Ludwig Hohl «Alles Ist Werk.» 18. September – 28

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Ludwig Hohl «Alles Ist Werk.» 18. September – 28 Ludwig Hohl «Alles ist Werk.» 18. September – 28. November 2004 Hugo Sarbach Vita Ludwig Hohl ‘Enfant terrible’ der Deutschschweizer Literatur des 20. Jahrhunderts, wuchs Ludwig Hohl, geboren am 9. April 1904 in Netstal, gestorben am 3. November 1980 in Genf, im glarnerischen Netstal am Nordfuss der Alpen auf. Sein Vater war protestantischer Pfarrer, die Mutter entstammte einer einheimischen Papierfabrikantenfamilie. Von Netstal zogen die Hohls in den mittelländischen Kanton Thurgau, wo Ludwig Hohl das klassische Gymnasium in Frauenfeld besuchte. Aus jener Zeit datieren ein „Jugendtagebuch“ (1921-1922) und der Beginn zweier „Bergtourenhefte“ (1922-1929). Weil man ihm angeblich aufrührerische Gesinnung vorwarf, wurde Hohl aus der Schule ausgeschlossen, was entscheidende Veränderungen in seinem Leben einleitete. Er verliess das Elternhaus und kehrte nie wieder, sondern widmete sich in Zürich dem Selbststudium; er verliess aber schliesslich auch das Land und zog, kaum 20jährig, mit einer Schulfreundin nach Paris, um Schriftsteller zu werden. Dass ihm damit ernst war, beweist allein die Tatsache, dass er von 1924 bis 1930 in Frankreich blieb und diese Jahre später als die wichtigste Zeit für seine geistige Entwicklung bezeichnete; neben Goethe und Kleist, Spinoza, Lichtenberg und später Karl Kraus wurden vornehmlich grosse Philosophen und Schriftsteller Frankreichs wie Montaigne, Pascal, Balzac, Proust oder Gide wegweisend. 1925 erfolgte die erste Publikation aus eigener Hand, ein schmales, selbst verlegtes Bändchen „Gedichte“. Hohl hielt sich in Frankreich vor allem in der Metropole auf, war aber auch in Marseille und in Hochsavoyen. Als Materialien oder Erstfassungen für spätere Arbeiten verfasste er „Epische Schriften“ (1926-1936). Im Dauphiné ging er seiner grossen Passion, dem Bergsteigen, nach. Im Verlauf der Beschäftigung mit den „Epischen Schriften“ stiess er auf die Form des ihm angemessenen Schreibens: die ‚Notiz’. Dieses Schreiben war zuerst autobiographisch angelegt (davon zeugen lebenslang akribisch geführte Agenda- Aufzeichnungen oder aber ‚Chroniken’ und ‚Berichte’, wie Hohl überhaupt alles Geschriebene autoarchivalisch sorgsam aufhob, einem „Nachlass zu Lebzeiten“ nicht unähnlich), um dann auf geistig-künstlerischer Ebene sich selbst als Schriftsteller zu begegnen. Nach weiteren Aufenthalten in Frankreich, zwischendurch doch auch in der Schweiz – seit seiner Pariserzeit und zeit seines späteren Lebens weigerte sich Ludwig Hohl hartnäckig, Schweizer Mundart zu sprechen, eine der vielen Eigenheiten, die Hohl auf die ihm eigene rituelle Art pflegte –, und in Österreich (in Wien lernte er seine erste Frau kennen – Hohl war fünfmal verheiratet und hatte eine Tochter) siedelte er im Jahr 1931 aus vorwiegend ökonomisch-praktischen Gründen nach Holland über und liess sich für sieben Jahre im Haag nieder. Trotz extremer materieller Not entstand dort in den Jahren 1934-1936 die erste Fassung von Hohls umfangreichem Hauptwerk „Die Notizen oder Von der unvoreiligen Versöhnung“, das seinen Ruf begründet hat: nicht wegzudenken für die einen, ignoriert oder abgelehnt von den anderen. Wie zur Einführung gehen diesem Hauptwerk „Nuancen und Details“ (entstanden 1932-1935) voraus. Nach den „Notizen“ schrieb Hohl in den vierziger Jahren an „Nachnotizen“, aus denen in den 1950er bis 1970er Jahren das nievollendete zweite grosse Werk hervorging: „Von den hereinbrechenden Rändern“. Ludwig Hohls Werk lag zur Hauptsache vor, als der Autor kaum 30 Jahre alt war – und nichts war erschienen. Ludwig Hohl, Vita und Opus 1/3 1937 kam er nach Genf und arbeitete an seinen Werken im Hinblick auf eine Veröffentlichung weiter, eine abwägende und berichtigende Tätigkeit, die er dann lebenslang ausübte. Er blieb bis zu seinem Tod in dieser frankophonen Stadt am Rande der Schweiz. Zuerst publizierte er Teile aus seinen Werken in Zeitungen und Zeitschriften, was – neben Lesungen, die er in Genf veranstaltete – sein einziges Einkommen darstellte. Um eine Existenz bestreiten zu können, war Hohl sein Leben lang auf private wie öffentliche materielle Unterstützung angewiesen. Von 1939 bis 1944 erschienen drei Werke, unter anderem der erste Band „Die Notizen“, dann aber dauerte es zehn Jahre, bis der zweite „Notizen“-Band folgte, für Hohl ein Schlag, den er nie ganz verwand (vgl. Primärliteratur). Ludwig Hohl verbrachte 21 Jahre seines Lebens, von 1954 bis 1975, in einem Kellergemach in Genf. Nicht zuletzt deshalb stand er im Ruf eines Sonderlings und Einzelgängers, dem Trunke und der Polemik ergeben, an einem streng rational und hochstehend ethisch ausgerichteten Werk, mit überraschend sinnlichen oder ironischen Gegengewichten zur angeborenen Melancholie arbeitend, das eine breite Leserschaft nie erreichen konnte. Geplagt zwar von Ausnahmezuständen und Schicksalsschlägen, nahm er sein Leben, wie es war, eigenwillig, durch nichts aufzuhalten, durch nichts zu beirren. Hohls stärkster Lebenswille war wahrscheinlich derjenige zu maximaler Authentizität und Wahrhaftigkeit; sein grösster Glaube war der an die Vernunft: Diese beiden Stützen machten ein Einzelgängerleben möglich. Sein kompromissloses, intensives, auf wenige Menschen ausgerichtetes Privatleben und sein Schreiben ausserhalb von Gesellschaft und Zeitgeschehen wussten vor allem Schriftstellerfreunde zu schätzen, seinerzeit Albin Zollinger, Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt, später Hans Saner, Adolf Muschg oder Peter Handke. Am Ende seines Lebens verband Hohl eine Freundschaft mit dem 2002 verstorbenen Verleger Siegfried Unseld. Breitere Anerkennung stellte sich spät ein. 1971 wurde Hohl Suhrkamp-Autor, und von da an verbesserte sich seine Lage, die zuvor immer aus Phasen des Auftauchens oder der Versenkung bestanden hatte; zudem war er durch eine Familienerbschaft materieller Sorgen enthoben. Die letzten Lebensjahre waren jedoch von Alter und Krankheit überschattet. Er erlag Ende 1980 im Alter von 76 Jahren einem Beinleiden, wenige Monate vor dem Wiedererscheinen der „Notizen“ in einem einzigen Band. Hohl erhielt 1970 den Preis der Schweizerischen Schillerstiftung, 1978 den einmalig verliehenen Robert Walser-Centenar- Preis und im Todesjahr den Petrarca-Preis. Der Schweizer Dokumentarfilmer Alexander J. Seiler hat mit "Ludwig Hohl. Ein Film in Fragmenten" 1982 ein Denkmal gesetzt. Der Nachlass von Ludwig Hohl befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Ludwig Hohl, Vita und Opus 2/3 Opus Ludwig Hohl Von Ludwig Hohl wurden insgesamt neun Werke veröffentlicht – fünf zu Lebzeiten, vier posthum (im Nachlass von Hohl finden sich zusätzlich vier Typoskripte, die nie erschienen