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JOACHIM TELLE „De prima materia lapidis philosophici“. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus

Die Alchymie poetisch vorzutragen, könnte manchem befremdend scheinen; ist es aber im Grunde nicht, indem die gewöhnliche Sprache der Goldmacher ohnehin schon halbe Dich-

tung, und ein Gemisch unverständlicher Tropen und Allegorien ist.

J. Ch. Adelung: Geschichte der menschlichen Narrheit, Tl. 1, Leipzig 1785, S. 118.

I. Um 1600 erschienen unter dem Namen eines angeblichen Benediktinermönches

Basilius Valentinus mehrere deutschsprachige Alchemica, die im 17. und 18. Jahrhun- dert weit über das deutsche Sprachgebiet hinaus außerordentlich geschätzt worden sind. Nach einem Jahrhundert Wirkungsgeschichte genoss ihr Urheber den Ruf ei- nes „Welt berühmten deutschen Scribenten“1 und „princeps“ unter den ‚Vätern der 2 3 Chemie‘ , und es entbehrt allen Zufalls, dass beispielsweise G. W. Leibniz oder der 4 zeitweilige „Halbadept“ J. W. von Goethe diesen gerühmten Autor studierten. Auch die neuzeitliche Chemiehistoriographie hob den fachlich hohen Standard insbesondere seines Triumphwagen Antimonii hervor und zählte Basilius Valentinus zum kleinen Kreis der „großen Chemiker“5 .

Der Ruhm des pseudonymen Basilius Valentinus gründete sich auf ein gestaltlich 6 und inhaltlich inhomogenes Textcorpus , dessen Kern in den Jahren 1599–1604 durch den Frankenhausener Pfannenherrn und nachmaligen Kronacher Berghauptmann

Johann Thölde (um 1565–1612/14) im Rahmen seiner Tätigkeit als Herausgeber

(A. von Suchten: Antimonii Mysteria Gemina, 1604; [Ps.-]Paracelsus: Handt-Bibel, 1605) und Kompilator eigener Fachschriften (Von der roten Ruhr, 1599; Haligraphia, 1603; Exa- men der [Heilquelle] Dannenbron, 1608) ediert worden ist. Zunächst gab Thölde einen

1 Georg Wolfgang Wedel: Vom Basilio Valentino (lat. erstmals 1704). In: Deutsches , hrsg. v. Friedrich Roth-Scholtz, Tl. 1, Nürnberg 1728, S. 669–680, hier S. 670. – Auch Johann Hiskia Cardilucius urteilte: Vorrede. In: Raimund Minderer: Pharmacopoliolum campestre et itinerarium, hrsg. v. J. H. Cardilucius, Nürnberg 1679 (nicht pag.): „die Teutschen Schrifften deß Basilii Valentini, Hollandi etc. [sind] allen andern [Chemica] in der Welt überlegen“. 2H. F. Teichmeyer: Erläuterungen, 1788 (Überl.-verz. 3/Nr. 5), Programm Nr. 1 (lat. erstmals 1733), S. 1. 3 Gottfried Wilhelm Leibniz: Oedipus Chymicus aenigmatis Graeci et Germanici. In: Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientiarum, Berlin 1710, S. 16–22, hier S. 21 f.: zum „Aenigma“ der Basilianischen Rätsel- poesie. 4 Johann Wolfgang von Goethe: Dichtung und Wahrheit, hrsg. v. Erich Trunz (Goethes Werke. HA, Bd. 9), Hamburg 1955, Tl. 2, Buch 3, S. 342 f. 5 So etwa Felix Fritz: Basilius Valentinus. In: Das Buch der großen Chemiker, hrsg. v. Günther Bugge, Bd. 1, Berlin 1929, S. 125–141; James Riddick Partington: A History of Chemistry, Bd. 2, London 1961, S. 183–203. 6 Zum Folgenden vgl. Joachim Telle: Basilius Valentinus. In: W. Kühlmann (Hrsg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, 2., vollst. überarb. Aufl., Bd. 1, Berlin 2008, S. 348–350 (Lit.). Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 13

Traktat Vom großen Stein der Uralten mit den Zwölf Schlüsseln heraus (1599), den er bald um einen aus weiteren Basiliana bestehenden Anhang erweiterte (1602); dann folgten die Schriften De occulta philosophia (1603), Von den natürlichen und übernatür- lichen Dingen (1603) und der Triumphwagen Antimonii (1604).

Die näheren Entstehungsumstände dieses aus Handschriften gehobenen Textcor- pus sind in völliges Dunkel gehüllt. Jedoch deuten manche sprachlichen und inhalt- lichen Eigenarten im Verein mit überlieferungsgeschichtlichen Umständen darauf hin, dass das Corpus aus der Feder von mehreren Verfassern des ausgehenden 16. Jahr- hunderts stammt, während sie der altneuen Behauptung, der Pseudonymus Basilius

Valentinus sei mit J. Thölde identisch, oder der Vermutung, hinter „Basilius Valentinus“ verberge sich der Leipziger Paracelsist J. Tancke, keinen festen Anhalt bieten.

Zu den Aufbauteilen des Basilius-Valentinus-Corpus gehören folgende Lehrdich- tungen:

1. De prima materia lapidis philosophici, ein Verstext, der die Prosaschrift Vom großen Stein mit den Zwölf Schlüsseln beschließt (Erstdruck: 1599).

2. Von der Meisterschaft der sieben Planeten, befindlich im Anhang zum Traktat Vom gro- ßen Stein/Schlüssel (Erstdruck: 1602). 3. Eine aus Rollengedichten zusammengesetzte Sammlung rätselpoetischer Kleindenk-

mäler, ebenfalls befindlich im Anhang zu den Basiliana Vom großen Stein/Schlüssel. Nicht anders als manche Prosabasiliana (Zwölf Schlüssel, De occulta philosophia) charak- terisiert diese Dichtungen eine parabolische Schreibart, von der nach Auffassung des

Jenaer Universitätsmediziners G. W. Wedel (1645/1721) galt, dass Autoren wie Basilius Valentinus mit ihrer Hilfe „meynen“, „was sie nicht zu meynen sagen“ bzw. „nicht meynen“, „was sie zu meynen sagen“,7 also darauf zielten, dass man „dasjenige, so man 8 weiß, nicht wisse“. Viele Leser, so hielt schon Lorenz Meisner fest (1608), vermochten aus den „Parabolischen Schriften“ des Basilius „nichts [zu] verstehen“9; namentlich in den Schlüsseln, insbesondere aber in De prima materia haben ungezählte Fachleute „sehr 10 unverständliche“ Werke erblickt. Da aber die vom Renaissanceplatonismus neu be- lebte Vorstellung, poetische Rätselrede sei ein sicheres Merkmal tiefster Weisheit, noch weithin Macht über Alchemiker besaß, tat Unverständlichkeit dem Ansehen der para- bolischen Basiliana keinen merklichen Abbruch. Ausweislich vieler Abdrucke, zahl- reicher Kommentare und Deutungsversuche, die sogar eine anagrammatische Umset- zung der Schlüssel einbeschlossen,11 trug man am fachlich hohen Informationswert der Basilianischen Parabolica bis weit in das 18. Jahrhundert keine Zweifel.

Während noch G. W. Leibniz, J. C. Barchusen oder die beiden Jenaer Universitäts- mediziner G. W. Wedel und H. F. Teichmeyer die chemischen Lehren bestimmter Dich-

7 Wedel (wie Anm. 1), S. 678. 8 Georg Wolfgang Wedel: Einleitung Zur Alchimie, Berlin 1724 (lat. erstmals 1706), S. 42. 9 Lorenz Meisner: Gemma, 1608 (Überl.-verz. 4/Nr. 1), S. A4. 10 Georg Friedrich Christian Fuchs: Vorrede (1787). In: Teichmeyer (wie Anm. 2). 11 Christoph Gottlieb von Murr: Litterarische Nachrichten zu der Geschichte des sogenannten Goldmachens, Leipzig 1805, S. 113 f.: Berichtet wird dies von dem Arzt Scheidel aus Wien, einem von Murr 1757 persönlich bekannt gewordenen Alchemiker. 14 Joachim Telle

12 tungen des Basilius Valentinus zu klären suchten, fanden die Verstexte vor dem

Richtstuhl neuzeitlicher Historiker keine Gnade. Wenn nicht mit Stillschweigen be- dacht, ächtete man sie mit dem lakonischen Vermerk, es gäbe „noch schlechtere alchemistische Reimereien“, oder verwarf man sie als eine „Anhäufung blühendsten 13 Unsinns und weitschweifender Phantastereien“, um dann alle Aufmerksamkeit haupt- sächlich dem Reichtum chemischen Wissens im Triumphwagen Antimoni zu widmen. Unerachtet solcher Historikerschelte erneuerten jedoch gerade die parabolisch gefassten Basiliana in der anthroposophischen Esoterik14 und Psychologie15, in Dichtung16 und Bildkunst17 des 20. Jahrhunderts ihre wirkende Kraft.

Ausweislich der Manifeste des Surrealismus von A. Breton (1896–1966) erklärt sich der Aufgriff vorab allegorischer Alchemica durch manche Surrealisten aus der An- sicht, dass es allein der „Geist“ der „philosophie occulte“ ermögliche, die Sprache von den Fesseln eines allein zweckhaften Gebrauchs zu befreien, ihre „,matière première‘

[au sens alchimique]“ zu erfassen und im Zuge einer ‚Revolution des Wortes‘ der Sprache ihr ‚wahres Leben‘ zurückzugeben. Man hielt nicht nur dafür, dass ‚okkulte

Philosophen‘ wie die Alchemiker surrealistische Zielsetzungen verwirklicht hätten, nämlich auf die Aufhebung von Antinomien (Leib/Seele, oben/unten, innen/außen) und auf die Herstellung von Beziehungen („traits de feu“) zwischen Elementen ge- 18 zielt, die Vernunft sich weigern würde in Beziehung zu setzen. Zugleich anerkannte

12 Leibniz (wie Anm. 3), S. 21 f.; Johannes Conradus Barchusen: De quarundam Chemicorum fabularum explicatione. In: Ders.: Acroamata, in quibus complura ad Iatro-Chemiam atque Physicam spectantia [. . .] explicantur, Leiden 1703, Diss. Nr. 8, S. 103–117, hier S. 110–112: zum Vitriolum- und Antimonium- Rollengedicht Wedel (wie Anm. 7), S. 41 f.; zum „Aenigma“ Teichmeyer (wie Anm. 2). 13 Hermann Kopp: Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte, Tl. 2: Die Alchemie vom letzten Viertel des 18. Jahrhunderts an, Heidelberg 1886 (reprogr. Nachdruck Hildesheim 1971), S. 312 f. (mit Blick auf De prima materia); Fritz (wie Anm. 5), S. 139 f. (mit Blick auf Von der Meister- schaft der sieben Planeten). 14 Rudolf Steiner empfahl das Basilianische Werk als ein „Meditationsbuch“ und „Kompendium der höhe- ren Erkenntnis“, das die „Esoterik“ seiner Anthroposophie enthalte; so Stein (Überl.-verz. 3/Nr. 7), S. 150. 15 Carl Gustav Jung: Psychologie und Alchemie (G W, Bd. 12), Olten 1972 (erstmals 1944); Mysterium Coniunctionis. Untersuchungen über die Trennung und Zusammensetzung der seelischen Gegensätze in 3 der Alchemie, Bde. 1/2 (G W, Bd. 14), Olten 1978, jeweils s. v. 16 Vgl. Yvan Goll: Le Char Triomphal de l’ Antimoine. Illustré de trois eaux-fortes originales de Victor Brau- ner, Paris 1949; Michel Butor: Portrait de l’artiste en jeune singe, Paris 1967; Charles Stein: Reading Basil Valentine in a Mountain Cabin. In: R. Grossinger (Hrsg.): : pre-Egyptian Legacy, Millennial Pro- mise, Richmond/Cal. 1979, S. 48–50. – An die Virulenz des Basilius unter französischen Surrealisten erinnert Pierre Mabille: Le miroir du merveilleux. Préface d’ André Breton, (erneute Ausgabe) Paris 1962, S. 80–83 (Textwiedergabe). 17 Alexis Keunen: Inventaire alchimique (1971); vgl. Jacques van Lennep: Alchimie. Contribution à l’histoire de l’art alchimique, Brüssel 21985, S. 419 (Zitat des Schlangen/Herz-Symbols in den „Zwölf Schlüsseln“, Nr. 9). – Jean-Jacques Lebel: Von den „Zwölf Schlüsseln“ inspirierte Bilderserie (1982/84); vgl. Arturo Schwarz: Arte e alchimia, Venedig 1986, s. v. Lebel. – Zur Rolle der alchemischen Tradition unter bil- denden Künstlern der Moderne vgl. etwa Schwarz, S. 241–285; M. E. Warlick: Max Ernst and Alchemy. A Magician in Search of Myth, foreword by Franklin Rosemont, Austin 2001; John F. Moffitt: Alchemist of the avant-garde. The case of Marcel Duchamp, Albany, New York 2003; Ulli Seegers: Alchemie des Sehens. Hermetische Kunst im 20. Jahrhundert. Antonin Artaud, Yves Klein, Sigmar Polke, Köln 2003. 18 André Breton: Du surréalisme en ses oeuvres vives (1953). In: Manifestes du surréalisme, Paris 1972, S. 177–188, hier S. 181 f., 185. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 15

man unter Surrealisten in der sinnbildgesättigt-tecten Alchemikerrede ältere Versuche, der Metapher zur unbeschränkten Freiheit zu verhelfen. Bretons Ansicht, die „re- cherches surréalistes“ wiesen ob ihrer Zielsetzung, die menschliche „imagination“ zu 19 entfesseln, mit „recherches alchimiques“ eine bemerkenswerte Analogie auf, demen- tiert die Alchemikerdichtung De prima materia lapidis philosophici nicht.

II. Zur Schreibart und Lehre. Das Gedicht gilt der Materia prima, einem Hauptgegenstand aller um einen laborantischen „Lapis“-Gewinn ringender Alchemiker (Text: siehe V

[Anhang], 6/1). Verstanden als Prinzip substantiellen Werdens und Fundament aller substantiellen Formen, spielte sie im alchemischen Doktrinenschatz eine wahrhaft zen- trale Rolle, so dass man nicht nur im gewaltigen Prosagetürm, sondern auch in deutsch- sprachigen Verstexten immer wieder auf Materia-prima-Lehren stößt. Insbesondere 20 21 zeigt ihre Präsenz in den Gedichten Vom Stein der Weisen und Vom Tinkturwerk , dass

De prima materia in thematischer Hinsicht im Kreis deutschsprachiger Alchemiker- dichtungen des 16. Jahrhunderts keine Sonderstellung einnimmt.

