Bild: Mats Bäcker

Karlstad/Schweden: Text: Klaus Billand Der Ring des Nibelungen und Die Walküre – Premiere 18./20.4.2011 Was einigen großen Häusern in Europa der- reits seit 1982 Chef am Haus und sorgt da- Bereits nach den ersten beiden Aben- zeit nicht gerade leicht fällt, eine komplette mit seit langem für - auch finanziell - abge- den kann man sagen, dass sich das gute Ver- Neuinszenierung von Richard Wagners Te- sicherte Kontinuität. Die Kosten, auch die hältnis und der kollegiale Geist, ein solches tralogie „Der Ring des Nibelungen“, gera- der „Ring“-Produktion, werden 50 zu 50 Mammut-Projekt in einem so speziellen Um- de auch im Hinblick auf das Jubiläumsjahr vom Land Schweden und Wermland/Karl- feld auf die Beine zu stellen, in einem be- 2013 auf die Beine zu stellen, gelingt hier im stad übernommen. Man kommt ohne Spon- merkenswerten Ergebnis niederschlägt. Es Norden Europas der ebenso kleinen wie fei- soren aus. Wo kann man das heute schon ist klar, dass man hier, weit ab vom Wag- nen Wermland Opera in Karlstad, am Nordu- sagen?! Bang hat in dem schwedischen Re- nerschen Mainstream, nicht mit einer wei- fer des Vänernsees, in einem Streich. Man gisseur Wilhelm Carlsson einen künstleri- teren Neudeutung bzw. thematischen Ein- kann es eigentlich kaum glauben: An diesem schen Mitstreiter gefunden, der am Haus engung im Sinne des sog. Regietheaters auf- am Ufer des Flusses Klarälven frei stehenden bereits in der 2. Hälfte der 1990er Jahre warten wollte und konnte. Das hätte auch Opernhaus mit nicht einmal 400 Plätzen, Wagner-Werke inszenierte, den „Fliegen- nicht der Werkauffassung des Regisseurs ent- welches bereits 1893 erbaut wurde und wo den Holländer“ und „Tristan und Isolde“, sprochen. Wie Wilhelm Carlsson, der vom sich 1975 die Wermland Opera etablierte, hat sowie 2007 den „“ in der kreuzschif- Theater kommt und eine Professur für dra- man vor 2,5 Jahren entschieden, den ganzen figen Domkirche (Domkyrka) in der Stadt- matische Sänger-Gestaltung an der Stock- „Ring“ zu machen - und das gleich fünf Mal mitte, als das Opernhaus wegen Umbauar- holmer Opernakademie hat, den Rezen- hintereinander bis Mitte Juli. Der Rezensent beiten geschlossen war. Der Rezensent be- senten wissen ließ, fasziniert ihn an Wag- meint sich zu erinnern, dass das legendäre richtete im Merker über diese denkwürdige ner seine passionierte Art, tief in die Men- Teatro Colón in Buenos Aires - mit einer fast Produktion, die von dem deutschen Abba- schen zu blicken - sein Versuch, in die See- zehnfachen Platzkapazität - den bisherigen do-Schüler und ehemaligen Bratschisten der le, Gefühle, Empathie und das Liebesemp- Rekord an „Ring“-Aufführungen in einer Berliner Philharmoniker, Henrik Schäfer, finden der Personen vorzudringen. „Wagner Saison mit sechs Zyklen im Jahre 1967 hält. musikalisch geleitet wurde. Zwischen diesen wusste alles darüber!“ sagt Carlsson mit dem An ihnen war damals auch eine berühmte drei Protagonisten des Karlstader Opern- Ton absoluter Bewunderung für die Treff- Schwedin beteiligt, ... geschehens ergab sich damals eine frucht- sicherheit des Dichterkomponisten, emoti- Manches erinnert hier in Karlstad aber bare Zusammenarbeit, wie man an der ho- onale Höhen und Tiefen zu erkennen, dra- auch an das mit 650 Plätzen nur wenig grö- hen Qualität und Professionalität des „Par- matisch auszuloten und umzusetzen und sie ßere Teatro Amazonas am