Auswirkungen Des Globalen Wandels Auf Heuschrecken

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Auswirkungen Des Globalen Wandels Auf Heuschrecken Marcel Kettermann und Thomas Fartmann, Auswirkungen des globalen Wandels auf Heuschrecken Auswirkungen des globalen Wandels auf Originalarbeit Heuschrecken Besiedlung von Steinbrüchen der Westfälischen Bucht (NW­Deutschland) durch die Blauflügelige Sandschrecke Von Marcel Kettermann und Thomas Fartmann Abstracts Die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) ist eine Effects of global warming on grasshoppers – Recent colonization wärme liebende und stark ge fährdete Art, die sich seit den of quarries in the ‘Westfälische Bucht’ (North West Germany) by 1990er-Jahren in Mitteleuropa ausbreitet. Im vorliegenden Bei- the endangered Blue Sand-Grasshopper (Sphingonotus caerulans) trag erfolgt erstmals eine detaillierte Analyse der Habitatpräfe- Some species are known to benefit from global warming. This renzen von S. caerulans in Stein brüchen der West fä lischen Bucht is especially true for thermo¬philous and mobile species such as und der aus brei tungs bestimmenden Faktoren. the endangered Blue Sand-Grasshopper (Sphingonotus caeru- Für S. caerulans po ten ziell geeignete Habitate sind in der lans). Since the early 1990s it has expanded its range in Central Westfälischen Bucht sehr selten und stark isoliert. Dennoch Europe. The study presented analyzed the habitat preferences konnte S. caerulans im Jahr 2016 erstmals in neun von 18 unter- of S. caerulans in quarries of the Westfälische Bucht focusing on suchten Kalk stein brüchen der süd öst li chen West fä li schen Bucht the drivers of successful colonization. nachgewiesen werden. Wie die vorliegende Studie belegt, ist In the Westfälische Bucht potential habitats of S. caerulans die aktuelle Ausbreitung von S. caerulans in Nord west deutschland have been very rare and mostly highly isolated. In 2016, how- eine Folge des klimawandel bedingten Temperaturanstiegs. ever, S. caerulans was found in 9 out of 18 limestone quarries Schlüsselfaktoren für die Besiedlung eines Stein bruchs durch investigated in the study area. The results of the study allow the S. caerulans waren erstens eine ausreichende Flä che an Pionier- conclusion that the recent range expansion of S. caerulans in vegetation und zweitens eine geringe Entfernung zu den ver- North West Germany has been driven by climate warming. Key muteten Quell po pulationen im Ruhr gebiet und angrenzenden factors for the colonization of quarries by S. caerulans were (i) Gebieten. a sufficient area size of pioneer vegetation and (ii) a low distance Steinbrüche stellen in der heute intensiv genutzten Landschaft to potential founder populations in the Ruhr area. Mitteleuropas mit einem Man gel an frühen Suk zessions stadien Today, quarries are of prime importance for biodiversity con- wichtige Lebensräume für den Schutz der Biodiversität dar. Auf- servation in the intensively used Central European landscapes grund der sehr geringen Sukzessions ge schwindig keit sind Stein- where early successional stages have become rare. Due to a slow brüche auch nach Einstellung des Gesteinsabbaus oft für Jahre successional development quarries are usually characterized for und Jahrzehnte – auch ohne weitere Störungen – durch das many years or even decades by large areas of early successional Vorkommen früher Suk zessionsstadien mit ihren typischen stages and their characteristic species assemblages, even after Arten gemeinschaften gekenn zeichnet. mining activities or other types of disturbance have ceased. 1 Einleitung Seit Ende des letzten Jahrtausends steht des Temperatur anstiegs auf, die ihr Areal zudem zunehmend die Bedeutung des erweitern konnten (Behrens et al. 2009, Der aktuelle Rückgang der Biodiversität hat eben falls anthro pogenen Klimawandels für Conze et al. 2010, Distel et al. 2010, ein dramatisches Ausmaß erreicht. Gegen- den Rückgang der Biodiversität im wissen- Fischer et al. 2016, Ott 2010, Pfeifer wärtig sind die Aussterberaten von Pflan- schaftlichen Fokus (Streit berger et al. 2012, Poniatowski & Fartmann 2011b, zen- und Tierarten um den Faktor 1 000 2016a). Es wird davon ausgegangen, dass Streitberger et al. 2016a, b). höher, als es natür licher weise zu erwarten der Einfluss des Klimawan dels zukünftig Die Blauflügelige Sandschrecke (Sphin- wäre (De Vos et al. 2014). Trotz großer sogar den von direkten Lebensraumverän- gonotus caerulans Linnaeus, 1767) ist ein Anstrengungen des Naturschutzes setzt derungen über treffen wird. Bis Mitte dieses holomediterranes Faunenelement (Abb. 1) sich die Erosion der Artenvielfalt fort. Ent- Jahr hun derts ist aufgrund des Klimawan- (Detzel 1998, Pfeifer et al. 2011). Das sprechend warnen beispielsweise Barno- dels eine Abnahme der mittel euro päischen Verbreitungsgebiet der wärmeliebenden sky et al. (2011) vor einem sechs ten Mas- Ar