„Ich Kriege, Was Ich Will“ Interview Mit Regisseur Wolfgang Petersen Über Seinen Neuen Film, Killer-Viren Und Hollywood
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.. KULTUR Film „Ich kriege, was ich will“ Interview mit Regisseur Wolfgang Petersen über seinen neuen Film, Killer-Viren und Hollywood Wolfgang Petersen signalisiert mit seinem neuen Film „Outbreak – Lautlose Kil- ler“die WiederkehrdesPanik-Thrillers, einesGenres ausden fünfziger Jahren: Unter Titeln wie „Invasion der Killertoma- ten“ oder „Tarantula“ wurde da die Menschheit durch Mon- ster-Mutanten aus der Giftküche eines Wahnsinnigen be- droht. Der Petersen-Film sieht die Menschheitsgefahr in ei- nem aus Afrika in die USA eingeschleppten Affenvirus, das seine Opfer von innen heraus versaftet. Das Virus, das es wirklich gibt, ist auch der makabre Held in Richard Prestons aufsehenerregendem Tatsachenroman „Hot Zone“ (1995). Aber Petersen, 54, der die Rechte daran nicht erwerben konnte, erzählt eine andere, krassere Geschichte. Der Ost- friese aus Emden hatte mit „Tatort“-Krimis im Fernsehen er- ste Erfolge und wurde 1981 durch den Antikriegsfilm „Das Boot“international bekannt. 1993 gelang ihm mit dem Thril- ler „In the Line of Fire“ der Durchbruch in Hollywood. M. MONTFORT SPIEGEL: Herr Petersen, was fürchten in der Lage sein wird, ein solches Vi- alles zu bedeuten? Was machen wir Sie mehr, kalifornische Erdbeben vor rus zu entdecken, zu isolieren und falsch? Sind wir dabei, uns selbst zu Ihrer Haustür oder die Attacken von auch ein entsprechendes Antiserum zu zerstören? Die Zivilisation hat eben Killer-Viren, die Sie in Ihrem neuen erfinden. Das wäre dann die schlimm- nicht nur unbestreitbaren Fortschritt, Film „Outbreak“ beschreiben? ste Waffe, die man sich denken kann. sondern auch lebensbedrohende Ge- Petersen: Im Vergleich zu den tödlichen SPIEGEL: Wollen Sie mit „Outbreak“ fahren für die Menschheit hervorge- Viren sind die Beben mit ihren Millio- unterhalten, oder ist Ihnen Ihre Bot- bracht. Die Menschen sollten sich aus nen-Schäden und Toten geradezu harm- schaft wichtiger: Aufgepaßt, die bakte- manchen Regionen der Erde, zum Bei- los. Die Viren haben ein ganz anderes, riologische Bombe tickt? spiel dem Regenwald, besser heraus- verheerendes Zerstörungspotential. Petersen: Der Film ist ein Thriller, halten. Viele Menschen glauben sogar, SPIEGEL: In „Outbreak“ machen Sie ganz klar. Ich will gar keine großen Aids sei letztlich die Rache des Regen- dem Zuschauer mächtig angst. Blanke Botschaften verkünden, sondern nur waldes. Fiktion oder ein Vorgeschmack auf die einfache Fragen stellen: Was hat das SPIEGEL: Wie das? Wirklichkeit? Petersen: Mein Film ist nicht irgendein Hollywood-Hirngespinst. Jetzt, in die- sem Moment, könnten tatsächlich in ei- nem Labor der U. S. Army die Erreger gezüchtet werden. Die Geschichte könnte sich dann auch so abspielen wie in meinem Film: Affen verbreiten die Viren, und niemand weiß, ob sie nicht auch so leicht wie ein Grippe-Erreger auf Menschen übertragen werden kön- nen. Die Wissenschaftler, die die Virus- Waffe im Auftrag des Militärs ausge- heckt haben, verlieren die Kontrolle über ihr Projekt. Im Pentagon herrscht Panik. Es naht das Ende der Welt. SPIEGEL: Die US-Streitkräfte investie- ren