechenden Verhältnissen,

4000 m könnte die Verlängerung der heutigen Etappe bis Champex (»Etappe 3«) si- Aiguille des cherheitstechnische Vorteile bringen. Wer in der Früh nicht sofort von Trient Grandes Montets ins Tal abfahren möchte, sondern noch einen Gipfel (zum Beispiel die Aiguille 32953500 m Refuge Glacier d’Argentière du Tour, Etappe 19) besteigen will, muss lediglich an die eventuelle tageszeit- d’Argentière 2771 m liche Durchfeuchtung bei warmem Wetter denken. 3000 m 2640 m f ˜ Als Alternative zur Cabane du Trient käme auch die im Winter nicht bewartete 2500 m Cabane d’Orny in Frage, die vom Col du Trient mit kurzer Abfahrt zu erreichen Lognan ist (zurück zum Col d’Orny etwa 30 bis 40 Min.). Doch nur bei sehr sicheren 1970 m 2000 m Verhältnissen darf man die steilen Hänge der Combe d’Orny nach Champex Argentière oder südseitig in das untere Saleinatal nach Praz de Fort im abfah- 1244 m ˜ 1500 m ren. Ersteres war im Übrigen der Weg der ersten Ski-Haute-Route! Im späte- ì ren Frühjahr oder in schneearmen Wintern beinhaltet diese Variante (unter der nächsten Etappe beschrieben) leider oft längeres Skitragen. Als eigenständi- 0 2.1 3.5 km ge Alternative haben wir schließlich eine Route beschrieben, die über das 26 27 entnommen aus dem BERGVERLAG ROTHER Rother Skitourenführer Haute Route von Michael Waeber www.rother.de ISBN 978-3-7633-5919-6

oberste Saleinatal und von dort über den Col de la Grande Lui ins hinterste Val Hälfte. Zwischen etwa 2850 m und Ferret hinunter führt (»Etappen B1–3«). Man gelangt damit ohne Straßentrans- 2950 m steilt sich dieser nochmals fer über den Gd-St-Bernard-Pass, dann unter der Vélanhütte vorbei zur Valso- auf (bis ca. 35°). Darüber hält man reyhütte. Sehr schnelle und gute Gruppen könnten ohne Besuch der Trient- sich in dem nun weniger steilen hütte bereits vom Col du Chardonnet in das Saleinatal abbiegen und an die- Gletscherbecken in Richtung sei- sem Tag noch nach La Fouly gelangen. Da aber die Talabfahrt ins Val Ferret nes nordwestlichen Armes, der di- über steile südseitige Hänge führt, sollte man früh am Tag unterwegs sein. rekt zum Col du Chardonnet zieht (3321 m); der südöstliche deutlich Schwierigkeit: ZS. Etappen: Abfahrt auf den Glacier steilere Arm zieht auf den Argentiè- Ausgangspunkt: Refuge d’Argentière. d’Argentière, 2560 m: ¼ Std.; Aufstieg re-Gipfel zu, dies ist jedoch nicht Cabane du Trient: Endpunkte: 3170 m, zum Col du Chardonnet, 3321 m: 2½ die übliche Anstiegsroute dorthin. SAC Sektion Diablerets, 124 Plätze, bewirt- Std.; Abstieg und Abfahrt zum Glacier de schaftet von Mitte/Ende März bis Mitte/Ende Saleina, 3070 m: 1–1½ Std. Aufstieg zum Auf der NO-Seite des Passes fällt Tiefblick in die Abstiegs- bzw. Abseilsei- Mai, in der übrigen Zeit Winterraum mit 40 Fenêtre de Saleina, 3261 m: 1 Std.; Ab- die Flanke sehr steil zum obersten te des Col du Chardonnet. Plätzen immer offen. Tel. CH– 027/7831438; fahrt auf das Plateau du Trient (Col Saleina-Gletscherbecken ab; so- ca. 5½–7 Std. von der Argentière-Hütte. d’Orny), 3098 m: ½ Std.; Aufstieg zur Ca- fern sie nicht unter Schnee oder Eis verdeckt sind, erleichtern zwei Cabane d’Orny: 2826 m, SAC Sektion Di- bane du Trient, 3170 m: ¾ Std.; alternativ 40-m-Fixseile den Abstieg. Ansonsten sollte man abseilen (gute Fixpunkte ablerets, im Winter nicht bewirtschaftet, auch Abfahrt zur Cabane d’Orny, 2826 m: die Hütte ist jedoch mit 86 Plätzen immer ¼ Std. Gesamt: Aufstieg 1040 Hm, Ab- vorhanden) oder zumindest gesichert absteigen – wenn hier viele Bergstei- offen. Tel. CH–027/7831887. Ca. 5¼– fahrt 640 Hm; 5½– 7 Std. ger unterwegs sind, kann es durchaus zu Staus kommen. Am Gletscher an- 6¾ Std. von der Argentière-Hütte. Karte: Seiten 30/31. gekommen, fährt man die etwa 100 Hm parallel zur Felsrippe (P. 3341 m, linker Hand) ab und schwenkt dann in NO-Richtung in Schrägfahrt auf den Von der Argentière-Hütte fährt man über die Moräne zum flachen Gletscher Fußpunkt der Felsen der Grande Fourche zu (P. 3084 m). Nach Passieren hinab und weiter auf seiner rechten Seite talwärts etwa 1,5 km bis zur Ein- dieser Felsen werden wieder die Felle aufgezogen und das flache Gletscher- mündung des vom Chardonnet-Gletscher kommenden Seitentales von becken in NW-Richtung zum Fenêtre de Saleina aufgestiegen (3261 m), auf rechts (ca. 2560 m). Dort geht es anfangs ziemlich steil die Moränenhänge den obersten Metern wieder recht steil – hier ist meist Ski-Tragen nötig. der in Anstiegsrichtung rechten Talseite aufwärts und dann auf dem Glet- Vom Pass fährt man im flachen Trientgletscherbecken zunächst nach Nor- scher selbst weiter, auf seiner – in Aufstiegsrichtung gesehen – rechten den ab, biegt unterhalb der rechts begleitenden Felsrippe nach rechts (NO) ab, um in einer flachen Schrägfahrt unter den Aiguilles Dorées vorbei zum Auf dem weiten Col d’Orny unter den Aiguiles Dorées. weiten Col d’Orny zu gelangen (3080 m). Ein kurzer Gegenanstieg bringt uns zur Cabane du Trient (3170 m) im felsdurchsetzten Hang nördlich über dem Col. Um zur Ornyhütte zu gelangen, fährt man vom Col d’Orny die Idealhänge des gleichnamigen Gletschers bis unter die Hütte ab und steigt dann in ca. 10 Min. zur Cabane d’Orny auf.

Col du 4000 m Fenêtre Cabane Chardonnet de Saleina Col 3321 m 3261 m du Trient d’Orny 3170 m Refuge 3500o m 3098 m d’Argentière o f 2771 m Glacier o d’Argentière 3000 m f 2560 m

2500 m

0 1.6 3.8 6.2 8.3 8.7 km

28 29 entnommen aus dem BERGVERLAG ROTHER Rother Skitourenführer Haute Route von Michael Waeber www.rother.de ISBN 978-3-7633-5919-6

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