ECTL Working Paper

Gesa Matthes, Carsten Gertz Raumtypen für Fragestellungen der handlungstheoretisch orientierten Personenverkehrsforschung

ECTL European Centre for Transportation and Logistics 45

Technische Universität Hamburg-Harburg ECTL Working Paper 45

Herausgeber: Technische Universität Hamburg-Harburg Institut für Verkehrsplanung und Logistik

Kontakt: Nadia Nabaoui-Engelhard TUHH Verkehrsplanung und Logistik D-21071 Hamburg

Tel.: 040/ 42878-3519 Fax: 040/ 42878-2728 E-mail: [email protected]

ISSN: 1616-0916 Band 45, 2014 3

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 9

2 Grundlagen 11 2.1 Einordnung zentraler Begriffe 11 2.2 Handlungstheoretische Grundlagen zur Erklärung des Verkehrshandelns 13 2.3 Einflussfaktoren auf das mittel- und kurzfristige Verkehrshandeln im Überblick 20 2.3.1 Personenbezogene Einflussfaktoren 20 2.3.2 Verkehrshandeln und Siedlungsstruktur 21

3 Siedlungsstrukturelle Einflussfaktoren 25 3.1 Siedlungs- oder Bevölkerungsdichte 26 3.2 Funktions- oder Nutzungsmischung 27 3.2.1 Funktionsmischung und die Theorie der zentralen Orte 28 3.2.2 Mischung von Wohnen und Arbeiten 29 3.2.3 Mischung bei der Versorgung des täglichen Bedarfs 32 3.3 Nähe zu Zentren 32 3.4 Freiraumqualität 33 3.5 (ÖV-) Erreichbarkeit 35 3.6 Zusammenfassung und Zwischenfazit 37

4 Bildung von Raumtypen 39 4.1 Aufbereitung der Variablen 40 4.1.1 Siedlungsdichte 41 4.1.2 Kleinteilige Mischung: Einzelhandel 44 4.1.3 Kleinteilige Mischung: Arbeitsplätze 46 4.1.4 Arbeitsplatzerreichbarkeit 48 4.1.5 Erreichbarkeit von Zentren 51 4.2 Clusteranalyse 54 4.2.1 Clusteralgorithmen, Distanzmaße und Klassenzahl 55 4.2.2 Prüfung verschiedener Klassifikationen 57 4.3 Die Raumtypen der gewählten Klassifikation 60

5 Schluss 63

6 Literatur 68 4

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Vorgehensweise im Überblick 10 Abbildung 2: Die Rolle von Hintergrundfaktoren in der Theorie des geplanten Verhaltens 16 Abbildung 3: Aufbau der Clusteranalyse 40 Abbildung 4: Einwohnerzahl und Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten, Stadtregion Hamburg. 42 Abbildung 5: Einwohnerzahl und Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten, Stadtregion Leipzig. 42 Abbildung 6: Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten der Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen. 43 Abbildung 7: Anteil gut versorgter Siedlungsfläche in den einzelnen Raumeinheiten der Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen. 45 Abbildung 8: Die Arbeitsplatzdichte und das Arbeitsplatz-Beschäftigten Verhältnis in den einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg. 47 Abbildung 9: Räumliche Arbeitsplatzdichte in den einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg, Wertebereich der verwendeten Variablen. 47 Abbildung 10: Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen der Raumeinheiten in definiertem Reisezeitbudget, Stadtregion Hamburg 49 Abbildung 11: Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen der einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg, Wertebereich der verwendeten Variablen. 50 Abbildung 12: ÖV-Erreichbarkeit Oberzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen. 53 Abbildung 13: ÖV-Erreichbarkeit Mittelzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen. 54 Abbildung 14: Rad-Erreichbarkeit Mittelzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen. 55 Abbildung 15: Neun Klassifikationsvarianten transparent übereinanderliegend zur Bestimmung der finalen Klassifikation, Stadtregionen Hamburg und Leipzig. 59 Abbildung 16: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach Raumtypen der finalen Klassifikation, Stadtregionen Hamburg und Leipzig im Vergleich. 61 Abbildung 18: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach BBSR/IRB und BIK/IRB-Raumtypen, Stadtregion Hamburg. 66 Abbildung 19: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach BBSR/IRB und BIK/IRB-Raumtypen, Stadtregion Leipzig 67 5

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kenngrößen des Verkehrshandelns. 13 Tabelle 2: Siedlungsstrukturelle Eigenschaften und ihre Wirkung auf das Verkehrshandeln. 37 Tabelle 3: Übersicht verwendeter Clusteralgorithmen. 56 Tabelle 4: Zur Ermittlung der finalen Klassifikation der Stadtregion Hamburg verwendete Klassifikationsvarianten. 58 Tabelle 5: Zur Ermittlung der finalen Klassifikation der Stadtregion Leipzig verwendete Klassifikationsvarianten. 58 Tabelle 6: Statistische Vergleichswerte der gewählten Klassifikation (fett) und zweier Vergleichsvarianten, Stadtregionen Hamburg und Leipzig. 60 Tabelle 7: Hierarchie der Raumtypen und Beschreibung ihrer Merkmale. 61 Tabelle 8: Statistische Vergleichswerte der eigenen Klassifikation und anderen Raumtypisierungen. 65 6

Abkürzungen

AP Arbeitsplätze BA Bundesagentur für Arbeit BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung EW Einwohner FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen FNP Flächennutzungsplan HH Hansestadt Hamburg IRB Innerstädtische Raumbeobachtung des BBSR LEP Landesentwicklungsplan MID Mobilität in Deutschland MIV Motorisierter Individualverkehr NI Niedersachsen ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr ÖV Öffentlicher Verkehr SH Schleswig-Holstein SPNV Schienenpersonennahverkehr 7

Vorwort

Die hier vorgestellte Analyse ist Teil des nicht der Anspruch eines einfachen Verfah- Forschungsprojektes „Stadtregionale rens eingelöst werden, stattdessen ist aber Reurbanisierungstendenzen und ihre Wir- eine fundierte Auseinandersetzung mit der kungen auf den Verkehr“ (GE1080/2-1), Operationalisierung von Erkenntnissen für dessen Förderung der Deutschen For- zum Einfluss von siedlungsstrukturellen schungsgemeinschaft (DFG) ausdrücklich Eigenschaften auf Verkehrshandeln ent- gedankt sei. Das Forschungsprojekt be- standen, die auch als Referenz für andere schäftigt sich mit Wechselwirkungen von Raumtypisierungen oder Arbeiten zum Zu- Wanderungen und Verkehrshandeln. Ein sammenhang zwischen Siedlungsstruktur zentraler Bestandteil ist, das Wanderungs- und Verkehr genutzt werden kann. geschehen innerhalb von Stadtregionen aus verkehrswissenschaftlicher Sicht zu Für die hier vorliegende Darstellung gibt beurteilen. Dabei ist von Interesse, inwie- es zwei Gründe: Erstens ist eine Doku- weit Wandernde an ihrem neuen Wohnort mentation des Vorgehens notwendig, weil einen siedlungsstrukturellen Rahmen vor- auf Grundlage der in diesem Working Pa- finden, der sich hinsichtlich der Mobilitäts- per beschriebenen Bildung von Raumty- optionen, die er für die Alltagsgestaltung pen weitere Forschungen im genannten bietet, deutlich vom vorherigen Wohnort Projekt beschrieben werden. Zweitens unterscheidet. Um die siedlungsstrukturel- ist die Raumtypisierung bei Kollegen mit len Eigenschaften des alten und des neuen entfernteren Forschungsthemen (Ver- Wohnortes zu charakterisieren, wurde eine kehrsforschung ohne Wanderungsbezug) Typisierung der Räume in den Fallregionen auf reges Interesse gestoßen. Sie wurde Hamburg und Leipzig nach verkehrswis- bereits in einer Dissertation zum Thema senschaftlichen Kriterien vorgenommen. Elektromobilität weiterverwendet. Auch Die Herleitung der Kriterien und das Vor- bei der Abschlussveranstaltung des For- gehen bei der Bildung dieser Raumtypen schungsprojektes erreichten uns mehrere werden im vorliegenden Working-Paper Nachfragen zur Dokumentation und Ver- ausführlich beschrieben. wendungsmöglichkeit der Raumtypisie- rung. Ihre Verwendung ist für Analysen Zu Beginn des Forschungsprojektes stand des Verkehrshandelns geeignet, denkbar die Idee, ein möglichst einfaches Verfahren ist auch eine Verwendung in der Stadtent- zu entwickeln, das sich ohne großen Auf- wicklung, beispielsweise als erste grobe wand auf andere Räume übertragen lässt. Übersicht für die Beurteilung von Standor- Nach der Identifizierung relevanter Kriterien ten für autofreies oder -armes Wohnen. zeigte sich jedoch, dass sich einige unver- zichtbare Kriterien nur mit relativ großem Unser besonderer Dank gilt Herrn Dr. Aus- Aufwand in quantifizierbare Indikatoren purg, Leiter des Sachgebiets Analyse und auf kleinräumiger Ebene umsetzen lassen. Prognose im Verkehrs- und Tiefbauamt der Aufgrund der Uneindeutigkeit der Quellen- Stadt Leipzig, für die freundliche Bereitstel- lage kam hinzu, dass in einigen Fällen ein lung von Daten und Nutzung des städti- Vergleich verschiedener Umsetzungsmög- schen Verkehrsmodells. lichkeiten erforderlich war. So konnte zwar

8 9

1 Einleitung

In der Verkehrsforschung besteht weit- Das vorliegende Working-Paper leitet Kri- gehende Einigkeit darüber, dass neben terien aus dem Stand der Forschung zum personenbezogenen Eigenschaften auch Einfluss siedlungsstruktureller Eigenschaf- die siedlungsstrukturellen Eigenschaf- ten auf das Verkehrshandeln ab, die bei ei- ten des Wohnortes einer Person Einfluss ner Einteilung von Räumen innerhalb von auf ihr Verkehrshandeln haben (vgl. Cao/ Stadtregionen für verkehrswissenschaft- Mokhtarian/Handy 2009: 359). Daher ist liche Fragestellungen zu berücksichtigen es notwendig, in Analysen zur Erklärung sind, operationalisiert diese Kriterien an- des Verkehrshandelns von Personen hand verfügbarer Daten und wendet sie bzw. zur Prognose ihres Verkehrshan- in einer Raumtypisierung beispielhaft an. delns in Verkehrsmodellen nicht nur per- Ziel der Arbeit ist es, einen Vorschlag zur sonenbezogene Faktoren, sondern auch Definition von Raumtypen für verkehrswis- siedlungsstrukturelle Eigenschaften zu be- senschaftliche Fragestellungen im Hinblick rücksichtigen. auf den Personenverkehr zur Diskussion zu stellen und ausreichend Information Bei der Berücksichtigung der siedlungs- zu bieten, um diesen Vorschlag zu ver- strukturellen Eigenschaften eines Wohn- tiefen, zu überprüfen und zu verändern. ortes in den Untersuchungen lassen sich Methodisch ist die vorliegende Raumty- zwei Ansätze unterscheiden, die allerdings pisierung eine Clusteranalyse, deren Eig- auch in Kombination eingesetzt werden. nung und Ausgestaltung in Abschnitt 4.2. Entweder wird eine Sammlung einzelner ausführlich dargelegt wird. Der Aufbau des siedlungsstruktureller Merkmale in (mul- Working-Papers folgt daher den Durchfüh- tivariate) Analysen eingestellt oder es rungsschritten einer Clusteranalyse, die in wird eine Variable mit einer räumlichen Anlehnung an den von Backhaus (et al. Klassifikation einbezogen. Als räumliche 2008: 445) empfohlenen Ablauf konzipiert Klassifikation werden häufig Gemeinde- wurden (vgl. Abbildung 1). größenklassen (z. B. bei Holz-Rau/Sicks 2013) oder Raumtypisierungen des Bun- Um die in die Clusteranalyse einzustel- desinstituts für Bau-, Stadt- und Raumfor- lenden Variablen bestimmen zu können, schung (BBSR) (2014a z. B. bei BMVBS werden zunächst die wichtigsten Theorien 2012: 43 ff.) verwendet. Letztere liegen auf allgemein und in ihrer Anwendung auf das Kreis, Gemeinde und sogar Stadtteilebene Verkehrshandeln erläutert (Abschnitt 2.2). deutschlandweit vor, sind leicht zugänglich Im dritten Kapitel werden diese Theorien und beispielsweise im Verkehrsdatensatz mit empirischem Gehalt aus der Literatur „Mobilität in Deutschland“ (MID) als Va- gefüllt, das heißt, Ursache-Wirkungs-Be- riable enthalten. Als weitere verwendbare ziehungen werden benannt, bewertet und räumliche Klassifikationen sind auch die argumentativ gewichtet. Im Ergebnis steht sogenannten „BIK“-Raum- oder Struk- eine Vorauswahl der für die Raumtypisie- turtypen (Aschpurwis & Behrens 2001) rung relevanten siedlungsstrukturellen Ein- denkbar. Das Problem beim Einsatz all flussfaktoren. Somit ist dieses Kapitel der dieser Raumtypisierungen bei der Analyse erste Schritt der Clusteranalyse. Es folgt von Verkehrshandeln ist, dass bestimmte die technische Umsetzung der Analyse siedlungsstrukturelle Eigenschaften, die (Kapitel 4), das heißt unter anderem, dass für das individuelle Verkehrshandeln sehr die Einflussfaktoren im Rahmen der zur wichtig sind, bei der Klassifizierung nicht Verfügung stehenden räumlichen Daten oder nur ungenügend berücksichtigt wer- zu Variablen operationalisiert werden, die den. Das heißt, eine kausale Verknüpfung in die Clusteranalyse eingehen können. der in der Klassifikation repräsentierten Das Vorgehen ist im Detail in den genann- siedlungsstrukturellen Eigenschaften der ten Kapiteln erläutert. Das Ergebnis der Raumtypen und dem Verkehrshandeln Clusteranalyse ist die Raumtypisierung kann nur bedingt angenommen werden. nach verkehrswissenschaftlich/handlungs- Konkret bleiben beispielsweise dezentrale theoretischen Kriterien. Zur abschließen- (Neben-) Zentren oder ÖV-Achsen in den den Bewertung wird die Raumtypisierung BBSR-Einteilungen unberücksichtigt. inhaltlich vorgestellt und beispielhaft mit anderen Raumtypisierungen verglichen. 10

Abbildung 1: Die Vorgehensweise im Überblick

Vorbereitung zur Erarbeitung von Indikatoren Kapitel 2 Definition und Einordnung zentraler Begriffe

Überblick theoretischer und empirischer Grundlagen zur Analyse des Verkehrshandelns

Vorbereitung der Clusteranalyse: Kapitel 3 Identifizierung relevanter siedlungsstruktureller Eigenschaften Extrahieren von Erkenntnissen aus Theoretisch begründete Auswahl der Theorie und Empirie zur Bestimmung Indikatoren relevanter Indikatoren

Clusteranalyse Kapitel 4 Ergebnis: räumliche Klassifikation

Einordnung der erarbeiteten Klassifikation Kapitel 5 Vergleich mit bestehenden Raumtypisierungen

Quelle: eigene Darstellung. 11

2 Grundlagen

Der Argumentation zur Auswahl und Opera- „Allen soziologischen Theorien gemein tionalisierung der Kriterien für die Raumty- ist die Annahme, dass individuelles Han- pisierung liegen verschiedene theoretische deln weder instinkthaft oder völlig deter- Ansätze zur Erklärung von Verkehrshan- miniert, noch rein zufällig ist. Handeln deln zugrunde. Die Beschäftigung mit der wird [...] als intentional im Sinne eines Theorie zum Zusammenhang von Verkehr absichtsvollen Handelns verstanden, und Siedlungsstruktur dient dazu, empi- was sowohl ein bewusst rationales, als rische Befunde einzuordnen bzw. einzu- auch ein gewohnheitsmäßiges Handeln schätzen und Lücken dort zu schließen, wo sein kann. […] Handeln wird durch Ent- keine empirischen Befunde verfügbar sind. scheidungsfähigkeiten und Entschei- Dieses Kapitel gibt einen Überblick über dungsmöglichkeiten der Handelnden die Grundzüge der theoretischen Ansätze, bestimmt und im Hinblick auf seine so- wobei weitgehend darauf verzichtet wird, zialen Effekte betrachtet.“ (Bonß et al. ihre Entstehungsgeschichte zu betrachten, 2013: 7) auch wenn manche Aspekte deutlicher her- vortreten, wenn man einen Blick auf ihre Nach soziologischer Auffassung können Entwicklung wirft. Außerdem beschrän- gesellschaftliche Phänomene auf indivi- ken sich die Ausführungen auf mittel- und duelle Handlungen zurückgeführt werden kurzfristiges Verkehrshandeln, langfristi- (vgl. Miebach 2010: 29). In diesem Sinne ges Verkehrshandeln wie beispielsweise wird der aggregiert zu beobachtende Per- Wanderungen bleibt unberücksichtigt. Die sonenverkehr als das Ergebnis unzähliger teilweise unscharfe Verwendung von Be- individueller Handlungen bzw. Einzelent- griffen in der Literatur macht es notwendig, scheidungen aufgefasst. Das macht die zuvor das diesen Ausführungen zugrunde Betrachtung von Einzelentscheidungen für liegende Begriffsverständnis darzulegen. die Verkehrswissenschaft so interessant: Der Handelnde kann zwischen verschie- denen Handlungsalternativen wählen. Je 2.1 Einordnung zentraler Begriffe nachdem, wie er entscheidet, trägt er mehr oder weniger zum allgemeinen Verkehr in Der Zugang zur Frage nach dem sied- der Stadt und seinen Folgen bei. Negative lungsstrukturellen Einfluss auf das Folgen können dabei nach sozialer oder Verkehrshandeln orientiert sich hier an so- die Umwelt betreffender Unverträglichkeit zialökonomischen und aktionsräumlichen unterschieden werden: Erklärungsansätzen und greift auch auf psychologische Erkenntnisse zurück (s. „Sozialunverträglich bedeutet, andere Abschnitt 2.2). Diese Ansätze stellen das in ihrer Mobilität einzuengen und zu ge- handelnde Individuum ins Zentrum ihrer fährden, umweltunverträglich bedeutet Analysen. Weil das Handeln ein zentraler Luftverschmutzung, Lärm, Flächen- und Forschungsgegenstand der Soziologie und Energieverbrauch sowie ästhetische Psychologie ist, gibt es entsprechend viele Einbußen.“ (Flade 2013: 14) theoretische und empirische Arbeiten (vgl. Lerch/Rausch 2001, Bonß et al. 2013). Der Ein planerisches Ziel, dem sich auch das Begriff Handlung bzw. Entscheidung1 dieser Arbeit übergeordnete Projekt an- wird dabei je nach Disziplin und Theorie schließt, ist daher, den Rahmen indivi- unterschiedlich definiert. Die einzelnen dueller Entscheidungen so zu gestalten, fachspezifischen Diskussionspfade sind dass das Verkehrshandeln möglichst ver- für die vorliegende anwendungsorientier- träglich ausfällt, damit die Sozial- bzw. te Arbeit jedoch nicht relevant. Der Aus- Umweltunverträglichkeit des Verkehrs ins- gangspunkt der vorliegenden Arbeit ist, wie gesamt reduziert wird. Dabei auch in anderen verkehrswissenschaftli- „„sollen Wege überflüssig oder kürzer chen Arbeiten (z. B. Scheiner 2000: 75 ff.), werden (Verkehrsvermeidung), der „kleinste gemeinsame Nenner“ soziolo- gischer Handlungsdefinition: „„soll die Wahl auf möglichst verträgliche Verkehrsmittel fallen (Verkehrsverlage- rung), 1 Die Begriffe Entscheidung und Handlung werden in dieser Arbeit synonym verwendet. 12

„„soll die Ortsveränderung mit einem Ausübung der beabsichtigten Aktivität zu gegeben Verkehrsmittel möglichst ver- informieren. Außerdem hat sie die Mög- träglich organisiert werden (verträgliche lichkeit im Rahmen ihrer physischen und Abwicklung) und ökonomischen Grenzen Nutzungskom- petenz für diese Gegebenheiten zu ent- „„sollen die Handelnden im Hinblick auf wickeln. Das bedeutet, alle intersubjektiv die Ausübung von Aktivitäten nicht ein- beschreibbaren siedlungsstrukturellen Ge- geschränkt werden. gebenheiten des Wohnortes gehören zu Als Aktivität werden alle Tätigkeiten von den räumlichen Rahmenbedingungen der Personen bezeichnet, „die sie ausüben Mobilität. Die Siedlungsstruktur umfasst wollen oder müssen. Solche Aktivitäten dabei neben baulichen Gegebenheiten auch das Verkehrssystem und die Gele- sind: Schlafen, Essen, Sich-Vergnügen, 2 Arbeiten, Sport treiben, Sich-Bilden usw.“ genheiten. Eine Gelegenheit bezeichnet (Bamberg 2001: 120) Bei der Reduktion eine Einrichtung oder einen Ort, in der oder von Verkehr soll es lediglich um die Ver- an dem eine oder mehrere Aktivitäten aus- meidung von Unverträglichkeiten bei der geübt werden können (vgl. Bamberg 2001: Raumüberwindung, nicht aber um den Ver- 120). Hierzu zählen beispielsweise Unter- zicht auf Aktivitäten gehen. Um diesen Un- nehmen, in denen gearbeitet wird oder Lä- terschied deutlich zu machen, setzt sich in den, in denen gearbeitet oder eingekauft der Verkehrswissenschaft zunehmend die wird. Dabei gibt es „keine eindeutige Zu- begriffliche Trennung zwischen Mobilität ordnung von Aktivitäten und Gelegenhei- und Verkehr durch. ten in dem Sinn, dass eine Aktivität nur in einer Gelegenheit ausgeübt werden kann. Unter Mobilität wird die „antizipierte, po- Eine Aktivität lässt sich in mehreren Gele- tenzielle Ortsveränderung (Beweglichkeit) genheiten ausüben. […] In einer Gelegen- von Personen“ (Ahrend et al. 2013: 2) heit können mehrere Aktivitäten ausgeübt verstanden, sie bezeichnet den „individu- werden, z. B. in einem Einkaufszentrum ellen Möglichkeitsraum“, der neben äuße- oder in der Wohnung.“ (Bamberg 2001: ren Gegebenheiten auch die individuellen 121) Grenzen und Möglichkeiten umfasst (vgl. Holz-Rau 2009: 797). Die individuellen Der äußere, intersubjektiv beschreibbare Grenzen und Möglichkeiten können physi- räumliche Rahmen der Mobilität wird auch scher oder ökonomischer Natur sein, sich Erreichbarkeit (accessibility) genannt. Die aber auch aus der subjektiven Wahrneh- Erreichbarkeit ist eine Eigenschaft eines mung und Bewertung der Wahlmöglichkei- Raumes und wird anhand der Anzahl, Art ten sowie Nutzungskompetenzen ergeben. oder Qualität und Verteilung von Gelegen- So kann es sein, dass sich die erreichba- heiten und der Möglichkeiten, diese Ge- ren Zielorte zweier Personen derselben legenheiten zu erreichen, gemessen (vgl. Wohnung unterscheiden, weil eine einen Geurs/van Wee 2004: 128 f.). Die Erreich- Führerschein besitzt und einen Pkw zur barkeit eines Ortes wird also einerseits Verfügung hat, die andere nicht. Letztere von der Qualität des Verkehrssystems kann deshalb bestimmte Ziele nicht in ei- bestimmt, aber ebenfalls von den Eigen- ner angemessenen Zeit erreichen. Diese schaften erreichbarer Gelegenheiten und Einschränkung der Wahlmöglichkeit im All- ihrer Struktur. Nach Verkehrsmitteln diffe- tagsverkehr kann selbst gewählt sein, z. B. renzierte Kenngrößen wie Reisezeit oder durch bewussten Verzicht auf einen Pkw, -distanz, Reisekosten oder Bequemlichkeit kann aber auch außerhalb des Gestal- beschreiben die Qualität des Verkehrssy- tungsspielraums der Einzelperson liegen stems, sie werden als Raumwiderstand z. B. bei physischen oder ökonomischen oder Verbindungsqualität zusammenge- Einschränkungen. fasst.

Um den Begriff Mobilität für die Raumtypi- Verkehr ist im Gegensatz zur Mobilität die sierung fassen zu können, ist es notwendig tatsächliche Ortsveränderung. Er wird mit zu präzisieren, welche Rolle die „subjektive folgenden Kenngrößen beschrieben: Wahrnehmung“ der räumlichen Rahmen- „„Verkehrsaufwand (auch Verkehrslei- bedingungen spielt. In der vorliegenden stung: zurückgelegte Kilometer) Arbeit wird davon ausgegangen, dass die „„ handelnde Person grundsätzlich die Mög- Verkehrsaufkommen (Anzahl der Wege) lichkeit hat, sich über gängige Fortbewe- gungsarten und verschiedene Ziele zur 2 Man findet auch die Bezeichnung Aktivitätenort. 13

„„Verkehrsaufkommen nach Verkehrsmit- der Erwerb einer ÖV-Zeitkarte oder auch tel (Modal Split) eine Verlagerung des Wohnortes oder Ar- beitsplatzes. Bei diesen Entscheidungen „„Reisezeit werden zukünftige Ortsveränderungen an- „„ Energieverbrauch/CO2-Emissionen tizipiert, die Mobilität wird für die individuell notwendigen Zwecke konfiguriert. Lang- Dabei wird jeweils bezogen auf eine Unter- und mittelfristige Entscheidungen sowie suchungseinheit (z. B. Person, Haushalt, das Verkehrshandeln im Alltag (kurzfristige Einwohner einer Gemeinde) innerhalb ei- Entscheidungen) sind Teile einer Entschei- ner Zeiteinheit (Tage, Wochen) und häufig dungskette, deren Einzelentscheidungen auch nach Wegezweck differenziert. Die mehr oder weniger hierarchisch geordnet zentrale Kenngröße, die die Verträglich- und untereinander rückgekoppelt sind (vgl. keit des Verkehrshandelns einer Person z. B. McFadden/Domencich 1975: 43). charakterisiert, ist der Verkehrsaufwand, differenziert nach Verkehrsmitteln. Der Energieverbrauch steht in engem Zusam- menhang mit dem Verkehrsaufwand. Zur Orientierung seien hier zu diesen Kenn- größen einige Zahlen genannt (Tabelle 1). 2.2 Handlungstheoretische Grundlagen zur Erklärung Zwischen der Mobilität einer Person und des Verkehrshandelns ihrem tatsächlich erzeugten Verkehr steht eine Reihe von Handlungen bzw. Ent- Im Abschnitt 2.1 wurde verdeutlicht, dass scheidungen. Im Alltagsverkehr sind dies eine Reihe von Entscheidungen zu ver- zum Beispiel die Wahl der Routen, der schiedenen Ausprägungen des individuell Verkehrsmittel und in gewissem Rahmen erzeugten Verkehrs führen. Um zu ver- auch die Wahl der Ziele der Wege. Die- stehen wie Verkehr entsteht, ist es daher ses Handeln wird hier als Verkehrshan- notwendig zu verstehen, warum sich eine bezeichnet (vgl. Ahrend et al. 2013: deln Person in einer bestimmten Situation für 4). Dem Verkehrshandeln vorgelagert sind eine bestimmte Handlungsalternative mittel- oder langfristige Entscheidungen entscheidet. Auf diese Frage versuchen hinsichtlich einer individuellen Anpassung handlungstheoretische Erklärungsmodelle der Mobilität, beispielsweise der Erwerb Antworten zu finden. eines Pkw, der Beitritt beim Carsharing,

Tabelle 1: Kenngrößen des Verkehrshandelns.

MID 2008 Kernstadt Verdichtete Ländliche Mittelwert Kreise Kreise Durchschnittliche Wegelänge (in km) 11,5 10,6* 11,8* 12,4* Mittlere Wegelänge (in km) … als MIV-Fahrer 14,7 14,4 14,4 15,3 …. Radfahrer 3,2 …. Fußgänger 1,4 Tagesstrecke je Person (in km) 39 36 40 42 Mittlere Wegelänge (in km)… … zum Arbeitsplatz 15,2** … zur Ausbildung 6,6** … zum Einkauf 5,2** … zu Freizeitaktivitäten 14,0** Wege pro Person und Tag (Anzahl Wege) 3,4 3,4 3,4 3,4 Unterwegszeit pro Person und Tag (in min) 79 84 77 75

CO2-Emission pro Person und Tag (in kg) 4,5 4,0 4,6 4,9 *eigene Berechnung nach Angaben der MID, ** MID 2002: 93 Quelle: Zusammenstellung nach MID 2008: 28, 42, 89, 90, 157, 161. 14

In der Verkehrsforschung sind handlungs- sich „aus den individuellen Wert- bzw. Be- theoretische Erklärungsmodelle verbreitet, dürfnis-Prädispositionen“ (Haller 2012: 15) die auf dem Grundgedanken der Ratio- zusammen, sie sind unabhängig von den nal-Choice-Theorie basieren (Harms et tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten, wi- al. 2007: 736, Bamberg/Davidov/Schmidt derspruchsfrei und innerhalb des Betrach- 2008, Adjei/Behrens 2012: 65). Wegen des tungszeitraumes stabil (ebd. 15 f.). Variantenreichtums dieser Theorie und der teilweise verschwimmenden Begriffe wird Das Ergebnis der Bewertung einer Hand- hier zunächst der Grundgedanke vorge- lungsfolge wird Nutzen genannt. Er kann stellt, bevor sein Bezug zu den Themen positiv oder – im Falle in Kauf genomme- der vorliegenden Arbeit herausgestellt ner Handlungsfolgen – negativ sein. Weil werden kann:3 Die Rational-Choice-Theo- die Handlungsfolgen in der Zukunft liegen rie geht davon aus, dass einem Akteur und somit eine gewisse Unsicherheit be- eine begrenzte Zahl an Handlungsmög- züglich ihres Eintritts besteht, kann der lichkeiten offenstehen, zwischen denen jeweilige Nutzen nur abgeschätzt werden, er wählen kann. Sie sind durch (äußere) so dass von subjektiv erwartetem Nutzen Restriktionen bestimmt, beispielsweise (subjective expected utility) gesprochen durch soziale Regeln oder Gesetze, aber wird. Die Summe des Nutzens aller Hand- auch zur Verfügung stehende Ressourcen lungsfolgen einer Handlungsmöglichkeit wie finanzielle Mittel, verfügbare Zeit oder ergibt ihren (Gesamt-)Nutzen. Die ein- Kapazität für Informationsverarbeitung. Die zelnen Handlungsmöglichkeiten werden Handlungsalternativen schließen dabei die nach ihrem Nutzenwert in eine Rangfolge Möglichkeit ein, auf die Ausführung des gebracht. Im Ergebnis wird die Möglichkeit eigentlich aufgestellten Handlungsziels gewählt, die den höchsten Nutzen für den zu verzichten. Der Akteur erwartet von Handelnden selbst hat (Eigennutzenmaxi- einer Handlungsmöglichkeit bestimmte mierung), bzw. einen befriedigenden Nut- Handlungsfolgen, die er einzeln bewertet, zenwert erreicht (Satisficing). gewichtet und deren Eintrittswahrschein- lichkeit er abschätzt. Wie die Bewertung In einer engen Auslegung der Rational- der einzelnen Handlungsfolgen ausfällt, Choice-Theorie orientiert sich die „Be- hängt ab von rechnung“ des Nutzens ausschließlich am eigenen Wohlergehen, das zumeist mit „„den Eigenschaften der Handlungsalter- objektivierbaren Größen (monetäre Ko- nativen, sten, Zeitkosten) ausgedrückt wird. Dem „„dem (begrenzten) Wissen und den Handelnden wird zugetraut, einen weitrei- kognitiven Fähigkeiten des Akteurs, chenden Überblick über Handlungsmög- entscheidungsrelevante Faktoren zu lichkeiten, Handlungsfolgen und deren bestimmen, Handlungsfolgen zu sehen Eintrittswahrscheinlichkeiten zu haben. und einzuschätzen4 und Die These, dass der Nutzen von allen Men- schen ähnlich „berechnet“ wird, beruht auf „„den individuellen Präferenzen des Ak- der Annahme, dass sowohl die von außen teurs. wirkenden Restriktionen, als auch die hin- ter der Bewertung des Nutzens stehenden Die an zweiter und dritter Stelle genannten Präferenzen bei allen Menschen zu jeder Aspekte sind Erweiterungen des Standard- Zeit ähnlich sind (vgl. Büschges et al. 1998: modells der Rational-Choice-Theorie. Sie 121 f., Bamberg/Davidov/Schmidt 2008: werden hier erwähnt, weil sie das Modell 144). Der Nutzen kann also von einem au- wesentlich realitätsnäher gemacht haben ßenstehenden Forscher, der ja auch ein (Mikl-Horke 2008: 99 f., Haller 2012: 44,) Mensch ist, „objektiv“ bewertet werden. Ein und weil sie in der empirischen Anwendung nach diesen Kriterien nutzenmaximieren- der Theorie häufig als implizite Annahmen des Handeln wird daher als „objektiv ratio- anzutreffen sind. Die Präferenzen setzen nal“ bezeichnet, ein davon abweichendes Handeln dagegen als „objektiv irrational“ 3 Die Darstellung basiert im Wesentlichen auf fol- (vgl. Schülein et al. 2006: 66). Weil die Prä- genden Veröffentlichungen: (vgl. Büschges et al. (1998): 121 ff., Miebach (2010): 29, Mikl-Horke ferenzen stabil sind, ergeben sich Verän- (2008): 99f., Bamberg/Davidov/Schmidt (2008), derungen des individuellen Handelns aus Haller (2012): 14 ff.). Veränderungen von Rahmenbedingungen 4 Die Einbeziehung der Annahme eines begrenz- (vgl. Haller 2012: 16). Im Umkehrschluss ten Wissens sowie der beschränkten kognitiven Fähigkeiten wurde als Konzept der bounded heißt das, Handeln kann gezielt beeinflusst rationality von Simon 1981 formuliert (vgl. Haller werden, wenn die Nutzenfunktion bekannt (2012): 19). 15

ist und Rahmenbedingungen entspre- negative Nutzen der Raumüberwindung chend verändert werden. (Raumwiderstand) steht dem positiven Nutzen der Ortsveränderung gegenüber. In einer weiten Auslegung der Theorie las- Der Nutzen der Raumüberwindung kann je sen sich Elemente anderer theoretischer nach Verkehrsmittel, Route oder Zeitpunkt Ansätze, insbesondere nicht-monetäre des Weges variieren. Jüngere Arbeiten be- Faktoren, in die Nutzenfunktion integrie- rücksichtigen im Sinne einer weiten Aus- ren. Hierzu gehören beispielsweise indi- legung auch Aspekte wie Umweltwissen viduelle Überzeugungen. Außerdem wird oder Umweltbewusstsein (vgl. Bamberg/ angenommen, dass die Bewertung des- Davidov/Schmidt 2008: 147). Der Nutzen sen, was positiven und negativen Nutzen der Ortsveränderung ergibt sich aus der bringt, individuell variiert. Die Bewertung Bedeutung der am Zielort auszuübenden kann sich mit der Zeit ändern. In diesem Aktivität. Diese Bedeutung hängt wie- Sinne variiert der Nutzen von äußerlich derum davon ab, inwieweit eine Aktivität gleichen Handlungsalternativen für ver- notwendig ist, um bestimmte Grundbe- schiedene Individuen zu verschiedenen dürfnisse zu befriedigen (vgl. McFadden/ Zeitpunkten erheblich (vgl. Bamberg/Davi- Domencich 1975: 35). Für den Nutzen der dov/Schmidt 2008: 144). Eine extrem weite Ortsveränderung spielen außerdem die Auslegung führt dazu, dass jedes Handeln Qualität der zur Auswahl stehenden Gele- subjektiv gesehen als „rational“ aufgefasst genheiten eine Rolle; beispielsweise kann werden kann (vgl. Schülein et al. 2006: beim Einkauf von Gemüse zwischen dem 66). Wenn jedoch alle Einflussfaktoren für nahe gelegenen Supermarkt oder dem jedes Individuum in jeder Situation variabel weit entfernten Hofladen gewählt werden. sind, wird eine Vorhersage des Handelns Möglicherweise rechtfertigt die höher be- schwierig, die Theorie verliert an Erklä- wertete Qualität der Waren des Hofladens rungsqualität. Eine solche, extrem weite die Überwindung des größeren Raumwi- Auslegung der Theorie ist also weder prak- derstands. Bei den mittel- und langfristi- tikabel noch sinnvoll. Daher wird in der gen Entscheidungen ist zu beachten, dass empirischen Forschung zumeist versucht, aufgrund des Zeithorizonts für den Akteur „von den individuellen Handlungsgründen größere Unsicherheit hinsichtlich der Ab- zu abstrahieren und sich auf die Hand- schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit lungsgründe zu beschränken, die für viele von Handlungsfolgen bestehen kann, als Akteure eines Typus zumindest tendenziell beim alltäglichen Verkehrshandeln. gelten“ (Büschges et al. 1998: 142). Me- thodisch heißt das, die Annahme der Sta- Psychologisch ausgerichtete Theorien zur bilität von Präferenzen wird beibehalten, Erklärung von Handeln gehen über die aber die Nutzenfunktion wird im Vergleich enge Rational-Choice-Theorie hinaus, in- zur engen Auslegung der Theorie inhalt- dem sie sich auch mit der Frage beschäf- lich erweitert und der Gültigkeitsanspruch tigen, warum Personen unterschiedlich für verschiedene Bevölkerungssegmente handeln, obwohl aufgrund ähnlicher so- differenziert. ziodemographischer Eigenschaften und Handlungsbedingungen nach dem en- Zur Anwendung dieser Theorie auf das geren Verständnis der Rational-Choice- Verkehrshandeln hat McFadden (1975) in Theorie ähnliches Handeln anzunehmen einer grundlegenden Arbeit die enge Aus- wäre (vgl. Hunecke/Schubert/Zinn 2004: legung der Rational-Choice-Theorie auf 26). Insofern fokussieren die psychologi- die Hierarchie der Einzelentscheidungen schen Ansätze auf die individuellen Aus- 5 des Verkehrshandelns (vgl. 2.1) übertra- prägungen von Präferenzen, Bewertungen gen, um die Verkehrsmittelwahl zu erklären und Gewichtungen. Im Gegensatz zur (vgl. McFadden/Domencich 1975). Kurz engen Auslegung der Rational-Choice- gefasst ergibt sich bei der Verwendung Theorie wird angenommen, dass nicht der Rational-Choice-Theorie zur Erklärung die objektiven Eigenschaften der Hand- des Verkehrshandelns nach dem heutigen lungsalternativen und Handlungsrestriktio- Stand der Forschung folgendes Bild: Der nen entscheidungsrelevant sind, sondern ihre subjektive Wahrnehmung. Unter den psychologischen Erklärungsansätzen ist 5 „1) Locations of residence and job; 2) Sales of die Theorie des geplanten Verhaltens Labor and purchases of commodities, including (Theory of planned behavior) nach Ajzen vehicles; 3) Frequency of work, shopping, recre- ation, and other trips; 4) Destination of trips; 5) Time of day of travel; 6) Mode of travel.” (McFad- den/Domencich (1975): 35) 16