Gewöhnlich hofften ungezählte Anhänger der Alchemia transmutatoria metallorum die „Una res“ durch eine alchemische Reduktion der Körper zu erlangen.22 Indes rückt De prima materia diese einst gemeinplätzige Doktrin von der „Reductio in primam materiam“ nicht in den Blick, bleibt die Präparation der Materia prima, jener von der mächtigsten Fraktion des frühneuzeitlichen Alchemikerlagers, den ‚Mercurialisten‘, mit

‚philosophischem‘ Argentum vivum identifizierten Arkansubstanz, in Dunkel gehüllt. Zur Sprache gelangen hauptsächlich Geschehnisse, die sich in einer bereits präparierten Materia prima vollziehen. Dabei machte sich der Dichter gemäß der alchemischen Actio-naturalis-Vorstellung die Lehre zu eigen, dass der „Stein“ einen einzig und allein von der autonom wirkenden Natur beherrschten Bereich bilde und aufgrund der ihm innewohnenden Wirkkräfte der Natur letztlich durch sich selbst (‚autopoetisch‘) zur 23 Perfektion gelange: Der Alchemiker agiert hier keineswegs als ein anderer Schöpfer- gott und souveräner Gebieter über die Natur, kaum auch als deren aktiver Imitator oder Helfer, sondern erscheint als eine an primaterialen Wandlungsvorgängen weitge- hend unbeteiligte Gestalt.

De prima materia charakterisiert ein uneinheitliches Gefüge: Diktumartige Aussagen über den „stein“ wechseln abrupt mit Handlungsanweisungen (v. 25, 33), mit erzähle- risch getönten Abschnitten (v. 5–8), die allegorisch verkappt alchemische Gescheh- nisse zu verstehen geben. Die Präsenz von Gestalten der antiken Mythologie (Vulcanus,

19 André Breton: Second manifeste du surréalisme (1930). In: Ebenda, S. 65–150, hier S. 135. 20 Joachim Telle: „Vom Stein der Weisen“. Eine alchemoparacelsistische Lehrdichtung des 16. Jahrhunderts. In: Ders. (Hrsg.): Analecta Paracelsica. Studien zum Nachleben Theophrast von Hohenheims im deut- schen Kulturgebiet der frühen Neuzeit, Stuttgart 2004, S. 167–212. 21 Anonymus: Vo m Tinkturwerk. In: Pandora Magnalium Naturalium Aurea et Benedicta, De Benedicto Lapidis Philosoph[orum] Mysterio, hrsg. v. Benedictus Figulus, Straßburg 1608, S. 263–268 (wohl Erst- druck). 22 Vgl. dazu Joachim Telle: „Von der Bescheidenheit des Alchemikers“. Ein deutsches Spruchgedicht des 16. Jahrhunderts über die artifizielle Spezieswandlung. In: Scientia Poetica 7 (2003), S. 1–30, hier S. 3–9. 23 Dietlinde Goltz, Joachim Telle, Hans J. Vermeer: Der alchemistische Traktat „Von der Multiplikation“ von Pseudo-Thomas von Aquin. Untersuchungen und Texte, Stuttgart 1977, S. 67 f., 70 f. (Stellennachweise). 16 Joachim Telle

v. 17; Venus, v. 26) und der biblischen Tradition (Adam, v. 25), aber auch ein Aufgriff schulhumanistischen Wissens, wie er sich in einer (aus Ovids Epistulae 2, 85 verein- zelten) Sentenz zeigt (v. 34), fügen sich einem eklektischen Konzept. Verzicht auf

Diskursivität oder bildlogisch zwingende Verknüpfungen bewirkt im Verein mit ge- drungen-formelhafter Rede, dass sich dem Leser eine ungewöhnlich opake Schöp- fung darbietet. Dem hinter dem Dichter-Ich (v. 31) stehenden Autor ist an keiner systematisch-klaren Darlegung alchemischer Sachverhalte gelegen. Er statuiert, statt zu erklären und zu argumentieren, kargt mit Anweisungen zur laborantischen Praxis, vor- enthält präzise Angaben zu Stoffen, Operationen, Geräten, zeigt sich aber auch theo- retisch-spekulativ unbemüht. Der änigmatische Grundzug seiner Dichtung entging dem

Verfasser nicht, doch weigerte er sich, dem im „du“ (v. 24) hervortretenden Adres- saten das „rechte“ Verständnis seiner Lehren zu erleichtern (v. 31/32). Ob seiner Obscuritas wurde denn auch bald in dem Gedicht ein Symbolum (Überl.-verz. 2/

Nr. 3, 8; 5.1/Nr. 1, 3, 4; 5.2/Nr. 2) bzw. Aenigma (Überl.-verz. 5.3/Nr. 3) erblickt. Mustert man den Fachwortschatz, so gibt sich im Dichter ein von paracelsistischen

Impulsen völlig unberührter Traditionalist zu erkennen. Darauf lenken einmal seine

Namen für die Materia prima: Aus ihrer enormen Fülle griff er mit „stein“ (v. 1,3) und

„ein ding“ (<,una res‘, v. 21), aber auch mit der Wendung vom ‚Stein, der kein Stein ist‘ (v. 5)24 und der „Res vilis“-Formel (‚der nicht teure Stein‘, v. 1)25 alteingeschliffene und ungemein geläufige Termini aus vorparacelsischer Zeit auf. Zum anderen machte sich der Dichter durchaus altherkömmliche und vornehmlich im Begriffshaushalt von An- hängern der metallogenetischen Sulphur/Mercurius-Theorie auftretende Gegensatz- paare der alchemischen Spekulation zu eigen: Das ‚Rote‘ (arkaner Sulphur) und das ‚Weiße‘ (arkaner Mercurius) gelten als Konstituenten des ‚Steins‘ (v. 2/3); die primaterialen Wandlungsvorgänge schließen übliche Stationen – Mortificatio (hier: ‚ertränken‘, v. 8; ‚verschlingen‘ v. 9) und Neugeburt (v. 18) – ein und es versteht sich, dass ein „fixer Vater“ (v. 8; hier: Sulphur) und eine „flüchtige Mutter“ (v. 11, 16; hier:

Mercurius) zu den in der Transmutationsalchemie des lateinischen Westens seit langem heimischen dramatis personae gehörten. Schließlich werden die unterschiedlichen Zu- stände der am primaterialen Geschehen beteiligten Arkansubstanzen mit Hilfe der omnipräsenten Leib/Seele/Geist-Begriffstrias gekennzeichnet (v. 9, 10, 18, 19).

Oft erwecken allegorische Alchemica den Eindruck, dass hier „im Grenzfall jeder 26 beliebige Ausdruck jede beliebige Sache bezeichnen“ kann. Eingebettet in ein Um- feld, das sich hauptsächlich aus Loci communes der gemeinplätzigen Sulphur/ Mercurius-Theorie zusammensetzt, büßt jedoch das an übliche Hochzeitsallegorien der Alchemiker gemahnende Bild von „Adam“ (Mann/Sol/Sulphur) und „Venus“

24 Vgl. Joachim Telle: Aristoteles an Alexander über den philosophischen Stein. Die alchemischen Lehren des pseudo-aristotelischen „Secretum secretorum“ in einer deutschen Versübersetzung des 15. Jahrhun- derts. In: J. Domes u. a. (Hrsg.): Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung. FS für Gundolf Keil zum 60. Geburtstag, Göppingen 1994, S. 455–483, hier S. 462 f. Stellennachweise für die Formel vom ‚Stein, der kein Stein‘ ist. 25 Vgl. Telle (wie Anm. 20), S. 170 f.: Stellennachweise für die „Lapis vilis“-Formel. 26 Michel Butor: Die Alchimie und ihre Sprache (erstmals 1953), übers. v. Helmut Scheffel. In: Ders.: Reper- toire 1, München 1963, S. 15–26, hier S. 24. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 17

(Weib/Luna/Mercurius) in einem vom „Drachen“ (Mercurius) bereiteten „Wasser- bad“ (v. 25–28) manches von seiner Vieldeutigkeit ein.

Die centoartig gefügte Versfolge enthält ein orakelhaftes Diktum, das man zunächst für ein Zahlenrätsel oder eine Art „Hexeneinmaleins“ halten könnte: „Sind drey vnd zwey vnd doch nur eins/ Verstehstus nicht/ so triffstu keins“ (v. 23–24). Diese mit den

Zahlen 1, 2 und 3 ihr Spiel treibende Form der Alchemikerrede war nicht ohne 27 Beispiel und könnte gelegentlich nach Vorbild religiöser Formeln der Dreifaltigkeits- mystik entwickelt worden sein. In der Sicht eines J. J. Becher habe Basilius Valentinus mit seinem Diktum auf die Hohenheims Drei Prinzipien Mercurius, Sulphur und Sal, 28 die drei ‚Urhebungen der Eigenschaften‘ angespielt; in Wirklichkeit freilich wird diesfalls wohl nichts als der schlichte Gedanke gefasst, dass die primateriale Alchemie auf drei Denkfiguren beruhe, auf dem Gedanken der Einheit: repräsentiert vom „Einen Ding“, der Zweiheit: ausgeformt im Sulphur/Mann-Mercurius/Weib-Dualismus, und auf dem Gedanken der Dreiheit: der Leib/Seele/Geist-Trichotomie. Sucht man die Lehrabsicht des Dichters noch genauer zu bestimmen, so sieht man sich zunächst auf die Schlüssel verwiesen, zumal De prima materia diesem allegorischen Text/Bild-Ensemble angeschlossen worden ist und unter älteren Kennern galt, Basilius Valentinus habe den Gegenstand der „Verse“ auch in den Schlüsseln dargestellt.29 Nach einem Vergleich kann indes von textlich oder inhaltlich zwingenden Zusammenhängen schwerlich die Rede sein. Vielmehr fällt auf, dass im Unterschied zu den Schlüsseln weder die altherkömmliche Vierelementenlehre noch die Paracelsische Tria-prima- Doktrin in der Dichtung eine Rolle spielt.

Verräterisch genug zeigt sich freilich der Dichter selbst: Sein Gebrauch der Termini „Brünlein“ (<,fonticulus‘, ,fons‘; v. 7) und „zweyfacher Mercurius“ (<,mercurius duplicatus‘; v. 30) für eine primateriale Arkansubstanz macht unzweifelhaft, dass sich hinter der einzigen vom Dichter zitierten Autorität, einem anonymen „Philosophus“ 30 (v. 29), kein anderer Schriftsteller als Bernardus Trevisanus verbirgt, der in seinem wirkmächtigen Hauptwerk De chemia (gedruckt seit 1567) gelehrt hatte, dass es sich bei der heftig umstrittenen Materia prima um einen ‚doppelten (weil Sulphur und Mercurius

27 Vgl. z. B. Julius Ruska: Turba philosophorum. Ein Beitrag zur Geschichte der Alchemie, Berlin 1931, S. 157: „[Verfestigt flüssiges ‚Quecksilber‘], ut duo tria fiant et unum cum tribus quatuor, unum duo et unum“ bzw. (in der „Turba“-Fassung bei Martin Pleßner: Vorsokratische Philosophie und griechische Al- chemie in arabisch-lateinischer Überlieferung. Studien zu Text und Inhalt der Turba philosophorum, hrsg. v. Felix Klein-Franke, Wiesbaden 1975, S. 117): „ut duo tria fiant et quatuor unum et duo unum“. – Senior: De chemia. In: Theatrum chemicum, Bd. 5, Straßburg 1660, S. 209: „Tria [hier: spiritus, anima, corpus] sunt unum [Aes nostrum] [. . .] et omnia sunt ex uno“. – Ps.-Thomas von Aquin, ed. Goltz, Telle, Vermeer (wie Anm. 23), S. 102: „una res nostra facit tria, tria duo, duo unum finaliter constituunt“. – Kassel, LB, 2° Ms. chem. 1, Bl. 142v (Eintrag v. John Dee, 16. Jh.): „Fac duo, unum/ et duo, tria,/ et tria, quattuor“; zitiert nach Günther Goldschmidt: Manuscrits d’ Allemagne, d’ Autriche, de Danemark, de Hol- lande et de Suisse, Brüssel 1932, S. XXII f. 28 Johann Joachim Becher: Oedipus chymicus, Oder Chymischer Rätseldeuter (lat. erstmals 1664). In: F. Roth- Scholtz (Hrsg.): Deutsches Theatrum Chemicum, Tl. 2, Nürnberg 1730, S. 619–822, hier S. 691–693. 29 Wedel (wie Anm. 1), S. 679. 30 Vgl. Joachim Telle: Bernardus Trevisanus. In: Killy Literaturlexikon (wie Anm. 6), Bd. 1 (2008), S. 477 (Lit.). 18 Joachim Telle vereinigenden) Mercurius’ handele31, und mittels einer parabolischen Erzählung vom chymischen Hochzeitsbad eines „rex“ (Gold/Mann) und einer „fons“ (Mercurius/Weib) dazu anhielt, diesen „Mercurius duplicatus“ mit ‚Gold‘ zusammenzusetzen,32 anders ein Transmutationsalchemiker scheitere. Nicht anders als Christoph von Hirschenbergs 33 Gedicht Vom philosophischen Rosengarten hielt auch De prima materia am Leitfaden der

Alchemie eines Bernardus Trevisanus Aspekte der ‚reinen Quecksilbertheorie‘ in der deutschsprachigen Lehrdichtung wach. Betrachtet als Niederschlag einer Einbildungskraft, die von der lastenden Gewalt der literarischen Tradition zwar gezügelt, doch nicht gänzlich gebändigt worden ist und den Leser auf den Dschungelpfaden kühner Begriffs- und Bildassoziationen in Bereiche führt, die sich einer aus „direkter“ Beobachtung und nüchterner Erfahrung gespeisten Schilderung entzogen, besitzt De prima materia wohl stärker noch als manche andere deutschsprachige Alchemikerdichtung surrealen Glanz.