Rio Negro in Ma- sifal“ feststellen konnte. Diese führte auch musikalisch zu charakterisieren. Dabei hält naus, gerade mal zwei Jahre später erbaut, dazu, dass Schäfer vom Orchester eingela- Carlsson es für besonders bemerkenswert, und wo man mit einem ähnlichen Pionier- den wurde, den Posten des Chefdirigenten dass Wagner nach den Widersprüchen zwi- geist, wie ihn der norwegische Opernchef zu übernehmen. Seither ist er etwa ein hal- schen Gut und Böse in den Charakteren von Karlstad, Ole Wiggo Bang, in einem bes Jahr in Karlstad und leitet mindestens forscht, anstatt einfach den Guten dem Bö- Gespräch mit dem Rezensenten an den Tag eine Opernproduktion und mehrere Kon- sen gegenüberzustellen. Ein bekanntes Bei- legt, von 2002-2005 ebenfalls den ganzen zerte. Er übernahm nun auch die musikali- spiel dafür ist ja Wotan, der auch ein Teil „Ring“ inszenierte. Bang, selbst Dirigent sche Leitung des „Ring“. des Alberich in sich trägt. und zuletzt in Göteborg engagiert, ist be-

24 Wagneriaani http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ Bild: Mats Bäcker Bild: Mats Bäcker Und genau diese Schwerpunktsetzung ist im Karlstader „Ring“ zu erleben. Mit einer intensiven Personenregie in einem relativ ein- fachen, aber von Peter Lundquist sehr ef- fektvoll gestalteten und von Torkel Blomk- vist nuancen- und fantasiereich ausgeleuch- teten Bühnenbild entwickelt sich das Musik- drama gewissermaßen aus den Akteuren her- aus, werden ihre Sehnsüchte, Begierden, Ab- gründe und Emotionen in einer selten so in- tensiv erlebten Intensität offenbar. Die von Ann-Mari Anttila geschmackvoll und ein- fallsreich gestalteten Kostüme, die zu wei- ten Teilen einen Gegenwartsbezug herstel- len, fügen sich in dieses Konzept ebenso har- monisch ein wie die fein auf die Charaktere abgestimmte Maske durch Ulrika Nilsson. Ein großer, von der Spielfläche bis an den Schnürboden reichender schwarzer Zylinder bildet den äußeren Rahmen des Bühnenbil- des. Er lässt sich in geschlossenem Zustand auf Treppenstiegen von vorn bespielen, öff- net sich aber in der Regel immer wieder lang- sam und bildet dann im Hintergrund eine Projektionsfläche für stets stimmig zum je- weiligen Geschehen passende Licht- und sti- lisierte Videoprojektionen. Aus diesem bis- weilen auch transparent durchscheinenden Rundhorizont treten immer wieder plastische Bühnenelemente hervor, wie ein angedeu- tetes Walhall, eine Rampe für Akteure, die aus der Tiefe in die Bühne eintreten, oder Treppenstufen, über die man sie nach hin- ten verlassen kann. Manchmal gibt er eine für das kleine Haus enorme Bühnentiefe frei, die man mit einem Anbau im letzten Jahr ge- schaffen hat. Sehr beeindruckend fährt bei- spielsweise die Hundinghütte mit der Welt- Sieglinde (Susanna Levonen) und Siegmund (Jan Kyhle). esche in der Mitte aus mystischem Dunkel langsam in den Vordergrund. Dieser wird in Natalie Hernborg (Woglinde), Anneli Lind- ze in der „Walküre“. Rickard Söderberg ver- allen Szenen von einer holzgetäfelten, nahe- fors (Wellgunde) und Jeanette Goldstein fügt als Loge zwar über genügend tenorale zu runden Plattform beherrscht, die sich dre- (Flosshilde). Marcus Jupither, schon als Al- Kraft, kann aber die Stimme nicht immer hen und muschelartig öffnen lässt. Sie gibt berich von Riga und bekannt und sauber intonieren. Manches klingt etwas ver- u.a. das Rheingold frei, und auf ihr finden zuletzt Holländer