Abbildung 2: Die Rolle von Hintergrundfaktoren in der Theorie des geplanten Verhaltens

Hintergrund- Faktoren Personenbezogene Haltung zu Einstellung Eiggfenschaften Handlungsfolgen Allgemeine Einstellungen Charakterzüge Werte Gefühle Vermutungen und Intelligenz Subjektive Han dlungs- Haltungen zu Handlung Alter Norm intention Geschlecht Erwartungen anderer Erziehung/Ausbildung Einkommen Re lig ion Vorstellungen über Wahr- Information behindernde oder genommene Erfahrung fördernde Faktoren Kontrolle Wissen Einwirkung von Medien

Quelle: Übersetzt und leicht vereinfacht nach: Ajzen 2005/2011: 135

1985 hervorzuheben,6 die in der Sozialver- ne Erfordernisse (z. B. Arbeitsbeginn). haltensforschung ein verbreiteter und be- Die wahrgenommene Kontrolle erfordert währter Erklärungsansatz für Handlungen ein Wahrnehmen und Abwägen rele- ist (vgl. Armitage, Conner nach Hunecke/ vanter Faktoren und hängt damit unter Schubert/Zinn 2004: 27) und auch psy- anderem auch von den kognitiven Fä- chologisch ausgerichteten Arbeiten zum higkeiten des Handelnden ab. Verkehrshandeln zugrunde liegt (vgl. Adjei/ Welche Bedeutung die einzelnen Kon- Behrens 2012: 65). strukte für die Handlungsintention haben, hängt vom Untersuchungsgegenstand ab Die Theorie des geplanten Verhaltens geht (vgl. Ajzen 2005: 118). Die Ausprägungen davon aus, dass Handeln wesentlich von der Konstrukte werden von verschiedenen der Handlungsintention bestimmt wird, Hintergrundfaktoren bestimmt (Abbildung die sich wiederum aus drei Konstrukten er- 2). So ist es möglich, dass generelle Ein- gibt (vgl. Ajzen 2005, Harms et al. 2007: stellungen die Wahrnehmung der Hand- 740): lungsfolgen „verzerren“ und damit das „„Einstellungen gegenüber dem konkre- Handeln beeinflussen (vgl. Ajzen 2005: ten Handeln, die sich aus der Haltung 135). Generell wirken (allgemeine) Einstel- zu wahrscheinlichen Handlungsfolgen lungen umso stärker auf das Handeln, je entwickeln (behavioral beliefs). müheloser die entsprechende Handlungs- „„Subjektive Normen, die aus Vermu- möglichkeit umzusetzen ist (wenige behin- tungen und Haltungen zu normativen dernde, viele erleichternde Faktoren) und Erwartungen wichtiger Anderer gebildet je weniger sozialer Druck in entgegenge- werden (normative beliefs). setzter Richtung wirkt (vgl. Bamberg 2001: 130, Steding/Kraemer/Bittlingmayer 2004: „„Wahrgenommene Kontrolle, die sich 20). aus Vorstellungen zu behindernden oder fördernden Faktoren einer Hand- Die Theorie des geplanten Verhaltens hat lung ergibt (control beliefs). Durch den einige Analogien zur Rational-Choice- Filter der subjektiven Wahrnehmung Theorie (vgl. Ajzen 2005: 123). Beispiels- wirken hier interne und externe Hand- weise entspricht die wahrgenommene lungsrestriktionen wie die verfügbaren Kontrolle subjektiv gefilterten Handlungsre- Ressourcen Geld, Zeit und Information striktionen, die subjektiven Normen können oder mit dem Handlungsziel verbunde- als Teil der Präferenzen interpretiert wer- den, die in der Rational-Choice-Theorie ein wichtiger Faktor der Nutzenfunktion sind. 6 Aufbauend auf die Theory of reasoned action Den Präferenzen noch ähnlicher sind die von Ajzen und Fishbein 1978 (vgl. Ajzen (2005): 117) Einstellungen der psychologischen Hand- 17

lungstheorie. Bei im Grundsatz ähnlichen religiösen oder wie immer sonst zu deu- Definitionen7 gibt es doch einen wichtigen tenden - unbedingten Eigenwert eines Unterschied: Während die Präferenzen in bestimmten Sichverhaltens rein als sol- der Ökonomie (und auch in der Verkehrs- chen und unabhängig vom Erfolg, - forschung) häufig als eine unveränderliche „Black Box“ (Harms et al. 2007: 743) behan- 3. affektuell, insbesondere emotional: delt werden, versteht die psychologische durch Affekte und Gefühlslagen, - Forschung Einstellungen als veränderli- ches Konstrukt, das zwischen Menschen 4. traditional; durch eingelebte Gewohn- und Zeiten variieren kann. Ihre Veränder- heit.“ (Weber 1922 zitiert nach Bonß et barkeit wird damit begründet, dass Einstel- al. 2013: 65) lungen in „hohem Maße kontextabhängig“ Die in der Soziologie unterschiedenen (Wänke/Reutner/Bohner 2011: 214) sind. Handlungstypen kommen empirisch sel- Bei Veränderungen von Kontextbedingun- ten in Reinform vor (vgl. Kelle/Kluge gen ändern sich nicht also nicht nur die 2010: 83 ff.), außerdem ist zu beachten, Handlungsrestriktionen, sondern es sind dass nicht eine Person einem bestimm- auch Einstellungsänderungen zu erwarten. ten Handlungstyp zuzuordnen ist, sondern Das gilt besonders dann, wenn sich die verschiedene Handlungen einer Person Kontextbedingungen ändern, die vorher verschieden typisiert werden können. Die zu einem bestimmten Verhalten geführt Konzepte der soziologischen Handlungs- haben (vgl. Mummendey 1995: 30). Ver- typen sind auch in Untersuchungen zu änderungen von Einstellungen sind bei den hier betrachteten Entscheidungen des einer Veränderung der Lebensumstände Verkehrshandelns erkennbar, wenn auch möglich und sogar wahrscheinlich, bei- selten explizit auf sie Bezug genommen spielsweise beim Übergang zwischen ver- wird. Die Vorstellung des wertrationalen schiedenen Lebensphasen, aber auch bei und affektuellen Handelns kann der Aus- Veränderungen der räumlichen Einbettung gangspunkt von Untersuchungen sein, die des Lebens – sei es weil sich der Raum versuchen, das Verkehrshandeln mit Ein- verändert oder weil ein Raum mit anderen stellungen zu erklären (s. Abschnitt 2.3.1). Eigenschaften gewählt worden ist. Diese Die traditionale Handlung wird in der Ver- Annahme der Veränderlichkeit von Einstel- kehrswissenschaft unter der Bezeichnung lungen ist für die Einschätzung des Phäno- Handlungsroutine diskutiert und spielt eine mens der Selbstselektion relevant, auf die sehr wichtige Rolle in der Erklärung von unten ausführlicher eingegangen wird (s. Verkehrshandeln. Abschnitt 2.3.2). Handlungsroutinen entstehen dadurch, Die Berücksichtigung von subjektiven Nor- dass der oben skizzierte Entscheidungs- men oder subjektiver Wahrnehmung bei prozess nicht täglich für jede verkehrsre- der Erklärung von Handlungen findet sich levante Entscheidung in vollem Umfang auch in der soziologischen Handlungs- abläuft (vgl. Steding/Kraemer/Bittlingmay- theorie wieder. Sie unterscheidet neben er 2004: 23). Um geistige Anstrengungen dem oben dargestellten zweckrationalen zu vermeiden, wird die bekannte, erprobte Handlungstyp, von dem auch die Ratio- und zu einem vergangenen Zeitpunkt für nal-Choice-Theorie ausgeht, wertrationale, gut befundene Handlungsweise ausgeführt affektuelle und traditionale Handlungsty- (Zemlin 2005: 134, Haller 2012: 21). Dies pen (vgl. Schülein et al. 2006: 65 f., Mieb- kann selbst dann der Fall sein, wenn sich ach 2010: 31): die individuellen Rahmenbedingungen so verändert haben, dass die aus Gewohn- „2. wertrational: durch bewußten Glau- heit gewählte Alternative nicht (mehr) die ben an den - ethischen, ästhetischen, beste Wahl ist und möglicherweise bei ei- nem neuen, vollständigen Entscheidungs- 7 Einstellungen werden in der Psychologie „als prozess anders ausfallen würde (vgl. Adjei/ summarische Bewertungen von Gegenständen, Behrens 2012: 58). Personen, sozialen Gruppen oder abstrakten Konstrukten verstanden.“ (Wänke/Reutner/Boh- Die Ausbildung von Routinen ist „umso ner (2011): 212, Herv. d. Verf.). Eine Präferenz wahrscheinlicher, je häufiger die betreffen- ist „im Sinn der Nutzentheorie ein Ausdruck der relativen subjektiven Bewertung zweier Güter- de Person in der Vergangenheit genauso bündel A gegenüber B durch den nachfragenden entschieden hat, je stärker sie unter Zeit- Haushalt im Hinblick auf ihre jeweilige erwartete druck steht und je geringer die Wichtig- Bedürfnisbefriedigung.“ (Piekenbrock (2008), keit des Entschlusses für sie ist.“ (Harms Herv. d. Verf.) 18

et al. 2007: 744). Sind Routinen gebildet, Verkehrshandelns verbinden (vgl. Michel- werden sie „in aller Regel erst dann aufge- son 1977: 25, Dangschat et al. 1982: 145, geben, wenn sie keine hinreichend zufrie- Grundmann/Hölscher 1989: 19 ff., Schei- denstellende Problemlösung mehr bieten“ ner 2000: 127 ff., Bamberg 2001: 129). (Steding/Kraemer/Bittlingmayer 2004: 23), Als abhängige Variablen stehen bei em- denn es ist ein vergleichsweise hoher pirischen aktionsräumlichen Arbeiten zum Aufwand, sich neue Handlungsmuster zu kurz- und mittelfristigen Verkehrshandeln überlegen und diese zu erproben. Es ist zwei Variablen im Vordergrund: also davon auszugehen, dass die anhand „„der Aktionsraum als Summe genutzter der ökonomischen oder psychologischen und räumlich verorteter Gelegenheiten Entscheidungsmodelle beschriebenen Ent- sowie scheidungsprozesse nur unter bestimmten Bedingungen in Gang gesetzt werden, „„die Aktivitätenhäufigkeit und -reihenfol- beispielsweise bei deutlichen Veränderun- ge als zu erklärende Ausprägung des gen der (räumlichen) Handlungsrestrik- Verkehrshandelns tionen. Dieser Befund ist von Bedeutung für die Raumtypisierung, denn er wird als Zur Erklärung des raumzeitlichen Handelns Orientierungsmaß für die Abgrenzung von unterscheidet die Aktionsraumforschung Räumen verwendet: Zwei Raumeinhei- einen objektiven Raum, einen subjekti- ten sollen genau dann unterschiedlichen ven Raum und einen Aktionsraum (vgl. Raumtypen zugeordnet werden, wenn ein Reynolds/Horton 1971: 37, Grundmann/ Bewohner durch einen Wechsel seines Hölscher 1989: 5). Diese Räume werden Wohnortes in den anderen Raum so deut- ähnlich wie die oben erläuterten Konzepte lich unterscheidbare Rahmenbedingungen Erreichbarkeit, Mobilität und Verkehr abge- für sein Verkehrshandeln vorfindet, dass grenzt (s. Abschnitt 2.1): davon auszugehen ist, dass er die Mehr- „„Der objektive Raum wird mit „Charakteri- zahl seiner Handlungsroutinen verändern stika der raumzeitlichen Umwelt und der wird. Verfügbarkeit bzw. Zugänglichkeit von Verkehrsmitteln, insbesondere privaten Während die ökonomisch, psychologisch Pkw“ (Ettema/Schwanen/Timmermans und soziologisch ausgerichteten Erklä- 2007: 90, Übers. d. Verf.) beschrieben rungsansätze sich vornehmlich mit dem und entspricht damit weitgehend dem Handelnden, seinen Handlungsmöglich- oben erläuterten Konzept Erreichbar- keiten, Präferenzen und Routinen be- keit. Teilweise kann er als objektivierte schäftigen, gibt es Erklärungsansätze der Handlungsrestriktion in das Modell der (insbes. Hägerstrand Zeitgeographie Rational-Choice-Theorie aufgenommen 1970, Chapin 1974, Cullen/Godson 1975) werden. und Aktionsraumforschung (insbes. Reynolds/Horton 1971), die die raum- „„der subjektive Raum beinhaltet als zeitliche Einbettung des Handels und die wahrgenommener objektiver Raum As- zugehörigen Handlungsrestriktionen ins pekte des Konzepts Mobilität und des Zentrum der Analysen stellen. Ausgangs- sozialpsychologischen Konstrukts der punkt dieser Ansätze ist die Auffassung, wahrgenommenen Kontrolle (s. o.). Der dass raumzeitliches Handeln von gesell- subjektive Raum wird in der Zeitgeo- schaftlich geprägten, zeitlichen und räumli- graphie als der eigentlich handlungs- chen Strukturen (constraints) geprägt wird, relevante Raum aufgefasst. Auf einer indem sie die zur Verfügung stehenden „subjektiven Landkarte“ sind die zur Handlungsalternativen determinieren. Au- Auswahl stehenden Gelegenheiten ein- ßerdem beeinflussen (erwartete) raumzeit- getragen. Gelegenheiten, die objektiv liche Handlungsfolgen einer Entscheidung bestehen, aber nicht wahrgenommen die Entscheidungen in anderen Situatio- werden, können auch nicht für Aktivitä- nen. Zwar werden weder die Zeitgeogra- ten genutzt werden (vgl. Grundmann/ phie noch die Aktionsraumforschung in der Hölscher 1989: 5). Umgekehrt können Literatur unmittelbar den Handlungstheori- Gelegenheiten, die im objektiven Raum en zugeordnet, gleichwohl zielen sie darauf nicht vorkommen, keinesfalls im subjek- ab, einen Rahmen für die Erklärung von tiven Raum bestehen. Verkehrshandeln zu bieten und verwen- „„Der Aktionsraum umfasst schließlich den ähnliche Begriffe. Die theoretischen „den Teil des Wahrnehmungsraumes, in Ansätze lassen sich daher mit handlungs- dem Aktivitäten tatsächlich ausgeführt theoretischen Ansätzen zur Erklärung des werden“ (Grundmann/Hölscher 1989: 6). 19

Der Aktionsraum grenzt damit den zen eine Raumtypisierung nach verkehrs- Raum ab, in dem Verkehr als ausge- relevanten Kriterien für eine Vorhersage führtes Verkehrshandeln stattfindet und der Handlungsweisen seiner Bewohner beobachtbar ist. hat. Die einzelnen Raumeinheiten kön- nen nur nach messbaren, beobachtbaren Dem Handelnden steht nach der Aktions- Eigenschaften eingeteilt werden, so dass raumtheorie bzw. Zeitgeographie neben offen bleiben muss, ob die verträglichen anderen begrenzten Ressourcen (z. B. Verkehrshandlungsmöglichkeiten für einen Geld) nur eine begrenzte Zeitmenge zur Bewohner des Raumes auch als solche Verfügung, um Aktivitäten auszuüben und wahrgenommen werden. Selbst wenn dies die dafür erforderlichen Gelegenheiten zu der Fall sein sollte, bleibt offen, ob ein Be- erreichen. Gelegenheiten sind nur zu be- wohner die verträglichste Handlungsalter- stimmten Zeiten und an bestimmten Orten native wählt. Es muss davon ausgegangen verfügbar, einige sind nur unter bestimm- werden, dass in seiner Entscheidung das ten Bedingungen (z. B. nach dem Erwerb Handlungsziel, den Verkehr möglichst ver- einer Eintrittskarte) nutzbar, einige Aktivi- träglich zu organisieren, eine eher unterge- täten erfordern die Präsenz anderer. Das ordnete Bedeutung hat, weil eigennützige Ausüben einer bestimmten Aktivität belegt Handlungsziele sein Handeln ebenfalls be- eine in Abhängigkeit von den Eigenschaf- stimmen. Und selbst, wenn die verträglich- ten des Raumes variierende Menge der ste Handlungsmöglichkeit die Beste nach natürlich begrenzten Zeit, so dass für an- „objektiven“ Kriterien wie Reisezeit und dere Aktivitäten entsprechend weniger Zeit -kosten wäre, wird sie möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Die Reihenfolge von gewählt, weil das Handeln auch von Rou- Aktivitäten ergibt sich aus der unterschied- tinen und Einstellungen bestimmt wird, die lichen zeitlichen und räumlichen (In)Fle- möglicherweise verhindern, dass diese an xibilität der Gelegenheiten. Je größer die sich eigennützige und gleichzeitig verträg- zeitliche oder räumliche Flexibilität einer liche Handlungsmöglichkeit gewählt wird. Aktivität und je geringer ihre Priorität, de- Sicher ist lediglich, dass fehlende Hand- sto eher wird sie um weniger flexible und lungsmöglichkeiten in jedem Fall weder wichtigere Aktivitäten herum organisiert wahrgenommen noch gewählt werden (vgl. Cullen/Godson 1975: 9). können. So ist es bei einem Wohnort in der Nähe eines Schienenhaltepunktes sowohl Vergleicht man die dargestellten theore- möglich, den ÖV zu nutzen, als auch den tischen Ansätze zur Erklärung des Ver- eigenen Pkw zu fahren. Bei einem Wohn- kehrshandelns, so wird deutlich, dass sie ort ohne Schienenhaltepunkt besteht die sich nicht grundsätzlich widersprechen. erste Option nicht. Allgemein ausgedrückt Vielmehr fokussiert jeder auf einen ande- ist es zwar möglich, sein Verkehrshandeln ren Aspekt des Verkehrshandelns und er- in einem verkehrssparsamen Raum so- klärt diesen besonders gründlich. Teilweise wohl verträglich als auch unverträglich zu ziehen die Autoren der Theorien selbst gestalten, in einem extrem verkehrsauf- Parallelen zur Theorie der jeweils anderen wendigen Raum dagegen besteht nicht die Disziplin (vgl. Ajzen 2005: 123). Die wohl Möglichkeit, verkehrssparsam zu handeln größten Unstimmigkeiten betreffen die An- (vgl. Holz-Rau 1997: 12). nahmen zur Veränderlichkeit und interper- sonellen Variabilität von Präferenzen. Sie Die Schwierigkeit für die Raumtypisie- lassen sich pragmatisch auflösen, indem rung besteht darin, zu beurteilen, wann jeweils deutlich gemacht wird, für welchen eine Möglichkeit gegeben ist und wann Zeitraum bzw. für welche Situation eine sie nicht oder nur scheinbar gegeben ist, Stabilität der Präferenzen angenommen weil sie für den Alltag eines Handelnden wird bzw. für welche Gruppen bestimmte mit durchschnittlichen Eigenschaften und Präferenzen in der Tendenz gelten (s.o.). Wahlmöglichkeiten keine alltagstaugliche Es ist also nicht notwendig, bei der theore- Handlungsmöglichkeit darstellt. Beispiels- tisch begründeten Auswahl von Variablen weise gibt es in fast jedem Dorf eine Bu- für die Clusteranalyse ausschließlich ei- shaltestelle, die aber möglicherweise nur nem der Ansätze zu folgen. zweimal täglich bedient wird, so dass trotz Haltestelle der Anschluss an das ÖV-Netz Insbesondere die Annahmen, dass das nur bedingt gegeben ist. Theoretisch könn- Handeln von Eigennutzenmaximierung, te man auch drei Kilometer zum Einkaufen Routinen und persönlichen Einstellungen laufen, fraglich ist nur, wie viele der Per- geleitet wird und in einem subjektiven Raum sonen, die ohnehin täglich auf einen Pkw stattfindet, machen deutlich, welche Gren- 20

zugreifen müssen, dies tun. Es gilt also sie finden sich mit leichten Abwandlungen für die Einteilung der Räume Schwellen in fast jeder empirischen Arbeit mit entspre- zu definieren, die ein bestimmtes Handeln chender Fragestellung wieder. Sie liefern wahrscheinlicher machen. In den Wor- in multivariaten Analysen relativ gute Er- ten der Rational-Choice-Theorie wird ein klärungswerte für verschiedene Kennzah- Raum verkehrssparsamer, wenn sich die len des Verkehrshandelns, insbesondere, von vielen verschiedenen Personengrup- wenn nach Wegezwecken differenziert pen „berechnete“ Nutzendifferenz zwi- wird. Auch bei deskriptiven Auswertun- schen verträglichen und unverträglichen gen nach einem oder zwei dieser Kriteri- Wahlmöglichkeiten für viele verschiedene en lassen sich deutliche Unterschiede der Wegezwecke zugunsten der verträglichen untersuchten Kennzahlen des Verkehrs- Wahlmöglichkeiten verschiebt. handelns feststellen (z. B. BMVBS 2008). Nach diesen Faktoren eingeteilte „verhal- tenshomogene Gruppen“ (vgl. Kutter 1972) 2.3 Einflussfaktoren auf das haben noch heute große Bedeutung in der mittel- und kurzfristige Verkehrsmodellierung (vgl. Gather/Kager- Verkehrshandeln im meier/Lanzendorf 2008: 167). Überblick Zu den klassischen Einflussfaktoren auf Im vorangegangenen Abschnitt wurden das Verkehrshandeln zählen die theoretischen Grundlagen erläutert, „„Alter auf denen empirische Untersuchungen zum Verkehrshandeln aufbauen, in diesem „„Einkommen werden die Ergebnisse empirischer Unter- „„Geschlecht suchungen im Überblick vorgestellt. Die Untersuchungen behandeln mitunter sehr „„Erwerbstätigkeit spezielle Einflussfaktoren und Aspekte des „„Haushaltsstruktur Verkehrshandelns. Im folgenden Überblick geht es nicht um diese Details, vielmehr in- „„Bildung teressiert, wie sich verschiedene Gruppen „„Pkw-Besitz von Einflussfaktoren zueinander verhalten und welche Faktoren welche Ausprägung Die Faktoren haben Einfluss auf des Verkehrs besonders beeinflussen. In- „„die Art bzw. den Ort von Aktivitäten und sofern ist es notwendig, kurz auf personen- beeinflussen damit den Verkehrsauf- bezogene Einflussfaktoren einzugehen, wand. Beispielsweise hat ein Rentner auch wenn diese für die Raumeinteilung keinen Arbeitsweg mehr, eine Person nicht unmittelbar relevant sind. mit höherem Einkommen kann es sich leisten, entferntere Freizeitziele aufzu- 2.3.1 Personenbezogene suchen oder häufiger kostenpflichtige Einflussfaktoren Freizeitaktivitäten zu unternehmen, die Bildung wirkt möglicherweise auf die Empirische Analysen zu personenbezo- Ausprägungen der Interessen. genen Einflussfaktoren auf das Verkehrs- handeln beschränken sich häufig darauf, „„die Häufigkeit von Aktivitäten und beein- empirische Regelmäßigkeiten zwischen flussen damit das Verkehrsaufkommen. bestimmten soziodemographischen Eigen- Beispielsweise hat eine erwerbstätige schaften der Handelnden und ihren gewähl- Person weniger Zeit für Freizeitaktivitä- ten Handlungsalternativen festzustellen. ten. In einem Haushalt mit Kindern fallen Die hinter diesem Vorgehen stehende häufig Bring- und Holwege an. Idee ist, dass sich Handlungsrestriktionen, „„die zur Wahl stehenden Verkehrsmittel Handlungsziele und Präferenzen weit- und die Variationsmöglichkeit von Ver- gehend aus der speziellen Situation des kehrsmitteln. Insbesondere die Wahl- Handelnden ergeben und dass diese Si- möglichkeit „Pkw“ wird besonders durch tuation mithilfe soziodemographischer und Alter und Einkommen beschränkt und -ökonomischer Merkmale einer Person von der Haushaltsstruktur beeinflusst: abgebildet werden kann (vgl. Grundmann/ Das Alter bestimmt über den Führer- Hölscher 1989: 23, van Acker/van Wee/ scheinbesitz oder die physische Mög- Witlox 2010: 222). Einige dieser Merkma- lichkeit, ob ein Pkw gefahren werden le werden als „klassische Einflussfaktoren kann, das Einkommen entscheidet über des Verkehrshandelns“ bezeichnet, denn den Besitz eines Pkw und die Häufigkeit 21

seiner Nutzung, die Haushaltsstruktur In anderen Arbeiten werden verschiede- bedingt Absprachen beim Teilen des ne Konstrukte gemeinsam mit „orientie- Pkw oder erfordert „Transport“ wie z. B. rungsgesteuerten Praxisformen“ (vgl. Götz das Bringen oder Holen von Kindern. 2007: 770) ausgewertet und sogenannte Lebens- oder Mobilitätsstile abgeleitet. Der Pkw-Besitz wird als Schlüsselgröße Das Verkehrshandeln wird dann anstelle unter den individuellen Eigenschaften zur von soziodemographisch gebildeten Klas- Erklärung des Verkehrshandelns bewertet sen oder einzelnen sozialpsychologischen (vgl. Dieleman/Dijst/Burghouwt 2002: 524, Konstrukten nach dieser Segmentierung in Næss 2006: 175). Er nimmt unter den dis- Mobilitätsstile beschrieben (z. B. Hunecke kutierten Einflussfaktoren eine Sonderrolle 2000: 105 ff., Lanzendorf/Scheiner 2004: ein, weil er nicht nur als Variable mit hohem 25 ff., Götz 2007: 770 ff.). Die Ergebnisse Erklärungswert sondern auch als Maßzahl dieser Arbeiten unterscheiden sich jedoch für das Verkehrshandeln genutzt wird (z. B. so, dass es hier nicht möglich ist, ohne wei- bei Kenworthy 1996: 286) und in hohem teres klassische Mobilitätsstile o. ä. über- Maße abhängig von den anderen genann- blicksartig vorzustellen. ten Faktoren ist. Eine weitere Besonder- heit ist, dass der Pkw-Besitz nicht nur von 2.3.2 Verkehrshandeln und persönlichen Merkmalen, sondern auch Siedlungsstruktur von siedlungsstrukturellen Merkmalen ab- hängt. Er wird daher als „mediating link“ Nach den theoretischen Überlegungen bezeichnet, der Siedlungsstruktur und Ver- der Zeitgeographie- und Aktionsraum- kehrshandeln verbindet (Cao/Mokhtarian/ forschung beeinflussen die „Eigenschaf- Handy 2007: 538). Hierzu passt der offen- ten der raumzeitlichen Umwelt“ und die sichtliche Zusammenhang zwischen der „Zugänglichkeit von Verkehrsmitteln“ das Häufigkeit des Motivs „kein Auto nötig“ mit Verkehrshandeln als unmittelbar der Sied- der (groben) Siedlungsstruktur des Wohn- lungsstruktur zuzuordnende Eigenschaf- ortes von Personen ohne eigenen Pkw in ten (vgl. 2.2). Diese Annahme findet sich in der MID (BMVBS 2008: 59). Ein Pkw wird vielen empirischen Arbeiten wieder, auch dann überflüssig, wenn die siedlungsstruk- wenn diese Eigenschaften unterschiedlich turellen Gegebenheiten ein Leben ohne operationalisiert werden. Kurz gefasst las- Pkw erlauben/fördern. Insofern ist die Fra- sen sich die Zusammenhänge zwischen ge, wie einfach ein Leben ohne Pkw in der Raum und Verkehrshandeln wie folgt zu kategorisierenden Raumeinheit zu rea- beschreiben:8 lisieren ist, von zentraler Bedeutung für die hier vorgenommene Raumtypisierung. Das Verkehrshandeln wird beeinflusst von Ein weiterer Ansatz, personenbezoge- „„Art, Güte und Verteilung der Gelegen- ne Einflüsse auf das Verkehrshandeln zu heiten im Raum, untersuchen, besteht darin, nicht nur die „„Art, Güte und Vielfältigkeit der Verbindun- Situation der Handelnden mithilfe soziode- gen zwischen Gelegenheiten, worunter mographischer Charakteristika abzubilden, auch die Zugänglichkeit zu Verkehrssy- sondern auch die Motivation der Handeln- stemen, beispielsweise ausgeprägt als den zur Erklärung des Verkehrshandelns Entfernung zu ÖV-Haltepunkten oder heranzuziehen. Dabei werden Konstruk- die Gestaltung des öffentlichen Raumes te der sozialpsychologischen Forschung als Qualitätsmerkmal fußläufiger Verbin- (z. B. Umweltbewusstsein oder Verkehrs- dungen fällt, mitteleinstellung) in die Nutzenfunktion einbezogen (vgl. Bamberg/Schmidt 1999, „„lokalen sozialen Normen. BMVBS 2012: 125 f.). Zugehörige Hypo- thesen sind beispielsweise, dass jemand, Diese Einflussfaktoren setzen für die han- der gerne Auto fährt, dieses auch häufi- delnden Personen den Rahmen für ger nutzt als jemand, der beim Autofahren „„die Entscheidung für eine Gelegenheit ängstlich ist, oder dass jemand, der die (und damit den Ort der Aktivität), der un- Umwelt schützen möchte, häufiger das mittelbar verbunden ist mit der zu über- Rad nutzt als jemand, dem Umweltschutz windenden Entfernung und der dafür zu gleichgültig ist. Die empirischen Untersu- reservierenden Zeit, chungen zum Zusammenhang zwischen Einstellung und Handeln zeigen jedoch un- 8 Vgl. insbesondere Wegener/Fürst (1999): 30 ff., einheitliche Befunde (vgl. Jaufmann 1996: Næss (2006): 81 ff., 220, Cao/Mokhtarian/Handy 7 f., Wänke/Reutner/Bohner 2011: 226). (2007): 538. 22