III. Zum Verhältnis zwischen dem Gedicht und seinem Bildtrabanten. Im Unterschied zur Vom großen Stein / Schlüssel-Erstausgabe (1599) wurde die um einen Anhang ver- mehrte Zweitausgabe (1602) mit „Figuren“ eines unbekannten Zeichners ausgestat- tet. Zwischen De prima materia und Anhang placierte man nun ein Bild (vgl. Abb. 1), das fortan ein immer wieder abgedruckter Gedichttrabant bleiben sollte.

(Abb. 1)

Das Bild gehört zu den zahlreichen Illustrationen alchemischer Lehren, deren Grund- form von einer Phiole gebildet wird (Donum Dei, 15. Jh.; Splendor solis, 15./16. Jh.). Im kreisrund geformten Bauch dieser Phiole ist diesfalls ein Zeichen zu sehen (Dreieck); ferner gewahrt man an res pictae einen Drachen, den zwei sich überschneidende Kreis- linien überlagern (Zentralsymbol), und drei gekrönte Schlangen (Beiwerk). Von etli-

31 Bernardus Trevisanus: De alchemia. In: Theatrum Chemicum, Bd. 1, Straßburg 1659, S. 683–709, hier S. 695: „Infinitis rationibus probari posset, Mercurium duplicem esse solam materiam primam, et proximam omnium metallorum, et non elementa quatuor, quae sunt remotissima“. Ebenda, S. 704: „Opus nostrum fit ex unica radice, et ex duabus substantiis Mercurialibus“. 32 Vgl. ebenda, Tl. 4, S. 705–709. 33 Vgl. Joachim Telle: Der Alchemist im Rosengarten. Ein Gedicht von Christoph von Hirschenberg für Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und Graf Wilhelm von Zimmern. In: Euphorion 71 (1977), S. 283–305, hier S. 300–303. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 19 chen Rezipienten, unter ihnen schon der Dichteralchemiker D. Stoltz (1624; Überl.- verz. 4/Nr. 4, 5) (vgl. Abb. 2), wurde dieses bildkünstlerisch schlichte Zeichen- und Figurenensemble für eine Illustration des Gedichtes De prima materia gehalten: Es resü- miere „très complètement et très précisément la pratique opératoire“ des Gedichts,34 biete jedenfalls ein „synthetic Emblem of the Great Work“, das dem Betrachter be- stimmte parabolische Anweisungen des Basilius Valentinus zur Bereitung des „großen 35 Steins der Uralten“ zu verstehen gebe. Angesichts seiner Wiedergabe im unmittelba- ren Anschluss an das Gedicht und begünstigt von dem Umstand, dass sich das Zentral- symbol durchaus zwanglos als eine graphische Umsetzung des Decknamens „Drache“

(v. 27) deuten lässt und im Übrigen auf assoziativ-analogisierenden Wegen zwischen 36 Bild- und Textelementen ein Korrespondenzgeflecht knüpfbar ist, nahm man die Existenz eng geflochtener Beziehungen zwischen Bild und De prima materia für sicher.

(Abb. 2)

Die Auffassung von der Existenz eines engen Text/Bild-Verhältnisses kann indes allenfalls nur stark eingeschränkt gelten. Man ließ nicht nur den polysemantischen Charakter mancher Zeichen (Kreis, Dreieck) außer Betracht und setzte sich über die

Absenz von wirklich zwingenden Bezügen zwischen bestimmten Bildelementen (Zei- chen, Schlangen) und dem Text hinweg. Darüber hinaus blieb unbeachtet, dass seine

Stellung zwischen De prima materia und dem Anhang-Sondertitelblatt darauf deutet, dass das Bild den Beginn des Anhangs markieren sollte. In dieser Hinsicht aufschluss- reich ist die Tatsache, dass sein äußerlich-drucktechnisch bedingter enger Anschluss an das Gedicht bald unterblieb und das Bild seiner Gliederungs-, Signal- und Schmuck-

34 Bernard Husson: Kommentar (1975). In: Stolcius (Überl.-verz. 5.2/Nr. 1), S. 104. 35 John Read: Prelude to Chemistry. An Outline of Alchemy. Its Literature and Relationships (erstmals 1936), Cambridge, Mass. 1966, S. 207; so z. B: auch Gustav Friedrich Hartlaub: Der Stein der Weisen. Wesen und Bildwelt der Alchemie, München 1959, S. 34: „Emblem des Großen Werks“. Oder man klassifizierte die Illustration als ein „Summary image for the Twelve Keys“, so Arthur Greenberg: A Chemical Hi- story Tour. Picturing Chemistry from Alchemy to Modern Molecular Science, New York 2000, S. 30, 31. 36 Vgl. Read (wie Anm. 35), S. 208, der im Dreieck (um 1600 übliches Zeichen für ‚ Wasser‘) und den drei Schlangen (im einschlägigen Schrifttum um 1600 noch nachzuweisende) Symbole für die Paracelsische Tria prima erblickte. Historisch-kritisch durchaus völlig unbekümmert zeigte sich z. B. auch Titus Burck- hardt: Alchemie. Sinn und Weltbild, Olten 1960, S. 182, der nicht nur die Tria prima Hohenheims (Mercurius, Sulphur, Sal), sondern auch einen „sowohl geistigen als [auch] körperlichen Drachen der Na- tur“ (!) ins Bild gesetzt fand. 20 Joachim Telle

37 funktion gemäß auf das Anhang-Sondertitelblatt rückte (1645) oder dessen Rück- seite füllte (1677).38

Fasst man schließlich das Zentralsymbol näher ins Auge, so ergibt sich der entste- hungsgeschichtlich bedeutsame Umstand, dass es bereits seit längerem zum astrono- misch-astrologischen Bilderschatz gehörte und die himmelskundliche Lehre vom „Dra- chenkopf “ und „Drachenschwanz“ („Mondknoten“), den zwei Schnittpunkten der Mondbahn mit der Ekliptik, ins Bild setzte,39 und manches zeichnerische Detail – etwa der habichtartige Drachenkopf – darauf deutet, dass vom Bildurheber der seit 1531 mehrmals gedruckte „Monddrache“ in H. C. Agrippas von Nettesheim Occulta philosophia 40 (Lib. II, Kap. 45) kopiert worden ist. Die beiden (nach Agrippa „luftigen“ und „feu- rigen“) Mondbahn-Kreise entbehren zwar zwingender Bezüge zur alchemischen Vor- stellungswelt des Basilius Valentinus, doch stifteten sowohl der Gebrauch eines mit polysemantischen Zeichen (Kreis, Dreieck) und Figuren (Schlangen) kombinierten Monddrachen-Bildes, das der Betrachter unschwer mit dem allgegenwärtigen und auch im Gedicht genannten „Drachen“ der Alchemiker zu assoziieren vermochte, als auch die innere Bezüge suggerierende Bild/ Text-Nachbarschaft manche assoziativ-locker gespannten Beziehungen zwischen dem Bild und dem voranstehenden Gedicht. Vo n einer überlegt-systematischen Entwicklung des Bildprogramms aus De prima materia aber kann keine Rede sein; eine „compressed synthetic expression“ der Darlegungen 41 Basilii zum „Großen Werk“ bietet der Bildtrabant des Gedichtes nicht.

IV. Bemerkungen zur Rezeption: die Dichteralchemiker Konrad Schuler und Lorenz Meisner. Bereits die Zahl bislang ermittelter Erläuterungen seines Literalsinnes bestätigt, dass alchemische Fachleute in dem Gedicht De prima materia oft nichts als „Böhmische 42 Dörffer“ zu erblicken vermochten, ja seine Absenz in den Vom großen Stein/Schlüs- 43 sel-Ausgaben von Ch. Runge (1658) und V. Polackius (1663) verdeutlicht, dass es schon im 17. Jahrhundert im fachliterarischen Selektionsprozess zuweilen unterlag. Insgesamt wirkte sich jedoch sein änigmatischer Charakter keineswegs rezeptionshem- mend aus, wurde wohl keine andere deutschsprachige Alchemikerdichtung des 16. Jahr- hunderts lebhafter beachtet und stärker verbreitet als eben De prima materia. Dies ge- schah nun allerdings nicht wegen ästhetisch-formkünstlerischer Qualitäten, sondern weil man das Gedicht als eine fachlich bedeutsame Abbreviatur der parabolischen Vom großen Stein/Schlüssel-Alchemie beurteilte: Von der beträchtlichen Wertschätzung, die

37 Basilius Valentinus: Vom großen Stein/Schlüssel. In: Geheime Bücher, 1645 (Überl.-verz. 1.2), S. 65. 38 Basilius Valentinus: Vom großen Stein/Schlüssel. In: Schriften, 1677 (Überl.-verz. 1.3), S. 76. 39 Zu dieser im astronomisch-astrologischen Schrifttum etwa eines Guido Bonatti beliebten Illustrations- form, mit der man die Verfinsterungen am ‚Drachenhaupt‘ und ‚Drachenschwanz‘ darstellte, vgl. Ewa Chojecka: Astronomische und astrologische Darstellungen und Deutungen bei kunsthistorischen Be- trachtungen alter wissenschaftlicher Illustrationen des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, Berlin (Ost) 1967, S. 82–105, hier S. 71–81. 40 Henricus Cornelius Agrippa ab Nettesheym: De occulta philosophia, hrsg. u. erl. v. Karl Anton Nowotny, Graz 1967, S. 198. 41 Read (wie Anm. 35), S. 207. 42 Naxagoras: Experientia (Überl.-verz. 2/Nr. 14), S. 166. 43 Basilius Valentinus: Compendium chymico-philosophicum, hrsg. v. Christoph Runge, Berlin 1658; ders.: Zwölff Schlüszel, hrsg. v. Vitus Polackius, Dresden 1663. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 21 man den Prosabasiliana entgegenbrachte, hat De materia prima erheblich profitiert

(Überl.-verz. 1). Allerdings zeigen Abschriften und Abdrucke außerhalb der Vom großen Stein/Schlüssel-Tradition, Kommentare und Bearbeitungen (Überl.-verz. 2–4), dass De prima materia auch um seiner selbst willen in Ansehen stand und seine tiefste Einsich- ten in die Alchemie versprechende Rätselhaftigkeit bis in das 18. Jahrhundert man- che Alchemiker dazu herausgefordert hat, die Bildwelt Basilii zu dechiffrieren – un- ter ihnen schon frühzeitig zwei hessische Dichteralchemiker: K. Schuler und L. Meisner. Die Reihe der De prima materia-Kommentatoren wird von dem Juristen Konrad 44 Schuler (auch: Schüler) aus Wolfhagen in Niederhessen eröffnet, der zunächst im deutschen Südwesten das Amt eines fürstlich-württembergischen Oberrates und Ober- vogtes zu Herrenberg bekleidete. Aufgrund seiner alchemischen Tätigkeiten, die spätestens seit dem Jahre 1606 zu einer fachlich engen Zusammenarbeit mit zwei alche- miekundigen Theologen, dem nachmaligen Kanzler der Universität Tübingen Lukas Osiander d. J. (1571/1638) in Schorndorf und dessen Bruder Johann Osiander in Marbach geführt hatten, genoss er die Gönnerschaft von Herzog Friedrich I. vom Württemberg

(1557–1608, reg. seit 1593). Nach Verlust seiner Ämter durch Herzog Johann Friedrich, den Nachfolger Friedrichs, und Gefangenschaft in Stuttgart (1609/10) kehrte Schuler ins heimatliche Hessen zurück. Er gehörte nun zum Alchemikerkreis um Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (1572–1632, reg. 1592–1627) und unterhielt hier besonders enge Beziehungen mit Moritz’ Sekretär, Bibliothekar und Laboranten Johann Eckel.

Schuler verband seine laborantische Praxis mit sachschriftstellerischen Arbeiten, in 45 deren Zuge ein Traktat über die Präparation des „Steins der Weisen“ , ein Dialog 46 über die Alchemie des Bernardus Trevisanus und weitere handschriftlich gebliebe- 47 ne Alchemica entstanden sind, unter ihnen eine Collatio, die zeigt, dass sich Schuler mit Methoden der humanistischen Philologie um eine verlässliche Textfassung des Bernhard’schen Hauptwerkes De miraculo chemico (auch: De chemia) bemühte.48 In den 49 Druck gelangten zwei Abhandlungen über den „Stein der Weisen“, der Begriff (1611)

44 Über Konrad Schuler informieren verstreute Mitteilungen von Christoph von Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, Kassel 1837, S. 505 f.; Bruce T. Moran: The Alchemist’s Reality. Problems and Perceptions of a German Alchemist in the Seventeenth Century. In: Halcyon 9 (1987), S. 33–148; ders.: The Alchemical World of the German Court. Occult Philosophy and Chemical Medicine in the Circle of Moritz of Hessen (1572–1632), Stuttgart 1991, S. 155–161, 167–169; Hans-Georg Hofacker: . . . ,sonderliche hohe Künste und vortreffliche Geheimnis‘. Alchemie am Hof Herzog Friedrichs I. von Württemberg. 1593 bis 1608, Stuttgart 1993, S. 37–41; Julian Paulus: Alchemie und Paracelsismus um 1600. Siebzig Porträts. In: Analecta Paracelsica (wie Anm. 20), S. 335–406, hier S. 379 f. 45 Schuler: Bericht, wie der Stein der Weisen bereitet wird (1612; Adressat: Landgraf Moritz). In: Kassel, LB, 8° Ms. chem. 11. 46 Schuler: Auslegung und Gespräch Bernhards mit einem Studiosus chemiae vom Stein der Philosophen (1609; verfasst im Gefängnis zu Stuttgart). In: Kassel, LB, 4° Ms. chem. 36. 47 Kassel, LB, 4° Ms. chem. 38, Bl. 2r–17r (ein in Stuttgart 1606 entstandenes „Judicium“ über das „Novum lumen chemicum“ des Michael Sendivogius in einer ca. 1612 erfolgten Abschrift von J. Eckel), Bl. 25r bis 156r); 4° Ms. chem. 58 („Handbuch“ R. Eglis), Bl. 53v: „Secretum“ in einer Aufzeichnung von B. Figulus. Über seine Alchemie dürfte auch Schulers Korrespondenz mit Landgraf Moritz im 2° Ms. chem. 19 Auf- schlüsse gewähren. 48 Schuler: Collatio (Ziegenhain 1616 und 1617). In: 4° Ms. chem. 37. 49 Schuler: Ordentlicher Kurtzer begriff der Chimischen Kunst von dem Lapide Philosophorum, aus dem Lat. übers. v. J. Eckel, Kassel 1611. 22 Joachim Telle und ein Discursus (1612)50, der H. Schleern und den Herborner Philosophieprofessor 51 H. Dauber zu Gegenschriften veranlasste, ferner die noch in Württemberg entstan- dene Auszlegung der Basilianischen Verse De prima materia (1606), mit der sich Schu- ler unter die deutschsprachigen Lehrdichter reihte.

