SWR 2 Meir Ariel
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SWR 2 Künstlerisches Wort/Literatur SWR2 : Feature am Sonntag Redaktion : Gerwig Epkes Regie : Alexander Schuhmacher Sendung : 04.07.2010, 14.05 h – 15.00 h Der singende Fallschirmjäger Meir Ariel Von Felix Papenhagen und Jan. M. Schäfer Sprecher 1: Erzähler Sprecher 2: Overvoice – Meir Ariel Sprecher 3: Overvoice – Zion, Yoav Kutner, Dori Ben-Se’ew, Se’ew Tenne, Amir Suskovic, Nissim Calderon, Oshik Levi Sprecher 4: Overvoice – Schachar Ariel, Idan Toledano, Student 1, Jehuda Eder Sprecher 5: Overvoice – Ehefrau Tirza Ariel Sprecher 6: Overvoice – Schester Aja Ariel, Studentin, Naomi Shemer Produktions-Nr. : 1001999 Produktion : 21.06.-26.06.2010, SWR, St. 2 BAD Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers © by the author Opener Medley: Geräusche,Zitate, Musikschnipsel [Lied-Intro: Kotzim A ] Nissim Calderon Overvoice „Vom Geld verdienen hatte er keine Ahnung“ [Rockgitarren-Krachen und Jubel (Konzert)] [Wasserpfeifenblubbern] [Liedzeile aus „Schir Keew“] Student Overvoice „Er ist für uns der israelische Bob Dylan“ Sprecherin (schwärmend) Ein Kibbuznik. Lockenkopf. Mit dem Kopf in den Wolken, sitzt auf einem Eukalyptusbaum Tirza Ariel „He was so sweet!“ [Sirene] [Radiosuchen, Radiorauschen] Sprecher Fallschirmjäger der israelischen Armee haben die Altstadt von Jerusalem erobert. [Liedanfang: Zedek Zedek tirdof] 1 Sprecher Er war der Erste, der am Glanz der israelischen Armee gekratzt hat. Yoav Kutner Overvoice „Man kann Meir Ariel das Lackmuspapier der israelischen Gesellschaft nennen“ Studentin 1 Overvoice „Man muss Geduld haben, um seine Lieder zu verstehen. Es ist wie klassische Musik. Du weißt, dass es gut ist, aber du hörst es dir nicht wirklich an, weil es schwer ist.“ Meir Ariel Overvoice Man muss nur gut zuhören. Ansager Der singende Fallschirmjäger - Der israelische Liedermacher Meir Ariel - Feature von Felix Papenhagen und Jan Schäfer [Geräusch: Traktor] Tirza Ariel Overvoice Er war unmöglich! Einmal saß Meir auf dem Traktor, um zwischen den Furchen Schläuche zum Bewässern zu verlegen. Da ist ihm der Traktor auf einmal von alleine losgefahren! Weil sein Kopf irgendwo anders geschwebt ist! Und erst als er die ersten Sachen umgefahren hat, da hat er gemerkt, dass er ja einen Traktor fährt und gerade alles kaputt macht! Erzähler Tirza Ariel ist Mitte Sechzig, hat langes schwarzes Haar 2 und rot lackierte Fingernägel. Sie sitzt in ihrer Küche und erinnert sich an ihren Mann Meir Ariel. Tirza Ariel Overvoice Er war ein Desaster. Aber er war jemand, ohne den man nicht leben konnte, er war so nett. Jeder hat ihn geliebt, mit all seinen Schwächen. Mit seinen Fehlern hat ihn jeder geliebt! Wirklich! Weil er so süß war. [Geräusch: Sirene] Erzähler 1967. Israel ist im Krieg mit seinen Nachbarn. Wie fast jeder Israeli ist auch Meir Ariel Soldat. Er gehört zu einer Einheit von Fallschirmjägern, die in Jerusalem gegen Palästinenser und Jordanier Ostjerusalem und – die Altstadt, samt Klagemauer. Für den jungen Staat Israel ein Tag, der als Befreiung Jerusalems in die Geschichtsbücher eingeht – für die Palästinenser eine bittere Niederlage. Im israelischen Radio läuft in dieser Zeit immer und immer wieder das neuste Lied der Sängerin Naomi Shemer: Es soll die Moral der Truppen stärken. Lied Naomi Shemer [„Jeruschalajim schel Sahaw“] [Kriegs-Atmo] Naomi Shemer Overvoice „Jerusalem aus Gold, und aus Kupfer und aus Licht, Kann nicht für all' deine Lieder ich die Harfe sein? 3 Wie vertrocknet sind die Wasserbrunnen, der Marktplatz ist leer, und niemand besucht den Tempelberg in der Altstadt.