Die Cabane du Mountet ist Ausgangspunkt für die Hochtour auf das Zinal­rothorn (4221 m). Von dort besteigt man aber auch den Besso (3668 m). Rechts im Bild die Nordwand der Dent Blanche. Zinaltal

Im Bann der kaiserlichen Krone

Hochhinauf

DAV 5/2020 21 Im hintersten Val d’Anniviers liegt Zinal. Das Dorf ist ein bekannter Kaum aus dem Bus ausgestiegen, erhe- Ausgangspunkt für Hochtouren auf einige Walliser Viertausender, ben wir – das sind Christoph, Chrissi, Alex bietet aber auch hochalpine Wanderungen auf erstklassige hohe und ich – unsere Köpfe, um die frisch ver- Aussichts-Dreitausender. schneiten Bergspitzen zu begutachten. Da- Text und Fotos: Bernd Jung bei bleibt der Blick talaufwärts beim steil aufragenden Besso (im französischen Dia- lekt des Val d‘Anniviers „Zwilling“) hängen. Von Zinal aus gesehen ist es kaum vorstell- nsere Gesichter hängen ge- Obergabelhorn, Dent Blanche und Grand bar, dass auf den von weißen schnee- und bannt an den Busfenstern, Cornier, um die prominentesten Namen gletscherbedeckten Gipfeln umgebenen fasziniert von der spekta- der „kaiserlichen Krone“ zu nennen. Bei gewaltigen Felszahn eine Route im Alpin- kulären Straßenführung einem Blick auf die Karte fällt auf, dass der wanderstil hinaufführt. Den Anstiegsweg, durch eine gewaltige Berg- Couronne Impériale noch eine Art innerer der von Zinal aus nicht einzusehen ist, ha- Ulandschaft. Die engen Kurven entlocken Kranz vorgelagert ist, wobei fünf Gipfel ben wir wenige Jahre zuvor schon erkun- dem gelben Postbus einige Male die Töne mit beachtlichen Höhen bis über 3600 det. Er startet genau im Mittelpunkt des des berühmten Schweizer Dreiklanghorns, Meter auffallen: Garde de Bordon, Pigne de Halbrundes der Couronne Impériale bei um entgegenkommende Autofahrer zu la Lé, Besso, Pointe d’Arpitetta und Les Di- der einfach großartig gelegenen Cabane du warnen. Lange zieht sich die Fahrt durch ablons. Im Unterschied zu den eisigen Mountet. Im Gegensatz zu den Aspiranten das Val d’Anniviers, eines der vom Rhone- Gipfeln der Couronne Impériale fordert für eine Besteigung des Zinalrothorns – die tal abgehenden Täler im Wallis, bis in die deren Besteigung am häufigsten be- letzte Ortschaft Zinal, wo die Fahrstraße nicht den erfahre- gangene Hochtour endet. Nach und nach erscheinen mehr nen Hochtouren- Eine königliche Krone für von der Cabane du eisige Bergspitzen am südlichen Horizont gänger. Schwere Mountet – kann und verleihen dem Tal farbenfrohe Kont- Ausrüstung wie versierte man mit dem Besso raste. Je näher wir Zinal kommen, umso Gurt, Seil, Kletter- als Ziel guten Ge- deutlicher schließen sich die weißen Gip- material und Pi- Alpinwanderer wissens noch etwas fel zu einem den Talschluss umgebenden ckel darf zu Hause länger schlafen. Die Kranz zusammen. bleiben. Eine mindestens königliche Kro- spannende und abwechslungsreiche Nor- Ein Kranz gebildet aus namhaften Ber- ne also, die traumhafte Touren für den malroute durch die Nordflanke kommt gen über oder knapp unter der 4000-Me- versierten Alpinwanderer bietet. Und von ohne Gletscher aus – den Panoramagipfel ter-Marke, die „Couronne Impériale“ ge- ihren Gipfeln überragende Aussichten auf des 3668 Meter hohen Besso erklimmt man nannt. Mit Weisshorn, Zinalrothorn, den kaiserlichen Kranz der Couronne über reines „Kraxelgelände“.  Impériale eröffnet.

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Das Panorama vom Pigne de la Lé prägt der Glacier de Moiry mit dem Fast-Viertausender Grand Cornier darüber (o.); tierische Begegnung auf dem Grat zum Garde de Bordon (l.), zu dessen Füßen sich der Lac de Moiry erstreckt (r.); idyllisch liegt der Lac d’Arpitettaz vor dem Besso und den Gletscherriesen (u.).