In seiner nach Vorbild der „Rhythmi“ Basilii metrisch gefassten Auszlegung (Überl.- verz. 3/Nr.1) gibt sich in Schuler ein gelehrter Dichteralchemiker zu erkennen, der seine Deutung hauptsächlich bestimmten Schriften der „Alten“ abgewann. De prima materia wird Zeile für Zeile aus Kenntnis von Similiengut der lateinischen Alchemie- literatur paraphrasiert („ex consensu philosophorum veterum“); Spuren praktischer Erfahrungen Schulers fehlen.

Den Schlüssel zu einem vermeintlich tieferen Verständnis des allegorisch strukturier- ten Textes fand Schuler in der Basilianischen Rede vom Gegensatzpaar ‚fixer Vater‘/

‚flüchtige Mutter‘ und vom ‚zweifachen Mercurius‘. Diese Wendungen veranlassten ihn, den reichen Namenschatz, den die alchemische Spekulation im Zusammenhang mit der ihr wesenhaften Denkfigur von der Unio oppositorum ausgebildet hatte, zu mobilisieren52:

Das Ein nennt man/ Mutter/ Eva/

Fewr/ Geist/ Tochter/ Weib/ Fontina.

Das Ander/ Stein/ Sohn/ König/ Mann/

Vatter/ Sohne/ Drach/ vnd Adam/ Vnd was der Namen ohne zahl/ Gefunden werden vberal.

Ferner trug er Gegensatzpaare wie ‚roter König‘/,weiße Mutter‘, ‚heiße Sonne‘/,kaltes

Brünnlein‘, ‚trockener Mann‘/,feuchtes Weib‘, ‚fixer Vater‘/,flüchtiger Geist‘, ‚harter

Stein‘/,weiches Brünnlein‘, ‚alter Sohn‘/,junge Mutter‘ an die Verse heran. Gelangt eine alchemische Triade zur Sprache, wird umstandslos die Paracelsische Tria-prima- 53 Lehre appliziert. Da „Basilii Lehr“ in Schulers Sicht eine mercuriale Alchemie zum

Inhalt hat, zeichnet seine Auszlegung zwar noch Nähe zur voluntas auctoris aus; der

Bannkreis der änigmatischen Parabolik des Basilius Valentinus aber wird erweitert und an keiner Stelle durchbrochen.

Im Jahre 1608 erschien die Zweitausgabe der Auszlegung Schulers gemeinschaft- lich mit einer Erleuterung der Basilianischen Zwölf Schlüssel von Lorenz Meisner, und es ist anzunehmen, dass dieser gemeinschaftliche Abdruck der beiden Basilius-Kom- mentare aus persönlichen Beziehungen und dem fachlichen Konsens zwischen den Landsleuten Schuler und Meisner erwachsen ist. Über Meisner, einen Eschweger Chirurgen und Organisten, ist kaum mehr bekannt, als dass er – wie bald auch sein Landsmann Schuler – zum Alchemikerkreis des Landgrafen

50 Schuler: Discursus philosophicus de veris causis lapidis philosophici, Marburg/L. 1612. 51 Hermann Schleern: Solutiones chemicae [. . .] contra Conradi Schuleri, de lapide seu auro, Marburg/L. 1612. – Heinrich Dauber: Discursus philosophicus [. . .] oppositus discursui Conradi Schüleri (Adressat: Landgraf Moritz). In: Kassel, LB, 4° Ms. chem. 42, Nr. 15. 52 Schuler: Auszlegung, 1606 (Überl.-verz. 3/Nr. 1), S. 58. 53 Ebenda, S. 59. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 23

Moritz gehörte und sich 1626 anheischig machte, dem Landgrafen auf alchemischen 54 Wegen zwei bis drei Tonnen Gold herzustellen. Nach Ausweis seiner Erleuterung war er ein Anhänger der Basilianischen Alchemie, was angesichts der Tatsache, dass Kassel eine Hochburg der frühen Basilius-Valentinus-Rezeption bildete, wenig überrascht:

Die Mikrokosmos-Übersetzung mit den Aphorismi Basiliani sive canones hermetici (Marburg 55 1609) und andere Alchemica von Raphael Egli , eine Collectanea ex Basilio von Jacob Mosanus (um 1572/1616)56, eine Erklärung des Laboranten Peter Hermes (1616)57, die Schlüssel-Ausgabe von (1618)58 und weitere Zeugnisse59 zeigen, dass im Alchemikerkreis um Moritz die gerade erschienenen Basiliana allseits geschätzt worden sind, Meisner in diesem Kreis also keine fachliche Sonderstellung einnahm.

Weitere Aufschlüsse über Meisners literarisches Wirken bietet Moritz’ ‚Bibliotheca 60 alchemica‘, in der man auf manchen ungedruckt gebliebenen Text Meisners stößt. Bemerkenswert ist insbesondere eine der Streitgedicht- und Gerichtspieltradition ent- wachsene Comoedia chymica (auch: Colloquium philosophicum, 1615)61, in der die Richterin

Natura unter Beisitz von sieben Repräsentanten der Alchemie (Hermes, Alexander d. G., Morienus, Geber, Bernardus Trevisanus, Paracelsus, Basilius Valentinus) sowohl eine Schadensersatzklage eines „sophistischen“ Alchemikers zugunsten der beklagten

„Chymia“ als auch den Anspruch der sieben Planeten/Metalle auf den Titel „Prima materia lapidis“ zugunsten einer „stein“ genannten und in der „Prima materia lapidis“ personifizierten Arkansubstanz abweist.

Einen Platz in der Geschichte der deutschsprachigen Alchemikerdichtung sichern

Meisner seine Gemma [. . .] gemmarum, eine metrisch gefasste Erleuterung des Basilia- nischen Gedichts De prima materia (1608), und seine Rhythmi Vom Universal. Obwohl die Gemma bzw. Erleuterung (Überl.-verz. 4/Nr. 1) hauptsächlich aus De prima materia-Versen und nur sehr wenigen von Meisner selbst verfassten Verszeilen

54 Kassel, LB, 2° Ms. chem. 19 (Briefe Meisners); vgl. Rommel (wie Anm. 44), S. 505. 55 Vgl. Joachim Telle: Der ‚Sermo philosophicus‘. Eine deutsche Lehrdichtung des 16. Jahrhunderts über den Mercurius philosophorum. In: Ch. Friedrich, S. Bernschneider-Reif (Hrsg.): Rosarium litterarum. Bei- träge zur Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte. FS für Peter Dilg zum 65. Geburtstag, Eschborn 2003, S. 285–305, hier S. 292–295. 56 Kassel, LB, 4° Ms. chem. 55. Zu Mosanus vgl. die Hinweise bei Bruce T. Moran: Privilege, Communication, and Chemiatry. The Hermetic-Alchemical Circle of Moritz of Hessen-Kassel. In: Ambix 32 (1985), S. 110–126, hier S. 113 f., 119 f.; ders.: 1991 (wie Anm. 44), s. v. 57 Überl.-verz. 3/Nr. 2. – Kassel, LB, 2° Ms. chem. 19: Briefe Hermes’; vgl. Rommel (wie Anm. 44), S. 515; Moran (wie Anm. 56), S. 115, 119 f.; ders.: 1991(wie Anm. 44), s. v. 58 Überl.-verz. 5.1/Nr. 2. 59 Überl.-verz. 2/Nr. 1, 2, 5, 6: „De prima materia“-Abschriften in Moritzens Alchemicasammlung. Weitere Basiliana enthalten: Kassel, LB, 2° Ms. chem. 7/Fasz. 2, Bl. 1r–35r („Testamentum“); 4° Ms. chem. 43/ Fasz. 4 („Offenbarung“); 4° Ms. chem. 45; 4° Ms. chem. 56; 4° Ms. chem. 57, Bl. 1r, 50r, 83r („Offen- barung“); 4° Ms. chem. 58. – 1623 wurden Moritz von H. Dauber Basiliana mitgeteilt (Rommel, wie Anm. 44, S. 510). Die frühe Aufgeschlossenheit gegenüber der Basilianischen Alchemie am Kasseler Hof zeigt sich auch in dem Umstand, dass Moritz mit dem Erstherausgeber Basilianischer Werke, Johann Thölde, spätestens seit 1594 Beziehungen unterhielt und sich Thölde 1605 in alchimicis in Kassel aufhielt; vgl. Hans Gerhard Lenz: Johann Thoelde. Ein Paracelsist und „Chymicus“ und seine Beziehungen zu Land- graf Moritz von Hessen-Kassel, Diss. phil. Marburg/L. 1981. 60 Kassel, LB, 2° Ms. chem. 11/Fasz. 2, Bl. 5r–6v; 4° Ms. chem. 43/Fasz. 7, 19; 4ˆ Ms. chem. 46. 61 Kassel, LB, 4° Ms. chem. 43/Fasz. 14; auch in: 4° Ms. chem. 25, Bl. 250r–272r. 24 Joachim Telle

besteht, führt sie ihren Titel zu Recht. Sie trägt zwar das kaum veränderte Sprach- kleid der zu erläuternden Dichtung, gleichwohl bietet sich das Resultat eines energi- schen Versuches, die Basilianischen Verse ihrer Rätselhaftigkeit zu berauben und durch

Terminusaustausch ins Chemische zu „übersetzen“. Am Leitfaden der arabisch-mit- telalterlichen Schwefel/Quecksilber-Theorie, nach der Metalle aus alchemisch-hypo- thetischem Sulphur und Mercurius zusammengesetzte Composita darstellen, wurden von Meisner fast alle mehrdeutigen Termini des Basilius durch vermeintlich präzisere Begriffe substituiert. Es treten ein: „Gold“ (für „Stein“), „Sulphur“ (für „Vater“, „Röte“, „Adam“) und „Mercurius“ (für „flüchtiges Feuer“, „Weiße“, „Brünnlein“, „Mutter“,

„Drache“); außerdem wurde die „Venus“ Basilii mit „Oleum Victrioli“ identifiziert.

Diese Terminussubstitutionen wandelten De prima materia in eine Dichtung, die lehr- te, dass die Alchemie des Basilius Valentinus gemäß dem Topos von der „Reductio in primam materiam“ eine Reduktion von Gold in einen primaterialen Arkanmercu- rius und eine laborantische Behandlung des „fixen Sulphurs“ und „flüchtigen Mercu- rius“ zum Inhalt habe.

Meisners Assimilation der Basilianischen Alchemie hinterließ auch manche Spu- ren in seinem Gedicht Vom Universal (Überl.-verz. 4/Nr. 3) (Text: siehe V [Anhang], 6/2), einem verskünstlerisch anspruchslosen und von sprachlicher Nähe zur Prosa

Meisners charakterisierten Werk. Es gilt der laborantischen Darstellung des „lapis philosophorum“ (v. 64; auch: „universal“), und dem ‚Gesetz der Sache‘ gemäß wurde es im Anschluss an das übliche Aufbauschema alchemischer Prozessbeschreibungen gegliedert: Unter Verzicht auf exordialen Schmuck wird sofort die Ausgangssubstanz für die Präparation des „universals“ benannt, ein compacter „stein“, der als ein „mit- tel“ zwischen Mercurius und Metallen gilt (v. 1–4). Dann gelangen im primaterialen

Bereich sich vollziehende Wandlungsgeschehnisse zur Sprache, bei denen die ‚Mater metallorum‘, nämlich Mercurius („geist“, 5; „weiß wasser“, 7; „lac virginis“, 8; „brünlein“, 11 bzw. „fontina“, 23, 40, 43; ‚Mutter des Königs‘, 13) eine zentrale Rolle spielt und eine Conjunctio zwischen der „fontina“ (primordialer Arkanmercurius) mit ihrem „sohn“, dem „könig“ (hier: Gold), aus der ein „doppelter Mercurius“ (26) hervorgeht, das markanteste Ereignis darstellt (15–28). Dann geben Vermerke von Farberschei- nungen zu verstehen (32–38), dass dieses Prozessgeschehen über eine Nigredo- und Albedophase (Gewinn des ‚weißen Elixirs‘, 35) zur Rubedophase führt (Gewinn des „roten steins“ bzw. „universals“). Mit Mitteilungen zur ‚Multiplicatio‘ (39–44) und

‚Projectio‘ (47–58) des „roten steins“, mit Angaben zu den Tugenden des Universals (59–64) und einem formelhaften Lobpreis Gottes (65–68) schließt das Gedicht.