jedes Jahr mehr als 100 Millionen Dollar in ihr biologisches Verteidigungs- programm. Halten Sie Ihr Film-Szena- rio deshalb für realistisch? Petersen: Aber ja. Ich bin fest davon überzeugt, daß das Militär eines Tages WARNER BROS. * Mit Dustin Hoffman. Petersen-Film „Outbreak – Lautlose Killer“*: „Panik im Pentagon“ 224 DER SPIEGEL 13/1995 Petersen: Der Mensch hat die Harmo- nie der Natur zerstört, die Milliarden von Jahren Bestand hatte. Viren hat es immer gegeben und wird es immer ge- ben. Doch die schrecklichen Auswüch- se, wie Aids, traten erst auf, als wir an- fingen, die Natur zu zerstören. SPIEGEL: Das hört sich reichlich naiv an. Petersen: Kann sein, aber ich will jetzt mal einen Wissenschaftler zitieren, der gesagt hat, daß hier auf der Erde jetzt ein ganz neuer Krieg ausgebrochen ist. Nicht mehr „Mensch gegen Mensch“, sondern „Natur gegen Mensch“. Des- halb habe ich an den Anfang meines Films auch als Motto ein Zitat des No- belpreisträgers Joshua Lederberg ge- stellt: „Die größte Gefahr für die Vor- herrschaft des Menschen auf dem Plane- ten sind die Viren.“ SPIEGEL: Warum sind die Menschen im- mer wieder aufs neue von der Apoka- lypse made in Hollywood fasziniert, von diesem glamourösen Gemisch aus Grau- en und Gewalt? Die Wirklichkeit ist doch deprimierend genug. Petersen: Im Menschen schlummern Urängste, die durch Alpträume abge- baut werden. Man kann das im Schlaf bewältigen oder im sicheren Kino. Auch ich bin beispielsweise damals wie alle anderen in den „Weißen Hai“ gerannt, obwohl ich doch so gerne bade und am Strand liege. Aber ich wollte sehen, wie es ist, von einer unsichtbaren, un- heimlichen Bestie aufgefressen zu wer- den. Die Urängste der Menschen im Kino abbauen SPIEGEL: Die Gewaltszenen in Holly- wood-Filmen und in den TV-Nachrich- ten sind für viele kaum noch auseinan- derzuhalten. Stört Sie das nicht? Petersen: O doch. Hier in Kalifornien die lokalen Abendnachrichten zu se- hen, in denen es nur noch um Mord und Totschlag geht, ist für mich uner- träglich und widerlich. Mir kann keiner weismachen, daß das nur die Wi- derspiegelung von Wirklichkeit sein soll. Es ist Sensationsmacherei. Die schlimmsten Fälle werden herausge- pickt, aneinandergereiht und den Leu- ten als das wahre Leben verkauft. Die Welt verkommt so zu einem einzigen Ort der Gewalt. Da stellt sich für viele natürlich die Frage: Warum soll ich da nicht mitmachen? SPIEGEL: In Ihrem Film „Das Boot“ geht es auch um Tod und Gewalt, aller- dings mit einer klaren moralischen Bot- schaft: Krieg ist Wahnsinn. Eigentlich eine Allerweltsweisheit. Petersen: Ja, aber der Film hat Au- thentizität und Kraft – wahrscheinlich, DER SPIEGEL 13/1995 225 KULTUR weil ihn Deutsche gemacht haben. Es war beite mit Wolfgang Petersen, dann ist der für uns alle ein Thema, das mehr war als Film gemacht. Dann sind die Studios vol- irgendein Drama. Der Film hatte Tiefe. le Pulle mit dabei. Herrlich. In amerikanischen Produktionen fehlt SPIEGEL: Da kann Deutschlands schein- das sehr oft. tote Filmwirtschaft Sie wohl nicht mehr SPIEGEL: Woran liegt das? reizen? Petersen: Weil hier die Werte verfallen. Petersen: Doch, jederzeit. Wenn ein gro- Das Schulsystem kollabiert, der Mittel- ßes Thema vorhanden wäre. Nur eine stand zerbricht, viele