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ALPINWANDERN UM ZINAL Infos: Touristeninformation: valdanniviers.ch Die beschriebenen Touren auf die hohen Karte: Swisstopo Blatt 1327 Evolène (1:25.000), Dreitausender im hintersten Val d’Anniviers oder map.geo.admin.ch sind anspruchsvoll und nur sehr erfahrenen Im Val d’Anniviers sprechen die meisten Leute Alpinwanderern mit guter Kondition und Französisch und Deutsch. Orientierungsvermögen zu empfehlen. Tipps: Sehenswert ist der autofreie Ortskern Sichere Wetterverhältnisse sind ebenso von Grimentz mit den für die Region typischen, gefragt wie Höhenverträglichkeit. historischen Holzhäusern, deren Fassaden Die Touren lassen sich beliebig miteinander liebevoll mit Geranien verziert sind. Alte Ski, kombinieren. Hängt man sie alle zusammen, Holzschlitten, Glocken, knorrige Stöcke an ergibt sich ein wunderbares fünf- bis Holztüren – die Detailverliebtheit lässt einen sechstägiges Alpin-Trekking. Spaziergang durch den Ort anfühlen wie eine ÖV-Anreise: Ausgangs- und Endpunkt ist Zinal kleine Zeitreise in die Geschichte. (1674 m), erreichbar mit dem Bus vom Bahnhof Zinal ist auch für Familien mit Kindern eine Sierre im Rhonetal über Vissoie. spannende Destination, da sich hier ein Reka-Feriendorf befindet, reka.ch

TOUREN 1. Cabane de Moiry (2825 m) & Garde de 2. Cabane du Mountet (2886 m) & 3. Cabane Arpitettaz (2786 m) & Bordon (3309 m) & Pigne de la Lé (3395 m) Besso (3668 m) Pointe d’Arpitetta (3132 m)