ten vielfalt um bis zu 30 % vorhergesagt Art reicht von der Iberischen Halbinsel bis senartensterben. Als Hauptverursacher gilt (Thomas et al. 2004). nach Westasien (Pfeifer et al. 2011). Im der Mensch, insbesondere durch Ände run - Es gibt aber auch Gewinner des Klima- Norden verläuft die Arealgrenze durch gen der Landnutzung hat er erheblich zum wandels. Hierzu zählen viele thermophile Südfinnland und im Süden durch Nord- Rückgang der Artenvielfalt beigetragen und gleichzeitig mobile Arten (Streitber- afrika. In Mitteleuropa kommt S. caerulans (Sala et al. 2000). Der Landnutzungswan- ger et al. 2016a, b; Warren et al. 2001). nur in sommerwarmen Regionen vor (In- del hat den Verlust von Habitaten sowie Sie breiten sich zunehmend nach Norden grisch 1981). Ent sprechend be fin den sich die Fragmentierung und Degradation der und in höhere Lagen aus. Unter den poiki- die Verbreitungsschwerpunkte innerhalb verbliebenen Habitate zur Folge (Fart- lothermen Insekten weisen beispielsweise Deutschlands in den tieferen Lagen Süd- mann 2017). Libellen und Heuschrecken viele Profiteure west-Deutschlands und im Nordosten des Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (1), 2018, 023-029, ISSN 0940-6808 23 Marcel Kettermann und Thomas Fartmann, Auswirkungen des globalen Wandels auf Heuschrecken Originalarbeit & Fachbach 2001). Aufgrund der Selten- heit von großflächig vege ta tions armen Lebensräumen in unserer heutigen Land- schaft, zählt S. caerulans sowohl in Deut- sch land als auch Nordrhein-Westfalen (Fischer et al. 2016) zu den stark gefähr- deten Tierarten. Seit den 1990er-Jahren breitet sich S. caerulans zunehmend in Mitteleuropa aus (Fischer et al. 2016). Dies trifft auch für den ursprünglich eher durch vergleichs- weise kühle Sommer gekennzeich neten atlantischen Nordwesten Deutschlands zu (Grein 2010, Kronshage 2009). In Nord- rhein-Westfalen galt S. caerulans über Jahr- zehnte als ausgestorben; die letzten Nach- weise wurden 1941 in Westfalen erbracht (Kronshage 2009). Nach über 50 Jahren Abb. 1: Männchen der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans). © Marcel Kettermann wurde die Art 1994 erstmals wieder auf Male of the Blue Sand-Grasshopper (Sphingonotus caerulans). stillgelegten Gleisanlagen in Köln für das Bundes land nach ge wiesen (Küchen hoff Landes (Fischer et al. 2016, Maas et al. besiedelte Habitate sind in aller Regel 1994). Seit diesem Zeitpunkt hat sich 2002). durch eine Größe von mehr als 1 000 m² S. caerulans entlang des Rheins und durch Sphingonotus caerulans ist eine gut flug- mit ge eig ne ter Ve ge tations struktur gekenn- das Ruhrgebiet bis in die Westfälische fähige Pionierart, die sehr trockene und zeichnet (Straube 2013). Zu den natür- Bucht in nordöstlicher Richtung ausgebrei- vegetationsarme Habitate besiedelt (Det- lichen Le bens räumen zählen offene Dünen tet (Kronshage 2009). Be siedelt werden zel 1998, Fischer et al. 2016, Pfeifer et sowie Sand- und Schotterbänke von Flüs- hier heute Bahnanlagen, Halden und In- al. 2011, Straube 2013). Präferiert werden sen (Maas et al. 2002, Straube 2013). An dustriebrachen (Ha mann & Schulte 2002, Lebensräume mit einer Vege ta tions- anthro po genen Habitaten werden mili- Kronshage 2009). Im Jahr 2016 wurde S. deckung von unter 20 % (Altmoos 2000, tärische Übungsplätze, Sand- und Kies- caerulans erstmals in Steinbrüchen der Fartmann 1997, Straube 2013). Im Ver- gruben, Bergbaufolgelandschaften, Indus- südöstlichen West fä li schen Bucht nach- gleich zu vielen anderen Kurzfühler- triebrachen oder Gleisanlagen besiedelt gewiesen (Abb. 2). schrecken hat S. caerulans einen vergleichs - (Altmoos 2000, Klatt & Schilitz 1997, Wie für eine Reihe anderer Heuschre- weise hohen Raum anspruch. Dauer haft Krons hage 2009, Straube 2013, Zechner ckenarten belegt (s.o.), deutet auch bei Abb. 2: Verbreitung der Blauflügeligen Sand- schrecke (Sphingonotus caerulans) in Nordrhein- Westfalen und Deutsch- land. Quellen: Bayeri- sches Landesamt für Umwelt (2015), Grein (2010), Köhler (2010), Kronshage (2009), Pfeifer et al. (2011), Sonneck & Bönsel (2011), Wallaschek (2013), Wranik & Kleeberg (2011), Wranik et al. (2008). Kartenerstellung: Felix Helbing. Distribution of the Blue Sand-grasshopper (Sphingonotus caerulans) in North Rhine-Westphalia and Germany. 24 Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (1), 2018, 023-029, ISSN 0940-6808 Marcel Kettermann und Thomas Fartmann, Auswirkungen des globalen Wandels auf Heuschrecken Abb. 3: Typisches Habitat Originalarbeit der Blauflügeligen Sand- schrecke (Sphingonotus caerulans) in einem Kalk- steinbruch bei Geseke (Kreis Soest). © Marcel Kettermann Characteristic habitat of the Blue Sand-grasshopper (Sphingonotus caerulans) in a limestone quarry near Geseke (District of Soest). S. caerulans Vieles auf eine Ausbreitung 2 Material und Methoden UG wurden Monatswerte
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