“ [Kriegsgeräusche, Bus] Erzähler Dieses Bild von einer Stadt, die nur darauf wartet, bevölkert zu werden, hat nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun. Nach dem Kampf sitzt der Soldat Meir Ariel mit seinen Kameraden im Armeebus und dichtet das Lied um. Später wird er bei einer Militär-Zeremonie einfach auf die Bühne kommen und das Lied singen. Auch im Radio wird es gespielt. Lied Meir Ariel [Jeruschalajim schel Barsel] Meir Ariel Overvoice „Jerusalem aus Eisen. Und von Blei und von Ruß. Wollten wir nicht Freiheit für Deine Mauern? Das Regiment, gesteinigt, brach nach vorn, einzig Blut und Rauch. Und Mutter um Mutter kam - in die Gemeinschaft der Kinderlosen“ Lied Meir Ariel [Bablat] 4 Meir Ariel Overvoice „Nach dem Krieg ist wie vor dem Krieg - Hier ist nur die Aussicht anders, das liegt an der Natur“ Erzähler Die erste Schallplatte: Auf dem Cover der verschmitzt lächelnde Meir Ariel in Uniform. Jetzt hat er seinen Spitznamen weg: Der singende Fallschirmjäger. Ariel ist der erste Liedermacher, der vom Alltag in der Armee erzählt – und damit auch an deren gut gepflegtem Image kratzt. Erzähler Aber Ariel mag seinen Spitznamen nicht. Er will nicht der Singende Fallschirmjäger, der Clown in Uniform sein, sondern ernst genommen werden. Ende der sechziger Jahre geht er mit seiner Frau in die USA, um Film zu studieren. [USA-1968-Musik: Bob Dylan: Like a Rolling Stone; The Beatles: A Day in the Life] Erzähler Doch schon nach zwei Jahren kommen die Ariels wieder zurück nach Israel. Sie haben jetzt zwei Kinder. Leben in einem Land, das ständig im Krieg ist. Aber auch hier gibt es ein normales Leben. Meir Ariel arbeitet in seinem Kibbuz. Einer Dorfgemeinschaft mit sozialistischen Prinzipien. Hier hat er seine Wurzeln: Im Kibbuz ist er geboren, als Sohn von jüdischen 5 Einwanderern aus der Ukraine. Doch an eine professionelle Karriere als Musiker ist hier nicht zu denken. [Geräusche Landwirtschaft] Tirza Ariel Overvoice Er hat geschrieben, gespielt, produziert, all das hat er gemacht, und das nachdem er von fünf bis fünf auf dem Feld gearbeitet hatte! Dann erst konnte man mit dem Geistigen anfangen. Denn wofür lohnt es sich sonst zu leben? [Schira beZibur / Gemeinschaftsliedersingen] Erzähler Abends sitzen die Kibbuzniks zusammen und singen Lieder. Juden aus Russland, Deutschland, Polen singen Lieder von der neuen Heimat „Eretz Israel“. Lieder, die Gemeinsinn stiften sollen, im kollektiven „wir“. Sie handeln vom Pioniergeist des Volkes Israel, von der Feldarbeit und vom Aufbau des Landes. Lieder in der wiederbelebten biblischen Sprache Hebräisch. Das moderne Hebräisch wird die neue Sprache des Einwanderer-Landes Israel. Lied [Anfang] Holech Batel Erzähler 6 Und in dieser neuen Sprache schreibt Meir Ariel seine eigenen Lieder. Tirza Ariel Overvoice Im Kibbuz ist jeder gleich. Jeder ist genau gleich. Wie Eier oder wie Hühner oder Kühe oder Schafe. Wir sind alle genau gleich. Wir mussten den Plan erfüllen. Er hat von morgens bis abends das Feld gepflügt. Ein Niemand. Er aß im Essenssaal, er war niemand. Er hatte Talent, Lieder zu schreiben, für Parties, für Hochzeiten, Kibbuz-Jubiläen, die ganzen Feiertage. Er war der