Überwiegend weglose und moderat anspruchs- Sehr anspruchsvolle Alpinwanderung, Rundtour überwiegend auf Wanderwegen. Der volle Alpinwanderung, Orientierung unproblema- teilweise exponiertes Gelände, Kletterstellen einzige weglose Abschnitt ist die Besteigung tisch. Schwierigste Abschnitte sind das Couloir bis II, etwas Orientierungsvermögen in der des Pointe d’Arpitetta vom Col de Milon, hier im Nordgrat des Bordon (T4+) und die Besteigung Nordflanke erforderlich (T6-). ist leichte Kraxelei (I) in teilweise brüchigem des Pigne de la Lé vom Col du Pigne (T5). 1. Tag: Zinal (1674 m) – Cabane du Mountet, Fels erforderlich (T5). 1. Tag: Bergstation Zinal-Sorebois (2438 m) 4 ½ Std., o 1300 m, a 50 m 1. Tag: Zinal – Pas du Chasseur – Lac d’Arpitetta – Col de Sorebois (2811 m) – Garde de Bordon 2. Tag: Cabane du Mountet – P. 2862 – Besso (2229 m) – Cabane Arpitettaz, 4 Std., – Comba Rossa (2866 m) – Cabane de Moiry, – P. 2862 – Zinal (1674 m), 8-9 Std., o 1150 Hm 6 Std., o 1300 Hm, a 900 Hm o 850 Hm, a 2100 Hm 2. Tag: Cabane Arpitettaz – Col de Milon (2975 m) 2. Tag: Cabane de Moiry – Col du Pigne (3137 m) Variante: Hochtourengeher können vom Besso – Pointe d’Arpitetta – Col de Milon – Weg- – Pigne de la Lé – Col du Pigne – Cabane du die Überschreitung zum Blanc de Moming kreuzung P. 2477 – Zinal, 5 ½ Std., Petit Mountet (2139 m) – Zinal, 6 Std., (3661 m) anhängen, von da wieder hinab zur o 500 Hm, a 1650 Hm o 600 Hm, a 1750 Hm Cabane du Mountet (ZS+, III, 30-m-Seil, Varianten: Auch eine tolle Wandertour ohne Varianten: Den Abstecher auf den Pigne de la kleinere Friends und Klemmkeile, je nach die Besteigung des Pointe d’Arpitetta Lé vom Col du Pigne kann man auch auslassen Bedingung Pickel & Steigeisen). (ca. 1 ¼ Std. weniger). Vom Gipfel des Pointe (ca. 1-1 ½ Std. kürzer). Zum Start von Zinal kann Unterkunft: Cabane du Mountet, d’Arpitetta kann man auch über den NW-Grat man auch die Seilbahn von Grimentz nach Tel.: 0041/27/475 14 31. zum Roc de la Vache bzw. P. 2477 absteigen Sorebois (2692 m) nehmen (ca. 40 Min. weniger (T4+, gut ½ Std. kürzer). Wanderzeit), mit einem anschließenden Unterkunft: Cabane Arpitettaz, Abstieg zum Lac de Châteaupré (5 Std.) oder Tel.: 0041/27/475 40 28. zum Lac de Moiry (6 ½ Std.) eine Tagestour. Unterkünfte: Cabane de Moiry, Tel.: 0041/27/475 45 34; Cabane du Petit Mountet, Tel.: 0041/27/475 13 80. mehr: alpenverein.de/panorama-5-2020 Zinaltal Literatur: › Bernhard Banzhaf, Hermann Biner, Vincent Theler: Matterhorn, Dent Blanche, Weisshorn. Vom Col Collon zum Theodulpass, SAC Alpinführer › Bernd Jung, Martin Kriz: Dreitausender Schweiz – drüber und drunter, Bergver- Unser heutiges Ziel ist etwas weniger Bordon über den Nordgrat bezeichnen. lag Rother hoch und anspruchsvoll gesteckt. Statt Nur einmal heißt es etwas beherzt an ein › Begleitlektüre - Martin Fenner: Val d’Anniviers – Tradition und Wandel, weiter ins Zinaltal vorzudringen, schwe- paar Fixseile greifen, ansonsten dürfen wir Verlag Editions Monographic ben wir mit der Seilbahn binnen Minuten die Aufmerksamkeit vollends dem Lac de von Zinal zur Bergstation Sorebois. Mit Moiry und der Aussicht vom Grat widmen. leichten Rucksäcken be- Welch ein Panorama er- ginnt unser Tourentag mit Einmal heißt es wartet uns mit Ankunft auf dem Anstieg durch ein mä- dem Garde de Bordon! Nun ßig attraktives Winterski- beherzt in die hat sich auch noch das Mat- gebiet. Mit Erreichen des terhorn zum Stelldichein 4. Cabane de Tracuit (3256 m) & Grates beim Col de Sorebois Fixseile der majestätischen Gipfel Les Diablons (3609 m) jedoch ist dieser kleine Ma- der kaiserlichen Krone ge- Lange Tour mit vielen Höhenmetern, kel schnell vergessen und greifen sellt. Mit 4506 Meter über- größtenteils auf Wanderwegen. Der ragt das Weisshorn auf der weg­lose Abschnitt auf die Diablons geht wir erfreuen uns an unbe- fast ausschließlich über Grate mit eini- rührter Natur. Berührungsängste haben anderen Seite des Zinaltals alle anderen gen Kraxelstellen (II). Je nach Bedingun- die plötzlich auftauchenden Schafe auf Zacken der Krone. In dessen Profil zeich- gen können Steigeisen empfehlenswert sein, daher am besten im Spätsommer dem Grat allerdings nicht, die Christoph nen sich der Nordgrat und der Schaligrat (T5). ganz schnell umzingeln und ihn wohl ger- ab, deren Überschreitung zum ganz gro- 1. Tag: Zinal – Cabane de Tracuit, 5 Std., ne in ihre Herde mit aufnehmen wollen. o 1600 Hm 2. Tag: Cabane de Tracuit – Col de Tracuit Nachdem Christoph seine Schafe wieder (3227 m) – Les Diablons – P. 3076 – Zinal, abgeschüttelt hat, nimmt schließlich 6-6 ½ Std., o 400 Hm, a 2000 Hm Beste Aussichten vom Garde de auch er begeistert den türkisblauen Stau- Bordon auf die Viertausender Variante: Eine einfache Alpinwanderung auf Wegen entsteht, wenn man die see Lac de Moiry auf der anderen Seite des Weisshorn, Zinalrothorn, Ober- Diablons auslässt und über Col de Milon Grates wahr. Als Genusswandern könnte gabelhorn und Matterhorn (l.); schöne Kraxelei im Aufstieg zum und Cabane Arpitettaz nach Zinal man die folgende Besteigung des Garde de absteigt (T4). Sehr erfahrene Alpin­ Besso (l.u.); der Doppelgipfel des wanderer können die Diablons auch Besso von Zinal gesehen. überschreiten, von Zinal über P. 2168 (Lirec), Westgrat, P. 3374, P. 3593 (T6-). Unterkunft: Cabane de Tracuit, Tel.: 0041/27/475 15 00.