sind; vgl. „Primärliteratur“). Zählt man aber alle hohlschen Publikationen zusammen, dann kommt man auf insgesamt 26 Titel. Es kam nämlich vor allem bei den Hauptwerken „Die Notizen“ und „Von den hereinbrechenden Rändern“ immer wieder zur Veröffentlichung von Auszügen, und zwar sowohl als Vorauspublikationen wie auch im nachhinein (etwa bei Suhrkamp im Falle der „Notizen“). Wie so manches bei Ludwig Hohl, ist auch die editorische Situation ziemlich komplex. Ludwig Hohl begann mit Erzählungen: 30 Hefte „Epische Schriften“ bzw. „Grundschriften“, unveröffentlicht, d.h. auf das Centenarium von Hohl hin im Jahr 2004 wird ein Auszug daraus im Suhrkamp Verlag herauskommen: Aus der Tiefsee. Paris 1926, Hrsg. von Ulrich Stadler; „Nächtlicher Weg“ und zuletzt „Bergfahrt“. In seinem Schwanken zwischen Autobiographie, Literatur und Philosophie neigte Hohl mit der Zeit immer stärker zum Denkerisch-Dichterischen, und so entstanden nacheinander „Nuancen und Details“, „Die Notizen“ und „Von den hereinbrechenden Rändern“. Die ersten drei Veröffentlichungen erfolgten im Eigenverlag (vgl. Primärliteratur). Der erste Verlag, der etwas von Hohl herausbrachte, war der Oprecht-Verlag in Zürich (Nuancen und Details). Über den Morgarten-Verlag (Nächtlicher Weg) gelangte Hohl zum dem daraus hervorgegangenen Artemis Verlag ([Friedrich Witz] Die Notizen). In den 1960er Jahren wurde Hohl ein Autor des Walter-Verlages ([Otto F. Walter] Dass fast alles anders ist). Von 1971 an kamen Hohls Werke im Suhrkamp Verlag heraus. So sieht die Situation im einzelnen folgendermassen aus: Von „Die Notizen oder Von der unvoreiligen Versöhnung“, 12 Teile) erschienen ein Teil im Selbstverlag, das gesamte Werk in zwei Bänden bei Artemis und einzelne Teile von den 1970er Jahren an in der Bibliothek Suhrkamp sowie als Ganzes in einem Band ebenfalls bei Suhrkamp. Der Artemis-Verlag veröffentlichte 1944 den ersten Band der „Notizen“. Dann gab es Streit, der bis vor Bundesgericht ging. Das höchste Gericht des Landes anerkannte zugunsten Hohls einen Vertragsbruch durch den Artemis-Verlag und verurteilte diesen zur Veröffentlichung von 300 Exemplaren des zweiten Bandes. Dies geschah zehn Jahre (sic) nach dem Erscheinen des ersten Bandes. Der Prozess – im Nachlass dokumentiert durch einen „Bericht über Artemis“ (Genf 1949. Hektogr. Reprod. in 100 Ex., 23 S.) – ging über den Fall Hohl hinaus, indem er exemplarisch wurde für die Rechtssprechung in Sachen Autoren- und Verlagsrechte in der Schweiz. Bei „Von den hereinbrechenden Rändern. Nachnotizen“ präsentiert sich die Situation noch komplizierter. Zum einen lag dieses Werk nie vollendet vor; zum andern erschienen vier Vorauspublikationen, von denen vor allem „Dass fast alles anders ist“ hervorzuheben ist. Als Ganzes erschien das Werk erst posthum und dokumentiert Genese und Fassungsstand – hätte der Autor „Von den hereinbrechenden Rändern“ selbst veröffentlichen können, so hätte seine Edition wahrscheinlich anders ausgesehen als diejenige der Herausgeber, die vor einer Art literarischer Baustelle standen. Das hohlsche Werk lag sehr früh vor. Der Autor überarbeitete es vom Ende der 1930er Jahre an in den einzelnen Teilen parktisch bis zum Tod. Es gab bei Hohl vor allem drei Schaffensperioden, nämlich die 1930er Jahre, die 1950er Jahre und zuletzt die Jahre 1971-1975. Ludwig Hohl, Vita und Opus 3/3 .
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