am Salzburger Landesthe- quollen, und es gibt Textprobleme. Darstel- wie auf einem mittelalterlichen Thing-Platz ater, ist ein hier zunächst noch etwas unge- lerisch kann er die treibende Rolle des Feu- alle zentralen Auseinandersetzungen statt. pflegter Junge im offenen roten Hemd von ergottes glaubhaft umsetzen. Anne Bolstad Sie dient bisweilen auch als Projektionsflä- nebenan. Später, im Besitz des Ringes, wird hat als Freia Höhenprobleme, spielt die Par- che - so erscheint hier Alberich als Riesen- er mit Glatze und Lederrock den Sklavent- tie aber sehr beherzt und agil. Anders Lars- schlange. Mit diesem zentralen Bühnenbil- reiber darstellen. Jupither zeigt alle Höhen son hat als Donner mehr Durchschlagskraft delement bewirkt das Regieteam immer wie- und Tiefen, durch die der Albe geht - sei- als Kaj Hagstrand mit den paar Zeilen des der schnell, bei entsprechender Beleuchtung ne Entmachtung und völlige Verzweiflung Froh. Ein weiterer Höhepunkt ist der Auf- aber auch fast unmerklich, wesentliche Ver- beim Verlust des Ringes gehören zu den Hö- tritt von Maria Streijffert als Erda aus der änderungen der Szene und spielt selbstre- hepunkten des Abends. Er hat mit seinem Tiefe, die mit einem wohlklingenden Alt dend alle Bildwechsel im „Rheingold“ bei kräftigen Bariton auch die gewisse Boshaf- großen Zauber entfacht. Jonas Duran macht offenem Vorhang. Dieses Bühnenbildkon- tigkeit für die Rolle. Im Verlaufe des Abends mit einem kurzen aber kraftvollen Auftritt zept ist ein Meisterbeispiel dafür, wie man machte sich allerdings eine Erkältung bemerk- als Mime gespannt auf den Zwerg im „Sieg- mit begrenzten Mitteln an einem kleinen bar, die ihn etwas beeinträchtigte. Fredrick fried“. Beide Riesen, Andreas Franzen als Haus einen ebenso ernsthaften wie optisch Zetterström ist ein klangvoller und äußerst Fasolt und Johan Schinkler als Fafner, hin- anspruchsvollen „Ring“ zeigen kann. wortdeutlich singender „Rheingold“-Wotan, terlassen einen starken Eindruck - Franzen Schon das 1. Bild des „Rheingold“ übt der die Rolle intelligent gestaltet und, eben- als heller und gut geführter Bass und Schin- durch eine grünes Licht im Trockeneisne- falls mit Glatze, gewissermaßen die andere kler mit mehr Tiefe und Ausdruck, beide ab- bel emittierende Laser-Kanone faszinierende Seite des Alberich darstellt. Ivonne Fuchs solut wortdeutlich. Fafner ist ein Arm zur Bildwirkungen des Spiels der Rheintöchter ist nicht nur eine attraktive Fricka, sie singt Keule gewachsen, mit der er seinen Bru- mit Alberich aus. Die Optik weckt Erinne- die Partie auch mit einem exzellent artikulie- der ungewöhnlich drastisch ins Jenseits be- rungen an eine ähnliche Gestaltung durch renden hellen Mezzo bei bester Diktion. Die fördert. Gut gelöst ist die Goldaufwiegung Harry Kupfer in Bayreuth, die schon in den bourgeoise Verführung Wotans zum Raub Freias, die mit verführerisch glänzenden 1980er Jahren beeindruckte. Hierzu kommt des Goldes gelingt ihr ebenso überzeugend Platten abgedeckt wird. Beim Auf- und Ab- ein engagiertes Spiel bei ganz vorzüglichen wie ihre authentisch glaubhafte Anmahnung stieg nach Nibelheim werden schemenhaft stimmlichen Leistungen der Rheintöchter der Einhaltung der selbst erlassenen Geset- die hämmernden Nibelungen in den Eta-