Es bedürfte keiner Meisner’schen Nennung des Bernardus Trevisanus (v. 11) und

Basilius Valentinus (v. 19), um zu erkennen, dass Vom Universal unter stetem Rück- griff auf Alchemica entstanden ist, Meisner nichts als vorformuliertes Gemeingut metrifizierte. In dieser Hinsicht sind bereits die Wiedergabe der ‚klassischen‘ Pro- zessphasenabfolge (Präparation der prima materia/ Nigredo/ Albedo/ Rubedo), der Gebrauch alteingeführter Decknamen („Geist“, v. 5; „wasser“, v. 7; „lac virginis“, v. 8),

Formeln (gebraucht z. B. für die farbsymbolische Schilderung der Prozessphasen), toposhaft verbreiteter Dikta (etwa der Abweis der Vielheit, v. 31–32) oder der inhalt- lich konventionelle Tugendkatalog verräterisch genug. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 25

Nachhaltig geprägt wurde Vom Universal von den Rhythmi De prima materia des

Basilius. Die Rhythmi haben Meisners Form- und Themawahl maßgeblich mitbe- stimmt; beiden Dichtungen gemeinsame Wendungen und Termini zeigen, dass Vom Universal als eine Fortschreibung der Basilianischen Dichtung zu beurteilen ist, bei 62 der sich Meisner im Versbereich 17–20 (Vorschrift zur ‚Waschung‘ des „königs“ ) 63 und im Versbereich 47–58 (Projectionsanweisung ) auf die Zwölf Schlüssel stützte. Nicht anders als Meisners Gemma (1608) und Comoedia (1615), in denen man eine

Vielzahl alchemischer Schriften zitiert findet, wurde auch Vom Universal nach dem

üblichen Verfahren, Metaphern durch Metaphern zu „erklären“, dunkle Dikta durch vermeintlich konkordante Dikta, aus weiteren Werken kompiliert. Aus ihrer beträcht- lichen Fülle verarbeitete Meisner insbesondere eine Schrift, die auch vom De prima materia-Verfasser assimiliert worden ist: De chemia (auch: De chymico miraculo, Hermeti- sche Philosophia) von Bernardus Trevisanus. Sowohl der häufig gebrauchte Deckname 64 „brünlein“/„fontina“ für primaterialen Mercurius , der Terminus „Mercurius duplicatus“65 und dessen Definition66:

Ein mercurialisch substantz Opus nostrum fit ex unica radice, et Von einer wurtzl vnd zweyen gantz ex duabus substantiis Mercurialibus als auch das Bild von der chymischen Hochzeit einer „Fontina“ (Arkanmercurius) mit einem „König“ (Gold)67 wurden aus Bernhards Hauptwerk geschöpft. Vermutlich besaß unser Handwerkerautor auf dem Gebiet der Stoffpräparation über die unter Wundärzten seiner Zeit üblichen Kenntnisse. Was aber seinen Lehrgegenstand, die Transmutationsalchemie, betrifft, so hatte er ihn mangels Zeit und Laboranten nicht 68 „ins Werck“ gesetzt. Strikte Gebundenheit an die literarische Tradition ist denn auch ein Hauptmerkmal seiner Dichtung: Die Gemma bzw. Erleuterung der Rhythmi Basilii birgt nichts als eine schablonierte Applikation der arabisch-mittelalterlichen Sulphur/ Mercurius-Theorie, einer metallogenetischen Doktrin, die zwar von Paracelsisten zugunsten der Tria-prima-Lehre Hohenheims angefochten worden ist, doch um 1600 in unübersehbar vielen Alchemica in Geltung stand. Das Gedicht Vom Universal, eine großteils aus Sprach- und Vorstellungsgut des Basilius Valentinus und Bernardus

Trevisanus aufgebaute Prozessbeschreibung, bestätigt Meisners Praxisferne einmal mehr.

62 Meisner: Vom Universal, v. 17–20. – Basilius Valentinus: Schlüssel. In: Schriften, 1677 (Überl.-verz. 1.3), S. 30. 63 Meisner: Vom Universal, v. 47–58. Basilius Valentinus: Schlüssel. In: Schriften, 1677 (Überl.-verz. 1.3), S. 72. – Meisners dunkler v. 50 leitet sich aus der Basilianischen Lehre ab, dass man beim ‚Werk‘ mit „spießglaß“ (Antimon) purgiertes Gold zu gebrauchen habe; siehe Basilius, Schlüssel, 1677, S. 72. 64 Meisner: Vom Universal, v. 11, 23, 40, 43. – Bernardus Trevisanus: De alchemia (wie Anm. 31), pars IV („De practica Philosophicis lapidis“), S. 707–709, passim. 65 Meisner: Vom Universal, v. 26. – Bernardus (wie Anm. 31), S. 695: „Infinitis rationibus probari posset, Mercurium duplicem esse solam materiam primam, et proximam omnium metallorum“. 66 Meisner: Vom Universal, v. 27–28. – Bernardus (wie Anm. 31), S. 704. 67 Meisner: Vom Universal, v. 15–24. Bernardus (wie Anm. 31), pars IV („Practica“), S. 707–709. – Alle diese Zentralbegiffe der Alchemie des Bernardus Trevisanus übernahm Meisner auch in seine „Comoedia“ (Kassel, LB, 4° Ms. chem. 43, Bl. 30). 68 So Meisner: Gemma, 1608 (Überl.-verz. 4/Nr. 1), Vorrede, S. A4v. 26 Joachim Telle

Auf die Versuche von Schuler und Meisner, aus der allegorischen Hülle der Basilianischen Dichtung einen alchemischen Kern zu schälen, folgten manche weite- ren Deutungen. Auch sie bringen die voluntas des Lehrdichters allenfalls punktuell zum Vorschein, auch sie werfen hauptsächlich Licht auf alchemische Positionen sei- ner Interpreten: So hielt der Arzt J. Solt (17. Jh.) dafür, De prima materia lehre „deut- lich genugk“ eine auf „Mercurius Antimonii“ als dem „waren Mercurius philoso- phorum“ gegründete Alchemie (Überl.-verz. 2/Nr. 6). Hingegen erblickte J. R. Glauber

(1660) nicht nur in der Tabula smaragdina, sondern auch im Symbolum (De prima materia) ein Kronzeugnis für seine Lehre, dass Alchemiker, sofern sie sich der „Salia“ Vitriol und Nitrum als „Agentien“ bedienen, ihre metalltransmutatorischen Ziele verwirkli- chen könnten (Überl.-verz. 5.1/Nr. 3). Der holländische Chemicus und Bergmeister

G. van Vreeswyk (1672) wieder nahm De prima materia für ein Zeugnis der mercurialen

Alchemie (Mercurius: „Mutter“, v. 11; „Adam“, v. 25) und suchte ihm durch Appli- kation der im 17. Jahrhunderts überaus geläufigen pseudoparacelsischen Lehre vom 69 „weißen Adler“/„Adlerleim“ und „roten Löwen“/„Löwenblut“ seine anstößige Dunkelheit zu nehmen (Überl.-verz. 5.4/Nr. 1).

Im 18. Jahrhundert fanden sich mit dem Deckenpfronner Chirurgen J. J. Weitbrett (1723) manche Rezipienten, die das Gedicht in den Bahnen der altherkömmlichen

Sol/Luna/Mercurius-Alchemie verstanden (Überl.-verz. 3/Nr. 3). Vorab aber wurde es nun von „Vitriolisten“ beansprucht: E. von Naxagoras (1723) präsentierte De prima materia als eine Anweisung, die lehre, beim Gewinn der „Universalmedizin“ vom Vi- triol („stein“, v. 1: „Lapis Vitrioli“; „alter Drache“, v. 27: „Oleum Vitrioli“) auszugehen

(Überl.-verz. 2/Nr. 14). Und auch der Jenaer Universitätsmediziner H. F. Teichmeyer (1685/1744) entschied, Basilius habe mit „stein“ (v. 1) kein Spießglas (Antimontrisul- fid), sondern Vitriol bezeichnet (Überl.-verz. 3/Nr. 5).

Zwar drang das umstrittene Gedicht De prima materia durch Wedel und Teichmeyer schließlich in den schulwissenschaftlich-universitären Bereich ein und blieb auf dem Druckmarkt des 18. Jahrhunderts präsent, gleichwohl verlor es allmählich unter che- mischen Fachleuten seine Aktualität. Nach dem Aufgriff der „vielbedeutenden Wor- te“ durch einen pseudonymen Hermetiker (1783), der nun aktuelles Gedankengut der Gold- und Rosenkreuzer an sie herantrug (Überl.-verz. 3/ Nr. 6), riss die Kette ihrer chemikalisierenden Rettungen ab.

Im 20. Jahrhundert nahmen dann einzelgängerische Anhänger der traditionellen Transmutationsalchemie (Überl.-verz. 2.2/Nr. 20) und Spagyrik (Überl.-verz. 1.4/Nr. 3) das Gedicht wieder für ein inhaltlich gültiges Werk, ja man fand nun in De prima materia manche Züge der anthroposophischen Esoterik Rudolf Steiners gefasst (Überl.- verz. 3/Nr.7). Es bereicherte nun das Schrifttum der internationalen Hermetik (Überl.- verz. 1.4/Nr. 5; 5.2/Nr. 3; 5.5/Nr. 3, 4), und ein Blick in alchemische Sachschriften von Alexander von Bernus (1880/1965) lehrt, dass das „seltsam verschlüsselte“ Ge- dicht durchaus auch unter praktizierenden Alchemikern der Moderne als ein „wunder- bar aufschlußreicher“ Text geschätzt worden ist (Überl.-verz. 2/Nr. 21).

69 Vgl. dazu Joachim Telle: Buchsignete und Alchemie im XVI. und XVII. Jahrhundert. Studien zur früh- neuzeitlichen Sinnbildkunst, Hürtgenwald 2004, S. 95–120: „Das pseudoparacelsische Adler/Löwe-Sinn- bild unter deutschen Lehrdichtern“. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 27

V. Anhang

Überlieferungsverzeichnis

1. De prima materia in Vom großen Stein/Schlüssel-Abdrucken 1.1. Vom großen Stein/Schlüssel in Einzelausgaben

Basilius Valentinus: Ein kurtz Summarischer Tractat [. . .] Von dem grossen Stein der Vralten,

hrsg. v. Johann Thölde, Eisleben: B. Hörnig 1599 (Expl. Studienbibliothek Dillingen). –

S. K6r–K6v: Editio princeps. Das Gedicht beschließt den Traktat Vom großen Stein und die

Zwölf Schlüssel. 34 vv. – Text: siehe V. (Anhang), 6/1. Ü.: DE PRIMA MATEria Lapidis Philosophici. Inc.: EIn stein wir funden ist nicht theur/ Aus dem zeucht man ein flüchtigs fewr Expl.: Suchs darin/ wird nicht müd noch matt/

EXITVS ACTA PROBAT.

Weitere Ausgaben: J. Schleer (Zerbst) für J. Apel (Leipzig) 1602 (Expl. HAB Wolfenbüttel). –

S. 101–102: De prima materia; S. 103: Bild; S. 104: Anhang-Titelblatt. – Leipzig: J. Apel 1612

(Expl. UB Würzburg), S. 122–123. – Leipzig: B. Voigt 1626 (Expl. SBPK Berlin), S. 122–123.

1.2. Vom großen Stein/Schlüssel-Abdrucke im Verbund mit Basilii Valentini Geheimen Büchern

Basilius Valentinus: Geheime Bücher oder letztes Testament. Vom grossen Stein der Vralten Weisen vnd andern verborgenen Geheimnussen der Natur, Straßburg: C. Dietzel 1645 (Expl.

HAB Wolfenbüttel). – S. 64: Gedicht. – Straßburg: C. Dietzel 1651 (Expl. UB Heidelberg). –

S. 64: Gedicht. – Straßburg: G. A. Dolhopff und J. E. Zetzner 1667 (Vom großen Stein-

Sondertitelbl.: 1666; Expl. UB Münster). – S. 64: Gedicht. – Straßburg: J. R. Dulßecker 1712

(Vom großen Stein-Sondertitelbl.: 1711; Expl. HAB Wolfenbüttel). – S. 63–64: Gedicht.

1.3. Vom großen Stein/Schlüssel-Abdrucke in den Chymischen Schriften Basilii

Basilius Valentinus: Chymische Schriften, mit einer Vorrede v. W. S. L[ange], Hamburg: J. Nau-

mann und G. Wolff 1677 (Repr. Hildesheim 1976), Tl. I, S. 73–74.

Weitere Ausgaben: Hamburg: G. Liebezeit 1694 (Expl. SB Bamberg), Tl. I, S. 73–74. – Hamburg:

G. Liebezeit 1700 (Expl. UB Heidelberg), Tl. I, S. 73–74. – BASILIUS INNOVATUS, mit

einer Vorrede v. B. N. Petraeus, Hamburg: S. Heyl 1717 (Expl. UB Heidelberg), S. 64–65. –

Hamburg: G. Richter 1740 (Expl. UB Heidelberg), S. 64–65. – Leipzig: J. P. Krauß (Wien) 1769 (Expl. UB Heidelberg), S. 64–65.

1.4. Vom großen Stein/Schlüssel-Abdrucke in Alchemicasammlungen Nr. 1

(Aureum vellus) Aurei velleris, Oder Der Güldin Schatz vnd Kunstkammer. Tractatus III, o. O.

(Leipzig: H. Grosse d.Ä.) 1600 (Expl. HAB Wolfenbüttel). – S. 700–701: Gedicht.

Erneut in: PROMPTVARIUM ALCHEMIAE Ander Buch/ Darinnen der vornehmsten gelehr-

ten Philosophen vnd Alchimisten Schrifften vnd Tractaten Von dem Stein der Weisen, Leipzig: H. Grosse 1614 (repr. Nachdruck Graz 1976), S. 610–702. – S. 701–702: De prima materia. Nr. 2 Elucidatio Secretorum, Das ist/ Erklärung der Geheimnussen/ wie der Lapis Philosophorum

funden/ vnd die vniuersal Medicin erlanget wirdt, Frankfurt a. M.: W. Richter für N. Stein

1602 (Expl. UB Erlangen). – Traktat 3 (S. 359–466): Vom großen Stein und die Schlüssel unter

dem Titel Summarischer Bericht/ von dem Lapide Philosophorum; S. 465–466: De prima materia.

Titelausgabe: Frankfurt a. M.: N. Stein 1610 (Expl. LB Hannover). 28 Joachim Telle

Nr. 3 Daniel Hornfisher: Löwe und Phönix. Das große Handbuch der praktischen Spagyrik und

Alchemie, Braunschweig 1998, S. 271–294. – S. 293 f.: De prima materia in neuhochdeutscher

Version; Vorlage: Chymische Schriften, Tl. 1, 1677 (Überl.-verz. 1.3). Nr. 4

Der Schlüssel zu den „Zwölf Schlüsseln“ von Bruder Basilius Valentinus. – Basilius Valentinus: „Vom Großen Stein der Uralten“ und „Zwölf Schlüssel der Philosophie“, hrsg. u. übers. v.

Martin P. Steiner, komm. v. P. Martin, Basel 2006, Tl. 2, S. 177–262, hier S. 260 f. (Text, „ge-

glättet“ und modernisiert); S. 262 (Bild); Vorlage: Vom großen Stein/Schlüssel, ed. Thölde, 1602 (Überl.-verz. 1.1). 1.5. Eine Druckabschrift

Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. B. 1233, Bl. 28v–57r (17. Jh.): Vom großen Stein mit De prima materia (Bl. 56v–57r).

2. De prima materia außerhalb der Vom großen Stein/Schlüssel-Tradition. Streuüberlieferungen Nr. 1 Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 4° Ms. chem. 31, Bl. 43r–v: De prima materia

in einer Abschrift aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, flankiert von paracelsistischen Alchemica. Nr. 2

Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 4° Ms. chem. 43, Textabschnitt Nr. 3:

Mit Marginalien versehene Abschrift aus dem beginnenden 17. Jahrhundert. Nr. 3

OCCVLTA PHILOSOPHIA Von der verborgenen Philosophischen Geheimnussen der heim-

lichen Goldblumen/ vnd Lapidis Philosophorum [. . .] sampt Der Schmaragd Taffel/ Paraboln/

Symbolis, vnd 18. sonderbaren Figuren [. . .] HERMETIS TRISMEGISTI, vnd F[ratris] BASILII

VALENTINI, Frankfurt a. M.: J. Bringer 1613 (Expl. UB Erlangen). – Tl. II, S. 52–53: De prima materia (33 vv.; Fortfall von v. 32), dargeboten als ein „SYMBOLVM FRATRIS BASILII

Valentini“.