„„die Anzahl ausführbarer Aktivitäten, Das Spektrum untersuchter siedlungs- die durch die für weitere Aktivitäten struktureller Eigenschaften reicht von der und Raumüberwindung zur Verfügung Bauform und Beleuchtung über Bebau- stehende Zeit begrenzt wird, ungsstruktur, Straßenführung, Dichte, Funktionsmischung (Wohnen, Arbeiten, „„die tägliche Entscheidung für ein Ver- Versorgung), Freiraumqualität und Erreich- kehrsmittel, weil die Verbindungsqualität barkeit von Stadtzentrum oder Arbeits- unterschiedlich ist und unter Umständen plätzen auf Quartiers- oder Stadtteilebene nur wenige Verkehrsmittel zur Verfü- bis hin zur Frage nach Polyzentralität und gung stehen, Siedlungsgröße.9 Bei einigen der unter- „„den Erwerb von Verkehrsmitteln oder suchten Merkmale kann nur ein sehr in- Zugangsberechtigungen, wobei sich der direkter kausaler Zusammenhang zum „objektive“ Nutzen dieses Erwerbs aus Verkehrshandeln vermutet werden. So ist dem vorhandenen Angebot (z. B. ÖPNV, es schwierig, die direkte Wirkung der Sied- Radwege, Parkplätze), den zu überwin- lungsgröße auf das Verkehrshandeln zu denden Entfernungen, der dafür ver- benennen, vielmehr steht Siedlungsgrö- fügbaren Zeit sowie der Häufigkeit der ße beispielsweise für funktionale Vielfalt, entfernt stattfindenden Aktivitäten ergibt, Angebot des ÖV oder auch für Bevölke- rungsdichte, die selbst mehr oder weniger „„die Entscheidung für eine Route, die direkten Einfluss auf das Verkehrshandeln beispielsweise die Verkettung unter- haben (vgl. Kapitel 3, auch Næss 2006: schiedlicher Aktivitäten und dadurch 32). Außerdem sind methodische Studien eine Zeit- oder Wege(längen)-Ersparnis selten, die versuchen, einen vermuteten mit sich bringen kann. kausalen Zusammenhang mit verschieden In empirischen Arbeiten zur Untersuchung operationalisierten Variablen zu messen, der Wirkung siedlungsstruktureller Eigen- und die Aussagekraft der Variablen verglei- schaften auf das Verkehrshandeln wer- chen. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist den zumeist Kennzahlen des täglichen bei Næss zu finden, der das Verhalten der Verkehrshandelns (Verkehrsmittelwahl, Variablen „Zentrenerreichbarkeit“ mit der Wegezahl, seltener: Verkehrsaufwand) Summe einzelner Erreichbarkeitsvariablen verwendet. Häufig werden einzelne We- vergleicht (vgl. Næss 2006: 121 ff.). gezwecke (zumeist Pendelwege zum Die einzelnen siedlungsstrukturellen Ei- Arbeitsort) oder einzelne Kennzahlen genschaften sind in Analysen schwer (Modal Split oder Wegefrequenz) ausge- voneinander zu trennen, weil sie sich ge- wertet. Seltener sind umfassende Studi- genseitig stark bedingen. Allgemeingültige en siedlungsstruktureller Einflüsse, die Aussagen zum konkreten Einfluss einzel- das Verkehrshandeln gleichzeitig über ner siedlungsstruktureller Merkmale sind Verkehrsaufwand, Wegehäufigkeit und damit schwer zu treffen, zumal der vermu- Verkehrsmittelwahl messen, mittelfristige tete kausale Zusammenhang selten auf der Entscheidungen wie den Pkw-Besitz ein- Wirkung einzelner Ausprägungen beruht, beziehen und verschiedene Wegezwecke sondern auf deren Kombination (vgl. Han- betrachten. Einige Studien gehen Zusam- dy 1996: 153, Chen/Gong/Paaswell 2008: menhängen zwischen Wohnort und weiten 298). Ihr Einfluss auf das Verkehrshandeln Freizeitwegen (also Fernreisen und Aus- wird methodisch über einfache Vergleiche flügen) nach: Der sogenannten compensa- der aggregierten Kennziffern des Verkehrs- tion oder escape hypothesis folgend wird handelns der Bevölkerung verschieden- vermutet, dass Ausflüge eine Reaktion artiger Räume beschrieben, oder er wird von Städtern auf fehlenden Naturkontakt mithilfe von Entscheidungsmodellen, die oder auf städtische Umweltwirkungen sind sich handlungstheoretisch herleiten lassen, (vgl. Næss 2006: 202 f., Reichert/Holz-Rau ermittelt. Während bei einfachen, univari- 2014). Im Hinblick auf private Fernreisen aten Vergleichen nur sehr grob herausge- (Urlaube) wird angenommen, dass der arbeitet werden kann, welche Eigenschaft „schnellere Zugang zu Fernverkehrsinfra- welches Handeln beeinflusst, erlauben die struktur in Großstädten“ (Holz-Rau/Sicks Entscheidungsmodelle eine bessere Kon- 2013: 18) Fernreisen erleichtert, dass großstädtische Unternehmen (und damit auch ihre Beschäftigten) großräumlicher 9 Vgl. z. B. Holz-Rau (1997), Miller/Ibrahim (1998), orientiert sind und dass „zum urbanen Krizek (2003), Gutsche (2003) Buliung/Kanaro- Lebensstil auch Kurztrips in andere Städte glu (2006) oder Literaturübersichten: Wegener/ Fürst (1999), Stead/Marshall (2001): 114, Ewing/ oder Erholungsräume gehören“ (ebd.). Cervero (2001), Cao/Mokhtarian/Handy (2009). 23

trolle personenbezogener Einflüsse, vor US-amerikanische) Studien in den letzten allem aber entspricht das Vorgehen eher Jahren (Mobilitäts-) Einstellungen einzube- einem Testen kausaler Zusammenhänge ziehen (vgl. Cao/Mokhtarian/Handy 2009, (vgl. Handy 1996: 159). Næss 2009: 298, Bohte 2010). An Studi- en mit Kontrolle der Selbstselektion nach Heute wird zwar nicht mehr in Frage gestellt, Einstellungen wird kritisiert, dass sie den dass die siedlungsstrukturellen Gegeben- Einfluss siedlungsstruktureller Faktoren heiten Einfluss auf das Verkehrshandeln unterschätzen (vgl. Næss 2009: 321). Dies haben. Die Frage, ob personenbezogene ist schon aufgrund der in Abschnitt 2.2 aus- oder siedlungsstrukturelle Eigenschaften geführten Kontextabhängigkeit von Ein- den größeren Einfluss auf das Verkehrs- stellungen plausibel, die in den genannten handeln haben, wird aktuell unter dem Studien selten berücksichtigt wird. Schlagwort Selbstselektion kontrovers diskutiert. In dieser Diskussion geht es Trotz dieser Diskussion besteht heute Ei- um die Möglichkeit, dass die Ergebnisse nigkeit darüber, dass siedlungsstrukturel- bisheriger Studien verzerrt sind, weil sie le Eigenschaften eine wesentliche Rolle die Wirkung der langfristigen Verkehrsent- spielen, denn ihr Einfluss ist auch dann scheidung des Wohnortwechsels vernach- empirisch nachzuweisen, wenn Aspekte lässigen. Je nachdem, welche Bedeutung der Selbstselektion methodisch kontrolliert dem Einfluss der Siedlungsstruktur oder werden (vgl. Cao/Mokhtarian/Handy 2009: dem Effekt Selbstselektion beigemes- 389 f., Næss 2006: 219 ff.). Darüber hinaus sen wird, muss unterschiedlich beurteilt variiert der Einfluss siedlungsstruktureller werden, welchen Einfluss Verkehrs- und Eigenschaften auf das Verkehrshandeln, je Stadtplanung auf das Mobilitätshandeln nachdem haben können (vgl. Kitamura/Mokhtarian/ „„welcher Wegezweck betrachtet wird: Laidet 1997: 156, Schwanen/Mokhtari- an 2003: 1). Konkret wird angenommen, „The two sets of factors [sociodemo- dass Studien ohne Berücksichtigung von graphic and residential environment, Selbstselektion den siedlungsstrukturellen d. Verf.] are of about equal importance Einfluss überschätzen, weil eine Selbstse- for modal choice and distance travelled, lektion der Bewohner vorliegt (vgl. z. B. Kit- although trip purpose modifies these amura/Mokhtarian/Laidet 1997: 125, Cao/ relationships considerably.” (Dieleman/ Mokhtarian/Handy 2009: 360, Næss 2009: Dijst/Burghouwt 2002: 524, vgl. auch 321, Holz-Rau/Sicks 2013: 28). Es ist also Mokhtarian/Cao 2008: 225) notwendig, die Bedeutung der oben dar- gelegten Zusammenhänge etwas genauer „„welche Verkehrsindikatoren betrachtet auszuführen. werden:

Nach der Selbstselektionshypothese „Trip frequencies appear to be primari- wählen Personen ihren Wohnort passend ly a function of the socioeconomic cha- zu einem Motivrahmen, der auch das racteristics of travellers and secondarily Verkehrshandeln stark beeinflusst. a function of the built environment, trip Somit können gemessene Unterschiede lengths are primarily a function of the des Verkehrshandelns von Bewohnern built environment and secondarily a verschiedener Räume nicht alleine auf function of socioeconomic characteri- die siedlungsstrukturellen Eigenschaften stics, and mode choices depend on both zurückgeführt werden, sondern auch auf (although they probably depend more den Motivrahmen, so dass der oben be- on socioeconomics).” (Ewing/Cervero schriebene Vergleich verzerrt sein muss 2001: 100 f.) (vgl. Cao/Mokhtarian/Handy 2009: 360). „„welche soziodemographischen Eigen- Nach diesen Überlegungen nutzen bei- schaften die Verkehrsteilnehmer haben: spielsweise ÖV-affine Haushalte nicht den ÖV, weil etwa die ÖV-Erreichbarkeit ihres „The location of the residence relative Wohnortes gut ist, sondern weil sie auf- to central Copenhagen influences the grund ihrer ÖV-Affinität den Wohnort ent- amount of transportation most strongly sprechend gewählt haben. Wurden in den among men, workforce participants and Studien der 1990er Jahre vor allem einfa- persons with high income. Among wom- che soziodemographische Charakteristika en, non-participants of the workforce kontrolliert, um verzerrende Effekte auszu- and low-income groups, the amount of schließen, versuchen zahlreiche (vor allem transportation is mainly influenced by 24

more local urban structural conditions Die in der vorliegenden Arbeit interes- (the distances from the residence to the sierenden Kenngrößen Wegelänge und closest second-order urban centre, the Verkehrsmittelwahl sind also primär oder closest urban railway station and the lo- wenigstens teilweise abhängig von sied- cal area density).” (Næss 2009: 199, vgl. lungsstrukturellen Gegebenheiten. auch Mokhtarian/Cao 2008: 225) „„welche Gründe bei der Wohnstandort- wahl wichtig waren:

„Suburban dwellers who considered ne- arby stores important walked more often than traditional neighborhood residents who didn’t.” (Mokhtarian/van Herick 2014: 7) 25

3 Siedlungsstrukturelle Einflussfaktoren

Nach Erläuterung der handlungstheoreti- Verlagerung ohne Einschränkung des schen Grundlagen des Verkehrshandelns Einzelnen im Hinblick auf die Ausübung und Vorstellung der wichtigsten Ein- von Aktivitäten. flussfaktoren geht es im Folgenden dar- „„Die Raumeinteilung soll auf Grundlage um, empirische Erkenntnisse im Hinblick einheitlicher Daten für die gesamte Re- auf die vorzunehmende Raumeinteilung gion erfolgen, um die Vergleichbarkeit zusammen zu tragen. Die verschiedenen der Raumtypen innerhalb der Region Einflüsse siedlungsstruktureller Eigen- zu gewährleisten. Außerdem sollen schaften auf das Verkehrshandeln ihrer möglichst leicht zugängliche Daten ver- Bewohner werden einzeln benannt, um wendet werden, damit das Vorgehen eine Grundlage für die Auswahl und Aufbe- mit geringem Aufwand für verschiede- reitung von Variablen zu schaffen, die für ne Stadtregionen angewendet werden die Klassifizierung der Raumeinheiten des kann. Das bedeutet, es müssen sied- Untersuchungsraumes in der Clusteranaly- lungsstrukturelle Einflussfaktoren ge- se erforderlich sind. funden werden, die mit Sekundärdaten Die Auswahl von siedlungsstrukturellen des gesamten Untersuchungsraumes Einflussfaktoren, aus denen Variablen für abgebildet werden können, von Primä- die Clusteranalyse gewonnen werden sol- rerhebungen muss abgesehen werden. len, ergibt sich aus folgenden Ansprüchen „„Die Typisierung soll auf der Ebene von an die Raumtypisierung: Stadtteilen und Gemeinden erfolgen. „„Die Raumtypen sollen widerspiegeln, Diese Notwendigkeit ergibt sich aus welche Rahmenbedingungen die je- dem übergeordneten Projektzusam- weilige Siedlungsstruktur ihren Be- menhang. Sie ist aber auch generell wohnern für ihr mittel- und kurzfristiges sinnvoll, weil auf dieser Ebene viele Verkehrshandeln bietet. Wie in Kap. 2.1 Strukturdaten vorliegen und weil diese ausgeführt, zeichnet sich verträgliches Raumeinheitsgröße gut mit daten- Verkehrshandeln durch einen möglichst schutzrechtlichen Vorschriften zur Ver- geringen durchschnittlichen Verkehrs- ortung von befragten Personen einer aufwand und die möglichst häufige Verkehrserhebung vereinbar ist. Bei der Wahl von Verkehrsmitteln des Umwelt- Wahl dieser Raumeinheiten als Eintei- verbunds aus. Für die Raumeinteilung lungsbasis ist allerdings zu beachten, sind also besonders die siedlungsstruk- dass bestimmte siedlungsstrukturelle turellen Einflussfaktoren relevant, die Eigenschaften wie z. B. die Freiraum- in kausalem Zusammenhang mit der qualität innerhalb der Gemeinden und durchschnittlichen individuellen Wege- Stadtteile sehr heterogen verteilt sein distanz und dem Zugang zu Pkw und können, so dass eine große Spann- alternativen Verkehrsmitteln stehen. weite innerhalb dieser Raumeinheiten vorhanden ist. Es gilt also Maßzahlen „„Die Raumtypen sollen sich in eine zu finden, die trotz dieser Heterogenität Hierarchie bringen lassen, die von den aussagekräftig sind. Extremen „Raumtyp bietet schlech- te Voraussetzungen für verträgliches Bei der Analyse und Auswahl siedlungs- Verkehrshandeln“ bis „Raumtyp bietet struktureller Einflussfaktoren, aus denen ideale Bedingungen für verträgliches dann Variablen für die Klassifizierung ge- Verkehrshandeln“ reicht. Das bedeu- bildet werden, greifen drei Vorgehenswei- tet, die Raumtypisierung ist normativ, sen ineinander: indem aus ihr abgeleitet werden kann, a. Der Wirkungsmechanismus messbarer wie Räume aussehen sollten, um ver- siedlungsstruktureller Eigenschaften trägliches Handeln zu ermöglichen. auf das Verkehrshandeln wird auf der Diese Bewertung basiert strikt auf den Grundlage der bis hierher vorgestellten Erkenntnissen zum Verkehrshandeln theoretischen Zusammenhänge sowie und den eingangs dargelegten, allge- anerkannten empirischen Erkenntnis- mein anerkannten verkehrsplanerischen sen des Verkehrshandelns möglichst Zielen der Verkehrsvermeidung und 26

präzise formuliert. Die Vielfalt empiri- raum, Bauform und -alter der Bebauung scher Untersuchungen erfordert dabei im Stadtteil eine Auswahl zu verwendender Studi- en. Da die Verwendung möglichst breit Diese Eigenschaften werden im Folgen- anerkannter empirischer Erkenntnisse den unter den in der Literatur üblicherwei- angestrebt wird, wurden primär Litera- se verwendeten Schlagworten diskutiert. turübersichten ausgewertet: Wegener/ Einzig die Gemeindegrößenklasse wird Fürst (1999), Stead/Marshall (2001), nicht behandelt, weil sie offensichtlich für Ewing/Cervero (2001), Ewing (2008), den Zusammenhang anderer, ebenfalls Cao/Mokhtarian/Handy (2009). Sie leicht messbarer, aber in ihrer Wirkung entstammen verschiedenen Sprach- besser nachvollziehbarer siedlungsstruk- räumen, so dass der internationale For- tureller Eigenschaften steht. Der empi- schungsstand berücksichtigt wird. Um risch beobachtete Zusammenhang von bei einigen Aspekten in die Tiefe zu ge- Verkehrshandeln und Siedlungsgröße wird hen, werden darüber hinaus die Ergeb- beispielsweise als Gesamtwirkung der nisse von Einzelstudien herangezogen, besseren Ausstattung größerer Gemein- die zwar regionsspezifisch sind, dafür den mit Versorgungseinrichtungen, öffent- aber das Verkehrshandeln ganzheitlich lichem Verkehr und für Restriktionen des und nicht nur ausschnittsweise betrach- MIV interpretiert (vgl. z. B. Holz-Rau/Sicks ten: Holz-Rau/Kutter (1995), Kenworthy 2013: 28, Oeltze/Bracher 2007: 51). (1996), Holz-Rau (1997), Kagermeier (1997), Motzkus (2002), Gutsche (2003), 3.1 Siedlungs- oder Næss (2006). Bevölkerungsdichte b. Die als relevant identifizierten sied- lungsstrukturellen Eigenschaften wer- Eines der häufig in empirischen Studien an- den anhand von Erkenntnissen aus der zutreffenden siedlungsstrukturellen Merk- Stadtplanung bzw. Stadtökonomie in ih- male mit statistisch nachweisbarer Wirkung ren Wechselwirkungen diskutiert, um die auf das individuelle Verkehrshandeln ist Ursache der identifizierten Wirkungen die Bevölkerungs- oder Siedlungsdichte,10 klar fassen und die wirkungsstärksten weil diese relativ einfach zu messen ist. Eigenschaften identifizieren zu können. Der messbare statistische Zusammenhang rührt daher, dass die Siedlungsdichte not- c. In der Literatur werden gezielt empiri- wendige Bedingung für viele weitere wich- sche Ergebnisse (auch in Einzelstudien) tige siedlungsstrukturelle Faktoren ist, die gesucht, die es erlauben, Schwellen- unmittelbar und sämtlich in ähnlicher Rich- werte oder Wirkungsrichtungen genauer tung auf das Verkehrshandeln wirken. Bei- zu beschreiben. spielsweise sind kurze Wege infolge einer Diesem iterativen Prozess liegt eine hohen Gelegenheitsdichte und -mischung Sammlung bzw. Vorauswahl siedlungs- nicht ohne eine hohe Bevölkerungs- bzw. struktureller Merkmale zugrunde, die der in Kundendichte möglich. ÖPNV-Anbindun- a) erwähnten Literatur entnommen ist und gen benötigen ebenfalls ein Mindestmaß sich wie folgt zusammenfassen lässt: an Bevölkerungsdichte um wirtschaftlich betrieben werden zu können.11 Parkdruck „„Dichte von Arbeitsplätzen, Einwohnern mit Auswirkung auf die Pkw-Nutzung ent- oder Wohnungen steht in Bereichen hoher Bevölkerungs- „„Parkraumverfügbarkeit, -kosten oder Arbeitsplatzdichte in Verbindung mit einer entsprechenden Dichte der Bebau- „„Kleinräumige Funktionsmischung bzw. ung bzw. Wohnungen. nahräumliche Versorgung, „„Zentralörtlichkeit, Gemeindegröße Ein direkter ursächlicher Zusammen- hang zwischen Siedlungsdichte und „„Entfernung zu Zentren, großräumliche Verkehrshandeln ist plausibel, weil die Struktur der Zentren (z. B. Polyzentralität) „„Lage an Verkehrsachsen, Zugänglich- 10 Beide Indikatoren werden aus der Bevölkerungs- keit zu den Verkehrsnetzen zahl einer Fläche gebildet. Die Bevölkerungs- „„ dichte bezieht dabei die gesamte Gemeinde oder Funktionale Eigenschaften des Straßen- Stadtteilfläche ein, die Siedlungsdichte dagegen und ÖV-Netzes nur den bebauten Teil dieser Fläche, also keine Wasser- oder Waldflächen. „„Freiraumqualität, Qualität des öffentli- 11 Zu Dichteschwellenwerten und ÖV-Nutzung vgl. chen Raumes, einschließlich Straßen- Wegener (1999): 33. 27

Siedlungsdichte direkt mit der Möglichkeit wohnerdichte von 35 EW/ha als Schwelle, korrespondiert, Menschen in der Nähe des ab der die Pkw-Nutzung deutlich abnimmt Wohnorts zu treffen, so dass die Aktivität (vgl. Newman/Kenworthy 2006: 35). „Besuch bei Freunden oder Verwandten“ hinsichtlich der Wegelänge und -frequenz beeinflusst werden müsste. Es gibt Stu­ 3.2 Funktions- oder dien, die eine Verbindung zwischen hoher Nutzungsmischung Siedlungsdichte und der Qualität fußläufi- ger Verbindungen herstellen, weil häufige Es ist in der Stadtplanung üblich, Flächen soziale Kontakte im öffentlichen Raum nach Funktionen oder Nutzungen zu un- oder soziale Kontrolle (Sicherheitsgefühl) terscheiden, die auf der jeweiligen Flä- das Zu-Fuß-Gehen angenehmer machen che ausgeübt werden können. Gängige können (vgl. Deffner 2009: 29). Bei die- Kategorien sind dabei Wohnen, Arbeiten, ser These ist jedoch darauf hinzuweisen, Bildung, Versorgung (sekundäre Infra- dass sich weder die Siedlungs- noch die struktur, Einzelhandel, Gesundheitsversor- Bebauungsdichte als alleinige Maßzahl gung) und Freizeit (z. B. Freiraum, Kultur, für die Qualität des öffentlichen Raumes Sport) (vgl. z. B. Bretschneider 2007: 17). eignen (vgl. Stead/Marshall 2001: 135). Jede Funktion besteht aus einer Anzahl Bei gleicher Dichte bietet nicht jede Be- unterschiedlich großer und spezialisier- bauungsform die gleiche Qualität fußläufi- ter funktionaler Einheiten. Die einzelnen ger Verbindungen. Insbesondere die unter funktionalen Einheiten entsprechen dem dem Leitbild „Urbanität durch Dichte“ ent- verkehrswissenschaftlichen Begriff Ge- standenen Bauten der 60er und 70er Jahre legenheit (s. Abschnitt 2.1). Wenn ver- werden als Negativbeispiele genannt (Pohl schiedene Gelegenheiten verschiedener 2010: 201 f.). Funktionen räumlich nahe beieinander liegen, spricht man von Funktions- oder Mangelnde Wohnumfeldqualität in Ver- Nutzungsmischung. Vor dem Hintergrund bindung mit einer hohen Dichte kann zu der Diskussion um Verkehrssparsamkeit Kompensationshandeln führen, das lange bezeichnet die Funktionsmischung dabei Freizeitwege in Form von Urlauben oder Ausflügen „ins Grüne“ zur Folge hat (vgl. „in erster Linie die Mischung des Woh- Abschnitt 2.3.2). Ob der im Alltagsverkehr nens mit anderen Nutzungen [...]. Sie geringere MIV-Aufwand von Stadtbewoh- kann auf den Maßstabsebenen Ge- nern im Vergleich zu Bewohnern ländlicher schoß, Gebäude, Block, Stadtteil und Räume durch kompensatorische, umso Region erfolgen. Je kleinräumiger die weitere Freizeitwege aufgehoben wird, ist Mischung ausgeführt wird, umso stärker nicht eindeutig geklärt (vgl. Næss 2006: ist [...] ihr Beitrag [...] dazu, Alltag ver- 215 f.) und ist daher Gegenstand aktu- kehrssparsamer bewältigen zu können.“ eller Forschung (vgl. Reichert/Holz-Rau (Gertz/Holz-Rau/Rau 1993: 84 f.). 2014: 434). Eine Untersuchung von Frehn, Die verkehrsmindernde Wirkung der Funk- die allerdings soziodemographische und tionsmischung ergibt sich daraus, dass Be- -ökonomische Merkmale nicht kontrolliert, wohner kleiner Raumeinheiten, in denen deutet jedoch an, dass der Anteil an Frei- alle benötigten Funktionen verfügbar sind, zeitwegen mit Zielen außerhalb der Stadt nur geringe Entfernungen überwinden in dichten innerstädtischen Quartieren im müssen, um ihren Alltag zu organisieren. Vergleich zu wenig dichten Stadtrandla- Je kleiner die Entfernungen sind, desto gen nur leicht erhöht ist (vgl. Frehn 2004: größer ist die Wahrscheinlichkeit, Rad zu 80), die Ergebnisse von Næss (2006: fahren oder zu Fuß zu gehen. Der Grad der 215 f.) gehen in dieselbe Richtung. So ist Funktionsmischung bestimmt insofern, wie es trotz der geschilderten Kompensations- viele und welche Funktionen mit welchem Problematik gerechtfertigt, für den Zweck Verkehrsmittel erreichbar sind: zu Fuß, mit der Raumeinteilung von einem positiven dem Rad oder nur mithilfe motorisierter Zusammenhang von Bevölkerungsdichte Verkehrsmittel. und Verkehrssparsamkeit auszugehen: Bei höherer Dichte sind die Wege kürzer und Als geeignete Grenze zur Einteilung von werden häufiger mit dem ÖV und seltener Räumen mit Funktionsmischung und mit dem Pkw zurückgelegt (vgl. Wegener -trennung wird mitunter die fußläufige Er- 1999: 40). Eine international vergleichende reichbarkeit genannt (Wiegand 1973: 5 f. Studie von Dichtewerten in Bezug auf ad- Bretschneider 2007: 19). Fußläufige Er- ministrative Stadtgrenzen benennt eine Ein- reichbarkeit oder zumindest eine NMV- 28

Erreichbarkeit kann bei den in dieser Un- 3.2.1 Funktionsmischung und die tersuchung relevanten Raumeinheiten Theorie der zentralen Orte grob mit einer Mischung auf Stadtteil- bzw. Gemeindeebene gleichgesetzt werden. Weil größere Entfernungen bei speziali- Eine Mischung auf Stadtteilebene bedeu- sierten Funktionen nicht vermieden werden tet also, dass verschiedene Funktionen in- können, ist von besonderem Interesse, wo nerhalb des Stadtteils bzw. der Gemeinde im Raum diese Funktionen angeordnet sind zu finden sind. Es kann jedoch keine Mi- und ob sie – im Sinne der Förderung eines schung von Funktionen aller Spezialisie- verträglichen Verkehrshandelns – mit um- rungen auf jeder Maßstabsebene geben, weltverträglichen Verkehrsmitteln erreicht denn verschiedene Funktionen erfordern werden können. Das heißt, wenn die spe- verschiedene Mindestgrößen um ökono- zialisierten Funktionen nicht mit dem Rad misch oder organisatorisch tragfähig zu erreichbar sind, ist der ÖV das maßgebli- sein (vgl. Christaller nach Krüger 2008: che Verkehrsmittel. Die Theorie der zentra- 82). Die Mindestgrößen geben einen Ein- len Orte von Christaller versucht die Frage zugsbereich vor, innerhalb dessen eine nach der räumlichen Verteilung „wirtschaft- bestimmte Anzahl von Nutzern leben muss licher Aktivitäten“ zu beantworten – wobei (sog. Schwellenbevölkerung). Spezialisier- von einer gleichmäßig im Raum verteilten te Funktionen,12 die entweder selten oder Funktion Wohnen ausgegangen wird (vgl. nur von bestimmten Nutzern aufgesucht Krüger 2008: 77 ff.). Dieser Theorie fol- werden, können aus diesen stadtökonomi- gend, lassen sich Räume nach ihrer funk- schen Gründen nicht so kleinteilig gemischt tionalen Ausstattung hierarchisch in mehr sein wie weniger spezialisierte Einheiten13. oder weniger zentrale Orte einteilen. Als Sie können damit auch nicht von überall zentralen Ort bezeichnete Christaller einen her fußläufig erreichbar sein, stattdessen Standort mit Gewerben, die höhere, d. h. werden andere Erreichbarkeiten relevant. langfristige oder spezialisierte Bedarfe, Entsprechend zeigen empirische Ergeb- decken, eine hohe Reichweite haben und nisse (vgl. BMVBS 2008: 122 f.), dass der daher von einer zentralen Lage profitieren Einkauf des täglichen Bedarfs zum größ- (vgl. Heineberg 2007: 197, Krüger 2008: ten Teil „innerhalb der näheren Umgebung“ 82 f.). Definitionsgemäß versorgen zentra- und zu Fuß oder mit dem Rad erledigt wird, le Orte also nicht nur die lokale Wohnbe- während der Einkauf anderer Bedarfe eher völkerung innerhalb ihrer administrativen im Stadt-, Orts- oder Einkaufszentrum und Grenze. überwiegend mit dem MIV erledigt wird, wobei der ÖV-Anteil dieses Wegezweckes Die Zentrale-Orte-Theorie wurde deduktiv bei Fahrten ins Stadtzentrum noch am entwickelt und basiert auf stark verein- höchsten ist. Innerhalb der geschilderten fachten Annahmen über den Markt und die Abhängigkeiten von Spezialisierung, Grö- handelnden Personen (vgl. Brown 1995: ße und Erreichbarkeitsgrad funktionaler 60), weshalb ihre Gültigkeit immer wieder Einheiten besteht ein gewisser Spielraum diskutiert wird (vgl. ebd. 61). Dennoch ge- der Betreiber und auch der Stadtplanung hört sie mittlerweile zum Grundwissen der im Hinblick auf die Größe funktionaler Ein- Standortgeographie und ist für das Ver- heiten. Sie können sich entsprechend einer ständnis der Raumstruktur in Deutschland tragfähigen Mindestgröße über die Stadt besonders wichtig, weil sie seit den 1960er verteilen oder aber als sehr große Einheit Jahren als Raumentwicklungskonzept nur einmal in der Stadt vertreten sein. Die umgedeutet und „mit Einsatz erheblicher großen Einheiten können dabei – im Fal- öffentlicher Mittel“ (Krüger 2008: 88) geför- le des Einzelhandels – die gesamte Sor- dert wird. So ist sie beispielsweise als pla- timentsbreite anbieten, während kleinere nerischer Grundsatz in der Raumordnung Einheiten auswählen müssen, dafür aber im Raumordnungsgesetz festgeschrieben von den Kunden ohne großen Verkehrs- (§ 2 (2) ROG). Das bedeutet, zentrale Orte aufwand erreicht werden können. entstehen nicht nur aufgrund der ange- nommenen ökonomischen Regeln. Ihre Entwicklung wird vielmehr gezielt plane- risch gelenkt bzw. unterstützt. Auch wenn die zentralen Orte aus pragmatischen Gründen ursprünglich auf Gemeindeebe- 12 Beispiele: Opernhaus, Universität, Rathaus ne definiert wurden (vgl. Heineberg 2007: Unterwasser-Rugby-Ausstatter. 197), gibt es theoretische Arbeiten, die die 13 Beispiele: Sportverein, Grundschule, Arzt für All- gemeinmedizin, Bäcker. 29