http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ Wagneriaani 25 gen des Bühnenrahmens sichtbar, eine be- schütternden Kampfszene Wotan Siegmund etwas befremdlichen Flügel Brünnhildes in klemmend eindrucksvolle Lösung. Dezent mit dem Speer abstechen. Hunding wartet der Todesverkündigung. Ein eindrucksvol- geschmackvoll deuten zarte Regenbogenfar- mit sprichwörtlich leeren Händen auf sei- ler Feuerzauber beschließt eine sehr gelun- ben des Aufstieg nach Walhall an. nen Tod. Leider kann der gut aussehen- gene „Walküre“. Der Star der „Walküre“ ist die junge Fin- de und jugendlich wirkende Urban Malm- Eine absolute Rarität ist nun von der mu- nin Susanna Levonen, die aber seit langem berg als Wotan trotz einer guten darstelleri- sikalischen Seite dieses „Ring“ zu vermelden. in Schweden lebt. Sie kommt aus dem Mez- schen Leistung stimmlich nicht überzeugen. Im o.g. Gespräch sagte Ole Wiggo Bang, dass zofach und zeigt eine wundervolle Leistung Es fehlt ihm nicht nur am nötigen bassbari- es ihm mit diesem „Ring“ auch darum ging, als Sieglinde, und zwar sowohl stimmlich mit tonalen Volumen und Farbe. Er singt allzu junge skandinavische SängerInnen an Wag- ihrem farbenreichen klangvollen Sopran, der nasal, die Stimme öffnet sich nicht recht. So ner heranzuführen. Das wäre mit dem Or- Bild: Mats Bäcker ebenso zu Attacke wie zu feinem Piano fähig kommt es immer wieder auch zu störenden chester im Graben vor der Bühne in dem re- ist, wie mit einer emotional beeindrucken- Vokalverfärbungen. Die an der Wermland lativ kleinen Zuschauerraum sicher proble- den Metamorphose vom jungen Mädchen Opera engagierte AnnLouice Lögdlund, die matisch geworden. Er wäre auch ohnehin zu im Gefängnis Hundings zur verantwortungs- ebenfalls vom Mezzo kommt, besticht erst- klein gewesen, selbst für die hier verfügbare vollen Mutter - ein Riesentalent! Jan Kyhle mal durch ein großartig geschmettertes Hojo- Orchesterstärke von gerade einmal 46 Mu- ist ihr ein attraktiver jugendlich wirkender toho. Auch im weiteren Verlauf beherrscht sie sikern (!). Also kam man auf die Idee, das Partner, der auch durchaus tenorale Kraft viele Szenen durch ihr intensives Spiel und gesamte Orchester mit dem Dirigenten auf für den jungen Revolutionär mitbringt. Er einen kernigen hochdramatischen Sopran, den 2. Rang, also praktisch auf die Galerie hat eine klar artikulierende und prägnante der gelegentlich etwas kopflastig wird. Sie unter der Decke zu verlegen. Und siehe da, Stimme, agiert ebenfalls sehr emphatisch. Al- scheint jedoch über unerschöpfliche Kraft man erlebt hier einen ganz und gar unge- lein, er singt immer wieder etwas zu tief, un- zu verfügen. Unter den im Oktett geschlos- wohnten Wagner-Klang! Die Instrumente ter den geforderten Noten. Auf längere Sicht sen und stimmstark singenden Walküren treten viel klarer als gewohnt hervor, es ent- machte sich das doch als Manko bemerkbar. ragen Astrid Robillard als Waltraute und steht fast so etwas wie Quadrophonie. Man Beide zusammen konnten in der „Walküre“ Ivonne Fuchs als Grimgerde heraus. Die an- meint, man sitze mitten im Orchester, ohne große Emotionen entfachen und kamen da- deren sind Natalie Hernborg als Helmwige, dass es jedoch, von einigen Momenten ab- mit dem Ideal von Wilhelm Carlsson sehr Maria Metzler Saeden als Ortlinde, Anne gesehen, zu laut wird. Und beim Tutti ist in nahe. Michael Schmidberger als guter hell Bolstad als Gerhilde, Sara P. Eriksson als diesem Rahmen von der geringen Zahl der timbrierter Hunding hatte gegen diese ge- Siegrune, Jeanette Goldstein als Rossweis- Musiker nichts mehr zu spüren, es klingt al- ballte Leidenschaft keine Chance. Der Re- se und Maria Streijffert als Schwertleite. Sie les sehr kompakt. Allenfalls könnten die Vi- gisseur gewährt ihm nicht einmal den Tri- kommen mit schwarzen Flügeln vom Schnür- olinen und Bratschen etwas stärker besetzt umph der Rache, denn er lässt in einer er- boden herab, was hier besser wirkt als die und die Harfe hörbarer sein. Immer wieder