Titelausgabe: Frankfurt a. M.: J. Schmidlin 1625 (Expl. UB Erlangen).

Abschrift: Los Angeles/Cal., Philosophical Research Society, Sammlung M. P. Hall, Ms. 39 (18. Jh.).

– Tl. II, Bl. 11–13: Symbolum.

Im Unterschied zum Kontext wurde das Symbolum Basilii Valentini nicht in den Prodromus Rhodo- stauroticus (1620) übernommen. Nr. 4 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm. 26058, Bl. 100r–101r. – De prima materia in einer

Abschrift von Johann Gußmann (Klagenfurt 1614), der 1604 für Herzog Friedrich I. von Würt- temberg laboriert haben will. Nr. 5

Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 4° Ms. chem. 53, Textabschnitt Nr. 20. –

De prima materia als Aufbauteil einer Exzerptsammlung (Lustgarten der Philosophen), entstanden während aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nr. 6

Solt, Johann: Antimontraktat, in: Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 4° Ms.

chem. 60/I. Fasc. 2, Bl. 66r–75r. – An einen ungenannten Kurfürsten gerichteter Traktat aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts; Bl. 67v–68r: De prima materia. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 29

Nr. 7 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 11329 (17. Jh.). – Bl. 119r: De prima materia Basilii; 34vv. Nr. 8

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 9 Noviss. 2° (17. Jh.). – Bl. 468: De prima materia als anonymes Symbolum. Nr. 9 Schwerin, Landesarchiv, „Acta de lapide philosophorum“ (ohne Einzelsignaturen), F (Handschrif-

ten/Drucke), 4°-Bündel, Ms., 7 Bll. (17. Jh.), Bl. 6v–7r. – Anonyme Abschrift; 34 vv.; Ü.: „De prima materia lapidis philosophici“. Nr. 10

Rosencreutzer, Marcus Friedrich (d. i. Marcus Freund): ASTRONOMIA INFERIOR, Oder:

Septem Planetarum Terrestrium Spagyrica Recensio, Nürnberg: W. Endter 1646 (Expl. HAB

Wolfenbüttel). – S. 370–372: De prima materia (v. 25–30) als Aufbauteil einer deutschen Alchemiker- dichtung. Auch: Nürnberg: Ch. Endter 1674. Nr. 11

LUX LUCENS IN TENEBRIS Das ist: Das Licht zu der wahrhaftigen Philosophischen Kunst v zu gelangen, o. O. (Hamburg?) 1668 (Expl. SUB Hamburg). – S. E3 –E4: De prima materia (30

vv.) als anonymer Aufbauteil eines Traktats des Pseudonymus „FVEZEOL“ für den dänischen König Friedrich III.; Ü.: „Materia Lapidis“. Nr. 12 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 11516 (17. Jh.). – Bl. 34v–36v: „Rithmi Basilii Valentini de Prima Materia Lapidis Philosophorum“; Schreiber: Johann Friedrich von Rain; mit

lateinischen Erläuterungen J. F. v. Rains. Nr. 13

COMPENDIUM ALCHYMIST[icum] NOVUM, Sive PANDORA Explicata & Figuris Illustrata. Das ist/ die Edelste Gabe Gottes/ Oder Ein Güldener Schatz, hrsg. v. Johann Michael Faust,

Frankfurt a. M., Leipzig: J. Zieger 1706 (Expl. LB Stuttgart). – S. 791–792: De prima materia; be-

findlich unter einer Vielzahl von „Philosophischen Kern-Sprüchen“, mit denen von Faust die Pandora (1582) erläutert worden ist.

Titelausgabe: Francisci Epimethei Pandora, hrsg. v. J. M. Faust, Hamburg: J. H. Meißner 1727 (Expl. LB Darmstadt). Nr. 14

(Ehrd von Naxagoras:) EXPERIENTIA NAXAGORAE, SECUNDUM ANNULOS PLA-

TONICOS, ET CATENAM AUREAM HOMERI. Worinnen der wahrhaffte PROCESS, Die

UNI VERSAL-MEDICIN zu elaboriren [. . .] vor Augen lieget, Frankfurt a. M.: D. von Sand

1723 (Expl. Senckenberg-Bibliothek Frankfurt a. M.). – S. 47: Zitat (6 vv.). – S. 166–169: „Verse

aus dem Basilio“. Mit fachlich erläuternden Anmerkungen versehene Wiedergabe, bei der De

prima materia mit dem Vitriol-Rollengedicht aus der Basilianischen Kleingedichtsammlung kom- biniert worden ist. Nr. 15

Ehrd de Naxagoras: AUREUM VELLUS, Oder Güldenes Vließ, Frankfurt a. M.: Stocks Erben

und Schilling 1731 (Expl. Gmelin-Institut Frankfurt a. M.). – Tl. II, S. 206–211: De prima materia

in zitatartiger Wiedergabe. 30 Joachim Telle

„Editio secunda“ (wohl Titelausgabe) Frankfurt a. M.: Stocks Erben und Schilling 1733 (Expl. LB Darmstadt), S. 206–211. Nr. 16

Philosophisches Sendschreiben an alle diejenige, welche den Stein der Weisen suchen, Frank-

furt a. M., Leipzig 1766 (Expl. LB Karlsruhe). – S. 24: Zitat der vv. 1–6. Nr. 17

London, Wellcome Historical Medical Library, Ms. 4366, Tl. II (18. Jh.). – Bl. 29r–30r: De pri- ma materia. Nr. 18 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. theol. 2217. – Bl. 9v–10r (18. Jh.): „Reime de

prima Materia“ (34 vv.); Abschrift des Basilius-Valentinus-Editors Benedictus Nicolaus Petraeus. Nr. 19

Abschrift, anonymisiert (18. Jh.), in: Johann Conrad Creiling: Abhandlung vom Goldenen Vließ

oder Möglichkeit der Verwandlung der Metalle, Tübingen 1787 (Expl. Deutsches Museum Mün- chen). – De prima materia, vv. 1–1270. Nr. 20

Willems, A. und P[eter]. Ch[ristoph]. Martens: Betrachtungen über die Alchemie der Alten,

Bad Schmiedeberg, Leipzig o. J. (um 1911; Expl. LB Karlsruhe). – S. 19–20: De prima materia in einer anonymen und modernisiert-unkritischen Fassung. Nr. 21

von Bernus, Alexander: Alchymie und Heilkunst, 3. überarb. u. erg. Aufl., Nürnberg 1969 (erstmals: Stuttgart 1936 [Kleinfassung]). – Zitat der vv. 1–6 (S. 83); 1–8, 29–32 (S. 232).

Weitere Ausgaben: Nürnberg 1948 und 1972; hrsg. v. Irmhild Mäurer und Marino Lazzeroni,

(5. Aufl.) Dornach 1994. – Übersetzungen ins Französische (Paris 1960, 1977; Mennecy 1991), Spanische (Madrid 1981), Italienische (Rom 1987). Nr. 22

Bernus, Alexander von: Goldgeheimnis. Mit einem Lebensbild des Alchymisten Johann Friedrich Bötticher (Ogham-Bücherei, 18), Stuttgart 1984. – S. 13: De prima materia (v.1–6), zitiert als eine

„Strophe des sagenhaften Benediktiner-Mönches“ Basilius Valentinus.

3. Kommentare Nr. 1

Schuler, Konrad: Gründtliche Auszlegung vnd Warhaffte Erklärung der Rythmorum Fratris Basilii

Valentini Monachi, Von der Materia/ Ihrer Geburt/ Alter/ Farb/ Qualitet/ vnd Namen/ des

grossen Steins der Vhralten Philosophen, Tübingen: E. Cellius 1606 (Expl. UB Erlangen). –

S. 47–48: De prima materia-Wiedergabe; S. 49–60: eine Auszlegung in vierhebigen Paarreimen.

Erneute Ausgabe in: Meisner, Lorenz: GEMMA GEMMARVM ALCHIMISTARVM. Oder Erleuterung der Parabolischen vnd Philosophischen Schrifften Fratris Basilij, der zwölff Schlüs-

sel/ von dem Stein der vhralten Weisen, J. Gaubisch (Eisleben) für J. Apel (Leipzig) 1608 (Expl. LB Darmstadt).

70 Faksimile und Transkription bei Otto Krätz: Historische chemische und physikalische Versuche. Einge- 3 bettet in den Hintergrund von drei Jahrhunderten, Köln 1979 (Köln 1991), S. 19 f.: „De prima materia“ hier nicht identifiziert und vom folgenden Text falsch abgegrenzt. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 31

Nr. 2

Hermes, Peter: Erklärung der Reime Basilii Valentini, in: Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 8° Ms. chem. 5 (20 Bl.). – Ein 1616 abgeschlossener Kommentar mit De pri- ma materia-Wiedergabe, gerichtet an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Nr. 3

Weitbrett, Johann Joachim: Redivivus Fr[ater]. Basilius Valentinus, Benedictiner Ordens. Das ist:

Eine [. . .] Erklärung Des Von Basilio Valentino in seinem Buch Uber den Grossen Stein der

uralten Weisen Reimen-weis gesetzten Proceß, o. O. 1723 (Expl. SStB Augsburg).- S. 23 f.: De prima materia; anschließend eine chemikalisierende Deutung. Nr. 4

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Ms. Bernus 148 (17./18. Jh.). – Bl. 52v–53r: ‚Basilii Valen-

tini Prozeß‘; De prima materia mit einer „Erklärung“ (Bl. 53r–58r); Parallelüberlieferung in: Weit- brett, 1723 (Überl.-verz. 3/Nr. 3). Nr. 5

Teichmeyer, Hermann Friedrich: Erläuterungen einiger Verse welche in des Basilius Valentinus Schriften vorkommen, aus dem Lateinischen übersetzt von Georg Friedrich Christian Fuchs,

Jena: Cuniosche Erben 1788 (Expl. UB Heidelberg). – Zweiundzwanzig „Programmata“ Teich-

meiers De rhythmis Basilii Valentini (Jena 1734–1743) in deutscher Übersetzung, die einige Zita- te aus De prima materia (S. 2, 70, 71) einbegreifen. Nr. 6

Rosa Significet Hunnis ea. (Ps.): Die Sonne von Osten Oder Philosophische Auslegung der

Kette des goldenen Vliesses, o. O. 1783 (Expl. LB Darmstadt). – Tl. I, Kap. 1: Eine weitläufige

Auslegung der „vielbedeutenden Worte“ des „Basil“ (De prima materia, v. 1–7).

Weitere Ausgaben: Colchis: Argonauten 1790 (Expl. LSB Überlingen). – Stuttgart: J. Scheible

1866 („getreu nach der Ausgabe von 1783 erneuert“). – Kiel: E. Nahr 1921 (Faksimile der Ed. 1866). Nr. 7

Stein, Walter Johannes: Basilius Valentinus im Zusammenhang mit der Artus-Sage (1935), in:

ders., Der Tod Merlins. Das Bild des Menschen in Mythos und Alchemie. Mit den Lebenserin-

nerungen und einer Bibliographie hrsg. v. Thomas Meyer, Dornach 1984, S. 139–152. – S. 145– 146: De prima materia in modernisierter Fassung, dargeboten im Rahmen einer anthroposophi- schen Deutung.

4. Bearbeitungen Nr. 1

Meisner, Lorenz: GEMMA GEMMARVM ALCHIMISTARVM. Oder Erleuterung der Para- bolischen vnd Philosophischen Schrifften Fratris Basilij, der zwölff Schlüssel/ von dem Stein

der vhralten Weisen, J. Gaubisch (Eisleben) für J. Apel (Leipzig) 1608 (Expl. LB Darmstadt). – v v S. A8 –B1 : De prima materia in einer Versbearbeitung (44 vv.), die im Rahmen eines Kom- mentars zu den Zwölf Schlüsseln entstanden ist.

Ü.: Erleuterung der Rhythmorum Fratris Basilii Valentini, de prima Materia, des grossen

Steins der vhralten Weisen/ so er nach den 12. Schlüsseln gesetzt. Inc.: NIm Gold/ ob es schon ist sehr thewer/ in Mercurium reducir. Expl.: Suchs darein/wird nicht müd noch mat/ Exitus acta probat. 32 Joachim Telle

Nr. 2

Admont, Stiftsbibliothek, Cod. 829. – Meisners Werk in einer anonymen Aufzeichnung des

17. Jahrhunderts; Bl. 3r: „Explicatio 12. Clauium ac Rythmorum F[ratris]: Bas[ilii]: Valen[tini]:“. Nr. 3

Meisner, Lorenz: „Rhythmi Vnd Kurtze beschreibung des Universals“, in: Kassel, Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, 4° Ms. chem. 25, Fasz. 2, Bl. 26r–29r. – De prima materia in einer interpretativen Neuschöpfung (68 vv.), aufgezeichnet im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahr-

hunderts. Verfasserangabe (Bl. 20r): „L[aurentius]: M[eisnerus]. E[schwegiensis]. Hassi“. – Text:

siehe V. (Anhang), 6/2. Inc.: Ein Stein wirdt funden gantz compact, Gar schwere, vnd auch zimblich hart, Expl.: Dem sey lob, danck vnd herrlichkeit Von nuhn an bis in ewigkeitt Nr. 4

Stolcius de Stolcenberg, Daniel: VIRIDARIUM CHYMICUM FIGURIS CUPRO INCISIS

ADORNATUM, ET Poeticis picturis illustratum, Frankfurt a. M.: L. Jennis 1624 (Expl. HAB

Wolfenbüttel). – Fig. Nr. 13: Erneuter Abdruck eines Kupfers (Phiole mit Drache und drei Schlan-

gen), das der De prima materia-Übersetzung im Tripus aureus (1618) angeschlossen worden ist.