Überlegungen der Zentrale-Orte-Theorie tralörtlichkeit differenzieren (z. B. Kager- auf den innerstädtischen Kontext übertra- meier 1997, Motzkus 2002, s. Abschnitt gen (vgl. Brown 1995: 63), so dass zen- 3.5). Empirisch wurde beobachtet, dass trale Orte nicht nur auf Gemeindeebene die Bewohner zentralerer Orte weniger ausgewiesen werden, sondern sich auch in MIV-Aufwand erzeugen und seltener ei- der innerstädtischen Planung wiederfinden nen Pkw besitzen als Bewohner weniger (vgl. z. B. Freie und Hansestadt Hamburg zentraler Orte (vgl. Kagermeier 1997: 163, 1996: 8 ff., STEP Zentren Leipzig 2009) Reutter/Reutter 1997: 21, Motzkus 2002: 511). Dieser Befund ist eine logische Kon- Wenn ein zentraler Ort vom Wohnort aus sequenz des geschilderten Zusammen- mit dem Umweltverbund erreichbar ist, hangs zwischen dem Verkehrsaufwand kann diese Erreichbarkeit ein mangeln- und der Entfernung des Wohnortes zum des Angebot spezialisierter Funktionen auf zentralen Ort. Denn zentralörtliche Funk- den unteren Maßstabsebenen Gemeinde, tionen sind innerhalb der Orte über kurze Block etc. ausgleichen, ohne dass eine Wegestrecken und häufig nicht-motorisiert MIV-Nutzung erforderlich wäre. Die räum- zu erreichen. Dennoch können sich Orte lich abgestufte Hierarchie zentraler Orte gleicher Zentralitätsstufe im Hinblick auf ist theoretisch gut in ein ÖV-Netz zu in- ihre Verkehrswirkungen mitunter stark un- tegrieren, indem die Verkehrsknoten des terscheiden. So ist es beispielsweise für ÖV mitten in zentralen Orten entwickelt die Verkehrsmittelwahl entscheidend, ob werden. Die räumliche Verteilung des Ein- sich Geschäfte in integrierten Lagen oder zelhandels hat sich jedoch in der jüngeren in auf den MIV ausgerichteten Einkaufs- Zeit dahingehend verändert, dass nicht zentren konzentrieren (vgl. BMVBS 2011: mehr ausschließlich die zentralen Orte 20). die verfügbare Angebotsbreite anbieten: Einzelhandelseinrichtungen mit Zentren- 3.2.2 Mischung von Wohnen und sortimenten siedeln sich zunehmend auch Arbeiten in nicht integrierten Lagen an, die Vergrö- ßerung der funktionalen Einheiten zur Ver- Die Mischung von Wohnen und Arbeiten ist sorgung des täglichen Bedarfs führt nicht aus handlungstheoretischer Perspektive etwa zu deren Konzentration in Zentren, in gewisser Weise ein Sonderfall der be- sondern eher zu einer Abwanderung auf schriebenen Funktionsmischung, denn es nicht integrierte Flächen mit guter Pkw-Zu- geht nicht vordringlich um die Erreichbar- gänglichkeit (vgl. Kopischke/Kruse 2012: keit irgendeines Arbeits- oder Ausbildungs- 16, Zakrzewski/Hudetz 2009: 205). Inso- platzes, sondern um einen speziellen fern steht die Zentrenerreichbarkeit in der Arbeitsplatz oder einen speziellen Pool in Tendenz immer weniger für die Erreichbar- Frage kommender Alternativ-Arbeitsplätze. keit der zentralörtlichen Funktion Einzel- Dieser Arbeitsplatz ist im Vergleich zu an- handel. Ähnliches gilt spätestens seit dem deren Gelegenheiten dauerhaft festgelegt, Bau von City-Entlastungszentren wie bei- also nicht so leicht austauschbar wie bei- spielsweise der City-Nord in Hamburg und spielsweise Ziele der Versorgungswege. dem Bedeutungsgewinn dezentral gelege- Der Arbeitsplatz wird außerdem im Nor- ner Gewerbegebiete auch für die Funktion malfall mehrfach in der Woche aufgesucht. Arbeit. Daher ist die Länge des Arbeitsweges ein entscheidender Faktor dafür, wie viele Per- In der Verkehrsforschung geht die Modell- sonenkilometer ein Arbeitnehmer erzeugt. vorstellung einer zentralörtlich geglieder- Die Frage ist also, welche siedlungsstruk- ten Stadtregion in empirische Arbeiten ein, turellen Eigenschaften zu einer hohen in- die untersuchen, ob eine poly- oder mo- dividuellen Wahrscheinlichkeit kurzer oder nozentrische Struktur verkehrsmindernd verträglich zu überwindender Arbeitswege wirkt. Dabei bezieht sich die Bezeichnung führen. Polyzentralität häufig auf das Vorhanden- sein mehrerer Zentren erster Ordnung In der Literatur wird diesbezüglich eine Mi- (Oberzentren), so dass diese Erkenntnisse schung von Wohnen und Arbeiten gefor- für die vorliegende Raumeinteilung nicht dert, die eindeutig quantifiziert wird: Das relevant ist, weil der Focus auf monozen- Verhältnis von Arbeitsplätzen (Beschäftigte trischen Stadtregionen liegt (vgl. Kapitel am Arbeitsort) und Beschäftigten am Wohn- 4). Es gibt aber auch Untersuchungen, die ort (Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis innerhalb von Stadtregionen nach Zen- 30

oder Arbeitsplatzdichte14) soll 1 betragen entwickelt haben. Als Ursachen werden (vgl. Holz-Rau/Kutter 1995: 57). Dies wird u. a. eine zunehmende Entfernungsun- damit begründet, dass ein Ungleichverhält- empfindlichkeit bei Arbeitswegen und eine nis zwischen Arbeitsplätzen (A) und Be- räumliche Ausdünnung der Arbeitsangebo- schäftigten (B) zugunsten der Arbeitsplätze te aufgrund steigender Spezialisierung auf (A > B) zwangsläufig eine Mindestzahl von dem Arbeitsmarkt genannt (ebd. 59). Dies Einpendlern aus anderen Räumen bedeu- verdeutlicht die Grenzen der Wirkung von tet. Eine geringere Zahl an Arbeitsplätzen kleinteiliger Mischung von Arbeiten und (A < B) bedeutet dagegen, dass Personen Wohnen auf das Verkehrshandeln von Be- auspendeln müssen (vgl. Holz-Rau/Kutter rufstätigen. 1995: 58). Bei einem Verhältnis zwischen Beschäftigten und Arbeitsplätzen von 1 Die räumliche Maßstabsebene der zitierten würde im Idealfall jeder berufstätige Be- Untersuchung ist die Gemeinde bzw. die wohner einer Raumeinheit dort arbeiten Gesamtstadt. Theoretisch wird als räum- und hätte einen kurzen Arbeitsweg (vgl. liche Maßstabsebene bei der Mischung Wiegand 1973: 43). Dass dieser Idealzu- von Arbeit und Wohnen jedoch die Ge- stand in der Realität nicht erreicht werden meinde oder der Stadtteil vorgeschlagen kann, ergibt sich schon aus der Tatsache, (vgl. Holz-Rau 1997: 73 f.). Gewerbliche dass nicht jede Spezialisierung einer Ar- Nutzungen, von denen „wesentliche Be- beit in jedem Stadtteil oder jeder Gemein- lastungen“ des Wohnumfeldes ausgehen, de angeboten werden kann und dass es sind davon ausgenommen (vgl. Holz-Rau erforderlich ist, verschieden spezialisierte 1997: 74). Für sie fordern also auch Befür- Arbeitsplätze in einer funktionalen Einheit worter einer Funktionsmischung keine fuß- zusammenzufassen. Außerdem leben in läufige Erreichbarkeit. Bei unverträglichen einem Haushalt häufig zwei Arbeitnehmer, Nutzungen sollten daher verträgliche Mög- die beide einen Arbeitsplatz unterschiedli- lichkeiten der Raumüberwindung die Funk- cher Spezialisierung benötigen. Dennoch tionsmischung mit der Funktion Wohnen gibt es einen auf Gemeindeebene empi- ersetzten. Im Hinblick auf das ideale Mi- risch nachweisbaren Zusammenhang zwi- schungsverhältnis von Wohnen und Arbei- schen dem Verhältnis Arbeitsplatzzahl je ten auf Stadtteilebene fehlen empirische Beschäftigtenzahl eines Raumes und dem Erhebungen, in Anbetracht mangelnder durchschnittlichen Verkehrsaufwand je Ar- Daten von Arbeitsplätzen auf Stadtteilebe- beitsverhältnis. Es konnte gezeigt werden, ne ist das nicht verwunderlich. dass bei einem Verhältnis von 1 zwischen Arbeitsplatz- und Beschäftigtenzahl einer Es gibt zwei Gründe dafür, warum das zi- Gemeinde der durchschnittliche Verkehrs- tierte Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis aufwand je Arbeitsverhältnis einer Raum- bzw. sein Idealwert von 1 schlecht dafür einheit am geringsten ist (vgl. Holz-Rau/ geeignet sind, wiederzugeben, wie wahr- Kutter 1995: 58). In der zitierten Untersu- scheinlich es für die Bevölkerung eines chung wurde zudem beobachtet, dass im Stadtteils ist, einen kurzen Arbeitsweg zu Zeitverlauf der Verkehrsaufwand je Ar- haben: beitsplatzverhältnis deutlich zugenommen 1. Der zitierte Wert einer idealen Arbeits- hat, auch in Gemeinden, die eine „ideale platzdichte von 1 ist besonders für die 15 Mischung“ vorweisen konnten oder die funktionale Gliederung der Stadt aus 16 im Zeitverlauf eine bessere Mischung planerischer Sicht relevant. Bei einer Analyse von Räumen aus einem hand- 14 Der Indikator Arbeitsplatzdichte wird je nach lungstheoretischen Blickwinkel müssen beabsichtigter Aussage als Verhältnis der die Ausprägungen des genannten Ver- Arbeitsplätze zur Anzahl der Personen in er- werbsfähigem Alter zu tatsächlich Beschäftigten hältnisses jedoch anders bewertet wer- oder zur Fläche eines Untersuchungsraumes den. Für die Verkehrsentscheidungen verwendet. Die erste Version des Indikators spie- der ortsansässigen Bevölkerung erhöht gelt die Erwerbschancen der Bevölkerung wider, die Anzahl verfügbarer Arbeitsplätze die wenn er auf regionaler Ebene gebildet wird. In der zweiten Version schließt er Personen aus, Wahrscheinlichkeit, einen Arbeitsplatz die im Untersuchungszeitraum nicht arbeiten im Ort zu finden. Gleichzeitig hängt die- (wollen, können oder dürfen) und zeigt daher an, se Wahrscheinlichkeit von der Anzahl wie viele aktuell erwerbstätige Personen theore- erwerbsfähiger Bewohner des eigenen tisch einen Arbeitsplatz an ihrem Wohnort haben könnten, die letzte Version entspricht den Eigen- Stadtteils ab. Im Gegensatz zur plane- schaften der Bevölkerungsdichte. risch negativen Bewertung eines Ar- 15 Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis ist 1. beitsplatz-Beschäftigten-Verhältnisses 16 Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis nähert sich einer Gemeinde größer 1, das für eine im Untersuchungszeitraum 1. 31

hohe Zahl von Einpendlern steht, ist die- der verkehrssparsamen Mischung von ser Wert aus individueller Perspektive Arbeiten und Wohnen auf Stadtteilebe- nicht unbedingt negativ zu bewerten. ne vorzuziehen. Denn bei einer Arbeitsplatzdichte grö- ßer 1 erhöht sich die Wahrscheinlichkeit Aus diesen Überlegungen können drei eines kurzen Arbeitsweges für den Be- siedlungsstrukturelle Eigenschaften abge- wohner der jeweiligen Gemeinde. Bei ei- leitet werden, die die Wahrscheinlichkeit nem Wert weit über 1 ist jedoch denkbar, erhöhen, einen kurzen bzw. verträglich dass andere wohnungsnahe Funktionen zu überwindenden Arbeitsweg zu haben. in dem von Arbeitsplätzen geprägten Welche dieser Eigenschaften besonders Raum fehlen, so dass der Arbeitsweg relevant ist, hängt von der Art des Arbeits- zwar potenziell kurz ist, dafür aber ande- platzes ab: re Wege aus dem Raum herausführen 1. Für wenig spezialisierte und häufig im müssen. Untersuchungsraum vorkommende Ar- 2. Auf regionaler Ebene spiegelt das beitsplätze ist eine Mischung auf Stadt- Verhältnis von Arbeitsplätzen zu Per- teil bzw. Gemeindeebene ideal, die sonen im erwerbsfähigen Alter die weitgehend einer NMV-Erreichbarkeit „Erwerbschancen“, also die Wahr- entspricht. Beispiele für entsprechen- scheinlichkeit einen Arbeitsplatz in der de Gelegenheiten sind Friseursalons, Region zu finden, wieder, weil die Er- Hausarztpraxen oder Einzelhandels- werbsfähigen um die Arbeitsplätze kon- einrichtungen des täglichen Bedarfs. kurrieren (vgl. ReGenesis 2014). Das Hierzu zählen auch die Gelegenheiten Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis für Pflichtaktivitäten kleiner Kinder (Kita, steht analog für die Wahrscheinlichkeit Grundschule), für die besonders kurze eines Beschäftigten, einen Arbeitsplatz Distanzen gefordert werden.18 in der betrachteten Raumeinheit zu fin- 2. Mit dem Wohnen unverträgliche funktio- den. Im innerstädtischen Kontext stellen nale Einheiten können nur von wenigen jedoch nicht nur die Beschäftigten der Wohnungen aus fußläufig erreichbar betrachteten Raumeinheit, also des ei- sein, sonst würden viele Personen be- genen Stadtteils, eine Konkurrenz um einträchtigt. Die Standorte unverträg- die Arbeitsplätze dar, sondern auch die licher funktionaler Einheiten sollten Erwerbsfähigen benachbarter Stadtteile stattdessen mit dem ÖPNV oder dem (z. B. in Radentfernung), denn der Raum- Rad verträglich erschlossen sein. widerstand zwischen Stadtteilen ist aufgrund der geringen Distanzen im Ver- 3. Stark spezialisierte funktionale Einhei- gleich zum Raumwiderstand zwischen ten einschließlich ihrer spezialisierten Regionen gering. So ist anzunehmen, Arbeitsplätze können ebenfalls nicht im- dass auf Stadtteilebene die Wahrschein- mer fußläufig erreichbar sein, auch sie lichkeit, einen Arbeitsplatz innerhalb des sollten daher mit dem ÖPNV erreicht eigenen Wohnstadtteils zu bekommen, werden können. Bei ihnen bietet sich zwar deutlich mit der Anzahl verfügbarer ein zentraler Ort (mit geeigneter Zen- Arbeitsplätze im Stadtteil zusammen- tralitätsstufe) als Standort an, weil dort hängt, aber eher unabhängig von der im aufgrund einer möglichen Konzentration Stadtteil lebenden Konkurrenz (also den von Funktionen die Voraussetzungen Beschäftigten des Stadtteils) ist.17 Es ist für eine gute ÖPNV-Erschließung gege- also unwahrscheinlich, dass die empi- ben sind. Hierzu zählen auch die Gele- risch nachweisbaren Zusammenhänge genheiten für Pflichtaktivitäten größerer auf gesamtstädtischer Ebene auch für Kinder und Studierender, d. h. weiterfüh- die Stadtteilebene gelten. Daher ist die rende Schulen und Universitäten. Eigenschaft räumliche Arbeitsplatzdich- te (Arbeitsplätze je Siedlungsfläche) gegenüber dem Arbeitsplatz-Beschäftig- ten-Verhältnis für die Charakterisierung

18 Das Prinzip „kurze Beine kurze Wege“ schlägt 17 Allenfalls wäre ein Bezug zur Arbeitsplatzkon- sich beispielsweise im Hamburgischen Schulge- kurrenz denkbar, der mithilfe der Bevölkerungs- setz als „altersangemessene“ Entfernung nieder oder Beschäftigtenzahl innerhalb bestimmter (§42, Abs. 7, HmbSG). Wobei ein Urteil in Berlin Reisezeitisochronen bestimmt werden müsste. die altersangemessene Distanz für Grundschüler Der Erkenntnisgewinn dieser recht aufwendigen mit etwa einem Kilometer angibt (Senatsver- und mit vielen Annahmen zu versehenden Maß- waltung für Justiz und Verbraucherschutz Berlin nahme ist jedoch als gering einzuschätzen. 2011). 32

3.2.3 Mischung bei der Versorgung dagegen eine durchschnittliche GFZ des täglichen Bedarfs von nur 0,4, [...] lassen sich nicht mehr alle Erledigungen problemlos ohne Pkw Bei der Versorgung mit Gütern des tägli- erledigen, und die Fußwege der Kinder chen Bedarfs sollte die Maßstabsebene zur Kita und zur Grundschule werden zu der Mischung kleinteiliger als die Stadt- lang“ (Bott 1996: 44, auch Neufert/Kister teilebene sein. Als Schwellenwert für die 2009: 149)19 Verkehrsmittelwahl beim Einkaufsverkehr werden Wege von 500 bis unter 1200 m zu In dem zitierten Nachschlagewerk wer- Versorgungseinheiten genannt (Holz-Rau/ den Angaben gemacht, die einer Bevölke- 20 Kutter 1995: 21, BMVBS 2011: 17, 29 f., rungsdichte von rund 87 Einwohner/ha 34), eine Distanz von 1200 m zur Nahver- entsprechen. Dieser Wert kann also als sorgung wird bereits als „fehlende Nah- Mindestwert und notwendige Bedingung versorgung im Wohngebiet“ interpretiert für die Entstehung kleinteiliger Mischung (BMVBS 2011: 34). Einkaufswege von über interpretiert werden, bei der eine Distanz zwei Kilometern Länge werden zu über 90 von unter 500 m zwischen Wohnort und % mit dem Pkw erledigt, wenn ein Pkw im Versorgungseinrichtung als Zielgröße die- Haushalt verfügbar ist (BMVBS 2011: 29). ser Art von Funktionsmischung erreicht Für den Anteil nicht-motorisierten Verkehrs wird. Er ist größer als der im Abschnitt hat jedoch nicht alleine die Entfernung der „Dichte“ (3.1) zitierte Wert von 35 Einwoh- nächstgelegenen Versorgungseinrichtung ner/ha. Letzerer bezieht sich jedoch auf die Bedeutung, sondern auch die Auswahl- Gesamtstadt, er schließt Freiflächen und möglichkeit und Qualität der Aktivitätsan- größere Gewerbeflächen ein. Die Aussa- gebote innerhalb der näheren Umgebung gen widersprechen sich also nicht. (vgl. Næss 2006: 72, 134). Die Geschossflächenzahl von mindestens Damit sich eine nahräumliche Versorgung 0,8, die zum Erreichen dieser Mindest- entwickeln bzw. halten kann, werden in der dichte erforderlich ist, lässt sich im Ge- Literatur folgende siedlungsstrukturelle Vor- schosswohnungsbau mühelos erzielen, aussetzungen genannt. Nach einer Studie beim Einfamilienhausbau dagegen nur mit des BMVBS benötigt ein Supermarkt heute stark verdichteten Reihen- oder Ketten- einen Einzugsbereich von 3500-6000 Ein- häusern (vgl. Neufert/Kister 2009: 149). wohnern, Dorfläden brauchen mindestens Versorgungseinrichtungen, die kleinteilig 2500 Einwohner (BMVBS 2013: 16 f.). Ein integriert und straßenbegleitend angeord- Nachschlagewerk für Stadtplaner nennt net sind, machen ebenfalls Geschosswoh- ähnliche Zahlen: nungsbau erforderlich. Insofern könnte auch die Bebauungsform als Vorausset- „Modellrechnungen mit verschiedenen zung für Funktionsmischung bezeichnet Dichten zeigen, dass bei dem heutigen und beispielsweise als Anteil an Wohnun- [1996, d. Verf.] Wohnflächenbedarf pro gen im Geschosswohnungsbau gemes- Einwohner in einem reinen Wohnge- sen werden. Dieser Zusammenhang liegt biet erst ab einer Durchschnittsdichte wahrscheinlich auch den amerikanischen von GFZ = 0,8 (bezogen auf das Netto- Studien zugrunde, die traditional neigh- wohnbauland) Quartiere entstehen, bei borhoods von anderen Siedlungsformen denen innerhalb einer Fläche von 75 ha unterscheiden und statistische Abhängig- Bruttobaugebiet über 6500 Einwoh- keiten feststellen (Cao/Mokhtarian/Handy ner wohnen können. Mit 6500 Einwoh- 2009). nern ist eine Quartiersgröße erreicht, bei der zwei Kindertagesstätten, eine 3.3 Nähe zu Zentren Grundschule und eine Ladengruppe un- ter bestimmten Bedingungen (u. a. Er- Wie in Abschnitt 3.2 erläutert wurde, hat reichbarkeit) ‚tragfähig‘ werden können. das Stadtzentrum eine besondere Bedeu- [...] Geht man davon aus, dass die Ver- tung hinsichtlich der Konzentration be- sorgungseinrichtungen innerhalb des Quartiers liegen, entstehen selbst bei exzentrischer Lage des Quartierszen- 19 Der „Neufert“ ist ein verbreitetes Nachschlage- trums und der öffentlichen Einrichtungen werk für Stadtplaner und Architekten zur Bemes- von keiner Wohnung aus größere Entfer- sung ihrer Planungen. Das Zitat befindet sich wörtlich im „Neufert“, allerdings ohne Quellenan- nungen als 500 m zu Schulen, Kita und gabe. Versorgungseinrichtung. Nimmt man 20 6500 Einwohner/75ha Bruttobaugebiet = 86,67 EW/ha. 33

stimmter Arbeitsplätze, Versorgungs- und transport lines. Trips from residence in Kultureinrichtungen und ist somit selbst one suburb to a random destination in Zielort von Wegen. Das gilt besonders für another suburb will thus often on aver- den häufig ausgeübten, aber gleichzeitig age be longer, the further away from the vergleichsweise entfernungsunempfindli- centre the residence is located.” (Næss chen Wegezweck Arbeit (vgl. Næss 2006: 2006: 20 f.). 71) und außerdem für die Versorgung mit Gütern des längerfristigen Bedarfs (Dang- Die Eigenschaft „Nähe zum Oberzentrum“ schat et al. 1982: 153). Empirische Arbei- repräsentiert damit zwei verschiedene Ein- ten zeigen dementsprechend, dass die flussfaktoren auf das Verkehrshandeln: Entfernung zum Oberzentrum der unter- Zum einen steht sie für die allgemeine suchten Stadtregion (z. B. Stadtzentrum Versorgungsqualität eines Wohnstand- von Kopenhagen, Berlin, Hamburg) aber ortes. Hierzu gehören die Erreichbarkeit auch zu Mittelzentren positiv mit der durch- zentralörtlicher Funktionen, insbesondere schnittlichen Wegelänge korreliert (Næss von spezialisierten Versorgungseinrichtun- 2006: 121, Holz-Rau 1997: 55, Dangschat gen und die Arbeitsplätzen. Zum anderen et al. 1982: 149 ff.). Das Oberzentrum be- steht sie für die unspezifische Erreichbar- zeichnet dabei nicht den gesamten Raum keit anderer Orte innerhalb und außerhalb innerhalb der Gemeindegrenzen der be- der Region, indem sie die Anschlussquali- treffenden Stadt, sondern tatsächlich das tät an das überörtliche ÖV-Netz und eine geografisch/funktionale Zentrum das auch gute ÖPNV-Verbindungsqualität zu Orten central business district oder Stadtkern ge- innerhalb der Region wiedergibt. In Abstu- nannt wird. Mittelzentren bezeichnen hier fungen gelten diese Überlegungen auch ebenfalls alle funktionalen lokalen Zentren für untergeordnete Zentren, wobei hier die auf mittlerer Ebene, auch diejenigen auf Versorgungsfunktion überwiegt und die dem Stadtgebiet (also z. B. Bezirkszen- Anschlussqualität an das überörtliche Ver- tren) und nicht nur die administrativ als Mit- kehrsnetz zumindest im Stadtgebiet nicht telzentrum klassifizierten Gemeinden. Mit unbedingt über Verkehrsknoten in Bezirks- steigender Entfernung zwischen Mittelzen- zentren führt. Bei den lokalen Zentren ist trum und Oberzentrum nimmt die durch- davon auszugehen, dass der Raderreich- schnittliche Wegelänge wieder ab (vgl. barkeit ergänzend zur ÖV-Erreichbarkeit Motzkus 2002: 509, Næss 2006: 137). Die- eine größere Bedeutung zukommt. se Beobachtung wird damit erklärt, dass die vom Oberzentrum entfernt liegenden 3.4 Freiraumqualität Mittelzentren aufgrund ihrer schlechteren Verbindungsqualität dorthin vielfältigere Auch die Freiraumqualität wird als ver- Angebote halten können als vergleichbare kehrssparende Eigenschaft von Sied- Zentren nahe dem Oberzentrum. Das be- lungsstruktur angeführt. Freiraum ist dabei wirkt wiederum, dass diese Mittelzentren nicht nur im ländlichen Raum zu finden, es einige Funktionen des Oberzentrums über- gibt auch innerstädtische Freiräume wie nehmen, so dass in ihrem Einzugsbereich Parks und Spielplätze (vgl. Næss 2006: weniger Wege ins Oberzentrum anfallen 202 ff.). Auch der Straßenraum und städ- als im Einzugsbereich nahe dem Ober- tische Plätze sind Freiraum. Sie können zentrum gelegener Mittelzentren. Auf We- zur Erholung genutzt werden oder haben gelängen der Versorgung mit Gütern des im Sinne einer ästhetischen Verbindungs- täglichen Bedarfs hat die Entfernung zum qualität Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl Oberzentrum erwartungsgemäß keinen Fuß und Rad (vgl. Kenworthy 1996: 304). Einfluss (vgl. Dangschat et al. 1982: 153). Die Freiraumqualität kann hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Verkehrshandeln in drei Aufgrund seiner Lage und Funktion als Aspekte unterteilt werden: Verkehrsknoten steht das Oberzentrum darüber hinaus stellvertretend für die Er- „„Erreichbarkeit von Freiräumen als reichbarkeit anderer Orte in der Stadtregi- Naherholungsgebiet im Sinne eines on: Ausflugsziels für die Erholung an er- werbsarbeitsfreien Tagen, z. B. Stadt- „The geographical point of gravity of the parks, Wälder, Berge, Flüsse, aber auch suburban workplaces and service facil- private Gelegenheiten zur Erholung im ities is also often situated not far from Freien wie Freizeitparks oder Klettergär- the inner-city area. The inner city is also ten usually the major node for the public 34

„„Ausstattung des Wohnquartiers mit Die Ausstattung des Wohnquartiers mit Ge- Freiräumen für den Aufenthalt im Frei- legenheiten zur Erholung im Stadtteil ist ein en im Alltag, z. B. private Gärten in Aspekt der Funktionsmischung im Sinne Einfamilienhaus-Gebieten, öffentliche der Versorgung des täglichen Bedarfs und Spielplätze, Quartiersparks und -plätze erfordert eine entsprechende fußläufige in Mehrfamilienhausgebieten Erreichbarkeit. In Einfamilienhaus-Gebie- ten ist diese Mischung sehr kleinteilig auf „„Qualität des Straßenraumes / öffentli- Grundstücksebene gegeben. Daher ist für chen Raumes als Kennzeichen hoch- diese Gebiete die Distanz zu öffentlichen wertiger Verbindungsqualität für den Naherholungsflächen für den täglichen Be- nicht-motorisierten Verkehr darf weniger relevant als in Gebieten mit Bei den ersten beiden Aspekten gelten Wohnungen ohne private Grünflächen. In im Wesentlichen die in der Diskussion Einfamilien- und Mehrfamilienhaus-Ge- der Funktionsmischung dargelegten Zu- bieten müssen somit die Kriterien für die sammenhänge. Freiräume können in die- Bewertung des Freiraums unterschiedlich sem Sinne als eine mehr oder weniger sein: In Einfamilienhaus-Gebieten könnte spezialisierte und dimensionierte Gele- eine geringe Siedlungs- oder Bebauungs- genheit interpretiert werden, in der die dichte für große Gärten (also eine hohe Aktivität Erholung ausgeübt werden kann. Qualität des privaten Freiraums), stehen, Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, diese Wirkungsrichtung stünde allerdings dass spezialisierte und zumindest groß der Wirkung von Dichte im Hinblick auf dimensionierte Einheiten selten zentral Funktionsmischung und ÖV-Erschließung liegen und daher auch nicht in gleicher entgegen. In Mehrfamilienhaus-Gebieten Qualität mit dem ÖV angebunden sein ist eine qualitative Bewertung des öffent- können. Selbst besonders zentral gele- lichen Freiraums notwendig, denn ein gene innerstädtische Erholungsflächen, zugeparkter städtischer Platz oder eine wie die Elbstrände oder die Außenalster Grünfläche zwischen befahrenen Straßen in Hamburg, sind mit dem ÖV vergleichs- hat einen nur sehr begrenzten Erholungs- weise schlecht erschlossen (z. B. keine wert. SPNV-Haltestelle in der Nähe). Wege in Von besonderem Interesse für den nah- die Naherholungsgebiete im Umland oder räumlichen Verkehr und die Nutzung des am Stadtrand sind aus der Innenstadt na- NMV ist der dritte Aspekt: der Straßen- türlich weiter als die Wege aus der unmit- raum als linienförmiger Freiraum. In die telbaren Umgebung im Umland dorthin. Untersuchungen gehen (insbesondere Diese Tatsache wird zur Erklärung der in den USA) siedlungsstrukturelle Eigen- größeren Freizeitwegelängen von Bewoh- schaften wie Baujahr des Stadtteils, Stra- nern dichter innerstädtischer Wohngebiete ßenmuster oder das Vorhandensein von im Vergleich zur Umlandbevölkerung her- Gehwegen ein (vgl. Handy 1996, Stead/ angezogen (Lanzendorf 2001: 126, 188). Marshall 2001). Zwar sind nicht alle der in Auf Grundlage der zur Verfügung stehen- den in den Studien formulierten Ansprü- den Ergebnisse ist es jedoch schwierig zu che an eine hohe walkability zur Differen- beurteilen, ob die besonders kurze Anbin- zierung deutscher Stadtregionen sinnvoll, dung an eine Gelegenheit als besonders weil in Deutschland Eigenschaften wie verkehrssparsam gelten muss, weil dann das Vorhandensein von Gehwegen am auf den Besuch entfernterer Gelegenhei- Straßenrand auch in peripher gelegenen ten verzichtet wird, oder ob es günstiger ist, Siedlungen größtenteils gegeben sind. viele Gelegenheiten in mittlerer Entfernung Eine Reihe von den in den USA identifi- zu haben. Außerdem wäre interessant zu zierten Ansprüchen an einen Freiraum, wissen, welche Gelegenheiten welche Be- der die nicht-motorisierte Fortbewegung deutung für wen haben. Es ist zu erwarten, fördert (vgl. Handy/Cao/Mokhtarian 2006: dass es Unterschiede hinsichtlich der Nutz- 63), deckt sich aber mit den Ergebnissen barkeit als Erholungsraum gibt zwischen einer qualitativen Untersuchung zum Fuß- Naturschutzgebieten, landwirtschaftlich verkehr in Berlin (vgl. Deffner 2009: 233, genutzten Flächen mit öffentlichen Wegen, 237 f.), nämlich: Dörfern an der Küste, privaten Einrichtun- gen wie Freizeitparks, Golfplätzen, Kletter- „„gute nahräumliche Versorgung (distance gärten oder Reiterhöfen. to potential destinations) „„abwechslungsreiche Gestaltung (attrac- tiveness) 35

„„sichere, barrierefreie Infrastruktur für über hinaus ist die ÖV-Erreichbarkeit als den NMV (Gehwegbreiten, wenig Stö- komplementäre Ergänzung zu nahräumli- rung durch ruhenden und fließenden cher (NMV-)Erreichbarkeit zu sehen, weil Verkehr, keine Angsträume durch vom nicht alle benötigten Gelegenheiten mit Straßenverkehr entkoppelte Fußwege- einem der beiden Verkehrsmittel erreich- führung) (safety, physical activity opti- bar sind. Die MIV-Erreichbarkeit kann da- ons) gegen die nahräumliche Erreichbarkeit in bestimmten Fällen vollständig ersetzen. „„Belebtheit (socialising) Während die vorgenannten Faktoren pri- Einige dieser Anforderungen stehen in Zu- mär Einfluss auf die Wegelänge, also den sammenhang mit den anderen bereits er- Verkehrsaufwand, ausüben, beeinflusst die läuterten Einflussfaktoren: So ergibt sich ÖV-Erreichbarkeit primär die (kurzfristige) eine belebte Straße nicht ohne Siedlungs- Verkehrsmittelwahl insbesondere für wei- dichte (s. Abschnitt 3.1), große Gehweg- tere Wege, darüber hinaus die mittelfristi- breiten sind aus ökonomischen Gründen gen Entscheidungen über den Pkw-Besitz. nur bei hoher baulicher Dichte zu realisie- Die ÖV-Erreichbarkeit ist keine Qualität an ren (wenn auch in dichten, gründerzeitli- sich, sondern entfaltet vor allem in Verbin- chen Gebieten die Gehwege häufig schmal dung mit erreichbaren Zielen eine Wirkung sind). Aspekte der Bebauungsstruktur sind auf das Verkehrshandeln. Daher nimmt sie in der Hinsicht relevant, als vom Straßen- eine Sonderrolle unter den auf das Ver- verkehr entkoppelte Gehwege (häufig kehrshandeln wirkenden siedlungsstruktu- durch halböffentliche, eher monotone Frei- rellen Eigenschaften ein. flächen) eher in den Nachkriegsquartieren Zur Untersuchung des Einflusses der der 60er und 70er Jahren zu finden sind ÖV-Erreichbarkeit auf das Verkehrshan- und die Qualität eines breiten Gehweges deln werden verschiedene Indikatoren bei hoher Dichte und hoher MIV-Belastung verwendet. Einer der einfachsten ist die der Straße stark geschmälert wird. Die Entfernung der Wohnung zu einer SPNV- „nahräumliche Versorgung“ ist deckungs- Haltestelle oder auch die Haltestellen- gleich mit dem beschriebenen Teilaspekt dichte eines Raumes. Damit wird u. a. der Funktionsmischung (s. Abschnitt nachgewiesen, dass im Umland weniger 3.2.3). Die Eigenschaften „abwechslungs- MIV-Kilometer erzeugt werden, wenn der reiche Gestaltung“ und „sichere barriere- Wohnort in der Nähe eines Schienenhalte- freie Infrastruktur“ stehen dagegen alleine. punktes oder eines Zentrums liegt (Næss Sie auf Gemeindeebene für eine Stadtregi- 2006: 69). Außerdem begünstigt die Nähe on abzubilden ist allerdings schwierig. Zum von Stadtbahnhaltestellen den Pkw-Ver- Einen liegen entsprechende Daten nicht zicht (Reutter/Reutter 1997: 24). flächendeckend für die Region vor und müssten mithilfe einer Primärerhebung ge- Auch wenn die Haltestellen für ÖV-Nut- neriert werden. Zum anderen ist die Raum- zer als Zugangspunkte zum ÖV-System einheit Gemeinde/Stadtteil in vielen Fällen relevant sind, bilden sie nicht ab, ob das zu grob um die genannten Eigenschaften ÖV-Angebot für eine Alltagsnutzung aus- sinnvoll abzubilden. reichend ist. Ein für die Alltagsnutzung aus- reichendes Angebot sollte es ermöglichen, 3.5 (ÖV-) Erreichbarkeit Alltagsziele in einer angemessenen Zeit und tagsüber relativ spontan zu erreichen. Ähnlich wie der Pkw-Besitz für den MIV, Die Faktoren, die notwendig sind, um dies ist das wohnungsnahe ÖV-Angebot eine zu beurteilen, sind Reisezeit, Umsteige- notwendige Bedingung für die Nutzung häufigkeit und Takt. Eine noch bessere des ÖV: Wo keine Linie oder Haltestelle Einschätzung darüber, inwieweit der ÖV ist, stellt er auch keine Mobilitätsalternati- bei der Verkehrsmittelwahl gegenüber dem ve dar – unabhängig von der grundsätzli- MIV oder auch dem Rad eine alltagstaugli- chen Bereitschaft eines Haushaltes, den che Wahlmöglichkeit darstellt, ermöglichen ÖV zu nutzen. Während bei Pkw-Besitz Indikatoren, die weitere Eigenschaften des die Kaufentscheidung individuell getroffen ÖV und die Qualität und Anzahl erreichba- wird, kann das ÖV-Angebot eine Raumes rer Ziele einbeziehen (vgl. Wegener/Fürst nicht individuell angepasst werden. Es be- 1999: 33). Eine systematische Darstellung steht lediglich die Möglichkeit, den eigenen verschiedener Messkonzepte der Erreich- Wohnstandort zu verändern, um an einem barkeit ist bei Geurs/van Wee (2004) zu besser ausgestatteten Ort zu wohnen. Dar- finden. Im Hinblick auf das Ziel, Räume zu 36

charakterisieren, die ihren Bewohnern die sierten oder mit dem Wohnen unverträgli- Möglichkeit geben, ihren Alltag verkehrs- chen Arbeitsplatzgelegenheiten oder auch sparsam zu bewältigen, ist es sinnvoll, die von großen Freiräumen abzubilden. ÖV-Erreichbarkeit der in den vorangegan- genen Abschnitten diskutierten Ziele zu Die Verbindungsqualität zwischen den messen. Dies sind einzelne Gelegenheiten definierten Quellen und Zielen wird unter- zur Versorgung und Naherholung, Arbeits- schiedlich charakterisiert, je nachdem um plätze und Zentren. welches Verkehrsmittel es sich handelt und welchen Schwerpunkt die Analyse hat. Für In der Literatur werden drei Möglichkeiten den MIV gilt vereinfacht: Das Erreichen ei- der Erreichbarkeitsmessung unterschie- nes Zieles ist umso verträglicher, je gerin- den, bei der Ziele einbezogen werden (vgl. ger die zurückgelegte Entfernung mit dem Schwarze 2005: 13 ff, Geurs/van Wee MIV ist.21 Insofern liegt es auf der Hand, 2004: 133 f.). MIV-Erreichbarkeiten mit Straßenkilome- tern darzustellen. Die Reisezeit ist zwar „„Reiseaufwandsindikatoren: Sie zeigen aus individueller Sicht eine wichtigere Ei- die Verbindungsqualität zu Einzelzielen genschaft der Verbindungsqualität, sie ist an und eignen sich daher für die Abbil- aber nicht direkt für die Verträglichkeit der dung der Erreichbarkeit von Zentren Verbindung relevant. Dies gilt zwar grund- (angewendet z. B. bei Chen/Gong/ sätzlich auch für den ÖV, jedoch gibt es Paaswell 2008: 291, Næss 2006a: 129). wichtige Gründe dafür, beim ÖV dennoch „„Reisebudgetindikatoren: Sie geben an, die Reisezeit als Kenngröße zu verwen- wie viele Gelegenheiten innerhalb einer den. Bei der statischen Betrachtung des vorgegebenen Zeit erreichbar sind und ÖV-Angebotes werden die ÖV-Kilometer eignen sich daher für die Abbildung unabhängig von der konkreten individuel- der Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, len Nutzung erzeugt, so dass keine ÖV- Versorgungs- oder Freizeitgelegen- Fahrzeugkilometer vermieden werden, heiten (angewendet z. B. bei Parsons, wenn eine konkrete ÖV-Verbindung eine Brinckerhoff 1994, nach Ewing/Cervero geringere Distanz aufweist als eine an- 2001). dere. Daher trägt der ÖV vor allem dann zur Verträglichkeit des Verkehrs bei, wenn „„Potenzialindikatoren: Diese sind ab- eine Person ihn anstelle des MIV als Ver- strakte Größen, die die Anzahl erreich- kehrsmittel wählt. Ob dabei eine weitere barer Gelegenheiten mithilfe einer oder kürzere ÖV-Route gewählt wird, ist Raumwiderstandsfunktion gewichten, sekundär. Der ÖV wird jedoch nur dann so dass keine Reisezeit vorgegeben gewählt, wenn die Verbindung bestimmten werden muss. Stattdessen muss ein Ansprüchen hinsichtlich der Reisezeit und Potenzialindikator kalibriert werden, Bequemlichkeit genügt, dass heißt, der da es für die benötigten Koeffizienten subjektiv wahrgenommene Raumwider- keine allgemeingültigen Werte gibt (vgl. stand muss dem verfolgten Wegezweck Schwarze 2005: 26, Steierwald/Künne/ angemessen sein, sonst ist das Ziel sub- Vogt 2005: 275, Scheiner 2008: 17). jektiv gesehen nicht mit dem ÖV erreich- Für die Berechnung der Indikatoren müs- bar, auch wenn die Distanz möglicherweise sen Verbindungsqualitäten zwischen gering ist. Die übliche Kenngröße, mit der Quell- und Zielorten bestimmt werden. Das dieser wahrgenommene Raumwiderstand ist bei einer großen Zahl an Quellen und im ÖV abgebildet wird, ist die empfundene Zielen unter Einbeziehung von Reisezeit, Beförderungszeit (vgl. FGSV: 46 ff.): Takt und Umsteigehäufigkeit nur mithilfe eines Verkehrsmodells möglich. Ein re- gionales Verkehrsmodell kann aufgrund ݖ݁݅ݐ ൌݏݑ݊݃ݎ݁݀ݎÚ݂݁ܤ݌݂ݑ݊݀݁݊݁݉݁ der Größe seiner Verkehrszellen keine ఉ ݐ݄݁݅݃݁¡ݑ݂݅݃݇݁݅ݐ ൅ ͲǤͷܶܽ݇ݐݏܷ݊ ןݐ݁݅݃݁ݖ݁݅ݐሻ൅ݏܷ݉ ݖ݁݅ݐሺ݈݅݊ܿǤݎ݄ܽܨ nahräumlichen Erreichbarkeiten abbilden und ist somit zur Messung der nahräum- ఉ ݐ݄݁݅݃݁¡ݑ݂݅݃݇݁݅ݐ ൅ ͲǤͷܶܽ݇ݐݏܷ݊ ןݐ݁݅݃݁ݖ݁݅ݐ ሻ൅ݏܷ݉ ,-ݖ݁݅ݐ von ሺ݈݅݊ܿǤVersorgungsݎ݄ܽܨlichen Erreichbarkeit Erholungs- oder Arbeitsgelegenheiten ungeeignet. Stattdessen lässt sich hier die Gelegenheitsdichte oder Luftlinienent- fernung verwenden. Ein stadtregionales 21 Eine Berücksichtigung unterschiedlicher zulässi- Verkehrsmodell eignet sich jedoch gut, die ger Geschwindigkeiten, Stopps bei Lichtsignal- Erreichbarkeit von Zentren, von speziali- anlagen oder Abbiegevorgängen würde hier zu sehr ins Detail führen. 37

Der Gewichtungsfaktor α „bestraft“ Umstie- 3.6 Zusammenfassung und ge indem er für jeden Umstieg die empfun- Zwischenfazit dene Reisezeit verlängert. Die tatsächliche Umsteigezeit (Wartezeit und Weg) ist in der In der Diskussion der einzelnen siedlungs- vom Verkehrsmodell kalkulierten Reisezeit strukturellen Eigenschaften wurden ihre bereits enthalten. Das heißt α spiegelt nur Wirkungsrichtung, ihre jeweilige Bedeutung den Komfortverlust bei Verbindungen mit und gegenseitige Bedingtheit offengelegt. Umstiegen gegenüber Verbindungen ohne In Tabelle 2 sind diese Erkenntnisse zu- Umstiege wider. Wenn der Faktor β Werte sammengefasst. Es wird dabei ausschließ- zwischen 0,5 und 0,9 annimmt, sorgt er da- lich die räumliche Ebene betrachtet, denn für, dass bei einem dünnen Takt eine rea- es geht darum, Räume zu identifizieren, listische Startwartezeit einkalkuliert wird. die bestimmte Handlungsweisen ermögli- Beispielsweise geht man davon aus, dass chen, unabhängig davon, inwieweit diese es unwahrscheinlich ist, bei einem stündli- Möglichkeiten in der konkreten klassifizier- chen Takt mehr als 30 Minuten zu warten, ten Raumeinheit von seinen Bewohnern weil man sich vor der Fahrt über die Ab- tatsächlich genutzt werden. Die einzelnen fahrtszeiten informiert. Je höher α und β Merkmale in Tabelle 2 werden in der Wei- angesetzt werden, desto stärker mindern se abgegrenzt, dass der Bedeutung von Umsteigenotwendigkeiten und ein geringer Einzelaspekten für die verkehrssparsame Takt die Verbindungsqualität. Organisation des Alltags zwar Rechnung getragen wird, die Wirkungen sich jedoch nur insoweit überschneiden, als dass die „Überrepräsentation“ dieser Wirkung im Ensemble der anderen als Abgrenzungs- kriterien der Raumtypen fungierenden Ei- genschaften inhaltlich zu vertreten ist.