DAV 5/2020 25 ßen Hochtourenkino in den Alpen zählt. Geheimtipp für Hüttenwanderer –, wo wir hängen. Ein vom Garde de Bordon aus ge- Im obersten Bereich der grünen Vegeta­ einen geselligen Abend mit selbst mitge- sehen fast unscheinbarer „Felshügel“, wel- tion unterhalb des Weisshorns erkennen brachtem Käsefondue verbringen durften. cher vor dem Ambiente der gewaltigen wir die Cabane Arpitet- Dafür muss man wis- Mauer der Weisshorn-Westwand regel- taz. Was Erinnerungen Ein geselliger Abend sen, dass die Cabane recht untergeht. Dennoch mit über 3100 auslöst: Ein Jahr zuvor zwar ein einfaches Meter Höhe ein großartiger Aussichtsgip- haben wir die wunder- mit selbst Abendessen bietet, fel, dessen Besteigung sich nach einer bar gelegene Hütte be- mitgebrachtem doch jeder Hüttengast Nacht auf der Cabane Arpitettaz lohnt. sucht, unvergesslich auch sein eigenes Es- Nach ausgiebiger Pause bekommt der außerordentlich Käsefondue sen zum „Znacht“ mit- Christoph wieder Hummeln in den Bei- schöne Anstieg über bringen kann. Dies nen, während Alex und Chrissi tief ver- den Pas de Chasseur und vorbei am klei- wird dann gerne vom aktuell anwesenden sunken ins Bergpanorama die Existenz nen Bergsee Lac d’Arpitetta. Unvergesslich ehrenamtlichen Hüttenwart der SAC-Sek- einer Uhrzeit nicht mehr wahrzunehmen auch die charmante Hütte – ein wahrer tion La Dôle zubereitet. Blick und Erinne- vermögen. Schließlich schaffen wir es rung bleiben auch beim Pointe d’Arpitetta

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„Ach nöö, noch einen Gipfel brauchen wir gerade nicht, der Bordon war schon super genug“, und sich den wärmsten Stein zum Herniederlegen suchen. Was soll’s, denken Christoph und ich und erkraxeln den loh- nenden Pigne de la Lé zu zweit. Gut 45 Mi- nuten später sammeln wir die zwei Son- nenanbeter wieder ein und machen uns Auch auf dem Grat zu den Diablons hat an den Abstieg vom Col du Pigne nordost- man die Gipfel der Kaiserkrone im Blick: wärts Richtung Zinal. Markierungen sind Zinalrothorn, Obergabelhorn, Matterhorn, Dent d’Hérens, Dent Blanche und Grand kaum welche zu sehen, doch das Gelände Cornier (l.); die Terrasse vor der Cabane de führt intuitiv und problemlos zur Cabane Moiry bietet willkommene Erfrischung du Petit Mountet. Die eindrücklich auf ei- nach der Tour zum Garde de Bordon. ner Seitenmoräne gelegene Hütte ist eine gern genutzte Pausengelegenheit, bevor doch, uns von der Panoramaloge loszurei- wir. Unser nur mäßig durchdachter Plan man sich auf die letzten 500 Höhenmeter ßen, und verlieren in weglosem, aber ein- lautet, an einem Tag über den Col du Pig- hinab nach Zinal begibt. Nach elf Stunden fachem und übersichtlichem Gelände ne bis zurück nach Zinal zu gelangen. Aber kehren wir mit müden Beinen in das be- schnell wieder an Höhe. Mit dem Über- nein, das trübt die Freude keineswegs. schauliche Örtchen zurück. Das Abend- gang zurück in die Vegetation stolpern wir Spätestens als auf der Sonnenterrasse das licht über den Spitzen der kaiserlichen einige Male über prächtiges Edelweiß. Auf erste Radler (lokal Panaché) vor uns steht, Krone nehmen wir nur am Rande wahr, dem Wanderweg angelangt, der vom Lac sind die Augen groß und strahlend, und stattdessen drängt sich beim Zustreben de Moiry heraufführt, geht es mit leichter der Blick wird wieder scharf, um die erha- zum nächsten Restaurant ein Urinstinkt Steigung, aber steil ansteigendem Durst bene Gletscherkulisse zu genießen. in den Vordergrund: Endlich kommt das hinauf zur Cabane de Moiry. Gestärkt geht es den Wegmarkierungen lang ersehnte kaiserliche Znacht! Jeder normale Wanderer dürfte sich nach bis in den Col du Pigne. Von der Bernd Jung, Physiker und Buch- jetzt riesig freuen, auf solch einer Hütte Stärkung ist allerdings wenig zu spü- autor, lebt in Thun im Kanton Bern mit beeindruckender Aussicht auf den ge- ren, als Alex und Chrissi bemerken: und geht seiner Bergleidenschaft vorwiegend in den Schweizer Alpen waltigen Gletscher Glacier de Moiry eine nach. Die Bergwelt um Zinal Nacht verbringen zu dürfen. Leider nicht begeisterte ihn schon mehrfach.

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