Dazu ein lat. Sechszeiler unter der Überschrift „Materia lapidis Philosophici“, verfasst in An-

lehnung an die De prima materia-Übersetzung im Tripus aureus (Überl.-verz. 5.1/Nr. 2). Nr. 5

Stoltzius de Stoltzenberg, Daniel: Chymisches Lustgärtlein, übers. v. Daniel Meißner, Frankfurt a. M.:

L. Jennis 1624 (repr. Nachdruck Darmstadt 1964 u. ö.). – Fig. Nr. 13: Erneuter Abdruck des für

den Tripus aureus geschaffenen Kupfers, dazu Stoltzens lat. Verstext in einer deutschen Bearbeitung (6 Paarreime), die aus einer deutschsprachigen De prima materia-Überlieferung übernommene

Verszeilen aufweist. Nr. 6

Meyer, Michael: VIRIDARIUM CHYMICUM, Das ist: Chymisches Lust-Gärtlein, Frankfurt a. M.: H. von Sand 1688 (Expl. Harold Jantz Collection). – Eine M. Maier untergeschobene Lustgärtlein- Ausgabe; S. 32/33: Die Materia deß Philosophischen Steins. Nr. 7

J. R.V. M[edicinae]. D[octor].: Güldene Rose/ d. i. Einfältige Beschreibung Des Allergrössesten

[. . .] In die Natur gelegten [. . .] Geheimnüsses, Hamburg: G. König 1705 (Expl. SUB Hamburg). v – S. E2–E2 (Nr. III): Eine Bearbeitung des Hamburger Arztes J. R.V., die De prima materia in

alexandrinischem Versmaß darbietet; 36 vv. – Text: siehe V. (Anhang), 6/3.

Ü.: Fr[rater]. BASILIUS Von der Wurtzel Des Steins der Weisen. Inc.: MAn findet einen Stein der ist fürwahr nicht theuer/ Aus ihme ziehet man ein gar sehr kräfftig Feuer/ Expl.: Er schreibt dem klar genung der seinen Sinn versteht/ Wer dieses nicht erkennt/ gewiß verlohren geht.

Weitere Abdrucke erfolgten in den Rose-Ausgaben aus den Jahren 1705, 1706, 1757, 1767 und

1774, doch nicht im Zuge der Rose-Wiedergabe im Hermetischen A.B.C. [. . .] vom Stein der Weisen, Tl. 3, Berlin 1779, Nr. 14. Nr. 8

Zwey vortreffliche und noch nie im Druck gewesene Chymische Bücher, o. O. 1759 (Expl. SUB

Göttingen). – Den Band beschließen zwei Vers-Änigmata (S. 59–62), die vom pseudonymen

Urheber des alchemoparacelsistischen Wegweiser[s] zum Licht der Natur oder ad Tincturam Physicam Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 33

Paracelsi, und Lapidem Philosophorum (S. 33–58) stammen dürften. Im Aenigma primum (S. 59–60) bietet sich eine De prima materia-Bearbeitung (30 vv.). Inc.: Durchs Feuer gefunden wird ein Stein Der den Philosophen ist gemein. Expl.: Das ist das End zugleich, Verstehst du es, so bist du reich.

5. Übersetzungen 5.1. Lateinische Übersetzungen Nr. 1 , Siue aureliae occultae philosophorum, materiam primam, et decantatum illum lapidem

philosophorum filiis Hermetis [. . .] explicantes, übers. u. hrsg. v. Georg Beatus, Frankfurt a. M.:

J. Bringer 1613 (Expl. HAB Wolfenbüttel). – Eine Übersetzung der Philosophia (Überl.-verz.

2/Nr. 3), Tl. II; S. 53: Das Symbolum in Prosafassung.

Auch in: Theatrum chemicum, Bd. IV, Straßburg: L. Zetzner 1613 (Expl. UB Erlangen), Tl.

II: S. 525–581, hier S. 565–566: Symbolum. – Straßburg: E. Zetzners Erben 1659 (Reprint Tur in

1981), hier Tl. II, S. 498: Symbolum. – Mylius, Johann Daniel: PHILOSOPHIA REFORMATA,

Frankfurt a. M.: J. F. Weiß für L. Jennis 1622 (Expl. UB Marburg), Lib. I, S. 312–364. –

Bibliotheca chemica curiosa, hrsg. v. Johann Jacob Manget, Bd. II, Genf: Chouet [e. a.] 1702

(Expl. UB Heidelberg), Tl. II, S. 198–216, hier S. 213: Symbolum. Nr. 2

Basilius Valentinus: Practica cum duodecim clavibus et appendice, de magno lapide antiquorum

sapientum, in: TRIPVS AVREVS, Hoc est, TRES TRACTATVS CHYMICI SELECTISSIMI,

hrsg. v. Michael Maier, Frankfurt a. M.: P. Jacob für L. Jennis 1618 (Expl. StB Frankfurt a. M.).

– S. 9–76: Vom großen Stein/Schlüssel und der erste Teil der Repetitio des Vom großen Stein/ Schlüssel-Anhangs in lat. Übersetzung. S. 66–67: De prima materia in versartig dargebotener Prosa- übersetzung (34 vv.). Beigabe (S. 67): Bild (Phiole mit Drache und drei Schlangen). Ü.: DE PRIMA MATERIA Lapidis Philosophici. Inc.: LApis inuenitur, qui non carus est, Ex quo extrahitur volatilis ignis Expl.: Quaeras in eo, nec defatigeris. Exitus acta probat.

Erneute Abdrucke in: MUSAEUM HERMETICUM REFORMATUM ET AMPLIFICA-

TUM, Frankfurt a. M.: H. von Sand 1677/78 (repr. Nachdruck Graz 1970), S. 377–432. –

S. 434–425: De prima materia. – Auch: Frankfurt a. M., Leipzig 1749 (Expl. UB Heidelberg). –

Bibliotheca chemica curiosa, hrsg. v. J. Manget, Bd. II, Genf: Chouet [e. a.] 1702 (Expl. UB

Heidelberg), Tl. II, S. 409–423. – S. 421: De prima materia. Nr. 3

Glauber, Johann Rudolph: Teutschlandes Wohlfahrt/ Fünffter Theil. Darinnen gründlich [. . .]

tractiret, was Alchymia sey, Amsterdam: J. Jansson 1660 (Expl. StB Soest). – S. 20–21: De prima

materia in der Prosafassung im Azoth, 1613 (Überl.-verz. 5.1/Nr. 1).

Ü.: „Symbolum F[ratris]. Basilii Valentini“.

Auch in: Deß Teutschlandts-Wolfahrt Erster [bis sechster] Theil, Prag: C. Wussin 1704 (Expl. LSB Überlingen). – S. 650–651: Symbolum. Nr. 4

Glauber, Johann Rudolph: Prosperitatis Germaniae Quinta pars, Amsterdam: J. Jansson 1660

(Expl. UB Erlangen). – Teutschlandes Wohlfahrt, Tl. 5, 1660 (Überl.-verz. 5.1/Nr. 3) in lat. Übers.; S. 20–21: Symbolum. 34 Joachim Telle

5.2. Französische Übersetzungen Nr. 1

Basile Valentin: LES DOVZE CLEFS DE PHILOSOPHIE [. . .] Traictant de la vraye Medecine

Metalique, Paris: J. und Ch. Perier 1624 (Expl. StB Köln). – S. 131–133: Eine Versübersetzung (33 vv.), die im Rahmen einer von J. Perier ca. 1621 veranlassten Zwölf Schlüssel-Übertragung entstanden ist.71 Ü.: DE LA PREMIERE Matiere de la Pierre des Philosophes. Inc.: VNe pierre se voit qui á vil prix se vend, D’elle vn feu fugitif son origine prend, Expl.: Que le soucieux ennuy ne te surprenne point, L’issuë te fera voir ce tant desiré point. Weitere Clefs-Ausgaben: Paris: P. Moët 1659. – Paris: P. Moët 1660 (Expl. StB Köln), S. 131–133:

Gedicht. – In: IANVA PATEFACTA THESAVRO, Amsterdam: E. Weyerstraten 1678 (Expl. UB Glasgow). – In: Bibliothèque des philosophes chimiques, hrsg. v. Jean Maugin de Richebourg,

Bd. III, Paris: A. Cailleau 1741 (Expl. UB Heidelberg), S. 70–71: Gedicht.

Neuere De la premìère matière-Abdrucke in: Anthologie de la Poésie Hermétique, hrsg. v. Claude d’Ygé, Paris 1948. – S. 63–64: De prima materia, dargeboten als eine spätmittelalterliche Dich-

tung des Erfurter Benediktinermönches Basilius Valentinus (!). – Auch: Paris 1976 (S. 55–56:

Gedicht). – Anthologie de l’alchimie, hrsg. v. Bernard Husson, Paris 1971. – S. 84–85: De prima

materia, präsentiert als ein „celèbre poème“ des Mönches Basilius Valentinus aus dem 15. Jahr-

hundert (!); dazu als Beigaben S. 86–87: Unkritische Wiedergabe der deutschsprachigen Über- lieferung in den Schriften, Hamburg 1694 (Überl.-verz. 1.3) u. der lat. Übers. M. Maiers (Überl.-

verz. 5.1/Nr. 2). – Auch in: Stolcius, Daniel: Viridarium Chymicum ou le Jardin Chymique, hrsg. v. B. Husson, Paris 1975, S. 104–107. Nr. 2

Basile Valentin: AZOTH, OV LE MOYEN DE FAIRE L’OR CACHÉ DES PHILOSOPHES,

Paris: J. und Ch. Perier 1624 (Expl. StB Köln). – S. 147: „Le Symbole de Fr. Bazile Valentin“. De prima materia in einer Prosafassung, die im Zuge einer Übersetzung der lat. Philosophia- Ausgabe (Azoth), 1613 (Überl.-verz. 5.1/Nr. 1) entstanden ist.

Weitere Azoth-Ausgaben: AZOTH, hrsg. v. David L’Agneau, Paris: P. Moët 1659 (repr. Nach-

druck Genua 1976). – Tl. II, S. 149–151: Le Symbole. – In: Bibliothèque, hrsg. v. J. M. De Riche-

bourg, Bd. III, Paris 1741 (Expl. UB Heidelberg). – Tl. II, S. 161–162: Gedicht.

Abschrift: Los Angeles/Cal., Philosophical Research Society, Sammlung M. P. Hall, Ms. 104 (18. Jh.). – Bl. 24: Gedicht.

Neuerer Abdruck: Anthologie de l’alchimie, hrsg. v. Bernard Husson, Paris 1971. – S. 111–112:

„Le Symbole de Fr. Bazile Valentin“. Nr. 3

Basile Valentin: Les Douze Clefs de la Philosophie. Traduction, Introduction, Notes et Explica-

tion des Images par Eugène Canseliet, Paris 1956. – Eine Übersetzung nach Vorlage der lat. Vom großen Stein / Schlüssel-Übersetzung M. Maiers (1618: Überl.-verz. 5.1/Nr. 2); S. 223–224: „De la première matière de la pierre philosophique“.

71 Als Übersetzer gilt manchen der Dichteralchemiker Clovis Hesteau de Nuysement; vgl. etwa Albert- Marie Schmidt: La poésie scientifique en France au seizième siècle. Peletier, Ronsard, Scève, Baif, Belleau, du Bartas, les cosmologues, les hermétistes. De l’influence des sciences et des méthodes de pensée sur la création poétique (1555–1610), Diss. phil. Paris 1938, S. 421, oder Husson: Kommentar. In: Stolcius, ed. Husson, 1975 (Überl.-verz. 5.2/Nr.1), S. 104. Andere wieder identifizierten ihn mit dem Arzt David L’ Agneau; so Van Lennep (wie Anm. 17), S. 198. Indes ist die Übersetzerfrage ungeklärt. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 35

Inc.: Une Pierre est trouveé qui n’est pas de grand prix, De laquelle est tiré un feu volatil. Expl.: Cherche en cela, ne te lasse pas: La fin confirme les actions. Auch: Paris 1968; Paris 1977. Nicht berücksichtigt: Glasgow, University Library, Ferguson Ms. 143 (17. Jh.): Les douze clefs;

Azoth. – Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, Ms. Nr. 3017 (164 S. A.F.): Vom großen Stein / Schlüs-

sel (Bl. 1r–34v) samt Anhang (Bl. 35r–69v) in einer Niederschrift des 17. Jahrhunderts, die auch De prima materia einbegreifen dürfte.

5.3. Englische Übersetzungen Nr. 1

Basil Valentine: THE LAST VVILL AND TESTAMENT, mit einer Vorrede von J. W., London:

S. G. u. B. G. für E. Brewster 1671 (Sondertitelbl.: 1670; Expl. UB Heidelberg). – S. 277–288

(recte: 278): De prima materia in einer Reimübersetzung (34 vv.), die im Rahmen einer Vom

großen Stein / Schlüssel-Übertragung von John Webster (1610/82) entstanden ist.

Ü.: OF THE FIRST MATTER OF THE PHILOSOPHERS STONE. Inc.: A Stone is found which is esteemed vile, From which is drawn a fire volatile. Expl.: Seek for it there, and spare not cost and pains, The end will crown the work with health and gains. Auch: London 1657 (Sondertitelbl.: 1656). – London 1670.

Neuerer Abdruck in: Thompson, Charles John Samuel: The lure and romance of alchemy, London 1932 (repr. Nachdruck Detroit 1974), S. 73–74 (strophisch gegliedert). Nr. 2

Cambridge/Mass., Harvard University Library, Ms. Nr. 24226.28.12. – Bl. 51r–v: Eine Ver s-

übersetzung (34 vv.) in einer Niederschrift des 18. Jahrhunderts, die den Abschluss einer Über- 72 tragung des Vom großen Stein-Anhangs bildet. Ü.: Of the Prime matter of the philosophers stone, Inc.: A stone is found, which is not deare, From which is drawn a flying fire Expl.: Seek it therin, bee not faint nor sad, Exitus acta probat. Nr. 3

Glauber, John Rudolph: The Prosperity of Germany, in: ders., THE WORKS [. . .] CON-

TAINING, Great Variety of Choice Secrets in Medicine and Alchymy, übers. v. Christopher

Packe, London: Th. Milbourn 1689 (Expl. Bodleian Library Oxford). – Tl. I, S. 411: „The

Aenigma of Brother Basil Valentine“; Vorlage: die lat. Prosafassung in Glaubers Wohlfart, 1660 (Überl.-verz. 5.1/Nr. 3). Nr. 4

London, Wellcome Historical Medical Library, Ms. 1031. – Eine Übersetzung der Philosophia

nach Vorlage der lat. Fassung im Theatrum chemicum, Bd. 4, 1659 (Überl.-verz. 5.1/Nr.1: Pars

altera Aureliae occultae Philosophorum) mit De prima materia; übers. u. geschrieben v. Sigismund Bacstrom (1806/1807).