Tabelle 2: Siedlungsstrukturelle Eigenschaften und ihre Wirkung auf das Verkehrshandeln.

Siedlungsstrukturelle Wirkung Steht gleichzeitig für Teilaspekte Eigenschaft anderer Merkmale hohe Siedlungsdichte Wirkt vorwiegend indirekt als Voraussetzung für an- Bebauungsform im Sinne der Möglich- dere Merkmale, insbesondere Funktionsmischung, keit straßenbegleitender Geschäfte, Haltestellendichte. Parkdruck, Belebtheit des öffentlichen Raumes. hohe Versorgungsdichte Reduziert Distanzen von Versorgungswegen Beide Eigenschaften überschneiden (täglicher Bedarf) (täglicher Bedarf), erhöht die Wahrscheinlichkeit sich in der Weise, dass Gelegenheiten nicht-motorisierte Verkehrsmittel für diese Wege zu der Versorgung (einschließlich Ge- nutzen. legenheiten für Pflichtaktivitäten von Kindern wie Schulen oder Kitas) gleich- (räumliche) Arbeitsplatzdichte Erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bewohner zeitig Arbeitsgelegenheiten sind. Umge- einen kurzen Arbeitsweg hat. kehrt gilt dies nicht immer. Arbeitsplatzerreichbarkeit Erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bewohner Steht auch für die Erreichbarkeit von (Umweltverbund) seinen Arbeitsplatz mit dem Umweltverbund er- Gelegenheiten allgemein. reicht. Erreichbarkeit funktionales Ermöglicht zentralörtliche Funktionen erster Ord- Erreichbarkeit anderer Orte in der Oberzentrum (ÖV) nung verträglich zu erreichen, sichert Anschluss an Stadtregion z. B. auch entfernte Nah- öffentlichen Fernverkehr (Bahn, Bus). erholungsmöglichkeiten, spezialisierter, verträglicher Arbeitsplätze. Erreichbarkeit lokales Zent- Ermöglicht zentralörtliche Funktionen mittlerer Ord- Steht auch für den Anschluss an das rum (ÖV) nung verträglich und in allen Lebenslagen (Alter, ÖV-System allgemein. Krankheit) zu erreichen. Erreichbarkeit lokales Zent- Ermöglicht einen kurzen und günstigen Weg zu rum (Rad) zentralörtlichen Funktionen mittlerer Ordnung. Erreichbarkeit großer Naher- Erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Freizeitgestal- holungsgelegenheiten (Um- tung an erwerbsfreien Tagen den Umweltverbund zu weltverbund, MIV) nutzen oder wenig MIV-Kilometer zurückzulegen. Dichte von Freiflächen für Mindert die Zahl weiterer Freizeitwege, weil die den täglichen Bedarf (Gärten, Möglichkeit der Erholung nahräumlich gegeben ist. kleine Plätze) linienförmiger Freiraum Fördert die Fortbewegung mit dem nicht-motorisier- ten Verkehr. Quelle: eigene Darstellung. 38

Für die Erreichbarkeit lokaler Zentren wer- er nie vermutet worden wären; etwa im den zwei Eigenschaften unterschieden. „Abstandsgrün“ einer in Zeilenbauweise Für diese Zweiteilung spricht, dass der ÖV errichteten Siedlung, in dem viele Vögel im Umland teilweise kaum alltagstauglich zu beobachten sind – direkt hinter einer ausgestaltet ist, die räumliche Nähe zum Kreuzung von Hauptverkehrsstraßen oder Zentrum aber durchaus eine Rolle für den einem sehr kleinen Spielplatz am Straße- erzeugten Verkehrsaufwand spielt und da- nende. Die linienförmige Freiraumqualität her berücksichtigt werden sollte. Rader- ist zwar bei der Wahl des NMV relevant, reichbarkeit in die ÖV-Verbindungsqualität noch wichtiger aber sind kurze Distanzen, zu integrieren ist keine Option, weil das Rad die die NMV-Nutzung überhaupt erst er- nur für ausgewählte Nutzergruppen den möglichen. Diese sind in den einbezoge- ÖV ersetzten kann. Für Kinder, Alte und nen Merkmalen enthalten. Kranke ist das Rad nicht unbedingt eine Wahlmöglichkeit. Die gewählte Lösung, Bei der Erreichbarkeit „großer“ Freizeitge- Raderreichbarkeit als eigenen Indikator legenheiten stellt sich die Frage, welche zu berücksichtigen, soll dazu führen, dass Gelegenheiten relevant sind, sich ggf. er- Nachbargemeinden von Zentren trotz ihres setzen und ob sich eine entsprechende möglicherweise schlechten ÖV-Anschlus- Erreichbarkeit überhaupt dazu eignet, die ses als verkehrssparsamer eingestuft wer- Raumtypen zu differenzieren. Um an einem den als Gemeinden, von denen aus jedes erwerbsarbeitsfreien Tag einen Ausflug zu Ziel weit ist. Durch die Verwendung von machen, sind in Hamburg beispielsweise zwei Merkmalen erhält die Erreichbarkeit die Alster, der Stadtpark, das Elbufer oder lokaler Zentren ein höheres Gewicht und die Fischbeker Heide von überall her über gleicht damit aus, dass sich die Erreichbar- relativ kurze MIV-Distanzen und auch mit keit des Oberzentrums ebenfalls deutlich in dem ÖV zu erreichen. Bei Gemeinden im zwei Merkmalen wiederfindet: „Erreichbar- Umland ist dies sicherlich weniger der Fall, keit des Oberzentrums“ und „Arbeitsplat- dafür liegen dort landwirtschaftlich genutz- zerreichbarkeit“. te Flächen gleich neben den Siedlungen, außerdem haben viele Wohnungen private Bis auf die linienförmige und nahräumliche Gärten. Ab wann ersetzt diese Konstellati- Freiraumqualität eignen sich alle genann- on nun einen Naturpark oder andere Frei- ten Merkmale dazu, auf der Maßstabse- zeitgelegenheiten? Nach den vorliegenden bene Stadtteil/Gemeinde abgebildet zu Daten bzw. dem aktuellen Stand der For- werden. Für die beiden Ausnahmen müs- schung ist es also nicht möglich, fundiert sten Primärdaten generiert werden, deren Indikatoren zur Wirkung von Freiraumqua- Erhebung für eine ganze Stadtregion sehr litäten auf Stadtteil oder Gemeindeebene aufwendig wären. Darüber hinaus ist es zu entwickeln, ohne zusätzliche, umfang- gerade in Bezug auf die Freiraumqualität reiche Analysen durchzuführen. Daher besonders schwierig, von beobachtbaren wird auf die Einbeziehung dieser Merkmale Kriterien auf den subjektiven, handlungs- verzichtet. Im Falle der Erreichbarkeit von beeinflussenden Raum zu schließen (vgl. Freizeitgelegenheiten an erwerbsarbeits- Ewing/Handy 2009). Beispielsweise sehen freien Tagen betrifft dies ohnehin einen im viele Befragte der im übergeordneten Pro- Vergleich zum Wegezweck „Arbeit“ oder jekt erfolgten qualitativen Erhebung zum „Besuch bei Freunden oder Verwandten“ Verkehrshandeln besondere nahräumliche eher seltenen Wegezweck. Freiraumqualitäten, wo sie vom Interview- 39

4 Bildung von Raumtypen

In diesem Kapitel werden die Überlegun- genschaft ist im vorliegenden Problemfeld gen und Bearbeitungsschritte dargestellt, besonders wichtig, weil gute Werte be- die notwendig sind, um den theoretisch- stimmter Eigenschaften schlechte Werte idealtypisch identifizierten Katalog rele- anderer Eigenschaften ausgleichen kön- vanter siedlungsstruktureller Merkmale nen. So kann beispielsweise eine geringe (Tabelle 2) als Kriterien für eine Typisie- Dichte bei sehr guter Nahversorgungs- und rung der einzelnen Raumeinheiten einer Erreichbarkeitsqualität durchaus verkehrs- Stadtregion zu nutzen. Als Anwendungs- sparsam sein, eine gute Raderreichbarkeit beispiele dienen die Stadtregionen Ham- von Zentren kann in gewissem Maß eine burg und Leipzig, deren Auswahl und schlechte ÖV-Erreichbarkeit ausgleichen. äußere Abgrenzung sich aus dem über- geordneten Projektzusammenhang ergibt. Eine Clusteranalyse ist ein statistisches Sie stehen für monozentrische Stadtre- Verfahren. Normalerweise ist der Grund gionen verschiedener Größe in West- und für die Wahl eines statistischen Verfah- Ostdeutschland. Für jede hat das BBSR rens, subjektive Einflüsse bei der Klassi- eine Wohnungsmarktregion definiert, die fizierung weitgehend auszuschließen. In als äußere Abgrenzung der jeweiligen Re- der Clusteranalyse sind vom Forschenden gion dient. jedoch eine Reihe von Entscheidungen zu treffen, die nicht eindeutig durch das Ver- Ziel der Raumeinteilung ist es, die einzel- fahren vorgegeben werden und somit sub- nen Raumeinheiten (Stadtteile und Ge- jektiv beeinflusst oder zufällig sein können. meinden) zu Raumtypen zu gruppieren, Diese Entscheidungen betreffen die Wahl die sich von einander deutlich unterschei- des Clusteralgorithmus und des Distanz- den, zugleich sollen die Unterschiede in- maßes sowie die Auswahl, Aufbereitung nerhalb eines Raumtyps möglichst gering und die damit einhergehende Gewich- sein. Als typenbildendes Verfahren wird die tung der Variablen (vgl. Schendera 2010: Clusteranalyse gewählt. Die Gruppenein- 11 ff.). Während die Bedeutung und Vor- teilung erfolgt in der Clusteranalyse induk- auswahl relevanter Kriterien in den voran- tiv auf Grundlage der empirischen Struktur gegangenen Kapiteln ausführlich erläutert der Daten. Dies ist bei der hier vorzuneh- wurden, zeigt dieses Kapitel, wie die Clu- menden Raumeinteilung notwendig, da in steranalyse durchgeführt wird und wie die Bezug auf die meisten identifizierten Merk- einzelnen siedungsstrukturellen Merkmale male exakte Kennwerte für eine deduktive operationalisiert werden, um für eine Clu- Definition und Zuordnung von Raumtypen steranalyse geeignete Variablen zu erhal- fehlen (vgl. Kapitel 3). Eine Clusteranaly- ten. Abbildung 3 gibt einen Überblick über se erlaubt es außerdem, alle als relevant die einzelnen Durchführungsschritte, die in identifizierten und messbaren Eigenschaf- Anlehnung an den von Backhaus (2008: ten der Untersuchungsobjekte gleichzeitig 445) empfohlenen Ablauf einer Cluster- in der Gruppenbildung zu berücksichtigen analyse konzipiert wurden. In den folgen- (Backhaus et al. 2008: 391). Die Grup- den Abschnitten wird die Clusteranalyse penbildung erfolgt also nicht linear entlang zugunsten der Lesbarkeit ergebnisorien- einer festgelegten Hierarchie der Eigen- tiert vorgestellt, das heißt, die vielen Abwä- schaften, die der ersten klassifizierenden gungen des iterativen Vorgehens werden Eigenschaft unweigerlich das höchste Ge- nicht im Detail ausgeführt. wicht zuweisen würde. Diese Verfahrensei- 40

Abbildung 3: Aufbau der Clusteranalyse

Vorbereitung der Clusteranalyse Theoretisch begründete Auswahl der Indikatoren

Extrahieren von Erkenntnissen aus Theorie und Empirie zur Bestimmung relevanter Indikatoren

Testen der Algorithmen, Standardisierungen, Sensitivität gegenüber Veränderungen Standardisierung/Gewichtung der Variablen

Identifizieren von Ausreißern für verschiedene Merkmalskombinationen

Berechnen von Lösungen für verschiedene Kombinationen von Algorithmus, Distanzmaß, Clusterzahl

Überprüfen der Sinnhaftigkeit der Cluster anhand graphischer Darstellung der Ausprägungen der Cluster in Boxplots in Kombination mit einer räumlichen Darstellung in GIS

Clustereinteilung Auswahl verschiedener Klassifikationsvarianten mit geringen Clusterzahlen (3-5 Cluster) zum Feststellen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden

Generieren einer Klassifikation, die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Klassifikationsvarianten am besten widerspiegelt

Inhaltliche Beschreibung der Raumtypen von Klassifikationsvarianten

Statistisches Überprüfen von Klassifikationsvarianten Prüfen der Klassifikation mit einer Diskriminanzanalyse/Klassifikationsmatrix

Zuordnung von Ausreißern und uneindeutigen Fällen

Quelle: eigene Darstellung.

4.1 Aufbereitung der Variablen

Für die Verarbeitung in der Clusteranalyse wirkt der Unterschied einer Ausprägung müssen die in Abschnitt 3.6 identifizier- um eine Einheit in der Clusteranalyse we- ten siedlungsstrukturellen Merkmale mit niger differenzierend, wenn eine Variable Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines eine größere Streuung hat als eine andere. verträglichen Verkehrshandelns operatio- Üblich sind zwei Verfahren zur Standar- nalisiert werden. Es gilt also Daten aus- disierung, die z-Transformation oder die zuwählen und Variablen zu bilden, die Extremwertnormalisierung. Die Wahl und diese siedlungsstrukturellen Einflüsse für Ausgestaltung des Verfahrens richtet sich die räumliche Abgrenzung „Gemeinde“ nach inhaltlichen und statistischen Aspek- bzw. „Stadtteil“ möglichst gut repräsen- ten (vgl. Bacher 1994: 175). Da die vor- tieren. In den folgenden Abschnitten wird liegenden Variablen schiefe Verteilungen dargestellt, welche Daten in welcher Wei- aufweisen, wird eine Extremwertnormali- se für die Bildung von Variablen verwendet sierung vorgenommen, die im Gegensatz werden. Die Aufbereitung der Daten erfolg- zur z-Transformation unempfindlich ge- te mit Hilfe der Programme ArcGIS (Esri genüber schiefen Verteilungen ist. Bei der 1995-2014) und STATA (StataCorp. 2011). Extremwertnormalisierung wird die empi- rische Verteilung oder ein theoretisch be- Weil die einzustellenden Variablen ver- gründeter Ausschnitt auf Werte zwischen schiedene Einheiten haben, ist es für ihre 0 und 1 projiziert (vgl. Bacher 1994: 175): Verarbeitung in der Clusteranalyse not- wendig, eine Standardisierung vorzuneh- ݖ݁݊݁ݎ݃ݎݐ െ ܷ݊ݐ݁ݎݓ݈ܾ݁݊݁ܽ݅ݎܸܽ men. Jedoch wirkt eine Standardisierung ݐ ൌݎݓ݈ܾ݁݊݁ܽ݅ݎܸܽݎݐ݁ݎ݁݅ݏ݈݅ܽ݉ݎ݋݊ ݖ݁݊݁ݎ݃ݎݖ݁ െ ܷ݊ݐ݁݊݁ݎ݃ݎܾܱ݁ .von Variablen wie eine Gewichtung (vgl ݖ݁݊݁ݎ݃ݎݐ െ ܷ݊ݐ݁ݎݓ݈ܾ݁݊݁ܽ݅ݎܸܽ ݐ Bei gleichen Einheiten ൌݎݓ݈ܾ݁݊݁ܽ݅ݎܸܽݎݐ݁ݎ݁݅ݏ݈݅ܽ݉ݎEveritt 2011: 67).݊݋ ݖ݁݊݁ݎ݃ݎݖ݁ െ ܷ݊ݐ݁݊݁ݎ݃ݎܾܱ݁ 41

Die Ober- und Untergrenzen sind vom gültig ist, sondern eine größere Zeitspan- Forschenden zu festzulegen. Bacher emp- ne, im Idealfall etwa die 20 vergange- fiehlt, die Grenzen theoretisch und nicht nen Jahre, abdeckt. Daher wird für die empirisch zu bestimmen (Bacher 1994: Hamburger Stadtteile der Gebietsstand 183). Dies ist bei vielen der hier verwende- von 2007 angesetzt, außerdem werden im ten Variablen möglich und auch inhaltlich Einzelnen nicht ausschließlich die jüngsten sinnvoll, wie in den Abschnitten 4.1.1 ff. Daten verwendet. verdeutlicht wird. Nach der Normalisierung werden die Variablen so invertiert, dass bei 4.1.1 Siedlungsdichte allen Variablen ein geringer Variablenwert für Verkehrssparsamkeit steht, ein hoher Die Variable Siedlungsdichte wird aus der Wert dagegen für Verkehrsaufwendigkeit. Bevölkerungszahl und einer Kennzahl zur Dieser Schritt ist notwendig, weil in der Siedlungsfläche einer Raumeinheit ermit- Clusteranalyse alle Variablen in die gleiche telt. Für den gesamten Untersuchungsraum Richtung deuten müssen, in der vorliegen- stehen sowohl Daten zur Bevölkerung zur den Arbeit gilt: „je geringer der Variablen- Verfügung, als auch Flächendaten, die in wert, desto verkehrssparsamer“. verschiedener räumlicher Auflösung nach Nutzungen differenzieren: Für die Berechnung von Verbindungs- qualitäten werden vorhandene Verkehrs- „„Corine-Landcover-Daten (2000, 2006) modelle genutzt. In Hamburg ist es das „„Urban-Atlas-Daten (2010/11) Verkehrsmodell des Instituts für Ver- kehrsplanung und Logistik der TU Ham- Im Detail sind die Auffassungen unter- burg-Harburg, in Leipzig wird auf das schiedlich, welche Flächen zur Sied- städtische Verkehrsmodell zurückgegriffen. lungsfläche zu zählen sind. Üblicherweise Folgende Besonderheiten gelten für alle werden neben Flächen offensichtlich ande- mit Hilfe dieser Modelle berechneten Va- rer Nutzung auch Verkehrs- und Wasserflä- riablen: chen ausgeschlossen (vgl. IÖR-Monitor). „„Die Grundeinheit der Verkehrsmodelle Im Falle dieser Arbeit ist es sinnvoll, die sind Verkehrszellen, sie umfassen in Siedlungsfläche eng, d. h. auch ohne Sied- einigen Fällen mehrere Gemeinden, lungsfreiflächen und Gewerbegebiete zu in zentralen Bereichen sind die Ver- definieren, denn es ist Ziel, ein Maß für die kehrszellen häufig kleiner als Stadtteile Bevölkerungskonzentration innerhalb der und häufig nicht deckungsgleich mit für das Wohnen vorgesehenen Flächen zu den administrativen Grenzen. Um die generieren. Diese Bevölkerungskonzen- Werte umzurechnen, wurde für jede tration entscheidet beispielsweise darüber, Verkehrszelle ein Gewichtungsfaktor ob eine fußläufig erreichbare Versorgung gebildet, der den Anteil der in der Ver- flächendeckend möglich ist. Die Einbezie- kehrszelle befindlichen Siedlungsfläche hung großflächiger Industrie und Gewer- an der Siedlungsfläche des interessie- begebiete, Versorgungsflächen oder auch renden Stadtteils (bzw. der Gemeinde) Freiflächen wie z. B. große Parks würden beschreibt. So erhielten die Werte von die Werte kleinräumiger Dichte auf Stadt- Verkehrszellen, die für einen großen Teil teilebene stark herabsetzen, obwohl in den der Siedlungsfläche stehen, ein entspre- angrenzenden Wohngebieten tatsächlich chendes Gewicht im Gesamtwert. eine hohe Dichte mit den interessierenden Wirkungen herrscht. Daher werden zur „„Um eine möglichst große Ausdifferenzie- Ermittlung der Siedlungsdichte nur die für rung der ÖV-Erreichbarkeitsindikatoren das Wohnen vorgesehenen Flächen zur zu erhalten, wurden die Gewichtungs- Siedlungsfläche gezählt. Bei der Auswahl faktoren mit und zur Berechnung der der Datengrundlage für die Berechnung empfundenen Reisezeit (im Folgenden der Siedlungsfläche je Raumeinheit sind auch Verbindungsqualität genannt) so folgende Vor- und Nachteile in Bezug auf gewählt, dass ein geringer Takt oder den vorliegenden Verwendungszweck ge- eine hohe Umsteigehäufigkeit die Ver- geneinander abzuwiegen: bindungsqualität vergleichsweise stark „„ beeinträchtigen (s. Abschnitt 3.5). Die Corine-Landcover-Daten ƒƒ erfassen lediglich größere Sied- Aus dem übergeordneten Projektzusam- lungszusammenhänge. Weil die menhang ergibt sich die Notwendigkeit, Siedlungsfläche einer großen eine Raumeinteilung zu finden, die nicht Anzahl von Umlandgemeinden nur aktuell (also für die Jahre 2011-2013) dispers ist, wird für sie in den Co- 42

rine-Daten keine Siedlungsfläche ƒƒ ordnen private Gärten der Sied- angezeigt. lungsfläche zu, gleiches gilt für ƒƒ differenzieren nicht kleinteilig zwi- sehr kleine, aber dennoch als Frei- schen Siedlungs-, Verkehrs- und raum wahrnehmbare innerstädti- Grünflächen. sche Plätze und Hinterhöfe. ƒƒ sind für alle Gemeinden der Unter- ƒƒ weisen wohnungsnahes Grün suchungsräume verfügbar. in Form von Parks in dicht be- siedelten Gebieten aus, das als „„ Die Urban-Atlas-Daten Kompensation für den fehlenden ƒƒ ordnen Nutzungen kleinteiliger zu, eigenen Garten genutzt werden so dass sie auch in dispers be- kann. Die Daten finden sich aller- siedelten Umlandgemeinden eine dings in derselben Kategorie wie hohe Genauigkeit aufweisen. die großen Parks (z. B. Stadtpark Abbildung 4: Einwohnerzahl und Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten, Stadt- Hamburg). Die Siedlungsdichte region Hamburg. ohne Grünflächen wird dadurch im Vergleich zu Einfamilienhaus- Rahlstedt Gebieten überschätzt, wo private

80000 Gärten zu Siedlungsfläche zählen. Norderstedt Zur Lösung des Problems werden, Lüneburg Billstedt großflächige Freiflächen aus der Kategorie wohnungsnahes Grün

60000 Eimsbüttel Bramfeld entfernt. Das verbleibende „woh- nungsnahe Grün“ wird zur Sied- lungsfläche gezählt.

40000 ƒƒ liegen in beiden Untersuchungs- Einwohner Altona Altstadt St. Pauli räumen nicht für alle Gemeinden Altona Nord vor. Dulsberg 20000 Hoheluft West Hamm Mitte Aufgrund ihrer weit besseren Darstellung der Siedlungsfläche im Umland werden die Hamm Süd Veddel Kleiner Grasbrook Billbrook Urban-Atlas-Daten für die Ermittlung der 0 Siedlungsfläche für die Raumeinteilung ge- 0 100 200 300 400 Einwohner/ha Siedlungsfläche wählt. Dabei wird in Kauf genommen, dass die Werte einiger weniger Gemeinden mit Quelle: eigene Auswertung, Bevölkerungsdaten (Jahr 2000): Statistikamt Nord und Lan- Hilfe der Corine-Daten ergänzt werden desamt für Statistik NI; räumliche Daten: Urban-Atlas 2011. müssen.

Der zweite für die Berechnung der Sied- Abbildung 5: Einwohnerzahl und Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten, Stadt- region Leipzig. lungsdichte erforderliche Wert ist die Be- völkerungszahl auf der entsprechenden räumlichen Ebene. Sie ist bei den Statisti-

80000 kämtern leicht zugänglich. Aus dem über- geordneten Projektzusammenhang ergibt sich, dass hier die Bevölkerungsdaten aus dem Jahr 2000 verwendet werden, wobei 60000 zur Überprüfung der Bevölkerungsdynamik zusätzlich die Zahlen der Jahre 2007 (Stadt- teile Hamburg) bzw. 2009 (alle anderen)

40000 Grimma, Stadt herangezogen werden, um Raumeinheiten

Einwohner Delitzsch, Stadt mit starken Bevölkerungsveränderungen

Markkleeberg,Borna, Stadt Stadt ausfindig zu machen, deren Raumtypzu- gehörigkeit später besonders überprüft 20000 Grünau-Mitte werden kann. Bei der recht großen Anzahl Grünau-Nord final in die Clusteranalyse eingestellter Va- riablen spielen leichte Unterschiede der

0 Bevölkerungszahlen keine Rolle, da das 0 100 200 300 400 Verfahren relativ unempfindlich gegenüber Einwohner/ha Siedlungsfläche kleinen Veränderungen der Ausprägungen ist. Quelle: eigene Auswertung, Bevölkerungsdaten (Jahr 2000): Statistisches Landesamt SN, Ordnungsamt Leipzig; räumliche Daten: Urban-Atlas 2010. 43

Schon die sehr unterschiedliche Spann- Dichtewerte haben, jedoch eine absolute weite der Dichtewerte beider Fallregio- Bevölkerungszahl aufweisen, die unterhalb nen (Abbildungen 4 und 5) verdeutlicht des für nahräumliche Versorgung notwen- die Notwendigkeit einer Normalisierung, digen Schwellenwertes von 6500 Einwoh- damit der Dichtewert in beiden Regionen nern liegt (s. Abschnitt 3.2.3). Die hohe mit einem vergleichbaren Gewicht in die Siedlungsdichte dieser Stadtteile kann Clusteranalyse eingeht. Eine Möglichkeit daher nicht die gleiche Wirkung haben wie der Normalisierung ist, den oben genann- in Stadtteilen oder Gemeinden mit einer ten Schwellenwert von 90 Einwohnern pro gleichzeitig hohen Bevölkerungszahl. Die ha als theoretische Obergrenze zu wäh- hamburgischen Stadtteile Billbrook, Veddel len. Er ist eine Mindestvoraussetzung für und Kleiner Grasbrook werden daher nicht die Entwicklung kleinteiliger Versorgung in die Clusteranalyse einbezogen, son- und steht für Mehrfamilienhausbebauung dern erst nachträglich den Raumtypen zu- (s. Abschnitt 3.2.3). Dieser Schwellen- geordnet (s. Abschnitt 4.2.2). Ohne diese wert kann jedoch wegen des planerischen Stadtteile liegt die für die Standardisierung Spielraums (größere, kleinere, mehr, weni- herangezogene empirische Obergrenze ger Einheiten) nicht als „absolut“ betrachtet der Siedlungsdichte in Hamburg damit bei werden, er ist vielmehr fließend. Die Ver- 274 EW/ha, und weicht vom Leipziger Wert wendung dieses Wertes als Obergrenze (234 EW/ha) vergleichsweise wenig ab. ist außerdem für die Generierung einer Der Orientierungswert von 90 EW/ha als hierarchisch abgestuften Einteilung nicht Mindestvoraussetzung für eine fußläufige sinnvoll; es müssen andere Obergrenzen Erreichbarkeit wichtiger Versorgungsein- gefunden werden. Die empirische Ober- richtungen liegt nach dieser Standardisie- grenze der Dichtewerte ist in Hamburg rung für Hamburg bei einem Wert von 0,3, sehr hoch. Bei den Stadtteilen mit den drei für Leipzig bei einem Wert von 0,4. Abbil- höchsten Werten handelt es sich allerdings dung 6 dokumentiert die räumliche Vertei- um nicht integrierte Lagen, die zwar hohe lung der verwendeten Variablen.

