Die Flatterulme in Bayern – Ein Überblick Über Ihr Vorkommen Und Erfahrungen Zu Eignung Und Verwendung Stefan Müller-Kroehling
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Die Flatterulme in Bayern – ein Überblick über ihr Vorkommen und Erfahrungen zu Eignung und Verwendung Stefan Müller-Kroehling Schlüsselwörter: Flatterulme, Ulmus laevis, Bayern, Ver- letzten 30 Jahren substanziell geschärft, auch wenn breitung, Förderung, Verwendung weiterhin einige Lücken bestehen. Zusammenfassung: Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) ist In diesem Beitrag soll der Versuch unternommen wer- eine in Bayern heimische Baumart und wird meist zu den den, die Verbreitung der Flatterulme in Bayern zu be- »seltenen heimischen Baumarten« gerechnet. Ursprüng- schreiben und sowohl in Bezug auf das natürliche Vor- lich war sie vor allem in verschiedenen Feuchtwald-Typen kommen als auch die ökologischen Ansprüche der Art verbreitet Sie erfuhr praktisch nie oder nur sehr regio- zu deuten und auf Erhebungs- und Forschungsbedarf nal eine forstliche Wertschätzung und einen forstlichen hinzuweisen. Ebenfalls dargestellt werden in Form ei- Anbau. Gleichzeitig verloren ihre natürlichen Standorte nes ersten Überblicks die Bemühungen ihrer verstärk- vielerorts durch den Gewässerausbau, Grundwasserab- ten Berücksichtigung in den letzten 20 Jahren in Form senkung und Entwässerung an Fläche. Unser Bild ihrer erfolgter Pflanzungen. Verbreitung hat sich in den letzten 30 Jahren substanziell geschärft, auch wenn weiterhin einige Kenntnislücken be- Datenquellen und Datenlage stehen. Sie ist in allen Teilen Bayerns natürlicherweise zu Will man die Verbreitung der Flatterulme in Bayern erwarten, steigt aber in Mittelgebirgen und Alpen nicht betrachten, so stehen hierfür vor allem floristisch bzw. höher als ca. 600 bis 800 Metern, obwohl sie weder als ex- vegetationskundlich orientierte Quellen Bayerns und trem frostempfindlich noch als sehr wärmebedürftig zu Deutschlands zur Verfügung (siehe unten). charakterisieren ist. Durch die Auswirkungen des Eschen- Die Forstliche Stichprobeninventur der Bayeri- triebsterbens und ihre günstigen Eigenschaften in Bezug schen Staatsforsten (BaySF) für den Staatswald und auf »schwierige Standorte« sowie eine günstige Progno- auch die Bundeswaldinventur (BWI) unterscheiden se im Klimawandel wird ihre Bedeutung als Waldbaum die Ulmen-Arten bisher bedauerlicher Weise nicht, so weiter zunehmen. Davon zeugen auch die in den letzten dass aus diesen Quellen keine Informationen speziell 20 Jahren getätigten Pflanzungen in ganz Bayern. zur Flatterulme zu ziehen sind. Für Ulmen allgemein erbrachten die BWI folgende Kennzahl für den Stand 2012 auf der Basis der Hochrechnung der Traktecken. Demnach verfügt Deutschland rechnerisch über 15.217 Die natürliche Verbreitung der Flatterulme Hektar Ulmenbestände (also die reine Standfläche der in Bayern Ulmen), von denen die allermeisten als Mischbestän- de realisiert sein dürften, so dass die Zahl der Bestän- Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) ist eine in Bayern de mit Beteiligung von Ulmen natürlich bei einem heimische Baumart und wird meist zu den »seltenen Vielfachen liegt. Weitere, wertvolle forstliche Angaben heimischen Baumarten« gerechnet. Ursprünglich