22/Massive Attack (Page 220)
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Kultur Schlacht auszutragen hatten. „Kater nach daß sie auch so cool werden wollten wie POP einem Besuch in der Hölle“, beschrieb der die US-Rapper. „Wir übten Breakdance, britische „New Musical Express“ die CD Scratchen, Rappen und verschönerten die Klänge aus der und kürte die Gruppe zu der „wohl besten Gegend mit wüsten Graffiti“, erzählt 3D. englischen Band der letzten zehn Jahre“. Er und seine Freunde nannten sich „The Und dieses Mal ist das Lob wirklich nur Wild Bunch“, und sie waren tatsächlich Hölle wenig übertrieben: „Mezzanine“ ist eines eine wilde, einfallsreiche Truppe: Zu ihr der eindrucksvollsten Pop-Alben dieses gehörten nicht nur Massive Attack und Die britische Gruppe Massive Jahres. Die Gruppe, die in dieser Woche Tricky, sondern auch die Sängerin Neneh noch auf Deutschland-Tour ist, hat mit Cherry und Nellee Hooper, der spätere Attack hat ihr neues, ihrem filigranen Mix aus Reggae, HipHop Gründer von Soul II Soul und Produzent finsteres Album „Mezzanine“ und New Wave schwermütige Songs ge- von Madonna. Erst rappten die Jungs in vorgelegt und tourt damit schaffen, die mit traurig schleppenden der Fußgängerzone, dann mixten sie auf zur Zeit durch Deutschland Rhythmen unterlegt sind. Partys die Musik zusammen, und schließ- Für diese Überdosis Melancholie macht lich produzierten sie eigene Platten. ie Sache ist merkwürdig: Jedesmal Daddy G vor allem seinen Partner Robert Auch wenn sie mal echte amerikanische wenn die britische Popgruppe Del Naja, der sich 3D nennt, verantwort- Rapper sein wollten – inzwischen verste- DMassive Attack ein Album ver- lich. Die Texte seien ein Fenster in dessen hen Massive Attack ihre Musik als „aus- öffentlicht, ist die Welt gerade mit einer Seele. Immer gehe es darum, von anderen schließlich britisch“. Daddy G sagt: „In Irak-Krise beschäftigt. Vor sieben Jahren verfolgt, verlassen oder verletzt zu wer- den USA mischen die Kulturen sich nicht. befreiten die Amerikaner Kuweit, und in den. „Er ist ein Irrer“, sagt Daddy G. Doch HipHop ist schwarz, Rock ist weiß. Aus. In Anbetracht des Krieges fanden die BBC- 3D erklärt: „Das Leben ist düster, die Welt England haben weiße und schwarze Kids Oberen den Bandnamen so unpassend, daß ist schlecht.Warum zum Teufel sollten wir gemeinsam Stile wie Drum’n’Bass, Jungle sie das „Attack“ in den Moderationen vor- fröhliche Musik machen?“ und Trip Hop entwickelt.“ Eine gemischt- übergehend wegzensierten. Menschen, die Düsternis und Depres- rassige Band wie Massive Attack sei in Als das Bristoler Trio vor einigen Mo- sion als Pose zelebrieren, werden „Gothics“ Amerika die absolute Ausnahme. naten die Arbeit an seinem neuen Album genannt. „Wer einen neuen Trend sucht, Massive Attack, Portishead und Tricky abschloß, stritt die Welt mit dem Irak um darf unsere Musik ,Goth Hop‘ nennen“, (der in dieser Woche sein neues Album die Waffeninspektionen, und US-Präsident schlägt 3D deshalb vor und grinst. Andrew „Angels With Dirty Faces“ herausbringt) Clinton drohte schon mit einem Militär- Vowles alias Mushroom, der dritte und wurden schnell als verquere Meister des schlag. „Wir saßen im Taxi und hörten im schweigsamste in der Band, schließt genervt neuen Sounds aus Bristol gefeiert. Und Radio unsere neue Single ,Rising Son‘, er- die Augen, als er das Wort Trend vernimmt. weil Massive Attack auch Hits wie „Un- zählt Grant Marshall, der sich den Künst- Die drei hassen es, wenn ihre Musik als finished Sympathy“ und „Protection“ ge- lernamen Daddy G gegeben hat. „Als der Prototyp irgendeiner neu erfundenen Ka- langen und plötzlich jedes Label seinen Sprecher dann nur von ,Massive‘ redete, sa- tegorie vorgestellt wird. Denn schon ihr Trip-Hop-Künstler brauchte, kamen selbst hen wir uns an und dachten: ,Oh, ver- Debütalbum „Blue Lines“ galt 1991 als Er- mäßig begabte Imitatoren zu Plattenver- dammt, schon wieder Krieg.‘“ findung des „Trip Hop“, des wichtigsten trägen. Dazu kam es dann doch nicht, und so Musikstils der Neunziger. Die Originale aus Bristol erhielten der- steht auf dem neuen Album korrekt Angefangen hatte alles mit dem ameri- weil lukrative Angebote ideenarmer Alt- „Massive Attack“.Allerdings lassen die dü- kanischen HipHop. Als der Rap-Doku- stars, von Madonna bis U2. Die wollten steren Klänge von „Mezzanine“ vermuten, mentarfilm „Wildstyle“ in Bristol gezeigt ihre Musik von den Neustars auffrischen daß die Musiker mit sich selbst so manche wurde, beschlossen die britischen Jungs, lassen, koste es, was es wolle. Für U2 lie- ferten Massive Attack einen so ei- lig hingeschlampten Remix ab, daß die Aufnahme gar nicht erst veröf- fentlicht wurde. Weil das Geschäft ihnen so an- strengend erschien, haben Massive Attack in den vergangenen acht Jahren selber nur drei Alben fer- tiggestellt. Und weil sie von Trip Hop nichts mehr hören wollen, klingt „Mezzanine“ auch nicht mehr sanft und rollend, sondern hart und dunkel. Ihre Plattenfirma haben sie, ganz Corporate Identity, „Melankolic“ genannt. Nach dem Ende der Tour wer- den sie dann erst einmal wieder re- mixen, zunächst das Hitalbum „OK Computer“ der britischen Band Radiohead – schließlich haben die Kollegen lange genug gebettelt. Bis zur nächsten eigenen CD wird es noch einige Zeit dauern, falls die überhaupt erscheint. „Vielleicht sollten wir das lieber ganz sein las- SET sen“, sagt Daddy G, „sonst gibt es Massive-Attack-Musiker Del Naja, Marshall: Düsternis und Depression als Pose bloß wieder Krieg.“ ™ 220 der spiegel 22/1998.