Abbildung 6: Siedlungsdichte der einzelnen Raumeinheiten der Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 3 4

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 Siedlungsdichte Hamburg Leipzig hohe 1 Stade 1 Delitzsch 0 Dichte 2 2 Eilenburg 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz 4 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna

± Intervalle 7 Geesthacht gleichmäßige geringe 8 Winsen (Luhe) 10 1 Dichte Kilometer Administrative Stadtgrenze k. A. Grenze Fallregion

Quelle: eigene Darstellung. Bevölkerungsdaten (Jahr 2000): Statistikamt Nord und Landesamt für Statistik NI, Statistisches Landesamt SN, Ord- nungsamt Leipzig; Siedlungsfläche: Urban-Atlas 2010/11, Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009. 44

4.1.2 Kleinteilige Mischung: gänzt. Im Datensatz enthaltene Einrichtun- Einzelhandel gen werden nur dann gelöscht, wenn nicht nur die Einrichtung, sondern auch das Ergebnis der Untersuchungen zur Funk- sie beherbergende Gebäude nicht mehr tionsmischung bzw. der Mischung von existiert oder eine offensichtlich falsche Wohnen und Versorgungseinrichtungen Klassifikation vorliegt. Bei der Prüfung der für Güter des täglichen Bedarfs ist, dass internetbasiert erstellten Einzelhandelskar- eine Distanz von 500 m zwischen einer ten werden folgende Schritte ausgeführt: Wohnung und einer Versorgungseinrich- „„Abgleich mit dem Flächennutzungsplan tung als besonders verkehrssparsam gel- 25 und lokalen Einzelhandelskonzepten , ten kann, weil davon auszugehen ist, dass z. B. genauere Überprüfung von Ge- diese Wege mit großer Wahrscheinlichkeit werbeflächen, für den Einzelhandel zu Fuß zurückgelegt werden. Dabei setzt vorgesehene Flächen, die in der Karte eine konzentrierte Angebotsvielfalt die Ent- nicht mit der zu erwartenden Anzahl an fernungstoleranz herauf, weil mehrere Din- Einträgen versehen waren. ge auf einmal erledigt werden können (s. Abschnitt 3.2.3). „„Überprüfung von Stadtteilen und Ge- meinden ohne bzw. mit sehr wenigen Zur Bildung eines Indikators zur Mischung Einzelhandelseinrichtungen. von Wohnen und Einzelhandel werden „„Stichprobenartige Überprüfung anderer räumliche Bestandsaufnahmen von Ein- Stadtteile und Gemeinden. zelhandelseinrichtungen für die Region Hamburg und Leipzig genutzt bzw. aus 22 Insbesondere der letzte Prüfungsschritt Internetquellen generiert. Darin sind ergibt, dass die ergänzten Karten die Ver- Einzelhandelseinrichtungen mit breitem sorgungseinrichtungen insgesamt recht Sortiment für den täglichen Bedarf wie 23 gut repräsentieren (Hamburg Stand 2012, Drogerien und Supermärkte, nicht aber Leipzig Stand 2013), wobei wegen der Fachgeschäfte oder Feinkostläden enthal- Regel „eher hinzufügen als löschen“ da- ten. Die Hamburger Daten sind aus dem von ausgegangen werden muss, dass die Jahr 2011, die Leipziger aus dem Jahr Zahl der Versorgungseinrichtungen eher 2013. Es ist davon auszugehen, dass die- zu hoch als zu niedrig eingeschätzt wird. se Bestandsaufnahmen lückenhaft sind, Gleichzeitig zeigt sich, dass dort, wo mehr weil nicht jede Einzelhandelseinrichtung im 24 als eine Einzelhandelseinrichtung regi- Internet dokumentiert ist. Stichprobenar- striert ist, meist auch eine höhere Dichte tige Überprüfungen zeigen, dass Einhei- anderer Versorgungseinrichtungen (z. B. ten bereits nach kurzer Zeit den Betreiber Ärzte, Apotheken, Banken) festzustellen wechseln, fehlen oder hinzukommen. Die ist, die in der verwendeten Bestandauf- aus dem Internet generierte Karte mit geo­ nahme der Versorgungseinrichtungen für referenzierten Einzelhandelseinrichtungen Hamburg nicht enthalten ist und auch für ist also zu prüfen. Dies erfolgt anhand Leipzig nicht erhoben wurde. von Google-Satellitenbildern und Google Street View (Aufnahmen der Immobilien). Ausgehend von diesen Daten werden zwei Dabei werden fehlende Einrichtungen er- Möglichkeiten erwogen, die Mischung von Wohnen und Einzelhandel abzubilden: Mit 22 Verwendete Internetseiten: www.google.de/ dem Indikator „Einzelhandelsdichte“ oder maps/, www.hamburg.de/, www.bing.com/maps/, dem Indikator „fußläufige Einzelhandelser- www.goyellow.de/, www.yellowmap.de/, http:// reichbarkeit“. Aufgrund von drei Nachteilen www.openstreetmap.de/, sowie Internetseiten wurde die Verwendung des Dichteindika- einzelner Ketten. 23 z. B. Aldi, Lidl, Konsum, Edeka, Netto, Norma, tors verworfen: Penny Markt, Globus, Spar-Markt, Rewe, nah- „„Die zugehörige Variable muss auf Stadt- kauf, Markant, diska, Schlecker, dm, Rossmann, Müller, Ihr Platz. teil- und Gemeindeebene gebildet wer- 24 Mittlerweile kann eine für Deutschland flä- den. Bei größeren Raumeinheiten, etwa chendeckende Karte zur Luftliniendistanz des den Mittelzentren in Leipzig oder dem Wohnortes zum nächsten Supermarkt bezogen Hamburger Stadtteil Rahlstedt, kann werden (vgl. BBSR 2014b). Sie basiert auf 5x5 km großen Rasterzellen, die für die Analyse eine hohe Einzelhandelsdichte durch von Stadtregionen noch etwas grob ist, aber eine hohe Zahl von Einzelhandelsein- zukünftig möglicherweise als Alternative zum richtungen an wenigen Orten entstehen hier beschriebenen Indikator verwendet werden – beispielsweise dem Zentrum oder in könnte. Im Durchführungszeitraum der hier beschriebenen Raumtypisierung waren diese Daten allerdings noch nicht verfügbar. 25 FNP HH 1997, STEP Zentren Leipzig 2008. 45

einem nicht-integrierten Gewerbege- Da die fußläufige Entfernung relativ genau biet. Damit würde der Indikator für diese mit einer Luftlinienentfernung abgebildet Raumeinheiten nicht die maßgebliche werden kann (zumindest besser als bei- kleinteilige Mischung im Sinne einer spielsweise ÖV-Erreichbarkeit), ist eine fußläufigen Erreichbarkeit anzeigen. Verwendung der Luftlinienentfernung zu den verorteten Einzelhandelseinrichtungen „„Der Indikator „Dichte“ bezieht sich stark zur Abbildung fußläufiger Erreichbarkeit auf die Zahl der Einzelhandelseinrich- vertretbar. Der Indikator hat nicht die ge- tungen und reagiert vergleichsweise nannten Nachteile eines Dichteindikators, sensibel auf Variationen dieser Zahl. insbesondere reagiert er nicht so stark auf Weil sie aufgrund der suboptimalen Ge- die genaue Anzahl der Einrichtungen. nauigkeit der Daten fehlerhaft sein kann und auch unabhängig davon für die Nach diesen Überlegungen wird um die Funktion des Indikators irrelevant ist, ob räumlich verorteten Einzelhandelsein- an einer Straße ein großer Supermarkt richtungen ein Einzugsradius von 300 m oder zwei kleinere Märkte nebeneinan- Luftlinie geschlagen (damit die tatsäch- der liegen, ist ein Indikator zu empfeh- liche Fußwegeentfernung in jedem Fall len, der bezüglich der genauen Zahl unter 500 m liegt). Für die unten näher an Einzelhandelseinrichtungen weniger erläuterten Zentrumsgebiete wird dieser sensibel ist. Radius auf 600 m erweitert, um der grö- „„Fußläufig erreichbare Einrichtungen jen- ßeren Entfernungstoleranz für Einzelhan- seits einer Stadtteilgrenze bleiben ohne delskonzentrationen Rechnung zu tragen. Einfluss auf die Ausprägung der Variable Einrichtungen in nicht integrierten Lagen des betrachteten Stadtteils, obwohl Ge- werden nach diesen Kriterien nur als ein- biete am Rand des Stadtteils eigentlich fache Einzelhandelseinrichtung gewertet, gut versorgt sind.

Abbildung 7: Anteil gut versorgter Siedlungsfläche in den einzelnen Raumeinheiten der Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 3 4

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 nahräumliche Hamburg Leipzig Versorgung 1 Stade 1 Delitzsch 2 Elmshorn 2 Eilenburg gut 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz 0 versorgt 4 Bad Oldesloe 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna ± 7 Geesthacht 8 Winsen (Luhe)

10 Intervalle

Kilometer gleichmäßige schlecht Administrative Stadtgrenze 1 versorgt Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung. Daten: Internet-Recherchen des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik zu Einzelhandelseinrichtungen, Urban-Atlas 2010/11, Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009. 46

auch wenn sie über Zentrumssortimente alle Arbeitsplätze abzubilden, d. h. auch verfügen oder sich mehrere Einrichtungen nicht-sozialversicherungspflichtige Arbeits- konzentrieren. Auf diese Weise wird die plätze, die die Bundesagentur für Arbeit Siedlungsfläche innerhalb der genannten nicht erfasst. Diese fehlenden Arbeitsplät- Radien zu Einzelhandelseinrichtungen von ze sind intraregional nicht gleichmäßig ver- der restlichen Siedlungsfläche unterschie- teilt, so fehlen beispielsweise in Städten die den. Um die Siedlungsflächen mit fußläufig Beamten der Verwaltung, in ländlicheren sehr gut erreichbarem Einzelhandel zwi- Räumen dagegen die in der Landwirtschaft schen den Raumeinheiten sinnvoll verglei- und dem Gaststättengewerbe selbststän- chen zu können, wird sie in Beziehung zur dig Tätigen (vgl. BMBF 2014: 50 f.). Gesamtsiedlungsfläche der Raumeinheit gesetzt. Somit entsteht die Variable Weil die disaggregierten Daten für Ham- burg auch nicht-sozialversicherungspflich- tige Arbeitsplätze enthalten, sind sie nicht ����������������mit[�� denen]��������� zu ����������������������� sozialversicherungspflichtig ������������������������������������� � ����������������[��]Beschäftigten im Umland und auch nicht ����������������[��]��������� ����������������������� mit den Daten in Leipzig vergleichbar. Das ������������������������������������� � ����������������[��] bedeutet, der für die Hamburger Daten im Bei dieser Variablen mit einem Werte- Projekt €LAN kalkulierte branchenspezi- bereich zwischen 0 und 1 ist keine Nor- fische Aufschlag zu den sozialversiche- malisierung erforderlich. Abbildung 7 rungspflichtigen Arbeitsplätzen wird für dokumentiert die räumliche Verteilung der die vorliegende Arbeit branchenspezifisch verwendeten Variablen. wieder abgezogen. Dass dabei räumliche Ungenauigkeiten entstehen, muss in Kauf 4.1.3 Kleinteilige Mischung: genommen werden. Des Weiteren müssen Arbeitsplätze die hamburgischen Daten auf den in der vorliegenden Analyse verwendeten Ge- Zahlen zu sozialversicherungspflichti- bietsstand übertragen werden. Aufgrund gen Arbeitsplätzen werden von der Bun- dieser vielfältigen Anpassungen müssen desagentur für Arbeit veröffentlicht. Hierbei die verwendeten Kennzahlen zu Arbeits- ist zu beachten, dass Arbeitsplätze von plätzen in den einzelnen Raumeinheiten Selbstständigen, geringfügig Beschäf- als Annäherung an die empirischen Werte tigten, mithelfenden Familienangehöri- eingestuft werden. Weil in der Clusterana- gen und Beamten nicht in der Statistik lyse aber vor allem die Unterschiede zwi- enthalten sind. Die Arbeitsmarktstatistik schen den Raumtypen relevant sind, die (Bundesagentur für Arbeit) wird auf Ge- absoluten Zahlen geringere Bedeutung meindeebene veröffentlicht, so dass sie haben und am Ende eine vergleichsweise auf Stadtteilebene disaggregiert werden grobe Einteilung der Räume steht, sind die muss. Daten trotz der genannten Ungenauigkei- ten für den hier verfolgten Verwendungs- Die Disaggregierung der Arbeitsplätze zweck ausreichend aussagekräftig. Wie auf Stadtteilebene ist sehr aufwendig und die Leipziger Daten im Detail generiert komplex. Daher wird auf bereits bearbei- worden sind, darf aufgrund einer Verwen- tete Daten zurück gegriffen. Für Hamburg dungsbeschränkung des Verkehrs- und wurden die kleinräumigen Arbeitsplatzda- Tiefbauamtes der Stadt Leipzig an dieser ten des Projekts €LAN (vgl. BMBF 2014) Stelle nicht beschrieben werden. Auch in verwendet, für Leipzig hat das Tiefbauamt Leipzig wurde eine Anpassung an die aus der Stadt Leipzig die in der dortigen Ver- den Daten der Bundesagentur für Arbeit kehrsmodellierung verwendeten Daten zur bekannte Randsumme vorgenommen, die 26 Verfügung gestellt. Die hamburgischen sich am Vorbild der Verarbeitung der Ham- Daten basieren auf der Randsumme der burger Daten orientiert. Wie in Hamburg sozialversicherungspflichtig Beschäftigten müssen auch die Leipziger Daten als An- in Hamburg, Daten des Mikrozensus und näherung interpretiert werden. Betriebsstatistiken auf kleinräumiger Ebe- ne. In dem Projekt €LAN wurde versucht, Für die Eigenschaft „kleinteilige Mischung von Arbeitsplätzen mit der Funktion Woh- nen“ wird die räumliche Arbeitsplatzdich- 26 Besonderer Dank gilt hier Sven Altenburg (€LAN) te als Indikator verwendet (s. Abschnitt und Herrn Dr. Dieter Auspurg (Sachgebietsleiter Analyse und Prognose, Verkehrs- und Tiefbau- 3.2.2). Hierbei werden Arbeitsplätze auf amt der Stadt Leipzig) für die Bereitstellung der die Siedlungs- und Gewerbefläche der Daten. 47

jeweiligen Raumeinheit bezogen. Die Abbildung 8: Die Arbeitsplatzdichte und das Arbeitsplatz-Beschäftigten Verhältnis in räumliche Arbeitsplatzdichte weist eine ex- den einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg. treme Spannweite auf, die Verteilung der einzelnen Werte je Raumeinheit ist stark 150 rechtsschief. Ginge der Indikator mit der Altona Altstadt empirischen Obergrenze in die Cluster- analyse ein, würde er nur bei den wenigen Hoheluft WestHoheluft Ost Raumeinheiten mit hohen Arbeitsplatzdich- ten differenzierend wirken. Das liegt daran, 100 dass die Variation der Werte von 75 % der Ottensen St. PauliHohenfeldeBorgfelde Barmbek Süd Raumeinheiten mit 0–7,3 Arbeitsplätzen/ Uhlenhorst ha im Vergleich zu den Wert-Unterschie- Eimsbüttel Winterhude den der verbleibenden Raumeinheiten Eilbek Harburg 50 Altona Nord (7,4–571 Arbeitsplätze/ha) verschwindend Barmbek Nord Wandsbek gering sind. Daher ist es sinnvoll, den In- Hamm Mitte Bahrenfeld Tonndorf Hamm Nord PoppenbüttelBlankenese dikator mithilfe einer theoretisch gesetzten Dulsberg Steilshoop WitzhaveStapelfeld Obergrenze so zu normalisieren, dass in Braak Moorfleet Arbeitsplätze/ha Siedlungs- und Gewerbefläche

der Clusteranalyse auch die Unterschiede 0 geringerer Arbeitsplatzdichten differenzie- 0 .5 1 1.5 2 2.5 rend wirken können. Arbeitsplätze/Beschäftigte am Wohnort

Quelle: eigene Auswertung, Datengrundlagen: Urban-Atlas 2011, Sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigte (BA), Mittelwert der Jahre 2000-2010, Daten auf Stadtteil­ ebene aus dem Forschungsprojekt €LAN (vgl. BMBF 2014: 50 f.).

Abbildung 9: Räumliche Arbeitsplatzdichte in den einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg

3 4

2

5 1

6 7

Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 räumliche Hamburg Arbeitsplatzdichte 1 Stade 2 Elmshorn hohe 3 Kaltenkirchen 0 Dichte 4 Bad Oldesloe 5 Mölln 6 Buxtehude ± 7 Geesthacht 8 Winsen (Luhe) 10 Intervalle Kilometer gleichmäßige geringe Administrative Stadtgrenze 1 Dichte Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung, Datengrundlagen: Urban-Atlas 2011, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (BA), Mittelwert der Jahre 2000-2010, Daten auf Stadtteilebene aus dem Forschungsprojekt €LAN (BMBF 2014: 50 f.), Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009. 48

Die hier verwendete Obergrenze von 50 Für die Beschreibung der Arbeitsplatzer- Arbeitsplätzen (AP) pro Hektar wurde nach reichbarkeit wird ein Reisebudgetindikator folgenden Überlegungen gewählt: Der Ver- verwendet (vgl. 3.5). Festzulegen sind die gleich der Variablen räumliche Arbeitsplatz- einzubeziehenden Verkehrsmittel sowie dichte mit dem häufig auf Gemeindeebene die Anzahl der Arbeitsplätze, die innerhalb verwendeten Arbeitsplatz-Beschäftigten- einer gesetzten Zeit erreicht werden sollen. Verhältnis (vgl. 3.2.2) zeigt, dass ab ei- Weil die Arbeitsplatzzahlen teilweise nicht ner Arbeitsplatzdichte von etwa 50 AP/ha auf Verkehrszellenebene, sondern nur in Hamburg nur ein Stadtteil zu finden ist auf Gemeinde- bzw. Stadtteilebene ver- (Eimsbüttel), in dem nicht gleichzeitig ein wendet werden dürfen, werden sie für die Arbeitsplatzüberangebot im Sinne von Berechnung der Arbeitsplatzerreichbarkeit mehr Arbeitsplätzen als Beschäftigten am nach einem Gewichtungsfaktor auf die Ver- Wohnort herrscht (vgl. Abbildung 8). Das kehrszellen verteilt. Der Gewichtungsfaktor heißt, bis zu diesem Wert nimmt die Aus- ergibt sich aus dem Anteil des Siedlungs- wahlmöglichkeit lokaler Arbeitsplätze für und Gewerbeflächenanteils der Verkehrs- die lokale Bevölkerung zu, ohne dass Ein- zelle an der entsprechenden Fläche des pendler unvermeidlich sind. In den Ham- Stadtteils bzw. der Gemeinde (s. Abschnitt burger Stadtteilen mit über 50 AP/ha liegt 4.1). Die errechneten Erreichbarkeiten mit der genannten Ausnahme ein deut- werden danach auf die Stadtteil- bzw. Ge- licher Einpendlerüberschuss vor. Dieser meindeebene umgerechnet. sollte sich aus den in Abschnitt 3.2.2 darge- legten Gründen keinesfalls negativ auf den Als Verkehrsmittel sind für diese Erreich- Indikator im Sinne abnehmender Verkehrs- barkeit das Rad und der ÖV relevant. Als sparsamkeit auswirken. Es ist jedoch nach Referenzzeit für den Berufsverkehr wird den Überlegungen in Abschnitt 3.2.2 auch im Verkehrsmodell das Intervall 6–9 Uhr nicht unbedingt zu rechtfertigen, dass das gewählt. Da in der Clusteranalyse nur Arbeitsplatz-Beschäftigten-Verhältnis > 1 eine Variable verwendet werden soll, wird in der Clusteranalyse eine stark positive die Rad-Verbindungsqualität mit der ÖV- 27 Wirkung entfaltet (im Sinne stark zuneh- Verbindungsqualität verschnitten. Zur mender Verkehrssparsamkeit). Daher wird Ermittlung der Rad-Verbindungsqualität die räumliche Arbeitsplatzdichte so norma- wird zunächst die Entfernung genutzt. Als lisiert, dass 50 AP/ha der Maximalwert ist. Radentfernung werden Wege betrachtet, Die Variable differenziert auf diese Weise die 10 km oder kürzer sind. Laut MID 2008 in Hamburg Stadtteile mit verhältnismäßig sind etwa 95 % der an einem Wochentag vielen Arbeitsplätzen, die nicht ganz zentral mit dem Rad zurückgelegten Wege kürzer gelegenen sind, und auch Umlandzentren als 9 km (MID, eigene Auswertung). Dies wie Kaltenkirchen, Bad Oldesloe, Ahrens- kann dahingehend interpretiert werden, burg oder Norderstedt deutlich, ohne den dass bei einer größeren Entfernung all- 28 großen Abstand zu den gründerzeitlichen tagstaugliche Raderreichbarkeit nicht ge- Stadtteilen übermäßig zu nivellieren (Ab- geben ist. Um die Verbindungsqualitäten bildung 9). In Leipzig wurde der gleiche von Rad und ÖV in derselben Einheit mes- Dichtewert als theoretische Obergrenze sen, wird die Radentfernung (Straßenki- verwendet. Auf eine Darstellung muss auf- lometer) in Reisezeit umgerechnet. Dabei grund der Verwendungsbeschränkung ver- werden Richtgeschwindigkeiten der FGSV zichtet werden. (2008) genutzt. Dort wird für den Radver- kehr innerhalb bebauter Gebiete eine zu 4.1.4 Arbeitsplatzerreichbarkeit erreichende Geschwindigkeit von minde- stens 15 km/h genannt (FGSV 2008: 26). Neben der Arbeitsplatzdichte, die für die Weil optimale Radwege nicht überall ge- nahräumliche Erreichbarkeit von Arbeits- geben sind und die Geschwindigkeit stark plätzen steht, soll ein anderer Indikator die verkehrssparsame Erreichbarkeit weiterer 27 Zwei Indikatoren würden das Gewicht dieser Arbeitsplätze darstellen. Weil die Zentren- ohnehin schon gut repräsentierten Kriteriums der erreichbarkeit bereits die Erreichbarkeit Arbeitswege in nicht vertretbarer Weise erhöhen zentral gelegener Arbeitsplätze mit dem (vgl. 3.6), dennoch ist die Raderreichbarkeit ÖV abdeckt, soll die Variable Arbeitsplat- gerade für nicht zentral gelegene Arbeitsplätze nicht zu vernachlässigen. zerreichbarkeit vor allem auch nicht zentral 28 Alltagstaugliche Raderreichbarkeit heißt hier, gelegene Arbeitsplätze einbeziehen. dass der Weg auch bei schlechtem Wetter, mit etwas mehr Gepäck und ohne besondere sport- liche Ambitionen mit dem Rad zurückgelegt wer- den kann. 49

von der Kondition der Fahrenden abhängt, Abbildung 10: Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen der Raumeinheiten in definiertem Reise- wird hier diese Mindestgeschwindigkeit an- zeitbudget, Stadtregion Hamburg gesetzt. Zusätzlich wird für die Zu- und Ab- 29 gangszeit insgesamt 6 Minuten kalkuliert. 200 Beim Verschneiden der Variablen Rad-Ver- bindungsqualität und ÖV-Verbindungsqua- lität wird jeweils der geringste Wert, also die kürzeste Reisezeit verwendet. Die Ef- 150 fekte dieser und ähnlicher Annahmen sind anhand der Daten getestet und auf Plau- sibilität geprüft: Der ÖV erhält demnach bei umsteigefreien Verbindungen, einem 100 15-Minuten-Takt und leicht kürzerer Fahr- zeit zumeist bessere Kennwerte als das

Rad. Das Rad dagegen erhält im Vergleich 50 zu kürzeren ÖV-Verbindungen mit Umstieg Anzahl Gemeinden und Stadtteile die besseren Kennwerte.

Als weitere Größe für den Reisebudget- 0 0 100000 200000 300000 400000 indikator ist der maximale Zeitaufwand Zahl erreichbarer Arbeitsplätze in definiertem Reisezeitbudget für das Erreichen der Arbeitsplätze zu be- (Klassen von 5000 AP) stimmen. Weil dieser Indikator primär die Quelle: eigene Berechnung, Datengrundlage: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Erreichbarkeit der nicht im Zentrum gele- (BA), Mittelwert der Jahre 2000-2010, Daten auf Stadtteilebene aus dem For- genen Arbeitsplätze anzeigen soll, müssen schungsprojekt €LAN (BMBF 2014: 50 f.), Verkehrsmodell TUHH/vsl. restriktive Kennzahlen angesetzt werden. Bei großzügigen Restriktionen würde der plätze erreichbar (vgl. Abbildung 10), die Indikator sehr stark mit der ÖV-Erreichbar- Streuung ist so hoch, dass bei einer em- keit des Stadtzentrums korrelieren, eine zu pirischen Standardisierung Unterschiede starke Restriktion hätte dagegen zur Folge, im Umland kaum noch erkennbar sind.30 dass er sich inhaltlich mit der räumlichen Eine Obergrenze einzuführen ist auch in- Arbeitsplatzdichte überschneidet. Darüber haltlich sinnvoll, denn die abzubildende hinaus ist zu berücksichtigen, dass Gele- Wahrscheinlichkeit, einen gut erreichbaren genheiten in zunehmender Distanz bzw. Arbeitsplatz zu finden, wirkt sich mit zuneh- mit abnehmender Verbindungsqualität mender Anzahl erreichbarer Arbeitsplätze geringer gewichtet werden sollten (zen- immer weniger aus. trale Annahme des Potenzialindikators, s. Abschnitt 3.5). Die empfundene Reisezeit Weil es keine empirischen Orientierungs- ist daher wie folgt in zwei Stufen begrenzt: werte dafür gibt, wie viele Arbeitsplätze er- Alle Arbeitsplätze, die innerhalb von einer reichbar sein müssen, um für den Großteil empfundenen Reisezeit von 26 Minuten er- der erwerbsfähigen Personen einen geeig- reichbar sind (das sind alle, die näher als 5 neten Arbeitsplatz bereitzustellen, muss die km entfernt liegen oder eine reine Radfahr- Obergrenze mit Hilfe theoretischer Über- zeit von 20 Minuten aufweisen), werden legungen festgesetzt werden - und bleibt gezählt, die Hälfte der Arbeitsplätze wird daher zu einem gewissen Grad willkürlich. einbezogen, die in mehr als 26 aber we- Hinter der hier verwendeten theoretischen niger als 33 Minuten erreichbar sind (das Obergrenze von 24.000 erreichbaren Ar- entspricht etwa 30 Minuten Fahrzeit ohne beitsplätzen steht folgende Überlegung: Umstieg im 10-Minuten-Takt oder 17 Minu- Das nach seinen Arbeitsplatzzahlen klein- ten Fahrzeit und ein Umstieg bei gleicher ste in der Nähe der Untersuchungsregion Taktzahl). Die auf diese Weise generier- gelegene Oberzentrum Wilhelmshaven te Variable streut noch immer sehr stark verzeichnet im Jahr 2006 rund 24.000 so- und ist stark rechtsschief verteilt, wenn zialversicherungspflichtige Arbeitsplätze die Anzahl zu erreichender Arbeitsplätze (BA 2011). Das bedeutet, mit 24 000 Ar- nicht nach oben begrenzt wird: In den we- beitsplätzen kann eine ausreichende An- nigen innerstädtischen Stadtteilen sind in der vorgegebenen Zeit sehr viele Arbeits- 30 Die Möglichkeit, restriktivere Reisezeiten zur Abmilderung dieses Problems zu verwenden, ist aufgrund der Verkehrszellengröße beschränkt, 29 Das Rad muss evtl. aus dem Keller geholt wer- würde das Problem nur abmildern, aber dazu den, spezielle Kleidung ist notwendig, der Vor- führen, dass von einigen Gemeinden aus keine gang des Ab- und Anschließens braucht Zeit. Arbeitsplätze mehr erreichbar wären. 50

Abbildung 11: Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen der einzelnen Raumeinheiten der Stadtregion Hamburg, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg

3 4

2

5 1

6 7

Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 Arbeitsplatz- Hamburg erreichbarkeit 1 Stade viele 2 Elmshorn Arbeitsplätze 3 Kaltenkirchen 0 erreichbar 4 Bad Oldesloe 5 Mölln 6 Buxtehude ± 7 Geesthacht 8 Winsen (Luhe) 10 Intervalle wenige Kilometer gleichmäßige Arbeitsplätze Administrative Stadtgrenze 1 erreichbar Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung, Datengrundlagen: Urban-Atlas 2011, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (BA), Mittelwert der Jahre 2000-2010, Daten auf Stadtteilebene aus dem Forschungsprojekt €LAN (BMBF 2014: 50 f.), Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009.

zahl und Breite oberzentraler Funktionen beitsplatzerreichbarkeit nicht als weiteres angeboten werden, um raumplanerisch Unterscheidungskriterium verwendet. Die als Oberzentrum gemäß Definition31 klas- Bewohner aller Raumeinheiten, von denen sifiziert zu werden. Da anzunehmen ist, aus weniger Arbeitsplätze erreichbar sind, dass damit auch eine große Spannweite haben mit Sicherheit eine eingeschränkte unterschiedlicher Arbeitsplätze zur Ver- Auswahl gut erreichbarer Arbeitsplätze; fügung stehen kann, wird diese Zahl als diese Abstufung gibt der Indikator wieder. Mindestanzahl für ein ausreichendes Ar- Abbildung 10 dokumentiert die räumliche beitsplatzangebot interpretiert, in dem sich Verteilung der verwendeten Variablen. für eine große Bandbreite an Qualifikatio- nen eine Beschäftigung finden sollte. Alles was darüber liegt, ist in diesem Sinne „nice to have“, wird mit dem Indikator Zentren- erreichbarkeit (Abschnitt 4.1.5) abgebildet, aber in dem hier behandelten Indikator Ar-

31 Oberzentren sind beispielsweise in Schleswig- Holstein definitionsgemäß „Versorgungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktzentrum von über- regionaler Bedeutung. […] und bieten ein großes und differenziertes Angebot an Arbeits- und Aus- bildungsplätzen.“ (LEP SH 2008: 45 f.). Auch im LROP Niedersachsen gehört die Versorgung mit Arbeitsplätzen zum überregionalen Versorgungs- auftrag (vgl. LROP NI 2008: 81 f.). 51

4.1.5 Erreichbarkeit von Zentren finierten Ziele zu kontrollieren und räumlich zu präzisieren. Im Einzelnen sind dies: Zur Bildung der Indikatoren zur Erreich- „„georeferenzierte Daten zu Einzelhan- barkeit von Zentren wird jeweils die be- delseinrichtungen (vgl. 4.1.2) ste Verbindungsqualität zu jeweils einem Zentrum der Kategorie Ober- und Mittel- „„Satellitenfotos und Street-View-Aufnah- zentrum (einschließlich lokaler Zentren men (Google) auf dem Stadtgebiet von Hamburg bzw. „„verschiedene Internetseiten mit Infor- Leipzig) als differenzierende Eigenschaft mationen zu Shopping-Centern und herangezogen (s. Abschnitt 3.3). Für die Einkaufspassagen32 Definition von Zentren wird auf planerische Festlegungen zurückgegriffen. Mittel- und In der Region Hamburg bestätigen die di- Oberzentren auf Gemeindeebene werden gitalen Einzelhandelsdaten die aktuelle aus der Klassifikation des BBSR (2009) Gültigkeit der planerischen Zentrenein- übernommen. Zentren im Stadtgebiet teilung für die oberen Zentrenkategorien. von Hamburg und Leipzig werden auf der Die in den oben aufgelisteten Planungs- Grundlage verschiedener Planungsunter- unterlagen zu findende Definition Leipziger lagen definiert, für Leipzig wird auch eine Zentrenkategorien ist mit den Zentren- wissenschaftliche Analyse der Raumstruk- definitionen Hamburgs zwar nur bedingt tur genutzt. Im Einzelnen sind dies: vergleichbar,33 die empirische Überprüfung „„Für Hamburg: auf Grundlage der vorliegenden Informa- ƒƒ Der Flächennutzungsplan, be- tionen im Internet ergibt jedoch, dass die schlossen 1996 (FNP HH 1996) Angebotsbreite der einzelnen Zentrenka- tegorien dennoch verwandt sind. Für die ƒƒ Leitlinien für den Einzelhandel im Erarbeitung des Erreichbarkeitsindikators Rahmen der Hamburger Stadtent- werden daher für beide Städte folgende wicklungspolitik (Freie und Hanse- Klassen übernommen: stadt Hamburg 1996) ƒƒ Räumliches Leitbild (Räumliches „„Stadtzentrum: City (A), Leitbild HH 2007) „„lokales Zentrum: Bezirkszentrum (B1), „„Für Leipzig: Bezirksentlastungszentrum (B2, nur in ƒƒ STEP Zentren (STEP Zentren Hamburg), Stadtteilzentrum (C, nur in Leipzig 2008) Leipzig), Mittelzentrum (im Umland) ƒƒ Analyse: Großprojekte und inner- Die Bezirksentlastungszentren sind we- städtischer Einzelhandel (Korzer niger gut in die Stadtstruktur integriert et al. 2013, Universität Leipzig) und mit häufig großzügigem Parkplatz- angebot stärker auf MIV-Erreichbarkeit Auch wenn planerische Festlegungen, ins- ausgerichtet als B1-Zentren. Für ihre Be- besondere die Hierarchie des Zentrale-Or- rücksichtigung als lokales Zentrum in te-Systems, nicht rein analytisch geprägt Hamburg spricht letztlich, dass diese sind, sondern auch politisch begründet mangelnde ÖV-Erschließung durch die werden (s. 3.2.1), haben diese Klassifizie- zur Bildung des Indikators verwendeten rungsgrundlagen den Vorteil, dass sie für ÖV-Verbindungsqualität Berücksichtigung eine längere Zeitspanne vergleichsweise findet. Bei schlechter ÖV-Anbindung hat verlässlich sind. Eine eigene Definition das B2-Zentrum einen entsprechend klei- von Zentren auf der Basis von kleinräumi- nen Einzugsbereich. In der Region Leipzig gen und digitalen Daten zu einzelnen zen- ist zu berücksichtigen, dass die Verkaufs- tralörtlichen Funktionen z. B. (Einzelhandel fläche des Einzelhandels in den ersten mit Zentrensortiment, Sitz von Ärzten und Jahren nach 1989 außerordentlich stark Verwaltungseinheiten) ist unter Umstän- zugenommen hat, insbesondere durch den den für den heutigen Zeitpunkt differen- Bau nicht-integrierter Einkaufszentren am zierter, enthält jedoch keine zuverlässigen Stadtrand. Der raumordnerische Grund- Informationen über vergangene Jahre.

