Mainzer Stadtschreiber 2013: Peter Stamm
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Mainzer Stadtschreiber 2013: Peter Stamm Stadtschreiber-Literaturpreis von ZDF, 3sat und der Landeshauptstadt Mainz Preisverleihung und Amtseinführung am Freitag, 22. Februar 2013, 15.30 Uhr 2 Der Mainzer Stadtschreiber 2013: Peter Stamm Biografie und Bibliografie 4 Rede des ZDF-Programmdirektors Dr. Norbert Himmler 8 Rede des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Mainz, Michael Ebling 12 Laudatio von Judith Kuckart 20 Die Mainzer Stadtschreiber und ihre TV-Dokumentationen 23 Die Jury 24 Richtlinien für die Verleihung des Stadtschreiber-Literaturpreises 27 Kontakt, Bildhinweis, Impressum z.presse 22. Februar 2013 Der Mainzer Stadtschreiber 2013: Peter Stamm Biografie und Bibliografie Peter Stamm wurde 1963 in Scherzingen/Kanton Thurgau in der Schweiz geboren. Er studierte nach einer kaufmännischen Lehre ei- nige Semester Anglistik, Psychologie und Psychopathologie, längere Aufenthalte in Paris, New York, Berlin und London schlossen sich an. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor und Journalist. Wie kaum ein anderer Autor seiner Generation findet Stamm präzise und suggestive Bilder für die unendlichen Möglichkeiten und Unmög- lichkeiten von Liebesbeziehungen, von Kälte und Anziehung, von Dis- tanz und Nähe. Stamms Markenzeichen ist sein kunstvoll knapp und schmucklos gehaltener Stil. Stil, das sei doch nur ein Kleid, sagte Stamm einmal, aber Literatur müsse Haut zeigen. Bereits mit seinem Debutroman "Agnes", einer verwickelten Liebesge- schichte zwischen einem Autor und einer Physikstudentin, konnte Stamm 1998 einen großen Erfolg bei der Kritik und den Lesern glei- chermaßen feiern. Die Feuilletons feierten das Buch als Parabel über die Macht der Literatur, der Fantasie. 1999 setzt Stamm mit dem hochgelobten Erzählungsband "Blitzeis" seine literarischen Erfor- schungen über die Unmöglichkeit von Beziehungen fort und findet bei Marcel Reich-Ranicki und seinen Mitstreitern im "Literarischen Quartett" des ZDF dafür hohe Anerkennung. Es folgt der nördlich des Polarkreises spielende Roman "Ungefähre Landschaft" (2001), der Roman "An einem Tag wie diesem" (2006) über eine tödliche Krank- heit, die Dreiecksgeschichte "Sieben Jahre" (2009) sowie die ein- drücklichen Erzählungssammlungen "Wir fliegen" (2008) und "Seerücken" (2011). Peter Stamm, der auch als Dramatiker und Hörspielautor arbeitete und jahrelang als Journalist für die "Neue Zürcher Zeitung", die "Weltwoche" oder für die satirische Zeitschrift "Nebelspalter" wirkte, ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Rauriser Literaturpreis (1999), dem Rheingau Literaturpreis (2000), dem Preis der Stadt Zürich (2003), dem Kulturpreis der Stadt Winterthur (2003) sowie dem Bodensee-Literaturpreis (2012). 2013 erhält er nun den Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis und wurde für den Man Booker International Prize nominiert. Stamm lebt im schwei- zerischen Winterthur. 