Bild: Mats Bäcker bestechen die hervorragenden Holz- und Blechbläser. Ein besonderes Kompliment der Bassklarinette und den drei Wagner-Tuben, aber auch den drei sehr konturiert und wie alle Streicher nach Henrik Schäfers Wunsch wieder mit portamento spielenden Celli. Sie verwenden ausschließlich Darmsaiten, um dem Originalklang zu Wagners Zeiten wie- der nahezukommen. Ein äußerst interessan- tes Experiment, das der ausgezeichnet mit viel Verve dirigierende und immer richtige Tempi setzende Henrik Schäfer weiter ver- folgen will. Ein weiteres Plus dieser Orches- teranordnung waren die viel klarer zu hö- renden und besser in den Klangraum inte- grierten Stimmen. Der „Ring“ von Karlstad hat stark begon- nen. Er hat schon jetzt die Ingredienzien zum Wunder von Karlstad zu werden...

Brünnhilde (AnnLouice Lögdlund) und Wotan (Urban Malmberg)

26 Wagneriaani http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ Bild: Mats Bäcker

Karlstad/Schweden: Text: Klaus Billand Der Ring des Nibelungen Siegfried und Götterdämmerung – Premiere 22./24.4.2011

Nach der „Götterdämmerung“ hat sich der die niemals den „Ring“ erlebten, gar nicht so terdämmerung“ auf eine werknahe Interpre- neue Karlstader „Ring“ an der Wermland Ope- recht klar wurde, was hier stattfand. tation, die aber durch ihr intensives Leben ra geschlossen, und wann kann man das bei Dabei hätte das musikalische Gesamter- aus den SängerdarstellerInnen heraus und heutigen Neuinszenierungen der Tetralogie gebnis noch besser ausfallen können, wenn die geschickt in die Gegenwart verweisenden von schon einmal sagen - die Stockholmer Königliche Oper während Kostüme von Ann-Mari Anttila zu keinem er hat sich in der Tat geschlossen. Der In- der Vorbereitungszeit nicht den für die bei- Moment antiquiert traditionell wirkt. Die tendant und Opernchef von Karlstad, Ole den ersten der insgesamt fünf Zyklen als Sieg- durch ein intelligent gesteuertes Spiel von Wiggo Bang, das Regieteam um Wilhelm fried angesetzten Lars Clevemann für den Farben und Licht entstehenden Bildwechsel Carlsson und der Chefdirigent des Orches- „Stiffelio“ abgeworben hätte. Clevemann sind immer perfekt auf die jeweilige dramati- ters der Wermland Opera, Henrik SchÄfer, sang den Siegfried auch im Stockholmer sche und musikalische Stimmung ausgerich- haben mit dieser bemerkenswerten Arbeit „Ring“ vor einigen Jahren und ist der neue tet, wobei ihnen eine so bedeutende Rolle den Beweis erbracht, dass der „Ring“ mit Tannhäuser in diesem Sommer in Bayreuth. zukommt wie dem Bühnenbild selbst. Und einer Vision, einiger Fantasie und viel gu- Ferner wäre der junge Michael Weinius, 2007 hierin liegt ein wesentlicher Schlüssel zum tem Willen auch an kleinen Häusern ansp- in Karlstad in der Domkirche als Parsifal zu optischen und dramaturgischen Erfolg die- ruchsvoll aufzuführen ist. Das hat in der ers- erleben und zuletzt als guter Siegmund auf- ser Produktion. Mit nur wenigen