In Bezug auf die Funktion Versorgung 32 z. B. www.tibarg-center.de, www.hamburger-mei- werden zusätzlich zu den planerischen le.com, www.nova-eventis.de, www.paunsdorf- Dokumenten aktuelle, digitale Daten zu center.de, www.hamburg-magazin.de/shopping/ Einzelhandelseinrichtungen ausgewertet. einkaufszentren-passagen.html, www.leipzig- Sie werden genutzt, um die planerisch de- sachsen.de/firmen/leipzig-shopping.html. 33 FNP HH 1996: S. 63 ff., STEP Zentren Leipzig 2008: 15 ff. 52

satz, ein abgestuftes Zentrensystem mit „„Berechnung der Verbindungsqualität dem Ziel der Entwicklung einer polyzentri- von jeder Verkehrszelle zu jeder Ver- schen Stadtstruktur zu entwickeln, besteht kehrszelle, die als zu einem Zentrum in Leipzig erst seit der Wiedervereinigung gehörig klassifiziert wurde. Es wird da- (vgl. STEP Zentren 2008: 5). Unter ande- bei davon ausgegangen, dass die Ham- rem deshalb ist das geplante Zentrensy- burger Innenstadt bzw. das Zentrum von stem erst teilweise entwickelt (vgl. STEP Lüneburg jeweils auch die Funktionen Zentren 2008: 17). Daher ist grundsätzlich der Zentren unterer Hierarchiestufen zu erwarten, dass die planerische Klassi- erfüllen, d. h. sie werden als A und B- fikation stärker von der empirischen Wirk- Zentrum verarbeitet. lichkeit abweicht als in Hamburg. Anders „„Auswahl der Verbindung zwischen als in Hamburg sind in der Region Leipzig Verkehrszelle und Zentrum mit der ge- viele Einkaufszentren nicht als Bezirksent- ringsten empfundenen Reisezeit, also lastungszentrum in die Planung aufgenom- höchsten Verbindungsqualität. men worden. Ob diese Einkaufszentren analog zu den hamburgischen B2-Zentren „„Umrechnen der Verkehrszellenwerte in die vorliegende Arbeit aufgenommen auf Stadtteil bzw. Gemeindeebene (s. werden sollten, wurde lange abgewogen. Abschnitt 4.1). Letztendlich fiel die Entscheidung dage- gen, weil diese Zentren wesentlich mono- Für die Erreichbarkeit von Zentren wurde funktionaler ausgerichtet und schlechter als Referenz die Nebenverkehrszeit (10- integriert sind als die hamburgischen B2- 12 Uhr) gewählt, um Verzerrungen durch Zentren. Stattdessen werden abweichend Schülerverkehre zu vermeiden und um die von der planerischen Klassifikation die gut große Spannweite der ÖV-Qualität abzu- integrierten C-Zentren Plagwitz, Moritzhof bilden; für einen ÖV, der im Alltag freiwil- und Euritzsch in Leipzig wie B-Zentren be- lig genutzt werden soll, ist es erforderlich, handelt, weil sie ihnen strukturell ähneln. dass eine Person jederzeit und möglichst C-Zentren gehen in Hamburg dagegen spontan an ihr Ziel kommen kann. Bei der nicht als lokales Zentrum in die Analyse Arbeitsplatzerreichbarkeit ist diese Anfor- ein, weil sie häufig nur über eine Konzen- derung noch am wenigsten relevant (wes- tration von Versorgungseinrichtungen des halb bei der Arbeitsplatzerreichbarkeit als täglichen Bedarfs verfügen, deren Wirkung Referenz die Hauptverkehrszeit genutzt bereits im Indikator „Kleinteilige Mischung wird). Zentren stehen jedoch auch für Be- Einzelhandel“ abgebildet ist. Im Umland hördengänge, Arztbesuche oder kulturelle werden die Punktdaten zur räumlichen Einrichtungen, die sich nicht nach den Nor- Verteilung des Einzelhandels (s. Abschnitt malarbeitszeiten richten. 4.1.2) genutzt, um innerhalb der mittelzen- tralen Gemeinden das strukturelle Zentrum Auch für die Indikatoren der Zentrenerreich- zu definieren, das in günstigen Fällen als barkeit ist es notwendig, Obergrenzen zu gesonderte Verkehrszelle ausgewiesen ist. definieren. Die empirische, auf Grundlage der Informationen aus dem Verkehrsmodell Nachdem die Zentren definiert sind, muss berechnete empfundene Reisezeit oder die Verbindungsqualität einer Raumeinheit auch Straßenkilometerentfernung (Rad) ist zu lokalen Zentren und zu Zentren erster im Einzelfall mitunter sehr hoch, weil theo- Ordnung (A-Zentrum) berechnet werden. retisch mögliche Verbindungen berechnet Hierzu wird auf der Ebene von Verkehrs- werden, ohne dass geprüft wäre, inwie- zellen gearbeitet, weil die Verkehrszellen weit sie eine praktische Bedeutung haben. insbesondere auf hamburgischem Stadt- Es ist daher nicht sinnvoll, die gesamte gebiet eine größere Genauigkeit bieten als Spannweite der Werte zur Differenzierung die Abgrenzungen der Stadtteile. Neben der Cluster hinsichtlich ihrer Zentrener- den Zentren innerhalb der Untersuchungs- reichbarkeit zu nutzen. Leider gibt es auch räume werden Verkehrszellen von Zen- hier keine allgemeingültigen Grenzwerte, tren außerhalb der Untersuchungsregion die verwendet werden könnten. Empirisch ebenfalls als A oder B-Zentrum klassifi- erhobene Fahrzeiten aus der MID sind ziert. Dies ist für Gemeinden am Rand des als Annäherung zu verstehen, weil sie die Untersuchungsraumes relevant, von de- Fahrt zum Ziel beschreiben, während die nen aus unter Umständen ein nicht in der Zentren in dieser Raumeinteilung nicht nur Untersuchungsregion gelegenes Zentrum als Ziele zu sehen sind, sondern auch die besser zu erreichen ist als eines innerhalb Bedeutung eines Verkehrsknotens haben des Untersuchungsraumes. Das Vorgehen (s. Abschnitt 3.3). Mangels Alternativen ori- umfasst folgende Schritte: entieren sich die verwendeten Werte den- 53

noch an empirisch ermittelten Werten aus Erreichbarkeit von Oberzentren. Für Mit- der MID, in Kombination mit den Empfeh- telzentren wird eine halbe Stunde Fahrzeit lungen der FGSV (FGSV: 11). inkl. einem Umstieg als Maximalwert an- gesetzt, der einer empfundenen Reisezeit Als theoretische Obergrenze für die Er- von 45 min entspricht. Bei der Raderreich- reichbarkeit von Oberzentren wird eine barkeit wird wie im Abschnitt 4.1.4 eine empfundene Reisezeit von 85 min ange- Straßenentfernung von 10 km als Ober- setzt. Das entspricht beispielsweise ei- grenze bestimmt. Die Auswirkungen einer ner reinen Fahrzeit von 90 min bei einem leichten Variation der verwendeten Grenz- 20-Minuten-Takt ohne Umstieg, angelehnt werte auf die Klassifikationen sind gering. an die Ergebnisse einer eigenen MID-Aus- Die folgenden Abbildungen dokumentieren wertung (vgl. auch FGSV 2008: 11). Die die räumliche Verteilung der verwendeten Obergrenze der ÖV-Erreichbarkeit von Mit- Variablen. telzentren wird geringer angesetzt als die

Abbildung 12: ÖV-Erreichbarkeit Oberzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 3 4

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 ÖV-Erreichbarkeit Hamburg Leipzig Oberzentrum 1 Stade 1 Delitzsch geringer 2 Elmshorn 2 Eilenburg 0 Raum- 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz widerstand 4 Bad Oldesloe 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna 7 Geesthacht ± Intervalle hoher 8 Winsen (Luhe) 10 gleichmäßige Raum- Kilometer 1 widerstand Administrative Stadtgrenze k. A. Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung. Wichtigste Daten Hamburg: FNP HH 1996, Räumliches Leitbild 2007, Verkehrsmodell TUHH/vsl, Wichtigste Daten Leipzig: STEP Zentren (2008), Korzer et al. 2013, Verkehrsmodell Stadt Leipzig, Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009. 54

Abbildung 13: ÖV-Erreichbarkeit Mittelzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 3 4

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 ÖV-Erreichbarkeit Hamburg Leipzig Mittelzentrum 1 Stade 1 Delitzsch geringer 2 Elmshorn 2 Eilenburg 0 Raum- 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz widerstand 4 Bad Oldesloe 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna 7 Geesthacht ± Intervalle hoher 8 Winsen (Luhe) 10 gleichmäßige Raum- Kilometer 1 widerstand Administrative Stadtgrenze k. A. Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung. Wichtigste Daten Hamburg: FNP HH 1996, Räumliches Leitbild 2007, Verkehrsmodell TUHH/vsl, Wichtigste Daten Leipzig: STEP Zentren (2008), Korzer et al. 2013, Verkehrsmodell Stadt Leipzig, Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009.

4.2 Clusteranalyse

Je nachdem welche Clusteralgorithmen, sonders hervorzuheben ist das klassische Distanzmaße, und Vorgehensweisen zur Modell transportkostenabhängiger Land- Bestimmung der Clusterzahl angewendet nutzung von JH. von Thünen (1826), bei werden, sieht das Ergebnis einer Cluster- dem ausgehend vom Markt (Zentrum) in analyse (Klassifikation) unterschiedlich Form konzentrischer Ringe die Bodennut- aus. Um die Güte der verschiedenen Er- zungsintensität abnimmt (vgl. Nuhn/Hesse gebnisse zu beurteilen, müssen inhaltliche 2006: 281ff). Diese Ringe werden von Ver- Prüfungen der Plausibilität vorgenom- kehrsachsen und Nebenzentren überlagert men werden, die durch statistische Tests (ebd.). Das Modell wurde ursprünglich für ergänzt werden. Eine Besonderheit der wirtschaftliche Nutzungen entwickelt, den- hier durchgeführten Analyse ist, dass es noch lassen sich die von Achsen überla- zusätzlich zur empirischen Struktur der gerten Ringe auch in der Siedlungsdichte Daten, die über die Clusteranalyse her- vieler Stadtregionen erkennen. Wie oben ausgearbeitet werden soll, eine abstrakte, gezeigt wurde, steht Dichte in engem modellhafte Vorstellung der Raumstruktur kausalen Zusammenhang mit anderen einer Stadtregion gibt. Raumwirtschaftli- Eigenschaften verkehrssparsamer Sied- che Modelle bieten Beschreibungen oder lungsstrukturen, so dass diese modellhafte Erklärungen zur Verteilung von Nutzungen Grundvorstellung der Stadt in der hier vor- und Verkehr im Siedlungsraum (vgl. Albers zunehmenden Raumtypisierung erkennbar 1992: 208). Sie können für die räumliche sein wird. Diese modellhafte Vorstellung Verteilung der hier interessierenden Cha- der Regionsstruktur wird überlagert von rakteristika als Orientierung dienen. Be- der in Abschnitt 3.2.1 dargestellten Theorie 55

Abbildung 14: Rad-Erreichbarkeit Mittelzentrum der einzelnen Raumeinheiten in den Fallregionen, Wertebereich der verwendeten Variablen.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 3 4

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Werte der Variable Ausgewählte Gemeinden 8 Rad-Erreichbarkeit Hamburg Leipzig Mittelzentrum 1 Stade 1 Delitzsch geringer 2 Elmshorn 2 Eilenburg 0 Raum- 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz widerstand 4 Bad Oldesloe 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna 7 Geesthacht ± Intervalle hoher 8 Winsen (Luhe) 10 gleichmäßige Raum- Kilometer 1 widerstand Administrative Stadtgrenze k. A. Grenze Fallregion

Quelle: eigene Auswertung. Wichtigste Daten Hamburg: FNP HH 1996, Räumliches Leitbild 2007, Verkehrsmodell TUHH/vsl, Wichtigste Daten Leip- zig: STEP Zentren (2008), Korzer et al. 2013, Verkehrsmodell Stadt Leipzig, Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009.

der zentralen Orte. Die Siedlungsentwick- cher Entfernungsklasse das Ziel liegt. Bei lung entlang wichtiger Verkehrsachsen ist kurzen Wegen besteht die Wahlmöglich- in Hamburg seit dem Federplan von Schu- keit des nicht-motorisierten Verkehrs, bei macher (1920) zumindest intendiert, so- langen Wegen, die ohnehin mit dem MIV dass zu erwarten ist, diese Achsen in der oder ÖV zurückgelegt werden, sind 500 m räumlichen Darstellung der Klassifikations- irrelevant für die Verkehrsmittelwahl, wahr- varianten erkennen zu können (vgl. Freie scheinlich sogar irrelevant für die Wahl und Hansestadt Hamburg 2007: 30). zwischen alternativen Zielen. Bei einer metrischen Interpretation von Entfernun- 4.2.1 Clusteralgorithmen, gen und Erreichbarkeiten wird also die Distanzmaße und Klassenzahl Wirkung auf die Wahlwahrscheinlichkeit des nicht-motorisierten Verkehrs, insbe- Die Mehrzahl der ausgewählten Eigen- sondere des Fußverkehrs, unterschätzt. schaften der zu clusternden Raumeinhei- Diese Schwäche ist jedoch in der vorlie- ten wird mit eindeutig metrischen Variablen genden Untersuchung bedeutungslos, weil beschrieben. Die Erreichbarkeitsvariablen aufgrund des Zuschnittes der verwendeten werden metrisch behandelt, auch wenn Verkehrszellen und der Verallgemeinerung es Argumente dafür gibt, sie als ordina- auf Gemeinde und Stadtteilebene ohnehin le Variablen zu interpretieren. So haben keine Differenzierung nach der fußläufigen beispielsweise 500 m Entfernungsunter- Erreichbarkeit getroffen werden kann. Fuß- schied verschiedene Wirkungen auf die läufige Erreichbarkeit wird in den Dichte- Verkehrsmittelwahl, je nachdem, in wel- und Mischungsvariablen abgebildet. 56

Zur Auswahl für die Clusteranalyse stehen schen zwei Untersuchungsobjekten kön- also Algorithmen und Distanzmaße für me- nen in der Clusteranalyse variiert werden trische Variablen. Auf der Grundlage von und haben Einfluss auf das Ergebnis (vgl. Übersichten aus der Literatur zu den Algo- Backhaus et al. 2008: 406 ff.). Für die be- rithmen, ihren Fusionierungseigenschaften absichtigte Klassifizierung sind die absolu- und den Eigenschaften von Distanzmaßen ten Unterschiede der Raumeigenschaften wurden vier Clusterverfahren und drei Di- relevant, daher eignen sich Distanzmaße: stanzmaße zur näheren Prüfung ausge- wählt und auf die Daten angewendet: „Distanzmaße [sind] immer dann ge- eignet, wenn der absolute Abstand zwi- „Sometimes several algorithms are ap- schen Objekten von Interesse ist und plicable, and a priori arguments may not die Unähnlichkeit dann um so größer suffice to narrow down the choice to a anzusehen ist, wenn zwei Objekte weit single method. In such a situation it is entfernt voneinander liegen; Ähnlich- probably a good idea to run more than keitsmaße [sind] immer dann geeignet, one program and to carefully analyze wenn der primäre Ähnlichkeitsaspekt im and compare the resulting classifica- Gleichlauf der Profile zu sehen ist, unab- tions, making use of their graphical dis- hängig davon, auf welchem Niveau die plays. […] It is permissable to try several Objekte liegen .“ (Backhaus et al. 2008: algorithms on the same data, because 408) cluster analysis is mostly used as a de- scriptive or exploratory tool. […] That is Die gängigen Distanzmaße für metrische we do not wish to prove (or disapprove) Variablen sind die City-Block-Metrik (L1- a preconceived hypothesis; we just want Norm) und die einfache oder quadrier- to see what data are trying to tell us. ” te euklidische Distanz (vgl. Backhaus et (Kaufman/Rousseeuw 1990: 37) al. 2008: 404 ff., Everitt 2011: 50 f.). Bei letzterer werden große Distanzwerte stär- Tabelle 3 fasst die Eigenschaften der ge- ker gewichtet (vgl. Backhaus et al. 2008: testeten Clusteralgorithmen zusammen. 405). Welches Distanzmaß sich für wel- Bis auf das K-means-Verfahren gehören chen Algorithmus eignet, wird in der in der die verwendeten Verfahren den hierarchi- Literatur nicht einheitlich bewertet. Daher schen, agglomerativen Verfahren an (vgl. wird in der vorliegenden Analyse das Ver- Backhaus et al. 2008: 412). Das bedeutet, halten der verschiedenen Algorithmen mit sie teilen die Daten zunächst in sehr vie- verschiedenen Distanzmaßen und Variab- le Gruppen, die dann schrittweise zusam- lenkombinationen (alle Variablen, nur die mengefasst werden. Erreichbarkeitsvariablen, nur die Dichte/ Versorgungs-Variablen) systematisch ge- Nicht nur die Clusteralgorithmen, sondern genübergestellt und die so entstehenden auch die Distanz- oder Ähnlichkeitsmaße Klassifikationen auf ihre inhaltliche Plausi- zur Bestimmung der Unähnlichkeit zwi- bilität geprüft.

Tabelle 3: Übersicht verwendeter Clusteralgorithmen.

Clusteralgorithmus Eigenschaften Single linkage Bildet wenige große und viele kleine Klassen; geeignet um Aus- reißer zu identifizieren Complete linkage Bildet gleich große Klassen, empfindlich gegenüber Ausreißern Weighted average Linkage Modifikation von Complete und Single Linkage, besonders ge- eignet für unterschiedlich große Klassen Ward Bildet gleich große Klassen, empfindlich gegenüber Ausreißern, wird in der Literatur häufig empfohlen K-means Partitionierendes Verfahren, Elemente können während des Fusionierungsprozesses getauscht werden, Klassenzahl muss extern vorgegeben werden Quellen: eigene Zusammenstellung nach Kaufman/Rousseeuw 1990: 37 ff., Bacher 1994: 142, 147, 270, Back- haus et al. 2008: 412, 424 f. 57

Für die Bestimmung der Klassenzahl gibt unterschiedlich groß sind. Die plausiblen es ebenfalls eine Reihe von mehr oder we- Klassifikationen haben 3 bis 9 Klassen. In niger subjektiv beeinflussbaren Verfahren. dieser Phase wird auch die Sensitivität der Für ihre statistische Bestimmung wird hier Klassifikationen gegenüber Veränderun- die in der Literatur empfohlene Stopping gen der gewählten Obergrenzen der Va- rule von Calinski und Habarez verwendet riablen-Normalisierung geprüft. Aus diesen (Backhaus et al. 2008: 432, Everitt 2011: Erfahrungen und Testergebnissen ergeben 127). Dieses Maß berechnet für jede Klas- sich Anhaltspunkte für das Vorgehen in senzahl einen Wert, der das Verhältnis Phase II. zwischen der Streuung innerhalb und zwi- schen den Klassen anzeigt (vgl. Backhaus Phase II et al. 2008: 432). Der Wert eignet sich so- wohl dafür zu beurteilen, ob überhaupt eine Zunächst werden drei Merkmalskombi- Klassenstruktur vorliegt, als auch, wie viele nationen festgelegt, deren Ergebnisse im Klassen sinnvoll gebildet werden können. weiteren Verlauf systematisch miteinander Ergänzend dazu werden Klassenzahlen verglichen werden sollen: untersucht, die mithilfe des Dendrogramms a. alle sieben Variablen ermittelt wurden. b. nur die vier Erreichbarkeitsvariablen 4.2.2 Prüfung verschiedener c. nur die drei Dichte- bzw. Mischungsva- Klassifikationen riablen

Die Auswahl und Prüfung einzelner Ele- Mithilfe des Single-linkage-Verfahrens (in mente der Custeranalyse (Algorithmen, Kombination mit zwei Distanzmaßen) wer- etc.) und der Klassifikationsvarianten als den in jeder Merkmalskombination (a, b, c) Ergebnisse der Berechnungen erfolgt ite- Ausreißer identifiziert. Raumeinheiten, die rativ. Das Vorgehen besteht aus drei Pha- von mehr als einer dieser Berechnungen sen, in denen die Anzahl der in die engere als Ausreißer identifiziert werden, gehen Auswahl kommenden Klassifikationsvari- nicht in die im Folgenden beschriebenen anten sukzessive eingeschränkt wird. Als Clusterberechnungen ein. Für die verblei- statistische Software wird STATA (Stata- benden Raumeinheiten werden die oben Corp. 2011) verwendet. genannten Kombinationen von Algorith- men (außer Single-linkage) und Distanz- Phase I maßen Klassifikationsvarianten berechnet, wobei nur die quadrierte euklidische Di- In einem ersten Screening von Klassifika- stanz zu deutlichen Ergebnissen führt. In tionsvarianten werden die grundsätzliche die genauere Prüfung geht jeweils min- Eignung, das Verhalten der Kombinationen destens eine Variante ein, deren Cluster- von Clusteralgorithmen und Distanzma- zahl mithilfe des Dendrogramms bestimmt ßen, sowie Veränderungen bei variierender wird, und eine Variante mit einer Cluster- Klassenzahl untersucht. Bei der Beur- zahl nach der Stopping rule. Die auf diese teilung der Klassifikationen werden zwei Weise generierten Klassifikationen werden Maßstäbe herangezogen. Anhand von wieder anhand von Boxplots und GIS-Dar- Boxplots wird geprüft, ob die Differenzie- stellung inhaltlich beschrieben, wobei auch rung der Klassen und die Zuordnung der die modellhafte Vorstellung der Regions- Fälle inhaltlich sinnvoll beschreibbar ist.34 struktur als Bewertungsmaßstab herange- Die Klassifikationen werden graphisch in zogen wird. GIS dargestellt und abermals inhaltlich be- schrieben. Dabei erweisen sich das Ave- Die Klassifikationen sind sehr unterschied- rage-Linkage und K-means-Verfahren als lich; einige differenzieren das Umland vielversprechend, zumal über Ward und stark, die Stadt aber nicht. Andere machen Complete-Linkage teilweise keine Lösun- es umgekehrt. Wenn die gesamte Region gen gefunden werden, wenn alle sieben differenziert ist, gibt es starke Unterschiede Variablen eingestellt werden. Vermutlich im Detail (Grenze von Achsen, der Innen- liegt das daran, dass diese Verfahren ver- stadt,…) und die Zahl der differenzierten suchen, gleich große Klassen zu bilden, Cluster variiert stark. Weil die Lösungen so die Klassen der Untersuchungsregion aber unterschiedlich sind, erscheint die Auswahl einer einzigen Klassifikation willkürlich, so dass ein anderer Weg zur Bestimmung der 34 Als Beispiel einer ausführlich dargestellten inhalt- Clustereinteilung gewählt wird: lichen Beschreibung vgl. Abschnitt. 4.3 58

Die nähere Untersuchung der verschiede- „„starke Differenzierung mit unterschiedli- nen Klassifikationsvarianten ergibt, dass chen Ergebnissen im gesamten Unter- einige Grenzen zwischen Räumen stabiler suchungsraum sind als andere, sie tauchen in der graphi- „„Eindeutigkeit der Clusterzahl nach Den- schen Darstellung nicht in jeder Klassifi- drogramm und Stopping rule kation, aber immer wieder auf. Auf dieser Erkenntnis baut die folgende Idee auf: Bei der Auswahl wird bewusst darauf ge- Aus den verschiedenen, für sich plausib- achtet, verschiedene, sich im Einzelergeb- len Klassifikationen werden die Gemein- nis widersprechende Lösungsvarianten samkeiten systematisch herausgearbeitet. einzubeziehen. Die Gefahr, dass unbe- Hierzu werden je Variablengruppe (a, b, absichtigt nur Lösungen ausgewählt wer- und c) drei Klassifikationsvarianten ausge- den, die einer persönlichen Vorstellung wählt, die sich nach formalen und inhaltli- der Region des Forschenden am nächsten chen Kriterien unterscheiden: kommen, soll auf diese Weise minimiert werden. Auswahl nach formalen Kriterien: „„mindestens zwei verschiedene Cluste- Die neun ausgewählten Klassifikationsvari- ralgorithmen je Variablengruppe anten (Tabellen 4 und 5) werden graphisch übereinander gelegt. Das heißt, jede Klas- „„mindestens zwei verschiedene Distanz- sifikation wird mit einer einheitlichen Farb- maße je Variablengruppe skala und einem Neuntel Transparenz „„möglichst variantenreiche Anzahl von gleichzeitig mit den anderen Varianten Clustern übereinanderliegend dargestellt. Die trans- parenten Farben ermöglichen, dass die un- Auswahl nach inhaltlichen Kriterien: teren Schichten bis oben hin durchscheinen „„starke Differenzierung im Umland (Abbildung 15), die Reihenfolge der Layer hat also keine Auswirkung auf das Ergeb- „„starke Differenzierung im Stadtgebiet nis. Die Zuordnung zu Clustern erfolgt per

Tabelle 4: Zur Ermittlung der finalen Klassifikation der Stadtregion Hamburg verwendete Klassifikationsvarianten.

Variablen Clusteralgorithmus Distanzmaß Anzahl Cluster Alle Variablen Average Linkage Euklidische Distanz 5 Average Linkage City-Block 4 K-means City-Block 5 Nur Erreichbarkeit Complete Linkage City-Block 3 Ward City-Block 3

Hamburg Average Linkage Euklidische Distanz 4 Nur Dichte/Mischung K-means Euklidische Distanz 5 Complete Linkage City-Block 4 Ward City-Block 5 Quelle: eigene Darstellung.

Tabelle 5: Zur Ermittlung der finalen Klassifikation der Stadtregion Leipzig verwendete Klassifikationsvarianten.

Variablen Clusteralgorithmus Distanzmaß Anzahl Cluster Alle Variablen K-means City-Block 7 Average Linkage Euklidische Distanz 5 Average Linkage Euklidische Distanz 3 Nur Erreichbarkeit Average Linkage Euklidische Distanz 7 Complete Linkage City-Block 6

Leipzig Ward City-Block 3 Nur Dichte/Mischung Complete Linkage City-Block 6 Ward City-Block 6 K-means Euklidische Distanz 5 Quelle: eigene Darstellung. 59

Abbildung 15: Neun Klassifikationsvarianten transparent übereinanderliegend zur Bestimmung der finalen Klassifikation, Stadtregionen Hamburg und Leipzig.

Hamburg Leipzig

1

2 3 4

2 34

5 5 1

6 ± 6 10 7 Kilometer Legende Klassifizierung der Ausgewählte Gemeinden 8 Raumeinheiten Hamburg Leipzig Verkehrs- 1 Stade 1 Delitzsch 0 sparsam 2 Elmshorn 2 Eilenburg 3 Kaltenkirchen 3 Bennewitz 4 Bad Oldesloe 4 Wurzen 5 Mölln 5 Grimma 6 Buxtehude 6 Borna 7 Geesthacht ± Verkehrs- aufwendig 8 Winsen (Luhe) 10 1 Administrative Stadtgrenze Kilometer Nicht klassifiziert Grenze Fallregion

Quelle: eigene Darstellung. Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009.

Hand auf Grundlage der Farbabstufungen. einzelnen Klassen und stellt sie der einge- Die auf diese Weise generierten Lösungs- speisten Klassifikation gegenüber (Klassi- varianten werden anhand von Box-Plots fikationsmatrix). Aus diesem Vergleich wird inhaltlich wie vorher die einzelnen Klassi- eine Fehlerquote der im Sinne der Diskri- fikationsvarianten geprüft. Bei jeder Raum- minanzfunktion „falsch“ klassifizierten Ein- einheit, die bei mindestens einer Variablen heiten berechnet. Raumeinheiten, deren einen im Boxplot erkennbaren Ausreißer Zuordnung nicht eindeutig ist, werden nun erzeugt, wird die Zuordnung im Einzelfall per Hand iterativ verschiedenen Klassen geprüft. Dabei geht es meist um Grenzfälle zugeordnet. Die Auswirkung der Verän- zwischen inhaltlich benachbarten Raumty- derung auf die Gütemaße der abermals pen. durchgeführten Diskriminanzanalyse wird untersucht. Dieses Vorgehen ermöglicht auch, die in Phase I als Ausreißer aus der Phase III Clusteranalyse ausgeschlossenen Raum- einheiten den Klassen zuzuordnen, die die Die aus den jeweils neun Klassifikations- ähnlichsten Werte aufweisen. Die Gütein- varianten per Hand generierten Klassifika- dikatoren werden nach jeder Änderung der tionen werden im nächsten Schritt mithilfe Zuordnung erneut berechnet, gleichzeitig einer Diskriminanzanalyse statistisch ge- werden zur inhaltlichen Prüfung Boxplots prüft. Die Diskriminanzanalyse ermöglicht aller Varianten gegenübergestellt. Aussagen über die Trennschärfe der ge- fundenen Klassen mithilfe des inversen Der Tabelle 6 ist zu entnehmen, dass die Gütemaßes Wilks-Lambda (vgl. Backhaus Kennwerte aller aufgelisteten Varianten et al. 2008: 182, 204, 442). Sie schätzt zufriedenstellend sind. Die Fehlerquote in die Zuordnung der Raumeinheiten zu den Hamburg liegt unter 5 %, in einer Varian- 60

Tabelle 6: Statistische Vergleichswerte der gewählten Klassifikation (fett) und zweier Vergleichsvarianten, Stadtregionen Hamburg und Leipzig.

Klassifikationsvariante Fehlerquote Wilks-Lambda Hamburg Leipzig Hamburg Leipzig Ergebnis Klassifizierung Phase II 4,5 % 7,5 % 0.0033 0.0020 Variante 1: 4,6 % 10,1 % 0.0033 0.0024 In Hamburg werden 10, in Leipzig 3 bisher nicht zugeordnete Raum- einheiten zugeordnet, jeweils eine Raumeinheit wird umsortiert. Variante 2: 2,9 % 3,6 % 0.0029 0.0013 Einzelne Zuordnungen werden im Sinne der geschätzten Zugehörigkeit geändert. Quelle: eigene Darstellung.

te wird diese Quote auch für die Stadtre- Anhand der Boxplots ist erkennbar, dass gion Leipzig erreicht. Für Hamburg wird die namensgleichen Raumtypen beider nicht die nach statistischen Kriterien be- Städte hinsichtlich der Ausprägungen der ste Klassifikation gewählt, sondern ein Variablen nicht deckungsgleich sind. Das Kompromiss. Für die statistisch bessere ist auch nicht zu erwarten, da voneinander Variante 2 müssten in Hamburg 16 Raum- unabhängige Clusteranalysen durchgeführt einheiten gegenüber dem Ergebnis des worden sind und regionale Unterschiede Verfahrens in Phase II geändert werden, bestehen, die sich auf die Clusterergeb- bei häufig geringen und nicht eindeutigen nisse auswirken. So ist beispielsweise in Zuordnungswahrscheinlichkeiten der Klas- Leipzig ein zusätzlicher innerstädtischer sifikationsmatrix. Hier besteht also über Raumtyp äußerer Innenstadtrand abzu- die statistischen Kennzahlen hinaus ein grenzen. Dennoch ist in beiden Stadtregio- Abwägungsbedarf nach inhaltlichen Krite- nen eine eindeutige Abstufung der Werte rien, der in den meisten Fällen gegen eine zwischen den einzelnen Raumtypen zu Neuzuordnung spricht. In Leipzig dagegen erkennen, die sich für beide Stadtregionen wird ein großer Effekt erzielt, indem die einheitlich beschrieben lässt. Für fast alle Zuordnung von nur vier Raumeinheiten in Raumtypen ist eine deutliche Hierarchie eindeutiger Richtung vorgenommen wird. hinsichtlich der Verkehrssparsamkeit zu Daher wird als finale Klassifikation für Leip- erkennen, in Abbildung 16 sind die Raum- zig die Variante 2, für Hamburg die Varian- typen mit von links nach rechts abneh- te 1 gewählt. mender Verkehrssparsamkeit dargestellt. Der Median bzw. die Perzentil-Box jeder einzelnen Variable zeigt Schritt für Schritt 4.3 Die Raumtypen der eine geringere oder zumindest unverän- derte Verkehrssparsamkeit hinsichtlich gewählten Klassifikation des jeweiligen Indikators an, es gibt kaum Sprünge in entgegengesetzter Richtung. Ein wesentlicher Schritt zur Überprüfung Die einzige Ausnahme bilden der Stadt- der Plausibilität der Ergebnisse von Clu- rand und die Umlandzentren. Bei ihnen ist steranalysen ist, die Klassen inhaltlich als zu erkennen, dass nach den Dichte- und Typen zu beschreiben (vgl. Backhaus et Mischungsvariablen die Umlandzentren al. 2008: 445). Dabei sollten auch „pas- als verkehrssparsamer eingeordnet wer- sive“ Variablen herangezogen werden, den müssten, nach den Erreichbarkeitsva- die nicht in der Clusteranalyse verwendet riablen jedoch der Stadtrand. Sie werden wurden (vgl. Jensen 2008: 360, 363). Ein in der Hierarchie daher auf derselben Stufe solch „passiver“ Aspekt ist in diesem Fall eingeordnet. Die Tabelle 7 stellt die Hierar- eine Einschätzung darüber, inwieweit in chie der Raumtypen vor und charakterisiert den Raumtypen ein Leben ohne bzw. mit sie kurz, Abbildung 17 zeigt eine räumliche nur einem Pkw je Mehrpersonenhaushalt Darstellung der finalen Raumtypen. möglich ist. Bei der Benennung der Cluster wird auf die modellhafte Vorstellung der Eine zusammenfassende Darstellung der Stadtregion zurückgegriffen, um die intui- Variablenwerte in ihrer ursprünglichen Ein- tive räumliche Vorstellung zu unterstützen. heit (also nicht normalisiert oder invertiert) Die Boxplots (Abbildung 15), zeigen die sowie zwei Listen mit der Zuordnung der Ausprägungen der bekannten Variablen Raumeinheiten zu Raumtypen ist im An- für die einzelnen Raumtypen der finalen hang zu finden. Klassifikation. 61

Abbildung 16: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach Raumtypen der finalen Klassifikation, Stadtregionen Hamburg und Leipzig im Vergleich.

Hamburg Leipzig 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 v.-sparsam --> v.-aufwendig v.-sparsam --> v.-aufwendig 0 0

City

Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren

ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 v.-sparsam --> v-aufwendig v. -sparsam --> v-aufwendig 0 0

Innenstadt Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren äuß. Innenstadtr.

Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Versorgung/Einzelhandel Versorgung/Einzelhandel

Quelle: eigene Auswertung. In der Klassifizierung nicht enthalten sind in der Region Hamburg die Raumeinheiten: Sachsenwald, Billbrook, Steinwer- der, Waltershof und Altenwerder, in der Region Leipzig: Günthersdorf.

Tabelle 7: Hierarchie der Raumtypen und Beschreibung ihrer Merkmale.