Mann für alles, was mit Literatur und Dichtung zu tun hatte. Erzähler Und Ariel schreibt für andere Musiker. Viele Künstler werden berühmt mit Liedern, die er geschrieben hat, während er selbst weiter im Kibbuz lebt. Lied [Oshik Levi: Lischon Lischon, Text: Meir Ariel] Oshik Levi Overvoice „Was mir gefällt ist schlafen. Nur niedersinken und vergessen, nichts hören, ungestört. Es gibt zu viele Nachrichten unter der Sonne. Nur schlafen, schlafen, schlafen jetzt, unter der Sonne“ [Geräusch: Schreibfeder auf Papier] 7 Erzähler Ariel ist der Mann für die Texte, auf der Bühne stehen andere. Wie die Band Tamuz, mit Bandleader Shalom Chanoch, einem alten Freund Ariels, der den Kibbuz schon lange verlassen hat und zu einem der größten Rockstars in Israel wird. Auch er singt Ariels Lieder. Lied [Sof Onat haTapusim, Text: Meir Ariel] Dori Ben-Se'ew Overvoice Sof Onat haTapusim, das Ende der Orangenzeit! Das ist Poesie! In dem Lied hast Du eine hohe, biblische Sprache und gleichzeitig ist es purer Rock 'n' Roll! Meir war der größte Songschreiber, alle möglichen Leute sind zu ihm gekommen! Erzähler Radiomoderator und Sänger Dori Ben-Se'ew, ein enger Freund von Meir Ariel Dori Ben-Se'ew Overvoice Er hat großen Einfluss gehabt. Die Menschen um ihn herum wurden inspiriert, etwas zu schaffen. Sie haben den Spirit bekommen, Lieder zu schreiben. Se'ew Tenne Overvoice In dieser Zeit habe ich wirklich nach einem Mentor gesucht, Jemanden, der mir den Weg zeigen kann. 8 Erzähler Der Sänger Se'ew Tenne Se'ew Tenne Overvoice Dann hab ich angefangen, ihn immer wieder im Kibbuz zu besuchen. Und ich war wirklich fasziniert von diesem Typen, der in seinem Kibbuz einen Platz hat, beim Eukalyptusbaum, wo er hingeht, um Lieder zu schreiben. Für mich war das – Wow! Sowas gibt es! [Geräusche: EXPLOSION, Scheiben klirren, Ambulance, Schüsse] [Radiorauschen, Sendersuche] Sprecher Krieg und Konflikt in Israel hören nicht auf. 1973 der Yom-Kippur-Krieg. [Radiorauschen, Sendersuche] Israel hält das Westjordanland besetzt: Jüdische Siedler bauen dort Häuser und ganze Städte. Palästinensische Attentäter greifen jüdische Israelis an. Militärische Gegenschläge, Razzien bei Nacht. Es ist ein ständiger, zermürbender und immer wieder blutiger Kampf um Land. Auch der Liedermacher Meir Ariel trägt wieder Uniform. Und: Er ist einer der wenigen Musiker, die auch über den Konflikt singen. 9 Lied [Schir Ke'ew] Meir Ariel Overvoice „Ein Lied, das Weh tut./Was für ein Glück, dass ich jetzt singe./Ein Lied, das immer und immer wieder weh tut./Also singe ich jetzt,/ vielleicht hilft's ja./Sie wurde von einem intelligenten jungen Araber belagert/auch noch von einem, den ich kannte/überhaupt sah ich, wie alles begann.//Eines Nachts, als ich mich betrank./Ich hab gemerkt, wie's mich beschlich./Von den Fußsohlen und wie es mich auffrisst/bis zu den Fingerspitzen./Gut, ich kann eine Frau nicht umklammern/365 Grad,/es bleibt immer ein Spalt, durch den/sie plötzlich fliehen kann/er geht vorüber, und nimmt sich -/alles was sie geben will“ Erzähler Der Schmerz in diesem Lied ist die Angst, die Geliebte zu verlieren. Die wird von einem jungen arabischen Schauspiellehrer umworben, dessen bedrohliche Blicke überall zu sein scheinen. Eines Abends auf einer Party ist das Trio dann komplett. Der Sänger, die Frau und - der Nebenbuhler. Nach der Party stehen sie zu dritt auf dessen Balkon, trinken Kaffee und Cognac.