2 z.presse 22. Februar 2013 Bibliografie (Auswahl) Buchveröffentlichungen: 1998 "Agnes". Roman. Arche Verlag 1999 "Blitzeis". Erzählungen. Arche Verlag 2001 "Ungefähre Landschaft". Roman. Arche Verlag 2003 "In fremden Gärten". Arche Verlag 2006 "An einem Tag wie diesem". Roman. S. Fischer Verlag 2008 "Wir fliegen". Erzählungen. S. Fischer Verlag 2009 "Sieben Jahre". Roman. S. Fischer Verlag 2011 "Seerücken". Erzählungen. S. Fischer Verlag Theaterstücke: "Fremd gehen" (1995) "Après Soleil" (2003) "Der Kuss des Kohaku" (2004) "Die Töchter von Taubenhain" (2004). Hörspiele: "Ich und die anderen" (1991) "In Vitro" (1994) "Agnes" (1998) "Passion"; "Was wir können" (2000) "Blitzeis" (2001) "Das Schweigen der Blumen" (2004) "Treibgut" (2005). 3 z.presse 22. Februar 2013 Rede des ZDF-Programmdirektors Dr. Norbert Himmler zur Verleihung des Mainzer Stadtschreiber- Literaturpreises 2013 an Peter Stamm – Es gilt das gesprochene Wort – Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Ebling, verehrte Frau Grosse, sehr geehrte Frau Kuckart, lieber Herr Stamm, meine Damen und Herren, auf Ihnen, lieber Herr Stamm, wird ab heute eine große Verantwortung lasten. Welche Auswirkungen das Amt des Mainzer Stadtschreibers haben kann, möchte ich kurz aufgrund eigener Betroffenheit schildern. Als ich 1990 hier in Mainz mein Abitur ablegte, Deutsch als eines der Prüfungsfächer, hatte ich die Themenwahl zwischen Lenz’schen Kurz- geschichten und einer Gedichtinterpretation. Mein Deutschlehrer raunte mir damals zu: Herr Himmler, Sie nehmen das Gedicht, ist doch Ehrensache im Abitur. Und so wählte ich das Gedicht. Es stammte vom damaligen Stadtschreiber Günther Kuhnert; ich verstand den Kontext nicht und die Arbeit fiel ziemlich mittelmäßig aus. Es hat mich Gott sei Dank nicht daran gehindert, anschließend Germanistik zu stu- dieren, aber Sie sehen, lieber Herr Stamm, welche Folgen dieses Amt haben kann. Aus meiner Sicht hat die Stadtschreiber-Jury bei ihrer Wahl alles rich- tig gemacht: Ich bin tief überzeugt, dass wir es hier mit einem großen Talent der deutschsprachigen Literatur zu tun haben (…) In Deutschland glaubt man immer, poetisch muss immer ganz dunkel und unverständlich sein (…) Er schreibt eine ganz klare, gar nicht dunkle, hochpoetische Prosa, meist kurze Sätze, und er kann zwei Dinge glänzend zeigen: Nicht die Figuren, um die bemüht er sich gar nicht, über die schreibt er ja nur ganz wenig. Er kann Situationen zeigen, und er kann fabelhaft Stimmungen zeigen (…) Ein fabelhafter Autor. So. Drei Dinge muss ich jetzt nachtragen. Erstens: Ich liefere hiermit die Anführungszeichen nach. Zweitens: Die Sätze sind nicht von mir, aber jedem Satz kann ich aus vollem Herzen zustimmen. Drittens: Dies ist ein Zitat und es ist zwölf Jahre alt und stammt von Marcel Reich-Ranicki. Ausgesprochen im Literarischen Quartett am 17. August 2001 über Ihren Roman "Ungefähre Landschaft". 4 z.presse 22. Februar 2013 Sie sehen also, lieber Herr Stamm, zwischen Ihnen und dem ZDF gibt es schon eine lange Geschichte. Das Quartett hatte ja auch schon 1999 Ihren Erzählungsband "Blitzeis" etwas chaotisch, aber doch sehr positiv diskutiert. Wenn man den Kritiken der letzten Jahre glauben kann, dann lag Herr Reich-Ranicki vor zwölf Jahren mit seiner hell- sichtigen Analyse "nicht so ganz daneben", wie er es mit leichter Untertreibung selbstironisch formulieren würde. Heute gehören Sie zu den ganz wenigen deutschsprachigen Autoren, die nicht nur hohe Auflagenzahlen erreichen, sondern auch noch die Kritiker zum Schwärmen bringen. Erfolg und Anerkennung zugleich, das gibt es nicht so oft. Sie sprechen darüber hinaus auch noch ein globales Publikum an, was der deutschen Literatur noch seltener pas- siert. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt worden und in den USA werden Sie von berühmten Schriftstellerkollegen wie Tim Parks oder Zadie Smith geradezu euphorisch besprochen, was ein deutsch- sprachiger Autor noch viel, viel seltener erlebt. Da tickt etwas in Ihren Texten, das die Seelen beiderseits des Atlantiks erreicht, egal ob in Boston oder Berlin, in Maine oder in Mainz, in Washington oder Winterthur. Kürzlich sind Sie für den "Man Booker International Prize" nominiert worden. Sie sind der erste Schweizer, der das geschafft hat. Ich gratuliere Ihnen zu dieser großen Ehre! Wenn man dann noch be- denkt, dass ein Philip Roth vor zwei Jahren den Preis gewonnen hat, dann ist diese Nominierung allein schon ein echtes Ereignis. Ja, was ist es denn, was Ihre Arbeit weltweit so attraktiv macht? Der eben erwähnte Tim Parks meint, Stamm sei deshalb ein so eminent internationaler Autor, weil seine Charaktere so gut in unsere globali- sierte Welt passen, so orientierungslos wie sie oftmals sind. Sie ver- heddern sich im täglichen Einerlei ihrer Beziehungen. Und das soge- nannte Normale gerät schnell aus dem Tritt. Meine Damen und Herren, hören Sie sich das an: "Du bist allein, egal mit wem Du zusammen bist"! Welch ein Satz, den eine wütende Ge- liebte ihrem Typen an den Kopf wirft, ein Zitat aus dem Roman "An einem Tag wie diesem". Er trifft auf viele von Stamms Helden zu. So richtig glücklich ist keine seiner Figuren. Im Zürcher Tagesanzeiger hieß es dazu, ich zitiere: "Einigen ist das bewusst, andere haben wenigstens eine Ahnung davon, dass das Leben, das sie führen, nicht das ist, was sie führen wollen". Ziemlich traurig – oder? Und warum macht es dennoch Spaß, Stamm zu fol- gen? Weil es schlicht und einfach ein großes Vergnügen macht, Stamm zu lesen. Stamms Texte, so stellt es die Mehrheit seiner Kriti- 5 z.presse 22. Februar 2013 ker fest, zeichnen sich durch ebenso einfache, wie melodiöse und prä- zise Sätze aus. Eine große Kunst: Kein Wort zu viel, aber auch kein Wort zu wenig. Stamm ist ein Meister der Ökonomie – ja, lieber Herr Stamm, haben Sie nicht auch einmal eine Weile als Buchhalter gear- beitet? Viel mehr über den Preisträger werden wir gleich von der Schriftstelle- rin Judith Kuckart erfahren. Es ist in den letzten Jahren eine wirklich schöne Tradition bei der Verleihung des Mainzer Stadtschreiberprei- ses geworden, dass auf die Preisträger häufig Kolleginnen und Kolle- gen gesprochen haben. So wie Josef Haslinger auf Ilija Trojanow und dann ein paar Jahre später umgekehrt Ilija Trojanow auf den Preisträ- ger Josef Haslinger oder Judith Hermann auf Monika Maron oder Ulrich Peltzer auf Kathrin Röggla im letzten Jahr. Wer weiß, liebe Frau Kuckart, möglicherweise droht auch Ihnen irgendwann einmal der An- ruf der Jury? Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie uns heute etwas zu Peter Stamm erzählen werden! Vielen Dank! Und sehr gerne möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Kathrin Röggla für Ihre Stadtschreiberarbeit im letzten Jahr