Hierarchie der Raumtypname Beschreibung Verkehrsspar- samkeit Peripherie Die Peripherie ist durch eine sehr geringe Siedlungs- und Arbeitsplatzdichte, fehlende verkehrs- nahräumliche Versorgung, schlechte ÖV-Erreichbarkeit von Zentren und Arbeitsplätzen aufwendig gekennzeichnet. Den Alltag ohne eigenen Pkw zu gestalten, ist hier sehr aufwendig bis nicht möglich. ÖV-Achse Die ÖV-Achsen unterscheiden sich von der Peripherie insbesondere im Hinblick auf die ÖV- und Rad-Erreichbarkeit von Versorgungzentren- und Arbeitsplätzen. Die Alltagsge- staltung ohne oder mit nur einem Pkw je Mehrpersonenhaushalt ist hier zwar nicht be- quem, aber denkbar. Umlandzentrum, Die Umlandzentren und der Stadtrand sind vergleichsweise heterogene Räume. Es gibt Stadtrand kleine Bereiche unterhalb der Gemeinde und Stadtteilebene, die an die nahräumliche Versorgung des Innenstadtrands heranreichen. Gleichzeitig gibt es große Bereiche, die nur leicht höhere Werte der genannten Indikatoren als die ÖV-Achsen aufweisen. Eine Alltagsgestaltung mit möglichst wenig Pkw-Fahrten ist zwar recht gut möglich, insbeson- dere in Verknüpfung mit dem Rad, sie drängt sich in diesen Raumtypen aber auch nicht auf, auch weil Pkw-Restriktionen fehlen (z. B. keine Parkplatzknappheit). äußerer Die Innenstadt, der Innenstadtrand und der äußere Innenstadtrand* bieten in Abstufun- Innenstadtrand* gen gute Möglichkeiten nahräumlicher Versorgung und die besten ÖV-Erreichbarkeits- verkehrs- qualitäten der Region. Hier bestehen in vielen Bereichen Restriktionen gegenüber der Innenstadtrand, sparsam Pkw-Nutzung aufgrund des Parkdrucks infolge der hohen Dichte. Die Innenstadt ist der Lüneburg verkehrssparsamste Raumtyp. Innenstadt Quelle: eigene Auswertung *nur Leipzig 62

Abbildung 17: Raumtypen der Stadtregionen Hamburg und Leipzig, finale Klassifikation. Kilometer Leipzig 1 Delitzsch 2 Eilenburg 3 Bennewitz 4 Wurzen 5 Grimma 6 Borna 5 10 34 ± 2 Administrative Stadtgrenze Grenze Fallregion Ausgewählte Gemeinden Hamburg 1 Stade 2 Elmshorn 3 Kaltenkirchen 4 Bad Oldesloe 5 Mölln 6 Buxtehude 7 Geesthacht 8 Winsen (Luhe) 6 1 Nicht klassifiziert Umlandzentren ÖV-Achse Peripherie Innenstadt Innenstadtrand Äußerer Innenstadt- rand (nur Leipzig) Stadtrand Raumtyp Legende Leipzig Verkehrs- aufwendig Verkehrs- sparsam 5 5 Lüneburg 7 7 4 4 8 8 3 3 6 6 2 2 Kilometer 1 1 10 ± Hamburg

Quelle: eigene Auswertung. Grundlage Gebiete: Geo-Basis-DE/BKG: 2009. 63

5 Schluss

Anlass der in diesem Working Paper vor- genschaften auf das Verkehrshandeln gestellten Arbeit zur verkehrswissenschaft- werden Räume ausschließlich aufgrund lich orientierten Typisierung von Räumen dieser Eigenschaften abgegrenzt, ohne war das Problem, dass bestimmte sied- das tatsächliche Verkehrshandeln der lungsstrukturelle Eigenschaften, die für das Bewohner der jeweiligen Raumeinheit individuelle Verkehrshandeln sehr wichtig einzubeziehen. Es geht dabei darum, sind, bei verfügbaren Raumtypisierungen Räume zu identifizieren, die bestimmte nicht oder nur ungenügend berücksichtigt Handlungsweisen ermöglichen, unab- werden. In diesen Raumtypen kann eine hängig davon, inwieweit diese Möglich- kausale Verknüpfung der siedlungsstruktu- keiten in der klassifizierten Raumeinheit rellen Eigenschaften mit dem Verkehrshan- aktuell genutzt werden. deln nur bedingt angenommen werden. Die „„Stadtregionale Betrachtungsweise: hier vorgestellte Klassifikation der Räume Die deutschlandweit verfügbaren innerhalb von Stadtregionen unterscheidet Raum­typisierungen (s. o.) differenzie- sich daher von anderen darin, dass sie ver- ren entweder das Stadtgebiet oder das kehrswissenschaftlich relevanten Kriterien Umland von Stadtregionen. Die vorlie- folgt. Außerdem wird die Stadtregion als gende Raumtypisierung untergliedert Ganzes klassifiziert, also unabhängig von die gesamte Stadtregion anhand ein- Kreis- oder Landesgrenzen, so dass eine heitlicher Kriterien, damit es möglich ist für die gesamte Stadtregion konsistente verkehrsaufwendige Strukturen auf dem Hierarchie mehrerer Raumtypen entstehen administrativen Stadtgebiet sowie ver- kann. Hervorzuhebende Eigenschaften der kehrssparsame Strukturen im Umland vorliegenden Raumtypisierung sind: identifizieren und einordnen zu können. „„Verkehrswissenschaftlicher Ansatz: Dieser Anspruch erfordert Kompromisse Die vorliegende Raumtypisierung spie- bei der Wahl der Analyseeinheit und gelt die Verkehrssparsamkeit eines der Daten, die im Umland mindestens Raumes wider. Die Verkehrssparsam- auf Gemeindeebene und für die Stadt keit eines Raumes ergibt sich aus mindestens auf Stadtteilebene verfüg- dem siedlungsstrukturellen Rahmen, bar sein müssen. Außerdem muss auf der definiert, inwieweit ein Bewohner kleinräumige primärstatistische Ana- des Raumes seinen Alltag so organi- lysen beispielsweise zur Qualität fuß- sieren kann, dass er möglichst wenig läufiger Verbindungen oder öffentlicher MIV-Aufwand erzeugt und möglichst Räume verzichtet werden, weil diese weitgehend den NMV nutzt, ohne auf mit vertretbarem Aufwand nicht für die die Ausübung gewünschter Aktivitäten gesamte Region durchgeführt werden verzichten zu müssen. Dabei ergänzen können. Die Raumtypisierung ist also sich verschiedene siedlungsstrukturelle ein Kompromiss zwischen kleinräumiger Eigenschaften komplementär, so dass Genauigkeit und stadtregionaler Gültig- es notwendig ist, eine Gesamtbetrach- keit. Das bedeutet auch, dass sie nur tung verschiedener Eigenschaften bedingt für Fragestellungen geeignet ist, vorzunehmen. Im ursprünglichen, von die sich mit Ausschnitten der Stadtregi- Holz-Rau und Kutter (1995) entwickel- on beschäftigen. ten Ansatz zur Identifizierung verkehrs- „„Abbilden hierarchischer Abstufun- sparsamer Siedlungsstrukturen werden gen von Verkehrssparsamkeit: die Eigenschaften dieser Strukturen aus In räumlichen Analysen mit Verkehrsbe- dem Verkehrshandeln ihrer Bewohner zug ist häufig eine einfache Einteilung hergeleitet. Er ist ein eher analytisch- in Stadt und Umland bzw. verkehrs- vergleichender Ansatz mit dem Ziel, sparsame und verkehrsaufwendige Handlungsempfehlungen zur Gestal- Räume zu finden. In der wissenschaft- tung der Siedlungsstruktur für die Stadt lichen Diskussion wird immer wieder und Verkehrsplanung zu geben. Der erwähnt, dass die dichotome Stadt- hier verfolgte Ansatz geht dagegen den Land-Betrachtung für viele Analysen umgekehrten Weg. Aus den empiri- nicht mehr ausreichend ist. Daher ist es schen und theoretischen Erkenntnissen ein Anliegen der vorliegenden Raumty- zur Wirkung siedlungsstruktureller Ei- 64

pisierung, hierarchische Abstufungen werden können. Um diesbezüglich eine der Verkehrssparsamkeit abzubilden. Einschätzung geben zu können, wird die Die Räume werden in eine mehrstufige entwickelte Klassifikation mit drei Kombi- Skala von „sehr verkehrssparsam“ bis nationen deutschlandweit frei verfügbarer „sehr verkehrsaufwendig“ eingeordnet. Raumtypisierungen verglichen, von denen Aufgrund der inneren Heterogenität der eine besonders einfach zu verwenden ist einzelnen Raumeinheiten sind der Fein- und die beiden anderen hinsichtlich der gliedrigkeit dieser Skala von vornherein formulierten modellhaften Vorstellung ei- Grenzen gesetzt, denn theoretisch muss ner Stadtregion als konzentrische Region der verkehrsaufwendigste Bereich einer mit Achsen und Subzentren der eigenen Raumeinheit noch verkehrssparsamer Klassifikation ähnlich zu sein scheinen. sein als der verkehrssparsamste Be- reich der nächsten Hierarchiestufe. Weil Aus der IRB-Klassifikation (BBSR/IRB dies praktisch kaum möglich ist, gibt 2014) wird die Innere Stadt und der Stadt- es zwischen den Raumtypen natürlich rand als innergemeindliche Untergliede- Überschneidungen. Diese sind beson- rung der Städte Hamburg und Leipzig ders in den Raumtypen Umlandzentren verwendet. In Hamburg werden die beiden und Stadtrand zu finden, aber auch Bezirkszentren Harburg und Bergedorf per bei großflächigen Gemeinden der ÖV- Hand dem IRB-Raumtyp Innere Stadt zu- 35 Achsen. In jedem Fall kann davon aus- geordnet. Bei der Untergliederung des gegangen werden, dass der Raumtyp Umlands werden drei Varianten untersucht: der übernächsten Stufe einen deutlich „„Die BIK-Strukturtypen (Aschpurwis anderen Rahmen für das Verkehrshan- & Behrens 2009), werden übernom- deln bietet, so dass verschiedene Wir- men, der nicht in der IRB-Klassifikation kungsrichtungen auch deutlich messbar enthaltene Kernbereich (an Hamburg sein müssten. angrenzende Gemeinden) wird dem „„Besondere Schwierigkeiten: IRB-Stadtrand zugeordnet. Obwohl es eine Reihe von Veröffentli- „„Die 17er Gemeindetypen des BBSR chungen zum Zusammenhang zwischen (BBSR 2009) werden so zusammenge- Siedlungsstruktur und Verkehrshandeln fasst, dass es im Umland nur die Klas- gibt, war es vergleichsweise schwierig, sen Zentren (Mittel und Oberzentren) konkrete Anhaltspunkte, Grenz- oder und sonstige Gemeinden gibt. Die in der Orientierungswerte für die Bildung von Klassifikation bestehende Unterschei- Raumtypen zu finden. In Bezug auf den dung nach Verdichtungsbereichen wird Einfluss von Freiräumen auf das (Frei- damit nicht übernommen, um nicht zu zeit-) Verkehrshandeln ist die Quellen- viele kleine Klassen zu generieren. lage so schlecht bzw. die Möglichkeiten zur Operationalisierung siedlungsstruk- „„Gemeindegrößenklassen: 4 Gemein- tureller Eigenschaften so vielfältig, dass degrößenklassen in Leipzig und 5 dieser relevante Aspekt nicht als Indi- Gemeindegrößenklassen in Hamburg 36 kator in die Raumtypisierung eingehen differenzieren das Umland konnte. Auf diese Weise entstehen für jede Stadt Zu Beginn der Arbeit an der Raumtypi- die Raumtypen-„Patchworks“ BIK-Struktur- sierung stand ursprünglich auch die Idee, typ/IRB, BBSR-Gemeindetypen/IRB und ein möglichst einfaches Verfahren zu ent- Gemeindegrößenklassen/IRB. wickeln, das sich ohne großen Aufwand auf andere Räume übertragen lässt. Die Zum Vergleich dieser Klassifikationen mit Ausführungen in den vorangegangenen der eigenen Klassifikation werden die ein- Kapiteln haben jedoch gezeigt, dass die- zelnen Raumtypen anhand der in Kapitel ser Anspruch nicht erreicht werden konnte. 3 identifizierten verkehrswissenschaftlich Insbesondere Variablen, die Zahlen zu Ar- relevanten Kriterien geprüft, wobei die beitsplätzen je Stadtteil enthalten, sind nur in Abschnitt 4.1 beschrieben Variablen mit verhältnismäßig großem Aufwand re- produzierbar. Vor diesem Hintergrund stellt 35 Mit dieser Veränderung werden die unten darge- stellten statistischen Gütemaße besser. sich die forschungsökonomische Frage, ob 36 Leipzig: 0–2500 EW, über 2500–5000 EW, über der Aufwand überhaupt gerechtfertigt war 5000–10000 EW, über 10000–30000 EW; Ham- oder ob nicht doch mithilfe einer Kombina- burg: 0–2500 EW, über 2500–5000 EW, über tion vorhandener Raumeinteilungen ähn- 5000–10000 EW, über 10000–25000 EW, über 25000–50000 EW, Bevölkerungszahlen von lich gut nutzbare Klassen hätten gebildet 2007, Datenquelle: BIK Raumtypen. 65

verwendet werden: Wenn die Raumty- Tabelle 8: Statistische Vergleichswerte der eigenen Klassifikation und anderen Raumty- penpatchworks sinnvoll für ähnliche Fra- pisierungen. gestellungen wie die eigene Typisierung Klassifikation Fehlerquote Wilks-Lambda einsetzbar sein sollen, müssen sie anhand dieser Kriterien erkennbare Unterschiede Hamburg Leipzig Hamburg Leipzig bzw. Gemeinsamkeiten aufweisen. Die eigene Klassifikation 4,7 % 5,4 % 0,0041 0,0015 Qualitätskriterien sind – wie bei der eige- BIK/IRB 27,5 % 22,5 % 0,0522 0,0501 nen Raumtypisierung – eine möglichst BBSR/IRB 10,3 % 15,2 % 0,0614 0,0527 geringe Streuung der Variablenausprä- Gemeindegrößenklassen/IRB 23,9 % 25,5 % 0,0525 0,0460 gungen innerhalb der Raumtypen und möglichst große Unterschiede zwischen Quelle: eigene Auswertung. Datengrundlagen: BIK-Strukturtypen, 17er Gemeindetypen des BBSR, IRB-Klassifikation des BBSR. den Raumtypen. Diese Abgrenzung wird mit Hilfe einer Diskriminanzanalyse unter- sucht, die statistischen Kennwerte werden verglichen (Tabelle 8). Boxplots machen den Vergleich anschaulich (Abbildungen 18 und 19, nächste Seite). Die Werte der eigenen Klassifikation in Tabelle 8 weichen etwas von den in Tabelle 6 dargestellten ab, weil beim Anspielen der BBSR- und BIK-Raumtypen aufgrund geänderter Ge- meindeschlüssel nicht alle Gemeinden berücksichtigt werden konnten, aber die Raumtypisierungen hier auf Grundlage der gleichen Räume verglichen werden sollen.

Die Werte der alternativen Raumtypisie- (ohne Abbildung). Die BBSR/IRB-Variante rungen zeigen deutliche Unterschiede zur hat eine höhere, aber noch moderate Feh- eigenen Klassifikation. Dabei ist die Feh- lerquote als die eigene Klassifikation, die lerquote, also die Abweichung der von der Verteilung der Variablenwerte lässt es zu, Diskriminanzfunktion geschätzten Zuord- drei Hierarchieebenen der Verkehrsspar- nung zur eingespeisten Zuordnung, bei samkeit innerhalb der Stadtregion zu diffe- der BBSR/IRB-Klassifikation noch deutlich renzieren: überwiegend verkehrssparsam, besser als bei den Alternativen BIK/IRB überwiegend nicht verkehrssparsam und und Gemeindegrößenklassen/IRB. Aller- den heterogenen Zwischenraum (Stadt- dings werden bei der BBSR/IRB-Variante rand und Zentren). Die Verwendung dieser nur vier Raumtypen unterschieden, wäh- Klassifizierung für handlungstheoretisch rend die eigene Klassifikation mit minde- orientierte Fragestellungen zur Perso- stens sechs Raumtypen differenzierter ist. nenverkehrsforschung kann als vertretbar bewertet werden, immerhin differenziert Die Darstellung der Boxplots (Abbildun- sie stärker als eine einfache Unterteilung gen 18 und 19) lässt erkennen, dass die in Stadt und Umland. Dennoch wäre es Streuung der Erreichbarkeitsvariablen ins- wünschenswert, diese Klassifizierung mit besondere bei den Raumtypen Stadtrand Erreichbarkeitskennwerten zu überlagern, und Peripherie bei den Raumtypenpatch- um eine bessere Untergliederung des works erkennbar größer ist als bei der ei- Zwischenraumes zu erreichen und ver- genen Klassifikation (Abbildung 16). Die kehrssparsamere Ausnahmen unter den BIK/IRB-Variante differenziert zwar neben sonstigen Gemeinden zu identifizieren. zwei städtischen Raumtypen auch drei Bei letzteren sind auffällig viele Ausreißer Raumtypen im Umland, die hohe Streuung der Erreichbarkeitsvariablen erkennbar. der Erreichbarkeitsvariablen in diesen Um- Selbst wenn nur einfache Erreichbarkeiten land-Raumtypen zeigt jedoch, dass diese verwendet werden und beispielsweise auf Klassifizierung für Fragen der Verkehrs- die Arbeitsplatzerreichbarkeit verzichtet forschung nur bedingt geeignet ist. Glei- wird, sind wesentlich bessere Klassifizie- ches gilt für die Gemeindegrößenklassen rungsergebnisse im Umland zu erwarten. 66

Abbildung 18: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach BBSR/IRB und BIK/IRB-Raumtypen, Stadtregion Hamburg.

BBSR/IRB BIK/IRB 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig

IRB Stadtrand IRB Innere Stadt IRB Stadtrand BBSR Zentren IRB Innere Stadt BIK ÜbergangsbereichBIK Peripherer Bereich sonstige Gemeinden BIK Verdichtungsbereich

ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig

IRB Innenstadt IRB Stadtrand IRB Stadtrand BBSR Zentren IRB Innere Stadt BIK ÜbergangsbereichBIK Peripherer Bereich sonstige Gemeinden BIK Verdichtungsbereich

Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Versorgung/Einzelhandel Versorgung/Einzelhandel 67

Abbildung 19: Ausprägungen der in die Clusteranalyse eingegangenen Variablen nach BBSR/IRB und BIK/IRB-Raumtypen, Stadtregion Leipzig

BBSR/IRB BIK/IRB 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig

IRB Stadtrand IRB Innere Stadt IRB Stadtrand BBSR Zentren IRB Innere Stadt BIK ÜbergangsbereichBIK Peripherer Bereich sonstige Gemeinden BIK Verdichtungsbereich

ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Mittelz. Raderreichbarkeit Mittelz. ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze ÖV-Erreichbarkeit Oberz. Erreichbarkeit Arbeitsplätze 1 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig 0 v.-sparsam --> v.-aufwendig

IRB Stadtrand IRB Innere Stadt IRB Stadtrand BBSR Zentren IRB Innere Stadt BIK ÜbergangsbereichBIK Peripherer Bereich sonstige Gemeinden BIK Verdichtungsbereich

Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Siedlungsdichte räuml. Arbeitsplatzdichte Versorgung/Einzelhandel Versorgung/Einzelhandel 68

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Anhang

Anhang I

Siedlungsdichte je Raumtyp, Stadtregion Hamburg Siedlungsdichte je Raumtyp, Stadtregion Leipzig 300 250 200 200 150 100 100 50 Einwohner je ha Siedlungsfläche Einwohner je ha Siedlungsfläche 0 0

Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren äuß. Innenstadtr.

Versorgung/Einzelhandel,Title Stadtregion Hamburg 1 Versorgung/Einzelhandel, Stadtregion Leipzig 1 .8 .8 .6 .6 .4 .4 .2 .2 0 0

Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Lüneburg Stadtrand Anteil nahversorgter Siedlungsfläche an Innenstadt ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Innenstadtrand Anteil nahversorgter Siedlungsfläche an Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren äuß. Innenstadtr.

Räumliche Arbeitsplatzdichte, Stadtregion Hamburg* Arbeitsplatzerreichbarkeit (Hauptverkehrszeit, ÖV, Rad) 40 in vordefinierter Reisezeit erreichbare Arbeitsplätze, 300000 Stadtregion Hamburg* 30 200000 20 100000 10 Anzahl erreichbarer Arbeitplätze 0 0 Arbeitsplätze je ha Siedlungs- und Gewerbefläche

Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie

Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren * Median Raumtyp Innenstadt: 75 Arbeitsplätze/ha * Median Arbeitsplatzerreichbarkeit Raumtyp Innenstadt: 354.195 76 Title Title

ÖV-Erreichbarkeit OberzentrumTitle (Nebenverkehrszeit), ÖV-Erreichbarkeit Oberzentrum (Nebenverkehrszeit), Stadtregion Leipzig 200 Stadtregion Hamburg Title 150 150 100 100 50 50 Empfundene Reisezeit (ÖV) in Minuten Empfundene Reisezeit (ÖV) in Minuten 0 0

City

Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren

ÖV-Erreichbarkeit lokale Zentren (Nebenverkehrszeit), ÖV-Erreichbarkeit lokale Zentren (Nebenverkehrszeit), Stadtregion Hamburg Stadtregion Leipzig 100 100 80

60 Title 50 40 20 Empfundene Reisezeit (ÖV) in Minuten Empfundene Reisezeit (ÖV) in Minuten 0 0

City

Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Title Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren

Erreichbarkeit lokale Zentren (Straßenkilometer), Stadtregion Hamburg

25 Erreichbarkeit lokale Zentren (Straßenkilometer), Stadtregion Leipzig 25 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 Entfernung zu lokalen Zentren (Straßenkilometer) Entfernung zu lokalen Zentren (Straßenkilometer)

Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innenstadt Lüneburg Stadtrand ÖV-Achse Peripherie Innere Stadt Innenstadtrand Umlandzentren Innenstadtrand Umlandzentren äuß. Innenstadtr. 77

Anhang II

Raumtypen Stadtregion Hamburg Raumtypen Stadtregion Hamburg Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Agathenburg ÖV-Achse Bokholt-Hanredder ÖV-Achse Ahrensburg Stadtrand Borgfelde Innenstadt Allermöhe Stadtrand Borstel Peripherie Alsterdorf Innenstadtrand Borstel-Hohenraden ÖV-Achse Alt Mölln ÖV-Achse Borstorf Peripherie Altengamme Peripherie Braak ÖV-Achse Altenwerder kein Raumtyp Brackel Peripherie Altona Altstadt Innenstadt Bramfeld Stadtrand Altona Nord Innenstadt Brande-Hörnerkirchen Peripherie Alveslohe ÖV-Achse Breitenfelde ÖV-Achse Stadtrand ÖV-Achse Apensen Peripherie Brunstorf Peripherie Appel Peripherie Bröthen Peripherie ÖV-Achse Buchholz in der Nordheide ÖV-Achse Armstedt Peripherie Buchhorst Peripherie Artlenburg Peripherie ÖV-Achse Asendorf Peripherie Buxtehude Umlandzentren Aumühle ÖV-Achse Bälau ÖV-Achse Bad Bramstedt Peripherie Bönningstedt ÖV-Achse Bad Oldesloe Umlandzentren Börnsen ÖV-Achse Bahrenfeld Innenstadtrand Büchen Peripherie Bahrenhof Peripherie Cranz ÖV-Achse Bardowick ÖV-Achse Curslack ÖV-Achse Bargfeld-Stegen Peripherie Dahmker Peripherie ÖV-Achse Dalldorf Peripherie Bark Peripherie Dassendorf Peripherie Barmbek Nord Innenstadt Stadtrand Barmbek Süd Innenstadt Dohren Peripherie Peripherie Dollern Peripherie Barnitz ÖV-Achse Drage ÖV-Achse Barsbüttel ÖV-Achse Drestedt ÖV-Achse Barum Peripherie Dulsberg Innenstadtrand Basedow Peripherie Duvensee Peripherie Basthorst Peripherie Duvenstedt ÖV-Achse Bebensee ÖV-Achse Egestorf Peripherie Beckdorf Peripherie Eidelstedt Stadtrand Bendestorf ÖV-Achse Eilbek Innenstadt Bergedorf Stadtrand Eimsbüttel Innenstadt Bergstedt Stadtrand Eißendorf Stadtrand Bevern ÖV-Achse Ellerau Peripherie Billbrook kein Raumtyp ÖV-Achse Billstedt Innenstadtrand ÖV-Achse Billwerder Stadtrand Elmenhorst (Lauenburg) Peripherie Peripherie Elmenhorst () ÖV-Achse Bimöhlen Peripherie Elmshorn Umlandzentren Blankenese Stadtrand Eppendorf Innenstadt Bliedersdorf Peripherie Escheburg ÖV-Achse Bokel Peripherie Eyendorf Peripherie 78

Raumtypen Stadtregion Hamburg Raumtypen Stadtregion Hamburg Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Farmsen-Berne Innenstadtrand Harburg Innenstadt Peripherie Hardebek Peripherie Finkenwerder ÖV-Achse Harmstorf ÖV-Achse Fitzen Peripherie Harsefeld Peripherie Francop ÖV-Achse Hartenholm Peripherie Fredesdorf Peripherie Harvestehude Innenstadt Fuhlendorf Peripherie Peripherie Fuhlenhagen Peripherie Peripherie Fuhlsbüttel Innenstadtrand Hasenkrug Peripherie Föhrden-Barl Peripherie Hasenmoor Peripherie Garlstorf Peripherie ÖV-Achse Garstedt Peripherie Hausbruch Umlandzentren Geesthacht Umlandzentren Havekost Peripherie Glinde Stadtrand Heede Peripherie Grabau (Lauenburg) Peripherie Heidenau Peripherie Grabau (Stormarn) ÖV-Achse ÖV-Achse Grande Peripherie Heidmoor Peripherie Grove Peripherie Heimfeld Innenstadtrand Groß Boden Peripherie Heist ÖV-Achse Groß Borstel Innenstadtrand Peripherie Groß Flottbek Innenstadtrand Henstedt-Ulzburg ÖV-Achse Groß Niendorf Peripherie Peripherie Groß Nordende Peripherie Hittbergen Peripherie Groß Offenseth-Aspern ÖV-Achse Hitzhusen Peripherie Groß Pampau Peripherie Hoheluft Ost Innenstadt Großensee Peripherie Hoheluft West Innenstadt Großhansdorf Stadtrand Hohenfelde (Hamburg) Innenstadt Grönwohld Peripherie Hohenfelde (Stormarn) Peripherie Grünendeich Peripherie Hohenhorn Peripherie Guderhandviertel Peripherie Hohnstorf (Elbe) Peripherie Gut Moor Stadtrand Stadtrand Gödenstorf Peripherie Hollenstedt Peripherie Göttin Peripherie Hollern-Twielenfleth ÖV-Achse Gülzow ÖV-Achse Holm ÖV-Achse Güster Peripherie Horn Innenstadtrand Hagen Peripherie Hornbek Peripherie Stadtrand Horneburg ÖV-Achse Halvesbostel Peripherie Hummelsbüttel Stadtrand Hamburg Altstadt Innenstadt Hüttblek ÖV-Achse Hamfelde (Lauenburg) Peripherie Iserbrook Stadtrand Hamfelde (Stormarn) Peripherie Itzstedt Peripherie Hamm Mitte Innenstadtrand Jenfeld Stadtrand Hamm Nord Innenstadtrand Peripherie Hamm Süd Innenstadt Jesteburg ÖV-Achse Hammerbrook Innenstadt Jork Peripherie ÖV-Achse Juliusburg ÖV-Achse Hamwarde ÖV-Achse Kakenstorf ÖV-Achse Handeloh Peripherie Kaltenkirchen Umlandzentren Handorf Peripherie Kankelau Peripherie Hanstedt Peripherie Kasseburg Peripherie 79

Raumtypen Stadtregion Hamburg Raumtypen Stadtregion Hamburg Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Kattendorf ÖV-Achse Peripherie Kayhude Peripherie Möhnsen Peripherie Kirchwerder Peripherie Mölln Umlandzentren Kisdorf ÖV-Achse Mönkloh Peripherie ÖV-Achse Mühlenrade Peripherie Klein Offenseth-Sparrieshoop ÖV-Achse Müssen Peripherie Klein Pampau Peripherie Nahe Peripherie Kleiner Grasbrook Innenstadtrand ÖV-Achse Klostertor Innenstadt Neu Wulmstorf ÖV-Achse Koberg Peripherie Peripherie Kollow ÖV-Achse Neuenfelde ÖV-Achse Krukow ÖV-Achse Neuengamme Peripherie Kröppelshagen-Fahrendorf ÖV-Achse Neuenkirchen Peripherie Krüzen Peripherie Neugraben-Fischbek Umlandzentren Kuddewörde Peripherie Neuland Stadtrand ÖV-Achse Neustadt Innenstadt Kölln-Reisiek ÖV-Achse Neversdorf ÖV-Achse Königsmoor Peripherie Niendorf Stadtrand Köthel (Lauenburg) Peripherie Niendorf/Stecknitz ÖV-Achse Köthel (Stormarn) Peripherie Nienstedten Stadtrand Kükels Peripherie Peripherie Labenz Peripherie Norderstedt Stadtrand Langeln Peripherie Nottensdorf Peripherie Langenbek Stadtrand Nusse Peripherie Langenhorn Stadtrand Nützen ÖV-Achse Langenlehsten Peripherie Ochsenwerder Peripherie Lanze Peripherie Oering Peripherie ÖV-Achse Oersdorf ÖV-Achse Lauenburg/Elbe Peripherie Ohlsdorf Innenstadtrand Leezen Peripherie Osdorf Stadtrand Lemsahl-Mellingstedt ÖV-Achse Peripherie Lentföhrden ÖV-Achse Stadtrand Linau Peripherie Othmarschen Stadtrand Lohbrügge Stadtrand Ottensen Innenstadt Lokstedt Innenstadtrand Otter Peripherie Lurup Stadtrand Stadtrand Peripherie Poggensee Peripherie Lüchow Peripherie Poppenbüttel Stadtrand Lüneburg Lüneburg ÖV-Achse Lütau Peripherie Pölitz ÖV-Achse Lütjensee Peripherie ÖV-Achse Marienthal Innenstadtrand Raa-Besenbek Peripherie Marmstorf Stadtrand Radbruch ÖV-Achse Marschacht Peripherie Rahlstedt Stadtrand Marxen Peripherie Peripherie ÖV-Achse Regesbostel Peripherie Mittelnkirchen Peripherie Stadtrand Moisburg Peripherie Reinfeld (Holstein) ÖV-Achse Moorburg ÖV-Achse Reitbrook Peripherie Moorfleet ÖV-Achse Stadtrand 80

Raumtypen Stadtregion Hamburg Raumtypen Stadtregion Hamburg Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Rethwisch ÖV-Achse Stubben Peripherie Rissen Stadtrand Stuvenborn Peripherie Ritzerau Peripherie Sülfeld Peripherie Roseburg Peripherie Sülldorf Stadtrand Rosengarten Peripherie Talkau Peripherie Rothenburgsort Innenstadtrand (Pinneberg) ÖV-Achse Rotherbaum Innenstadt Tangstedt (Stormarn) Peripherie Rönneburg Stadtrand Tatenberg Peripherie Rümpel ÖV-Achse Tespe Peripherie Sachsenwald, Forstgutsbezirk kein Raumtyp Peripherie Sahms Peripherie Todesfelde Peripherie Salzhausen Peripherie Tonndorf Innenstadtrand Sandesneben Peripherie Toppenstedt Peripherie Sasel Stadtrand ÖV-Achse Sauensiek Peripherie Tostedt Peripherie Schenefeld Stadtrand Tramm Peripherie Schiphorst Peripherie Travenbrück ÖV-Achse Schmalfeld ÖV-Achse Tremsbüttel ÖV-Achse Schnakenbek ÖV-Achse Peripherie Schnelsen Stadtrand Peripherie Schretstaken Peripherie Uhlenhorst Innenstadt Schulendorf Peripherie Undeloh Peripherie Schwarzenbek Peripherie Veddel Innenstadtrand Schwissel ÖV-Achse Vierhöfen Peripherie Schönberg Peripherie Volksdorf Stadtrand Schürensöhlen Peripherie Wakendorf I Peripherie Peripherie Wakendorf II Peripherie Seestermühe Peripherie Walksfelde Peripherie Seeth-Ekholt ÖV-Achse Waltershof kein Raumtyp Seevetal ÖV-Achse Wandsbek Innenstadtrand Seth Peripherie Wangelau Peripherie Siebeneichen Peripherie Weddelbrook Peripherie Siek Stadtrand Stadtrand Sievershütten Peripherie Welle Peripherie Sinstorf Stadtrand Wellingsbüttel Stadtrand Sirksfelde Peripherie Wentorf (Amt Sandesneben) Peripherie Soderstorf Peripherie Wentorf bei Hamburg Umlandzentren Spadenland Peripherie Wenzendorf Peripherie St. Georg Innenstadt ÖV-Achse St. Pauli Innenstadt Westergellersen Peripherie Stade Umlandzentren Peripherie ÖV-Achse Wiemersdorf Peripherie Steilshoop Innenstadtrand Wiershop ÖV-Achse Steinburg Peripherie Wilhelmsburg Stadtrand Steinhorst Peripherie Wilstorf Stadtrand Steinkirchen Peripherie Winsen (Holstein) ÖV-Achse Steinwerder kein Raumtyp Winsen (Luhe) Umlandzentren Stelle ÖV-Achse Winterhude Innenstadt Stellingen Innenstadtrand Wistedt Peripherie Struvenhütten ÖV-Achse Wittorf Peripherie 81

Raumtypen Stadtregion Hamburg Raumtypen Stadtregion Leipzig Gemeinde-/Stadtteilname Raumtypname Gemeinde-/Ortsteilname Raumtypname Witzeeze Peripherie Althen-Kleinpösna ÖV-Achse Peripherie Altlindenau Innere Stadt Wohldorf-Ohlstedt ÖV-Achse Anger-Crottendorf Innenstadtrand Wohltorf ÖV-Achse Baalsdorf Stadtrand Woltersdorf Peripherie Bad Düben, Stadt Peripherie Worth Peripherie Belgershain Peripherie Wulfsen Peripherie Bennewitz Umlandzentrum Böhlen, Stadt ÖV-Achse Böhlitz-Ehrenberg Stadtrand Borna, Stadt Umlandzentrum Borsdorf ÖV-Achse Brandis ÖV-Achse Burghausen-Rückmarsdorf Stadtrand Connewitz Innenstadtrand Delitzsch, Stadt Umlandzentrum Deutzen Peripherie Dölitz-Dösen Stadtrand Eilenburg, Stadt Umlandzentrum Elstertrebnitz Peripherie Engelsdorf Stadtrand Espenhain Peripherie Eutritzsch Innere Stadt Gohlis-Mitte Innenstadtrand Gohlis-Nord Innenstadtrand Gohlis-Süd Innenstadtrand Grimma, Stadt Umlandzentrum Groitzsch, Stadt Peripherie Großgörschen Peripherie Großpösna Peripherie Großzschocher Äußerer Innenstadtrand Grünau-Mitte Innenstadtrand Grünau-Nord Innenstadtrand Grünau-Ost Innenstadtrand Grünau-Siedlung Äußerer Innenstadtrand Hartmannsdorf-Knautnaundorf Peripherie Heiterblick Innenstadtrand Holzhausen Stadtrand Jesewitz ÖV-Achse Kitzen Peripherie Kitzscher, Stadt ÖV-Achse Kleinzschocher Innenstadtrand Knautkleeberg-Knauthain Stadtrand Krostitz Peripherie Lausen-Grünau Innenstadtrand Leuna, ehem. Günthersdorf kein Raumtyp Leuna ehem. Kötschlitz ÖV-Achse Leuna, Eingemeindungen Peripherie Leutzsch Äußerer Innenstadtrand Liebertwolkwitz Stadtrand Lindenau Innere Stadt 82

Raumtypen Stadtregion Leipzig Raumtypen Stadtregion Leipzig Gemeinde-/Ortsteilname Raumtypname Gemeinde-/Ortsteilname Raumtypname Lindenthal Stadtrand Zentrum Innere Stadt Lößnig Innenstadtrand Zentrum-Nord Innere Stadt Lützen, Stadt Peripherie Zentrum-Nordwest Innenstadtrand Lützschena-Stahmeln Stadtrand Zentrum-Ost Innere Stadt Machern ÖV-Achse Zentrum-Süd Innere Stadt Marienbrunn Innenstadtrand Zentrum-Südost Innere Stadt Markkleeberg Stadtrand Zentrum-West Innere Stadt Markranstädt Peripherie Zschepplin Peripherie Meusdorf Stadtrand Zwenkau ÖV-Achse Miltitz Stadtrand Zwochau ÖV-Achse Mockau-Nord Äußerer Innenstadtrand Mockau-Süd Innenstadtrand Möckern Äußerer Innenstadtrand Mölkau Stadtrand Naunhof, Stadt ÖV-Achse Nempitz Peripherie Neukieritzsch Peripherie Neukyhna Peripherie Neulindenau Innenstadtrand Neustadt-Neuschönefeld Innere Stadt Otterwisch Peripherie Parthenstein Peripherie Paunsdorf Innenstadtrand Pegau, Stadt ÖV-Achse Plagwitz Innere Stadt Plaußig-Portitz Stadtrand Probstheida Äußerer Innenstadtrand Rackwitz ÖV-Achse Regis-Breitingen, Stadt ÖV-Achse Reudnitz-Thonberg Innere Stadt Rötha, Stadt ÖV-Achse Schkeuditz ÖV-Achse Schleußig Innenstadtrand Schönau Innenstadtrand Schönefeld-Abtnaundorf Innenstadtrand Schönefeld-Ost Innenstadtrand Schönwölkau Peripherie Seehausen ÖV-Achse Sellerhausen-Stünz Äußerer Innenstadtrand Starsiedel Peripherie Stötteritz Äußerer Innenstadtrand Südvorstadt Innere Stadt Taucha ÖV-Achse Thekla Stadtrand Trebsen/Mulde, Stadt Peripherie Volkmarsdorf Innere Stadt Wahren Äußerer Innenstadtrand Wiedemar Peripherie Wiederitzsch Stadtrand Wurzen, Stadt Umlandzentrum