zentralen ten Hälfte dieses Jahrzehnts auch Manaus in gefallen, als Siegmund auch in Karlstad zu beweglichen Bühnenbildelementen schafft Brasilien gezeigt, so manche Erinnerung da- sehen gewesen, wenn er nicht zugunsten ei- es das Regieteam bei einer bestens ausgefeil- ran wurde hier in Karlstad wach. Und dabei ner „Mathis der Maler“-Produktion Ende ten Personenregie, immer wieder neue und gibt man sich am Vänernsee sehr beschei- 2010 an der Pariser Oper abgesagt hätte. ausdrucksstarke Bildräume zu entwickeln den, schwedisch zurückhaltend. Man macht Aber zum sängerischen Teil später. und sogar die meisten Verwandlungen bei eben ganz einfach den „Ring“ als Erstauffüh- Carlsson setzte mit den von Peter Lund- offener Bühne zu zeigen. In der „Götterdäm- rung an dieser kleinen Oper und freut sich quist gestalteten effektvoll abstrakt naturalisti- merung“ war davon nur der Wechsel zur Gi- begeistert über den Erfolg, der mit der „Göt- schen Bühnenbildern, die von Torkel Blomk- bichungenhalle ausgenommen, die ebenso terdämmerung“ kulminierte. Irgendwie hat- vist mit dezenten und oft nahezu unmerk- einfach stilistisch wie effektvoll mit dräuen- te man den Eindruck, dass vielen Besuchern, lich changierenden Farbtönen ausgeleuch- den schwarzen Pfeilerkonstruktionen vom tet wurden, auch in „Siegfried“ und „Göt- Schnürboden aus gestellt wurde.

http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ Wagneriaani 27 Bild: Mats Bäcker machte die beiden Szenen im 2. Aufzug zu weiteren dramatischen Höhepunkten des „Siegfried“. Insbesondere seine Auseinan- dersetzung mit Mime, sonst eher etwas ner- vend, zeigt ihn als absolutes Alphatier und den wahren Anspruchsteller an den Ring. Dass der Alberich Jupither besonders liegt, kann er auch in der „Götterdämmerung“ be- weisen, wo er Hagen mit der Inbrunst ganzer Überzeugungskraft nahezu hypnotisch mani- puliert. Maria Seijffert ist wieder die wohl- klingende Erda mit einem wahrlich mahnen- den Wort an den Wanderer. Ihr wurzelartig gestaltetes Kleid erinnert an ihr lateiname- rikanisches Pendant, die mit der Erde ver- wachsene Patschamama. Pär Lindskog sollte zunächst nur den Siegfried in den letzten drei „Ring“-Zyklen singen. Er konnte auf die Länge der beiden Abende einfach nicht überzeugen. Wenn- gleich immer wieder leuchtende und durch- aus heldische tenorale Töne erreicht wurden - so schaffte er gar die beiden Hohen C in der „Götterdämmerung“ - blieb seine gesang- liche Leistung einfach zu unausgewogen. Im- mer wieder kam es zu Intonationsschwan- kungen, wurde einfach zu tief gesungen und manches auch verquollen, allzu geschlossen im stimmlichen Ausdruck. Dazu kam ein oft etwas zu uncharismatisches Spiel. Kurz, in Mime (Jonas Durán) und Siegfried (Pär Lindskog). gewisser Weise wurde Lindskog zum Man- ko dieser ansonsten auch sängerisch sehr gut Mit den „Siegfried“-Bildern betont der Re- schrecken. Mit guter Technik müsste er ihm, besetzten beiden Abende. Seine Partnerin gisseur das romantische Scherzo des „Ring“ zumal mit seiner perfekten deutschen Aus- AnnLouice Lögdlung als Brünnhilde mach- mit einigen humoristisch angehauchten sprache, ebenfalls liegen. Marcus Jupither te einiges von diesem Defizit wett, versuchte Walddekorationen und einem Drachen- war nach seiner Erkältung als „Rheingold“- Lindskog in ihrer überaus charismatischen kampf, der mit einer offenbar dem Wagner- Alberich wieder stimmlich voll