war zur Verbreitung konkret der Flatterulme ergeben sich sie vor allem in verschiedenen Feuchtwald-Typen ver- jedoch aus der Stichprobeninventur der FFH-Gebie- breitet, sowie auch in Hangmischwäldern. Historisch te durch die FFH-Inventurteams der Forstverwaltung wurde sie regional in der Holzverwendung für spezi- und die Vegetationsaufnahmen aus Naturwaldreserva- elle Anwendungen durchaus geschätzt, erfuhr aber ten (NWRen) (s.u.). praktisch nie oder nur sehr regional einen forstlichen Gezielte Datensammlungen und Analyseversuche Anbau. Vielmehr unterlag sie lange Zeit weit überwie- zu den seltenen heimischen Baumarten waren bisher gend einer sehr ungünstigen Einschätzung ihrer forstli- meist eher die Ausnahme, und dies trifft auch auf die chen Eigenschaften. Gleichzeitig erfuhren ihre natürli- drei Ulmenarten zu. Einen bayernweiten Überblick chen Standorte vielerorts durch den Gewässerausbau, über die Verbreitung aller heimischen Ulmenarten Grundwasserabsenkung und Entwässerung vielerorts Bayerns versuchte Schiebelsberger (2007) im Zuge sei- an Fläche. Unser Bild ihrer Verbreitung hat sich in den ner Diplomarbeit im Rahmen des damaligen Bundes- LWF Wissen 83 19 Die Flatterulme in Bayern – Überblick über ihr Vorkommen und Erfahrungen zu Eignung und Verwendung projektes zu den seltenen Baumarten. Für den Raum Bresinsky (1990) in ihrem Verbreitungsatlas hinweisen. zwischen Lech und Isar liegt eine weitere Bachelor-Ar- Selbst in Form von Exemplaren in Waldlehrpfaden beit vor (Degenhardt 2016). Beide Arbeiten konnten ei- (wie in Zusmarshausen, eig. Beobachtung 1998, vgl. nige Funde zusammentragen. Regionale Arbeiten wie Müller-Kroehling 2005) oder in botanischen Inventuren jene von Degenhardt (2016) oder Kroehling (2015) haben (wie im Isarmündungsgebiet, Linhard 1964) wurde die zweifellos den Vorteil, den regionalen Kontext gründli- Art regelmäßig mit der Feld- oder der Bergulme ver- cher erforschen zu können, und solche Arbeiten sind wechselte bzw. gemeinsame Vorkommen mit diesen auch für weitere Flusssysteme nachahmenswert und Arten ausschließlich diesen zugeordnet. So wurden regelrecht notwendig. oft selbst aus Gebieten, in denen man heute weiß, dass Schiebelsberger dokumentierte 113 bayerische Ul- die Art individuenreiche Vorkommen hat, diese uner- men-Vorkommen mit ca. 29.000 Individuen, davon ca. wähnt gelassen und nur andere Ulmenarten erwähnt, 20 % Flatterulmen (ca. 4700 Stk.). Ein Unterschied der so dass man vermuten muss, dass sie entweder über- Vorkommen dieser Baumart im Vergleich zu Berg- und sehen wurde oder zumindest teilweise verwechselt Feldulme bestand in einer anderen Altersstruktur, da wurde. auch zahlreiche Altbäume vorhanden sind, da die Art Ein weiterer Aspekt war ihre häufig angezweifelte ja gegen das Ulmensterben weitgehend unempfindlich Ursprünglichkeit. Obwohl jahrzehntelang über Baum- ist. Hingegen ist die Verjüngung der Flatterulme we- schulen praktisch gar nicht zu beziehen, finden sich niger zahlreich vorhanden, da sie als einzige der drei doch in Städten und Dörfern immer wieder Flatterul- Ulmenarten eine Rohbodenkeimerin ist, während die men als Stadt- und Landschaftsbäume, so in Lands- Feldulme auch Wurzelbrut betreibt und die Bergulme hut, Ingolstadt, Landsberg oder Augsburg, und