Jugendliche wach- Voraussetzung müßte garantiertsein: der sen in kaputten Familien auf. Woher sol- gleiche hohe professionelle Level wie in len moralische Werte kommen, wenn al- Hollywood. Ob das möglich sein wird, les zusammenbricht, was Schutz und Ge- weiß ich allerdings nicht. borgenheit ausmacht? SPIEGEL: Wolfgang Petersen, der gute SPIEGEL: Auch Europa ist kein soziales Samariter des deutschen Films, das wäre Elysium. Arbeiten amerikanische Regis- doch eine schöne Herausforderung. seure denn grundsätzlich anders? Petersen: Ein bißchen viel verlangt. Es Petersen: Die Europäer sind sensibler. liegt doch nicht nur der deutsche Film im Die gehen mehr auf die Darsteller ein. Sterben, der gesamte große europäische Viele von ihnen kommen vom The- Kinofilm siecht doch dahin. Denken Sie ater. Das ist eine gute Schule. Die Ame- an Italien. Welche großen Regisseure ha- rikaner sind meist direkt aus der künstli- ben die einstgehabt: De Sica, Fellini, Vis- conti. Traurig, was aus diesem grandio- sen Filmland geworden ist. In England „In Hollywood lügen liegt auchalles am Boden. Und Skandina- einem die Leute vien? Ingmar Bergman dreht längst nichts mehr. Aber ist das nun die Schuld lächelnd ins Gesicht“ der Amerikaner? Machen die mit ihren Großprojekten wirklich alle anderen ka- chen Welt der Filmschulen in den künst- putt . lichen Hollywood-Betrieb geraten. SPIEGEL: . oder stehen sich die Euro- Die haben vom richtigen Leben wenig päer am Ende nicht doch selbst im Weg Ahnung. mit ihrem notorischen Tiefsinn, ihrer zä- SPIEGEL: Wie sind Siedenn inHollywood hen Intellektualität und ihrer penetran- zurechtgekommen? ten Weltverbesserei? Petersen: Die ersten Jahre waren die Petersen: Sicher ist das auch ein Grund, schlimmsten. Es hat mich viel Zeit geko- besonders in Deutschland. Aber im Zeit- stet, die Mechanismen des Betriebs zu alter der Medienexplosion, wo alles und durchschauen. alle über Kabel und Satellit miteinander SPIEGEL: Und was haben Sie entdeckt? verbunden sind, wird eben auch der Ge- Petersen: Meine grenzenlose Naivität. schmack weltweit einheitlicher. Wenn man inDeutschlandeinenFilmfest SPIEGEL: Keine Chance für den europäi- verabredet, macht man ihn auch. In Hol- schen Film? lywood heißt das noch gar nichts. Die Petersen: Wohl kaum. Die Amerikaner Leute lügen einem lächelnd ins Gesicht. sind einfach brutaler. Die kämpfen um je- Man muß höllisch aufpassen, was sie zwi- den Millimeter Marktanteil. Die einzige schen den Zeilen sagen. Ich mußte erst Möglichkeit, die ich für die Europäer se- den ganzen Showbusiness-Mist abkrat- he, istder absolut unabhängige, alternati- zen, um rauszukriegen, wer die wirklich ve, strikt nationale Film. zuverlässigen Leute sind. SPIEGEL: Den dann auch absolut nie- SPIEGEL: Warum sind Sie geblieben? mand sehen will. Petersen: Weil es hier eben auch die Petersen: Nein, nein. Es gibt Ausnah- überragenden Könner, die großen Profis men. Katja von Garniers kleine Komödie gibt. Doch an die kommt man erst ran, „Abgeschminkt!“ vor zwei Jahren war wenn man erfolgreich ist. Und so waren doch ein schöner Publikumserfolg. Da- die letzten drei Jahre für mich hier wun- bei war der Filmsehr, sehrdeutsch.Wenn derbar. Ich kriege inzwischen alles, was man anfängt, die Amerikaner zu ko-