genesen und und mit großer Emphase zur Schau getrage- schen Kasperltheater entliehenen aufblasba- Bild: Mats Bäcker ren Plastikschlange, die mit videotechnischer Vergrößerung ansehnliche Dimensionen an- nimmt, über die Bühne geht. Sehr poetisch ist der herumtänzelnde Waldvogel im dezent stilisierten grauen Vogelkleid, der den jun- gen Siegfried bei allen Unternehmungen be- gleitet. Natalie Hernborg verleiht dem Fe- dertier ihren klangvollen hellen Sopran. Sie war in der „Götterdämmerung“ auch eine gute Woglinde. Johan Schinkler, der führen- de Bassist in diesem „Ring“-Zyklus, singt ei- nen stimmstarken dunklen Fafner, der töd- lich verwundet Siegfried in menschlicher Ge- stalt vor Mime warnt. Nach dem im Prinzip enttäuschenden Wotan von Urban Malmberg in der „Walküre“ konnte man nun wieder den souveränen und musikalischen Fredrik Zetterström als Wanderer mit seinem warm timbrierten Bassbariton erleben. Er machte die Wissenswette mit dem unglaublich in- tensiv und facettenreich agierenden Mime von Jonas Durán zu einem Höhepunkt des „Siegfried“. Durán verfügt über einen kräf- tigen, ins Heldische gehenden , der aber auch leicht ins Charakterfach weist. Er könnte den Mime, und möglicherweise einiges mehr, an jedem großen Haus ohne Probleme singen. Hinzu kommt seine ex- zellente Diktion bei guter Phrasierung. Zet- terström sollte seinerseits nicht länger vom Einstudieren des „Walküre“-Wotan zurück- Brünnhilde (AnnLouice Lögdlund).

28 Wagneriaani http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ nen Spielfreude mitzureißen. Sie gab auch abzubringen. Die Szene zwischen den beiden lage mit dunklen Tönen sicher an. Bei den stimmlich ihr Bestes, und das war an beiden stimmstarken Damen zeigte viele psycholo- letzten dramatischen Höhen gab es kleine- Abenden, wie schon in der „Walküre“, sehr gische Facetten. Anders Larsson, der den re, aber kaum ins Gewicht fallende Klang- viel. Die hochdramatischen Sopran-Erup- Donner sang, verlieh diesmal seinen klang- verluste. Er war der Motor der „Götterdäm- tionen knallten manchmal wie Peitschen- vollen und gut geführten Bariton dem Gun- merung“, ganz so, wie es sich gehört. Diese hiebe über die Bühne, wobei es in keinem ther. Er konnte die schwächliche Position war optisch/szenisch besonders wirkungs- Moment zu Ermüdung kam. Ihr Timbre ist des Königs der Gibichungen im Outfit des stark und setzte sich mit dunklen Farben dabei recht hell, es kann bisweilen auch et- Nachbarn von nebenan ebenfalls gut ausfül- sowie einer die mystische Dimension des was grell werden - da wäre dann etwas weni- len. Weniger überzeugend, vor allem stimm- „Ring“ immer wieder betonend prägnant ger Power angesagt, zumal an einem so klei- lich, war seine Schwester Gutrune, von Anne von der scherzohaften Ästhetik des „Sieg- nen Haus. In jedem Falle ist Lögdlund, die Bolstad verkörpert. Ihre Stimme wirkt doch fried“ ab. Im Finale sahen die Wermländer zum Ensemble der Wermland Opera gehört, schon etwas verbraucht, und die Regie leg- mit ihren Kindern dem immer stärker wer- eine sehr begabte Wotanstochter, die die- te diese Rolle zu plakativ kokett an, wofür denden Feuerschein am Horizont zu, nach- sen „Ring“ mit einem berührenden Mono- sie natürlich nichts konnte. Anneli Lind- dem der Rhein die Gibichungenhalle mit sei- log abschloss. fors als Wellgunde und Jeanette Goldstein nem Wasser überflutet hat. Mit dem Feuer- Die „Götterdämmerung“, hier „Ragna- als Flosshilde konnten im Terzett mit Nata- schein war in dieser Inszenierung vieles asso- rök“ genannt, begann mit einem kontem- lie Hernborg im Finale wieder mit einer so ziierbar, zumal sie den Zuseher niemals auf plativen Nornenterzett - wenig Bewegung, guten Leistung als Rheintöchter aufwarten irgendeine bestimmte Sichtweise der Tetra- aber mit einem geschickt eingeleuchteten wie zu Beginn des „Rheingold“. logie einengte. Selbst das Finale, so oft selbst Geflecht, u.a. via Laserbeam, mit umso stär- Es ist nahezu unglaublich, welche Stimm- große Regisseuren missraten, konnte in Karl- kerer Wirkung. Neben der 1. Norn von Ma- kraft der von Martin Virin geleitete, nur stad voll überzeugen. ria Seijffert sang Astrid Robillard die 2. und 17-köpfige Mannenchor um Hagen im 2. Dass dieser „Ring“ sich völlig schloss, lag Maria Metzler Saedén die 3. Norn, beide Aufzug bei bester gesanglicher Transparenz aber auch an der beherzten Heransgehens- recht gut. Die Bayreuth-erfahrene Martina und Wortdeutlichkeit an den Tag legte. Jo- weise des dynamischen und ebenso enga- Dike sang und spielte eine ausdrucksvolle han Schinkler stellte den Hagen im elegan- gierten wie fantasievollen Dirigenten Hen- Waltraute, die erst nach handgreiflichem ten schwarzen Anzug mit finsterer Ruhe und rik SchÄfer. Was er mit den nur 46 Musi- Kampf mit Brünnhilde von ihrem Versuch stets die Fäden in der Hand haltend dar. kern da oben unter der Decke des Opern- ablässt, sie vom Besitzanspruch an den Ring Sein Bass spricht in der Tiefe und Mittel- hauses zustande brachte, verlangt ganz be-

Bild: Mats Bäcker sondere Anerkennung. Sicher, das war nie der große Wagner-Sound eines Orchesters nahe der Originalbesetzung. Konnte es ja auch gar nicht sein. Irgendwie ging einem dieser Sound im so intimen Rahmen die- ses Opernhauses aber auch nicht ab. Man hörte alles viel direkter, viel mehr als sonst einzelne Instrumente, zumal die Bläser und Celli, besser heraus. Natürlich auch die Fah- ler, wie allzu viele Schmisse beim Siegfried- Horn. Aber man fühlte sich stets wie mit- ten drin in dieser Musik, sie klang von allen Seiten auf den Hörer ein und zog ihn da- mit unmittelbar auch in das Stück vorn auf der Bühne, wo die Stimmen klarer und prä- gnanter als sonst zu hören waren. Das Kon- zept von Ole Wiggo Bang, junge SängerIn- nen auf diese Weise besser am Wagner her- anzuführen, ging also voll auf. Bis Mitte Juli wird die Wermland Opera diesen „Ring“ nun noch vier Mal spielen. Wem an Wagner viel liegt, sollte die Reise wagen, auch Gwyneth Jones hat sich schon angesagt... Last but not least, eine kleine aber inter- essante Anekdote: In einer Nische im Foyer fiel eine ansehnliche weiße Büste Richard Wagners auf, und man fragte sich, wie sie dahin kam. Nach einiger Zeit konnte der Rezensent die Besitzerin ausmachen, Cla- ry Lundgren aus dem etwa 60km entfern- ten Sunne nördlich von Karlstad. Stolz er- zählte sie, dass Cosima Wagner einst ihrem Großvater Modest Menzinsky, der 1905 in Stockholm den ersten Siegfried in Schweden sang, diese Büste schenkte und ihn in Bay- reuth auch in der Rolle unterrichtete. Ein nicht unbedeutender Hauch aus dem fernen Bayreuth weht also auch in Karlstad. Wenn das kein gutes Omen für den „Ring“ 2013 in Oberfranken ist... Hagen (Johan Schinkler) und Alberich (Marcus Jupither). http://www.suomenwagnerseura.org/wagneriaani/ Wagneriaani 29