solche sich auch auf Waldböden mit Bodenvegetation stärker Vorkommen in einem anthropogenen Kontext wurden erfolgreich verjüngen kann. Daher waren 58 % der von dann wohl oft zum Anlass genommen, diese Vorkom- Schiebelsberger erfassten Flatterulmen über 20 cm men für anthropogenen Ursprungs zu halten. Verstärkt BHD stark, und nur gut 1000 Stück unter 7 cm BHD. wurde dieser Denkansatz noch durch die Theorie, Degenhardt (2016) fand in ihrem südwestbayeri- dass die Flatterulme als mutmaßlich nur mäßig kalkto- schen Bezugsraum 12 Vorkommen mit 173 Einzelbäu- lerante Baumart (Kreutzer 1987, vgl. Beitrag von Thurm men. Feuchtstandorte, auch organisch beeinflusste, et al. in diesem Heft) in den kalkreichen Flusstälern jedoch auch sehr basenreiche, überwogen. Kroehling von Lech und Isar ja gar nicht autochthon sein könne, (2000, 2015) führte Kartierungen im Raum Landshut weil sie ja kalkunverträglich sei und hier folglich chlo- (Stadt Landshut, Markt Ergolding) durch und konnte rotisch werde. interessante Zusammenhänge der Vorkommen mit Janssen und Hewicker (2006) haben für Schleswig-Hol- bestimmten Standortsmerkmalen aufzeigen, wie dem stein exemplarisch aufgezeigt, dass die Flatterulme Vorkommen in den Auwaldungen stets in Mischung mit hier in der freien Landschaft ein Relikt der natürlichen anderen Auwaldbaumarten, von denen ebenso wenig Feuchtwälder ist, obwohl es dort auch in Dörfern und von einer Pflanzung auszugehen war (Lavendelweide, Städten Flatterulmen als Dorf- und Stadtbäume gibt. Echte Schwarzpappel, baumförmiger Kreuzdorn) und Ein solches Auftreten in »Reliktbeständen« in Mi- im Siedlungsgebiet vorwiegend in Bahnhofsarealen schung mit anderen Baumarten, die meist forstlich und Gewerbebrachen, wo sie als Rohbodenkeimer zur nicht gepflanzt wurden, wie Kreuzdorn (Rhamnus natürlichen Verjüngung kommen kann. cathartica), Echter Schwarzpappel (Populus nigra), Lavendelweide (Salix eleagnos), Silberweide (S. alba) Bild der Verbreitung im Wandel und ähnlichen Baumartenmischungen der natürlichen Unser Bild von der tatsächlichen Verbreitung der Flat- Auenwälder, sowie das Vorkommen entlang entspre- terulme und der Natürlichkeit dieser Vorkommen hat chender Geländestrukturen wie früherer Gewässer- sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Dies läufe kann als wichtiges Indiz für ein ursprüngliches hat zwei Hauptgründe. Vorkommen angenommen werden. In der freien Zum einen waren Vorkommen in der Vergangenheit Landschaft wachsende Exemplare sind natürlich nicht oft übersehen worden oder wurden falsch bestimmt. zwangsläufig ein Beleg für ein ursprüngliches, autoch- Obwohl sie eigentlich anhand verschiedener Merkma- thones Vorkommen an dieser Lokalität, da es sich um le sehr gut ansprechbar ist (so auch bereits Hempel »verwilderte« Exemplare gepflanzter Bäume handeln und Wilhelm 1889), und auch ältere Florenwerke oft kann. Es sollte aber auch nicht im vorneherein von bereits den Weg wiesen (Sendtner 1854), wurde sie einem nicht natürlichen Vorkommen ausgegangen doch sehr oft verkannt, worauf auch Schönfelder und werden, sondern im Zweifelsfall die »Unschuldsvermu- 20 LWF Wissen 83 Die Flatterulme in Bayern – Überblick über ihr Vorkommen und Erfahrungen zu Eignung und Verwendung Abbildung 1: Wüchsige, einzeln