72 Angaben nach William Jerome Wilson: Catalogue of Latin and Vernacular Alchemical Manuscripts in the United States and Canada, Brügge 1939, Ms. 22, hier S. 256. 36 Joachim Telle

Nr. 5

The Hermetic Museum, restored and enlarged, hrsg. v. Arthur Edward Waite, London: J. Elliott 1893 (Expl. Bodleian Library Oxford). – Das Museum hermeticum, 1677/78 (Überl.-verz. 5.1/

Nr. 2) in einer von Waite revidierten Übersetzung eines ungenannten „gentleman“. Bd. I, S. 311

bis 357: Vom großen Stein/Schlüssel mit De prima materia in einer Prosaübersetzung (S. 351–352).

Auch: London 1953, 1976; New York 1974, 1976. – In: The book of Lamspring, and The

Golden Tripod, hrsg. v. Derek Bryce, Llanerch 1987, S. 43–85 (repr. Nachdruck der Vom gro-

ßen Stein/Schlüssel-Übersetzung in Waites Hermetic Museum). – S. 79–80: De prima materia.

Nicht berücksichtigt: The ‚Azoth‘ series of Basil Valentine. Coloured version by Adam McLean, Glasgow 2000 (Hermetic Studies series, Nr. 7).

5.4. Eine niederländische Übersetzung Nr. 1

Vreeswyk, Goossen van: De Roode Leeuw, Of het Sout der Philosophen, Amsterdam: P. Arentsz

1672 (Expl. SUB Göttingen). – S. 57–60: De prima materia in einer Versübersetzung (34 vv.;

Paarreim), die von Bemerkungen Vreeswyks begleitet wird. Inc.: Men vind een Steen seer klein geacht, Daer vluchtig vyer word uit gebracht, Expl.: Soekt dat, en word noit moe noch mat, Want Exitus acta probat.

Auch in: Vreeswyck, Goossen van: Alle de Werken, hrsg. v. F. A.H. Peeters, Tilburg 1982, S. 21

bis 84. – S. 40–41: die „wonderliken Rymen“ des Basilius Valentinus.

5.5. Italienische Übersetzungen Nr. 1

Basilio Valentino: Practica con le Dodici Chiavi e appendice sulla grande Pietra degli antichi Sapienti. In: La biblioteca alchemica, hrsg. v. Rosario und Sabina Piccolini, Padua 1990 (erstmals: 1987), S. 93–152. – S. 138–139: De prima materia in einer versartig dargebotenen Prosaüber-

setzung (32 vv.), entstanden im Zuge einer Vom großen Stein/Schlüssel-Übertragung. Vorlage

für Text und Bildreproduktion: die lat. Vom großen Stein/Schlüssel-Übertragung im Museum hermeticum, 1677/78 (Überl.-verz. 5.1/Nr. 2). Ü.: Sulla prima materia della pietra filosofale Inc.: Una pietra si trova che non è di gran prezzo Dalla quale si estrae fuoco volatile; Expl.: Cerca in questo, non stancarti, Il risultato conferma le azioni.

Auch in: Il filo di Arianna. 42 trattati alchemici scelti e tradotti da Sabina e Rosario Piccolini,

Bd. 1, Mailand 2001, S. 125–173. S. 160 f.: Gedicht. Nr. 2

Basilio Valentino: Azoth ovvero L’Occulta Opera Aurea dei Filosofi, a cura di Manuel Insolera,

Rom 1988 (Biblioteca Ermetica, 21). – S. 92: „Simbolo del Fr. Basilio Valentino“; De prima

materia in Prosaübersetzung; Vorlage: ein lat. Azoth-Abdruck (Überl.-verz. 5.1/Nr.1). Nr. 3

Basilio Valentino: Le dodici chiavi de la filosofia. Traduzione, introduzione, note e spiegazioni delle immagini di Eugène Canseliet. Edizione italiana e traduzione a cura di Paolo Lucarelli,

Rom 1998 (Biblioteca Ermetica, 26). – S. 153 f.: das Gedicht; Vorlage: Les douze clefs, ed. Can- seliet, 1956 (Überl.-verz. 5.2/Nr. 3). Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 37

Inc.: Si è trovata una Pietra che non è di gran pregio, Dalla quale si estrae un fuoco volatile. Expl.: Cerca in quello, non ti stancare: La fine conferma le azioni. Nr. 4

Tresoldi, Roberto: I segreti dell Alchimia, erneute Ausgabe Mailand 2003 (erstmals: Mailand

2000). – S. 145: „Il simbolo di frate Basilio Valentino“; Prosafassung, entstanden im Zuge ei-

ner Azoth-Übersetzung; Vorlage: die französischsprachige Azoth-Ausgabe 1659 (Überl.-verz. 5.2/Nr. 2). Nicht berücksichtigt: Glasgow, University Library, Ferguson Ms. 55 (18. Jh.): Le dodici chiavi; Azot. De prima materia wurde ungewöhnlich häufig tradiert, so dass fragmentarische Überlieferun- gen und Zitate hier fast ausnahmslos unverzeichnet bleiben mussten.

6. Texte

6.1. Basilius Valentinus: De prima materia lapidis philosophici

[S. K6] DE PRIMA MATEria Lapidis Philosophici. EIn stein wird funden ist nicht theur/ Aus dem zeucht man ein flüchtigs fewr Dauon der stein selbst ist gemacht/ Von weis vnd roht zusammen bracht. 5 Es ist ein stein vnd doch kein stein/ In jhm wirckt die natur allein. Das daraus springt ein Brünlein klar/

Ertrenckt seinn fixen Vater gar. Verschlinget jhn mit Leib vnd Lebn/ 10 Biß jhm die Seel wird wider gebn. Vnd jhm sein flüchtig Mutter gleich/

Worden in seinem Königreich. Er zwar auch selbst an sterck vnd macht/ Erlangt hat viel ein grösser krafft. 15 Die Sonn im alter vbertrifft/ Ihr fliegend Mutter zugericht.

Durch Vulcanum als doch ist zuuorn/

Der Vater durch den Geist geborn. Leib/ Seel vnd Geist in zweyen steht/ 20 Daraus die gantze sach hergeht. [S. K6v] Kömpt nur aus einm vnd ist ein ding/ Flüchtig vnd fix zusammen bind.

Zu 6.1. Es konnte keine unabhängig von der Editio princeps entstandene Überlieferung ermittelt werden, so dass dem folgenden Abdruck J. Thöldes Erstausgabe vom Jahre 1599 zugrunde gelegt worden ist (A: Überl.- verz. 1.1). Der Textkontrolle dienten die zu Lebzeiten des Erstherausgebers unter seinem Namen erschie- nenen Abdrucke vom Jahre 1602 (B: Überl.-verz. 1.1) und 1612 (C: Überl.-verz. 1.1). – Die Textwieder- gabe erfolgt „diplomatisch“; bei Latinismen auftretender Schriftartwechsel blieb unberücksichtigt. 17 als doch] also B also doch C 23 drey vnd zwey] zwey vnd drey BC 25 satzt] saß B setz C ein] eim B 38 Joachim Telle

Sind drey vnd zwey vnd doch nur eins/

Verstehstus nicht/ so triffstu keins.

25 Adam satzt jn ein Wasserbad/

Darin Venus jhrs gleichen hat. Welchs hat bereit der alte Drach/ Da er verlor sein sterck vnd krafft. Ist nichts spricht der Philosophus/ 30 Denn ein zweyfach Mercurius. Ich sag nichts mehr es ist genand/

Wol dem der solchs hat recht erkandt. Suchs darin/wird nicht müd noch matt/

EXITVS ACTA PROBAT.

6.2. Lorenz Meisner: Vom Universal [Bl. 26r] Rhythmi vnd kurtze beschreibung des universals [Bl. 27r] Ein stein wirdt funden gantz compact, Gar schwere, vnd auch zimblich hart, Das mittel zwischen beiden allen, Mercurio vnd metallen, 5 Daraus treibet ein geist, durch feur brunst, Allein, per se, nur nach der kunst, Ein weiß wasser, man nennet dis Inn dißer kunst lac virginis, Mit seinem saltz putrificirt, 10 Distillirt vnd rectificirt. Bernhardus nendt es ein brünlein, Draus alle corper gboren sein. Des königs muetter für taußent jar Dißen ihrn sohn empfing vnd gebar, 15 Jezto aber ist sie sein weib, So da tödtet sein fixen leib, [Bl. 27v] Jedoch muß der könig so rein Zuuor flüchtig gemachet sein Durch Basilij wasser clar, 20 Im andern Schlüssel beschrieben gar. Doch wirdt diß wasser abluirt Vom könige vnd citrinirt. Den conjungir die fontinam Mit ihrem könig oder mann.

Zu 6.2. Der Abdruck erfolgte nach Vorlage einer Niederschrift in: Kassel, LB, 4° Ms. chem. 25, Fasz. 2, Bl. 26r–29r (Überl.-verz. 4/Nr. 3). – Ausgenommen die Versanfänge und Eigennamen, wurde gegen die Handschrift Kleinschreibung durchgeführt; Abbreviaturen wurden aufgelöst. Bei Latinismen auftretender Schriftartwechsel blieb unberücksichtigt. Die Interpunktion stammt vom Herausgeber. 5 feur] als Zeichen Hs. 20 Im] Des Hs. 32 feur] als Zeichen Hs. 63 in] ein Hs. 69] Danach ein Vierzeiler: Anfangs bin ich durch geist der erdn/ Materia lapidis worden/ Ein brünlein des königs weib/ Nuhn sein die beide zwey ein leib. Zu einer deutschen Lehrdichtung im Basilius-Valentinus-Alchemicacorpus 39

25 Das heißt man nuhn in einer sum Mercurium duplicatum, Ein mercurialisch substantz Von einer wurtzl vnd zweyen gantz. Eins ist flüchtig, das ander fix, 30 Wer anders gleubt, bekommet nichts. Ist ein medicin, ein geschir, Ein offen, das feur wol regir [Bl. 28r] Continue mit gantzem fleis, Auff das die farben schwartz vnd weis 35 Erscheinen; das weiß elixir Auch erlöset auß allr gefahr. Doch wartet noch ein kleine zeit, Bis das roth bringt volkommen freud. Nun nembt ein theil des roten stein 40 Vnd sieben theil der fontinae rein, Setz wider ein vnd conjungir, Das fewr regir, multiplicir, Mit der fontina repetir, Das gewicht, zeit vnd feur regir. 45 Von dißer medicin curir, Die menschen wol recuperir.

Von dißem multiplicirten stein Nehmet nur ein theil allein, [Bl. 28v] Vnd von gutem goldt drey gewicht, 50 So durch das spießglase geschicht. Laßets drey tag vnd nacht im flus Stehen, so hat der stein ingres. Von dißen stein addir ein theil frey Auf taussent theil zinn oder bley, 55 Desgleichen auch mercurium, Lunam, martem et venerem So werden sie alle ob stundt Transmutirt in wahres goldt. Cristallen tingiret er rein 60 Inn gewaltige, edel stein. Er macht geschmeidig vberal Das gemein glas wie ein metal. Solche virtutes hat in sum Der lapis philosophorum. 65 Seind das nicht herrliche gaben, Die der schöppfer vns hat geben? Dem sey lob, danck vnd herrlichkeit Von nuhn an bis in ewigkeitt, [Bl. 29r] AMEN. 40 Joachim Telle

6.3. De prima materia des Basilius Valentinus in einer Nachdichtung von J. R.V. (1705) [S.E 2r] Fr[ater] BASILIUS

Von der Wurtzel Des

Steins der Weisen. MAn findet einen Stein der ist fürwahr nicht theuer/ Aus ihme ziehet man ein gar sehr kräfftig Feuer/ Und dennoch ist der Stein aus diesen Feur gemacht/

Ist auch von Weiß und Roth zu einen Stein gebracht. 5 Es ist fürwahr ein Stein und doch kein Stein zu nennen/ Natur wirckt nur in ihm/ sehr wenig diesen kennen/

Aus ihme quillt hervor ein Brünlein hell und klar/

Erträncket ohne Scheu den fixen Vater gar. Ja er verschlinget ihn mit seinem Leib und Leben/ 10 Biß ihm die rothe Seel wird wiederum gegeben/ Und seine Mutter ihm in allem worden gleich/

Auch neben ihm regiert in seinem Königreich. Er hat zwar auch vor sich viel Macht und große Stärcke/

Denn das bezeugen selbst die Wunder-vollen Wercke/

15 Weil er weit übertrifft das helle Sonnen-Licht/ So hat die Mutter ihn durchs Feuer zugericht. [S.E 2v] VULCANUS halff darzu/ daß er ward auserkohren/

Doch ist der Vater selbst auch durch den Geist gebohren/ Die Seele/ Leib und Geist/ auch nur in Zweyen steht

20 Woraus die gantze Sach mit guten Grunde geht. Es kommt aus einem Ding/ ein Ding ist’s das man findet/ Das Fix und Flüchtiges sehr fest zusammen bindet. Sind gleichwohl Zwey und Drey/ und aber doch nur Eins/

Verstehst du dieses nicht/ fürwahr du kriegest keins/

25 Nim deinen Adam hin/ ins Wasser-Bad ihn setze/

Daß er mit VENUS sich daselbsten wohl ergetze/ Das Bad hat angericht der alt’ und kalte Drach/ Da er die Krafft verlohr und übergab die Sach. Diß ist MERCURIUS, an Krafft und Macht dupliret/ 30 Ich sage nun nichts mehr die Sach ist ausgeführet/ Wer solches recht erkennt/ im Suchen nicht wird matt/ Der findet endlich das was er gesuchet hat. So sagt BASILIUS, der Mann von hohen Gaben/ In seinen Büchern kan man weiter Nachricht haben/ 35 Er schreibt dem klar genug der seinen Sinn versteht/

Wer dieses nicht erkennt/ gewiß velohren geht.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. phil. Joachim Telle, In der Aue 17, D–69118 Heidel- berg

Zu 6.3. Abdruck nach Vorlage der Editio princeps. In: J. R.V.: Güldene Rose, Hamburg 1705 (Überl.-verz. 4/ Nr. 7). – Die Wiedergabe erfolgte möglichst diplomatisch-zeichengetreu, doch blieben der bei Latinismen auftretende Schriftartwechsel und Hervorhebungen durch Fettdruck unberücksichtigt.